Einträge nach Montat filtern

BGH, Urteil vom 3. Dezember 2019 -II ZR 457/18

HGB § 25 Abs. 1 Satz 1

§ 25 Abs. 1 Satz 1 HGB ist auf den Erwerb eines Handelsgeschäfts aus der Insolvenz auch dann nicht anwendbar, wenn die Veräußerung nicht durch den Insolvenzverwalter, sondern durch den Schuldner in der Eigenverwaltung erfolgt.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten zu 1 wird das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Chemnitz vom 4. Oktober 2018 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Berufung der Beklagten zu 1 gegen ihre Verurteilung zur Zahlung von 1.071,74€ nebst Zinsen zurückgewiesen worden ist.

Auf die Berufung der Beklagten zu1 wird das Urteil des Amtsgerichts Döbeln – Zweigstelle Hainichen – vom 22. Februar 2018 teilweise abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen.

Von den Gerichtskosten des ersten Rechtszugs tragen die Klägerin 66 % und die Beklagte zu 1 34 %. Die außergerichtlichen Kosten der Klägerin im ersten Rechtszug trägt die Beklagte zu 1 zu 34 %. Von den außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1 im ersten Rechtszug trägt die Klägerin 49%. Die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 2 im ersten Rechtszug trägt die Klägerin. Im Übrigen tragen die Parteien ihre außergerichtlichen Kosten im ersten Rechtszug selbst.

Von den Kosten des Rechtsstreits im zweiten Rechtszug tragen die Klägerin 26% und die Beklagte zu 1 74%. Die in der Revisionsinstanz entstandenen Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Tatbestand

Über das Vermögen der Elektrogesellschaft H.mbH (im Weiteren: Schuldnerin) wurde am 1. August 2014 das Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung eröffnet. Die Schuldnerin beauftragte die Klägerin im Januar 2015 mit der Durchführung von Elektroinstallationsarbeiten. Die Beklagte zu 1 entstand mit ihrer Eintragung im Handelsregister am 17. März 2015. Am 15.Juli 2015 verkaufte die Schuldnerin alle zu ihrem Geschäftsbetrieb gehörenden Wirtschaftsgüter an die Beklagte zu 1 mit Wirkung zum 1. Juli 2015.

Mit Schreiben vom 2. Oktober 2015 erhob die Beklagte zu 1 eine Mängelrüge unter Fristsetzung im Hinblick auf die von der Schuldnerin bei der Klägerin beauftragten Werkleistungen. Nachdem eine Reaktion der Klägerin ausblieb, teilte die Beklagte zu 1 der Klägerin am 4. Februar 2016 mit, den Mangel selbst beheben zu wollen. Sie stellte der Klägerin im Folgenden Mangelbeseitigungskosten in Höhe von 2.929,90 € in Rechnung.

Das Amtsgericht hat der gegen die Beklagte zu 1 und deren Geschäftsführer, den Beklagten zu 2, als Gesamtschuldner gerichteten Klage auf Zahlung von 2.817,74 € nebst Zinsen in Höhe von 1.017,74 € gegenüber der Beklagten zu 1 stattgegeben, sie im Übrigen aber ebenso wie die Widerklage der Beklagten zu 1 auf Zahlung der Mangelbeseitigungskosten abgewiesen. Die Berufung der Beklagten zu 1 hat das Landgericht zurückgewiesen. Mit der vom Landgericht zugelassenen Revision wendet sich die Beklagte zu 1 noch gegen ihre Verurteilung zur Zahlung.

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten zu 1 hat Erfolg. Sie führt zur Abweisung der Klage insgesamt.

I.

Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung, im Wesentlichen wie folgt begründet:

Für den Werklohnanspruch der Klägerin gegen die Schuldnerin hafte die Beklagte zu 1 gemäß § 25 Abs. 1 Satz 1 HGB. Sie führe das Handelsgeschäft der Schuldnerin im wesentlichen Kern fort und habe in ihrer Firma die prägenden Merkmale der Firma der Schuldnerin übernommen. Der Erwerb des Handelsgeschäfts erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über die Schuldnerin stehe der Anwendung des § 25 Abs. 1 Satz 1 HGB nicht entgegen. Zwar finde § 25 Abs. 1 Satz 1 HGB auf den Erwerb nach Eröffnung eines Insolvenzverfahrens nach allgemeiner Ansicht keine Anwendung, wenn ein Insolvenzverwalter bestellt werde, da bei einer Übernahme der Unternehmensschulden durch den Erwerber eine gleichmäßige Befriedigung der Gläubiger gefährdet würde. § 25 Abs. 1 Satz 1 HGB müsse indes auch bei Anordnung der Eigenverwaltung Anwendung finden. In einem Eigenverwaltungsverfahren sei eine einschränkende Auslegung des § 25 Abs. 1 Satz 1 HGB nicht geboten, da es sich bei der Veräußerung des Handelsgeschäfts um eine Verfügung des Schuldners selbst handele, die nicht zur Liquidation des Unternehmens führe. Die Situation stelle sich aus Sicht der Gläubiger nicht anders als bei einer vorinsolvenzlichen Veräußerung des Handelsgeschäfts durch den Schuldner dar.

II.

Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Prüfung nicht stand.

1.

Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerhaft angenommen, dass die Beklagte zu 1 für die Verpflichtung der Schuldnerin zur Werklohnzahlung nach § 25 Abs .1 Satz 1 HGB haftet. Bei der Veräußerung eines Handelsgeschäfts während eines Insolvenzverfahrens in Eigenverwaltung ist § 25 Abs. 1 Satz 1 HGB nicht anwendbar. Daher kann dahinstehen, ob die Voraussetzungen einer Haftung nach § 25 Abs. 1 Satz 1 HGB im Streitfall vorliegen.

a) Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung findet § 25 Abs. 1 Satz 1 HGB beim Verkauf des Handelsgeschäfts durch den Insolvenzverwalter im eröffneten Insolvenzverfahren keine Anwendung (BGH, Urteil vom 24. September 2008 – VIII ZR 192/06, ZIP 2008, 2116 Rn. 22; Versäumnisurteil vom 23. Oktober 2013 – VIII ZR423/12, ZIP 2014, 29 Rn. 17; BAG, ZIP 2007, 386 Rn. 9; zur Konkursordnung: BGH, Urteil vom 11. April 1988 – II ZR 313/87, BGHZ 104, 151, 153f.). Die Veräußerung des Handelsgeschäfts durch den Insolvenzverwalter duldet eine Schuldenhaftung des Erwerbers nach § 25 Abs. 1 Satz 1 HGB nicht, da sie den bestimmenden Grundsätzen des Insolvenzverfahrens zuwiderliefe. Die Aufgabe des Insolvenzverwalters, das Unternehmen im Interesse der Gläubiger an der bestmöglichen Verwertung der Masse im Ganzen zu veräußern, würde durch eine mögliche Haftung des Erwerbers für die Schulden des bisherigen Unternehmensträgers erschwert werden. Zudem käme es zu einer systemwidrigen Bevorzugung einzelner hierdurch begünstigter Insolvenzgläubiger unter Benachteiligung der übrigen Insolvenzgläubiger, die sich angesichts einer dadurch zu erwartenden Erlösschmälerung mit einer geringeren Verteilungsmasse zu begnügen hätten. Dies widerspräche dem Grundsatz der gleichmäßigen Befriedigung aller Insolvenzgläubiger.

