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BGH, Urteil vom 5. Juli 2012 – III ZR 116/11

HGB § 25; ZPO § 50

a) Die Haftung nach § 25 Abs. 1 Satz 1 HGB greift nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein, wenn zwar der Unternehmensträger wechselt, das Unternehmen selbst aus der Sicht des maßgeblichen Verkehrs aber im Wesentlichen unverändert unter der alten Firmenbezeichnung fortgeführt wird (BGH, Urteile vom 1. Dezember 1986 – II ZR 303/85, NJW 1987, 1633; vom 4. November 1991 – II ZR 85/91, NJW 1992, 911, 912; vom 28. November 2005 – II ZR 355/03, NJW 2006, 1001, 1002 Rn. 7; vom 24. September 2008 – VIII ZR 192/06, NJW-RR 2009, 820 Rn. 12 und vom 16. September 2009 – VIII ZR 321/08, NJW 2010, 236, 237 Rn. 13).

b) § 25 Abs. 1 Satz 1 HGB knüpft allein an die nach außen in Erscheinung tretende Kontinuität des Unternehmens als tragenden Grund für die Erstreckung der Haftung auf den Erwerber (BGH, Urteile vom 4. November 1991 aaO; vom 15. März 2004 – II ZR 324/01, NJW-RR 2004, 1173; vom 28. November 2005 aaO Rn. 7 und 14; vom 24. September 2008 aaO S. 821 Rn. 19 und vom 16. September 2009 aaO Rn. 15). Von einer Unternehmensfortführung im Sinne des § 25 Abs. 1 Satz 1 HGB geht der maßgebliche Verkehr aus, wenn ein Betrieb von einem neuen Inhaber in seinem wesentlichen Bestand unverändert weitergeführt wird, der Tätigkeitsbereich, die innere Organisation und die Räumlichkeiten ebenso wie Kunden- und Lieferantenbeziehungen jedenfalls im Kern beibehalten und/oder Teile des Personals übernommen werden (s. BGH, Urteile vom 4. November 1991 aaO S. 911; vom 28. November 2005 aaO Rn. 9 mwN; vom 24. September 2008 aaO S. 820 Rn. 13 und vom 16. September 2009 aaO S. 238 Rn. 18). Die Haftungsfolge aus § 25 Abs. 1 HGB kommt daher auch dann zum Zuge, wenn einzelne Vermögensbestandteile oder Betätigungsfelder von der Übernahme ausgenommen sind, solange nur der den Schwerpunkt des Unternehmens bildende wesentliche Kern desselben übernommen wird, so dass sich der nach außen für die beteiligten Verkehrskreise in Erscheinung tretende Tatbestand als Weiterführung des Unternehmens in seinem wesentlichen Bestand darstellt (s. BGH, Urteile vom 4. November 1991 aaO mwN und vom 16. September 2009 aaO Rn. 17 f; Beschluss vom 7. Dezember 2009 – II ZR 229/08, NJW-RR 2010, 246, 247 Rn. 2).

c) Die Frage, ob eine Firmenfortführung vorliegt, ist aus der Sicht der maßgeblichen Verkehrskreise zu beantworten, für die allein entscheidend ist, dass die unter dem bisherigen Geschäftsinhaber tatsächlich geführte und von dem Erwerber weiter geführte Firma eine derart prägende Kraft besitzt, dass der Verkehr sie mit dem Unternehmen gleichsetzt und in dem Verhalten des Erwerbers eine Fortführung der bisherigen Firma sieht. Dass die alte Firma nicht unverändert fortgeführt wird, ist unerheblich, sofern der prägende Teil der alten in der neuen Firma beibehalten ist und deswegen die mit dem jeweiligen Unternehmen in geschäftlichem Kontakt stehenden Kreise des Rechtsverkehrs die neue Firma noch mit der alten identifizieren (s. BGH, Urteile vom 15. März 2004 aaO S. 1174; vom 28. November 2005 aaO Rn. 12 und vom 24. September 2008 aaO S. 821 Rn. 19). Unerheblich ist insbesondere die Hinzufügung oder Weglassung eines auf die Gesellschaft (KG, GmbH usw.) deutenden Zusatzes (s. BGH, Urteile vom 4. November 1991 aaO S. 912 und vom 15. März 2004 aaO).

