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BGH, Urteil vom 29. Juni 2021 – II ZR 75/20

§ 113 AktG, § 114 AktG, § 115 Abs 3 AktG

Ein Beratungsvertrag zwischen einer Aktiengesellschaft und einer Gesellschaft, deren gesetzlicher Vertreter ihr Aufsichtsratsmitglied ist, fällt in den Anwendungsbereich der §§ 113, 114 AktG.

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 4. März 2020 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens und des Revisionsverfahrens trägt der Beklagte.

Der Streitwert wird für das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren auf 423.033,55 € und für das Revisionsverfahren auf 61.399,23 € festgesetzt.

Von Rechts wegen

Tatbestand

Die Klägerin ist durch mehrere Umwandlungen aus der D.  AG (im Folgenden: D.   alt) hervorgegangen.

Der Beklagte war vom 1. Juli 2006 bis 31. Dezember 2007 Vorsitzender des Aufsichtsrats der D.   (alt). Seit der Umwandlung ihrer Rechtsnachfolgerin in die D.  AG (im Folgenden: D.     neu) am 17. April 2008 übte der Beklagte das Amt des Aufsichtsratsvorsitzenden der D.   (neu) bis zu seiner Abberufung am 10. März 2011 aus.

Die D.   (neu) zahlte auf der Grundlage einer Vereinbarung mit der I.  AG, deren Vorstandsvorsitzender der Beklagte war, ohne Zustimmung des Aufsichtsrats für die vom Beklagten im Auftrag der I.   AG erbrachten Beratungsleistungen 33.914,00 € (Rechnung vom 27. Mai 2009) und 27.485,23 € (Rechnung vom 18. Juli 2010) an die I.  AG, mithin insgesamt 61.399,23 €. Alleinaktionär der I.  AG war zur Zeit der Rechnungsstellung  B.  .

Mit der Klage verlangt die Klägerin vom Beklagten u.a. die Zahlung der an die I.  AG geleisteten Beratervergütung.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht das landgerichtliche Urteil abgeändert und der Klage bis auf einen Teil des Zinsanspruches stattgegeben. Dagegen richtet sich die vom erkennenden Senat insoweit zugelassene Revision des Beklagten.

Entscheidungsgründe

Die Revision hat keinen Erfolg.

I. Das Berufungsgericht (OLG HammBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG Hamm
, AG 2020, 714) hat seine Entscheidung, soweit für die Revisionsinstanz von Bedeutung, im Wesentlichen wie folgt begründet:

Die D.    (neu) habe Anspruch auf Rückgewähr von 61.399,23 € Beratervergütung aus den Rechnungen vom 27. Mai 2009 und 18. Juli 2010.

Der Beklagte habe das Amt des Aufsichtsratsvorsitzenden der D.     (neu) tatsächlich ausgeübt. § 114 AktG gelte auch im Falle fehlerhafter Bestellung und sei auch auf „nahestehende Personen“ und deshalb auf eine juristische Person anzuwenden, deren gesetzlicher Vertreter das Aufsichtsratsmitglied sei. Das sei zwar anders als bei § 115 AktG nicht ausdrücklich angeordnet, die Vorschrift insoweit planwidrig unvollständig und die Lücke dem Zweck von § 114 AktG entsprechend im Wege der Analogie zu schließen. Es komme nicht darauf an, dass der Beklagte nicht Anteilseigner der I.   AG sei und ihm die Vergütungen auch wirtschaftlich nicht zugutegekommen seien. Maßgeblich sei nicht die rechtliche Konstruktion, sondern eine wirtschaftliche Betrachtung. Der gesetzliche Vertreter einer juristischen Person oder Personenhandelsgesellschaft habe bereits wegen seiner treuhänderischen Bindung der Gesellschaft gegenüber stets ein auch wirtschaftliches Interesse an deren Vorteilen. Bereits in der Möglichkeit, den Adressaten der Zahlung zu bestimmen, sei ein relevanter Vorteil zu sehen. Entscheidend sei, dass eine Vergütung für die vereinbarten persönlichen Dienstleistungen des Aufsichtsratsmitglieds entsprechend § 115 Abs. 3 Satz 1 AktG der I.  AG als einem von diesem vertretenen Dritten gewährt werde. Im Übrigen habe der Beklagte seine Behauptung, die Zahlungen seien ihm wirtschaftlich nicht zugeflossen, nicht hinreichend substantiiert dargelegt. Die am 18. Januar 2016 zugestellte Klage habe die Verjährung gehemmt. Kenntnis von den beiden Rechnungen hätten die Vorstands- oder Geschäftsführungsmitglieder der Klägerin oder ihrer Rechtsvorgängerin erst im Frühjahr 2015 besessen.

