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BGH, Urteil vom 30. Juni 1958 – II ZR 213/56

§ 19 GmbHG

Stammeinlagen dürfen nicht aus einem Darlehen geleistet werden, dessen Rückzahlungsschuldner die GmbH ist.

Tenor

Die Revision gegen das am 1. Juni 1956 verkündete Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts in Hamm wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Tatbestand

Die Sache befindet sich im zweiten Revisionszuge. Wegen des Sachverhalts wird auf das Urteil des erkennenden Senats vom 17.11.1955 – II ZR 222/54 – (BGHZ 19, 69) verwiesen. Danach war noch zu klären, ob zwischen der Kreisgruppe G. der KPD und dem Ehemann der Beklagten ein Treuhand- oder Geschäftsbesorgungsverhältnis vereinbart worden ist oder nicht. Das Berufungsgericht hat hierzu Beweise erhoben und nunmehr der Klage stattgegeben. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Klagabweisungsantrag weiter. Der Kläger ist in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat unvertreten geblieben. Die Beklagte hat um Erlaß eines Versäumnisurteils gebeten.

Entscheidungsgründe

I.

Die Revision macht in erster Linie geltend, daß für die Klage das Rechtsschutzbedürfnis nicht mehr besteht, weil das Treuhandverhältnis, auf das sich der Kläger stütze, infolge des Verbots der KPD erledigt sei. Sie greift damit in unzulässiger Weise auf das Innenverhältnis zwischen dem Treugeber und dem Treuhänder zurück und läßt hierbei außer acht, daß der Kläger selbst Inhaber einer lediglich schuldrechtlich der KPD gebührenden Forderung ist.

II.

Fest steht, daß der Ehemann der Beklagten an der alten V. G. GmbH nicht beteiligt war und daß er für seine Beteiligung an der neuen V. G. GmbH nichts aufgewendet hat. Das Berufungsgericht hält auf Grund der Aussage von Heinz J.‚ der bloß als Erbe seines Vaters Gesellschafter geworden ist, für erwiesen, daß der Ehemann der Beklagten die Teilnahme dieses Zeugen an einer Gesellschafterversammlung als nicht erwünscht bezeichnet hat, da er nicht Mitglied der KPD sei. Es sieht weiter als bewiesen an, daß der Ehemann der Beklagten geäußert hat, er wolle seinen Geschäftsanteil und seine Stellung als Geschäftsführer abgeben, und daß er durch die Kreisleitung der KPD bewogen worden sei, beides zu behalten. Auf Grund der Beweisaufnahme hält sich das Berufungsgericht für überzeugt, daß die KPD-Mitglieder H. und A., die zusammen die Mehrheit in der alten GmbH besaßen, ihre Geschäftsanteile dem Ehemann der Beklagten übertragen haben, ohne daß er verpflichtet worden wäre, hierfür eine Vergütung zu entrichten. Es verwertet auch das Schreiben vom 1. April 1947 (Bl. 58 d.A.)‚ in dem die KPD Kreis G. erklärt, der zu gründenden V. GmbH einen Barbetrag von 20.000 RM zur Verfügung gestellt zu haben, sowie, daß dieser Betrag dem Ehemann der Beklagten zu treuen Händen ausgezahlt worden sei und zur Begleichung der Geschäftsanteile verwendet werden solle. Schließlich zieht das Berufungsgericht auch die vom Ehemann der Beklagten unterschriebene Eröffnungsbilanz vom 1.6.1947 (Bl. 59 d.A.) heran, in der es zunächst heißt, die Kreisleitung der KPD Gelsenkirchen stelle der V. GmbH 20.000 RM zur Verfügung, dieser Betrag sei zur Begleichung der Geschäftsanteile bestimmt, und daran anschließend wiedergegeben ist, daß und für wen Geschäftsanteile von zusammen 18.500 RM, darunter 15.000 RM für den Ehemann der Beklagten, eingezahlt worden seien. Auf Grund dieser Beweise trifft das Berufungsgericht die Feststellung, daß der Ehemann der Beklagten die Stellung eines Treuhänders der Kreisgruppe G. der KPD gehabt habe.

Die hiergegen aus § 286 ZPO erhobenen Revisionsrügen sind unbegründet.

