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BGH, Urteil vom 29. März 1973 – II ZR 20/71

§ 40 GenG

1. Die fristlose Kündigung von Anstellungsverträgen mit den Vorstandsmitgliedern einer Genossenschaft kann nicht von der Zustimmung eines Dritten (hier: des Genossenschaftsverbandes) abhängig gemacht werden.

2. Das Nachschieben von Kündigungsgründen ist gegenüber dem Vorstandsmitglied einer Genossenschaft grundsätzlich nur zulässig, wenn die Generalversammlung auch insoweit Beschluß gefaßt hat.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 12. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 11. Januar 1971 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an den 2. Zivilsenat des Berufungsgerichts zurückverwiesen.

Tatbestand

Der 1908 geborene Kläger, der seit 1950 Geschäftsführer der Fl-Innung Köln war, übernahm 1953 zusätzlich die Geschäftsführung der beklagten Genossenschaft. Im Jahre 1954 bestellte ihn der Aufsichtsrat der Beklagten zum hauptamtlichen Mitglied ihres dreiköpfigen Vorstands. Das zunächst durch Vertrag vom 17. August 1955 geregelte Anstellungsverhältnis wurde durch einen Anschlußvertrag vom 12. November 1959 „auf die Dauer der Dienstfähigkeit“ des Klägers verlängert. § 7 dieses Vertrags lautet:

„Der Vertrag kann nur aus Gründen, die eine fristlose Kündigung nach § 70 HGB zulassen, gelöst werden, jedoch ist vorher die Entscheidung des Rheinischen Genossenschaftsverbandes herbeizuführen.“

Aufgrund von Bedenken, die gegen die Geschäftsführung des Klägers erhoben worden waren, veranlaßte der Aufsichtsrat der Beklagten eine Prüfung durch den Rheinischen Genossenschaftsverband, der daraufhin am 17. Dezember 1965, 11. Januar 1966 und 12. April 1966 in einem für den Kläger günstigen Sinne Bericht erstattete. Damit nicht zufrieden, erreichte der Aufsichtsrat, daß der Verband den Wirtschaftsprüfer J mit einer erneuten Prüfung beauftragte. Diese fiel für den Kläger ungünstig aus. Hierüber berichtete der Prüfer am 7. Juni 1966 in Anwesenheit des Klägers mündlich dem Aufsichtsrat. Am 24. Juni 1966 beschloß der Aufsichtsrat, den Kläger mit sofortiger Wirkung seines Amts als geschäftsführendes Vorstandsmitglied zu entheben. Dem schloß sich die Generalversammlung der Beklagten durch Beschluß vom 29. Juni 1966 an. Diesen Beschluß teilte der damit beauftragte Aufsichtsratsvorsitzende dem Kläger am 14. Juli 1966 mit dem Bemerken mit, damit habe die Generalversammlung gleichzeitig das Anstellungsverhältnis fristlos gekündigt. Vom 1. Juli 1966 an hat die Beklagte ihre Gehaltszahlungen an den Kläger eingestellt.

Hiergegen wendet sich der Kläger mit seinen Anträgen,

1. festzustellen, daß das Anstellungsverhältnis der Parteien fortbesteht,

2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn am 31. Juli 1966 und jeweils am letzten Tage des folgenden Monats das monatliche Festgehalt sowie jeweils am Quartalsschluß die vereinbarte Umsatzprovision abzurechnen und zu zahlen.

Der Kläger hat geltend gemacht, eine ordnungsmäßige Kündigungserklärung liege ihm gegenüber nicht vor. Sie hätte auch nur mit Zustimmung des Genossenschaftsverbandes ergehen können. Die Gründe für seine Amtsenthebung habe man ihm nicht mitgeteilt und ihn nicht dazu gehört. Sachliche Gründe für eine fristlose Kündigung lägen nicht vor.

Die Beklagte hat mit ihrem Antrag auf Klagabweisung unter anderem folgende Vorgänge für eine außerordentliche Kündigung gegen den Kläger angeführt:

1. In den Jahren 1960 bis 1965 ließ der Kläger die Kosten für eine in seinem Privathaushalt beschäftigte Putzfrau in Höhe von insgesamt 15.130 DM von der Beklagten über deren Lohnkonto bezahlen. Der Kläger hat behauptet, dies habe der frühere Aufsichtsratsvorsitzende H veranlaßt, damit die Ehefrau des Klägers von früh bis spät für die Beklagte habe tätig sein können, ohne daran durch Hausarbeit gehindert zu sein.