Il. Das Berufungsurteil hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung stand.

Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, dass der Klägerin ein durchsetzbarer Anspruch aus § 114 Abs. 2 Satz 1 AktG analog gegen den Beklagten auf Rückzahlung von 61.399,23 € nebst Rechtshängigkeitszinsen zusteht.

1. Das Berufungsgericht hat zutreffend den Anwendungsbereich des § 114 Abs. 1 AktG auf den Vertrag einer Aktiengesellschaft mit einer juristischen Person erstreckt, deren gesetzlicher Vertreter ihr Aufsichtsratsmitglied ist.

a) Eine Gesellschaft darf gemäß § 114 Abs. 1 AktG grundsätzlich keine Honorare an ein Aufsichtsratsmitglied zahlen, bevor der zugrundeliegende Beratungsvertrag vom Aufsichtsrat genehmigt worden ist. Der Regelungszweck des § 114 AktG ist im Zusammenhang mit demjenigen des § 113 AktG zu sehen. Nach § 113 AktG hat die Hauptversammlung über die Höhe der Vergütung der Aufsichtsratsmitglieder zu entscheiden, soweit das nicht bereits in der Satzung geschehen ist. Der Zweck des § 114 AktG besteht zum einen darin, Umgehungen des § 113 AktG zu verhindern, indem es dem Aufsichtsrat ermöglicht wird, den vom Vorstand geschlossenen Beratungsvertrag präventiv darauf zu überprüfen, ob er tatsächlich in Übereinstimmung mit dem gesetzlichen Gebot des § 113 AktG nur Dienstleistungen außerhalb der organschaftlichen Tätigkeit zum Gegenstand hat. Der dadurch bewirkte Zwang, den Beratungsvertrag offenzulegen und dem Aufsichtsrat zur Zustimmung zu unterbreiten, soll diesem zugleich die Möglichkeit eröffnen, sachlich ungerechtfertigte Sonderleistungen der Aktiengesellschaft an einzelne Aufsichtsratsmitglieder – etwa in Form überhöhter Vergütungen – und damit eine denkbare unsachliche, der Erfüllung seiner Kontrollaufgabe abträgliche Beeinflussung des Aufsichtsratsmitglieds durch den Vorstand zu verhindern (BGH, Urteil vom 4. Juli 1994 – II ZR 197/93, BGHZ 126, 340, 346 ff.; Urteil vom 3. Juli 2006 – II ZR 151/04, BGHZ 168, 188 Rn. 9; Urteil vom 20. November 2006 – II ZR 279/05, BGHZ 170, 60 Rn. 9; Urteil vom 10. Juli 2012 – II ZR 48/11, BGHZ 194, 14 Rn. 12 f. – Fresenius).

Diese Kontrolle ist auch dann geboten, wenn der Beratungsvertrag nicht mit dem Aufsichtsratsmitglied persönlich, sondern mit einer Gesellschaft geschlossen wird, deren Alleingesellschafter und Geschäftsführer das Aufsichtsratsmitglied ist (BGH, Urteil vom 3. Juli 2006 – II ZR 151/04, BGHZ 168, 188 Rn. 10) oder an der das Aufsichtsratsmitglied beteiligt ist, und ihm dadurch mittelbare Zuwendungen zufließen, bei denen es sich nicht nur um – abstrakt betrachtet – ganz geringfügige Leistungen handelt oder die im Vergleich zu der von der Hauptversammlung festgesetzten Aufsichtsratsvergütung einen vernachlässigenswerten Umfang haben (BGH, Urteil vom 20. November 2006 – II ZR 279/05, BGHZ 170, 60 Rn. 8; Urteil vom 2. April 2007 – II ZR 325/05, ZIP 2007, 1056 Rn. 11; Urteil vom 10. Juli 2012 – II ZR 48/11, BGHZ 194, 14 Rn. 14 – Fresenius).

b) Den Angriffen der Revision stand hält die Auffassung des Berufungsgerichts, das Zustimmungserfordernis des § 114 Abs. 1 AktG analog auf die Vereinbarung der Rechtsvorgängerin der Klägerin mit der I.  AG anzuwenden, welche den vom Beklagten erbrachten Beratungsleistungen zugrunde lag.

aa) Ob ein Beratungsvertrag zwischen einer Aktiengesellschaft und einer Gesellschaft, deren gesetzlicher Vertreter ihr Aufsichtsratsmitglied ist, in den Anwendungsbereich der §§ 113, 114 AktG fällt, ist umstritten.

