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BGH, Urteil vom 8. Juni 2009 – II ZR 147/08

GmbHG § 64

a) Der Geschäftsführer einer GmbH ist nach § 64 Abs. 2 Satz 1 und 2 GmbHG a.F. (= § 64 Satz 1 und 2 GmbHG n.F.) zum Ersatz von Zahlungen verpflichtet, die nach Eintritt der Insolvenzreife der Gesellschaft geleistet werden, wenn die Zahlungen nicht auch nach diesem Zeitpunkt mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns vereinbar sind.

b) Die Zahlung der Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung nach Insolvenzreife ist im Gegensatz zur Zahlung der Arbeitnehmerbeiträge mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns nicht vereinbar. § 266 a Abs. 1 StGB stellt nur das Vorenthalten der Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung, nicht auch der Arbeitgeberbeiträge unter Strafe. Zahlungen der Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung sind mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns vereinbar, weil einem Geschäftsführer mit Blick auf die Einheit der Rechtsordnung nicht angesonnen werden kann, fällige Leistungen an die Sozialkasse nicht zu erbringen, wenn er dadurch Gefahr liefe, strafrechtlich verfolgt zu werden (Sen.Urt. v. 14. Mai 2007 – II ZR 48/06, ZIP 2007, 1265 Tz. 12; v. 5. Mai 2008 – II ZR 38/07, ZIP 2008, 1229 Tz. 13; v. 2. Juni 2008 – II ZR 27/07, ZIP 2008, 1275 Tz. 6; v. 29. September 2008 – II ZR 162/07, ZIP 2008, 2220 Tz. 10). Die Zahlung von Arbeitgeberbeiträgen zur Sozialversicherung durch den Geschäftsführer führt hingegen zur Erstattungspflicht nach § 64 Satz 1 und 2 GmbHG.

c) Für die Vereinbarkeit der Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns spricht keine tatsächliche Vermutung. Schon weil nach § 64 Abs. 2 Satz 2 GmbHG a.F. (= § 64 Satz 2 GmbHG n.F.) vermutet wird, dass der Geschäftsführer Zahlungen nicht mit der erforderlichen Sorgfalt geleistet hat (Sen.Urt. v. 14. Mai 2007 – II ZR 48/06, ZIP 2007, 1265 Tz. 15; Sen.Beschl. v. 5. Februar 2007 – II ZR 150/06, ZIP 2007, 1501 Tz. 4; Sen.Urt. v. 5. Mai 2008 – II ZR 38/07, ZIP 2008, 1229 Tz. 8), ist kein Raum für eine gegenteilige tatsächliche Vermutung. Auch für eine Vermutung, dass Zahlungen an Sozialversicherungsträger auf Arbeitnehmerbeiträge geleistet werden, besteht keine Grundlage. § 4 der Verordnung über die Berechnung, Zahlung, Weiterleitung, Abrechnung und Prüfung des Gesamtsozialversicherungsbeitrages – Beitragsverfahrensverordnung (BVV) – trifft eine Bestimmung über die Reihenfolge der Tilgung bei Teilzahlungen des Gesamtsozialversicherungsbeitrages. Arbeitnehmeranteile werden nur dann vorrangig getilgt, wenn der Arbeitgeber eine Tilgungsbestimmung trifft. Eine konkludente Tilgungsbestimmung setzt voraus, dass sie greifbar in Erscheinung getreten ist (BGH, Urt. v. 26. Juni 2001 – VI ZR 111/00, ZIP 2001, 1474), und kann nicht vermutet werden.

Schlagworte: Arbeitgeberbeiträge, Außenhaftung, Beiträge zur Sozialversicherung, Darlegungs- und Beweislast, Geschäftsführer, GmbHG § 64 Satz 1, Haftung wegen Vorenthaltens von Sozialversicherungsbeiträgen gem. § 266a StGB, Haftungsumfang, Insolvenz, Schadensersatzanspruch, Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns, Teilzahlungen, Verletzung von Schutzgesetzen nach § 823 Abs. 2 BGB, Vorenthalten, Zahlungen, Zahlungen nach Insolvenzreife