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BGH, Versäumnisurteil vom 12. Juni 2006 – II ZR 334/04

§ 19 Abs 1 GmbHG, § 19 Abs 2 GmbHG, § 55 GmbHG, § 362 BGB

1. Einlagezahlungen aus Mitteln der GmbH, die dem Inferenten im Zusammenhang mit einer Kapitalerhöhung als „Darlehen“ oder in sonstiger Weise überlassen worden sind, sind mit dem Grundsatz der realen Kapitalerhöhung unvereinbar, weil sie wirtschaftlich einer verbotenen Befreiung von der EinlageschuldBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Befreiung
Befreiung von der Einlageschuld
i.S. von § 19 Abs. 2 GmbHG gleichstehen.

2. In einem solchen Fall der sog. verdeckten Finanzierung leistet der Inferent bei dem „Her- und Hinzahlen“ nicht anders als in der spiegelbildlichen Konstellation des sog. Hin- und Herzahlens unter dem Gesichtspunkt der Kapitalaufbringung nichts; eine im Zusammenhang mit der „Herzahlung“ getroffene „Darlehensabrede“ ist unwirksam.

3. Mit der späteren Zahlung auf die vermeintliche „Darlehensschuld“ erfüllt der Inferent die offene Einlageverbindlichkeit.

Tenor

Auf die Rechtsmittel der Beklagten werden das Urteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 28. April 2004 aufgehoben und das Urteil des Landgerichts München I, 16. Kammer für Handelssachen, vom 14. Oktober 2003 teilweise abgeändert.

Die Klage wird in vollem Umfang abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin. Die durch die Nebenintervention verursachten Kosten werden der Streithelferin der Klägerin auferlegt.

Tatbestand

Die Klägerin verlangt aus einem mit der Beklagten zu 1 am 17. März 2000 geschlossenen Unternehmenskaufvertrag (UV) über den Erwerb sämtlicher, von der Beklagten zu 1 gehaltenen Geschäftsanteile an der P. GmbH (im Folgenden: P.) Schadensersatz von den Beklagten als Gesamtschuldnern, weil die Beklagte zu 1 entgegen der in dem Vertrag erteilten Zusicherung – für deren Erfüllung die Beklagte zu 2 zusätzlich die Garantie übernommen habe – die Stammeinlage von 950.000,00 DM aus einer Kapitalerhöhung bei der P. nicht wirksam geleistet habe.

Die P. gewährte auf der Grundlage einer Abrede vom 10. Januar 1995 der Beklagten zu 1, ihrer damaligen Alleingesellschafterin, am 24. Februar 1995 ein – bis 30. September 1995 rückzahlbares – verzinsliches Darlehen von 1 Mio. DM; bereits am 1. März 1995 überwies diese 950.000,00 DM an die P. unter Angabe des Verwendungszwecks „Kapitalerhöhung“ zurück. Am 13. März 1995 beschloss die Gesellschafterversammlung der P., das Stammkapital von 50.000,00 DM auf 1 Mio. DM zu erhöhen, wobei die – sofort bar zu leistende – neue Stammeinlage von 950.000,00 DM wiederum von der Beklagten zu 1 übernommen wurde. Die von der Beklagten zu 1 voreingezahlten 950.000,00 DM wurden sodann bei der P. als Erhöhung der Stammeinlage verbucht. Bis zum 17. März 2000 zahlte die Beklagte zu 1 zudem einen Betrag in Höhe der als Darlehen empfangenen Valuta von 1 Mio. DM in nicht näher bekannten Raten – am 13. Januar 1997 betrug die noch offene Restforderung 496.230,00 DM – vollständig zurück. Durch den notariellen Unternehmenskaufvertrag vom 17. März 2000 veräußerte die Beklagte zu 1 an die Klägerin sämtliche von ihr an der P. gehaltenen Geschäftsanteile zu einem Kaufpreis von 1,00 DM. In dem Vertrag sicherte die Beklagte zu 1 u.a. die vollständige Einzahlung des Stammkapitals zu und verpflichtete sich zum Schadensersatz für den Fall der Unrichtigkeit der gegebenen Zusicherungen; zusätzlich übernahm die Beklagte zu 2 die Garantie für die Erfüllung aller sich aus dem Vertrag ergebenden Ansprüche der Klägerin gegen die Beklagte zu 1.