(1) Im Schrifttum wird teilweise die Position des Aufsichtsratsmitglieds als gesetzlicher Vertreter der vertragsschließenden Gesellschaft für die Anwendung der §§ 113, 114 AktG als nicht ausreichend erachtet (Hopt/Roth in Großkomm. AktG, 5. Aufl., § 114 Rn. 60; Drygala in K. Schmidt/Lutter, AktG, 4. Aufl., § 114 Rn. 18; Raiser/Wiesner, AG 1976, 266, 267). Einer erweiternden Anwendung des § 114 AktG stehe entgegen, dass allein wegen der gesetzlichen Vertretung noch keine Abhängigkeit von dem Aufsichtsratsmitglied angenommen werden könne. Gegen eine entsprechende Anwendung des § 115 Abs. 3 AktG spreche, dass der Gesetzgeber angesichts der unmittelbaren Aufeinanderfolge der §§ 114, 115 AktG eine übereinstimmende Regelung ohne Weiteres hätte vorsehen können, stattdessen den § 115 AktG aber eng an die Vorschrift des § 89 AktG angelehnt und bewusst mehr formalisiert habe (Hopt/Roth in Großkomm. AktG, 5. Aufl., § 114 Rn. 60).

(2) Nach anderer, auch vom Berufungsgericht vertretenen Ansicht gilt das Zustimmungserfordernis der §§ 113, 114 AktG analog § 115 Abs. 3 AktG auch für Verträge mit juristischen Personen, deren gesetzlicher Vertreter das Aufsichtsratsmitglied ist (KG, AG 1997, 42, 44 f.; LG Köln, ZIP 2002, 1296, 1297 f.; MünchKommAktG/Habersack, 5. Aufl., § 114 Rn. 14; KK-AktG/Mertens/Cahn, 3. Aufl., § 114 Rn. 18; BeckOGK AktG/Spindler, Stand: 1. Februar 2021, § 114 Rn. 10; Hölters/Hambloch-Gesinn/Gesinn, AktG, 3. Aufl., § 114 Rn. 11; Drinhausen/Eckstein, Beck’sches Handbuch der AG, 3. Aufl., § 7 Rn. 264; Oppenhoff, Festschrift Barz, 1974, S. 283, 286 f.; Lutter, Festschrift H. P. Westermann, 2008, S. 1171, 1180 f.).

bb) Der Senat schließt sich der zuletzt genannten Auffassung an. Die §§ 113, 114 AktG erfassen auch den Fall, dass die Aktiengesellschaft den Vertrag mit einer Gesellschaft schließt, deren gesetzlicher Vertreter ihr Aufsichtsratsmitglied ist.

(1) Der Normzweck der §§ 113, 114 AktG, nämlich die Aktiengesellschaft vor verdeckten Aufsichtsratvergütungen und der Gefährdung der Unabhängigkeit des Aufsichtsratsmitglieds durch zu enge Beraterbeziehungen zu schützen (BGH, Urteil vom 3. Juli 2006 – II ZR 151/04, BGHZ 168, 188 Rn. 9; Urteil vom 20. November 2006 – II ZR 279/05, BGHZ 170, 60 Rn. 9 f.; Urteil vom 10. Juli 2012 – II ZR 48/11, BGHZ 194, 14 Rn. 13 – Fresenius), erfasst auch diesen Fall.

Die unvoreingenommene und unabhängige Überwachung der Aktiengesellschaft durch den Aufsichtsrat kann auch dann beeinträchtigt sein, wenn das Aufsichtsratsmitglied als gesetzlicher Vertreter des Vertragspartners auf der anderen Seite eines Beratervertrages steht. Unabhängig von der Beteiligung des gesetzlichen Vertreters an seiner Gesellschaft und/oder der Vereinbarung einer erfolgsabhängigen Vergütung trifft ihn der wirtschaftliche Erfolg oder Misserfolg seiner Gesellschaft in seiner beruflichen Stellung (LG Köln, ZIP 2002, 1296, 1297 f.; Lutter, Festschrift H. P. Westermann, 2008, S. 1171, 1180 f.).

