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BGH, Beschluss vom 27. Februar 2024 – II ZR 71/23

Donnerstag, 29. Februar 2024

Abberufung Geschäftsführer

§ 241 Nr. 3 und 4 AktG

Der II. Zivilsenat des BGH hat die Revision der Hannover 96 Management GmbH gegen die Entscheidung des Oberlandesgerichts Celle vom 4. April 2023 zugelassen. Der Rechtsstreit um die Wirksamkeit der Abberufung von Martin Kind als Geschäftsführer der Hannover 96 Management GmbH wird damit fortgesetzt.

Sachverhalt und bisheriger Prozessverlauf

Alleingesellschafter der beklagten Hannover 96 Management GmbH ist der Hannoverscher Sportverein von 1896 e.V.. Der Kläger Martin Kind ist im Handelsregister als Geschäftsführer der Beklagten eingetragen. Die Beklagte ist persönlich haftende Gesellschafterin der Hannover 96 GmbH & Co. KGaA, die die am Spielbetrieb der 2. Fußballbundesliga teilnehmende Fußballmannschaft Hannover 96 unterhält. Kommanditaktionärin der Hannover 96 GmbH & Co. KGaA ist die Hannover 96 Sales & Service GmbH & Co. KGBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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. Nach der Satzung der Beklagten ist ihr Aufsichtsrat für die Bestellung und Abberufung der Geschäftsführer zuständig. In einem sogenannten Hannover-96-Vertrag zwischen dem Hannoverscher Sportverein von 1896 e.V., der Hannover 96 GmbH & Co. KGaA und der Hannover 96 Sales & Service GmbH & Co. KGBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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ist vorgesehen, dass der Hannoverscher Sportverein von 1896 e.V. die Satzung der Beklagten nicht ohne vorherige Zustimmung der Hannover 96 Sales & Service GmbH & Co. KGBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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ändert, ergänzt oder ersetzt.

Im Juli 2022 fassten Vertreter des Hannoverscher Sportverein von 1896 e.V. in einer Gesellschafterversammlung der Beklagten den Beschluss, den Kläger „mit sofortiger Wirkung aus wichtigem Grund im Wege eines satzungsdurchbrechenden Beschlusses als Geschäftsführer“ der Beklagten abzuberufen.

Mit seiner gegen die Beklagte gerichteten Klage verlangt der Kläger die Feststellung, dass dieser Beschluss über seine Abberufung nichtig ist. Das Landgericht Hannover hat der Klage stattgegeben und die Nichtigkeit des Beschlusses festgestellt. Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht Celle zurückgewiesen. Der Beschluss sei entsprechend § 241 Nr. 3 AktG nichtig, weil er mit dem Wesen der GmbH nicht vereinbar sei. Er sei nicht vom Aufsichtsrat der Beklagten und damit kompetenzwidrig gefasst worden, was unter den besonderen Umständen des Streitfalls die Nichtigkeit des Beschlusses zur Folge habe. Die Kompetenzüberschreitung erschöpfe sich nicht in dem Verstoß gegen die Satzung der Beklagten. Vielmehr trete auch ein Verstoß gegen den Hannover-96-Vertrag hinzu. Überdies sei der Abberufungsbeschluss sittenwidrig und damit analog § 241 Nr. 4 AktG nichtig. Die Revision zum Bundesgerichtshof hat das Oberlandesgericht nicht zugelassen.

Entscheidung des Bundesgerichtshofs

Die von der Beklagten eingelegte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision hatte Erfolg, weswegen das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt wird. Die Beklagte hat nun Gelegenheit, ihre Revision innerhalb von zwei Monaten zu begründen. Im Anschluss wird gegebenenfalls ein Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Bundesgerichtshof bestimmt werden.

Schlagworte: Abberufung aus wichtigem Grund Abberufung außerhalb des gesetzlichen Sofortvollzugs, Abberufung des Alleingeschäftsführers, Abberufung des Fremdgeschäftsführers Abberufung des Geschäftsführers, Abberufung des Geschäftsführers aus wichtigem Grund, Abberufung des Geschäftsführers zu gesellschaftsvertragswidrigem Zweck; Abberufung des GmbH-Geschäftsführers, Abberufung Geschäftsführer GmbH, AktG § 241, Analoge Anwendung der §§ 241 ff AktG, analoge Anwendung der §§ 241 ff. AktG, Analoge Anwendung von §§ 241, Beschränkung Kompetenzen, Entscheidungskompetenz der Gesellschafter, Entscheidungskompetenz des Aufsichtsrates/Beirates, Entziehung von Mitgliedschaftsrechten § 241 Nr. 3 Alt. 1 AktG, Heilung von Mängeln des Beschlusses nach § 241 Nr. 1 Nr. 3 und Nr. 4 AktG analog, Kenntnis vom pflichtwidrigen Handeln, Kenntnis vom wichtigen Grund, Kompetenzen der Gesellschafter und des Aufsichtsrats, Kompetenzüberschreitung, Kompetenzüberschreitung Kompetenzüberschreitungen, Kompetenzüberschreitungen, Maßgeblicher Kenntnisträger, Mitgesellschafter haben am Verhalten des Betroffenen längere Zeit keinen Anstoß genommen Zeitfaktor wichtiger Grund, Nichtigkeit von Beschlüssen nach § 241 AktG analog, Nichtigkeit von Gesellschafterbeschlüssen nach § 241 AktG analog und nach GmbHG, positive Kenntnis von Pflichtwidrigkeit, satzungsdurchbrechender Beschluss, Satzungsdurchbrechung, Sittenwidrige Beschlüsse nach § 241 Nr. 4 AktG analog, Unvereinbarkeit mit dem Wesen der GmbH (§ 241 Nr. 3 Alt. 1 AktG analog), Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Geschäftsführerverhältnisses, Unzumutbarkeit Fortsetzung des Geschäftsführerverhältnisses wegen Vertrauensverlusts, Unzumutbarkeit weiterer Zusammenarbeit, Verletzung von Bestimmungen über den Schutz öffentlicher Interessen nach § 241 Nr. 3 Alt. 3 AktG analog, Verwirkung, Verwirkung der Abberufung aus wichtigem Grund, Verwirkung des Widerrufs, Wegfall wichtiger Grund durch Zeitablauf, wichtiger Grund in der Rechtsprechung, Zeitablauf wichtiger Grund, Zeitablauf wichtiger Grund; Mitgesellschafter haben am Verhalten des Betroffenen längere Zeit keinen Anstoß genommen Zeitfaktor wichtiger Grund

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BGH, Beschluss vom 6. Februar 2024 – II ZB 19/22

Dienstag, 6. Februar 2024

Streitwert GeschäftsanteileBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Streitwert
Streitwert Geschäftsanteile

GNotKG § 54 Satz 1, § 97 Abs. 1

Der Geschäftswert der notariellen Beurkundung der Übertragung eines Geschäftsanteils an einer gemeinnützigen GmbH bestimmt sich nach dem Eigenkapital der Gesellschaft im Sinne von § 266 Abs. 3 HGB, das auf den Anteil entfällt.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde der Beteiligten zu 1 gegen den Beschluss des 19. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 1. August 2022 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die Beteiligte zu 1 ist eine gemeinnützige GmbH, mit einem Stammkapital in Höhe von 25.600 € und einem bilanziellen Eigenkapital in Höhe von 36.642.917,35 €.2

Mit notarieller Urkunde des Beteiligten zu 2 vom 8. Dezember 2019(UR-Nr. 1864/2019 Z) wurden zwei von fünf auf denselben Nennwert lautende Geschäftsanteile unentgeltlich übertragen. Die anfallenden Kosten sollte die Beteiligte zu 1 tragen. Der Beteiligte zu 2 berechnete der Beteiligten zu 1 für das Beurkundungsverfahren Kosten in Höhe von 34.564,98 €. Als Geschäftswert setzte er 40 % des Eigenkapitals der Beteiligten zu 1 an.3

Die Beteiligte zu 1 als Kostenschuldnerin hat Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt und den für die Kostenberechnung für das Beurkundungsverfahren zugrunde gelegten Geschäftswert beanstandet. Das Landgericht hat die Kostenberechnung bestätigt. Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Beteiligten zu 1 hat das Beschwerdegericht zurückgewiesen. Mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde beantragt die Beteiligte zu 1 die Aufhebung der Entscheidung des Beschwerdegerichts und die Herabsetzung der Kostenberechnung des Beteiligten zu 2 vom 7. Januar 2020 auf 248,35 € brutto.

II.

Das Beschwerdegericht (OLG KarlsruheBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG Karlsruhe
, GmbHR 2023, 35) hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:5

Da es sich bei der Beteiligten zu 1 um eine Kapitalgesellschaft handele, greife für die Geschäftswertbestimmung § 54 Satz 1 GNotKG ein. Danach bestimme sich der Wert nach dem Eigenkapital der Gesellschaft das auf den jeweiligen Anteil entfalle. Entscheidend für die Ermittlung des Geschäftswerts sei der Wert des Geschäftsanteils selbst und nicht, welche Rechte dem einzelnen Gesellschafter hieraus nach dem Gesellschaftsvertrag zustünden. Es komme daher weder auf den Anteil der Gesellschafter am Gewinn noch auf deren Anteil am Liquidationserlös an. Gegebenenfalls sei zu prüfen, ob Anhaltspunkte für einen höheren Wert vorlägen. Dies gelte indes nicht für einen geringeren Wert, denn § 54 Satz 1 GNotKG regele einen Mindestwert.

III.

Die aufgrund der Zulassung durch das Beschwerdegericht statthafte und auch im Übrigen gemäß § 129 Abs. 2, § 130 Abs. 3 GNotKG, § 70 Abs. 1, § 71 FamFG zulässige Rechtsbeschwerde der Beteiligten zu 1 hat in der Sache keinen Erfolg. Der Beschluss des Beschwerdegerichts hält den Angriffen der Rechtsbeschwerde stand. Die Heranziehung des Geschäftswerts in Höhe von insgesamt 14.657.166,94 € ist rechtlich nicht zu beanstanden.7

1. Der Geschäftswert der notariellen Beurkundung der Übertragung eines Geschäftsanteils an einer gemeinnützigen GmbH bestimmt sich nach dem Eigenkapital der Gesellschaft im Sinne von § 266 Abs. 3 HGB, das auf den Anteil entfällt (§ 97 Abs. 1, § 54 Satz 1 GNotKG).8

a) Ob § 54 Satz 1 GNotKG auch auf eine gemeinnützige GmbH Anwendung findet, ist streitig. Eine Meinung geht wie das Beschwerdegericht davon aus, dass nach der Regelung des § 54 Satz 1 GNotKG bei der Bewertung von Geschäftsanteilen an einer gemeinnützigen GmbH ein Abschlag nicht veranlasst ist (OLG RostockBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG Rostock
, NotBZ 2023, 73 f.; LG Leipzig, NotBZ 2018, 158, 159; Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 21. Aufl., § 15 Rn. 52; Diehn in Bormann/Diehn/Sommerfeldt, 4. Aufl., GNotKG § 54 Rn. 20; Korintenberg/Tiedtke, 22. Aufl., GNotKG § 54 Rn. 12; Renner/Otto/Heinze, Leipziger Gerichts- & Notarkosten-Kommentar, 3. Aufl., § 54 Rn. 25; BeckOK Kostenrecht/Neie, Stand: 1.7.2023, § 54 GNotKG Rn. 1; Toussaint/Kawell, Kostenrecht, 53. Aufl., § 54 GNotKG Rn. 1; Waldner in Rohs/Wedewer, GNotKG, Stand: Januar 2023, § 54 Rn. 6; Diehn in Hausschild/Kallrath/Wachter, Notarhandbuch Gesellschafts- und Unternehmensrecht, 3. Aufl., § 36 Rn. 89; Würzburger Notarhandbuch/Tiedke/Sikora, 6. Aufl., Teil 5 Kap. 9 Rn. 84; Ländernotarkasse, Leipziger Kostenspiegel, 3. Aufl., Rn. 21.847 ff.; Notarkasse, Streifzug durch das GNotKG, 13. Aufl., Rn. 1265; Felix, RNotZ 2018, 306, 307; Gilberg, RNotZ 2020, 193, 209; Sikora/Strauß, DNotZ 2023, 583, 593; Wudy, Notar 2018, 271, 282; Wudy, Notar 2023, 225, 228 f.). Anderer Auffassung zufolge soll es auch nach der gesetzlichen Neuregelung in § 54 GNotKG möglich sein, als Geschäftswert den Nominalbetrag des Geschäftsanteils anzusetzen (Leiß in Fackelmann/Heinemann, GNotKG, § 54 Rn. 20; Leiß in Schneider/Volpert/Fölsch, Gesamtes Kostenrecht, 3. Aufl., § 54 GNotKG Rn. 15; Schmidt/Sikora/Tiedke, Praxis des Handelsregister- und Kostenrechts, 7. Aufl., Rn. 3272 f.).9

b) Die erstgenannte Auffassung ist richtig. § 54 Satz 1 GNotKG gilt auch für eine gemeinnützige GmbH.10

Der Wortlaut der Vorschrift unterscheidet nicht zwischen den mit der Kapitalgesellschaft verfolgten Zielen und umfasst daher individual- und gemeinnützige Kapitalgesellschaften gleichermaßen. Bei diesem Befund bedeutete der Ausschluss gemeinnütziger Kapitalgesellschaften vom Anwendungsbereich der Vorschrift eine teleologische Reduktion. Deren Voraussetzungen lassen sich entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde nicht feststellen.11

aa) Eine teleologische Reduktion kommt in Betracht, wenn der Wortlaut einer Norm mit Blick auf ihren Zweck zu weit gefasst ist. Sie setzt eine verdeckte Regelungslücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes voraus. Ob eine solche Lücke vorhanden ist, ist vom Standpunkt des Gesetzes und der ihm zugrundeliegenden Regelungsabsicht zu beurteilen (BGH, Urteil vom 13. November 2001 – X ZR 134/00, BGHZ 149, 165, 174; Beschluss vom 20. Januar 2005 – IX ZB 134/04, NJW 2005, 1508, 1510; Urteil vom 26. November 2008 – VIII ZR 200/05, BGHZ 179, 27, 35; Urteil vom 30. September 2014 – XI ZR 168/13, BGHZ 202, 302 Rn. 13; Urteil vom 14. August 2019 – IV ZR 279/17, BGHZ 223, 57 Rn. 10; Urteil vom 7. April 2021 – VIII ZR 49/19, NJW 2021, 2281 Rn. 36; Urteil vom 21. Februar 2022- VIa ZR 8/21, WM 2022, 731 Rn. 57; Beschluss vom 28. Juni 2022 – II ZB 8/22, WM 2022, 1595, 1596 Rn. 12). Eine solche Regelungslücke kann sich auch aus der weiteren Rechtsentwicklung ergeben (BVerfGE 88, 145, 167; BGH, Beschluss vom 28. Juni 2022 – II ZB 8/22, WM 2022, 1595, 1596 Rn. 12).12

bb) Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Eine planwidrige Unvollständigkeit des Gesetzes ist nicht anzunehmen. Damit fehlt es an einer Rechtfertigung für eine teleologische Reduktion. Diese ist wegen der Gesetzesbindung des Richters (Art. 20 Abs. 3, Art. 97 Abs. 1 GG, § 1 GVG) nur gerechtfertigt, wenn ihre Voraussetzungen belegt sind (BGH, Beschluss vom 28. Juni 2022 – II ZB 8/22, WM 2022, 1595, 1596 Rn. 13).13

(1) Der in der Gesetzesbegründung zum Ausdruck kommende Wille des Gesetzgebers spricht gegen eine planwidrige Regelungslücke.14

Bei der Ermittlung des Werts von Beteiligungen und Anteilen an Gesellschaften kannte die Kostenordnung keine besondere Regelung für den Fall, dass der Wert nicht feststand. Der Gesetzgeber wollte daraus resultierenden Bewertungsschwierigkeiten abhelfen und hat mit § 54 GNotKG eine besondere Bewertungsvorschrift für Anteile an Kapitalgesellschaften und für Kommanditbeteiligungen geschaffen, die an das Eigenkapital im Sinne von § 266 Abs. 3 HGB anknüpft und die in dieser Norm unter A benannten Positionen ausdrücklich aufzählt. Hierbei hat er in Kauf genommen, dass mit der gewählten Anknüpfung an das bilanzielle Eigenkapital häufig nicht der für die Kostenberechnung nach dem GNotKG gebotene, eher am Verkehrswert orientierte Wert erfasst wird (RegE eines Zweiten Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts, BT-Drucks. 17/11471 (neu) Seite 172 f.).15

Der Gesetzgeber hat sich demnach bewusst für eine Bewertungsschwierigkeiten vermeidende, gerade nicht am Verkehrswert orientierte pauschale, aber vereinfachte und praktikable Wertermittlung entschieden und hierbei in Kauf genommen, dass dieser Wert (Eigenkapital) nicht dem für eine notarielle Kostenberechnung an sich gebotenen Wert entspricht (vgl. KG, ZIP 2021, 406). Die Begründung der Ausnahmen in § 54 Satz 2 und 3 GNotKG zeigt zudem, dass der Gesetzgeber nur in den Fällen zu dem für die Bemessung des Geschäftswerts nach dem GNotKG regelmäßig maßgeblichen Verkehrswert zurückkehren wollte, in denen sich daraus ein höherer Geschäftswert ergibt, als es bei der Anknüpfung an das bilanzielle Eigenkapital der Fall wäre. In dieser Konsequenz wird in § 54 Satz 1 GNotKG auf das bilanzielle Eigenkapital dann abgestellt, wenn keine genügenden Anhaltspunkte für einen höheren Wert von Anteilen bestehen. Eine niedrigere als durch das bilanzielle Eigenkapital bestimmte Bewertung bei der Übertragung von GeschäftsanteilenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Übertragung
Übertragung von Geschäftsanteilen
an einer gemeinnützigen GmbH würde diesem eindeutigen Willen des Gesetzgebers entgegenstehen.16

Da unter dem Regime der Kostenordnung umstritten war, ob Geschäftsanteile an einer gemeinnützigen GmbH nach dem Nennwert oder nach ihrem anteiligen Wert am Reinvermögen, gegebenenfalls mit einem Abschlag, zu bewerten waren (vgl. Renner/Otto/Heinze, Leipziger Gerichts- & Notarkosten-Kommentar, 3. Auflage, § 54 Rn. 25 mwN), liegt es fern, dass der Gesetzgeber bei der Novellierung des Kostenrechts die Möglichkeit der Erstreckung der Vorschrift auch auf gemeinnützige Kapitalgesellschaften übersehen hat.17

(2) Die in § 91 Abs. 2 GNotKG enthaltene Beschränkung der Gebührenermäßigung auf Körperschaften, Vereinigungen und Stiftungen, die ausschließlich und unmittelbar mildtätige oder kirchliche Zwecke im Sinne der Abgabenordnung verfolgen, entspricht inhaltlich dem zuvor geltenden § 144 Abs. 2 KostO, mit dem der Gesetzgeber wiederum auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 1. März 1978 reagierte, welche die Vorgängerregelung (§ 144 Abs. 3 KostO idF vom 28. August 1969, BGBl. I S. 1513) teilweise für nichtig erklärte.18

Das Bundesverfassungsgericht hielt die weiter gefasste Pflicht zur Gebührenermäßigung für unvereinbar mit der Berufsausübungsfreiheit der Notare (Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG; BVerfGE 47, 285 ff.), weil eine Ermäßigungspflicht aus Gründen des Allgemeinwohls gerechtfertigt und den Notaren zumutbar sein müsste und der Gesetzgeber dies unter Ermittlung der Einkommensauswirkungen für die Notare konkret zu prüfen habe (BVerfGE 47, 285 ff.). Diesen Vorgaben wollte der Gesetzgeber gerecht werden und die Gebührenvergünstigung in einem engen, den Notar möglichst wenig belastenden Rahmen halten (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses vom 20. April 1989, BT-Drucks. 11/4394, Seite 10 f.; Gesetzesentwurf des Bundesrates vom 19. Mai 1988, BT-Drucks. 11/2343, Seite 10 f.). Angesichts dessen war der sachliche und persönliche Geltungsbereich der Gebührenermäßigung in der anschließenden Neuregelung des § 144 KostO abschließend geregelt worden. Eine Ausdehnung der Regelung auf die weit gefasste Verfolgung gemeinnütziger Zwecke im Sinne der Abgabenordnung kommt nicht in Betracht, da dies dem erklärten Ziel des Gesetzgebers zuwiderlaufen würde (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Juni 2013 – V ZB 130/12, NJW-RR 2014, 183 Rn. 8 f.).19

Die in § 144 Abs. 2 KostO und § 91 Abs. 2 Nr. 1 GNotKG getroffenen gesetzgeberischen Entscheidung, u.a. gemeinnützige Vereinigungen nicht gebührenmäßig zu privilegieren, legt nahe, dass der Gesetzgeber bei der Regelung des § 54 Satz 1 GNotKG eine Differenzierung zu gemeinnützigen Kapitalgesellschaften nicht vornehmen wollte. Dass der Gesetzgeber im Lichte der zitierten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts eine Ausdehnung der Gebührenermäßigung auf gemeinnützige Körperschaften, Vereinigungen und Stiftungen für nicht angezeigt hielt, spricht dafür, dass er auch eine privilegierende Wertfestsetzung bei der Übertragung von Anteilen an einer gemeinnützigen Kapitalgesellschaft nicht begründen wollte.20

cc) Schließlich teilt der Senat die verfassungsrechtlichen Bedenken nicht, die von der Rechtsbeschwerde für eine einschränkende Auslegung des § 54 Satz 1 GNotKG angeführt werden. Die Verkehrsfähigkeit der übertragenen Anteile ist bereits deshalb nicht eingeschränkt, weil die Gesellschaft die Kosten für die Übertragung der Anteile übernimmt.

