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BGH, Urteil vom 6. März 2012 – II ZR 76/11

BGB §§ 615, 628; GmbHG § 46

a) Nach § 46 Nr. 8 Fall 2 GmbHG obliegt es der Gesellschafterversammlung, einen Vertreter der Gesellschaft in Prozessen zu bestimmen, die sie gegen einen Geschäftsführer führt. Diese Vorschrift, die sowohl für Aktiv- wie auch für Passivprozesse gilt (BGH, Urteil vom 16. Dezember 1991 – II ZR 31/91, BGHZ 116, 353, 355), soll die unvoreingenommene Prozessführung in Rechtsstreitigkeiten sicherstellen, in denen regelmäßig die Gefahr besteht, dass die nach § 35 GmbHG an sich zur Vertretung der Gesellschaft berufenen Geschäftsführer befangen sind.

b) Nach der Rechtsprechung des Senats sind davon auch Prozesse gegen ausgeschiedene Geschäftsführer umfasst (BGH, Urteil vom 20. November 1958 – II ZR 17/57, BGHZ 28, 355, 357; s. auch Urteil vom 16. Dezember 1991 – II ZR 31/91, BGHZ 116, 353, 355; ebenso MünchKomm-GmbHG/Liebscher, § 46 Rn. 269 f.; einschränkend Hüffer in Ulmer/Habersack/ Winter, GmbHG, § 46 Rn. 105; Zöllner in Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl., § 46 Rn. 67). Dennoch kann die Gesellschaft durch den neuen Geschäftsführer so lange vertreten werden, wie die Gesellschafterversammlung nicht von ihrer Befugnis Gebrauch macht, einen – anderen – besonderen Vertreter zu bestellen (BGH, Urteil vom 24. Februar 1992 – II ZR 79/91, ZIP 1992, 760, 761; Urteil vom 4. November 2002 – II ZR 224/00, BGHZ 152, 280, 282; ebenso Koppensteiner in Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, 4. Aufl., § 38 Rn. 28; Scholz/K. Schmidt, GmbHG, 10. Aufl., § 46 Rn. 167).

c) In der Abberufung des GeschäftsführersBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Abberufung
Abberufung des Geschäftsführers
liegt unabhängig von dem Inhalt des Anstellungsvertrages kein vertragswidriges Verhalten im Sinne des § 628 Abs. 2 BGB (BGH, Urteil vom 28. Oktober 2002 – II ZR 146/02, ZIP 2003, 28, 29). Die Möglichkeit des jederzeitigen Widerrufs der Geschäftsführerbestellung gewährleistet der Gesellschaft im Bereich der Geschäftsführung eine weitgehende Organisationsfreiheit. Dieses Recht schränkt den dienstvertraglichen Beschäftigungsanspruch ein. Das ergibt sich aus § 38 Abs. 1 GmbHG. Danach kann die Bestellung der Geschäftsführer „unbeschadet der Entschädigungsansprüche aus bestehenden Verträgen“ jederzeit widerrufen werden. Diese Regelung schließt ein dienstvertraglich begründetes Recht des Geschäftsführers auf Verbleib im Amt aus. Seinen Interessen wird dadurch Rechnung getragen, dass seine Vergütungsansprüche mit der Einschränkung aus § 615 Satz 2 BGB bestehen bleiben. Kündigt der Geschäftsführer seinen Anstellungsvertrag dagegen fristlos, verliert er den vertraglichen Vergütungsanspruch. Es kommt dann nur ein Schadensersatzanspruch nach § 628 Abs. 2 BGB in Betracht. Da die Gesellschaft jedoch mit der Abberufung von einem ihr gesetzlich eingeräumten Recht Gebrauch macht, das den Weiterbeschäftigungsanspruch des Geschäftsführers entfallen lässt, kann ihr Verhalten nicht als vertragswidrig angesehen werden (zum Nachrang des Anstellungsverhältnisses s. auch BGH, Urteil vom 10. Mai 2010 – II ZR 70/09, ZIP 2010, 1288 Rn. 7; Urteil vom 11. Oktober 2010 – II ZR 266/08, ZIP 2011, 122 Rn. 7).

d) Ein Schadensersatzanspruch nach § 628 Abs. 2 BGB scheidet jedenfalls dann aus, wenn der Aufgabenbereich eines GmbH-Geschäftsführers ohne Verletzung seines Anstellungsvertrages eingeschränkt wird und er daraufhin die außerordentliche Kündigung des Anstellungsvertrages erklärt.

e) Sonderrechte zur Geschäftsführung können nur zugunsten von Gesellschaftern begründet werden (vgl. Michalski/Tebben, GmbHG, 2. Aufl., § 6 Rn. 113; Kleindiek in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl., § 38 Rn. 10; Hueck/Fastrich in Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl., § 3 Rn. 26, 45).

f) Die Anordnung, dass ein Geschäftsführer dem anderen Geschäftsführer weisungsbefugt sein soll, ist im Regelfall bedenklich, weil die davon betroffenen Geschäftsführer dadurch zu bloßen Befehlsempfängern des weisungsbefugten Geschäftsführers werden.

g) Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn der weisungsbefugte Geschäftsführer zugleich Alleingesellschafter (oder Organ der Alleingesellschafterin) ist, weil er dann bereits auf Grund seiner Gesellschafterstellung das Recht hat, dem anderen Geschäftsführer – auch ins Einzelne gehende – Weisungen zu erteilen (vgl. Scholz/U. H. Schneider, GmbHG, 10. Aufl., § 37 Rn. 38). Soweit jedoch auch gesellschaftsrechtlich kein Weisungsrecht der Gesellschafterversammlung besteht – etwa im Hinblick auf die Pflichten der Geschäftsführer im Insolvenzfall -, gilt das auch für das Weisungsrecht auf der Geschäftsführerebene.

Schlagworte: Abberufung, Anspruchsberechtigte Gesellschaft, Anspruchsverfolgung gegen ausgeschiedenen Geschäftsführer, Anstellungsvertrag, besonderer Vertreter, Errichtung der GmbH, früherer Geschäftsführer, gegen aktive Geschäftsführer, Geschäftsführer, Gesellschafterbeschluss, Gesellschafterbeschluss nach § 46 Nr. 8 GmbHG, Gesellschafterversammlung, Gesellschaftsvertrag, Gründung, Haftung nach § 43 GmbHG, Innenhaftung, Kontroll- und Weisungsbefugnis, Kündigung, Prozessvertreter, Schadensersatzanspruch, Schadensersatzklagen der GmbH gegen Geschäftsführer, Sonderrechte, Vereinbarung von Sonderrechten, vertragswidriges Verhalten nach § 628 BGB, Vertretung, Vertretung bei Rechtsstreit mit Geschäftsführern, Vertretung der Gesellschaft in Prozessen gegen Geschäftsführer und Gesellschafter, Vertretung der GmbH, Vertretungsbefugnis, Widerruf