Darüber hinaus führen besondere Beraterbeziehungen zwischen dem Vorstand und einzelnen Aufsichtsratsmitgliedern auch außerhalb der Gewährung rechtswidriger Sondervorteile zu engen Beziehungen und Verflechtungen zwischen den an ihnen beteiligten Personen, die Einfluss auf die Ausübung der Überwachungstätigkeit haben können. Auch unter diesem Gesichtspunkt ist es geboten, dass das Bestehen derartiger Verträge gegenüber dem Aufsichtsrat offengelegt und ihre Wirksamkeit von seiner Zustimmung abhängig gemacht wird (BGH, Urteil vom 4. Juli 1994 – II ZR 197/93, BGHZ 126, 340, 347 f.).

Der Einwand der Revision, nach dem revisionsrechtlich zu unterstellenden Vortrag des Beklagten habe dieser bei der I.  AG nur ein erfolgsunabhängiges bzw. tätigkeitsbezogenes Festgehalt bezogen, welches völlig unabhängig von den Honorareinnahmen der I.   AG für seine Beratertätigkeiten gewesen sei, geht deshalb ins Leere. Das erfolgsunabhängige Festgehalt des Beklagten musste durch die von ihm vertretene I.  AG, der die Honorare für die vom Beklagten erbrachten Beratungsleistungen als Vertragspartnerin der Klägerin zugeflossen sind, auch erwirtschaftet werden.

(2) § 115 AktG entfaltet gegenüber einer solchen erweiternden Auslegung des § 114 AktG keine Sperrwirkung, wie der Senat bereits ausgesprochen hat (BGH, Urteil vom 3. Juli 2006 – II ZR 151/04, BGHZ 168, 188 Rn. 11; Urteil vom 20. November 2006 – II ZR 279/05, BGHZ 170, 60 Rn. 7).

Anders als § 115 AktG, der den Zustimmungsvorbehalt für Kreditgewährungen an Aufsichtsratsmitglieder ausdrücklich auf eine Reihe von Umgehungssachverhalten ausdehnt (vgl. auch § 89 AktG), enthält § 114 AktG zwar keine entsprechende Regelung. Da ein Sachgrund hierfür nicht ersichtlich ist, ist nicht davon auszugehen, dass der Gesetzgeber bewusst davon abgesehen hat, offenbare Umgehungen der §§ 113, 114 AktG in deren Anwendungsbereich einzubeziehen. Entscheidend ist allein, dass anderenfalls Umgehungen der genannten Vorschriften durch Einschaltung einer Gesellschaft, deren gesetzlicher Vertreter das Aufsichtsratsmitglied ist, Tür und Tor geöffnet wäre und ein bewusstes Absehen des Gesetzgebers von einem Umgehungsschutz regelmäßig nicht angenommen werden kann (BGH, Urteil vom 3. Juli 2006 – II ZR 151/04, BGHZ 168, 188 Rn. 11).

Entgegen der Ansicht der Revision lässt sich deshalb aus § 115 AktG nicht entnehmen, dass es für die von dem Berufungsgericht befürwortete analoge Anwendung des § 114 AktG auf den vorliegenden Fall an einer planwidrigen Regelungslücke fehle. Es ist nicht auszuschließen, dass das Aufsichtsratsmitglied, insbesondere wenn es – wie hier der Beklagte – aufgrund seiner Stellung als Vorsitzender des Aufsichtsrats besonderen Einfluss ausüben kann, bei dem Vertragsschluss (allein) die Interessen der von ihm vertretenen Gesellschaft im Blick hat und sich auf der anderen Vertragsseite bei seiner Aktiengesellschaft auch dann für den Vertragsschluss einsetzt, wenn dieser für sie nachteilig ist. Bereits der Verdacht, dass das Aufsichtsratsmitglied seine Position als gesetzlicher Vertreter des Vertragspartners ausnutzen kann, um Beratungsmandate für diesen zu akquirieren, erfordert, den Anwendungsbereich des § 114 AktG auch auf diese Fallkonstellation zu erstrecken. Solche Vertragsgestaltungen werden damit auch nicht ausgeschlossen, sondern sie unterliegen lediglich der Zustimmungspflicht des Aufsichtsrats, § 114 Abs. 1 AktG.

