§ 84 AktG vom 06.09.1965, §§ 850ff ZPO, § 850 Abs 1 ZPO vom 20.08.1953, § 84 AktG 1965
a) Die fortlaufenden Dienstbezüge und Versorgungsbezüge von Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft unterliegen grundsätzlich dem Pfändungsschutz nach ZPO §§ 850ff.
Dagegen könnte fraglich sein, ob sich der Pfändungsschutz auch auf die Dienstbezüge eines noch tätigen Vorstandsmitglieds erstreckt. In seinem Urteil BGHZ 41, 282, 288 hat der Senat beiläufig ausgesprochen, daß dies nicht der Fall sei (ebenso im Anschluß an diese Entscheidung Meyer-Landrut in Großkomm AktG 3. Aufl § 84 Anm 16 u Mertens in Köln Komm z AktG § 84 Anm 27). An dieser Ansicht hält der Senat jedenfalls insoweit nicht fest, als daraus zu entnehmen war, einem Organmitglied sei der Pfändungsschutz auch dann zu versagen, wenn es an der Gesellschaft nicht oder nicht wesentlich beteiligt ist. Zwar stehen Organmitglieder von Kapitalgesellschaften nicht in einem Arbeitsverhältnis. Dementsprechend sind sie aus dem Geltungsbereich der meisten arbeitsrechtlichen Gesetze und teilweise auch der für Arbeitnehmer geltenden Vorschriften des Sozialversicherungsrechts und des Steuerrechts ausdrücklich ausgenommen (vgl hierzu im einzelnen Meyer-Landrut und Mertens aaO). § 850 ZPO stellt es aber gar nicht auf das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses ab. Er beschränkt vielmehr die Pfändbarkeit von „Arbeitseinkommen“ und rechnet hierzu unter anderem „Arbeitslöhne und Dienstlöhne … sowie sonstige Vergütungen für Dienstleistungen aller Art, die die Erwerbstätigkeit des Schuldners vollständig oder zu einem wesentlichen Teil in Anspruch nehmen“. Diese Fassung, die wesentlich auf die Novelle vom 24. Oktober 1934 (RGBl I 1070) zurückgeht, unterscheidet nicht danach, ob die vergüteten Dienste in abhängiger oder freier Stellung geleistet werden, sondern will gerade auch selbständig Tätige erfassen, sofern sie fortlaufend Vergütungen für persönliche Dienste erhalten, die ihre Erwerbstätigkeit ganz oder zu einem wesentlichen Teil in Anspruch nehmen und deshalb ihre Existenzgrundlage bilden. Infolgedessen können zum Beispiel die Ansprüche eines Handelsvertreters auf Fixum und Provision als Arbeitseinkommen im Sinne des § 850 Abs 2 ZPO zu verstehen sein (BAG, Urt v 10.2.62 – 5 AZR 77/61, AP § 850 ZPO Nr 3 mit zust Anm Pohle = NJW 1962, 1221). Erst recht muß dies für die aufgrund Dienstvertrags tätigen Vorstandsmitglieder einer Aktiengesellschaft gelten, wie im zivilprozeßrechtlichen Schrifttum einhellig anerkannt ist (Stein/Jonas/Pohle, ZPO 19. Aufl § 850 Anm VII 5a; Wieczorek, ZPO 2. Aufl § 850 Anm C I 2; Stöber, Forderungspfändung 4. Aufl S 312 mwN). Diese genießen grundsätzlich Pfändungsschutz für alle Vergütungen, die sie als Entgelt für ihre Dienste fortlaufend beziehen, im vorliegenden Fall also auch für die Tantieme und die dem Kläger weiter zugebilligten Nebenleistungen (vgl Stöber aaO S 309, 312; vgl auch § 850 Abs 4 ZPO).
b) Diese tatrichterliche Würdigung kann die Revision nicht mit dem Vorbringen ausräumen, das Berufungsgericht habe jene Vorgänge zu gering bewertet. Die Bewertung eines gerügten Verhaltens dahin, ob es unter den gegebenen Umständen schwer genug wiegt, um eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen, liegt im Ermessen des Tatrichters, das hier ersichtlich nicht überschritten ist. Das Berufungsgericht hat auch nicht, wie die Revision meint, die Beweislast verkannt; die Beweisregel des § 84 Abs 2 Satz 2 AktG 1937 (= § 93 Abs 2 Satz 2 AktG 1965) ist im Rahmen des § 626 BGB unanwendbar. Ebenso kommt der von der Revision angeführte Grundsatz, daß Vorgänge, die für sich allein die Kündigung nicht mehr zu begründen vermögen, zur Unterstützung anderer Kündigungsgründe herangezogen werden können, hier nicht zum Tragen. Denn er setzt voraus, daß wenigstens einer der noch unerledigten Gründe als schwerwiegend zu betrachten ist (Urt d Sen v 3.7.75 – II ZR 35/75, WM 1975, 787 zu III). Das ist nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hinsichtlich der vom Kläger zu Unrecht auf Betriebskosten bezogenen Leistungen nicht der Fall.
c) Im Ergebnis zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, daß die Beklagte mit der Annahme der vom Kläger in Form der Beratung weiterhin geschuldeten Dienste in Verzug gekommen ist. Eine deutliche und endgültige Weigerung, diese Dienste entgegenzunehmen, lag bereits in der schriftlichen Aufforderung des Aufsichtsratsvorsitzenden vom 12. Juli 1961, die Bürobesuche einzustellen. Sie machte ein weiteres Leistungsangebot sinnlos. Der Beklagte schuldete dem Kläger daher nach § 615 BGB die vereinbarte Vergütung, und zwar bis zum 30. Juni 1962. Dieser Anspruch scheitert entgegen der Auffassung der Revision nicht daran, daß der Kläger nach dem 8. Februar 1961 nicht mehr, wie im Anstellungsvertrag vorgesehen, als Vorstandsmitglied, sondern nur noch vereinbarungsgemäß als Berater tätig sein konnte. Denn dieser Umstand berührte, wie ausgeführt, nicht den Fortbestand des Dienstvertrages und damit auch der darin dem Kläger zugebilligten Vergütungsansprüche, es sei denn, die Parteien hätten etwas anderes abgemacht, was jedoch nicht der Fall war; tatsächlich hat die Beklagte dem Kläger auch zunächst die vereinbarten Bezüge voll weitergezahlt. Der von der Revision angeführte Gesichtspunkt des Wegfalls der Geschäftsgrundlage scheidet bei Dienstverhältnissen in aller Regel aus, weil dort die Möglichkeit besteht, unter den – hier nicht gegebenen – Voraussetzungen des § 626 BGB die Vertragsbeziehungen zu lösen, wenn deren Fortsetzung bis zum ordentlichen Vertragsablauf für die eine oder andere Seite unzumutbar geworden ist. Eine Kürzung der Bezüge kommt unter dem gleichen Gesichtspunkt ebenfalls grundsätzlich nicht in Betracht, wenn der Dienstberechtigte, wie hier, auf weitere Dienste überhaupt verzichtet hat (Urt d Sen v 15.2.68 – II ZR 92/66, WM 1968, 611 zu III).
Schlagworte: Annahmeverzug der Gesellschaft, Anstellungsvertrag, Fürsorge der Gesellschaft, Pfändungsschutz, Prozessuales, Schutzbedürfnis des Geschäftsführers