Diese Rechtsprechung hat in der Literatur weit überwiegend Zustimmung gefunden (Hopt in Baumbach/Hopt, HGB, 38. Aufl., § 25 Rn. 4; MünchKomm-HGB/Thiessen, 4. Aufl., § 25 Rn. 36; Jaeger/Henckel, InsO, § 35 Rn.30; Burgard in Großkomm. HGB, 5. Aufl., § 25 Rn. 46; Ries in Röhricht/Graf von Wesphalen/Haas, 5. Aufl., § 25 Rn. 11; Reuschle in Ebenroht/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 3. Aufl., § 25 Rn. 41; Oetker/Vossler, HGB, 6. Aufl., § 25 Rn. 21; HK-HGB/Ruß, 7. Aufl., § 25 Rn. 6; NK-HGB/Bömeke, 2017, § 25 Rn. 18; Ensthaler/Steitz, HGB, 8. Aufl., § 25 Rn. 15; BeckOGK-HGB/Moser, Stand: 15. Juli 2019, § 25 Rn. 40; Wamser in Henssler/Strohn, GesR, 4. Aufl., § 25 HGB Rn. 6). Die Gegenauffassung (Schall in Heidel/Schall, HGB, 3.Aufl., § 25 Rn. 13; zweifelnd auch Roth in Koller/Kindler/Roth/Drüen, HGB, 9. Aufl., § 25 Rn. 4c), die mit Rücksicht auf § 25 Abs. 2 HGB ein Bedürfnis für eine einschränkende Auslegung von § 25 Abs. 1 Satz 1 HGB verneint, überzeugt nicht. Es ist nicht sachgerecht, den Insolvenzverwalter auf eine von weiteren Voraussetzungen abhängige Ausnahmevorschrift (§ 25 Abs .2 HGB) zu verweisen, obwohl die ansonsten regelmäßig greifende Erwerberhaftung durchweg mit den bestimmenden Grundsätzen des Insolvenzverfahrens kollidiert.

b) Für die Veräußerung im Insolvenzverfahren mit angeordneter Eigenverwaltung ergibt sich nichts anderes. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts sind die Erwägungen, die zu einem Ausschluss der Anwendung des § 25 Abs. 1 Satz 1 HGB auf Veräußerungen des Insolvenzverwalters geführt haben, auf Veräußerungsgeschäfte des Schuldners im Eigenverwaltungsverfahren übertragbar (ebenso LAG Hamm, ZIP 2016, 2167, 2168; Hopt in Baumbach/Hopt, HGB, 38. Aufl., § 25 Rn. 4; Oetker/Vossler, HGB, 6.Aufl., § 25 Rn. 21; BeckOK InsO/Ellers, Stand: 25.Juli 2019, § 270 Rn. 63; Bissels/Schroeders, NZI 2016, 870, 871)

aa) Die Entscheidung über den besten Weg zur Erreichung der insolvenzrechtlichen Verfahrensziele (insbesondere Stilllegung, Fortführung, Insolvenzplan, übertragende Sanierung) ist gemäß § 157 InsO im Insolvenzverfahren der Gläubigerversammlung zugewiesen. Daran ändert sich grundsätzlich nichts, wenn bei der Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Eigenverwaltung angeordnet wird (§ 270 Abs. 1 Satz 2 InsO). Das Insolvenzgericht bestellt allerdings keinen Insolvenzverwalter. Der Schuldner bleibt während der Dauer des Insolvenzverfahrens nach § 270 Abs. 1 Satz 1 InsO berechtigt, unter der Aufsicht eines Sachwalters die Insolvenzmasse zu verwalten und über sie zu verfügen (BGH, Urteil vom 9. März 2017 -IX ZR 177/15, ZIP 2017, 686 Rn. 8). In Ausübung dieser Befugnisse kann es dem Schuldner obliegen, sein Handelsgeschäft im Interesse der Gläubiger an der bestmöglichen Verwertung der Masse im Ganzen zu veräußern.

bb) Die Anwendung des § 25 Abs. 1 Satz 1 HGB würde auch in der Eigenverwaltung zu einer Bevorzugung einzelner Insolvenzgläubiger führen, wodurch die übrigen Insolvenzgläubiger, die sich angesichts einer dadurch zu erwartenden Erlösschmälerung mit einer geringeren Verteilungsmasse zu begnügen hätten, benachteiligt würden. Eine Bevorzugung einzelner Insolvenzgläubiger widerspricht dem Grundsatz der gleichmäßigen Befriedigung aller Insolvenzgläubiger, der auch im Eigenverwaltungsverfahren Geltung beansprucht (BAG, ZIP 2017, 2027 Rn. 11; OLG Frankfurt, Urteil vom 31. August 1213 – 23 U 17/15, juris Rn. 29; Pape in Kübler/Prütting/Bork, InsO, Stand: April 2012, § 270 Rn. 192; Uhlenbruck/Zipperer, InsO, 15. Aufl., § 270 Rn. 12).

cc) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist eine Veräußerung des Handelsgeschäfts durch den eigenverwaltenden Schuldner nicht mit der Veräußerung durch den Sequester nach der Konkursordnung vergleichbar.