2. Die Beklagte hatte dem Kläger für Umsätze in Bedarfsartikeln eine Umsatzprovision von 1 % und für sonstige Umsätze eine solche von 1/2 % zugesagt. Der Kläger hat sich, nach seiner Darstellung nach Vereinbarung mit dem Aufsichtsratsvorsitzenden wegen des zusätzlichen Arbeitsaufwands, für den Geflügelumsatz eine erhöhte Provision von 1 % auszahlen lassen. Die Beklagte erblickt hierin eine weitere grobe PflichtverletzungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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Pflichtverletzung
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3. Als Geschäftsführer der Fl-Innung war der Kläger auch mit der Redaktion eines von der Innung herausgegebenen Informationsblattes mit dem Titel „Die Innung“ betraut, das kostenlos an Metzger verteilt wurde. Nachdem die Aufsichtsbehörde der Innung Verlag und Vertrieb der Zeitschrift untersagt hatte, übernahm der Kläger persönlich die Herausgabe. Im Jahre 1960 gründete er zu diesem Zweck gemeinsam mit seiner Ehefrau die „Fl N & Co. GmbH“. Zur Finanzierung des Blattes führte der Kläger dieser GmbH Beträge zu, die von Lieferanten der Beklagten als sog. Umsatzbonus gezahlt wurden. Nach seiner Behauptung geschah dies im Einvernehmen mit dem Vorstand und dem Aufsichtsrat der Beklagten, die damit der Tatsache Rechnung getragen hätten, daß er und seine Ehefrau die GmbH-Anteile nur als Treuhänder für die Organisationen des Fleischerhandwerks gehalten hätten, in deren Interesse allein sie die Zeitschrift fortgeführt hätten. Demgegenüber sieht die Beklagte in der Zuführung ihr zustehender Lieferantenvergütungen an die Fl-GmbH eine Untreuehandlung des Klägers. Sie hat gegen ihn wegen dieses Sachverhalts ein Urteil auf Zahlung von 21.746,32 DM erwirkt (23 0 109/66 LG Köln = II ZR 21/71 BGH).

Die zu 3 erwähnten Vorgänge wurden in der Generalversammlung vom 29. Juni 1966 nicht erörtert.

Beide Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, verfolgt der Kläger seine Anträge weiter.

Entscheidungsgründe

I. 1. Der Beschluß der Generalversammlung vom 29. Juni 1966, der die Bestellung des Klägers zum geschäftsführenden Vorstandsmitglied der Beklagten widerrief, sprach nicht ausdrücklich auch die sofortige Kündigung des Anstellungsverhältnisses aus. Das Berufungsgericht legt ihn aber in diesem Sinne aus, weil ihm erhebliche Vorwürfe gegen den Kläger wegen seiner Geschäftsführung zugrunde gelegen hätten und der Kläger selbst ihn als Kündigungsbeschluß verstanden habe. Diese Auslegung hält den Angriffen der Revision stand. Zwar sind Bestellung und Anstellung rechtlich verschiedene Dinge (vgl. § 24 Abs. 3 Satz 2 GenG). Aber in der Abberufung eines Vorstandsmitglieds liegt vielfach zugleich die fristlose Kündigung des Anstellungsvertrags, wenn sie erkennbar der Ausdruck eines Vertrauensverlustes ist, der die Rechtsbeziehungen zu dem Entlassenen in ihrer Gesamtheit belastet (vgl. BGHZ 18, 334; für die GmbH: BGH, Urt. v. 12. 7. 71 – II ZR 127/69 –, WM 1971, 1150). Einen solchen Sachverhalt hat das Berufungsgericht fehlerfrei festgestellt.

