§ 157 BGB
a) Für die Frage, inwieweit das Revisionsgericht die Auslegung von Satzungsbestimmungen einer GmbH nachprüfen kann, kommt es allein darauf an, ob es sich um eine körperschaftsrechtliche Regelung handelt, die sich an einen unbegrenzten Personenkreis, insbesondere auch an alle künftigen Gesellschafter oder an die Gesellschaftsgläubiger, richtet und deshalb einheitlicher Auslegung bedarf, oder lediglich um die Regelung individualrechtlicher Beziehungen etwa zwischen der Gesellschaft und einem bestimmten Gesellschafter oder einem Dritten (BGHZ 14, 25, 36 f; BGH, Urt. v. 29.9.54 – II ZR 331/53 – , LM ZPO § 549 Nr. 25; Urt. v. 13.10.66 – II ZR 56/64 –, WM 1966, 1262 zu I 1 a m. w. N.).
b) Ein wirksamer Gesellschafterbeschluß dieses Inhalts ist jedenfalls deshalb nicht zustande gekommen, weil entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts die KWS bei einem solchen Beschluß nach § 47 Abs. 4 Satz 2 GmbHG nicht mitstimmen durfte.
Gegenstand des Beschlusses war der Kauf- und Vermögensübernahmevertrag vom 16. Juni 1969, wie sich aus der Versammlungsniederschrift einwandfrei ergibt. Wäre die K an dem Vertrag unmittelbar beteiligt gewesen, so hätte der Beschluß die Vornahme eines Rechtsgeschäfts mit dieser Gesellschafterin betroffen. Die K wäre darum nach § 47 Abs. 4 Satz 2 GmbHG vom Stimmrecht ausgeschlossen gewesen. Das könnte allenfalls dann fraglich sein, wenn der Beschluß vom 7. November 1969 keinerlei materielle Bedeutung gehabt, sondern eine nach der Satzung nicht zur Entscheidung der Gesellschafter gestellte Geschäftsführungsangelegenheit betroffen und sich daher in der verfahrensmäßigen Erledigung eines Antrags erschöpft hätte, wie das Berufungsgericht meint. Diese seine Auffassung ist jedoch rechtlich nicht haltbar.
Vertragspartnerin der Beklagten ist allerdings nicht die K, sondern die rechtlich von ihr zu unterscheidende H. Es ist aber anerkannt, daß der Stimmrechtsausschluß gemäß § 47 Abs. 4 GmbHG auch dann eingreift, wenn ein Mitglied der GmbH als persönlich haftender Gesellschafter einer anderen Gesellschaft angehört und diese Geschäftsgegnerin der GmbH ist (Baumbach/Hueck, GmbHG 13. Aufl. § 47 Anm. 5 C; Schmidt in Hachenburg, GmbHG 6. Aufl. § 47 Anm. 19 a, c; Zöllner, Die Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht bei den privatrechtlichen Personenverbänden, 1963 S. 276 f m. w. N.). Ebenso wird mit Recht die Auffassung vertreten, daß der Gesellschafter einer GmbH über ein Geschäft mit einer anderen juristischen Person, deren sämtliche Anteile er innehat und die wirtschaftlich ausschließlich als sein Unternehmen zu betrachten ist, im allgemeinen nicht mitstimmen darf (Baumbach/Hueck aaO § 47 Anm. 5 C a. E.; Zöllner aaO S. 279 f m. w. N.; vgl. auch BGHZ 56, 47, 53; anders RGZ 115, 246, 252 f mit krit. Anm. Nußbaum, JW 1927, 673; bedenklich auch RGZ 122, 159, 162). Dafür ist allerdings nicht die Erwägung maßgebend, daß die Einmanngesellschaft in der Regel völlig vom Willen ihres Gesellschafters abhängig ist. Denn es geht hier nicht um die Entschlußfreiheit einer solchen Gesellschaft, sondern darum, daß sich deren Alleingesellschafter in seiner Eigenschaft als Mitglied einer GmbH bei einem Geschäft zwischen beiden Unternehmen in einem Interessenwiderstreit befindet, der seine Stimmabgabe als Gesellschafter der GmbH zu deren Nachteil beeinflussen kann. Der Gesichtspunkt der willensmäßigen Beherrschung spielt nur in dem umgekehrten Fall eine Rolle, daß Mitglied der GmbH eine andere Gesellschaft ist und deren maßgebender Gesellschafter mit der GmbH kontrahieren oder als ihr Geschäftsführer oder Aufsichtsratsmitglied entlastet werden soll (vgl. RGZ 146, 71 und 319; BGHZ 36, 296, 298 f; unklar Schmidt aaO § 47 Anm. 19 a, b, der dort beide Fälle miteinander vermengt). Hier dagegen kommt es entscheidend auf die wirtschaftliche und unternehmerische Einheit von Gesellschaft und Alleingesellschafter an, die es rechtfertigen kann, im Sinne des § 47 Abs. 4 Satz 2 GmbHG Rechtsgeschäfte einer mit der GmbH kontrahierenden Gesellschaft als solche ihres Gesellschafters zu betrachten. Denn der Gedanke des § 47 Abs. 4 GmbHG, von einem selbst Beteiligten sei nicht zu erwarten, daß er bei Abgabe seiner Stimme die eigenen Belange denen der GmbH nachstellen werde (BGHZ 51, 209, 215), trifft auch auf Geschäfte zu, an denen ein Gesellschafter der GmbH deshalb mittelbar beteiligt ist, weil das Unternehmen, mit dem die GmbH das Geschäft abschließt, wirtschaftlich ihm allein gehört.