(1) Zutreffend ist allerdings, dass nach der Rechtsprechung des Senats § 25 Abs. 1 Satz 1 HGB auf die Veräußerung eines Handelsgeschäfts durch den Sequester der Konkursordnung anzuwenden war (BGH, Urteil vom 11. April 1988 – II ZR 313/87, BGHZ 104, 151, 155ff.). Zur Begründung hat der Senat maßgeblich darauf abgestellt, dass Funktionen und Befugnisse von Sequester und Konkursverwalter nicht miteinander vergleichbar sind. Eine Veräußerung durch den Sequester vor Konkurseröffnung war im Regelfall nicht ohne Zustimmung des Schuldners möglich. Sie stand damit rechtlich einer Veräußerung durch den Schuldner näher als derjenigen durch den Konkursverwalter. Zudem galt im Sequestrationsverfahren noch nicht der Gleichbehandlungsgrundsatz.

(2) Einer Übertragung dieser Erwägungen auf den eigenverwaltenden Schuldner steht die Ausgestaltung des Eigenverwaltungsverfahrens entgegen. Die Stellung des eigenverwaltenden Schuldners ähnelt nicht der des Sequesters, sondern ist derjenigen des Insolvenzverwalters angeglichen.

(a) Nach dem Willen des Gesetzgebers soll die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Schuldners bei Anordnung der Eigenverwaltung fortbestehen. Dabei besteht die Gefahr, dass eine Person, die den Eintritt der Insolvenz nicht hat vermeiden können, mitunter nicht geeignet ist, die Insolvenzmasse bestmöglich zu verwerten und die Belange der Gläubiger über die eigenen Interessen zu stellen. Deswegen wird der Schuldner im Eigenverwaltungsverfahren der Aufsicht eines Sachwalters unterstellt (RegE InsO,BT-Drucks.12/2443, S.222f.). Die Befugnisse des Schuldners und des Sachwalters werden in der Weise abgegrenzt, dass die laufenden Geschäfte von dem Schuldner geführt werden und der Sachwalter einerseits die Geschäftsführung kontrolliert und unterstützt, andererseits die besonderen Aufgaben wahrnimmt, die dem Insolvenzverwalter in erster Linie im Interesse der Gläubiger übertragen sind, insbesondere die Anfechtungvon gläubigerbenachteiligenden Rechtshandlungen (BGH, Urteil vom 26. April 2018 – IX ZR 238/17, BGHZ 218, 290 Rn. 17).

Bei der Eigenverwaltung einer Gesellschaft üben deren Geschäftsleiter weitgehend die Befugnisse aus, die im Regelverfahren dem Insolvenzverwalter eingeräumt sind. Durch § 276a Satz 1 InsO wird klargestellt, dass die Überwachungsorgane der Gesellschaft keine weitergehenden Einflussmöglichkeiten auf die Geschäftsleitung haben sollen als bei der Bestellung eines Insolvenzverwalters. Die Führung der Geschäfte ist an dem Interesse der Gläubiger der Gesellschaft auszurichten. Auf diese Weise hat der Gesetzgeber den Pflichtenkreis und die Rechtsstellung der Geschäftsleiter an das Amt eines Insolvenzverwalters angeglichen (BGH, Urteil vom 26. April 2018 -IX ZR 238/17, BGHZ 218, 290 Rn. 19f.). Die Geschäftsleiter des eigenverwaltenden Schuldners müssen ihr Handeln mithin an den Insolvenzzwecken und den Interessen der Gläubigergesamtheit ausrichten und eigene Interessen hintanstellen (BAG, ZIP 2017, 2027 Rn. 12; Jaeger/Meller-Hannich, InsO, § 270 Rn. 23).