2. Zu Unrecht sieht die Revision einen die Wirksamkeit der Kündigung ausschließenden Mangel darin, daß die Beklagte dem Kläger vor der Kündigung nicht ausreichend Gelegenheit gegeben hat, zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen Stellung zu nehmen. Richtig ist zwar, daß der Dienstberechtigte unter Umständen aus Gründen der vertraglich geschuldeten Rücksichtnahme gehalten sein kann, dem Gekündigten die Kündigungsgründe beizeiten mitzuteilen (BGHZ 15, 71, 77; vgl. auch § 626 Abs. 2 Satz 3 BGB i.d.F. d. Ges. v. 14. 8. 1969). Ein Verstoß hiergegen berührt aber grundsätzlich nicht die Wirksamkeit der Kündigungserklärung (BGH, Urt. v. 4. 7. 1960 – II ZR 168/58 –, LM GenG § 40 Nr. 1; BAG, Urt. v. 17. 8. 1972 – 2 AZR 415/71 –, NJW 1973, 533; vgl. auch BGHZ 27, 220, 223 ff). Es kommt daher nicht einmal auf die Feststellung des Berufungsgerichts an, die Beklagte habe den Kläger genügend unterrichtet und angehört.

3. Das Berufungsgericht legt § 7 des Anschlußvertrags vom 12. November 1959, der vor einer fristlosen Kündigung eine „Entscheidung“ des Rheinischen Genossenschaftsverbandes fordert, dahin aus, daß der Verband zwar – wie es hier unstreitig geschehen ist (BU 4, 21) – vorher zu hören sei, die Wirksamkeit einer Kündigung aber nicht von seiner Zustimmung abhänge. Diese Auslegung ist entgegen den Ausführungen der Revision nicht nur möglich, sondern auch allein mit dem Gesetz vereinbar. Nach § 40 GenG (vgl. auch § 10 Abs. 1 Satz 2, § 19 der Satzung der Beklagten) steht nämlich die Entscheidung über die fristlose Kündigung des Dienstverhältnisses mit einem Vorstandsmitglied ausschließlich der Generalversammlung zu (BGHZ 32, 114, 122). Gegen diese zwingende Regelung verstieße eine Vertragsklausel, nach der das Dienstverhältnis nur mit Zustimmung des Genossenschaftsverbandes fristlos gekündigt werden könnte; sie würde die ausschließliche Zuständigkeit der Generalversammlung unzulässig beschränken und wäre daher nichtig.

II. 1. In sachlicher Hinsicht hält das Berufungsgericht die Kündigung des Dienstverhältnisses aus wichtigem Grund für gerechtfertigt, weil der Kläger in mindestens drei Fällen seine Vorstandspflichten erheblich verletzt habe und darum als leitender Angestellter der Beklagten untragbar geworden sei. Dadurch, daß der Kläger der Beklagten zustehende Umsatzbonusbeträge bei ihren Lieferanten eingezogen und unbefugt seiner Fl-GmbH für die Zeitschrift „Die Innung“ zugeführt habe, habe er dem Vermögen der Beklagten mehr als 20.000 DM entzogen. Um weitere rund 15.000 DM habe er die Beklagte geschädigt, indem er die für seinen privaten Haushalt tätige Putzfrau aus Mitteln der Beklagten habe entlohnen lassen. Schließlich habe der Kläger unrechtmäßig für den Geflügelumsatz statt der ihm zustehenden Umsatzprovision von 0,5 % eine solche von 1 % auf Kosten der Beklagten bezogen. Das Berufungsgericht läßt offen, ob jeder dieser drei Vorwürfe für sich allein die außerordentliche Kündigung des Dienstverhältnisses tragen könnte. Jedenfalls reichten sie in ihrer Gesamtheit als Kündigungsgrund aus, auch wenn man berücksichtige, daß bei einem langjährigen leitenden Angestellten, insbesondere in vorgerücktem Alter, an eine fristlose Kündigung hohe Anforderungen zu stellen seien (vgl. BGHZ 20, 239, 249; BGH, Urt. v. 4. 7. 1960 – II ZR 168/58 –, LM GenG § 40 Nr. 1).