1. Auch wenn man davon ausgeht, daß die KPD Kreis Gelsenkirchen bloß 49.303,39 RM der V. GmbH zur Verfügung gestellt und diesen Betrag mit den ihr gezahlten 4.930,34 DM zurückgezahlt erhalten hat, so wird die Annahme, daß der Ehemann der Beklagten an der Gründung der neuen GmbH als Treuhänder der KPD teilgenommen habe, nicht erschüttert. Das versteht sich von selbst, wenn alle Gründer der neuen GmbH als Treuhänder der KPD in Betracht kommen, denn ein Treugeber pflegt mit seinem Geld zu arbeiten, und eine durch die Verhältnisse oder die Geschäftsentwicklung möglich gewordene Kapitalrückzahlung spricht nicht zwingend für Darlehen und gegen Treuhandschaft. Kommt aber eine Treuhänderschaft nicht für alle Gründer oder gar nur für den Ehemann der Beklagten in Betracht, so ist zu berücksichtigen, daß die Stadt G. an die GmbH eine Zahlung von 12.000 DM geleistet hat und daß der Ehemann der Beklagten zu dem gleichen Zweck Sammlungen veranstaltet hat. Wenn aus den auf diese Weise aufgekommenen Geldern mit derjenige Betrag an die KPD zurückgezahlt wurde, den sie zur Leistung der Stammeinlage des Ehemanns der Beklagten zur Verfügung gestellt hatte, so ist die Tatsache der Rückzahlung mindestens deshalb indifferent, weil sämtliche Gründer KPD-Mitglieder waren und der Ehemann der Beklagten, der damals als ein besonders treuer Anhänger der KPD beurteilt wurde, alleiniger Geschäftsführer der neuen GmbH war.

2. Nun hat das Berufungsgericht allerdings die Zeugen S., O. und Sa. nicht über die in ihr Wissen gestellte Behauptung gehört, die Stammeinlagen seien nicht aus Mitteln der KPD, sondern teils aus einem der GmbH gegebenen Darlehen der U. B. und teils aus Gesellschaftsgewinnen gedeckt worden. Diese Zeugen sind in beiden Rechtszügen über die zwischen dem Ehemann der Beklagten und der KPD zum Wiederaufbau des V. getroffenen Abreden vernommen worden, ohne daß ihnen von dem Anwalt der Beklagten die Frage vorgelegt worden wäre, aus wessen Mitteln die Stammeinlagen geleistet worden seien. Das Berufungsgericht brauchte die Zeugen hierüber nicht zu befragen, da der Ehemann der Beklagten in der Eröffnungsbilanz erklärt hat, Mittel der KPD für seine Einlage verwendet zu haben, und da die Stammeinlagen nicht aus einem Darlehen geleistet werden dürfen, dessen Rückzahlungsschulden die GmbH ist.Randnummer7

Das GmbH-Gesetz überläßt zwar den Gesellschaftern, wie sie die geschuldeten Einlagen aufbringen; es verbietet auch nicht ausdrücklich, daß die Einlagen aus Darlehen geleistet werden, die die Gesellschaft aufgenommen hat. Ein solches Verbot ergibt sich aber aus Sinn und Zweck des § 19 GmbHG (RGZ 47, 180, 185; 98, 276, 277; Scholz GmbHG § 19 Anm. 10; Baumbach/Hueck GmbHG § 19 Anm. 3 B; Vogel GmbHG § 19 Anm. 4; Schilling in Hachenburg GmbHG § 7 Anm. 25). Diese Vorschrift hat die Aufgabe, die Aufbringung des Stammkapitals zu sichern. Sie wird durch § 30 GmbHG ergänzt, der die Erhaltung des Stammkapitals zu sichern sucht. Beide Vorschriften tragen dem Rechnung, daß bei der GmbH das Stammkapital das Haftungsobjekt darstellt. Sie enthalten das Kernstück des GmbH-Rechts und vertragen keine Aushöhlung in gleichviel welcher Form. Wenn die Einlageverpflichtung der Gesellschafter aus einem von der Gesellschaft aufgenommenen Darlehen abgedeckt wird, so steht das einem durch § 19 Abs. 2 GmbHG verbotenen Erlaß der Einlageschuld gleich. Das gilt gleichviel, ob die Gesellschaft überhaupt keinen Ersatz für ihre im Interesse der Gesellschafter gemachten Aufwendungen verlangen darf oder ob an die Stelle der berichtigten Einlageschuld eine Darlehensschuld gleicher Höhe tritt. Im ersteren Fall steht die Tilgung der Einlageschuld einem durch § 19 Abs. 2 GmbHG verbotenen Erlaß der Einlageschuld deshalb gleich, weil die Gesellschafter von ihrer Einlageverpflichtung frei geworden sind, ohne ihrerseits etwas aufgewendet zu haben. Im zweiten Falle wird die auf dem Gesellschaftsrecht beruhende Einlageschuld durch eine schuldrechtliche Darlehensverpflichtung ersetzt, ohne daß der Gesellschaft etwas anderes als das ihrem Geldgeber geschuldete Geld als haftendes Kapital zugeführt wird.