Löffler I www.K1.de I Gesellschaftsrecht I Gesellschafterversammlung I M&A I Unternehmenskauf I Erfurt I Thüringen I Sachsen I Sachsen-Anhalt I Hessen I Deutschland 2024

Schlagworte: Streitwert, Streitwert Geschäftsanteile, Streitwertbemessung

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BGH, Beschluss vom 6. Februar 2024 – II ZB 23/22

Dienstag, 6. Februar 2024

Partnerschaftsregistersache

PartGG idF vom 10. August 2021 § 2 Abs. 1

Gemäß § 2 Abs. 1 PartGG idF vom 10. August 2021, in Kraft getreten am 1. Januar 2024, muss der Name der Partnerschaft nur noch den Zusatz „und PartnerBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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“ oder „Partnerschaft“ enthalten. Die Aufnahme des Namens mindestens eines Partners ist nicht mehr erforderlich.

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der Beteiligten zu 1 bis 5 werden der Beschluss des 20. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 17. November 2022 und der Beschluss des Amtsgerichts – Registergericht Frankfurt am Main vom 8. Juni 2021 aufgehoben.

Das Amtsgericht – Registergericht – wird angewiesen, über die Anmeldung der Beteiligten gemäß dem Antrag vom 4. Februar 2021 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu entscheiden.

Gründe

I.

Die Beteiligten zu 1 bis 5 sind Rechtsanwälte und betrieben seit 2010 die C.        LLP mit Sitz in H.       ,       England, mit einer Kanzlei in F.              . Eine diesbezügliche Zweigniederlassung war im Partnerschaftsregister eingetragen. Mit dem Vertrag vom 25. September 2019 wurde die Partnerschaftsgesellschaft mit beschränkter Berufshaftung mit dem Namen C.      Rechtsanwälte PartnerGmbB S.     W.      P.     K.    gegründet und ins Partnerschaftsregister eingetragen. Nach dem Partnerschaftsvertrag erfolgte die Gründung für den Fall, dass das Vereinigte Königreich von Großbritannien und Nordirland aus der Europäischen Union ausscheidet. Die Gesellschaft blieb zunächst inaktiv.2

Mit Anmeldung vom 4. Februar 2021 meldeten die Beteiligten zu 1 bis 5 Folgendes an: „Zum Jahreswechsel 2020/21 ist im Wege der Gesamtrechtsnachfolge das gesamte Geschäft der bisherigen C.       LLP, H.        ,      England (PR Frankfurt am Main    ) in die Partnerschaftsgesellschaft eingebracht worden, die mit Beginn des Jahres ihr Geschäft aufgenommen hat. Die Partnerschaftsgesellschaft führt seit Jahresbeginn als Rechtsnachfolgerin der C.      LLP deren Namen fort. Der Namen der Partnerschaftsgesellschaft ist geändert worden und lautet jetzt C.    Rechtsanwälte PartGmbB.“3

Die Aufhebung der Zweigniederlassung der C.     LLP wurde am 24. Februar 2021 antragsgemäß im Partnerschaftsregister eingetragen und das Registerblatt geschlossen. Die Anmeldung der Eintragung der Änderung des Namens der Partnerschaftsgesellschaft in „C.          Rechtsanwälte PartGmbB“ hat das Registergericht mit Beschluss vom 8. Juni 2021 zurückgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die dagegen gerichtete Beschwerde mit Beschluss vom 17. November 2022 zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde zugelassen, mit der die Beteiligten ihr Begehren weiterverfolgen.

II.

Die aufgrund der Zulassung durch das Beschwerdegericht statthafte und auch im Übrigen gemäß § 70 Abs. 1, § 71 FamFG zulässige Rechtsbeschwerde der Beteiligten zu 1 bis 5 ist begründet. Sie führt unter Aufhebung der angefochtenen Beschlüsse zur Anweisung des Registergerichts, über die Anmeldung der Beteiligten gemäß dem Antrag vom 4. Februar 2021 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu entscheiden.5

1. Das Beschwerdegericht hat seine Entscheidung, soweit für das Rechtsbeschwerdeverfahren von Bedeutung, im Wesentlichen wie folgt begründet: Der Name der Partnerschaft „C.       Rechtsanwälte PartGmbB“ verstoße gegen § 2 Abs. 1 PartGG idF vom 22. Juni 1998. Danach müsse der Name einer PartnerschaftBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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Name einer Partnerschaft
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neben der Berufsbezeichnung aller in ihr vertretenen Berufe und dem Zusatz „und PartnerBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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“ oder „Partnerschaft“ den Namen mindestens eines Partners enthalten, woran es hier fehle.6

2. Die Entscheidung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Gemäß § 2 Abs. 1 PartGG idF vom 10. August 2021 (BGBl. I 2021, 3436), in Kraft getreten am 1. Januar 2024, muss der Name der Partnerschaft nur noch den Zusatz „und PartnerBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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und Partner
“ oder „Partnerschaft“ enthalten. Die Aufnahme des Namens mindestens eines Partners ist nicht mehr erforderlich.7

Bei der Entscheidung über die Rechtsbeschwerde ist das zum Zeitpunkt der Rechtsbeschwerdeentscheidung geltende Recht anzuwenden. Das gilt auch, wenn das Gericht der Vorinstanz dieses Recht noch nicht berücksichtigen konnte (BGH, Beschluss vom 16. Februar 2021 – II ZB 25/17, ZIP 2021, 566 Rn. 6 mwN).8

Der Zwang zur Benennung mindestens eines Partners ist durch die Änderung des § 2 Abs. 1 PartGG ab dem 1. Januar 2024 entfallen (MünchKommBGB/Schäfer, 9. Aufl., PartGG § 2 Rn. 1, 5, 8; BeckOK BGB/Schöne, Stand: 1.11.2023, § 2 PartGG Rn. 5a; Weyland/Jähne, BRAO, 11. Aufl., § 2 PartGG Rn. 21). Den Gesetzesmaterialien ist zu entnehmen, dass die grundsätzlich zu schützende Vertrauensbeziehung zwischen Freiberufler und Auftraggeber es jedenfalls aus gesellschaftsrechtlicher Sicht nicht erfordere, dass der Name der Partnerschaftsgesellschaft den Namen mindestens eines Partners enthalten müsse, zumal die Identifizierung der Partnerschaftsgesellschaft mit dem Namen der Partner weitgehend an Bedeutung verloren habe(BT-Drucks. 19/27635, S. 274).

Schlagworte: Partnerschaft, Partnerschaftsregistersache, und Partner

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BGH, Beschluss vom 23. Januar 2024 – II ZB 8/23

Mittwoch, 24. Januar 2024

Art. 17 Abs. 1 DS-GVO

DS-GVO Art. 17Bitte wählen Sie ein Schlagwort:
DS-GVO
DS-GVO Art. 17
Abs. 1, Art. 18 Abs. 1 Buchst. d, Art. 21 Abs. 1; HGB § 9 Abs. 1, §
10 Abs. 1, § 106 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a, § 162 Abs. 1;
HRV § 40 Nr. 5 Buchst. c

1. Der Kommanditist hat keinen Anspruch aus Art. 17 Abs. 1 DS-GVO auf Löschung seines Geburtsdatums und seines Wohnorts im Handelsregister.

2. Der Kommanditist hat keinen Anspruch auf Einschränkung der Verarbeitung seines Geburtsdatums und seines Wohnorts durch das Registergericht aus Art. 18 Abs. 1 Buchst. d, Art. 21 Abs. 1 DS-GVO.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 24. Februar 2023 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Gründe

A.

Der Antragsteller ist Kommanditist der S.  GmbH & Co. KGBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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KG
und als solcher seit August 2012 mit seinem Geburtsdatum und Wohnort im Handelsregister eingetragen.2

Unter dem 21. November 2022 hat der Antragsteller beantragt, die Angabe seines Geburtsdatums und seines Wohnorts aus dem Handelsregister zu entfernen. Zur Begründung hat er angeführt, seine berufliche Tätigkeit bestehe im Umgang mit Sprengstoff, so dass bei ihm die Gefahr bestehe, Opfer einer Entführung oder eines Raubes zu werden, um die von ihm gehandhabten Stoffe zu erlangen. Deswegen seien sein Geburtsdatum und sein Wohnort unter anderem auch im Melderegister gesperrt. Hilfsweise hat er beantragt, Geburtsdatum und Wohnort erst nach einer Interessenabwägung an Dritte zu übermitteln.3

Das Amtsgericht – Registergericht – hat die Anträge mit Beschluss vom 30. Dezember 2022 zurückgewiesen. Die dagegen eingelegte Beschwerde des Antragstellers hatte keinen Erfolg. Mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Antragsteller seine Anträge weiter.

B.

Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.5

I. Das Beschwerdegericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:6

Für das Begehren des Antragstellers fehle es an einer Rechtsgrundlage. Ein Widerspruchsrecht nach Art. 21 Abs. 1 der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/eG (Datenschutz-Grundverordnung; im Folgenden: DS-GVO) stehe dem Antragsteller gemäß § 10a Abs. 3 HGB nicht zu. Dementsprechend habe er auch keinen Anspruch auf Einschränkung der Verarbeitung nach Art. 18 Abs. 1 Buchst. d DS-GVO. Ein Anspruch auf Löschung der Daten aus Art. 17 Abs. 1 und 2 DS-GVO sei nach Art. 17 Abs. 3 Buchst. b DS-GVO ausgeschlossen, weil das Registergericht nach § 387 Abs. 2 FamFG i.V.m. § 43 Nr. 4 Satz 1 Buchst. b HRV zur Verarbeitung der Daten verpflichtet sei. Schließlich könne der Antragsteller sich auch nicht auf § 395 FamFG stützen, weil die Aufnahme seines Geburtsdatums und seines Wohnorts im Handelsregister nicht unzulässig gewesen sei.7

Zweifel an der Vereinbarkeit von § 10a Abs. 3 HGB mit Verfassungs- und Europarecht bestünden nicht, weil die Einschränkung der Rechte aus Art. 21 DS-GVO von Art. 23 Abs. 1 Buchst. e DS-GVO gedeckt sei. Dass das Interesse des Antragstellers an der Geheimhaltung seines Geburtsdatums und seines Wohnorts das öffentliche Interesse an der Führung eines funktionsfähigen und verlässlichen Handelsregisters zur Gewährleistung der Sicherheit und Leichtigkeit des Rechtsverkehrs überwiege, sei weder hinreichend vorgetragen noch ersichtlich.8

Ein etwaiger Anspruch aus Rechtsnormen außerhalb des Registerverfahrensrechts und datenschutzrechtlicher Bestimmungen, etwa aus §§ 823, 839 BGB oder § 1004 BGB (analog) wegen Verfehlung datenschutzrechtlicher Vorgaben durch die mit dem Gesetz zur Umsetzung der Digitalisierungsrichtlinie vom 5. Juli 2021 (DiRUG) jedermann eröffnete Möglichkeit der kostenfreien Einsichtnahme in das Handelsregister, könne im Registerverfahren nicht geprüft werden, sei aber auch nach dem durch das DiRUG unangetasteten Zweck des § 10a Abs. 3 HGB zu verneinen.9

II. Die vom Beschwerdegericht zugelassene Rechtsbeschwerde ist gemäß § 70 Abs. 1 FamFG statthaft und auch im Übrigen zulässig. Die Rechtsbeschwerdebefugnis des Antragstellers ergibt sich bereits daraus, dass seine Beschwerde gegen den Beschluss des Registergerichts zurückgewiesen wurde (vgl. BGH, Beschluss vom 31. Januar 2023 – II ZB 10/22, BGHZ 236, 123 Rn. 7 mwN).10

III. Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Die Entscheidung des Beschwerdegerichts hält der rechtlichen Prüfung im Ergebnis stand.11

1. Ein Anspruch des Antragstellers auf Entfernung der Angabe seines Geburtsdatums und seines Wohnorts aus seiner Eintragung als Kommanditist im Handelsregister ergibt sich weder aus der Datenschutz-Grundverordnung noch aus nationalem Recht.12

a) Ein Anspruch auf Entfernung der Daten gemäß Art. 17 Abs. 1 und 2 DS-GVO (ABl. L 119 vom 4. Mai 2016, S. 1) ist nach Art. 17 Abs. 3 Buchst. b Fall 1 DS-GVO ausgeschlossen. Die Eintragung, Speicherung und Offenlegung des Geburtsdatums und des Wohnorts eines Kommanditisten im Handelsregister ist zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung des Registergerichts im Sinne von Art. 17 Abs. 3 Buchst. b Fall 1 DS-GVO erforderlich.13

aa) Die Datenschutz-Grundverordnung ist im vorliegenden Fall zeitlich (Art. 99 Abs. 2, Art. 94 Abs. 1, Erwägungsgrund 171 DS-GVO), räumlich (Art. 3 Abs. 1 und 2 DS-GVO) und sachlich (Art. 2 Abs. 1 DS-GVO) anwendbar.14

Das Geburtsdatum und der Wohnort des Antragstellers sind personenbezogene Daten im Sinne von Art. 2 Abs. 1, Art. 4 Nr. 1 DS-GVO. Ihre Eintragung und Speicherung im elektronisch geführten Handelsregister (§ 8 Abs. 1, § 8a Abs. 1 HGB) sind ebenso wie ihre Offenlegung durch Gestattung der unbeschränkten Einsichtnahme in das Handelsregister (§§ 9, 10 Abs. 2 HGB) eine Verarbeitung im Sinne von Art. 2 Abs. 1 Fall 1 und 2, Art. 4 Nr. 2 DS-GVO. Das mit der Führung des elektronischen Handelsregisters gemäß § 8 Abs. 1 HGB betraute Registergericht ist Verantwortlicher für diese Datenverarbeitung im Sinne von Art. 4 Nr. 7 DS-GVO (vgl. EuGH, Urteil vom 9. März 2017 – C-398/15, ECLI:EU:C:2017:197 = BB 2017, 652 Rn. 35 – Manni [zu Art. 2 Buchst. d der Richtlinie 95/46/eG des Europäischen Parlaments und des Rates vom24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr, ABl. L 281 vom23. November 1995, S. 31; im Folgenden: Datenschutz-Richtlinie]). Das gilt nicht nur für die Eintragung und Speicherung der Daten, sondern auch für ihre Offenlegung über das im Internet gemäß § 9 Abs. 1 Satz 4 HGB eingerichtete zentrale Registerportal (www.Handelsregister.de), weil das Registergericht mit der Eintragung und Übermittlung der Daten an den Betreiber des Registerportals darüber entscheidet, welche Daten dort abrufbar sind.15

bb) Das auf vollständige Entfernung der Daten aus dem Handelsregister gerichtete Begehren des Antragstellers ist grundsätzlich von Art. 17 Abs. 1 und 2 DS-GVO umfasst.16

Nach Art. 17 Abs. 1 DS-GVO kann die betroffene Person bei Vorliegen eines der dort genannten Gründe die Löschung der sie betreffenden Daten gemäß Art. 17 Abs. 2 DS-GVO von dem für die Verarbeitung Verantwortlichen verlangen. Der Begriff der Löschung im Sinne dieser Vorschrift ist autonom auszulegen (vgl. BGH, Urteil vom 27. Juli 2020 – VI ZR 405/18, BGHZ 226, 285 Rn. 17) und beinhaltet – anders als die gemäß § 395 Abs. 1 Satz 2 FamFG, §§ 16, 19 HRV lediglich durch Rötung erfolgende Löschung von Handelsregistereintragungen nach nationalem Recht – die Unkenntlichmachung der personenbezogenen Daten in einer Weise, die es tatsächlich unmöglich macht, die zuvor in den zu löschenden Daten verkörperte Information wahrzunehmen (vgl. Herbst in Kühling/Buchner, DS-GVO/BDSG, 4. Aufl., Art. 17 DS-GVO Rn. 37 ff.; Roßnagel in Simitis/Hornung/Spiecker, Datenschutzrecht, Art. 4 Nr. 2 DS-GVO Rn. 30).17

cc) Ein Anspruch des Antragstellers aus Art. 17 Abs. 1 DS-GVO ist aber, selbst wenn einer der in Art. 17 Abs. 1 DS-GVO genannten Löschungsgründe zu bejahen sein sollte, nach Art. 17 Abs. 3 Buchst. b Fall 1 DS-GVO ausgeschlossen, weil die Eintragung, Speicherung und Offenlegung des Geburtsdatums und des Wohnorts des Antragstellers als Kommanditist im Handelsregister zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung des Registergerichts im Sinne dieser Vorschrift erforderlich ist.18

aaa) Nach Art. 17 Abs. 3 Buchst. b Fall 1 DS-GVO gelten Art. 17 Abs. 1 und Abs. 2 DS-GVO nicht, soweit die Verarbeitung der Daten zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung des Verantwortlichen, die sich aus dem Recht der Union oder dem Recht eines Mitgliedstaats, dem der Verantwortliche unterliegt, ergeben kann, erforderlich ist. Diese rechtliche Verpflichtung muss, wie sich aus Erwägungsgrund 41 Satz 1 DS-GVO ergibt, nicht notwendig in einem Parlamentsgesetz normiert sein (EuGH, Urteil vom 24. Februar 2022- C-175/20, ECLI:EU:C:2022:124 = ZD 2022, 271 Rn. 52 – Valsts ieņēmumu dienests). Sie muss aber, da Art. 17 Abs. 3 Buchst. b DS-GVO die Regelung in Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. c DS-GVO widerspiegelt, den in Art. 6 Abs. 2 und 3 DS-GVO geregelten Anforderungen genügen (vgl. Peuker in Sydow /Marsch, DS-GVO/BDSG, 3. Aufl., Art. 17 DS-GVO Rn. 63; Herbst in Kühling/ Buchner, DS-GVO/BDSG, 4. Aufl., Art. 17 DS-GVO Rn. 74 f.; BeckOK Datenschutzrecht/Worms, Stand: 1.8.2023, Art. 17 DS-GVO Rn. 83; Meentz/Hinzpeter in Taeger/Gabel, DS-GVO/BDSG/TTDSG, 4. Aufl., Art. 17 DS-GVO Rn. 125). Demnach muss der Zweck der Verarbeitung in der Rechtsgrundlage festgelegt sein (Art. 6 Abs. 3 Satz 2 DS-GVO). Außerdem muss die Verarbeitung zur Erfüllung der rechtlichen Verpflichtung des Verantwortlichen tatsächlich erforderlich sein, diese Rechtsgrundlage nach Art. 6 Abs. 3 Satz 4 DS-GVO ein im öffentlichen Interesse liegendes Ziel verfolgen und in einem angemessenen Verhältnis zu dem verfolgten legitimen Zweck stehen und die Verarbeitung muss innerhalb der Grenzen des unbedingt Notwendigen erfolgen (EuGH, Urteil vom 4. Juli 2023 – C-252/21, ECLI:EU:C:2023:537 = RIW 2023, 516 Rn. 138 = NJW 2023, 2997 – Meta Platforms).19

bbb) Das Registergericht ist zu der in Rede stehenden Verarbeitung des Geburtsdatums und des Wohnorts des Antragstellers rechtlich verpflichtet.20

(1) Nach § 162 Abs. 1, § 106 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a HGB (jeweils in der – bei der Rechtsbeschwerdeentscheidung zugrunde zu legenden [vgl. BGH, Beschluss vom 17. Februar 1993 – XII ZB 134/92, BGHZ 121, 305, 317; Bumiller in Bumiller/Harders/Schwamb, FamFG, 13. Aufl., § 72 Rn. 6; Roßmann in Schulte-Bunert/Weinreich, FamFG, 7. Aufl., § 72 Rn. 7 mwN] – seit 1. Januar 2024 geltenden Fassung) sind bei der Anmeldung einer Kommanditgesellschaft auch der Name, Vorname, Geburtsdatum und Wohnort jedes Kommanditisten zur Eintragung in das HandelsregisterBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Eintragung
Eintragung in das Handelsregister
Handelsregister
anzumelden.21

(2) Das Registergericht ist nach § 387 Abs. 2 FamFG, § 40 Nr. 5 Buchst. c HRV verpflichtet, diese Daten in das Handelsregister einzutragen (vgl. BeckOGK HRV/Szalai, Stand: 15.10.2023, § 40 Rn. 1; vgl. BGH, Urteil vom 13. Mai 1953 – II ZR 157/52, BGHZ 10, 44, 48).22

Die Eintragung hat gemäß § 8 Abs. 1, § 8a Abs. 1 HGB durch dauerhafte inhaltlich unveränderte Speicherung im elektronisch zu führenden Handelsregister zu erfolgen (siehe auch § 387 Abs. 2 FamFG, § 47 Abs. 1 Satz 1 HRV). Eine Entfernung von vorhandenen Eintragungen durch technische Eingriffe oder sonstige Maßnahmen ist dem Registergericht nach § 387 Abs. 2 FamFG, § 12 Satz 2 HRV untersagt. Auch die Löschung einer Eintragung gemäß §§ 393 ff. FamFG erfolgt nicht durch (technische) Entfernung der Eintragung, sondern ihrerseits als eigene Eintragung, um den Vorgang der Löschung als solchen im Register für Dritte nachvollziehbar zu machen. Selbst unzulässige Eintragungen werden gemäß § 395 Abs. 1 Satz 2 FamFG, §§ 16, 19 HRV nicht entfernt, sondern durch Eintragung eines Vermerks unter einer neuen laufenden Nummer sowie Rötung der unzulässigen Eintragung gelöscht (vgl. BGH, Beschluss vom 3. Februar 2015 – II ZB 12/14, ZIP 2015, 1064 Rn. 20).23