(3) Durch eine solche erweiternde Auslegung des § 114 Abs. 1 AktG werden auch Umgehungsgeschäfte erfasst und verhindert, mit denen der Zweck der §§ 113, 114 AktG vereitelt werden soll. Anderenfalls würde § 114 AktG auch insoweit leerlaufen, da allein schon um der Lästigkeit zu entgehen, solche Verträge im Aufsichtsrat zu erörtern, auf Verträge mit Gesellschaften ausgewichen werden könnte (Oppenhoff, Festschrift Barz, 1974, S. 283, 287).

Ein solches Umgehungsgeschäft liegt hier vor. Hätte der Beklagte die den beiden Rechnungen zugrundeliegende Vereinbarung mit der D.   (neu) geschlossen, wäre diese gemäß §§ 113, 114 AktG unwirksam gewesen. Ob es sich bei der gewählten vertraglichen Konstellation um eine bewusste Umgehung handelt, ist unerheblich. Der Schutzzweck der §§ 113, 114 AktG erfordert keinen Vorsatz oder gar Absicht der Beteiligten, sondern will allein den dargestellten objektiven Gefahren entgegenwirken und eine objektive Umgehung der Normen verhindern (vgl. BGH, Urteil vom 3. Juli 2006 – II ZR 151/04, BGHZ 168, 188 Rn. 10).

c) Da der Beklagte weder eine Zustimmung des Gesamtaufsichtsrats noch der Hauptversammlung behauptet hat, kann dahinstehen und bedarf keiner weiteren Feststellungen, ob die den Honoraren zugrundeliegende Vereinbarung nach § 114 AktG genehmigungsfähig oder eine nach § 113 AktG unzulässige Vergütungsvereinbarung war.

d) Ebenso bedarf es entgegen der Revision keiner weiteren Feststellung zu der Höhe der Aufsichtsratsvergütung des Beklagten bei der D.   (neu). Der entsprechend anzuwendende § 115 AktG sieht für die von ihm geregelten Umgehungssachverhalte gerade keine Geringfügigkeitsgrenze vor. Nach Sinn und Zweck der §§ 113, 114 AktG kommt es bei einem gesetzlichen Vertreter des Vertragspartners der Aktiengesellschaft, welcher ein erfolgsunabhängiges bzw. tätigkeitsbezogenes Festgehalt bezieht, auch nicht auf das Verhältnis der Aufsichtsratsvergütung zu dem genehmigungspflichtigen Beraterhonorar des von ihm vertretenen Vertragspartners, dem das Honorar allein zufließt, an.

e) Der von der Revision nicht mehr aufgegriffene Einwand des Beklagten, wonach er für die D.    (neu) lediglich bis zur ersten Hauptversammlung vom 11. Mai 2009 wirksam bestellt worden sei, geht ins Leere, da er tatsächlich bis zu seiner Abberufung am 10. März 2011 das Amt des Aufsichtsratsvorsitzenden ausgeübt hat. § 114 Abs. 2 AktG findet auch auf Aufsichtsratsmitglieder Anwendung, deren Bestellung fehlerhaft erfolgt ist (BGH, Urteil vom 3. Juli 2006 – II ZR 151/04, BGHZ 168, 188 Rn. 14).

Erfasst werden von § 114 AktG auch Verträge mit dem Aufsichtsratsmitglied, die vor Beginn seiner Amtstätigkeit geschlossen wurden (BGH, Urteil vom 3. Juli 2006 – II ZR 151/04, BGHZ 168, 188 Rn. 19; Urteil vom 2. April 2007 – II ZR 325/05, ZIP 2007, 1056 Rn. 18), weshalb dahinstehen kann, wann die den Rechnungen zugrundeliegende Vereinbarung zwischen der Rechtsvorgängerin der Klägerin und der I.  AG geschlossen worden ist.

