Einträge nach Montat filtern

BGH, Urteil vom 6. Oktober 1980 – II ZR 60/80

§ 161 HGB, § 276 BGB

a) Grundsätze zu der aus dem Rechtsinstitut der culpa in contrahendo entwickelten Prospekthaftung.

Für den hier in Betracht kommenden Fall, daß Kommanditisten einer Publikums-Kommanditgesellschaft auf dem freien Kapitalmarkt durch unrichtige oder unvollständige Emissionsprospekte der Gesellschaft oder ihrer Komplementär-GmbH geworben werden, hat der erkennende Senat den Rechtsgrundsatz, daß auch der Vertreter und Sachwalter für Verschulden bei VertragsverhandlungenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Verschulden
Verschulden bei Vertragsverhandlungen
haftet, wenn er für seine Person Vertrauen in Anspruch genommen und dadurch die Vertragsverhandlungen beeinflußt hat, ganz allgemein auf die Initiatoren, Gründer und Gestalter der Gesellschaft angewandt, soweit sie das Management bilden oder beherrschen (BGHZ 71, 284, 287ff). Er hat auf dieser Grundlage weiterhin ausgesprochen, daß darüber hinaus die Personen haften (sofern die übrigen Voraussetzungen gegeben sind), die hinter der Komplementär-GmbH und der Publikums-Kommanditgesellschaft stehen und neben der Geschäftsleitung besonderen Einfluß in der Gesellschaft ausüben und deshalb Mitverantwortung tragen. Soweit dieser Personenkreis in Betracht kommt, sind die Voraussetzungen des gesetzlichen Schuldverhältnisses der Vertragsverhandlungen auch dann bejaht worden, wenn die Bedeutung dieser Personen und ihr Einfluß in dem Prospekt nicht offenbart war und den Verhandlungspartnern vor oder bei den Vertragsverhandlungen auch sonst nicht bekannt geworden ist (BGHZ 72, 382, 387).

An dieser Rechtsprechung ist festzuhalten. Soweit das Schrifttum die Begründung der bisher ergangenen Urteile für korrekturbedürftig ansieht (Coing, WM 1980, 206, 210ff; Wiedemann/Schmitz, ZGR 1980, 129, 142), stimmt es mit dem Senat im Ergebnis überein, daß im Interesse eines rechtlich gebotenen Kapitalanlegerschutzes auf eine wahrheitsgemäße und vollständige Aufklärung des Rechtsverkehrs über das Risiko möglicher Anlagen hingewirkt werden muß und daß zu diesem Zwecke für unzutreffende oder irreführende Prospektangaben nicht nur die unmittelbar am Vertragsabschluß Beteiligten oder diejenigen, die einen auf ihre Person bezogenen besonderen Vertrauenstatbestand geschaffen haben, haftbar gemacht werden müssen, sondern auch die Unternehmen und Personen, die zu der für die Herausgabe des Prospekts verantwortlichen eigentlichen Leitungsgruppe oder sonst zu den maßgeblichen Hintermännern des Anlageunternehmens gehören. Der Senat hält es auch weiterhin für gerechtfertigt, hierbei an die Grundsätze über die Haftung wegen Verschuldens bei Vertragsverhandlungen anzuknüpfen. Allerdings dürfen die Ausführungen, soweit sie die Vertrauenshaftung auf Personen ausdehnen, denen „typischerweise“ das Anlegervertrauen gilt, nicht dahin verstanden werden, der Senat wolle einer generellen Ausweitung dieses Rechtsinstituts über die Verhandlungspartner hinaus, die durch ihr Verhalten persönliches Vertrauen in Anspruch nehmen, das Wort reden. Bei der hier in Betracht kommenden „Prospekthaftung“ geht es vielmehr um eine Weiterführung der Grundgedanken einer Vertrauenshaftung, wie sie für die Grundfälle eines Verschuldens bei Vertragsverhandlungen entwickelt worden ist, in einem bestimmten vom Gesetzgeber als regelungsbedürftig nicht vorhergesehenen, aber ausfüllungsbedürftigen Bereich. Der Senat knüpft dabei an Gedanken an, die sich in der Rechtsprechung dahin angebahnt haben, daß Grundlage der Vertrauenshaftung nicht nur das von einem bestimmten Menschen ausgehende persönliche Vertrauen sein kann, sondern auch ein Vertrauen, das sich aus einer Art Garantenstellung herleitet, die kraft Amtes oder Berufes entsteht oder auf einer besonderen Fachkunde oder einer allgemein anerkannten und hervorgehobenen beruflichen und wirtschaftlichen Stellung beruht. Beim Inverkehrbringen von Emissionsprospekten, mit denen auf dem freien Kapitalmarkt Gesellschafter geworben werden, trifft diese Garantenstellung und die damit verbundene Verpflichtung, für die Richtigkeit und Vollständigkeit der Prospektangaben einzustehen, die Personen und Unternehmen, die den Prospekt unmittelbar herausgeben oder die für die Herausgabe verantwortlich sind. Bei einer Personenhandelsgesellschaft, die darauf angelegt ist, auf dem freien Kapitalmarkt ihre Gesellschafter (als Kapitalgeber) zu werben, sind das insbesondere die vom Senat genannten Initiatoren, Gestalter und Gründer der Gesellschaft, die das Management bilden oder beherrschen, und die Personen, die hinter der Anlagengesellschaft stehen und besonderen Einfluß in der Gesellschaft ausüben und Mitverantwortung tragen. Für diese das Vertrauen des Kapitalanlegers in die Prospektangaben schützende Haftung ist es unerheblich, ob die Personen, für die die Garantenstellung daraus erwächst, daß sie für die Geschicke der Gesellschaft und damit für die Herausgabe des Prospekts verantwortlich sind, sowie ihre Bedeutung und ihr Einfluß in dem Prospekt offenbart werden oder den Beitrittsinteressenten vor oder bei den Vertragsverhandlungen sonst bekannt geworden sind; als Anknüpfungspunkt genügt die Tatsache dieser Tätigkeit und Verantwortung. Im Ergebnis wird damit, was den verantwortlichen Personenkreis angeht, eine weitgehende Übereinstimmung mit der gesetzlich geregelten Haftung für solche unrichtigen Prospekte hergestellt, die die Grundlage für die Zulassung von Wertpapieren zum Börsenhandel bilden (§ 45 BörsG). Nach dieser Bestimmung haften nicht nur diejenigen, die den Prospekt formell erlassen (insbesondere unterzeichnet) haben, sondern auch diejenigen, von denen der Erlaß des Prospekts ausgeht. Damit sollten die Personen und Unternehmen getroffen werden, von denen die wirtschaftliche Initiative ausgeht und die hinter dem Prospekt stehen und seine eigentlichen Urheber sind (vgl Schwark, BörsG §§ 45, 46 Anm 3; Coing, WM 1980, 206, 212).