(3) Schließlich ist das Registergericht nach § 9 Abs. 1 Satz 1 HGB zur Offenlegung der eingetragenen Daten in der Form verpflichtet, dass die Einsichtnahme in das Handelsregister jedem zu Informationszwecken durch einzelne Abrufe gestattet wird, ohne dass es der Darlegung eines berechtigten Interesses bedarf (BGH, Beschluss vom 12. Juli 1989 – IVa ARZ (VZ) 9/88, BGHZ 108, 32, 35 f.; Beschluss vom 3. Februar 2015 – II ZB 12/14, ZIP 2015, 1064 Rn. 24; Beschluss vom 24. Mai 2023 – VII ZB 69/21, ZIP 2023, 1640 Rn. 22). Hierfür sind die Eintragungen aus dem Handelsregister über das Registerportal abrufbar zu machen (§ 9 Abs. 1 Satz 2, § 10 Abs. 1 HGB, § 52 HRV), indem sie unverzüglich zum Abruf über dieses Portal bereitgestellt werden (§ 10 Abs. 2 HGB, § 32 HRV). Das gilt auch für eingetragene Angaben zu Kommanditisten, nachdem deren frühere Ausnahme von der Bekanntmachung mit Aufhebung des § 162 Abs. 2 HGB aF durch das DiRUG mit Wirkung zum 1. August 2022 entfallen ist.24

ccc) Da die genannten Regelungen weder Ausnahmen, sei es abstrakt-generell für bestimmte Fallgruppen oder konkret bei besonderen Umständen im Einzelfall, vorsehen, noch dem Registergericht bei der Anwendung einen Beurteilungsspielraum oder Ermessen einräumen, ist diese Datenverarbeitung auch im Fall des Antragstellers zur Erfüllung der rechtlichen Verpflichtungen des Registergerichts tatsächlich erforderlich.25

ddd) Diese rechtlichen Verpflichtungen des Registergerichts verfolgen ein im öffentlichen Interesse liegendes Ziel im Sinne von Art. 6 Abs. 3 Satz 2 und 4 DS-GVO. Sie sollen den Schutz der Sicherheit, Lauterkeit und Leichtigkeit des Rechtsverkehrs im kaufmännischen und handelsgesellschaftlichen Bereich gewährleisten.26

(1) Sinn und Zweck des Handelsregisters liegen darin, es der Öffentlichkeit zu ermöglichen, sich über die Rechtsverhältnisse von Kaufleuten und Gesellschaften zu unterrichten, und Umstände zu verlautbaren, die für den Rechtsverkehr von erheblicher Bedeutung sind (Informations- und Publizitätsfunktion; vgl. BGH, Beschluss vom 24. Oktober 1988 – II ZB 7/88, BGHZ 105, 324, 344; Beschluss vom 10. November 1997 – II ZB 6/97, ZIP 1998, 152;Beschluss vom 14. Februar 2012 – II ZB 15/11, ZIP 2012, 623 Rn. 16; Beschluss vom 3. Februar 2015 – II ZB 12/14, ZIP 2015, 1046 Rn. 18; Beschluss vom 31. Januar 2023 – II ZB 10/22, BGHZ 236, 123 Rn. 12; Beschluss vom 24. Mai 2023 – VII ZB 69/21, ZIP 2023, 1640 Rn. 20; Beschluss vom 19. September 2023 – II ZB 15/22, ZIP 2023, 2356 Rn. 28). Dabei wird die Zuverlässigkeit des Registers zum einen durch die registerrechtliche Kontrolle der Anmeldungen zur Eintragung gewährleistet, zum anderen dadurch, dass sich an das Vertrauen in darin enthaltene Eintragungen in gewissem Umfang materiell-rechtliche Wirkungen anknüpfen (§ 15 HGB; vgl. BGH, Beschluss vom 3. Februar 2015 – II ZB 12/14, ZIP 2015, 1064 Rn. 18; Beschluss vom 24. Mai 2023 – VII ZB 69/21, ZIP 2023, 1640 Rn. 20). Ohne solche Informationen und ihre allgemeine Zugänglichkeit durch uneingeschränkt einsehbare Register wäre der Rechtsverkehr in seiner Sicherheit und Leichtigkeit beeinträchtigt, weil Rechtsgeschäfte andernfalls entweder nur nach kompliziert und langwierig zu erbringenden Nachweisen oder aber unter Verzicht auf solche Nachweise mit der Folge größerer Anfälligkeit für Fehler oder betrügerische Machenschaften getätigt würden (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales zum RegE eines Gesetzes zur Änderung des Bundesversorgungsgesetzes und anderer Vorschriften, BT-Drucks. 18/12611, S. 67, 68 f.).27

(2) Der Verwirklichung dieses schützenswerten Interesses des Rechtsverkehrs dient insbesondere auch die Eintragung, Speicherung und Offenlegung der Angaben zur Person eines Kommanditisten. Sie ermöglicht, sich im Rechtsverkehr zuverlässig über die an der Gesellschaft beteiligten Personen und die Haftungsverhältnisse der Gesellschaft zu informieren und zu vergewissern (vgl. BGH, Urteil vom 16. Juli 2001 – II ZB 23/00, BGHZ 148, 291, 294 [zur BGB-Gesellschaft als Kommanditistin]; Staub/Casper, HGB, 5. Aufl., § 162 Rn. 1; Eberl in Heidel/Schall, HGB, 4. Aufl., § 162 Rn. 1; BeckOGK HGB/Notz/Zinger, Stand: 15.4.2023, § 162 Rn. 1 f.; Oetker/Oetker, HGB, 8. Aufl., § 162 Rn. 1; Oepen in Ebenroth/Boujong, HGB, 5. Aufl., § 162 Rn. 3), und erleichtert Gesellschaftsgläubigern die Durchsetzung ihrer Forderungen gegenüber persönlich haftenden Gesellschaftern (vgl. Born in Ebenroth/Boujong, HGB, 5. Aufl., § 106 Rn. 32; MünchKommHGB/Fleischer, 5. Aufl., § 106 Rn. 3; Oetker/Lieder, HGB, 8. Aufl., § 106 Rn. 3; BeckOGK HGB/Sanders, Stand: 1.5.2023, § 106 Rn. 18; Staub/Schäfer, HGB, 5. Aufl., § 106 Rn. 13; Steitz in Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, 5. Aufl., § 106 HGB Rn. 7). Der Rechtsverkehr hat ein berechtigtes Interesse an der Information über die an der Gesellschaft beteiligten Personen, weil diese entscheidenden Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft haben und wegen der persönlichen Haftung auch für die Bonität der Gesellschaft stehen. Das gilt im Grundsatz auch für Kommanditisten. Der dagegen erhobene Einwand, Angaben zu Kommanditisten seien für den Rechtsverkehr von untergeordneter Bedeutung, weil sie nach dem gesetzlichen Modell von der Geschäftsführung ausgeschlossen und ihre Haftung nach der Eintragung auf die Haftsumme beschränkt sei (siehe RegE eines Gesetzes zur Namensaktie und zur Erleichterung der Stimmrechtsausübung [Namensaktiengesetz – NaStraG], BT-Drucks. 14/4051, S. 19; siehe auch Eberl in Heidel/Schall, HGB, 3. Aufl., § 162 Rn. 11; BeckOK HGB/Häublein/Beyer, Stand: 1.1.2024, § 162 Rn. 36; Oetker/Oetker, HGB, 7. Aufl., § 162 Rn. 1), greift nicht durch. So sind Kommanditisten zwar im gesetzlichen Regelfall von der Geschäftsführung ausgeschlossen (§ 164Halbsatz 1 HGB), haben aber an etwaigen Änderungen des Gesellschaftsvertrages mitzuwirken; zudem bedürfen außergewöhnliche Geschäfte § 164Halbsatz 2, § 116 Abs. 2 Satz 1 HGB ihrer Zustimmung (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Februar 2012 – II ZB 15/11, ZIP 2012, 623 Rn. 21; Urteil vom15. Februar 2022 – II ZR 235/20, BGHZ 232, 375 Rn. 27 f. mwN). Vor allem aber dienen die genannten Angaben zur Person eines Kommanditisten insbesondere der von der Registerpublizität intendierten Erleichterung einer Forderungsdurchsetzung von Gesellschaftsgläubigern in Fällen, in denen der Kommanditist gemäß § 171 Abs. 1 Halbsatz 1 und § 172 Abs. 4 HGB – wenn auch beschränkt auf seine Haftsumme – einer unmittelbaren persönlichen Haftung unterliegt, und damit auch der Absicherung der Bonitätseinschätzung der Gesellschaft.28

(3) Diese Wertung entspricht der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union, der bereits unter Geltung der Datenschutz-Richtlinie entschieden hat, dass die in Art. 2 Abs. 1 Buchst. d und j der Publizitätsrichtlinie (Erste Richtlinie 68/151/EWG des Rates vom 9. März 1968 zur Koordinierung der Schutzbestimmungen, die in den Mitgliedstaaten den Gesellschaften im Sinne des Art. 58 Abs. 2 des Vertrages im Interesse der Gesellschafter sowie Dritter vorgeschrieben sind, um diese Bestimmungen gleichwertig zu gestalten [ABl. L 65 S. 8], in der durch die Richtlinie 2003/58/eG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Juli 2003 [ABl. L 221 S. 13] geänderten Fassung) vorgesehene Speicherung und Offenlegung der Personalien von Vertretungsorganen von Kapitalgesellschaften sowohl dem Schutz der Interessen Dritter dienen, die wegen der bei diesen Gesellschaften auf das Gesellschaftsvermögen beschränkten Haftung ein erhöhtes wirtschaftliches Risiko tragen, als auch die – im öffentlichen Interesse liegende – Rechtssicherheit in den Beziehungen zwischen den Gesellschaften und Dritten, die Lauterkeit von Handelsgeschäften und das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts dadurch gewährleisten, dass sich jeder, der Geschäftsverbindungen mit Gesellschaften in anderen Mitgliedstaaten aufnehmen will, unschwer durch eine zuverlässige Informationsquelle Kenntnis von den wesentlichen Angaben über die Gründung der Handelsgesellschaften und über die Befugnisse der mit ihrer Vertretung betrauten Personen verschaffen kann (EuGH, Urteil vom 9. März 2017- C-398/15, ECLI:EU:C:2017:197 = BB 2017, 652 Rn. 43, 49 ff. – Manni).29

Diese Rechtsprechung zur Datenschutz-Richtlinie ist grundsätzlich auch für die Datenschutz-Grundverordnung einschlägig (EuGH, Urteil vom 17. Juni 2021 – C-597/19, ECLI:EU:C:2021:492 = GRUR 2021, 1067 Rn. 107 – M.I.C.M.) und auf die Verarbeitung personenbezogener Daten von Kommanditisten übertragbar. Zwar besteht im Fall einer Kommanditgesellschaft keine auf das Gesellschaftsvermögen beschränkte HaftungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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Haftung
; auch ist der Kommanditist grundsätzlich nicht zur Vertretung der Gesellschaft befugt (§ 170 Abs. 1 HGB). Gleichwohl dienen die Angaben zu seiner Person aus den oben genannten Gründen ebenfalls der Gewährleistung der Sicherheit, Lauterkeit und Leichtigkeit des Rechtsverkehrs zwischen der Kommanditgesellschaft und Dritten.30

eee) Dieser Zweck der Datenverarbeitung wird in den oben genannten Rechtsgrundlagen zwar nicht ausdrücklich als solcher benannt, ergibt sich aber aus der Regelung in § 9 Abs. 1 Satz 1 HGB, wonach „die Einsichtnahme in das Handelsregister … jedem zu Informationszwecken durch einzelne Abrufe gestattet“ ist (vgl. RegE eines Gesetzes über elektronische Register und Justizkosten für Telekommunikation – ERJuKoG, BT-Drucks. 14/6855, S. 17). Das genügt dem gesetzlichen Zweckfestlegungserfordernis des Art. 6 Abs. 3 Satz 2 DS-GVO (vgl. BFH, BB 2023, 2717 Rn. 43; Frenzel in Paal/Pauly, DS-GVO/ BDSG, 3. Aufl., Art. 6 DS-GVO Rn. 41; BeckOK IT-Recht/Borges/Steinrötter, Stand: 1.1.2022, Art. 6 DS-GVO Rn. 68 mwN).31

fff) Die rechtlichen Verpflichtungen des Registergerichts stehen in einem angemessenen Verhältnis zu dem damit verfolgten legitimen Zweck (Art. 6 Abs. 3 Satz 4 DS-GVO).32

(1) Bei der nach Art. 6 Abs. 3 Satz 4 DS-GVO vorzunehmenden Abwägung ist davon auszugehen, dass Art. 1 Abs. 2 DS-GVO i.V.m. mit den Erwägungsgründen 1, 4 und 10 ein hohes Niveau des Schutzes der Grundrechte und Grundfreiheiten natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten gewährleisten soll (EuGH, Urteil vom 13. Mai 2014 – C-131/12, ECLI:EU:C:2014:317 = NJW 2014, 2257 Rn. 66 – Google Spain und Google; Urteil vom 9. März 2017 – C-398/15, ECLI:EU:C:2017:197 = BB 2017, 652 Rn. 37 – Manni [jeweils zur Datenschutz-Richtlinie]; Urteil vom 24. Februar 2022 – C-175/20, ECLI:EU:C:2022:124 = ZD 2022, 271 Rn. 52 – Valsts ieņēmumu dienests). Dieses Recht auf Schutz der personenbezogenen Daten ist allerdings, wie in Erwägungsgrund 4 DS-GVO ausgeführt, kein uneingeschränktes Recht, sondern muss im Hinblick auf seine gesellschaftliche Funktion gesehen und unter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsprinzips gegen andere Grundrechte abgewogen werden (EuGH, Urteil vom 8. Dezember 2022 – C-460/20, ECLI:EU:C:2022:962 = RIW 2023, 217 Rn. 56 – Google).33

Für diese Abwägung sind allein die Unionsgrundrechte maßgeblich, wenn die im Rechtsstreit anwendbaren Regelungen durch das Unionsrecht vollständig vereinheitlicht sind; andernfalls ist auf die Grundrechte des Grundgesetzes abzustellen (vgl. BVerfGE 152, 216 Rn. 33, 42 f., 46, 77, 81 – Recht auf Vergessen II). Ob danach hier wegen des von der Datenschutz-Grundverordnung angestrebten gleichmäßigen Datenschutzniveaus (Erwägungsgrund 9 und 10 DS-GVO) die Unionsgrundrechte heranzuziehen sind (so für den Ausschluss des Löschungsanspruchs nach Art. 17 Abs. 3 Buchst. a i.V.m. Art. 6 Abs. 1 Buchst. f DS-GVO: BVerfGE 152, 216 Rn. 39 ff. – Recht auf Vergessen II und BGH, Urteil vom 27. Juli 2020 – VI ZR 405/18, BGHZ 226, 285 Rn. 25; Urteil vom 3. Mai 2022 – VI ZR 832/20, NJW 2022, 2476 Rn. 18; im Unterschied zu dem vom sog. „Medienprivileg“ erfassten Regelungsbereich: BVerfGE 152, 152 Rn. 74 – Recht auf Vergessen I), oder in Anbetracht der in Art. 17 Abs. 3 Buchst. b DS-GVO enthaltenen allgemeinen Öffnungsklausel mit Regelungsspielraum für die Mitgliedstaaten (vgl. Paal in Paal/Pauly, DS-GVO/ BDSG, 3. Aufl., Art. 17 DS-GVO Rn. 43; Kühling/Martini u.a., Die Datenschutz-Grundverordnung und das Nationale Recht, S. 27 ff.) die Grundrechte des Grundgesetzes, bedarf keiner Entscheidung. Die in Rede stehende Datenverarbeitung durch das Registergericht erweist sich sowohl bei Anwendung der Unionsgrundrechte als auch der Grundrechte des Grundgesetzes als verhältnismäßig.34

(2) Bei Maßgeblichkeit der Unionsgrundrechte sind die Bestimmungen der Datenschutz-Grundverordnung im Lichte von Art. 8 GRCh (Schutz personenbezogener Daten) und Art. 7 GRCh (Achtung des Privat- und Familienlebens) auszulegen (vgl. bereits EuGH, Urteil vom 13. Mai 2014 – C-131/12,ECLI:EU:C:2014:317 = NJW 2014, 2257 Rn. 68 f. – Google Spain und Google; Urteil vom 6. Oktober 2015 – C-362/14, ECLI:EU:C:2015:650 = NJW 2015, 3151 Rn. 38; Urteil vom 9. März 2017 – C-398/15, ECLI:EU:C:2017:197 = BB 2017, 652 Rn. 39 – Manni [jeweils zur Datenschutz-Richtlinie]; sowie EuGH, Urteil vom 24. Februar 2022 – C-175/20, ECLI:EU:C:2022:124 = ZD 2022, 271 Rn. 52 – Valsts ieņēmumu dienests; Urteil vom 1. August 2022 – C-184/20, ECLI:EU:C:2022:601 = RIW 2023, 49 Rn. 66 – Vyriausioji tarnybinės etikos komisija), die ihrerseits eine Entsprechung in Art. 8 EMRK (Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens) haben (vgl. Art. 52 Abs. 3 GRCh; EuGH, Urteil vom 8. Dezember 2022 – C-460/20, ECLI:EU:C:2022:962 = RIW 2023, 217 Rn. 59 – Google; BGH, Urteil vom 27. Juli 2020 – VI ZR 405/18, BGHZ 226, 285 Rn. 27).35

Nach Art. 8 Abs. 2 GRCh dürfen personenbezogene Daten nur nach Treu und Glauben für festgelegte Zwecke und mit Einwilligung der betroffenen Person oder auf einer sonstigen gesetzlich geregelten legitimen Grundlage verarbeitet werden. Weiter bestimmt Art. 52 Abs. 1 GRCh, dass Einschränkungen der Unionsgrundrechte zulässig sind, sofern sie gesetzlich vorgesehen sind und den Wesensgehalt der Grundrechte sowie den Grundsatz der VerhältnismäßigkeitBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Grundsatz
Grundsatz der Verhältnismäßigkeit
wahren. Einschränkungen dürfen danach nur vorgenommen werden, wenn sie erforderlich sind und den von der Union anerkannten dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzungen oder den Erfordernissen des Schutzes der Rechte und Freiheiten anderer tatsächlich entsprechen. Sie müssen sich auf das absolut Notwendige beschränken und die den Eingriff enthaltende Regelung muss klare und präzise Regeln für die Tragweite und die Anwendung der betreffenden Maßnahme vorsehen (EuGH, Urteil vom 1. August 2022 – C-184/20, ECLI:EU:C:2022:601 = RIW 2023, 49 Rn. 70 – Vyriausioji tarnybinės etikos komisija mwN).36

Diese Anforderungen sind hier erfüllt.37

(a) Die oben genannten Vorschriften enthalten klare und präzise Regelungen für die Tragweite und Anwendung der Verarbeitung von Geburtsdatum und Wohnort eines Kommanditisten durch Eintragung, Speicherung und Offenlegung im Internet durch das Registergericht. Die dadurch bewirkte Einschränkung achtet den Wesensgehalt der Grundrechte des Betroffenen auf Schutz personenbezogener Daten und auf Achtung seines Privatlebens, da sich die Verarbeitung nur auf wenige, nicht zum Kernbereich dieses Schutzrechts zählende Daten erstreckt, und entspricht – wie oben ausgeführt – von der Union anerkannten, dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzungen.38

(b) Der Grundsatz der VerhältnismäßigkeitBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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Grundsatz der Verhältnismäßigkeit
ist gewahrt. Die Datenverarbeitung durch das Registergericht überschreitet nicht die Grenzen dessen, was zur Erreichung der mit den fraglichen Regelungen zulässigerweise verfolgten Ziele geeignet und erforderlich ist, und die verursachten Nachteile stehen nicht außer Verhältnis zu den angestrebten Zielen (vgl. EuGH, Urteil vom 22. Januar 2013 – C-283/11, ECLI:EU:C:2013:28 Rn. 50 = AfP 2013, 123; Urteil vom 8. April 2014 – C-293/12, ECLI:EU:C:2014:238 Rn. 46 = NJW 2014, 2169; Urteil vom 30. Juni 2016 – C-134/15, ECLI:EU:C:2016:498 Rn. 33 ff.; vgl. Kingreen in Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 6. Aufl., Art. 52 EU-GRCharta Rn. 65 ff. mwN).39

(aa) Die Angabe des Geburtsdatums und des Wohnorts ist geeignet, eine – der legitimen Zielsetzung entsprechende – zuverlässige Individualisierung und Identifizierung der Person des Kommanditisten zu ermöglichen. Gleiches gilt für die Offenlegung dieser Angaben durch allgemein zugängliche Veröffentlichung im Internet, die es allen interessierten Dritten ermöglicht, sich unschwer Kenntnis über die an der Gesellschaft beteiligten und ggf. persönlich haftenden Personen zu verschaffen.40

(bb) Die Speicherung und unbeschränkte Offenlegung beider Angaben im Internet ist zur Erreichung der Zielsetzung erforderlich.41

(aaa) Erforderlichkeit in diesem Sinne liegt, wie sich aus Erwägungsgrund 39 der DS-GVO ergibt, vor, wenn das verfolgte, im öffentlichen Interesse liegende Ziel nicht in zumutbarer Weise ebenso wirksam mit anderen Mitteln erreicht werden kann, die weniger stark in die Grundrechte der betroffenen Personen, insbesondere die in den Art. 7 und Art. 8 der Charta verbürgten Rechte auf Achtung des Privatlebens und auf Schutz personenbezogener Daten, eingreifen, wobei sich die Ausnahmen und Einschränkungen hinsichtlich des Grundsatzes des Schutzes solcher Daten auf das absolut Notwendige beschränken müssen (EuGH, Urteil vom 1. August 2022 – C-184/20,ECLI:EU:C:2022:601 = RIW 2023, 49 Rn. 85 f. – Vyriausioji tarnybinės etikos komisija mwN; siehe auch das Datenminimierungsgebot in Art. 5 Abs. 1 Buchst. c DS-GVO).42

(bbb) Die Angabe des unveränderlichen Geburtsdatums ist zur Identifizierung des Kommanditisten erforderlich, weil damit bei Namensgleichheit weitgehend Verwechslungen ausgeschlossen werden können (vgl. RegE eines Gesetzes zur Neuregelung des Kaufmanns- und Firmenrechts und zur Änderung anderer handels- und gesellschaftsrechtlicher Vorschriften [Handelsrechtsreformgesetz – HRefG], BT-Drucks. 13/8444, S. 84 [zu § 125 FGG-E]; Born in Ebenroth/Boujong, HGB, 5. Aufl., § 106 Rn. 34; MünchKommHGB/Fleischer, 5. Aufl., § 106 Rn. 19; siehe auch Kollbach, ZVI 2006, 544, 547 f.; Preis/Wentz, ZD 2023, 461, 463; Prütting/Brinkmann, ZVI 2006, 477, 478 f.; Weichert, ZGI 2023, 11, 16).43