(b) Während der Sequester der Konkursordnung grundsätzlich nicht über Verwaltungs- und Verfügungsbefugnisse verfügte (allgemeine Meinung, vgl. statt aller Kilger/K.Schmidt, KO, 17. Aufl., §1 06 Rn. 4 mwN), verbleiben diese Befugnisse aufgrund der Anordnung der Eigenverwaltung beim Schuldner. Dieser handelt als Amtswalter an Stelle des regulären Insolvenzverwalters (Uhlenbruck/Zipperer, InsO, 15. Aufl., § 270 Rn. 12; Jaeger/Meller-Hannich, InsO, § 270 Rn.16; MünchKommInsO/Tetzlaff, 3. Aufl., § 270 Rn. 141; K.Schmidt/Undritz, InsO, 19. Aufl., § 270 Rn. 17; Mutzek, Die Kompetenzen des Schuldners im eröffneten Eigenverwaltungsverfahren, 2018, S. 165f.; aA AG Köln, ZIP 2004, 471, 474). Insoweit kann dahinstehen, ob der eigenverwaltende Schuldner seine ursprüngliche privatautonome Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis behält, nunmehr aber insolvenzrechtlichen Pflichtenbindungen unterliegt (BGH, Urteil vom 26. April 2018 – IX ZR 238/17, BGHZ 218, 290 Rn. 17, 20; Huhn, Die Eigenverwaltung im Insolvenzverfahren, 2003, Rn. 603), oder die ursprüngliche Befugnis erlischt und dem Schuldner vom Insolvenzgericht eine insolvenzspezifische Verfügungsbefugnis neu zugewiesen wird (BAG, ZIP 2017, 2027 Rn. 11). Im Ergebnis unterliegt er weitgehend den gleichen Bindungen wie der Insolvenzverwalter. Dies zeigt sich bei der Gesellschaftsinsolvenz auch darin, dass die Überwachungsorgane der Gesellschaft bei der Eigenverwaltung keine weitergehenden Einflussmöglichkeiten auf die Geschäftsführung haben als im Falle der Fremdverwaltung durch den Insolvenzverwalter (§ 276a InsO).

(c) Auch sonst ist der Sequester der Konkursordnung nicht mit dem eigenverwaltenden Schuldner vergleichbar. Der Sequester begründete durch seine Handlungen keine Masseforderungen (Kilger/K. Schmidt, KO, 17. Aufl., § 106 Rn. 4 mwN); auf den Schuldner findet dagegen im Eigenverwaltungsverfahren § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO wie bei einem Insolvenzverwalter Anwendung (Uhlenbruck/Zipperer, InsO, 15. Aufl., § 270 Rn. 13; HambKommInsO/Jarchow, 7. Aufl., § 55 Rn. 4). Der Sequester konnte des Weiteren durch seine Rechtshandlungen Anfechtungstatbestände verwirklichen (BGH, Urteil vom 30. Januar 1986 – IX ZR 79/85, BGHZ 97, 87, 91), wohingegen vom eigenverwaltenden Schuldner nach Verfahrenseröffnung vorgenommene Rechtshandlungen nicht dem Anfechtungsrecht unterliegen (Uhlenbruck/Borries/Hirte, InsO, 15. Aufl., § 129 Rn.74; K.Schmidt/K.Schmidt, InsO, 19. Aufl., § 129 Rn. 38; BeckOK InsO/Raupach, Stand: 25. Juli 2019, § 129 Rn. 33). Der Sequester konnte ferner nicht das Wahlrecht bei gegenseitigen Verträgen ausüben (Kilger/K.Schmidt, KO, 17. Aufl., § 106 Rn. 4), während der eigenverwaltende Schuldner auch insoweit dem Insolvenzverwalter gleichgestellt ist (BGH, Urteil vom 26. April 2018 – IX ZR 238/17, BGHZ 218, 290 Rn. 19).

(3) Schließlich hat der Senat die Anwendung des § 25 Abs. 1 Satz 1 HGB auf Veräußerungen durch den Sequester damit begründet, dass im Sequestrationsverfahren noch nicht der Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung greift (BGH, Urteil vom 11. April 1988 – II ZR 313/87, BGHZ 104, 151, 155). In der Eigenverwaltung hat der eigenverwaltende Schuldner demgegenüber wie der Insolvenzverwalter den Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung zu wahren (BAG, ZIP 2017, 2027 Rn. 11; OLG Frankfurt, Urteil vom 31. August 2015 – 23 U 17/15, juris Rn. 29; Pape in Kübler/Prütting/Bork, InsO, Stand: April 2012, § 270 Rn. 192; Uhlenbruck/Zipperer, InsO, 15. Aufl., § 270 Rn. 12).

dd) Entgegen dem Einwand der Revisionserwiderung setzt die Unanwendbarkeit des § 25 Abs. 1 Satz 1 HGB in der Eigenverwaltung keine unerünschten Anreize, vor Veräußerung des Handelsgeschäfts im größtmöglichen Umfang noch Waren- oder Werklieferungen zu beziehen, um einenhöheren Kaufpreis zu erzielen.