Die Einlageverpflichtungen der Gründer der V. GmbH durften daher nicht aus dem Brauereidarlehen abgedeckt werden. Das schließt zwar nicht schlechthin aus, daß doch so verfahren wurde. Hiergegen spricht aber die im Schreiben der Kreisgruppe G. vom 1. April 1947 enthaltene Weisung und die vom Ehemann der Beklagten als dem Geschäftsführer der GmbH unterschriebene Eröffnungsbilanz. Bei dieser besonderen Sachlage durfte das Berufungsgericht ohne Verletzung des § 396 Abs. 2 ZPO Fragen zur Vervollständigung der Aussagen dem Anwalt der Beklagten überlassen, nachdem die drei Zeugen schon vor dem Landgericht von sich aus nichts über diesen Punkt angegeben hatten.

3. Die Beweise dafür, daß die KPD nur geringen Einfluß auf die Gesellschaft genommen hat, sind unerheblich, da die Annahme einer Treuhandschaft nicht voraussetzt, daß der Treugeber überhaupt auf die Handlungen seines Treuhänders Einfluß nimmt, und nichts dafür hervorgetreten ist, daß der Ehemann der Beklagten die Geschäfte der V. GmbH nicht zur Zufriedenheit der KPD verwaltet hätte.

4. Der Beweis für die Behauptung, die Kreisleitung sei gar nicht zuständig gewesen, Geld der KPD für Zwecke des V. zur Verfügung zu stellen und einen Treuhandauftrag zu erteilen, brauchte nicht erhoben zu werden, da die KPD Kreisgruppe G. unstreitig knapp 50.000 RM zur Verfügung gestellt hat und eine etwa hierfür fehlende Zuständigkeit es nicht ausschließt, daß sie sich des Ehemannes der Beklagten bei der Gründung der neuen GmbH tatsächlich als Treuhänder bedient hat.

5. Der Zeuge J. hat zwei KPD-Beschlüsse bekundet. Der eine soll den Inhalt gehabt haben, dem Ehemann der Beklagten die Kapitalmehrheit an der neuen Gesellschaft zu übertragen, der andere soll ihm die Beibehaltung der Geschäftsführung und des von ihm gehaltenen Geschäftsanteils nahegelegt haben. Die Beklagte hat den ersteren Beschluß bestritten und Vorlegung des Protokolls der Versammlung der Kreisleitung verlangt (S. 5 des Schriftsatzes vom 28.5.56, Bl. 258 d.A.). Die Revision sieht eine Verletzung des § 286 ZPO darin, daß dieses Protokoll nicht vorgelegt worden ist. Das Berufungsgericht hat den ersten Beschluß gar nicht verwertet. Außerdem verlor die eidliche Aussage J. nichts dadurch an Beweiskraft, daß der Kläger das Protokoll über diesen Beschluß nicht vorlegte. Dem Berufungsgericht kann auch nicht vorgeworfen werden, daß es verabsäumt habe, die Vorlegung des Protokolls zu veranlassen. Denn es fehlt an einem gehörigen Beweisantritt. Da es sich um eine Urkunde der KPD und nicht des Klägers handelte, konnte der Beweis nicht durch den Antrag auf Anordnung der Vorlegung (§ 421 ZPO), sondern nur durch den Antrag auf Bestimmung einer Frist zur Herbeischaffung der Urkunde (§ 428 ZPO) angetreten werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.

Schlagworte: GmbHG § 19, Stammeinlage, Volleinzahlung der Stammeinlage