Die zusätzliche Angabe des Wohnorts ist nicht nur bei besonders gebräuchlichen Namen, sondern auch im Hinblick darauf erforderlich, dass das vollständige Geburtsdatum für Dritte nicht immer leicht überprüfbar sein kann, um durch eine örtliche Eingrenzung des Personenkreises zur zweifelsfreien Identifizierung beizutragen (vgl. Haas/Wöstmann in Röhricht/Graf von Westphalen/Haas/Mock/Wöstmann, HGB, 6. Aufl., § 106 Rn. 11; Weichert, ZGI 2023, 11, 16; grundsätzlich auch MünchKommHGB/Fleischer, 5. Aufl., § 106 Rn. 20; aA Wachter, GmbHR 2003, 593 Rn. 32). Zwar hängt die Unterscheidungskraft des Wohnorts von den jeweiligen Verhältnissen, insbesondere seiner Größe, ab und kann daher variieren (vgl. Paefgen in Habersack/ Casper/Löbbe, GmbHG, 3. Aufl., § 40 Rn. 37; Handelsrechtausschuss des DAV, NZG 2005, 586, 587 f.; Wachter, GmbHR 2023, 593, 595). Eine zur Information des Rechtsverkehrs ebenso wirksame, die Betroffenen aber weniger belastende Form der Datenverarbeitung ist aber nicht ersichtlich. Die Verwendung eines anderen unterscheidungskräftigen personenbezogenen Merkmals (wie etwa des Geburtsorts oder der vollständigen Privatanschrift) wäre mit einem Eingriff von mindestens gleichem Gewicht verbunden (vgl. Weichert, ZGI 2023, 11, 16).44

Die Angabe des Wohnorts bietet zudem, auch wenn er nicht mit dem Wohnsitz gemäß §§ 7 ff. BGB identisch sein muss (vgl. Haas/Wöstmann in Röhricht/Graf von Westphalen/Haas/Mock/Wöstmann, HGB, 6. Aufl., § 106 Rn. 11), nach § 44 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BMG die Möglichkeit, durch eine einfache Melderegisterauskunft bei der für diesen Wohnort zuständigen Meldebehörde die aktuelle Anschrift zu ermitteln. Das kann notwendig werden, um evtl. erforderliche Zustellungen (vgl. §§ 166 ff. ZPO), etwa bei der Geltendmachung von Direktansprüchen gegen den Kommanditisten, bewirken zu können. Die Veränderlichkeit des Wohnorts spricht nicht dagegen, weil jedenfalls die Wegzugsmeldebehörde über die aktuelle Anschrift verfügt (vgl. § 33 Abs. 1 Satz 1, § 3 Abs. 1 Nr. 12 BMG; aA Klink, Datenschutz in der elektronischen Justiz, 2010, S. 247; Trendelenburg, BB 2023, 1172).45

(ccc) Schließlich ist auch die Erforderlichkeit der Offenlegung dieser Daten durch deren unbeschränkte Abrufbarkeit im Internet zu bejahen. Das Ziel, allen interessierten Dritten möglichst unschwer unabhängig von ihrem Aufenthaltsort und ohne zeitliche Verzögerung durch eine zuverlässige Informationsquelle Kenntnis von den wesentlichen Angaben über die Beteiligungs- und Haftungsverhältnisse der Gesellschaft sowie die evtl. unmittelbar persönlich haftenden Gesellschafter zu verschaffen, lässt sich – insbesondere im Rechtsverkehr zwischen den Mitgliedstaaten – nur durch die Gewährung des schrankenlosen, mit keinem besonderen Aufwand oder Hindernissen verbundenen Zugangs zu diesen Daten im Internet erreichen (vgl. EuGH, Urteil vom 9. März 2017 – C-398/15, ECLI:EU:C:2017:197 = BB 2017, 652 Rn. 51 – Manni [zum GmbH-Geschäftsführer]; Schlussanträge der Generalanwältin vom 14. September 2023 – C-115/22, ECLI:EU:C:2023:676, juris Rn. 169 zur Online-Veröffentlichung von Doping-Verstößen).46

(cc) Die durch diese Datenverarbeitung verursachten Nachteile stehen nicht außer Verhältnis zu den angestrebten Zielen. Die Grundrechte des Antragstellers auf Schutz seiner personenbezogenen Daten und Achtung seines Privatlebens haben bei der gebotenen Abwägung mit den mit der Datenverarbeitung seines Geburtsdatums und Wohnorts im Rahmen seiner Eintragung als Kommanditist im Handelsregister verfolgten Zielen der Gewährleistung der Sicherheit, Lauterkeit und Leichtigkeit des Rechtsverkehrs im kaufmännischen und gesellschaftlichen Bereich zurückzustehen.47

(aaa) Bei der gebotenen Gewichtung des Eingriffs in die Rechte des betroffenen Kommanditisten (siehe Erwägungsgrund 76 DS-GVO) ist zunächst festzustellen, dass sich die in Rede stehende Verarbeitung auf wenige personenbezogene Daten beschränkt, die weder zu den besonders sensiblen Daten im Sinne von Erwägungsgrund 51 Satz 1 DS-GVO zählen noch besonders tief in den Persönlichkeitsbereich hineinreichen (vgl. Prütting/Brinkmann, ZVI 2006, 477, 479 [zum Geburtsdatum]). Das gilt auch für die Angabe des Wohnorts, da damit noch nicht die vollständige Privatanschrift preisgegeben, sondern lediglich eine örtliche Eingrenzung vorgenommen wird.48

Eine besondere Schwere des Eingriffs ergibt sich allerdings grundsätzlich daraus, dass diese Daten durch ihre unbeschränkte Zurverfügungstellung im Internet einer potenziell unbegrenzten Zahl von Personen zugänglich gemacht werden, wodurch auch Personen, die sich aus nicht mit der Zielsetzung der Verarbeitung zusammenhängenden Gründen Kenntnis von diesen Daten verschaffen wollen, ungehindert darauf zugreifen können. Außerdem können die Daten nach ihrem Abruf beliebig weiter verarbeitet, verknüpft und zu einer Vielzahl von Zwecken, auch für die Planung von Straftaten zum Nachteil des Betroffenen, verwendet werden (vgl. EuGH, Urteil vom 1. August 2022 – C-184/20, ECLI:EU:C:2022:601 = RIW 2023, 49 Rn. 102, 104 – Vyriausioji tarnybinės etikos komisija; EuGH, Urteil vom 22. November 2022 – C-37/20 und C-601/20, ECLI:EU:C:2022:912 = WM 2023, 63 Rn. 42 f. – Luxembourg Business Registers; BVerfGE 128, 1, 52 f.).49

Die Intensität dieses Eingriffs ist jedoch in verschiedener Hinsicht gemildert.50

(α) Zum einen ist zu berücksichtigen, dass der Kommanditist mit dem Erwerb der Beteiligung und seiner Anmeldung zur Eintragung in das HandelsregisterBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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einen ihm zurechenbaren Anlass für die Datenverarbeitung gibt, wobei ihm die damit verbundene verpflichtende Offenlegung der hier in Rede stehenden personenbezogenen Daten im Handelsregister in diesem Augenblick bewusst ist (vgl. EuGH, Urteil vom 9. März 2017 – C-398/15, ECLI:EU:C:2017:197 = BB 2017, 652 Rn. 59 – Manni; BVerfGE 128, 1, 53 [zum Standortregister über den Anbau von gentechnisch veränderten Organismen]; BVerfG, NJW 2008, 1505 Rn. 78).51

Dem lässt sich letztlich nicht durchgreifend entgegenhalten, dass bis zur Aufhebung des § 162 Abs. 2 HGB aF durch das DiRUG mit Wirkung zum 1. August 2022 für eingetragene Angaben zu Kommanditisten ein sogenanntes „Heimlichkeitsprivileg“ galt, weil sie bis dahin von der amtlichen Bekanntmachung der Eintragungen ausgenommen waren und Dritte sich nur durch Einsichtnahme in das Register Kenntnis von ihnen verschaffen konnten. Denn eine Einsicht in das Handelsregister war bereits seit jeher jedermann in herkömmlicher Form auf der Geschäftsstelle des Registergerichts gebührenfrei gestattet, ohne an besondere Voraussetzungen, wie ein berechtigtes Interesse, geknüpft oder mit einer Identitätsfeststellung der Einsicht nehmenden Person verbunden zu sein (vgl. BGH, Beschluss vom 24. Mai 2023 – VII ZB 69/21, ZIP 2023, 1640 Rn. 28 mwN). Bereits mit Wirkung zum 15. Dezember 2001 wurde dieses „Jedermann-Recht“ zur Einsichtnahme auch auf das automatisierte Abrufverfahren erweitert, indem das bis dahin dafür geltende Genehmigungsverfahren durch eine unbeschränkte Zulassung mit Verbotsvorbehalt ersetzt wurde (Gesetz über elektronische Register und Justizkosten für Telekommunikation vom 10. Dezember 2001, BGBl. I S. 3422 – ERJuKoG); siehe auch RegE zum ERJuKoG, BT-Drucks. 14/6855, S. 18 zur Änderung von § 9a HGB aF). Dieser automatisierte Abruf war zwar zunächst noch registrierungs- und gebührenpflichtig. Gleiches galt nach Einführung der zwingend elektronischen Registerführung zum 1. Januar 2007 durch das Gesetz über elektronische Handelsregister und Genossenschaftsregister sowie das Unternehmensregister vom 10. November 2006 (BGBl. I S. 2553 – EHUG) für eine Einsichtnahme in das Handelsregister im Internet über das Registerportal. Dies mag in tatsächlicher Hinsicht eine gewisse Hürde gegen die Einsichtnahme durch jedermann gebildet haben (vgl. BGH, Beschluss vom 3. Februar 2015 – II ZB 12/14, ZIP 2015, 1064 Rn. 22), stellte bei wertender Betrachtung aber keine beachtliche Nutzungsbeschränkung für die Allgemeinheit dar (vgl. BGH, Beschluss vom 24. Mai 2023 – VII ZB 69/21, 1640 Rn. 27). Danach führte weder der Wegfall der Gebührenpflicht noch die Streichung des „Heimlichkeitsprivilegs“ durch das DiRUG zu einer relevanten weitergehenden Beeinträchtigung schutzwürdiger Belange des Kommanditisten als zuvor (vgl. RegE zum Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts Personengesellschaftsrechtsmodernisierungsgesetz – MoPeG, BT-Drucks. 19/27635, S. 252 zu § 162 Abs. 2; Fleischer, DStR 2021, 483, 486 f.).52

(β) Zum anderen wird das in der Offenlegung der Daten über das Internet liegende Gewicht des Eingriffs dadurch relativiert, dass nach § 52 Satz 2 HRV technisch sicherzustellen ist, dass keine gezielte Suche nach natürlichen Personen möglich ist, und die Einsicht von Daten aus dem Handelsregister über das Registerportal auf einzelne Abrufe zu begrenzen ist (§ 9 Abs. 1 Satz 1 HGB, § 52 Satz 2 HRV), wodurch – entsprechend Art. 5 Abs. 1 Buchst. fDS-GVO und Erwägungsgrund 111 Satz 2 und 3 DS-GVO – ein Massenabruf von Registerdaten und deren zweckwidrige Weiterverarbeitung verhindert werden sollen (Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz zum DiRUG, BT-Drucks. 19/30523, S. 100).53

(bbb) Demgegenüber würde das mit der Datenverarbeitung verfolgte Ziel, die Sicherheit, Lauterkeit und Leichtigkeit des Rechtsverkehrs im kaufmännischen und gesellschaftlichen Bereich zu gewährleisten, sowohl bei vollständiger Entfernung der Daten aus dem Handelsregister als auch bei einer Beschränkung des Zugangs über das Internet gravierend beeinträchtigt. Bei vollständiger Entfernung dieser Daten wäre eine hinreichend gesicherte zuverlässige Identifizierung eines Kommanditisten anhand des Registers überhaupt nicht mehr möglich, bei einer Beschränkung des Zugangs auf Dritte mit berechtigtem Interesse mit zusätzlichem, insbesondere im grenzüberschreitenden Geschäftsverkehr meist erheblichem Aufwand verbunden.54

(ccc) In Anbetracht dessen hat der Normgeber mit der Beschränkung der einzutragenden und offenzulegenden Angaben zur Person eines – wie hier – aktuell an der Gesellschaft beteiligten Kommanditisten auf wenige personenbezogene Basisdaten (vollständiger Name, Geburtsort und Wohnort) unter Beachtung des Grundsatzes der Datenminimierung (Art. 5 Abs. 1 Buchst. c DS-GVO) und der Gewährleistung der Datensicherheit (Art. 5 Abs. 1 Buchst. f DS-GVO) einen angemessenen Kompromiss zwischen dem Informationsinteresse des Rechtsverkehrs einerseits und dem Geheimhaltungsinteresse der betroffenen Personen andererseits gefunden. Die damit vorgeschriebene Registerpublizität ist quasi der „Preis“ der für die Beteiligung als Kommanditist an einer Kommanditgesellschaft zu akzeptieren ist (vgl. J. Schmidt, Festschrift Bergmann, 2018, S. 637, 652; zur Angabe des Wohnorts siehe auch MünchKommHGB/Fleischer, 5. Aufl., § 106 Rn. 20; Haas/Wöstmann in Röhricht/Graf von Westphalen/Haas/ Mock/Wöstmann, HGB, 6. Aufl., § 106 Rn. 11).55

Soweit in der Vergangenheit dem Schutz der Privatsphäre der Kommanditisten Vorrang vor dem Schutz des Handelsverkehrs durch die Publizität des Handelsregisters eingeräumt wurde, war dies gesetzeshistorisch dadurch motiviert, dass sich „öffentlichkeitsscheue“ Kapitalanleger sonst der stillen Gesellschaft zuwenden würden (siehe dazu Fleischer, DStR 2021, 483, 486), und beruhte auf der oben bereits erwähnten Annahme, dass die Angaben zu den Kommanditisten für den Rechtsverkehr von in der Regel untergeordneter Bedeutung seien. Ersteres ist ausgehend von der gesetzeshistorisch gewachsenen Abgrenzung der stillen Gesellschaft überholt, zweiteres ist, wie oben dargelegt, angesichts der auch Kommanditisten zustehenden Mitwirkungsbefugnisse und insbesondere der gesetzlichen, die Eintragung des Kommanditisten voraussetzende Haftungsverfassung der Kommanditgesellschaft (§§ 171, 172, 176 HGB) nicht sachgerecht (vgl. ReGE zum MoPeG, BT-Drucks. 19/27635, S. 252 zu § 162 Abs. 2 aF; Fleischer, DStR 2021, 483, 486 f.; siehe auch Staub/Casper, HGB, 5. Aufl., § 162 Rn. 23).56

(ddd) Eine andere Beurteilung ergibt sich auch dann nicht, wenn – wie vom Antragsteller geltend gemacht – aufgrund des Gegenstands der Gesellschaft eine allgemein erhöhte Gefährdungslage für deren Kommanditisten bestehen sollte.57

Abgesehen davon, dass diese Gefährdungslage bei Kommanditisten aufgrund ihrer in der Regel nur beschränkten Einbindung in die operative Tätigkeit der Gesellschaft eher gering sein dürfte, kann die vom Antragsteller insoweit angeführte Befürchtung, aufgrund seines beruflichen Umgangs mit explosiven Stoffen der Gefahr einer Entführung oder eines Raubes ausgesetzt zu sein, in vergleichbarer Weise bei einer Vielzahl von anderen beruflichen Tätigkeiten gegeben sein, wie etwa bei beruflichem Umgang mit anderen gefährlichen Stoffen oder mit wertvollen Vermögensgegenständen. Würde man bereits aufgrund der damit generell verbundenen Gefährdung Ausnahmen von der hier in Rede stehenden Verarbeitung von Basisdaten eines Kommanditisten ermöglichen, wäre die im öffentlichen Interesse liegende Publizitäts- und Informationsfunktion des Handelsregisters (auch bei einer „bloßen“ Zugangsbeschränkung) nicht mehr ausreichend gewährleistet.58

Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Offenlegung des Geburtsdatums und Wohnorts durch unbeschränkten Zugang im Internet zu einer relevanten Erhöhung einer berufsbedingt generell bestehenden Gefahrenlage führen würde. Dem Antragsteller ist zwar zuzugeben, dass sich auf diesem Weg ein potenziell unbegrenzter Personenkreis unschwer Kenntnis von den Daten verschaffen und damit eine elektronische Recherche zu der betroffenen Person in EDV-Systemen oder anhand des Wohnorts vor Ort durchführen kann, um ihre Privatanschrift zu ermitteln und ihre privaten Lebensumstände auszuforschen. Dass die unbeschränkte Einsehbarkeit von Geburtsdatum und Wohnort im Handelsregister bisher in dieser Form in erheblicher Weise ausgenutzt worden wäre und sich damit risikoerhöhend ausgewirkt hätte, ist jedoch weder allgemein noch konkret in Bezug auf den Antragsteller festgestellt. Die diesbezügliche Verfahrensrüge des Antragstellers hat der Senat geprüft, aber für nicht durchgreifend befunden (§ 74 Abs. 3 Satz 4 FamFG, § 564 ZPO).59

(eee) Dass die vom Antragsteller angeführten nationalen Regelungen zur Datenverarbeitung im Melderegister und in den Fahrzeugregistern die Möglichkeit von Ausnahmen von der unbeschränkten Offenlegung der erfassten Daten bei besonderen Umständen im konkreten Einzelfall vorsehen (§ 51 BMG, § 41 Abs. 2 StVG), spricht nicht gegen, sondern für die Zulässigkeit der hier in Rede stehenden Datenverarbeitung. Hierzu hat bereits das Beschwerdegericht zutreffend darauf hingewiesen, dass sowohl das Melderegister (§ 3 BMG) als auch das örtliche und das Zentrale Fahrzeugregister (§ 33 Nr. 2 StVG) weitergehende personenbezogene Daten, insbesondere die Anschrift, der erfassten Personen enthalten. Das Gewicht eines mit einer solchen Auskunft, insbesondere der vollständigen Anschrift, verbundenen Eingriffs in die Schutzrechte des Betroffenen ist nicht mit der auf wenige Basisdaten beschränkten Offenlegung der im Handelsregister eingetragenen Daten eines Kommanditisten zu vergleichen. Insgesamt ergibt sich damit ein gestuftes Schutzkonzept, bei dem die aus dem Handelsregister ersichtlichen Basisdaten die Ermittlung weitergehender Daten aus anderen Registern mit entsprechend weitergehenden Schutzvorkehrungen ermöglichen.60

(fff) Dieses Abwägungsergebnis steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zur Offenlegung der Personalien von Vertretungsorganen von Kapitalgesellschaften gemäß der Publizitätsrichtlinie.61

(α) Danach haben bei einer Abwägung der widerstreitenden Interessen im Fall der Offenlegung weniger personenbezogener Daten des Vertretungsorgans einer Kapitalgesellschaft grundsätzlich sowohl die Notwendigkeit, die Interessen Dritter gegenüber diesen Gesellschaften zu schützen und die Rechtssicherheit zu gewährleisten, als auch die Lauterkeit von Handelsgeschäften und damit das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts Vorrang vor den Grundrechten des Betroffenen aus Art. 7 und Art. 8 der Charta (EuGH, Urteil vom 9. März 2017 – C-398/15, ECLI:EU:C:2017:197 = BB 2017, 652 Rn. 57, 60 – Manni [zur Datenschutz-Richtlinie]). Zwar schließt das nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs nicht aus, dass es besondere Situationen gibt, in denen es aus überwiegenden, schutzwürdigen, sich aus dem konkreten Fall ergebenden Gründen ausnahmsweise gerechtfertigt ist, nach Ablauf einer hinreichend langen Frist nach Auflösung der fraglichen Gesellschaft den Zugang zu den im Register eingetragenen personenbezogenen Daten auf Dritte zu beschränken, die ein besonderes Interesse an der Einsichtnahme dieser Daten nachweisen. Abgesehen davon, dass auch danach keine vollständige Entfernung der Daten aus dem Register in Betracht kommt, liegt die endgültige Entscheidung darüber, ob der von der Datenverarbeitung betroffenen Person das Recht einzuräumen ist, eine solche Einzelfallentscheidung zu beantragen, aber beim nationalen Gesetzgeber (EuGH, Urteil vom 9. März 2017 – C-398/15, ECLI:EU:C:2017:197 = BB 2017, 652 Rn. 60 – Manni [unter Verweis auf Art. 14 Abs. 1 Buchst. a der Datenschutz-Richtlinie]).62

(β) Die vom Antragsteller angeführte Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 22. November 2022 zum Zugang der Öffentlichkeit zu Informationen über die wirtschaftlichen Eigentümer von eingetragenen Gesellschaften oder juristischen Personen (EuGH, Urteil vom 22. November 2022 – C-37/20 und C-601/20, ECLI:EU:C:2022:912 = WM 2023, 63 Rn. 87- Luxembourg Business Registers) gibt keinen Anlass zu einer anderen Bewertung.63

