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BGH, Urteil vom 7. Juli 2008 – II ZR 71/07

§ 107 AktG, § 666 BGB, §§ 666ff BGB, § 667 BGB

Eine Regelung in der Geschäftsordnung des Aufsichtsrats einer AG, nach der ausscheidende Organmitglieder die ihnen im Rahmen ihrer Amtstätigkeit überlassenen Gesellschaftsunterlagen zurückzugeben haben, begegnet keinen Bedenken. Eine entsprechende Verpflichtung ergibt sich schon aus dem Grundgedanken der §§ 666 f. BGB.

Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts (ZIP 2007, 1608 = AG 2007, 747) besteht kein Klärungsbedarf hinsichtlich der Rechtsfrage, ob in der Geschäftsordnung des Aufsichtsrats einer Aktiengesellschaft (hier § 10 Abs. 3 GO) wirksam bestimmt werden kann, dass jedes ausgeschiedene Aufsichtsratsmitglied alle ihm im Rahmen seiner Amtstätigkeit übermittelten Unterlagen der Gesellschaft einschließlich etwaiger Duplikate und Ablichtungen herauszugeben hat.

Es entspricht allgemeiner Auffassung und ist durch das Senatsurteil vom 3. Dezember 1962 (II ZR 63/60, WM 1963, 161 f.) bereits geklärt, dass der Geschäftsführer einer GmbH – und dementsprechend der Vorstand einer AG – nach Beendigung ihrer Amtszeit gemäß §§ 675, 666, 667 BGB verpflichtet sind, über die in ihren Besitz gelangten Unterlagen der Gesellschaft Auskunft zu erteilen und sie herauszugeben (vgl. MünchKommAktG/Spindler 3. Aufl. § 84 Rdn. 98; Kölner Komm.z.AktG/Mertens § 84 Rdn. 84; Fleischer in Spindler/Stilz, AktG § 84 Rdn. 81 f.). Für ein ausgeschiedenes Aufsichtsratsmitglied (wie den Kläger) kann nichts anderes gelten, ohne dass es insoweit darauf ankommt, ob zwischen der Gesellschaft und einem Aufsichtsratsmitglied (auch) ein Anstellungsverhältnis im Sinne eines Geschäftsbesorgungsvertrages gemäß § 675 BGB (so RGZ 146, 145, 152; 152, 273) oder ein rein korporationsrechtliches Verhältnis besteht (so MünchKommAktG/Habersack 3. Aufl. § 101 Rdn. 67; Großkomm.z.AktG/Hopt/M. Roth 4. Aufl. § 101 Rdn. 92; Spindler in Spindler/ Stilz aaO § 101 Rdn. 8; für korporations- und schuldrechtliche Doppelnatur Hüffer, AktG 8. Aufl. § 101 Rdn. 2). Die Heranziehung der Grundgedanken der §§ 666 f. rechtfertigt sich jedenfalls aus der einer Geschäftsbesorgung ähnlichen Funktion des Aufsichtsratsamtes (vgl. Hopt/M. Roth aaO Rdn. 92 a.E.) sowie daraus, dass die Interessenlage in Bezug auf die Herausgabe von Gesellschaftsunterlagen bei Ausscheiden eines Aufsichtsratsmitglieds die gleiche ist wie bei Ausscheiden eines Vorstandsmitglieds. Die Gesellschaft hat ein berechtigtes Interesse daran, dass ihre Dokumente bzw. deren Mehrfertigungen nicht bei ausgeschiedenen Organmitgliedern verstreut bleiben und in unbefugte Hände geraten können. Dabei geht es nicht nur um geheimhaltungsbedürftige, sondern auch um sonstige Unterlagen, die aus gegebenem Anlass einzeln oder in ihrer Zusammenstellung eine im vorhinein nicht abzuschätzende Bedeutung erlangen können. Überdies würde eine Beschränkung der Herausgabepflicht auf aktuell geheimhaltungsbedürftige Dokumente häufig – und erst recht im vorliegenden Fall mit insgesamt 257 herausverlangten Dokumenten – einen erheblichen Verwaltungsaufwand erfordern (vgl. auch Henze, Der Aufsichtsrat 2007, 81).

Schlagworte: Beendigung des Dienstverhältnisses, Nachvertragliche Pflichten