2. Gegen diese rechtliche Würdigung und die ihr zugrundeliegenden Feststellungen wendet sich die Revision mit zahlreichen Rügen. Auf diese im einzelnen einzugehen, erübrigt sich, weil das Berufungsurteil schon aus folgendem Grunde mit den bisherigen Feststellungen nicht zu halten ist:

Der Vorwurf, der Kläger habe der Beklagten Umsatzvergütungen ihrer Lieferanten zugunsten seines Zeitschriftunternehmens entzogen, gehört im Gegensatz zu der Entlohnung der Putzfrau aus der Genossenschaftskasse und der Erhöhung der Umsatzprovision nicht zu den Gründen, auf denen der Generalversammlungsbeschluß vom 29. Juni 1966 beruhte. Diese Angelegenheit wurde erst später aufgedeckt und dann als weiterer Kündigungsgrund gegen den Kläger vorgebracht. Dazu meint das Berufungsgericht, das Nachschieben von Kündigungsgründen sei zulässig. Das ist zwar grundsätzlich richtig (BGHZ 27, 220; Urt. v. 28. 4. 1960 – VII ZR 218/59 –, LM BGB § 626 Nr. 10). Es setzt aber voraus, daß das für die Kündigung zuständige Organ, d. h. hier die Generalversammlung, auch den neuen Grund geprüft und entschieden hat, die Kündigung mit auf ihn zu stützen. Denn wenn das Gesetz, wie in § 40 GenG, die endgültige Entscheidung über eine außerordentliche Kündigung einem bestimmten Organ vorbehält, so erstreckt sich dessen Entscheidungsgewalt sinnvollerweise nicht nur auf die Frage, ob überhaupt gekündigt werden soll, sondern auch darauf, welche Gründe hierfür heranzuziehen sind; es können beachtliche Interessen dafür sprechen, einen an sich als Kündigungsgrund verwertbaren Tatbestand nicht zur Erörterung zu stellen.

Könnte eine Genossenschaft die Kündigung nachträglich auf Gründe stützen, zu denen die Generalversammlung noch keine Stellung genommen hat, so liefe das darauf hinaus, daß an Stelle der Generalversammlung das Vertretungsorgan darüber zu befinden hätte, ob ein bestimmter Tatbestand Anlaß zur Kündigung ist. Das wird besonders deutlich, wenn sich im Prozeß herausstellt, daß die ursprünglichen, für den Beschluß der Generalversammlung maßgebenden Gründe die Kündigung nicht zu tragen vermögen. Dürfte in diesem Fall der Vorstand nach seinem Ermessen Gründe nachschieben, ohne sie zuvor der Generalversammlung unterbreitet zu haben, so würde der möglicherweise gerade entscheidende Sachverhalt entgegen der gesetzlichen Regelung einer Beurteilung durch das oberste Genossenschaftsorgan entzogen, auf die auch der Entlassene ein Recht hat.

Eine Ausnahme mag für nachträglich bekannt gewordene oder geklärte Umstände gelten, die mit den für die Kündigung maßgebenden Gründen eng zusammenhängen und nur noch den Tatbestand abrunden, von dem das kündigende Organ bei seinem Entschluß ausgegangen ist. Um einen solchen nur ergänzenden Umstand handelt es sich hier aber nicht, sondern vielmehr um einen selbständigen Kündigungstatbestand von besonderer Bedeutung.

Zwar laufen alle vom Berufungsgericht erörterten Kündigungsgründe auf den Vorwurf hinaus, der Kläger habe der Beklagten rechtswidrig Geldmittel für eigene Zwecke entzogen. Aber während die Bezahlung der Putzfrau aus Mitteln der Beklagten und die Erhöhung der Umsatzprovision nur die dienstrechtlichen Beziehungen der Parteien betreffen, berührt die Abzweigung von Kundenvergütungen für das vom Kläger herausgegebene Fachblatt darüber hinaus auch den eigentlich genossenschaftlichen Bereich und damit das besondere genossenschaftliche Interesse aller Mitglieder. Wie das Berufungsgericht dem Kläger zugute hält (BU 25), hatte die Beklagte ebenso wie andere Organisationen des Fleischerhandwerks ein gewisses Interesse am Fortbestand der Zeitschrift „Die Innung“. Schon deshalb durften die Versuche des Klägers, die Zeitschrift aus Mitteln der Beklagten zu stützen, sein Vorbringen hierzu und die Ergebnisse der darüber angestellten Ermittlungen einer Beurteilung durch die Generalversammlung nicht vorenthalten bleiben. Ihr allein stand ein abschließendes Urteil darüber zu, wie in diesem Fall das Verhalten des Klägers, auch mit Rücksicht auf das genossenschaftliche Interesse, zu bewerten war und ob daraus ein weiterer Kündigungsgrund gegen ihn hergeleitet werden sollte.