Die dortigen Erwägungen des Gerichtshofs, aufgrund derer er die in Art. 1 Nr. 15 Buchst. c der Fünften Geldwäscherichtlinie (Richtlinie [EU] 2018/843 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2018 zur Änderung der Richtlinie [EU] 2015/849 zur Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems zum Zwecke der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung und zur Änderung der Richtlinien 2009/138/eG und 2013/36/EU [ABl. 2018, L 156 S. 43]) vorgesehene Regelung, nach der die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass die Informationen über die wirtschaftlichen Eigentümer in allen Fällen und für alle Mitglieder der Öffentlichkeit zugänglich sind, für ungültig erklärt hat, sind auf die hier vorzunehmende Abwägung nicht übertragbar. Wie der Gerichtshof klargestellt hat, unterscheiden sich die Vorschriften der Fünften Geldwäscherichtlinie über die öffentliche Zugänglichkeit der Informationen über die wirtschaftlichen Eigentümer von Gesellschaften und anderen juristischen Personen einerseits und die nach der Publizitätsrichtlinie bestehende Pflicht zur Offenlegung der Personalien des Organs einer Kapitalgesellschaft andererseits sowohl hinsichtlich ihrer Zielsetzungen als auch hinsichtlich des Umfangs der erfassten personenbezogenen Daten (EuGH, Urteil vom 22. November 2022 – C-37/20 und C-601/20, ECLI:EU:C:2022:912 = WM 2023, 63 Rn. 87 – Luxembourg Business Registers; J. Schmidt, BB 2023, 1859, 1874; Wachter, GmbHR 2023, 593, 597). Die Offenlegung der zur Identifizierung des Vertretungsorgans erforderlichen Daten bezweckt – wie bei den Daten eines Kommanditisten – die Information der gesamten Öffentlichkeit, während die mit der Transparenz der wirtschaftlichen Eigentümer intendierte Verhütung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung vorrangig den Behörden und bestimmten Einrichtungen obliegt und damit keine Offenlegung in allen Fällen für alle Mitglieder der Öffentlichkeit erfordert (vgl. EuGH, Urteil vom 22. November 2022 – C-37/20 und C-601/20, ECLI:EU:C:2022:912 = WM 2023, 63 Rn. 83 – Luxembourg Business Registers). Überdies waren bei der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs nicht nur wenige personenbezogene Basisdaten betroffen, sondern Informationen, anhand derer sich ein je nach Ausgestaltung des nationalen Rechts mehr oder weniger umfassendes Profil mit bestimmten persönlichen Identifizierungsdaten, der Vermögenslage des Betroffenen sowie den Wirtschaftssektoren, Ländern und spezifischen Unternehmen, in die er investiert hat, erstellen ließ (EuGH, Urteil vom 22. November 2022 – C-37/20 und C-601/20, ECLI:EU:C:2022:912 = WM 2023, 63 Rn. 41 – Luxembourg Business Registers).64

(ggg) Ob in besonderen Ausnahmefällen, etwa bei Nachweis konkreter Gefahren für Leib und Leben, eine andere Beurteilung oder evtl. einschränkende Auslegung der rechtlichen Vorgaben geboten sein könnte (vgl. etwa MünchKommHGB/Fleischer, 5. Aufl., § 106 Rn. 20: ausnahmsweise Angabe eines anderen spezifischen Identifikationsmerkmals statt des Wohnorts), bedarf hier keiner Entscheidung.65

Wie oben ausgeführt sind keine Anhaltspunkte für eine konkrete Gefährdung des Antragstellers festgestellt. Dass für ihn nach seinem Vortrag im Melderegister eine Auskunftssperre (§ 51 BMG) und in den Fahrzeugregistern eine Übermittlungssperre (§ 41 Abs. 2 StVG) eingetragen ist, reicht dafür, wie dargelegt, nicht aus, weil diese Register deutlich weitgehendere Daten des Antragstellers, insbesondere seine vollständige Anschrift, enthalten, mit deren Offenlegung folglich auch ein Eingriff von anderem Gewicht bzw. mit größerem Gefährdungspotential verbunden ist. Entgegen der Darstellung des Antragstellers hat auch das Bundesverwaltungsgericht in der den Antragsteller betreffenden Entscheidung über die Anordnung einer Übermittlungssperre gemäß § 41 Abs. 2 StVG nicht ausgeführt, dass sein Geburtsdatum und sein Wohnort gesperrt werden müssten, sondern es hat auf die vom dortigen Berufungsgericht angenommene Gefährdung des Antragstellers durch die Angabe seiner „Halterdaten, also insbesondere seines Namens, seiner Anschrift und der seinen Fahrzeugen zugeteilten Kennzeichen“ abgestellt.66

(3) Eine Abwägung unter Zugrundelegung der Grundrechte des Grundgesetzes führt zu keinem anderen Ergebnis.67

Die Verarbeitung von Geburtsdatum und Wohnort des Antragstellers durch das Registergericht greift zwar in das Grundrecht des Antragstellers auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) ein, dessen Schutz sich auch auf Basisdaten wie Geburtsdatum und Wohnort erstreckt (vgl. BVerfGE 65, 1, 41 f.; 128, 1, 44; BVerfG, NJW 2008, 1435 Rn. 18).68

Dieser Eingriff ist jedoch verfassungsrechtlich gerechtfertigt (allgemein zum Handelsregister: BeckOGK HGB/Beurskens, Stand: 15.4.2023, § 9 Rn. 7; Schaub in Ebenroth/Boujong, HGB, 5. Aufl., § 9 Rn. 2; Staub/Koch/Harnos, HGB, 6. Aufl., § 9 Rn. 4; Ries in Röhricht/Graf von Westphalen/Haas/ Mock/Wöstmann, HGB, 6. Aufl., § 9 Rn. 1; Roth/Stelmaszczyk in Koller/Kindler/Drüen, HGB, 10. Aufl., § 9 Rn. 1). Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ist nicht schrankenlos gewährleistet. Der Einzelne muss vielmehr Einschränkungen dieses Rechts hinnehmen, die im überwiegenden Interesse anderer oder der Allgemeinheit liegen. Diese Beschränkungen bedürfen einer verfassungsmäßigen gesetzlichen Grundlage, die insbesondere dem Grundsatz der VerhältnismäßigkeitBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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genügen muss (BVerfGE 65, 1, 43 f.; 128, 1, 46; BVerfG, NJW 2008, 1435 Rn. 21).69

Diesen Anforderungen halten § 162 Abs. 1, § 106 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a HGB, § 8 Abs. 1, § 8a Abs. 1, § 9 Abs. 1, § 10 HGB, § 387 Abs. 2 FamFG, § 40 Nr. 5 Buchst. c, § 47 Abs. 1, §§ 32, 52 HRV stand. Insoweit kann auf die obigen Ausführungen verwiesen werden. Auch bei Anwendung nationaler Beurteilungsmaßstäbe enthalten diese Vorschriften eine hinreichend bestimmte gesetzliche Grundlage und sind die daraus folgenden Einschränkungen in das Recht des Antragstellers durch ein überwiegendes öffentliches Interesse gerechtfertigt. Umstände, die Anlass zu einer anderen Beurteilung geben würden, sind weder allgemein noch konkret im Fall des Antragstellers ersichtlich.70

b) Ein Anspruch des Antragstellers auf Entfernung der Angabe seines Geburtsdatums und seines Wohnorts aus seiner Eintragung als Kommanditist aus nationalem Recht besteht ebenfalls nicht.71

Ungeachtet der Frage, ob und ggf. inwieweit im Anwendungsbereich der Datenschutz-Grundverordnung in Anbetracht des in Erwägungsgrund 9 und 10 der Verordnung angestrebten Ziels eines gleichmäßigen Datenschutzniveaus überhaupt auf Ansprüche aus dem nationalen Recht zurückgegriffen werden könnte (vgl. dazu etwa Lüttringhaus in Gebauer/Wiedmann, Europäisches Zivilrecht, 3. Aufl., Kap. 30 Rn. 82 ff.; BGH, Beschluss vom 26. September 2023 – VI ZR 97/22, WM 2023, 2096), wären die Voraussetzungen der hier in Betracht kommenden Ansprüche aus § 1004 Abs. 1 Satz 2 analog, § 823 Abs. 1, § 839 BGB, Art. 2 Abs. 1 GG auf Folgenbeseitigung und/oder künftige Unterlassung (vgl. BGH, Urteil vom 19. Mai 1981 – VI ZR 273/79, BGHZ 80, 311, 319; Urteil vom 17. Dezember 1985 – VI ZR 244/84, NJW 1986, 2505, 2506; Urteil vom 15. September 2015 – VI ZR 175/14, BGHZ 206, 347 Rn. 17 f., 28; BVerwGE 69, 366, 370; 82, 76, 95; 105, 288) nicht erfüllt. Die verfahrensgegenständliche Datenverarbeitung ist, wie oben ausgeführt, nicht rechtswidrig, sondern erfolgt im Rahmen verfassungs- und unionsrechtlich unbedenklicher rechtlicher Verpflichtungen des Registergerichts. Das gilt auch für die Anwendung dieser Verpflichtungen im Fall des Antragstellers; eine einschränkende Auslegung dieser Regelungen ist daher auch insoweit nicht geboten.72

2. Im Ergebnis zu Recht hat das Beschwerdegericht auch den hilfsweisen Anspruch des Antragstellers auf Beschränkung der Offenlegung seines Geburtsdatums und Wohnorts dahingehend, dass eine Übermittlung an Dritte erst nach einer Interessenabwägung erfolgt, verneint.73

a) Ein Recht auf Einschränkung der Verarbeitung aus Art. 18 Abs. 1 und 2 oder aus Art. 21 Abs. 1 Satz 2 DS-GVO steht dem Antragsteller nicht zu.74

aa) Die in Art. 18 Abs. 1 Buchst. a bis c DS-GVO genannten Einschränkungsgründe liegen nicht vor. Der Antragsteller hat die Richtigkeit der eingetragenen Daten nicht bestritten, die Verarbeitung der betroffenen Daten ist nicht unrechtmäßig und die Daten werden für die Zwecke ihrer Verarbeitung durch das Registergericht weiter benötigt.75

bb) Der Antragsteller kann auch keine Einschränkung der Verarbeitung nach Art. 18 Abs. 1 Buchst. d oder Art. 21 Abs. 1 Satz 2 DS-GVO wegen des von ihm erhobenen Widerspruchs verlangen, weil bereits die Voraussetzungen eines Widerspruchrechts gemäß Art. 21 Abs. 1 Satz 1 DS-GVO nicht erfüllt sind.76

Ein Widerspruchsrecht gemäß Art. 21 Abs. 1 Satz 1 DS-GVO besteht nicht, wenn die Datenverarbeitung – wie hier – aufgrund von Art. 6 Abs. 1 Buchst. c DS-GVO zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung des Verantwortlichen erfolgt. Das gilt auch dann, wenn die Verarbeitung zugleich nach Art. 6 Abs. 1 Buchst. e DS-GVO erlaubt wäre (LSG Darmstadt, RDV 2020, 95, 96; Gierschmann/Assion/Nolte/Veil, DS-GVO, Art. 6 Rn. 95; Heberlein in Ehmann/ Selmayr, DS-GVO, 2. Aufl., Art. 6 Rn. 23; Herbst in Kühling/Buchner, DS-GVO/BDSG, 4. Aufl., Art. 21 DS-GVO Rn. 12; Herbst in Kühling/Buchner, DS-GVO/BDSG, 4. Aufl., § 36 BDSG Rn. 17; Munz in Taeger/Gabel,DS-GVO/BDSG/TTDSG, 4. Aufl., Art. 21 DS-GVO Rn. 10; Kamann/Braun in Ehmann/Selmayr, DS-GVO, 2. Aufl., Art. 21 Rn. 13; Kremer in Laue/Kremer, Das neue Datenschutzrecht in der betrieblichen Praxis, 2. Aufl., § 4 Rn. 76; BeckOK IT-Recht/Steinrötter, Stand: 1.1.2023, Art. 21 DS-GVO Rn. 10; Bieresborn, NZS 2018, 10, 13; im Ergebnis auch Martini in Paal/Pauly,DS-GVO/BDSG, 3. Aufl., Art. 21 DS-GVO Rn. 28, 45a [Ausschluss auf Rechtsfolgenebene]; vgl. auch Gierschmann/Veil, DS-GVO, 1. Aufl., Art. 21 Rn. 27 f.; Brühann in Grabitz/Hilf, Das Recht der Europäischen Union, Stand: Mai 1999, Art. 14 Datenschutz-Richtlinie [A 30] Rn. 6 [zu Art. 14 der Datenschutz-Richtlinie]).77

aaa) Nach Art. 21 Abs. 1 Satz 1 DS-GVO steht der betroffenen Person ein Widerspruchsrecht zu, wenn die Datenverarbeitung nach Art. 6 Abs. 1 Buchst. e (in Wahrnehmung einer Aufgabe, die im öffentlichen Interesse liegt, oder in Ausübung übertragener öffentlicher Gewalt) oder Buchst. f (zur Wahrung berechtigter Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten) erfolgt. Die Regelung gilt ihrem Wortlaut nach nur in Fällen einer Datenverarbeitung aufgrund von Art. 6 Abs. 1 Buchst. e oder f DS-GVO. Anders als die noch in Art. 14 Abs. 1 Buchst. a der Datenschutz-Richtlinie enthaltene Regelung, nach der die Mitgliedstaaten „zumindest“ in den Fällen von Art. 7 Buchst. e und f der Richtlinie (entsprechend Art. 6 Abs. 1 Buchst. e und f DS-GVO) ein Widerspruchsrecht der betroffenen Person anerkannten, enthält die Norm damit keine vergleichbare Öffnung für andere Erlaubnistatbestände des Art. 6 Abs. 1DS-GVO. Dem Wortlaut ist aber auch nicht eindeutig zu entnehmen, dass das Widerspruchsrecht damit auf Fälle beschränkt sein soll, in denen die Verarbeitung ausschließlich durch Art. 6 Abs. 1 Buchst. e oder f DS-GVO legitimiert wird (vgl. Martini in Paal/Pauly, DS-GVO/BDSG, 3. Aufl., Art. 21 DS-GVO Rn. 28).78

bbb) Für eine solche Beschränkung spricht allerdings die Systematik der Datenschutz-Grundverordnung.79

Die Erlaubnistatbestände des Art. 6 Abs. 1 DS-GVO stehen grundsätzlich unabhängig und gleichrangig nebeneinander, d.h. jeder Erlaubnistatbestand nach Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 DS-GVO rechtfertigt die Verarbeitung eigenständig und vollständig (vgl. BeckOK Datenschutzrecht/Albers/Veit, Stand: 1.8.2023, Art. 6 DS-GVO Rn. 24; BeckOK IT-Recht/Borges/Steinrötter, Stand: 1.1.2022, Art. 6 DS-GVO Rn. 6 mwN). Ist die Datenverarbeitung gemäß Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. c DS-GVO zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung erforderlich, braucht daher nicht geprüft zu werden, ob sie auch von Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. e DS-GVO erfasst wäre (EuGH, Urteil vom 1. August 2022 – C-184/20, ECLI:EU:C:2022:601 = RIW 2023, 49 Rn. 71 – Vyriausioji tarnybinės etikos komisija; Urteil vom 4. Juli 2023 – C-252/21, ECLI:EU:C:2023:537 = NJW 2023, 2997 = RIW 2023, 516 Rn. 94 – Meta Platforms). Diese eigenständige Legitimationswirkung der anderen Erlaubnistatbestände würde entwertet, wenn das Widerspruchsrecht auf in Art. 21 Abs. 1 Satz 1 DS-GVO nicht genannte Tatbestände erstreckt würde (vgl. Martini in Paal/Pauly, DS-GVO/BDSG, 3. Aufl., Art. 21 DS-GVO Rn. 45a a.E.).80

Das gilt insbesondere bei einer Verarbeitung aufgrund einer rechtlichen Verpflichtung gemäß Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. c DS-GVO, da der Normgeber hier eine für den Verantwortlichen verbindliche Entscheidung über die Recht- bzw. Verhältnismäßigkeit der Verarbeitung getroffen hat. Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. e und f DS-GVO enthalten dagegen Erlaubnistatbestände, in denen die Entscheidung über die Datenverarbeitung im konkreten Fall letztlich dem Verantwortlichen überlassen ist. Würde man in Fällen, in denen die Verarbeitung sowohl aufgrund von Buchst. c als auch von Buchst. e erfolgt, dem Betroffenen ein Widerspruchsrecht einräumen und damit eine Einzelfallbeurteilung des Verantwortlichen ermöglichen, würde die Abwägungsentscheidung des Normgebers unterlaufen.81

ccc) Sinn und Zweck des Art. 21 Abs. 1 DS-GVO sprechen ebenfalls für eine solche Auslegung.82

Nach Erwägungsgrund 69 der DS-GVO soll die betroffene Person auch im Fall einer möglicherweise gemäß Art. 6 Abs. 1 Buchst. e oder f DS-GVO rechtmäßigen Datenverarbeitung die Möglichkeit haben, Widerspruch gegen die Verarbeitung der sich aus ihrer besonderen Situation ergebenden Daten einzulegen, mithin die durch den Verantwortlichen in ihrem Fall getroffene Abwägung der im Einzelfall konkret betroffenen Interessen (Art. 21 Abs. 1 Satz 2 DS-GVO) überprüfen und ggf. korrigieren zu lassen (vgl. Herbst in Kühling/Buchner,DS-GVO/BDSG, 4. Aufl., Art. 21 DS-GVO Rn. 15; Gierschmann/Veil, DS-GVO, Art. 21 Rn. 74). Dafür ist indes kein Raum, wenn die Datenverarbeitung zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung des Verantwortlichen erforderlich ist und der Normgeber die Abwägung damit bereits für den Verantwortlichen verbindlich durchgeführt hat, ohne diesem die Möglichkeit einer Beurteilung unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls einzuräumen (vgl. BeckOK Datenschutzrecht/Forgó, Stand: 1.11.2021, Art. 21 DS-GVO Rn. 16 f.; Gola in Gola/ Heckmann, DS-GVO/BDSG, 3. Aufl., § 36 BDSG Rn. 10). Hat der Verantwortliche Zweifel an der Recht- bzw. Verhältnismäßigkeit seiner rechtlichen Verpflichtung, muss er gegen diese auf dem dafür vorgesehenen Weg rechtlich vorgehen, auch wenn diese Zweifel auf datenschutzrechtlichen Erwägungen beruhen (vgl. Schlussanträge der Generalanwältin vom 14. September 2023 – C-115/22, ECLI:EU:C:2023:676, juris Rn. 135 ff.). Die Einräumung eines Widerspruchsrechts nach Art. 21 Abs. 1 DS-GVO kann nicht dazu führen, im Wege einer Einzelfallabwägung durch den Verantwortlichen die vom Normgeber bereits vorgenommene und die Verarbeitung nach Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. cDS-GVO legitimierende Abwägung zu umgehen bzw. zu unterlaufen.83

ddd) Im Übrigen lägen auch keine Gründe vor, die sich aus einer besonderen Situation des Antragstellers im Sinne von Art. 21 Abs. 1 Satz 1 DS-GVO ergeben und seinen Widerspruch in der Sache tragen würden. Nicht zuletzt wegen der Normstruktur des Art. 21 Abs. 1 Satz 2 DS-GVO, die eine Abwägung erfordert, müssen von Seiten der betroffenen Person konkrete Tatsachen zu ihrer besonderen Situation vorgetragen werden, die ausnahmsweise das Unterlassen der Erhebung rechtfertigen sollen (Schulz in Gola/Heckmann, DS-GVO/BDSG, 3. Aufl., Art. 21 Rn. 9 f.). Hieran fehlt es im vorliegenden Fall, da mit dem besonders schützenswerten Informationsinteresse des Rechts- und Handelsverkehrs zwingende schutzwürdige Gründe für die Speicherung und Offenlegung von Geburtsdatum und Wohnort des Antragstellers vorliegen, die auch unter Berücksichtigung der von ihm geltend gemachten generellen berufsbedingten Gefährdungslage seine schutzwürdigen Interessen, Rechte und Freiheiten überwiegen.84

b) Aus nationalem Recht ergibt sich ebenfalls kein Anspruch des Antragstellers auf die begehrte Einschränkung des Zugangs zur Angabe seines Geburtsdatums und seines Wohnorts durch Vorschaltung einer Interessenabwägung.85

Die Beschränkung des Widerspruchsrechts in Art. 21 Abs. 1 Satz 1DS-GVO auf die dort genannten Fälle des Art. 6 Abs. 1 Buchst. e und fDS-GVO enthält eine abschließende Harmonisierung. Anders als in Art. 14 Buchst. a der Datenschutz-Richtlinie („zumindest in den Fällen“) wird den Mitgliedstaaten in Art. 21 Abs. 1 DS-GVO nicht mehr die Möglichkeit eingeräumt, den Anwendungsbereich des Widerspruchsrechts über die genannten Fälle hinaus zu erweitern (vgl. Kamann/Braun in Ehmann/Selmayr, DS-GVO, 2. Aufl., Art. 21 Rn. 15). Ein Rückgriff auf nationale Regelungen ist damit ausgeschlossen.86

Zudem bestünde kein entsprechender Anspruch des Antragstellers aus nationalem Recht, weil die Eintragung und Offenlegung seines Geburtsdatums und Wohnorts im uneingeschränkt abrufbaren Registerordner rechtlich vorgegeben ist und, wie ausgeführt, weder im Allgemeinen noch konkret im Fall des Antragstellers europa- oder verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet.87

IV. Ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union nach Art. 267 Abs. 3 AEUV ist nicht veranlasst. Die Anwendung des Unionsrechts auf den vorliegenden Fall wirft keine Auslegungsfragen auf, die nicht schon aus sich heraus klar oder durch die zitierte Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union hinreichend geklärt sind (vgl. EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982 – C-283/81, ECLI:EU:C:1982:335 = NJW 1983, 1257 Rn. 14, 16, 21 – C.I.L.F.I.T. u.a.).88

Letzteres gilt insbesondere für die Kriterien und Maßstäbe der Auslegung und Anwendung von Art. 17 Abs. 3 Buchst. b Fall 1, Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. c, Abs. 3 und Art. 21 Abs. 1 DS-GVO sowie der Unionsgrundrechte. Die Feststellung, ob die Datenverarbeitung zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung im Sinne von Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. c DS-GVO erforderlich ist, ist zudem in erster Linie Sache der nationalen Gerichte (Urteil vom 4. Juli 2023 – C-252/21, ECLI:EU:C:2023:537 = NJW 2023, 2997 = RIW 2023, 516 Rn. 96 – Meta Platforms). Dasselbe gilt für die erforderliche Abwägung der betroffenen Rechte und Interessen unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls (vgl. EuGH, Urteil vom 17. Juni 2021 – C-597/19, ECLI:EU:C:2021:492 = GRUR 2021, 1067 Rn. 111 – M.I.C.M.; Urteil vom 4. Juli 2023 – C-252/21, ECLI:EU:C:2023:537 = NJW 2023, 2997 = RIW 2023, 516 Rn. 110 – Meta Platforms; BVerfGE 152, 216 Rn. 137 ff. – Recht auf Vergessen II). Die Auslegung von Art. 21 Abs. 1 Satz 1 DS-GVO, wonach ein Widerspruchsrecht nicht in Betracht kommt, wenn die Datenverarbeitung auch gemäß Art. 6 Abs. 1Unterabs. 1 Buchst. c DS-GVO zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung erforderlich ist, ist angesichts des Wortlauts, der klaren Systematik der Vorschrift und ihres Sinns und Zwecks von vornherein eindeutig (acte clair, vgl. EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982 – C-283/81, Slg. 1982, 3415 Rn. 16 = NJW 1983, 1257 f. – C.I.L.F.I.T.). Überdies wäre ein Widerspruch des Antragstellers gemäß Art. 21 Abs. 1 Satz 2 DS-GVO auch unbegründet.89

Die von der Rechtsbeschwerde für vorlagepflichtig erachteten Fragen, welche Grenzen den Mitgliedstaaten bei Gesetzgebungsmaßnahmen (hier § 10a Abs. 3 HGB) durch Art. 23 DS-GVO insbesondere in Bezug auf die erforderliche Normierung der Garantien gegen Missbrauch gezogen sind, wenn sie das Widerspruchsrecht der Betroffenen aus Gründen des Schutzes sonstiger wichtiger Ziele des allgemeinen öffentlichen Interesses ausschließen wollen, und ob der Ausschluss des Widerspruchsrechts durch gesetzgeberische Maßnahmen der Mitgliedstaaten auch bei Gefahren für Leib und Leben des Betroffenen von Art. 23 DS-GVO gedeckt ist, stellen sich damit nicht.