Ein solcher Anreiz besteht für die Geschäftsleiter der eigenverwalteten Gesellschaft nicht. Sie haften den Beteiligten für die Verletzung der ihnen obliegenden insolvenzspezifischen Pflichten analog §§ 60, 61 InsO auf Schadensersatz (BGH, Urteil vom 26. April 2018 -IX ZR 238/17, BGHZ 218, 290 Rn. 47 ff.). Darüber hinaus trifft den Sachwalter eine Prüfungs- und Überwachungspflicht. Er muss durch Kontrollen des Schuldners sicherstellen, dass dieser seine Geschäftsführungsbefugnisse nicht zur Gläubigerschädigung missbraucht (§ 274 Abs.2 InsO; Pape in Kübler/Prütting/Bork, InsO, Stand: Oktober 2019, § 275 Rn. 18). Nach § 275 Abs. 1 Satz 2 InsO kann der Sachwalter der Eingehung von Verbindlichkeiten widersprechen, auch wenn sie zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb gehören.

Im Übrigen stellt sich das von der Revisionserwiderung ausgemachte Problem unabhängig von der Frage, ob § 25 Abs. 1 Satz 1 HGB in der Eigenverwaltung anwendbar ist. Der eigenverwaltende Schuldner kann auch ohne das Vorhaben einer übertragenden Sanierung Neuverbindlichkeiten eingehen, die von der Masse nicht gedeckt sind. Die bekannten Gefahren der Eigenverwaltung haben den Gesetzgeber nicht davon abgehalten, mit dem Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen vom 7. Dezember 2011 (BGBl. I S. 2582) Hindernisse auf dem Weg zur Eigenverwaltung auszuräumen (vgl. RegE, BT-Drucks. 17/5712, S. 38).

2.

Die Entscheidung erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 561 ZPO). Die Beklagte zu 1 schuldet den von der Klägerin begehrten Werklohn insbesondere nicht aufgrund des Abschlusses eines Schuldübernahmevertrags gemäß §§ 414, 415 BGB.

Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung kann aus dem Verhalten der Beklagten zu 1 keine Schuldübernahme abgeleitet werden. Dazu genügt nicht, dass sie den ihr abgetretenen Nacherfüllungsanspruch der Schuldnerin im eigenen Namen geltend gemacht hat, ohne die Abtretung offenzulegen. Der bloßen Berühmung mit einem Anspruch kommt aus einem nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte gemäß § 157 BGB objektivierten Empfängerhorizont nicht der Erklärungswert zu, für die synallagmatisch gebundene Schuld eines Dritten einstehen zu wollen. Im Streitfall will die Klägerin im Übrigen gerade von Schuldneridentität ausgegangen sein. Das schließt aus, dass sie das Nacherfüllungsverlangen als Angebot (§ 414 BGB) oder Mitteilung (§ 415 Abs. 1 Satz 2 BGB) eines Dritten verstanden hat (§ 133 BGB).

III.

Das Berufungsurteil ist daher im aus dem Tenor ersichtlichen Umfang aufzuheben (§ 562 Abs.1 ZPO). Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden, weil die Sache zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO). Die Klage ist abzuweisen, weil die Klägerin keinen Werklohnanspruch gegen die Beklagte zu1 aus dem mit der Schuldnerin geschlossenen Vertrag über Elektroinstallationsarbeiten hat.

Löffler I www.K1.de I www.gesellschaftsrechtskanzlei.com I Gesellschaftsrecht I Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung I Erfurt I Thüringen I Sachsen I Sachsen-Anhalt I Hessen I Deutschland 2022

Schlagworte: Eigenverwaltung, HGB § 25