Ein vergleichbarer Sachverhalt ist auch hier gegeben. Persönlich haftende Gesellschafterin der H, der Vertragspartnerin der Beklagten, ist die H-P Getreidezucht GmbH. Diese ist durch den Vertrag vom 16. Juni 1969 insofern unmittelbar betroffen, als sie der Beklagten für die Verbindlichkeiten daraus nach § 128 HGB haften und andererseits der von der Beklagten versprochene Kaufpreis ihrer gesamthänderischen (50prozentigen) Beteiligung am Vermögen der H zugute kommen würde.
Die H-P Getreidezucht GmbH ist wiederum wirtschaftlich ein Unternehmen der K, die ihre sämtlichen Geschäftsanteile besitzt. Diese vermögensmäßige und unternehmerische Zugehörigkeit zur Muttergesellschaft wird noch dadurch unterstrichen, daß zwischen Mutter- und Tochtergesellschaft ein Ergebnisabführungsvertrag besteht. An der Unternehmerstellung der K gegenüber ihrer Tochtergesellschaft ändert es auch nichts, daß nach dem Vortrag der Beklagten zwei von den vier Geschäftsführern der Tochter-GmbH nicht von der K bestellt werden, sondern laut Gesellschaftsvertrag der H deren Kommanditistin und ihr Ehemann Anspruch auf dieses Amt haben. Denn alle Geschäftsführer unterstehen den Weisungen der K als der Alleingesellschafterin.
Hiernach decken sich nicht nur wirtschaftlich, sondern auch in rechtlicher und organisatorischer Hinsicht die Vermögensinteressen der H mit denen ihrer persönlich haftenden Gesellschafterin und über diese wieder mit denen der K so weitgehend, daß für die Anwendung des § 47 Abs. 4 Satz 2 GmbHG die Teilnahme der K an der Abstimmung über ein Rechtsgeschäft mit der H als verbotene Stimmabgabe in eigener Sache anzusehen ist.
Demgegenüber kann die Revisionserwiderung nicht mit Erfolg auf die einschränkende Auslegung verweisen, die § 47 Abs. 4 Satz 2 GmbHG in der Rechtsprechung erfahren hat. Richtig ist zwar, daß schon das Reichsgericht, den Bedürfnissen des wirtschaftlichen Lebens folgend, den sachlichen Anwendungsbereich dieser Vorschrift insbesondere durch Herausnahme rein innergesellschaftlicher Angelegenheiten, bei deren gemeinsamer Regelung ein Gesellschafter nur sein Mitgliedsrecht ausübt, erheblich eingeschränkt hat. Um eine solche Angelegenheit handelt es sich hier jedoch nicht. Es geht vielmehr um die persönliche Reichweite des Stimmverbots bei einem Rechtsgeschäft, das der Sache nach unter § 47 Abs. 4 Satz 2 GmbHG fällt. Bei der Frage der persönlichen Betroffenheit eines Gesellschafters läßt aber die jüngere Rechtsprechung eher die Tendenz erkennen, den engen Rahmen einer rein formalen Betrachtungsweise zu sprengen und es stärker auf den Zweck des Verbots abzustellen, soweit dies mit der Rechtssicherheit vereinbar ist (Nachw. bei Zöllner aaO S. 149 ff, 153 ff). Auf der gleichen Linie liegt die neuere Rechtsprechung zu § 181 BGB, einer Vorschrift mit verwandter Problematik (vgl. BGHZ 56, 97, 101 ff; 59, 236, 240). Ihr Ziel ist nicht, wie die Revisionserwiderung meint, die Einschränkung, sondern vielmehr eine sinnvolle Handhabung dieser Vorschrift; dazu kann auch eine ausdehnende Anwendung in persönlicher Hinsicht geboten sein, wenn sonst der Zweck des Gesetzes verfehlt würde.