Schlagworte: Art. 17 Abs. 1 DS-GVO

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BGH, Beschluss vom 23. Januar 2024 – II ZB 7/23

Dienstag, 23. Januar 2024

Geschäftsführer DS-GVO

DS-GVO Art. 17Bitte wählen Sie ein Schlagwort:
DS-GVO
DS-GVO Art. 17
Abs. 1, Art. 18 Abs. 1 Buchst. d, Art. 21 Abs. 1; GmbHG § 7 Abs. 1,
§ 10 Abs. 1; HGB § 9 Abs. 1, § 10 Abs. 1; HRV § 24 Abs. 1, § 43 Nr. 4 Satz 1
Buchst. b

a) Der Geschäftsführer einer GmbH hat keinen Anspruch aus Art. 17 Abs. 1
DS-GVO auf Löschung seines Geburtsdatums und seines Wohnorts im
Handelsregister.

b) Der Wohnort des Geschäftsführers einer GmbH ist zur Eintragung in das
Handelsregister anzumelden.

c) Ein Widerspruchsrecht gemäß Art. 21 Abs. 1 DS-GVO besteht nicht, wenn die Da-
tenverarbeitung aufgrund von Art. 6 Abs. 1 Buchst. c DS-GVO zur Erfüllung einer
rechtlichen Pflicht des Verantwortlichen erfolgt. Das gilt auch dann, wenn die Ver-
arbeitung zugleich nach Art. 6 Abs. 1 Buchst. e DS-GVO erlaubt wäre. Auch ein
Anspruch aus Art. 18 Abs. 1 Buchst. d DS-GVO auf Einschränkung der Verarbei-
tung besteht in diesem Fall nicht.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 24. Februar 2023 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Gründe

A.

Der Antragsteller ist Geschäftsführer der S.  Verwaltungs-GmbH und als solcher seit September 2012 mit seinem Geburtsdatum und dem bei der Anmeldung angegebenen Wohnort im Handelsregister eingetragen.

Unter dem 21. November 2022 hat der Antragsteller beantragt, die Angabe seines Geburtsdatums und seines Wohnorts aus dem Handelsregister zu entfernen. Zur Begründung hat er angeführt, seine berufliche Tätigkeit bestehe im Umgang mit Sprengstoff, so dass bei ihm die Gefahr bestehe, Opfer einer Entführung oder eines Raubes zu werden, um die von ihm gehandhabten Stoffe zu erlangen. Deswegen seien sein Geburtsdatum und sein Wohnort unter anderem auch im Melderegister gesperrt.3

Das Amtsgericht – Registergericht – hat den Antrag mit Beschluss vom 24. November 2022 zurückgewiesen. Die dagegen eingelegte Beschwerde des Antragstellers, mit der er hilfsweise beantragt hat, dass eine Übermittlung seines Geburtsdatums und Wohnorts aus dem Handelsregister an Dritte erst nach einer Interessenabwägung erfolge, hatte keinen Erfolg. Mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Antragsteller seine Anträge aus der Beschwerdeinstanz weiter.

B.

Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.5

I. Das Beschwerdegericht (OLG CelleBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG Celle
, ZIP 2023, 1419) hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:6

Für das Begehren des Antragstellers fehle es an einer Rechtsgrundlage. Ein Widerspruchsrecht nach Art. 21 Abs. 1 der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung; im Folgenden: DS-GVO) stehe dem Antragsteller gemäß § 10a Abs. 3 HGB nicht zu. Dementsprechend habe er auch keinen Anspruch auf Einschränkung der Verarbeitung nach Art. 18 Abs. 1 Buchst. d DS-GVO. Ein Anspruch auf Löschung der Daten aus Art. 17 Abs. 1 und 2 DS-GVO sei nach Art. 17 Abs. 3 Buchst. b DS-GVO ausgeschlossen, weil das Registergericht nach § 387 Abs. 2 FamFG i.V.m. § 43 Nr. 4 Satz 1 Buchst. b HRV zur Verarbeitung der Daten verpflichtet sei. Schließlich könne der Antragsteller sich auch nicht auf § 395 FamFG stützen, weil die Aufnahme seines Geburtsdatums und seines Wohnorts im Handelsregister nicht unzulässig gewesen sei.7

Zweifel an der Vereinbarkeit von § 10a Abs. 3 HGB mit Verfassungs- und Europarecht bestünden nicht, weil die Einschränkung der Rechte aus Art. 21 DS-GVO von Art. 23 Abs. 1 Buchst. e DS-GVO gedeckt sei. Dass das Interesse des Antragstellers an der Geheimhaltung seines Geburtsdatums und seines Wohnorts das öffentliche Interesse an der Führung eines funktionsfähigen und verlässlichen Handelsregisters zur Gewährleistung der Sicherheit und Leichtigkeit des Rechtsverkehrs überwiege, sei weder hinreichend vorgetragen noch ersichtlich.8

Ein etwaiger Anspruch aus Rechtsnormen außerhalb des Registerverfahrensrechts und datenschutzrechtlicher Bestimmungen, etwa aus §§ 823, 839 BGB oder § 1004 BGB (analog) wegen Verfehlung datenschutzrechtlicher Vorgaben durch die mit dem Gesetz zur Umsetzung der Digitalisierungsrichtlinie vom 5. Juli 2021 (DiRUG) jedermann eröffnete Möglichkeit der kostenfreien Einsichtnahme in das Handelsregister, könne im Registerverfahren nicht geprüft werden, sei aber auch nach dem durch das DiRUG unangetasteten Zweck des § 10a Abs. 3 HGB zu verneinen.9

II. Die vom Beschwerdegericht zugelassene Rechtsbeschwerde ist gemäß § 70 Abs. 1 FamFG statthaft und auch im Übrigen zulässig. Die Rechtsbeschwerdebefugnis des Antragstellers ergibt sich bereits daraus, dass seine Beschwerde gegen den Beschluss des Registergerichts zurückgewiesen wurde (vgl. BGH, Beschluss vom 31. Januar 2023 – II ZB 10/22, BGHZ 236, 123 Rn. 7 mwN).10

III. Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Die Entscheidung des Beschwerdegerichts hält der rechtlichen Prüfung im Ergebnis stand.11

1. Ein Anspruch des Antragstellers auf Entfernung der Angabe seines Geburtsdatums und seines Wohnorts aus seiner Eintragung als GmbH-Geschäftsführer im Handelsregister ergibt sich weder aus der Datenschutz-Grundverordnung noch aus nationalem Recht.12

a) Ein Anspruch auf Entfernung der Daten gemäß Art. 17 Abs. 1 und 2 DS-GVO (ABl. L 119 vom 4. Mai 2016, S. 1) ist nach Art. 17 Abs. 3 Buchst. b Fall 1 DS-GVOausgeschlossen. Die Eintragung, Speicherung und Offenlegung des Geburtsdatums und des Wohnorts eines GmbH-Geschäftsführers im Handelsregister ist zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung des Registergerichts im Sinne von Art. 17 Abs. 3 Buchst. b Fall 1 DS-GVO erforderlich.13

aa) Die Datenschutz-Grundverordnung ist im vorliegenden Fall zeitlich (Art. 99 Abs. 2, Art. 94 Abs. 1, Erwägungsgrund 171 DS-GVO), räumlich (Art. 3 Abs. 1 und 2 DS-GVO) und sachlich (Art. 2 Abs. 1 DS-GVO) anwendbar.14

Das Geburtsdatum und der Wohnort des Antragstellers sind personenbezogene Daten im Sinne von Art. 2 Abs. 1, Art. 4 Nr. 1 DS-GVO. Ihre Eintragung und Speicherung im elektronisch geführten Handelsregister (§ 8 Abs. 1, § 8a Abs. 1 HGB) sind ebenso wie ihre Offenlegung durch Gestattung der unbeschränkten Einsichtnahme in das Handelsregister (§§ 9, 10 Abs. 2 HGB) eine Verarbeitung im Sinne von Art. 2 Abs. 1 Fall 1 und 2, Art. 4 Nr. 2 DS-GVO. Das mit der Führung des elektronischen Handelsregisters gemäß § 8 Abs. 1 HGB betraute Registergericht ist Verantwortlicher für diese Datenverarbeitung im Sinne von Art. 4 Nr. 7 DS-GVO (vgl. EuGH, Urteil vom 9. März 2017 – C-398/15, ECLI:EU:C:2017:197 = BB 2017, 652 Rn. 35 – Manni [zu Art. 2 Buchst. d der Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr, ABl. L 281 vom23. November 1995, S. 31; im Folgenden: Datenschutz-Richtlinie]). Das gilt nicht nur für die Eintragung und Speicherung der Daten, sondern auch für ihre Offenlegung über das im Internet gemäß § 9 Abs. 1 Satz 4 HGB eingerichtete zentrale Registerportal (www.Handelsregister.de), weil das Registergericht mit der Eintragung und Übermittlung der Daten an den Betreiber des Registerportals darüber entscheidet, welche Daten dort abrufbar sind.15

bb) Das auf vollständige Entfernung der Daten aus dem Handelsregister gerichtete Begehren des Antragstellers ist grundsätzlich von Art. 17 Abs. 1 und 2 DS-GVO umfasst.16

Nach Art. 17 Abs. 1 DS-GVO kann die betroffene Person bei Vorliegen eines der dort genannten Gründe die Löschung der sie betreffenden Daten gemäß Art. 17 Abs. 2 DS-GVO von dem für die Verarbeitung Verantwortlichen verlangen. Der Begriff der Löschung im Sinne dieser Vorschrift ist autonom auszulegen (vgl. BGH, Urteil vom 27. Juli 2020 – VI ZR 405/18, BGHZ 226, 285 Rn. 17) und beinhaltet – anders als die gemäß § 395 Abs. 1 Satz 2 FamFG, §§ 16, 19 HRV (Handelsregisterverordnung vom 12. August 1937, RMBl. S. 515) lediglich durch Rötung erfolgende Löschung von Handelsregistereintragungen nach nationalem Recht – die Unkenntlichmachung der personenbezogenen Daten in einer Weise, die es tatsächlich unmöglich macht, die zuvor in den zu löschenden Daten verkörperte Information wahrzunehmen (vgl. Herbst in Kühling/Buchner, DS-GVO/BDSG, 4. Aufl., Art. 17 DS-GVO Rn. 37 ff.; Roßnagel in Simitis/Hornung/Spiecker, Datenschutzrecht, Art. 4 Nr. 2 DS-GVO Rn. 30).17

cc) Ein Anspruch des Antragstellers aus Art. 17 Abs. 1 und 2 DS-GVO ist aber, selbst wenn einer der in Art. 17 Abs. 1 DS-GVO genannten Löschungsgründe zu bejahen sein sollte, nach Art. 17 Abs. 3 Buchst. b Fall 1 DS-GVO ausgeschlossen, weil die Eintragung, Speicherung und Offenlegung des Geburtsdatums und des Wohnorts des Antragstellers als GmbH-Geschäftsführer im Handelsregister zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung des Registergerichts im Sinne dieser Vorschrift erforderlich ist.18

aaa) Nach Art. 17 Abs. 3 Buchst. b Fall 1 DS-GVO gelten Art. 17 Abs. 1 und Abs. 2 DS-GVO nicht, soweit die Verarbeitung der Daten zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung des Verantwortlichen, die sich aus dem Recht der Union oder dem Recht eines Mitgliedstaats, dem der Verantwortliche unterliegt, ergeben kann, erforderlich ist. Diese rechtliche Verpflichtung muss, wie sich aus Erwägungsgrund 41 Satz 1 DS-GVO ergibt, nicht notwendig in einem Parlamentsgesetz normiert sein (EuGH, Urteil vom 24. Februar 2022 – C-175/20, ECLI:EU:C:2022:124 = ZD 2022, 271 Rn. 52 – Valsts ieņēmumu dienests), solange die Anforderungen gemäß der Verfassungsordnung des Mitgliedstaats gewahrt sind. Entsprechend den allgemeinen Regeln für die Rechtfertigung von Eingriffen in die durch die Charta verbürgten Grundrechte (Art. 52 Abs. 1 der Charta) kann sich die Rechtsgrundlage nach Art. 123 Abs. 1 GG auch aus vorkonstitutionellem Gewohnheitsrecht ergeben (vgl. Schlussanträge des Generalanwalts vom 16. April 2015 – C-580/13, ECLI:EU:C:2015:243 Rn. 37 – Coty;Jarass, EU-Grundrechte-Charta, 4. Aufl., Art. 52 Rn. 26; BeckOK Datenschutzrecht/von Lewinksi, Stand: 1.11.2023, Art. 22 DS-GVO Rn. 44; Zöll in Taeger/ Gabel, DS-GVO/BDSG/TTDSG, 4. Aufl., Art. 88 Rn. 10). Sie muss aber, da Art. 17 Abs. 3 Buchst. b DS-GVO die Regelung in Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. c DS-GVO widerspiegelt, den in Art. 6 Abs. 2 und 3 DS-GVO geregelten Anforderungen genügen (vgl. Peuker in Sydow/Marsch, DS-GVO/BDSG, 3. Aufl., Art. 17 DS-GVO Rn. 63; Herbst in Kühling/Buchner, DS-GVO/BDSG, 4. Aufl., Art. 17 DS-GVO Rn. 74 f.; BeckOK Datenschutzrecht/Worms, Stand: 1.8.2023, Art. 17 DS-GVO Rn. 83; Meentz/Hinzpeter in Taeger/Gabel, DS-GVO/BDSG/TTDSG, 4. Aufl., Art. 17 DS-GVO Rn. 125). Demnach muss der Zweck der Verarbeitung in der Rechtsgrundlage festgelegt sein (Art. 6 Abs. 3 Satz 2 DS-GVO). Außerdem muss die Verarbeitung zur Erfüllung der rechtlichen Verpflichtung des Verantwortlichen tatsächlich erforderlich sein, diese Rechtsgrundlage nach Art. 6 Abs. 3 Satz 4 DS-GVO ein im öffentlichen Interesse liegendes Ziel verfolgen und in einem angemessenen Verhältnis zu dem verfolgten legitimen Zweck stehen und die Verarbeitung muss innerhalb der Grenzen des unbedingt Notwendigen erfolgen (EuGH, Urteil vom 4. Juli 2023 – C-252/21, ECLI:EU:C:2023:537 = RIW 2023, 516 Rn. 138 = NJW 2023, 2997 – Meta Platforms).19

bbb) Das Registergericht ist zu der in Rede stehenden Verarbeitung des Geburtsdatums und des Wohnorts des Antragstellers rechtlich verpflichtet.20

(1) Nach § 7 Abs. 1 GmbHG ist die Gesellschaft zur Eintragung in das HandelsregisterBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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anzumelden. Der Anmeldung ist nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 bzw. Nr. 2 GmbHG die Legitimation der Geschäftsführer beizufügen. Eine Änderung in den Personen der Geschäftsführer ist nach § 39 Abs. 1 GmbHG ebenfalls zur Eintragung in das HandelsregisterBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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anzumelden. In der Anmeldung ist auch das Geburtsdatum des Geschäftsführers anzugeben (§ 24 Abs. 1 HRV). Eine ausdrücklich normierte Pflicht zur Angabe des Wohnorts des Geschäftsführers bei der Anmeldung besteht nicht, ist aber jedenfalls gewohnheitsrechtlich begründet. Gewohnheitsrecht steht als Rechtsquelle gleichwertig neben dem Gesetzesrecht, so dass es auch Grundlage einer registerrechtlichen Eintragung sein kann (BGH, Beschluss vom 4. April 2017 – II ZB 10/16, ZIP 2017, 1067 Rn. 22; Beschluss vom 31. Januar 2023 – II ZB 10/22, BGHZ 236, 123 Rn. 12). Es entsteht durch längere tatsächliche Übung, die eine dauernde und ständige, gleichmäßige und allgemeine ist und subjektiv von den Beteiligten als verbindliche Rechtsnorm anerkannt wird (vgl. BGH, Beschluss vom 4. April 2017- II ZB 10/16, ZIP 2017, 1067 Rn. 24; Beschluss vom 31. Januar 2023- II ZB 10/22, BGHZ 236, 123 Rn. 18). Diese Voraussetzungen sind hinsichtlich der Angabe des Wohnorts des GmbH-Geschäftsführers bei der Anmeldung der Gesellschaft zur Eintragung in das HandelsregisterBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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Handelsregister
erfüllt.21

Die Angabe des Wohnorts des Geschäftsführers bei der Anmeldung entspricht langjähriger ständiger Praxis. Diese geht zurück auf § 7 Abs. 1, § 10 Abs. 2 GmbHG idF des Reichsgesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung vom 20. April 1892 (RGBl. 1892 S. 477; im Folgenden: GmbHG aF), in denen u.a. die Anmeldung der Personen der Geschäftsführer zur Eintragung (§ 7 Abs. 1 GmbHG aF) und die Veröffentlichung der Wohnorte der Geschäftsführer (§ 10 Abs. 2 GmbHG aF) noch ausdrücklich vorgeschrieben waren. Auch nach Änderung dieser Regelungen durch Gesetz vom 20. Mai 1898 (RGBl. 1898 S. 846) mit Wirkung vom 1. Januar 1900 in eine den heutigen § 7 Abs. 1, § 10 Abs. 1 Satz 1 GmbHG entsprechende Formulierung war es weiterhin Praxis, auch die Geschäftsführer anzumelden (siehe Cohn, Das Handels- und Genossenschafts-Register, 2. Aufl. 1901, § 60 I. S. 287; Hachenburg, GmbHG, 5. Aufl. 1926, § 7 Anm. 3) und mit ihrem Wohnort in das Handelsregister einzutragen (siehe Brand/Meyer zum Gottesberge, Die Registersachen in der gerichtlichen Praxis, 3. Aufl. 1929, § 100 Anm. 2. S. 295), weil man darin eine die einzutragende Person des Geschäftsführers konkretisierende Angabe sah (Hachenburg, GmbHG, 5. Aufl. 1926, § 10 Anm. 6). Mit Erlass der Allgemeinen Verfügung über die Einrichtung und Führung des Handelsregisters (Handelsregisterverfügung) vom 10. August 1937 (RGBl. S. 151; im Folgenden: HRV aF) wurde die zuvor teilweise bereits landesrechtlich vorgeschriebene Eintragung des Wohnorts des Geschäftsführers im Handelsregister (vgl. BayObLG, Beschluss vom 4. April 1910 – Reg. V. 14/1910, BayObLGZ 11, 237, 240; Scholz, GmbHG, 1928, § 10 II. 1.) wieder einheitlich und ausdrücklich angeordnet (§ 43 Nr. 4 HRV aF). Dem folgend entspricht es seitdem allgemeiner notarieller Praxis, bei der Anmeldung der Gesellschaft den Wohnort des Geschäftsführers anzugeben (vgl. Herrler/Haines, Gesellschaftsrecht in der Notar- und Gestaltungspraxis, 2. Aufl., § 6 Rn. 47; Krafka, Registerrecht, 12. Aufl., Rn. 971; Mayer/Weiler in Beck’sches Notarhandbuch, 8. Aufl., § 22 Rn. 194; Melchior/Böhringer in Gustavus, Handelsregisteranmeldungen, Stand: 10/2023, Mustertext M 91a.1; Pfisterer in Beck’sches Formularbuch GmbH-Recht, B. I. 5. Anm. 8; Römermann/Strehle, Münchener Anwaltshandbuch GmbH-Recht, 5. Aufl., § 3 Rn. 121, 124; Terbrack in Hauschild/Kallrath/Wachter, Notarhandbuch Gesellschafts- und Unternehmensrecht, 3. Aufl., § 16 Rn. 74; Trölitzsch in Oppenländer/Trölitzsch, Praxishandbuch der GmbH-Geschäftsführung, 3. Aufl., § 11 Rn. 41; Vossius in Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, Stand: August 2023, Anhang 4, M 157; Wentrup in Beck’sches Formularbuch Bürgerliches, Handels- und Wirtschaftsrecht, 14. Aufl., IX. 2.; MünchHdBGesR III/Wobst, 6. Aufl., § 8 Rn. 13; Gutachten des Deutschen Notarinstituts DNotI-Report 2004, 89; Wachter, GmbHR 2023, 593, 595).22