d) § 25 Abs. 1 Satz 1 HGB gelangt schließlich auch dann zur Anwendung, wenn eine „sukzessiv erfolgende Unternehmensübernahme“ vorliegt, es also zeitweilig zu einer parallelen Existenz von Alt- und Neuunternehmen kommt, sofern sich für den Rechtsverkehr die Betätigung des übernehmenden Unternehmens als Weiterführung des ursprünglichen Unternehmens in seinem wesentlichen Bestand darstellt (BGH, Urteil vom 24. September 2008 aaO S. 820 Rn. 15 f).

e) Eine Firmenfortführung nach § 25 Abs. 1 Satz 1 HGB ist auch dann anzunehmen, wenn bei der – fortbestehenden – früheren Firma nur unwesentliche Betätigungsfelder verbleiben und der den Schwerpunkt des Unternehmens bildende wesentliche Kern des Geschäfts vom Nachfolger übernommen wird oder wenn eine „sukzessiv erfolgende Unternehmensübernahme“ vorliegt (vgl. hierzu neben BGH, Urteil vom 24. September 2008 aaO auch OLG HammBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG Hamm
, NJW-RR 1999, 396, 397).

f) Unter dem Gesichtspunkt der Rechtsscheinhaftung muss ein Unternehmen einen zurechenbar erzeugten Rechtsschein, mit einem anderen Unternehmen identisch zu sein, gegen sich gelten lassen. Erweckt ein Unternehmen im Geschäftsverkehr den Eindruck, ein fast namensgleiches Unternehmen fortzuführen, so verstößt es gegen Treu und Glauben, wenn es geltend macht, für einen gegen das andere Unternehmen gerichteten Schadensersatzanspruch nicht passivlegitimiert zu sein. Tritt ein Unternehmen aufgrund der nach außen angezeigten Rechtsnachfolge als Schuldner einer Forderung auf, ist ihm folglich der Einwand fehlender Passivlegitimation verwehrt (s. BGH, Beschluss vom 21. Dezember 2010 – IX ZR 199/10, NZI 2011, 107 Rn. 7 m. w. N.).

g) Die Löschung einer GmbH hat im Allgemeinen zur Folge, dass die Gesellschaft ihre Rechtsfähigkeit verliert und damit nach § 50 Abs. 1 ZPO auch ihre Fähigkeit, Partei eines Rechtsstreits zu sein; die Gesellschaft ist materiell-rechtlich nicht mehr existent. Bestehen dagegen Anhaltspunkte dafür, dass noch verwertbares Vermögen vorhanden ist, bleibt die Gesellschaft trotz der Löschung rechts- und parteifähig. Dafür reicht bei einem Aktivprozess schon die bloße Tatsache, dass die Gesellschaft einen Vermögensanspruch geltend macht. Bei einem Passivprozess ist die gelöschte Gesellschaft jedenfalls dann parteifähig, wenn die Klagepartei (substantiiert) behauptet, es sei bei der Gesellschaft noch Vermögen vorhanden (vgl. zu alldem BGH, Urteile vom 6. Februar 1991 – VIII ZR 26/90, NJW-RR 1991, 660 m. w. N. [zur Löschung einer GmbH nach Beendigung der Liquidation] und vom 25. Oktober 2010 – II ZR 115/09, NJW-RR 2011, 115, 116 Rn. 22 m. w. N. [zur Löschung einer vermögenslosen GmbH]). Der Klägerin muss im Passivprozess Gelegenheit gegeben werden, zu den Vermögensverhältnissen der gelöschten beklagten Gesellschaft vorzutragen. Erst dann lässt sich abschließend beurteilen, ob diese Gesellschaft infolge ihrer Löschung im Handelsregister ihre Rechts- und Parteifähigkeit verloren hat (vgl. BGH, Urteil vom 25. Oktober 2010 aaO Rn. 23).

Schlagworte: Erwerber, Firmenzusatz, Lehre vom Doppeltatbestand, Löschung