f) Rückzahlungspflichtig ist nach dem Wortlaut des § 114 Abs. 2 Satz 1 AktG das Aufsichtsratsmitglied und somit der Beklagte. Soll ein Aufsichtsratsmitglied die §§ 113, 114 AktG durch eine Gestaltung der vorliegenden Art nicht umgehen können, so müssen die Rechtsfolgen einer etwaigen Unzulässigkeit des Beratervertrages unter Einschluss derjenigen des Fehlens einer Zustimmung des Aufsichtsrats gemäß § 114 Abs. 1 AktG, insbesondere die aktienrechtliche Rückgewährverpflichtung des Aufsichtsratsmitglieds gemäß § 114 Abs. 2 AktG, auch gegenüber dem Aufsichtsratsmitglied eingreifen, der als gesetzlicher Vertreter des Vertragspartners der Aktiengesellschaft gehandelt hat (vgl. BGH, Urteil vom 3. Juli 2006 – II ZR 151/04, BGHZ 168, 188 Rn. 12).

2. Das Berufungsgericht hat weiter zutreffend angenommen, dass der Rückgewähranspruch der Klägerin gegen den Beklagten aus § 114 Abs. 2 Satz 1 AktG nicht verjährt ist, da die am 18. Januar 2016 zugestellte Klage die Verjährung gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB gehemmt hat. Auf den Rückgewähranspruch ist die regelmäßige Verjährungsfrist der §§ 195, 199 BGB anzuwenden (BGH, Urteil vom 3. Juli 2006 – II ZR 151/04, BGHZ 168, 188 Rn. 21).

a) Das Berufungsgericht hat festgestellt, dass der jetzige Geschäftsführer erst nach seinem Eintritt in die Leitung der Klägerin im Herbst 2014 im Zuge seiner Einarbeitung in die Akten des Unternehmens auf die Rechnungen vom 27. Mai 2009 und vom 18. Juli 2010 gestoßen ist und diese ihm bis Frühjahr 2015 nicht bekannt gewesen sind. Die gegen diese Feststellung gerichtete Verfahrensrüge der Revision ist unzulässig. Eine etwaige Unrichtigkeit tatbestandlicher Feststellungen im Berufungsurteil kann nur im Berichtigungsverfahren nach § 320 ZPO, nicht jedoch mit einer Verfahrensrüge nach § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b ZPO behoben werden (BGH, Urteil vom 11. September 2018 – II ZR 307/16, ZIP 2018, 2024 Rn. 30 mwN). Ein auf die Berichtigung des Tatbestands gerichtetes Verfahren hat der Beklagte nicht durchgeführt.

Der Tatbestand geht selbst bei einem Widerspruch zwischen den tatbestandlichen Feststellungen und dem in Bezug genommenen Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze vor. Ein etwaiger Widerspruch zwischen den tatbestandlichen Feststellungen des Berufungsgerichts („Kenntnis Frühjahr 2015“) und dem Inhalt des Schriftsatzes der Klägerin vom 22. November 2016 („Kenntnis Herbst 2015“) kann demnach nicht mehr mit der Verfahrensrüge nach § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ZPO geltend gemacht werden, sondern hätte ebenfalls mit einem Tatbestandsberichtigungsantrag nach § 320 ZPO beseitigt werden müssen (BGH, Urteil vom 28. Mai 2013 – XI ZR 6/12, ZIP 2013, 1372 Rn. 18). Zudem hat sowohl bei Kenntnis im Frühjahr 2015 als auch bei Kenntnis im Herbst 2015 die Verjährungsfrist erst mit Ende des Jahres 2015 zu laufen begonnen.

b) Entgegen der Revision lag auch keine grob fahrlässige Unkenntnis der Klägerin bzw. ihrer Rechtsvorgängerinnen i.S.d. § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB vor.

