Einträge nach Montat filtern

BGH, Urteil vom 29. September 2008 – II ZR 234/07

GmbHG §§ 30, 31, 43

a) Das gemäß § 30 Abs. 1 GmbHG gebundene Gesellschaftsvermögen ist nach den allgemeinen, für die Jahresbilanz geltenden Bilanzierungsgrundsätzen festzustellen; dabei sind Gesellschafterdarlehen auch im Fall eines Rangrücktritts stets zu passivieren (dazu BGH, Urteil vom 6. Dezember 1993 – II ZR 103/93, BGHZ 124, 282, 284 m. w. N.; Scholz/Westermann, GmbHG 10. Aufl. § 30 Rdn. 24 f.; Baumbach/Hueck/Fastrich, § 30 GmbHG Rdn. 10).

Eine Unterdeckung im Sinne von § 30 GmbHG liegt vor, sobald das Nettovermögen der Gesellschaft, also ihr gesamtes Aktivvermögen abzüglich der Summe aller Verbindlichkeiten einschließlich der Rückstellungen, aber ohne Rücklagen, in seinem rechnerischen Wert unter die Ziffer des Stammkapitals sinkt. Stille Reserven, Firmenwert und immaterielle Vermögensgegenstände bleiben unberücksichtigt, soweit sie nicht entgeltlich erworben wurden.

Eine Zahlung im Sinne des § 30 Abs. 1 GmbHG ist auch die Tilgung von Gesellschafterschulden bei einem Dritten aus Gesellschaftsmitteln.

b) Für den vom Insolvenzverwalter geltend gemachten Primäranspruch wegen angeblich unzulässiger Entnahmen aus dem Gesellschaftsvermögen (§§ 30, 31 GmbHG) kommt es – anders als für den Tatbestand einer Krise i.S. des Eigenkapitalersatzrechts (vgl. dazu BGH, Urteil von 3. April 2006 – II ZR 332/05, ZIP 2006, 996) – weder auf eine Überschuldung i.S. von § 19 InsO noch darauf an, ob die Gesellschafterdarlehen Eigenkapitalersatzcharakter hatten und – wegen fehlendem Rangrücktritt – in einem Überschuldungsstatus der Schuldnerin zu passivieren wären (dazu BGHZ 146, 264). Das gemäß § 30 GmbHG gebundene Gesellschaftsvermögen ist nach den allgemeinen für die Jahresbilanz geltenden Grundsätzen festzustellen (vgl. Baumbach/Hueck/Fastrich, § 30 GmbHG Rdn. 11 m. w. N.).

c) Schadensersatzansprüche gegen einen GmbH-Geschäftsführer wegen gemäß § 30 Abs. 1 GmbHG verbotener Auszahlungen (§ 43 Abs. 3 GmbHG) verjähren gemäß § 43 Abs. 4 GmbHG in fünf Jahren ab der jeweiligen Zahlung. Unterlässt der Geschäftsführer die Geltendmachung von Rückforderungsansprüchen der Gesellschaft gegen den Zahlungsempfänger (§ 31 Abs. 1 GmbHG) bis zum Eintritt der Verjährung dieser Ansprüche (hier § 31 Abs. 5 Satz 1 a.F. GmbHG), wird dadurch nicht eine weitere Schadensersatzverpflichtung gemäß § 43 Abs. 2 GmbHG mit einer erst von da an laufenden Verjährungsfrist gemäß § 43 Abs. 4 GmbHG ausgelöst.

Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats beginnt die Verjährungsfrist für Schadensersatzansprüche gegen einen GmbH-Geschäftsführer gemäß § 43 Abs. 2, 4 GmbHG mit der Entstehung des Anspruchs, d.h. mit Eintritt des Schadens dem Grunde nach, ohne dass der Schaden in dieser Phase schon bezifferbar sein muss; es genügt die Möglichkeit einer Feststellungsklage (BGHZ 100, 228, 231 f.). Auf die Kenntnis der GesellschafterBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Gesellschafter
Kenntnis
Kenntnis der Gesellschafter
oder der Gesellschaft von den anspruchsbegründenden Tatsachen kommt es – selbst bei deren Verheimlichung durch den Geschäftsführer – nicht an (vgl. Sen.Urt. v. 21. Februar 2005 – II ZR 112/03, ZIP 2005, 852). Die subjektive Anknüpfung des Verjährungsbeginns in § 199 Abs. 1 BGB gilt nur für die „regelmäßige“ (§ 195 BGB), nicht aber für die spezialgesetzliche Verjährungsfrist gemäß § 43 Abs. 4 GmbHG, die nach wie vor (vgl. § 198 Satz 1 BGB a.F.) mit der Entstehung des Anspruchs zu laufen beginnt (vgl. § 200 Satz 1 BGB;Großkomm.z.GmbHG/Paefgen, § 43 Rdn. 158; Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG 18. Aufl. § 43 Rdn. 57; Hüffer, AktG 8. Aufl. § 93 Rdn. 37; a.A. Michalski/Haas, GmbHG § 43 Rdn. 233). Ebenso wenig entsteht dadurch, dass der Geschäftsführer gegen ihn gerichtete Schadensersatzansprüche aus § 43 Abs. 2 GmbHG verjähren lässt, erneut ein Schadensersatzanspruch (vgl.Zöllner/Noack aaO Rdn. 59; OLG KölnBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG Köln
NZG 2000, 1137).