3. Daß die Generalversammlung der Beklagten sich tatsächlich auch mit diesen Fragen befaßt habe, ist nicht vorgetragen. Damit entfällt vorerst die Möglichkeit, diesen Punkt als Kündigungsgrund gegen den Kläger zu verwerten.

Es bleiben nach den bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts lediglich die Bezahlung der Putzfrau aus der Geschäftskasse und die Provisionserhöhung übrig. Auf diese beiden Vorfälle allein läßt sich aber das Berufungsurteil mit der vorliegenden Begründung nicht stützen. Denn das Berufungsgericht hat die von ihm behandelten drei Vorgänge lediglich in ihrer Gesamtheit als Kündigungsgrund gewürdigt und offengelassen, ob es auch die vorerwähnten beiden Punkte allein als ausreichende Grundlage für eine fristlose Kündigung ansieht. Unter diesem Gesichtspunkt wird das Berufungsgericht nunmehr den Sachverhalt erneut zu würdigen und dabei gegebenenfalls noch weitere, von ihm bislang nicht geprüfte Vorwürfe gegen den Kläger einzubeziehen haben, soweit sie durch den Generalversammlungsbeschluß vom 29. Juni 1966 mit gedeckt sind. Es wird dabei auch Gelegenheit haben, auf die Verfahrensrügen der Revision zu den Punkten „Bezahlung der Putzfrau“ und „Provisionserhöhung“, soweit erforderlich, einzugehen.

4. Darüber hinaus erscheint es angebracht, noch auf folgendes hinzuweisen:

Gegenüber dem Vorwurf, aus dem Vermögen der Beklagten ihm nicht zustehende Leistungen bezogen zu haben, hat sich der Kläger vor allem damit verteidigt, er habe dies im Einvernehmen mit dem Aufsichtsratsvorsitzenden H getan. Auf ein solches Einvernehmen könnte sich der Kläger nicht berufen, wenn er zum Nachteil der Beklagten mit Hansen zusammengewirkt hätte, um sich ohne Wissen der übrigen Genossen sachlich ungerechtfertigte Vorteile zu verschaffen; hierzu ist bislang nichts festgestellt.

Soweit es sich dagegen um sachlich vertretbare Bezüge gehandelt haben sollte, käme es darauf an, ob insoweit eine Änderung oder Ergänzung des Anstellungsvertrages vorliegt. Für solche Vertragsänderungen war nach dem Gesetz (§ 39 Abs. 1 GenG) der Aufsichtsrat der Beklagten zuständig. Dieser konnte den Vorsitzenden oder ein anderes Mitglied zum Vertragsabschluß namens der Beklagten ermächtigen (vgl. BGHZ 41, 282, 285), wie es hier z. B. bei dem Anschlußvertrag der Parteien vom 12. November 1959 nach dessen Einleitung geschehen ist (vgl. auch § 10 Abs. 1 Satz 2 der Satzung der Beklagten).

Nach dem Vortrag des Klägers (Berufungsbegründung S. 57) soll sich diese dem Aufsichtsratsvorsitzenden erteilte ausdrückliche Ermächtigung aber nicht nur auf einzelne, von Fall zu Fall besonders genannte Verträge beschränkt, sondern auf „die Anstellungsverträge“ mit dem Kläger überhaupt bezogen haben. Wäre dies richtig, so könnte es den Kläger von dem Vorwurf schuldhaft pflichtwidrigen Verhaltens unter Umständen entlasten, wenn er in den von der Beklagten beanstandeten Punkten tatsächlich mit dem Aufsichtsratsvorsitzenden eine Vertragsänderung zu seinen Gunsten vereinbart hätte, auch wenn hierbei die in Nr. 9 des Anstellungsvertrags vorgeschriebene Schriftform nicht eingehalten wurde. Es erscheint nicht ausgeschlossen, daß der Kläger in diesem Falle zumindest subjektiv als entschuldigt anzusehen wäre, zumal wenn seine Behauptung zutreffen sollte, die Beklagte habe wiederholt mündlich vereinbarte Anstellungsbedingungen erst später schriftlich niedergelegt (Berufungsbegründung S. 57/58).

III. Der Senat hält es für zweckmäßig, von der Möglichkeit des § 565 Abs. 1 Satz 2 ZPO Gebrauch zu machen.

Schlagworte: Außerordentliche Kündigung des Anstellungsvertrages, Nachschieben von Gründen