Am 18. Oktober 2002 wurde auf Antrag der P. das vorläufige Insolvenzverfahren über deren Vermögen eröffnet. Nachdem der vorläufige Insolvenzverwalter am 28. Oktober 2002 die Klägerin zur Zahlung der – nach seiner Ansicht von der Beklagten zu 1 seinerzeit nicht wirksam erbrachten – Stammeinlage von 950.000,00 DM aufgefordert hatte, zahlte die Klägerin unter dem 16. Dezember 2002 den geforderten Betrag an die P. ; diese hatte bereits vorher den Antrag auf Insolvenzeröffnung zurückgenommen, woraufhin das Amtsgericht D. die Aufhebung der vorläufigen Insolvenzverwaltung angeordnet hatte. Randnummer4Das Landgericht hat die Beklagten gesamtschuldnerisch zur Leistung von Schadensersatz in Höhe der verlangten 485.727,28 € (= 950.000,00 DM) verurteilt, im Übrigen jedoch wegen eines weitergehenden Leistungs- und Feststellungsbegehrens die Klage – rechtskräftig – abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Dagegen wenden sich die Beklagten mit der – vom Senat zugelassenen – Revision, mit der sie ihren Antrag auf vollständige Abweisung der Klage weiterverfolgen.

Entscheidungsgründe

Da die Klägerin im Verhandlungstermin trotz dessen rechtzeitiger Bekanntgabe nicht vertreten war, ist über die Revision der Beklagten durch Versäumnisurteil zu entscheiden. Die Entscheidung beruht inhaltlich jedoch nicht auf der säumnis, sondern auf einer Sachprüfung (BGHZ 37, 79, 82).

Die Revision der Beklagten ist begründet und führt unter Aufhebung des angefochtenen Berufungsurteils sowie unter Änderung des Landgerichtsurteils zur vollständigen Abweisung der Klage (§§ 562, 563 Abs. 3 ZPO).

I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Randnummer8

Die Beklagten hafteten der Klägerin gesamtschuldnerisch auf Schadensersatz in Höhe von 485.727,28 €, weil die Beklagte zu 1 entgegen der im Unternehmensvertrag gemachten Zusage die anlässlich der Kapitalerhöhung vom 13. März 1995 übernommene Einlage in entsprechender Höhe nicht wirksam erbracht habe. Durch die Einzahlung des nur eine Woche zuvor als Darlehen von der P. empfangenen Betrages habe die Beklagte zu 1 die Kapitalaufbringungsvorschriften in unzulässiger Weise nach Art eines „Hin- und Herzahlens“ umgangen, weil sie die geschuldete Einlage nicht aus eigenen, sondern aus Mitteln der Gesellschaft erbracht und damit dieser nicht – wie erforderlich – neues zusätzliches Geld zugeführt habe. Durch die spätere vollständige Rückzahlung des empfangenen Darlehens von 1 Mio. DM sei die Stammeinlageverbindlichkeit ebenfalls nicht erfüllt worden, weil entsprechend der Zweckbestimmung dieser Rückzahlung allein das Darlehen getilgt worden sei. Hinsichtlich der Zahlung der 950.000,00 DM vom 1. März 1995, die nicht zur Erfüllung der Einlageverbindlichkeit geführt habe, stehe der Beklagten zu 1 gegen die P. lediglich ein Bereichungsanspruch wegen Zweckverfehlung zu, der jedoch – mangels entsprechender Aufrechnungserklärung der P. – ebenfalls nicht die Erfüllung der Einlageschuld bewirkt habe. Dem Schadensersatzbegehren der Klägerin könne dieser Bereicherungsanspruch der Beklagten zu 1 gegen die P. ohnehin nicht entgegengehalten werden.

II. Diese Beurteilung hält im entscheidenden Punkt revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.

Die Klägerin hat gegen die Beklagten keinen Schadensersatzanspruch wegen Verletzung der unternehmensvertraglichen Zusicherung über die vollständige Erbringung der Stammeinlagen bei der P., weil die Beklagte zu 1 ihre Einlageschuld aus der Kapitalerhöhung in Höhe von 950.000,00 DM zwar nicht bereits durch die Einzahlung des entsprechenden Betrages am 1. März 1995 (1.), wohl aber durch die zusätzliche ratenweise Rückzahlung der „als Darlehen“ empfangenen Gelder bis zur Höhe von insgesamt 1 Mio. DM noch vor dem Abschluss des Unternehmensvertrages vom 17. März 2000 wirksam erfüllt hat (2.).