Diese ständige Übung wird von den Beteiligten als rechtlich verbindlich anerkannt. Es ist allgemeine Auffassung, dass die Anmeldung der Gesellschaft auch die nach § 43 Nr. 4 Satz 1 Buchst. b HRV einzutragende Angabe zum Wohnort des Geschäftsführers zu enthalten hat (Altmeppen, GmbHG, 11. Aufl., § 8 Rn. 4; Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 21. Aufl., § 8 Rn. 3;MünchKommGmbHG/Herrler, 4. Aufl., § 8 Rn. 18; Link in Gehrlein/Born/Simon, GmbHG, 6. Aufl., § 8 Rn. 12, 46; Schäfer in Henssler/Strohn, GesR, 5. Aufl., § 8 Rn. 3; Pfisterer in Saenger/Inhester, GmbHG, 4. Aufl., § 8 Rn. 5; Tebben/Kämper in Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt, GmbHG, 4. Aufl., § 8 Rn. 10; BeckOGK HRV/Szalai, Stand: 15.10.2023, § 24 Rn. 7; Scholz/Veil, GmbHG, 13. Aufl., § 8 Rn. 9; Wicke, GmbHG, 4. Aufl., § 8 Rn. 3; Wöstmann in Rowedder/Pentz, GmbHG, 7. Aufl., § 8 Rn. 4; aA Wachter, GmbHR 2023, 593, 595). § 24 Abs. 1 HRV steht dem nicht entgegen, weil es sich bei § 43 HRV systematisch um die speziellere Vorschrift handelt (BeckOGK HRV/Szalai, Stand: 15.10.2023, § 24 Rn. 7). Auch dem Handelsrechtsreformgesetz vom 22. Juni 1998 (BGBl. I S. 1474), mit dem erstmals eine Verpflichtung zur Angabe des Geburtsdatums geschaffen und die bis dahin geltende Angabe des Berufs oder Standes abgelöst wurde, lag die Vorstellung zugrunde, dass weiterhin der Wohnort des Geschäftsführers anzugeben ist (RegE eines Gesetzes zur Neuregelung des Kaufmanns- und Firmenrechts und zur Änderung anderer handels- und gesellschaftsrechtlicher Vorschriften, BT-Drucks. 13/8444, S. 85).23

Infolge dieser gewohnheitsrechtlichen Konkretisierung von § 7 Abs. 1, § 8 Abs. 1 Nr. 1 bzw. Nr. 2, § 39 Abs. 1 GmbHG ist die Pflicht zur Angabe des Wohnorts des Geschäftsführers bei der Anmeldung der Gesellschaft für die Rechtsunterworfenen auch hinreichend vorhersehbar und transparent (Art. 5 Abs. 1 Buchst. a DS-GVO, Erwägungsgrund 41 Satz 2 DS-GVO).24

(2) Das Registergericht ist, wie oben bereits erwähnt, nach § 10 Abs. 1 Satz 1 GmbHG, § 387 Abs. 2 FamFG, § 43 Nr. 4 Satz 1 Buchst. b HRV verpflichtet, bei der Eintragung einer Gesellschaft mit beschränkter HaftungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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in das Handelsregister neben dem Familiennamen und Vornamen das Geburtsdatum und den Wohnort des Geschäftsführers einzutragen (vgl. BGH, Beschluss vom 3. Februar 2015 – II ZB 12/14, ZIP 2015, 1064 Rn. 15 aE; Bayer in Lutter/ Hommelhoff, GmbHG, 21. Aufl., § 10 Rn. 4; Link in Gehrlein/Born/Simon, GmbHG, 6. Aufl., § 10 Rn. 13; Ulmer/Habersack in Habersack/Casper/Löbbe, GmbHG, 3. Aufl., § 10 Rn. 8; Scholz/Veil, GmbHG, 13. Aufl., § 10 Rn. 10; Wöstmann in Rowedder/Pentz, GmbHG, 7. Aufl., § 10 Rn. 10; Wachter, GmbHR 2023, 593, 596).25

Die Eintragung hat gemäß § 8 Abs. 1, § 8a Abs. 1 HGB durch dauerhafte inhaltlich unveränderte Speicherung im elektronisch zu führenden Handelsregister zu erfolgen (siehe auch § 387 Abs. 2 FamFG, § 47 Abs. 1 Satz 1 HRV). Eine Entfernung von vorhandenen Eintragungen durch technische Eingriffe oder sonstige Maßnahmen ist dem Registergericht nach § 387 Abs. 2 FamFG, § 12 Satz 2 HRV untersagt. Auch die Löschung einer Eintragung gem. §§ 393 ff. FamFG erfolgt nicht durch (technische) Entfernung der Eintragung, sondern ihrerseits als eigene Eintragung, um den Vorgang der Löschung als solchen im Register für Dritte nachvollziehbar zu machen. Selbst unzulässige Eintragungen werden gemäß § 395 Abs. 1 Satz 2 FamFG, §§ 16, 19 HRV nicht entfernt, sondern durch Eintragung eines Vermerks unter einer neuen laufenden Nummer sowie Rötung der unzulässigen Eintragung gelöscht (vgl. BGH, Beschluss vom 3. Februar 2015 – II ZB 12/14, ZIP 2015, 1064 Rn. 20).26

(3) Schließlich ist das Registergericht nach § 9 Abs. 1 Satz 1 HGB zur Offenlegung der eingetragenen Daten in der Form verpflichtet, dass die Einsichtnahme in das Handelsregister jedem zu Informationszwecken durch einzelne Abrufe gestattet wird, ohne dass es der Darlegung eines berechtigten Interesses bedarf (BGH, Beschluss vom 12. Juli 1989 – IVa ARZ (VZ) 9/88, BGHZ 108, 32, 35 f.; Beschluss vom 3. Februar 2015 – II ZB 12/14, ZIP 2015, 1064 Rn. 24; Beschluss vom 24. Mai 2023 – VII ZB 69/21, ZIP 2023, 1640 Rn. 22). Hierfür sind die Eintragungen aus dem Handelsregister über das Registerportal abrufbar zu machen (§ 9 Abs. 1 Satz 2, § 10 Abs. 1 HGB, § 52 HRV), indem sie unverzüglich zum Abruf über dieses Portal bereitgestellt werden (§ 10 Abs. 2 HGB, § 32 HRV).27

ccc) Da die genannten Regelungen weder Ausnahmen, sei es abstrakt-generell für bestimmte Fallgruppen oder konkret bei besonderen Umständen im Einzelfall, vorsehen, noch dem Registergericht bei der Anwendung einen Beurteilungsspielraum oder Ermessen einräumen, ist diese Datenverarbeitung auch im Fall des Antragstellers zur Erfüllung der rechtlichen Verpflichtungen des Registergerichts tatsächlich erforderlich.28

ddd) Diese rechtlichen Verpflichtungen des Registergerichts verfolgen ein im öffentlichen Interesse liegendes Ziel im Sinne von Art. 6 Abs. 3 Satz 2 und 4 DS-GVO. Sie sollen den Schutz der Sicherheit, Lauterkeit und Leichtigkeit des Rechtsverkehrs im kaufmännischen und handelsgesellschaftlichen Bereich gewährleisten.29

(1) Sinn und Zweck des Handelsregisters liegen darin, es der Öffentlichkeit zu ermöglichen, sich über die Rechtsverhältnisse von Kaufleuten und Gesellschaften zu unterrichten, und Umstände zu verlautbaren, die für den Rechtsverkehr von erheblicher Bedeutung sind (Informations- und Publizitätsfunktion; vgl. BGH, Beschluss vom 24. Oktober 1988 – II ZB 7/88, BGHZ 105, 324, 344; Beschluss vom 10. November 1997 – II ZB 6/97, ZIP 1998, 152;Beschluss vom 14. Februar 2012 – II ZB 15/11, ZIP 2012, 623 Rn. 16; Beschluss vom 3. Februar 2015 – II ZB 12/14, ZIP 2015, 1046 Rn. 18; Beschluss vom 31. Januar 2023 – II ZB 10/22, BGHZ 236, 123 Rn. 12; Beschluss vom 24. Mai 2023 – VII ZB 69/21, ZIP 2023, 1640 Rn. 20; Beschluss vom 19. September 2023 – II ZB 15/22, ZIP 2023, 2356 Rn. 28). Dabei wird die Zuverlässigkeit des Registers zum einen durch die registerrechtliche Kontrolle der Anmeldungen zur Eintragung gewährleistet, zum anderen dadurch, dass sich an das Vertrauen in darin enthaltene Eintragungen in gewissem Umfang materiell-rechtliche Wirkungen anknüpfen (§ 15 HGB; vgl. BGH, Beschluss vom 3. Februar 2015 – II ZB 12/14, ZIP 2015, 1064 Rn. 18; Beschluss vom 24. Mai 2023 – VII ZB 69/21, ZIP 2023, 1640 Rn. 20). Ohne solche Informationen und ihre allgemeine Zugänglichkeit durch uneingeschränkt einsehbare Register wäre der Rechtsverkehr in seiner Sicherheit und Leichtigkeit beeinträchtigt, weil Rechtsgeschäfte andernfalls entweder nur nach kompliziert und langwierig zu erbringenden Nachweisen oder aber unter Verzicht auf solche Nachweise mit der Folge größerer Anfälligkeit für Fehler oder betrügerische Machenschaften getätigt würden (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales zum RegE eines Gesetzes zur Änderung des Bundesversorgungsgesetzes und anderer Vorschriften, BT-Drucks. 18/12611, S. 67, 68 f.).30

(2) Der Verwirklichung dieses schützenswerten Interesses des Rechtsverkehrs, sich über die Vertretungsverhältnisse der am geschäftlichen Verkehr teilnehmenden Kapitalgesellschaften informieren und vergewissern zu können, dient insbesondere die Eintragung, Speicherung und Offenlegung des vollständigen Namens, Geburtsdatums und Wohnorts eines GmbH-Geschäftsführers (vgl. BGH, Beschluss vom 3. Februar 2015 – II ZB 12/14, ZIP 2015, 1064 Rn. 14). Die Person des Geschäftsführers gehört zu den Grundinformationen über eine Gesellschaft mit beschränkter HaftungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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, weil er das vertretungsberechtigte Organ der Gesellschaft ist, das im Rechtsverkehr verbindlich für die Gesellschaft als juristischer Person handeln darf (§ 35 GmbHG). Zur Gewährung eines elementaren Mindestmaßes an Sicherheit für diejenigen, die in rechtsgeschäftlichen Kontakt mit der Gesellschaft treten und die ein Interesse daran haben, dass die für die Gesellschaft abgegebenen oder entgegengenommenen Willenserklärungen einer vertretungsberechtigten Person mit Wirkung für und gegen die Gesellschaft zugerechnet werden, gehört daher die Möglichkeit der zuverlässigen Kenntnisnahme der Person, die als Geschäftsführer diese Funktion für die Gesellschaft als gleichsam verlängerter „natürlicher“ Arm nach außen wahrnimmt. Um das vertretungsberechtigte Organ im Rechtsverkehr identifizieren zu können, werden der Vor- und Familienname nebst Geburtsdatum und Wohnort im Handelsregister eingetragen (§ 43 Nr. 4 Satz 1 Buchst. b HRV) und gemäß § 10 HGB zusammen mit dem Gesamteintrag der Gesellschaft der Öffentlichkeit bekannt gemacht (BGH, Beschluss vom 3. Februar 2015 – II ZB 12/14, ZIP 2015, 1064 Rn. 15).31

(3) Diese Wertung steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union, der bereits unter Geltung der Datenschutz-Richtlinie entschieden hat, dass die in Art. 2 Abs. 1 Buchst. d und j der Publizitätsrichtlinie (Erste Richtlinie 68/151/EWG des Rates vom 9. März 1968 zur Koordinierung der Schutzbestimmungen, die in den Mitgliedstaaten den Gesellschaften im Sinne des Art. 58 Abs. 2 des Vertrages im Interesse der Gesellschafter sowie Dritter vorgeschrieben sind, um diese Bestimmungen gleichwertig zu gestalten [ABl. L 65 S. 8], in der durch die Richtlinie 2003/58/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Juli 2003 [ABl. L 221 S. 13] geänderten Fassung) vorgesehene Speicherung und Offenlegung der Personalien von Vertretungsorganen von Kapitalgesellschaften sowohl dem Schutz der Interessen Dritter dienen, die wegen der bei diesen Gesellschaften auf das Gesellschaftsvermögen beschränkten Haftung ein erhöhtes wirtschaftliches Risiko tragen, als auch die – im öffentlichen Interesse liegende – Rechtssicherheit in den Beziehungen zwischen den Gesellschaften und Dritten, die Lauterkeit von Handelsgeschäften und das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts gewährleisten (EuGH, Urteil vom 9. März 2017 – C-398/15,ECLI:EU:C:2017:197 = BB 2017, 652 Rn. 43, 48 ff. – Manni). Diese Rechtsprechung zur Datenschutz-Richtlinie ist grundsätzlich auch für die Datenschutz-Grundverordnung einschlägig (EuGH, Urteil vom 17. Juni 2021 – C-597/19,ECLI:EU:C:2021:492 = GRUR 2021, 1067 Rn. 107 – M.I.C.M.).32

eee) Dieser Zweck der Datenverarbeitung wird in den oben genannten Rechtsgrundlagen zwar nicht ausdrücklich als solcher benannt, ergibt sich aber aus der Regelung in § 9 Abs. 1 Satz 1 HGB, wonach „die Einsichtnahme in das Handelsregister … jedem zu Informationszwecken durch einzelne Abrufe gestattet“ ist (vgl. RegE eines Gesetzes über elektronische Register und Justizkosten für Telekommunikation – ERJuKoG, BT-Drucks. 14/6855, S. 17). Das genügt dem gesetzlichen Zweckfestlegungserfordernis des Art. 6 Abs. 3 Satz 2 DS-GVO (vgl. BFH, BB 2023, 2717 Rn. 43; Frenzel in Paal/Pauly, DS-GVO/BDSG, 3. Aufl., Art. 6 DS-GVO Rn. 41; BeckOK IT-Recht/Borges/ Steinrötter, Stand: 1.1.2022, Art. 6 DS-GVO Rn. 68 mwN).33

fff) Die rechtlichen Verpflichtungen des Registergerichts stehen in einem angemessenen Verhältnis zu dem damit verfolgten legitimen Zweck (Art. 6 Abs. 3 Satz 4 DS-GVO).34

(1) Bei der nach Art. 6 Abs. 3 Satz 4 DS-GVO vorzunehmenden Abwägung ist davon auszugehen, dass Art. 1 Abs. 2 DS-GVO i.V.m. mit den Erwägungsgründen 1, 4 und 10 ein hohes Niveau des Schutzes der Grundrechte und Grundfreiheiten natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten gewährleisten soll (EuGH, Urteil vom 13. Mai 2014 – C-131/12, ECLI:EU:C:2014:317 = NJW 2014, 2257 Rn. 66 – Google Spain und Google; Urteil vom 9. März 2017 – C-398/15, ECLI:EU:C:2017:197 = BB 2017, 652 Rn. 37 – Manni [jeweils zur Datenschutz-Richtlinie]; Urteil vom 24. Februar 2022 – C-175/20, ECLI:EU:C:2022:124 = ZD 2022, 271 Rn. 52 – Valsts ieņēmumu dienests). Dieses Recht auf Schutz der personenbezogenen Daten ist allerdings, wie in Erwägungsgrund 4 DS-GVO ausgeführt, kein uneingeschränktes Recht, sondern muss im Hinblick auf seine gesellschaftliche Funktion gesehen und unter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsprinzips gegen andere Grundrechte abgewogen werden (EuGH, Urteil vom 8. Dezember 2022 – C-460/20, ECLI:EU:C:2022:962 = RIW 2023, 217 Rn. 56 – Google).35

Für diese Abwägung sind allein die Unionsgrundrechte maßgeblich, wenn die im Rechtsstreit anwendbaren Regelungen durch das Unionsrecht vollständig vereinheitlicht sind; andernfalls ist auf die Grundrechte des Grundgesetzes abzustellen (vgl. BVerfGE 152, 216 Rn. 33, 42 f., 46, 77, 81 – Recht auf Vergessen II). Ob danach hier wegen des von der Datenschutz-Grundverordnung angestrebten gleichmäßigen Datenschutzniveaus (Erwägungsgrund 9 und 10 DS-GVO) die Unionsgrundrechte heranzuziehen sind (so für den Ausschluss des Löschungsanspruchs nach Art. 17 Abs. 3 Buchst. a i.V.m. Art. 6 Abs. 1 Buchst. f DS-GVO: BVerfGE 152, 216 Rn. 39 ff. – Recht auf Vergessen II und BGH, Urteil vom 27. Juli 2020 – VI ZR 405/18, BGHZ 226, 285 Rn. 25; Urteil vom 3. Mai 2022 – VI ZR 832/20, NJW 2022, 2476 Rn. 18; im Unterschied zu dem vom sog. „Medienprivileg“ erfassten Regelungsbereich: BVerfGE 152, 152 Rn. 74 – Recht auf Vergessen I), oder in Anbetracht der in Art. 17 Abs. 3 Buchst. b DS-GVO enthaltenen allgemeinen Öffnungsklausel mit Regelungsspielraum für die Mitgliedstaaten (vgl. Paal in Paal/Pauly, DS-GVO/ BDSG, 3. Aufl., Art. 17 DS-GVO Rn. 43; Kühling/Martini u.a., Die Datenschutz-Grundverordnung und das Nationale Recht, S. 27 ff.) die Grundrechte des Grundgesetzes, bedarf keiner Entscheidung. Die in Rede stehende Datenverarbeitung durch das Registergericht erweist sich sowohl bei Anwendung der Unionsgrundrechte als auch der Grundrechte des Grundgesetzes als verhältnismäßig.36

(2) Bei Maßgeblichkeit der Unionsgrundrechte sind die Bestimmungen der Datenschutz-Grundverordnung im Lichte von Art. 8 GRCh (Schutz personenbezogener Daten) und Art. 7 GRCh (Achtung des Privat- und Familienlebens) auszulegen (vgl. bereits EuGH, Urteil vom 13. Mai 2014 – C-131/12,ECLI:EU:C:2014:317 = NJW 2014, 2257 Rn. 68 f. – Google Spain und Google; Urteil vom 6. Oktober 2015 – C-362/14, ECLI:EU:C:2015:650 = NJW 2015, 3151 Rn. 38; Urteil vom 9. März 2017 – C-398/15, ECLI:EU:C:2017:197 = BB 2017, 652 Rn. 39 – Manni [jeweils zur Datenschutz-Richtlinie]; sowie EuGH, Urteil vom 24. Februar 2022 – C-175/20, ECLI:EU:C:2022:124 = ZD 2022, 271 Rn. 52- Valsts ieņēmumu dienests; Urteil vom 1. August 2022 – C-184/20, ECLI:EU:C:2022:601 = RIW 2023, 49 Rn. 66 – Vyriausioji tarnybinės etikos komisija), die ihrerseits eine Entsprechung in Art. 8 EMRK (Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens) haben (vgl. Art. 52 Abs. 3 GRCh; EuGH, Urteil vom 8. Dezember 2022 – C-460/20, ECLI:EU:C:2022:962 = RIW 2023, 217 Rn. 59 – Google; BGH, Urteil vom 27. Juli 2020 – VI ZR 405/18, BGHZ 226, 285 Rn. 27).37

Nach Art. 8 Abs. 2 GRCh dürfen personenbezogene Daten nur nach Treu und Glauben für festgelegte Zwecke und mit Einwilligung der betroffenen Person oder auf einer sonstigen gesetzlich geregelten legitimen Grundlage verarbeitet werden. Weiter bestimmt Art. 52 Abs. 1 GRCh, dass Einschränkungen der Unionsgrundrechte zulässig sind, sofern sie gesetzlich vorgesehen sind und den Wesensgehalt der Grundrechte sowie den Grundsatz der VerhältnismäßigkeitBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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wahren. Einschränkungen dürfen danach nur vorgenommen werden, wenn sie erforderlich sind und den von der Union anerkannten dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzungen oder den Erfordernissen des Schutzes der Rechte und Freiheiten anderer tatsächlich entsprechen. Sie müssen sich auf das absolut Notwendige beschränken und die den Eingriff enthaltende Regelung muss klare und präzise Regeln für die Tragweite und die Anwendung der betreffenden Maßnahme vorsehen (EuGH, Urteil vom 1. August 2022 – C-184/20, ECLI:EU:C:2022:601 = RIW 2023, 49 Rn. 70 – Vyriausioji tarnybinės etikos komisija mwN).38

Diese Anforderungen sind hier erfüllt.39

(a) Die oben genannten Vorschriften enthalten klare und präzise Regelungen für die Tragweite und Anwendung der Verarbeitung von Geburtsdatum und Wohnort eines GmbH-Geschäftsführers durch Eintragung, Speicherung und Offenlegung im Internet durch das Registergericht. Die dadurch bewirkte Einschränkung achtet den Wesensgehalt der Grundrechte des Betroffenen auf Schutz personenbezogener Daten und auf Achtung seines Privatlebens, da sich die Verarbeitung nur auf wenige, nicht zum Kernbereich dieses Schutzrechts zählende Daten erstreckt, und entspricht – wie oben ausgeführt – von der Union anerkannten, dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzungen.40

(b) Der Grundsatz der VerhältnismäßigkeitBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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ist gewahrt. Die Datenverarbeitung durch das Registergericht überschreitet nicht die Grenzen dessen, was zur Erreichung der mit den fraglichen Regelungen zulässigerweise verfolgten Ziele geeignet und erforderlich ist, und die verursachten Nachteile stehen nicht außer Verhältnis zu den angestrebten Zielen (vgl. EuGH, Urteil vom 22. Januar 2013 – C-283/11, ECLI:EU:C:2013:28 Rn. 50 = AfP 2013, 123; Urteil vom 8. April 2014 – C-293/12, ECLI:EU:C:2014:238 Rn. 46 = NJW 2014, 2169; Urteil vom 30. Juni 2016 – C-134/15, ECLI:EU:C:2016:498 Rn. 33 ff.; vgl. Kingreen in Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 6. Aufl., Art. 52 EU-GRCharta Rn. 65 ff. mwN).41

