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BGH, Versäumnisurteil vom 24. Januar 2012 – II ZR 119/10

BGB § 823Bitte wählen Sie ein Schlagwort:
BGB
BGB § 823
; GmbHG §§  64 a. F. (jetzt InsO § 15a), 41; HGB §§ 238, 257

a) Der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens nach § 64 Abs. 1 GmbHG a. F. ist bei Eintritt der Insolvenzreife grundsätzlich sofort zu stellen. Die höchstens dreiwöchige Frist des § 64 Abs. 1 GmbHG a. F. ist nur dann eröffnet, wenn eine rechtzeitige Sanierung „ernstlich zu erwarten ist“ (BGH, Urteil vom 9. Juli 1979 – II ZR 118/77, BGHZ 75, 96, 111 f.). Die Voraussetzung dieser Ausnahme hat nach allgemeinen Grundsätzen derjenige darzulegen, der sich darauf beruft (BGH, Urteil vom 26. Juni 1989 – II ZR 289/88, BGHZ 108, 134, 144 f.; Urteil vom 6. Juni 1994 – II ZR 292/91, BGHZ 126, 181, 200).

b) Nach § 17 Abs. 2 Satz 2 InsO ist Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft in der Regel anzunehmen, wenn der Schuldner seine Zahlungen eingestellt hat. Dafür reicht ein nach außen hervortretendes Verhalten, in dem sich typischerweise ausdrückt, dass der Schuldner nicht in der Lage ist, seine fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Die tatsächliche Nichtzahlung eines erheblichen Teils der fälligen Verbindlichkeiten reicht für eine Zahlungseinstellung aus, auch wenn noch geleistete Zahlungen beträchtlich sind, aber im Verhältnis zu den fälligen Gesamtschulden nicht den wesentlichen Teil ausmachen. Sogar die Nichtzahlung einer einzigen Verbindlichkeit kann eine Zahlungseinstellung begründen, wenn die Forderung von insgesamt nicht unbeträchtlicher Höhe ist. Haben im fraglichen Zeitpunkt fällige Verbindlichkeiten bestanden, die bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht beglichen worden sind, ist regelmäßig von Zahlungseinstellung auszugehen (BGH, Urteil vom 30. Juni 2011 – IX ZR 134/10, ZIP 2011, 1416 Rn. 12; Urteil vom 11. Februar 2010 – IX ZR 104/07, ZIP 2010, 682 Rn. 42, jeweils m. w. N.).

c) Die Voraussetzungen der Zahlungseinstellung muss grundsätzlich derjenige darlegen und beweisen, der daraus Rechte für sich herleiten will (BGH, Urteil vom 6. Juni 1994 – II ZR 292/91, BGHZ 126, 181, 200; Urteil vom 25. Juli 2005 – II ZR 390/03, BGHZ 164, 50, 57).

d) Die Voraussetzungen der Zahlungseinstellung gelten nach den Grundsätzen der Beweisvereitelung als bewiesen, wenn der Geschäftsführer einer GmbH, der von einem Gesellschafts-Gläubiger wegen Insolvenzverschleppung in Anspruch genommen wird, seine Pflicht zur Führung und Aufbewahrung von Büchern und Belegen verletzt hat und dem Gläubiger deshalb die Darlegung näherer Einzelheiten nicht möglich ist (BGH, Urteil vom 12. März 2007 – II ZR 315/05, ZIP 2007, 1060 Rn. 14 zur Überschuldung).

e) Das für die Ersatzpflicht aus § 823 Abs. 2 BGB erforderliche Verschulden des Geschäftsführers wird vermutet (BGH, Urteil vom 6. Juni 1994 – II ZR 292/91, BGHZ 126, 181, 200).

f) Nach § 823 Abs. 2 BGB, § 64 Abs. 1 GmbHG a. F. ist nur das negative Interesse des Gläubigers zu ersetzen. Dazu gehört der entgangene Gewinn grundsätzlich nicht. Nach der Rechtsprechung des Senats ist aber auch dieser zu ersetzen, wenn dem Gläubiger wegen des mit dem Schuldner abgeschlossenen Geschäfts ein anderes Geschäft entgangen ist (BGH, Urteil vom 27. April 2009 – II ZR 253/07, ZIP 2009, 1220 Rn. 15 f.).

Schlagworte: Aufbewahrung von Büchern und Schriften, Außenhaftung, Darlegungs- und Beweislast, fällige Verbindlichkeiten bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens, Geschäftsführer, GmbHG § 64 Satz 1, Haftung im Zusammenhang mit der Insolvenz, Haftung wegen Insolvenzverschleppung gemäß § 15a Abs. 1 Satz 1 InsO, Haftung wegen Verletzung der Buchführungspflicht nach § 41 GmbHG, Handelsbilanz, Insolvenz, Insolvenzreife, Insolvenzverfahrensverschleppung, Insolvenzverschleppung, Nichtzahlung einer einzigen Verbindlichkeit, Nichtzahlung eines erheblichen Teils, rechnerische Überschuldung, Sanierungsversuche, Schadensersatzanspruch, Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns, tatsächliche Vermutung, Überschuldung, Überschuldungsbilanz, Verletzung von Schutzgesetzen nach § 823 Abs. 2 BGB, Zahlungen nach Insolvenzreife, Zahlungseinstellung, Zahlungsstockung, Zahlungsunfähigkeit, zweistufiger Überschuldungsbegriff