b) Zu den von den Vertrauensträgern zu offenbarenden Tatsachen gehören wesentliche kapitalmäßige und personelle Verflechtungen zwischen einerseits der Komplementär-GmbH, ihren Geschäftsführern und beherrschenden Gesellschaftern und andererseits den Unternehmen sowie deren Geschäftsführern und beherrschenden Gesellschaftern, in deren Hand die Publikums-Kommanditgesellschaft die nach dem Emissionsprospekt durchzuführenden Vorhaben ganz oder wesentlich gelegt hat.

c) Zur Abgrenzung des haftungsbegründenden Vertrauenstatbestandes bei Prospektangaben über die Kommanditistenstellung und Beiratsstellung bestimmter vertrauenswürdiger Personen.

Die vom Senat herausgestellte Bedeutung, die dem Emissionsprospekt zukommt, mit dem Kommanditisten zum Beitritt in eine Publikums-Kommanditgesellschaft geworben werden, führt nicht für jeden dort Benannten zur Vertrauenshaftung mit der Folge, daß ihm jede in dem Prospekt enthaltene für den Verhandlungspartner bedeutsame Unrichtigkeit und Unvollständigkeit zugerechnet wird. Für Personen, die nicht zu den das Management bildenden Initiatoren, Gestaltern und Gründern (BGHZ 71, 284) gehören und die auch nicht, wie es im Urteil vom 16. November 1978 dargelegt ist, daneben besonderen Einfluß in der Gesellschaft ausüben und Mitverantwortung tragen, kommt eine Haftung für unrichtige oder unvollständige Prospektangaben grundsätzlich nur in engen Grenzen in Betracht, zum Beispiel, wenn sie durch ihr nach außen in Erscheinung tretendes Mitwirken an dem Prospekt einen besonderen Vertrauenstatbestand schaffen und Erklärungen abgeben (SenUrt v 22. Mai 1980 – II ZR 209/79, BGHZ 77, 172) oder wenn und soweit sie sich den Prospekt – beispielsweise als Anlagenvermittler – zu eigen machen.

Der hier in Betracht zu ziehende Sachverhalt, daß eine Person mit ihrer Zustimmung als Kommanditist oder/und als Beiratsmitglied im Prospekt aufgeführt wird, kann allein – dh wenn keine besonderen Umstände hinzukommen – keine Vertrauenshaftung in dem Sinne begründen, daß er für die Richtigkeit und Vollständigkeit aller im Prospekt enthaltenen Angaben einzustehen hat. Denn damit werden nur Funktionen gekennzeichnet, die keine Garantenstellung in diesem Sinne herbeiführen können. Für die Bezeichnung als Kommanditist ergibt sich dies schon aus der Besonderheit der Publikums-Kommanditgesellschaft, daß die Beitrittsverhandlungen und Abschlüsse dem Einfluß und Verantwortungsbereich der Kommanditisten völlig entzogen sind und demgemäß kein Beitrittsinteressent berechtigten Anlaß hat, sein Verhandlungsvertrauen den von jeglicher Mitwirkung ausgeschlossenen Kommanditisten entgegenzubringen (SenUrt v 14. Dezember 1972 – II ZR 82/70, LM HGB § 132, Nr 3; BGHZ 72, 382). Für den Beirat folgt dies daraus, daß dieser nur die Interessen der GesellschaftBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Gesellschaft
Interessen der Gesellschaft
wahrzunehmen und die Geschäftsführung zu überwachen hat. Die Aufnahme neuer Gesellschafter aber ist keine Geschäftsführungsmaßnahme, sondern ein Grundlagengeschäft.

An diesem Ergebnis ändert sich nichts dadurch, daß, wie die Kläger ausführen, in dem Prospekt mit dem Titel des Beklagten zu 5 als eines „Senators der Hansestadt L. in diskret-auffallender Weise für die DTG II“ geworben wurde. Der Beklagte zu 5 hat auch in diesem Zusammenhang nur versprochen und nur ein Vertrauen darauf begründet, daß er seine Beiratsverpflichtung ordnungsgemäß erfüllen werde. Auch unter diesem Blickpunkt ist deshalb nur ein Vertrauen auf die Wahrnehmung dieser Funktionen schutzwürdig, nicht aber ein Vertrauen auf die Richtigkeit und Vollständigkeit der übrigen Prospektangaben.

Schlagworte: Anlageberatung und Prospekthaftung, Haftung aus Inanspruchnahme typisierten Vertrauens, Haftung aus Verschulden bei Vertragsschluss, Publikumsgesellschaft, Publikumspersonengesellschaft