1. Zutreffend ist das Berufungsgericht allerdings davon ausgegangen, dass die von der Beklagten zu 1 übernommene Einlageverbindlichkeit aus der am 13. März 1995 beschlossenen Kapitalerhöhung bei der P. in Höhe von 950.000,00 DM selbst dann nicht durch die ursprüngliche (Vor-)Einzahlung vom 1. März 1995 getilgt worden ist, wenn dieser Betrag – wovon auszugehen ist – zu dem insoweit maßgeblichen Zeitpunkt des Kapitalerhöhungsbeschlusses (vgl. hierzu BGHZ 150, 197, 201) noch der Geschäftsleitung der P. nach dessen Verbuchung als „Erhöhung der Stammeinlage“ zur Verfügung stand. Denn die P. hat der Beklagten zu 1 diesen zur Einlageleistung verwendeten Betrag unmittelbar zuvor – nämlich erst am 24. Februar 1995 – aus ihrem Vermögen „darlehensweise“ zur Verfügung gestellt, so dass die Einlage im wirtschaftlichen Endergebnis nicht von dem Inferenten bar geleistet, sondern von der Gesellschaft finanziert worden ist. Derartige Einlagezahlungen aus Mitteln der Gesellschaft, die dem Inferenten als Darlehen oder in sonstiger Weise überlassen worden sind, sind mit dem Grundsatz der realen Kapitalaufbringung, der den realen Zufluss von Vermögen an die Gesellschaft sichern soll, unvereinbar, weil sie wirtschaftlich einer verbotenen Befreiung von der EinlageschuldBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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Befreiung von der Einlageschuld
i.S. von § 19 Abs. 2 GmbHG gleichstehen (sog. verdeckte Finanzierung: vgl. BGHZ 153, 107, 110; 28, 77 f.; Sen.Urt. v. 22. März 2004 – II ZR 7/02, ZIP 2004, 1046, 1047; h.M.: vgl. Scholz/Schneider, GmbHG 9. Aufl. § 19 Rdn. 40 m.w.Nachw.).

In diesem Gestaltungsfall eines Verstoßes gegen § 19 Abs. 2 GmbHG ist das „Her- und Hinzahlen“ – nicht anders als in der vom Senat bereits entschiedenen spiegelbildlichen Konstellation der Einzahlung des Einlagebetrages durch den Inferenten mit alsbaldiger Rückgewähr an diesen „als Darlehen“ o. ä. (sog. Hin- und Herzahlen: vgl. Sen.Urt. v. 21. November 2005 – II ZR 140/04, ZIP 2005, 2203 Tz. 8 – z.V.b. in BGHZ 165, 113; Sen.Urt. v. 9. Januar 2006 – II ZR 72/05, ZIP 2006, 331 Tz. 8 f. – „Treuhandabrede“) – wirtschaftlich als ein einheitlicher, sich selbst neutralisierender Vorgang anzusehen, bei dem unter dem Gesichtspunkt der Kapitalaufbringung der Inferent nichts leistet und die Gesellschaft nichts erhält; die in diesem Zusammenhang für die „Herzahlung“ getroffene „Darlehensabrede“ ist – als Teil des Umgehungsgeschäfts – unwirksam (vgl. auch Bayer, GmbHR 2004, 445, 452).

2. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts hat die Beklagte zu 1 aber ihre solchermaßen allein offen gebliebene Einlageschuld von 950.000,00 DM durch die vollständige, jedenfalls vor Abschluss des notariellen Unternehmenskaufvertrages vom 17. März 2000 bewirkte „Rückzahlung des Darlehens“ in entsprechender Höhe erfüllt. Dadurch wurden der P. die von ihr als Einlage noch zu beanspruchenden Barmittel endgültig zugeführt und der Zweck der Kapitalaufbringungsregeln erreicht. Dass die nachträglichen Ratenzahlungen möglicherweise fälschlich als „Darlehensrückgewähr“ deklariert und als solche auch in den Bilanzen der P. ausgewiesen wurden, ist unschädlich. Wie der Senat ebenfalls bereits für die spiegelbildlichen Fälle des Hin- und Herzahlens ohne Erfüllungswirkung bei unwirksamer Vereinbarung eines Darlehens klargestellt hat, erfüllt der Inferent mit der Zahlung auf die vermeintliche, wegen Verstoßes gegen die Kapitalaufbringungsvorschriften nicht wirksam begründete („Darlehens“-)Schuld die offene Einlageschuld (vgl. Sen.Urt. v. 21. November 2005 aaO Tz. 9 f.; Sen.Urt. v. 9. Januar 2006 aaO Tz. 10 ff.).

Das gilt in gleicher Weise für die hier vorliegende Konstellation des „Her- und Hinzahlens“. Der Inferent schuldet danach keinesfalls nochmalige („doppelte“) Zahlung der Bareinlage.

Schlagworte: Angabe gemäß § 19 Abs. 5 Satz 2 GmbHG, Befreiung von der Einlageschuld, Einlage, Kapitalerhöhung