Grobe Fahrlässigkeit setzt einen objektiv schwerwiegenden und subjektiv nicht entschuldbaren Verstoß gegen die Anforderungen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt voraus. Grob fahrlässige Unkenntnis im Sinne von § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB liegt nur vor, wenn dem Gläubiger die Kenntnis deshalb fehlt, weil er ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt und nicht beachtet hat, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen. Ihm muss persönlich ein schwerer Obliegenheitsverstoß in seiner eigenen Angelegenheit der Anspruchsverfolgung („Verschulden gegen sich selbst“) vorgeworfen werden können, weil sich ihm die den Anspruch begründenden Umstände förmlich aufgedrängt haben, er davor aber letztlich die Augen verschlossen hat (BGH, Urteil vom 15. März 2016 – XI ZR 122/14, ZIP 2016, 1107 Rn. 34 mwN). Den Gläubiger trifft generell keine Obliegenheit, im Interesse des Schuldners an einem möglichst frühzeitigen Beginn der Verjährungsfrist Nachforschungen zu betreiben; vielmehr muss das Unterlassen von Ermittlungen nach Lage des Falls als geradezu unverständlich erscheinen, um ein grob fahrlässiges Verschulden des Gläubigers – bzw. des organschaftlichen Vertreters – bejahen zu können (BGH, Urteil vom 15. März 2016 – XI ZR 122/14, ZIP 2016, 1107 Rn. 34 mwN; Urteil vom 19. November 2019 – XI ZR 575/16, juris Rn. 28). Eine unterlassene Aufklärung über anspruchsbegründende Umstände kann nur dann als grob fahrlässig zu qualifizieren sein, wenn der Gläubiger auf der Hand liegende Erkenntnismöglichkeiten, die weder besondere Kosten noch nennenswerte Mühe verursachen, nicht ausnutzt (BGH, Urteil vom 8. Juli 2010 – III ZR 249/09, BGHZ 186, 152 Rn. 28; Urteil vom 13. Januar 2013 – XI ZR 303/12, BGHZ 204, 30 Rn. 29).

Für den neuen Vorstand der D.     (neu) bestand nach diesen Maßstäben entgegen der Ansicht der Revision unmittelbar nach der Abberufung des Beklagten vom Amt des Aufsichtsratsvorsitzenden im Jahr 2011 kein konkreter Anlass, die Rechnungen der I.  AG vom 27. Mai 2009 und vom 18. Juli 2010 auf ihre Rechtmäßigkeit und ihren Rechtsgrund hin zu untersuchen. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Vortrag der Klägerin, den sich der Beklagte zu eigen gemacht hat, wonach die Zahlungen an den Beklagten in die Kategorie „Kumpanei“ fielen, und dass das alleinvertretungsberechtigte, involvierte Vorstandsmitglied G.       das Unternehmen wie eine Familiengesellschaft bzw. die D.    -Gruppe wie einen „Kiosk“ geführt habe, zumal sich diese Umstände für die Klägerin auch erst im Rahmen ihrer Kenntniserlangung von den Rechnungen der I.   AG durch ihren jetzigen Geschäftsführer im Zuge seiner Einarbeitung in die Akten des Unternehmens ergeben haben können. Auch aus dem von Klägerin zu den Akten gereichten Protokoll der Vernehmung des Beklagten als Zeuge in einem Schiedsverfahren im Jahr 2011, wonach er wegen offener Rechnungen für von ihm für die D.   (alt) erbrachten Beratungsleistungen nach dem Tod von G.     , „dann da hinmarschiert“ sei, und sich mit dem Vorstandsmitglied „S.     verabredet habe“, ergibt sich weder, dass für den neuen Vorstand der D.    (neu) bereits im Jahr 2011 ein konkreter Anlass bestand, die Rechnungen der I.  AG an die D.    (neu) auf ihren Rechtsgrund zu untersuchen noch, dass ein Vorstandsmitglied der D.    (neu) von dem fehlenden Rechtsgrund der hier gegenständlichen Zahlungen für Beratungsleistungen der I.  AG für die D.   (neu) Kenntnis haben musste.

Soweit die Revision auf den Vortrag des Beklagten verweist, wonach dieser unter Beweis der Vorstände L.     und W.        gestellt habe, dass er im Aufsichtsrat und bei verschiedenen Gesellschafterversammlungen über seine Tätigkeit berichtet habe, ergibt sich aus diesem allgemeinen gehaltenen Vorbringen nichts Konkretes bezüglich der den beiden gegenständlichen Rechnungen der I.  AG zugrundeliegenden Beratungsleistungen. Der Schluss der Revision, mit diesem Vortrag des Beklagten „konnte nur die zusätzliche, nicht aus der organschaftlichen Stellung geschuldete (Beratungs-)Tätigkeit gemeint sein“, findet keine Grundlage in diesem Vortrag. Schuldner der Beratungsleistung war – auch nach dem Vortrag des Beklagten – die I.   AG und nicht er.

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Schlagworte: AktG § 113, AktG § 114, AktG § 115 Abs. 3, Aufsichtsrat, Beratungsvertrag