Wenn andererseits im Schrifttum bezweifelt wird, ob Stimmverbote wie die des § 47 Abs. 4 Satz 2 GmbHG, soweit sie Rechtsgeschäfte mit einem Gesellschafter betreffen, für eine wirksame und angemessene Lösung von Interessenkonflikten überhaupt geeignet sind (vgl. Fischer, Anm. zu LM GmbHG § 47 Fr. 4; Hueck, Das Recht der oHG 4. Aufl. § 11 III 2; Barz in Großkomm. AktG 3. Aufl. § 136 Anm. 2 m. w. N.), und wenn ferner – wie das Berufungsgericht vermerkt – bereits das Aktiengesetz von 1937 die entsprechende Vorschrift des alten Aktienrechts nicht übernommen hat und der Entwurf eines neuen GmbH-Gesetzes ebenfalls eine solche Regelung nicht mehr vorsieht, so rechtfertigt es dies nicht, im Vorgriff auf eine mögliche künftige Gesetzgebung das noch geltende Stimmverbot des § 47 Abs. 4 Satz 2 GmbHG über die schon bisher in der Rechtsprechung vertretene sachliche Begrenzung hinaus durch eine enge Auslegung auch in sonstiger Hinsicht nahezu wirkungslos zu machen. Mit Recht weist nämlich die Revision darauf hin, daß schon das Aktiengesetz von 1937 und noch stärker das Aktiengesetz von 1965 Vorschriften zum Schutz der Minderheit aufgenommen haben, die im geltenden GmbH-Recht fehlen, künftig aber auch dort sinngemäß Eingang finden sollen, weil die bisherigen Schutzvorschriften als unzulänglich empfunden werden (Scholz/Fischer, GmbHG 7. Aufl. § 50 Anm. 2). Diese Vorschriften mögen eine ohnehin problematische Schutzbestimmung wie die des § 47 Abs. 4 Satz 2 GmbHG (1. Alternative) entbehrlich erscheinen lassen. Die vorliegende Entscheidung kann aber nur vom bestehenden Rechtszustand ausgehen, auf den dieser Gesichtspunkt nicht zutrifft.
Deshalb greift auch nicht die Erwägung des Berufungsgerichts durch, mit Rücksicht auf die zunehmenden Konzernverflechtungen in der wirtschaft sei der Wirkungsbereich des Stimmverbots für Partner eines Rechtsgeschäfts mit der Gesellschaft einzuengen, weil sonst entgegen dem Mehrheitsprinzip geschäftliche Entscheidungen in die Hände der Minderheit gelegt würden. Diese Erwägung richtet sich im Grunde gegen das geltende GmbH-Recht selbst, wobei übersehen wird, daß dieses noch nicht, wie das Aktiengesetz, eine Regelung des Rechts der verbundenen Unternehmen enthält, bei der gerade auch der Minderheitsschutz stark ausgeprägt ist (vgl. z. B. §§ 309, 317 AktG). Es kann daher auf sich beruhen, ob es aus rechtspolitischer Sicht mit dem Mehrheitsgrundsatz in der Tat unvereinbar ist, wenn der Mehrheitsgesellschafter durch ein Stimmverbot gehindert ist, sein persönliches Konzerninteresse allein mit seiner eigenen Stimme durchzusetzen, und inwieweit hierbei auch die besondere Eigenart der GmbH als einer Gesellschaftsform mit teils personalistischen, teils kapitalistischen Zügen zu berücksichtigen ist (dazu eingehend Zöllner aaO S. 166 ff, 169, 174 f m. w. N.).
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