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BGH, Urteil vom 4. Mai 1955 – IV ZR 185/54

HGB §§ 124, 126; BGB § 744; ZPO § 51

a) Im Rechtsstreit muss die offene Handelsgesellschaft durch die nach dem Gesellschaftsvertrag erforderliche Anzahl von vertretungsberechtigten Gesellschaftern vertreten werden.

b) § 744 Abs. 2 BGB begründet kein Recht des Gesellschafters, Klage im Namen der Gesellschaft ohne Zustimmung der vertretungsberechtigten Gesellschafter zu erheben.

Nach alledem ist bedenkenfrei davon auszugehen, daß § 744 Abs. 2 BGB auch dem Gesellschafter einer offenen Handelsgesellschaft das Recht gibt, notwendige Maßnahmen auch ohne Zustimmung oder gegen den Widerspruch der übrigen Gesellschafter vorzunehmen. Damit ist dem Gesellschafter jedoch entgegen der eingehenden Darlegungen des Berufungsrichters nicht auch das Recht eingeräumt, im Namen der Gesellschaft Rechtsgeschäfte vorzunehmen oder Klage zu erheben. Hier kann der Gesellschafter stets nur in eigenem Namen handeln. Das ergibt sich aus folgenden Erwägungen. Aus dem Wortlaut des § 744 Abs. 2 BGB lässt sich für die Entscheidung der Frage nichts entnehmen. Jedoch lässt sich Wesentliches aus dem Zusammenhang der Vorschriften über das Gemeinschaftsrecht gewinnen. Hier ist zunächst zu beachten, daß bei der (schlichten) Gemeinschaft des bürgerlichen Rechts (§ 741 BGB) dem einzelnen Teilhaber grundsätzlich ein Recht zur Vertretung der übrigen Teilhaber nicht eingeräumt ist. Jeder Teilhaber kann nur eigenen Namens handeln, ihm steht ein Verfügungsrecht nur bezüglich seines Anteils an dem gemeinschaftlichen Gegenstand zu, zur Verfügung über den gemeinschaftlichen Gegenstand als solchen sind nur alle Teilhaber zusammen berechtigt (§ 747 BGB). Zur Geltendmachung von Ansprüchen, die aus dem gemeinsamen Recht erwachsen, sind grundsätzlich nur alle Teilhaber berechtigt (Enneccerus-Lehmann aaO § 184, 3), sofern nicht die Vorschrift des § 1011 BGB für Ansprüche aus dem Eigentum anzuwenden ist. Für alle Teilhaber kann der einzelne nur handeln und klagen, wenn er die Zustimmung der anderen hat. Mit zu diesem Zweck wird ihm in § 744 Abs. 2 Satz 2 aaO ein klagbarer Anspruch auf vorherige Zustimmung zu der zu treffenden notwendigen Maßnahme eingeräumt. Diese Zustimmung soll einerseits den Streit unter den Teilhabern ausräumen, ob die Maßnahme notwendig sei, andererseits aber auch dem Teilhaber die durch das Gesetz nicht unmittelbar eingeräumte Vertretungsmacht erst verschaffen. Daß dies der Zweck der Vorschrift sei, ist auch die Ansicht von Oertmann, der aaO in Anm. 2 a zu § 744 ausführt, der Anspruch habe namentlich Bedeutung, um dem Teilhaber die nötige Vertretungsmacht zu verschaffen, wenn die Erhaltungsmaßregel mit dem Abschluss eines Rechtsgeschäfts verbunden sei. Den gleichen Standpunkt nehmen Staudinger aaO § 744 Anm. 5; Crome, Deutsches Bürgerliches Recht Bd. 2 S 810 Note 461; v. Tuhr, Festschrift für Laband 1908, Seite 46 Anm. 2 und Würdinger, Gesellschaft I. Teil, Recht der Personalgesellschaft 1937 Seite 14 ein. Dies ist auch die Meinung des RGRK in § 744 Anm. 3. Mißverständlich ist es, wenn Palandt BGB § 744 Anm. 2 unter Bezugnahme auf Oertmann aaO ausführt, die (von ihm mißbilligte) herrschende Meinung gehe dahin, daß in den Fällen des § 744 Abs. 2 BGB der Teilhaber im Namen der übrigen Teilhaber handele. Dies kann er, wie dargetan ist, nach dieser nur, wenn er vorher sich der Zustimmung der übrigen Teilhaber möglicherweise im Wege der Klage versichert hat. Auch das Reichsgericht hat demgemäss in RGZ 76, 298 (299) nur ausgesprochen, daß zum Zwecke der Erhaltung des gemeinschaftlichen Gegenstandes auch der einzelne Teilhaber für sich als Prozeßpartei auftreten könne und insoweit zu Verfügungshandlungen berechtigt sei.

Schlagworte: Geschäftsführungsmaßnahme, Notgeschäftsführer, Widerspruch, Zustimmungspflicht bei notwendiger Geschäftsführungsmaßnahme