Für Ansprüche nach der im vorliegenden Fall einschlägigen – von dem Berufungsgericht nicht erwähnten – Vorschrift des § 43 Abs. 3 GmbHG gilt nichts anderes. Diese Vorschrift regelt nur einen Sonderfall eines Schadensersatzanspruchs gemäß § 43 Abs. 2 GmbHG, wie aus dem Wort „insbesondere“ deutlich wird (vgl. Großkomm.GmbHG/Paefgen aaO § 43 Rdn. 141; vgl. auch § 93 Abs. 3 AktG: „namentlich“; dazu Großkomm.z.AktG/Hopt, 4. Aufl. § 93 Rdn. 239). Danach ist ein Geschäftsführer schon dann „zum Ersatz verpflichtet, wenn den Bestimmungen des § 30 zuwider Zahlungen aus dem zur Erhaltung des Stammkapitals erforderlichen Vermögen der Gesellschaft gemacht … worden sind“. Bereits in der gegen § 30 GmbHG verstoßenden Auszahlung liegt die haftungsbegründende Pflichtverletzung, wobei ein Verschulden i.S. des § 43 Abs. 1 GmbHG (vgl. BGHZ 122, 336, 340) zu vermuten ist (vgl. BGHZ 152, 280, 284). Der Schaden der Gesellschaft liegt hier schon in dem Liquiditätsabfluss – ohne Rücksicht auf die damit zugleich entstehenden Erstattungsansprüche gegen den Zahlungsempfänger gemäß § 31 Abs. 1 GmbHG (vgl. BGHZ 157, 72, 78; Sen.Urt. v. 9. Dezember 1991 – II ZR 43/91, ZIP 1992, 1166 f.; Hüffer aaO § 93 Rdn. 22 m.w.Nachw.; Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack aaO § 43 Rdn. 48 f.). Ihre erfolgreiche Beitreibung kann zwar den genannten Auszahlungsschaden entfallen lassen (vgl. Hüffer aaO). Geschieht dies nicht, wird aber dadurch auch bei Uneinbringlichkeit des Anspruchs gegen den Zahlungsempfänger aus § 31 Abs. 1 GmbHG nicht erneut ein Schaden dem Grunde nach bzw. ein weiterer Schadensersatzanspruch gemäß § 43 Abs. 2 GmbHG ausgelöst, sondern verbleibt es bei dem in § 43 Abs. 3 GmbHG geregelten Schadensersatzanspruch, der gemäß § 43 Abs. 4 GmbHG in fünf Jahren ab seiner Entstehung (durch die verbotene Auszahlung) verjährt.

d) Eine mit § 43 Abs. 3 GmbHG konkurrierende, der Regelverjährung (§ 195 BGB a.F., §§ 195, 199 Abs. 1 BGB n.F.) unterliegende Haftung des  Gesellschafter-Geschäftsführer wegen Verletzung der gesellschafterlichen Treuepflicht, wie von dem erkennenden Senat in Fällen einer Vermögensentnahme ohne Willen der Mitgesellschafter angenommen wird (vgl. BGH, Urteil vom 28. Juni 1982 – II ZR 121/81, ZIP 1982, 1073; v. 14. September 1998 – II ZR 175/97, ZIP 1999, 240), scheidet bei einvernehmlichem Handeln der alleinigen Gesellschaftern der Gesellschaft aus. Eine haftungsbegründende Treuepflichtverletzung gegenüber der Gesellschaft liegt in der Mitwirkung an einer gegen § 30 GmbHG verstoßenden Zahlung nicht (BGHZ 142, 92, 96).

Schlagworte: Anwendungsbereich des Auszahlungsverbots, Auszahlung, bilanzielle Betrachtungsweise, Bilanzierung von Gesellschafterdarlehen, Erhaltung des Stammkapitals, existenzvernichtende Eingriffe, Existenzvernichtungshaftung, Feststellungklage, gebundenes Vermögen, Geschäftsführer, GmbHG § 64 Satz 1, Haftung nach § 43 GmbHG, Herbeiführung bzw. Vertiefung einer Unterbilanz, Hinweispflicht durch Geschäftsführer, Innenhaftung, Jahresabschluss, Kapitalerhaltung, Kapitalerhaltung nach § 30 und § 31 GmbHG, Kenntnis der Gesellschaft, Kenntnis der Gesellschafter, Klage der GmbH gegen Gesellschafter wegen Verstoß gegen das Kapitalerhaltungsgebotes, mehrere Pflichtverletzungen, Passivierungspflicht von Gesellschafterdarlehen, Pflichtverletzung nach § 43 Abs. 2 GmbHG, Pflichtverletzung nach § 43 Abs. 3 GmbHG, Rangrücktritt, Schadensersatzanspruch, Schadensersatzanspruch gegen Geschäftsführer, Treuepflicht, Überschuldung, Unterdeckung, Verjährung, Verjährungsbeginn, Vermögensübertragung, Weisung der Gesellschafter, Zahlung, Zahlungen nach Insolvenzreife