(aa) Die Angabe des Geburtsdatums und des Wohnorts ist geeignet, eine – der legitimen Zielsetzung der Einschränkung entsprechende – zuverlässige Individualisierung und Identifizierung der Person des Geschäftsführers zu ermöglichen. Gleiches gilt für die Offenlegung dieser Angaben durch allgemein zugängliche Veröffentlichung im Internet, die es interessierten Dritten ermöglicht, sich unschwer Kenntnis über die mit der Vertretung der Gesellschaft betrauten Personen zu verschaffen.42

(bb) Die Speicherung und unbeschränkte Offenlegung beider Angaben im Internet ist zur Erreichung der Zielsetzung auch erforderlich.43

(aaa) Erforderlichkeit in diesem Sinne liegt, wie sich aus Erwägungsgrund 39 der DS-GVO ergibt, vor, wenn das verfolgte, im öffentlichen Interesse liegende Ziel nicht in zumutbarer Weise ebenso wirksam mit anderen Mitteln erreicht werden kann, die weniger stark in die Grundrechte der betroffenen Personen, insbesondere die in den Art. 7 und Art. 8 der Charta verbürgten Rechte auf Achtung des Privatlebens und auf Schutz personenbezogener Daten, eingreifen, wobei sich die Ausnahmen und Einschränkungen hinsichtlich des Grundsatzes des Schutzes solcher Daten auf das absolut Notwendige beschränken müssen (EuGH, Urteil vom 1. August 2022 – C-184/20,ECLI:EU:C:2022:601 = RIW 2023, 49 Rn. 85 f. – Vyriausioji tarnybinės etikos komisija mwN; siehe auch das Datenminimierungsgebot in Art. 5 Abs. 1 Buchst. c DS-GVO).44

(bbb) Die Angabe des unveränderlichen Geburtsdatums ist zur Identifizierung des Geschäftsführers erforderlich, weil damit bei Namensgleichheit weitgehend Verwechslungen ausgeschlossen werden können (vgl. RegE eines Gesetzes zur Neuregelung des Kaufmanns- und Firmenrechts und zur Änderung anderer handels- und gesellschaftsrechtlicher Vorschriften [Handelsrechtsreformgesetz – HRefG], BT-Drucks. 13/8444, S. 84 [zu § 125 FGG-E]; Born in Ebenroth/Boujong, HGB, 5. Aufl., § 106 Rn. 34; Kollbach, ZVI 2006, 544, 547 f.; Preis/Wentz, ZD 2023, 461, 463; Prütting/Brinkmann, ZVI 2006, 477, 478 f.; Weichert, ZGI 2023, 11, 16).45

Die zusätzliche Angabe des Wohnorts ist nicht nur bei besonders gebräuchlichen Namen sondern auch im Hinblick darauf erforderlich, dass das vollständige Geburtsdatum für Dritte nicht immer leicht überprüfbar sein kann, um durch eine örtliche Eingrenzung des Personenkreises zur zweifelsfreien Identifizierung beizutragen (vgl. Haas/Wöstmann in Röhricht/Graf von Westphalen/Haas/Mock/Wöstmann, HGB, 6. Aufl., § 106 Rn. 11; Weichert, ZGI 2023, 11, 16; grundsätzlich auch MünchKommHGB/Fleischer, 5. Aufl., § 106 Rn. 20; aA Wachter, GmbHR 2003, 593 Rn. 32). Zwar hängt die Unterscheidungskraft des Wohnorts von den jeweiligen Verhältnissen, insbesondere seiner Größe, ab und kann daher variieren (vgl. Paefgen in Habersack/ Casper/Löbbe, GmbHG, 3. Aufl., § 40 Rn. 37; Handelsrechtausschuss des DAV, NZG 2005, 586, 587 f.; Wachter, GmbHR 2023, 593, 595). Eine zur Information des Rechtsverkehrs ebenso wirksame, die Betroffenen aber weniger belastende Form der Datenverarbeitung ist aber nicht ersichtlich. Die Verwendung eines anderen unterscheidungskräftigen personenbezogenen Merkmals (wie etwa des Geburtsorts oder der vollständigen Privatanschrift) wäre mit einem Eingriff von mindestens gleichem Gewicht verbunden (vgl. Weichert, ZGI 2023, 11, 16).46

Die Angabe des Wohnorts bietet zudem, auch wenn er nicht mit dem Wohnsitz gemäß §§ 7 ff. BGB identisch sein muss (vgl. Haas/Wöstmann in Röhricht/Graf von Westphalen/Haas/Mock/Wöstmann, HGB, 6. Aufl., § 106 Rn. 11), nach § 44 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BMG die Möglichkeit, durch eine einfache Melderegisterauskunft bei der für diesen Wohnort zuständigen Meldebehörde die aktuelle Anschrift zu ermitteln. Das kann notwendig werden, um evtl. erforderliche Zustellungen (vgl. §§ 166 ff. ZPO), etwa bei der Geltendmachung von Direktansprüchen gegen das Organ, bewirken zu können. Die Veränderlichkeit des Wohnorts spricht auch dann nicht dagegen, wenn man den Wechsel des Wohnorts nicht für anmeldepflichtig hält, weil jedenfalls die Wegzugsmeldebehörde über die aktuelle Anschrift verfügt (vgl. § 33 Abs. 1 Satz 1, § 3 Abs. 1 Nr. 12 BMG; aA Klink, Datenschutz in der elektronischen Justiz, 2010, S. 247; Trendelenburg, BB 2023, 1172).47

(ccc) Schließlich ist auch die Erforderlichkeit der Offenlegung dieser Daten durch deren unbeschränkte Abrufbarkeit im Internet zu bejahen. Das Ziel, jeder interessierten Person die Möglichkeit zu geben, sich möglichst unschwer unabhängig von ihrem Aufenthaltsort und ohne zeitliche Verzögerung durch eine zuverlässige Informationsquelle Kenntnis von den wesentlichen Angaben über die Gründung der Handelsgesellschaften und über die mit ihrer Vertretung betrauten Personen zu verschaffen, lässt sich nur durch die Gewährung des schrankenlosen, mit keinem besonderen Aufwand oder Hindernissen verbundenen Zugangs zu diesen Daten im Internet erreichen (vgl. EuGH, Urteil vom 9. März 2017 – C-398/15, ECLI:EU:C:2017:197 = BB 2017, 652 Rn. 51 – Manni [zum GmbH-Geschäftsführer]; Schlussanträge der Generalanwältin vom 14. September 2023 – C-115/22, ECLI:EU:C:2023:676, juris Rn. 169 zur Online-Veröffentlichung von Doping-Verstößen).48

(cc) Die durch diese Datenverarbeitung verursachten Nachteile stehen nicht außer Verhältnis zu den angestrebten Zielen. Die Grundrechte des Antragstellers auf Schutz seiner personenbezogenen Daten und Achtung seines Privatlebens haben bei der gebotenen Abwägung mit den mit der Datenverarbeitung seines Geburtsdatums und Wohnorts im Rahmen seiner Eintragung als GmbH-Geschäftsführer im Handelsregister verfolgten Zielen der Gewährleistung der Sicherheit, Lauterkeit und Leichtigkeit des Rechtsverkehrs im kaufmännischen und gesellschaftlichen Bereich zurückzustehen.49

(aaa) Bei der gebotenen Gewichtung des Eingriffs in die Rechte des betroffenen Geschäftsführers (siehe Erwägungsgrund 76 DS-GVO) ist zunächst festzustellen, dass sich die in Rede stehende Verarbeitung auf wenige personenbezogene Daten beschränkt, die weder zu den besonders sensiblen Daten im Sinne von Erwägungsgrund 51 Satz 1 DS-GVO zählen noch besonders tief in den Persönlichkeitsbereich hineinreichen (vgl. Prütting/Brinkmann, ZVI 2006, 477, 479 [zum Geburtsdatum]). Das gilt auch für die Angabe des Wohnorts, da damit noch nicht die vollständige Privatanschrift preisgegeben, sondern lediglich eine örtliche Eingrenzung vorgenommen wird.50

Eine besondere Schwere des Eingriffs ergibt sich allerdings grundsätzlich daraus, dass diese Daten durch ihre unbeschränkte Zurverfügungstellung im Internet einer potenziell unbegrenzten Zahl von Personen zugänglich gemacht werden, wodurch auch Personen, die sich aus nicht mit der Zielsetzung der Verarbeitung zusammenhängenden Gründen Kenntnis von diesen Daten verschaffen wollen, ungehindert darauf zugreifen können. Außerdem können die Daten nach ihrem Abruf beliebig weiter verarbeitet, verknüpft und zu einer Vielzahl von Zwecken, auch für die Planung von Straftaten zum Nachteil des Betroffenen, verwendet werden (vgl. EuGH, Urteil vom 1. August 2022- C-184/20, ECLI:EU:C:2022:601 = RIW 2023, 49 Rn. 102, 104 – Vyriausioji tarnybinės etikos komisija; EuGH, Urteil vom 22. November 2022 – C-37/20 und C-601/20, ECLI:EU:C:2022:912 = WM 2023, 63 Rn. 42 f. – Luxembourg Business Registers; BVerfGE 128, 1, 52 f.).51

Die Intensität dieses Eingriffs ist jedoch in verschiedener Hinsicht gemildert.52

(α) Zum einen ist zu berücksichtigen, dass der Geschäftsführer mit der Übernahme seines Amtes und Anmeldung zur Eintragung in das HandelsregisterBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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selbst bzw. ihm zurechenbar Anlass für die Datenverarbeitung gibt, wobei ihm die damit verbundene Offenlegung der hier in Rede stehenden Daten im Handelsregister in diesem Augenblick bewusst ist (vgl. EuGH, Urteil vom 9. März 2017 – C-398/15, ECLI:EU:C:2017:197 = BB 2017, 652 Rn. 59 – Manni; BVerfGE 128, 1, 53 [zum Standortregister über den Anbau von gentechnisch veränderten Organismen]; BVerfG, NJW 2008, 1505 Rn. 78).53

Dagegen macht die Rechtsbeschwerde ohne Erfolg geltend, dass der unbeschränkte Zugang zu diesen Daten erst zum 1. August 2022 mit Eröffnung der allgemeinen und kostenfreien Einsichtnahme in das Handelsregister für jedermann über das Internet durch das DiRUG (Gesetz zur Umsetzung der Digitalisierungsrichtlinie vom 5. Juli 2021, BGBl. I S. 3338) geschaffen worden sei, da die hier in Rede stehenden Daten des Antragstellers bereits seit dem Zeitpunkt ihrer Eintragung und Bekanntmachung im Jahr 2012 kostenfrei über das Internet abrufbar waren. Die herkömmliche Einsicht in das Handelsregister auf der Geschäftsstelle war seit jeher jedermann gestattet, ohne an besondere Voraussetzungen, wie ein berechtigtes Interesse, geknüpft (siehe § 9 Abs. 1 HGB in der bis zum 14. Dezember 2001 geltenden Fassung) oder mit einer Identitätsfeststellung der Einsicht nehmenden Person verbunden zu sein (vgl. BGH, Beschluss vom 24. Mai 2023 – VII ZB 69/21, ZIP 2023, 1640 Rn. 28 mwN). Dieses unbeschränkte „Jedermann-Recht“ zur Einsichtnahme wurde bereits mit Wirkung zum 15. Dezember 2001 (durch das Gesetz über elektronische Register und Justizkosten für Telekommunikation vom 10. Dezember 2001, BGBl. I S. 3422 – ERJuKoG) auf das automatisierte Abrufverfahren erweitert, indem das bis dahin dafür geltende Genehmigungsverfahren durch eine unbeschränkte Zulassung mit Verbotsvorbehalt ersetzt wurde (RegE zum ERJuKoG, BT-Drucks. 14/6855, S. 18 zur Änderung von § 9a HGB aF). Dieser automatisierte Abruf war zwar zunächst noch registrierungs- und gebührenpflichtig. Gleiches galt nach Einführung der zwingend elektronischen Registerführung zum 1. Januar 2007 durch das Gesetz über elektronische Handelsregister und Genossenschaftsregister sowie das Unternehmensregister vom 10. November 2006 (BGBl. I S. 2553 – EHUG) für eine Einsichtnahme in das Handelsregister im Internet über das Registerportal. Die Bekanntmachungen der Registereintragungen, d.h. auch der hier in Rede stehenden Eintragung der personenbezogenen Daten eines GmbH-Geschäftsführers, waren jedoch ebenfalls seit Einführung des zwingend elektronischen Handelsregisters zum1. Januar 2007 für jedermann gebührenfrei und ohne Registrierung über das Bekanntmachungsportal im Internet zugänglich (RegE eines Gesetzes über elektronische Handelsregister und Genossenschaftsregister sowie das Unternehmensregister (EHUG), BT-Drucks. 16/960, S. 1, 34).Das war mithin auch bei der Eintragung und Bekanntmachung des Antragstellers im Jahr 2012 bereits seit mehreren Jahren der Fall. Dass mit dem DiRUG ab 1. August 2022 die Abrufgebühren in Handelsregisterangelegenheiten generell entfallen sind (RegE zum DiRUG, BT-Drucks. 19/28177, S. 2, 4, 93 f., 145), hat demgegenüber keine Erweiterung des Zugangs zu seinen eingetragenen Daten bewirkt.54

(β) Zum anderen wird das in der Offenlegung der Daten über das Internet liegende Gewicht des Eingriffs dadurch relativiert, dass nach § 52 Satz 2 HRV technisch sicherzustellen ist, dass keine gezielte Suche nach natürlichen Personen möglich ist, und die Einsicht von Daten aus dem Handelsregister über das Registerportal auf einzelne Abrufe zu begrenzen ist (§ 9 Abs. 1 Satz 1 HGB, § 52 Satz 2 HRV), wodurch – entsprechend Art. 5 Abs. 1 Buchst. fDS-GVO und Erwägungsgrund 111 Satz 2 und 3 DS-GVO – ein Massenabruf von Registerdaten und deren zweckwidrige Weiterverarbeitung verhindert werden sollen (Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz zum DiRUG, BT-Drucks. 19/30523, S. 100).55

(bbb) Demgegenüber würde das mit der Datenverarbeitung verfolgte Ziel, die Sicherheit, Lauterkeit und Leichtigkeit des Rechtsverkehrs im kaufmännischen und gesellschaftlichen Bereich zu gewährleisten, sowohl bei vollständiger Entfernung der Daten aus dem Handelsregister als auch bei einer Beschränkung des Zugangs über das Internet gravierend beeinträchtigt. Bei vollständiger Entfernung dieser Daten wäre eine hinreichend gesicherte zuverlässige Identifizierung des Vertreters einer solchen Gesellschaft anhand des Registers überhaupt nicht mehr möglich, bei einer Beschränkung des Zugangs auf Dritte mit berechtigtem Interesse mit zusätzlichem, insbesondere im grenzüberschreitenden Geschäftsverkehr meist erheblichem Aufwand verbunden.56

(ccc) In Anbetracht dessen hat der Normgeber mit der Beschränkung der einzutragenden und offenzulegenden Angaben zur Person eines – wie hier – amtierenden GmbH-Geschäftsführers auf wenige personenbezogene Basisdaten unter Beachtung des Grundsatzes der Datenminimierung (Art. 5 Abs. 1 Buchst. c DS-GVO) und der Gewährleistung der Datensicherheit (Art. 5 Abs. 1 Buchst. f DS-GVO) einen angemessenen Kompromiss zwischen dem Informationsinteresse des Rechtsverkehrs einerseits und dem Geheimhaltungsinteresse der betroffenen Personen andererseits gefunden. Die damit vorgeschriebene Registerpublizität ist quasi der „Preis“, der für den Zugang zum Handelsverkehr, insbesondere in Form einer Gesellschaft mit Haftungsbeschränkung, zu akzeptieren ist (vgl. J. Schmidt, Festschrift Bergmann, 2018, S. 637, 652; siehe auch MünchKommHGB/Fleischer, 5. Aufl., § 106 Rn. 20; Haas/Wöstmann in Röhricht/Graf von Westphalen/Haas/Mock/Wöstmann, HGB, 6. Aufl., § 106 Rn. 11 [jeweils zu § 106 Abs. 2 Nr. 1 HGB]).57

(ddd) Eine andere Beurteilung ergibt sich auch dann nicht, wenn – wie vom Antragsteller geltend gemacht – aufgrund des Gegenstands der Gesellschaft tätigkeitsbedingt eine allgemein erhöhte Gefährdungslage für den Geschäftsführer bestehen sollte.58

Die vom Antragsteller insoweit angeführte Befürchtung, aufgrund seines beruflichen Umgangs mit explosiven Stoffen der Gefahr einer Entführung oder eines Raubes ausgesetzt zu sein, kann in vergleichbarer Weise bei einer Vielzahl von anderen beruflichen Tätigkeiten gegeben sein, wie etwa bei beruflichem Umgang mit anderen gefährlichen Stoffen oder mit wertvollen Vermögensgegenständen. Würde man bereits aufgrund der damit generell verbundenen Gefährdung Ausnahmen von der hier in Rede stehenden Verarbeitung von Basisdaten eines GmbH-Geschäftsführers ermöglichen, wäre die im öffentlichen Interesse liegende Publizitäts- und Informationsfunktion des Handelsregisters (auch bei einer „bloßen“ Zugangsbeschränkung) nicht mehr ausreichend gewährleistet.59

Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Offenlegung des Geburtsdatums und Wohnorts durch unbeschränkten Zugang im Internet zu einer relevanten Erhöhung einer berufsbedingt generell bestehenden Gefahrenlage führen würde. Dem Antragsteller ist zwar zuzugeben, dass sich auf diesem Weg ein potenziell unbegrenzter Personenkreis unschwer Kenntnis von den Daten verschaffen und damit eine elektronische Recherche zu der betroffenen Person in EDV-Systemen oder anhand des Wohnorts vor Ort durchführen kann, um ihre Privatanschrift zu ermitteln und ihre privaten Lebensumstände auszuforschen. Dass die unbeschränkte Einsehbarkeit von Geburtsdatum und Wohnort im Handelsregister bisher in dieser Form in erheblicher Weise ausgenutzt worden wäre und sich damit risikoerhöhend ausgewirkt hätte, ist jedoch weder allgemein noch konkret in Bezug auf den Antragsteller festgestellt. Die diesbezügliche Verfahrensrüge des Antragstellers hat der Senat geprüft, aber für nicht durchgreifend befunden (§ 74 Abs. 3 Satz 4 FamFG, § 564 ZPO).60

(eee) Dass die vom Antragsteller angeführten nationalen Regelungen zur Datenverarbeitung im Melderegister und in den Fahrzeugregistern die Möglichkeit von Ausnahmen von der unbeschränkten Offenlegung der erfassten Daten bei besonderen Umständen im konkreten Einzelfall vorsehen (§ 51 BMG, § 41 Abs. 2 StVG), spricht nicht gegen, sondern für die Zulässigkeit der hier in Rede stehenden Datenverarbeitung. Hierzu hat bereits das Beschwerdegericht zutreffend darauf hingewiesen, dass sowohl das Melderegister (§ 3 BMG) als auch das örtliche und das Zentrale Fahrzeugregister (§ 33 Nr. 2 StVG) weitergehende personenbezogene Daten, insbesondere die Anschrift, der erfassten Personen enthalten. Das Gewicht eines mit einer solchen Auskunft, insbesondere der vollständigen Anschrift, verbundenen Eingriffs in die Schutzrechte des Betroffenen ist nicht mit der auf wenige Basisdaten beschränkten Offenlegung der im Handelsregister eingetragenen Daten eines GmbH-Geschäftsführers zu vergleichen. Insgesamt ergibt sich damit ein gestuftes Schutzkonzept, bei dem die aus dem Handelsregister ersichtlichen Basisdaten die Ermittlung weitergehender Daten aus anderen Registern mit entsprechend weitergehenden Schutzvorkehrungen ermöglichen.61

(fff) Dieses Abwägungsergebnis steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union.62

(α) Danach haben bei einer Abwägung der widerstreitenden Interessen im Fall der Offenlegung weniger personenbezogener Daten des Vertretungsorgans einer Kapitalgesellschaft grundsätzlich sowohl die Notwendigkeit, die Interessen Dritter gegenüber diesen Gesellschaften zu schützen und die Rechtssicherheit zu gewährleisten, als auch die Lauterkeit von Handelsgeschäften und damit das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts Vorrang vor den Grundrechten des Betroffenen aus Art. 7 und Art. 8 der Charta (EuGH, Urteil vom 9. März 2017 – C-398/15, ECLI:EU:C:2017:197 = BB 2017, 652 Rn. 57, 60 – Manni [zur Datenschutz-Richtlinie]). Zwar schließt das nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs nicht aus, dass es besondere Situationen gibt, in denen es aus überwiegenden, schutzwürdigen, sich aus dem konkreten Fall ergebenden Gründen ausnahmsweise gerechtfertigt ist, nach Ablauf einer hinreichend langen Frist nach Auflösung der fraglichen Gesellschaft den Zugang zu den im Register eingetragenen personenbezogenen Daten auf Dritte zu beschränken, die ein besonderes Interesse an der Einsichtnahme dieser Daten nachweisen. Abgesehen davon, dass auch danach keine vollständige Entfernung der Daten aus dem Register in Betracht kommt, liegt die endgültige Entscheidung darüber, ob der von der Datenverarbeitung betroffenen Person das Recht einzuräumen ist, eine solche Einzelfallentscheidung zu beantragen, aber beim nationalen Gesetzgeber (EuGH, Urteil vom 9. März 2017 – C-398/15, ECLI:EU:C:2017:197 = BB 2017, 652 Rn. 60 – Manni [unter Verweis auf Art. 14 Abs. 1 Buchst. a der Datenschutz-Richtlinie]).63

(β) Die vom Antragsteller angeführte Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 22. November 2022 zum Zugang der Öffentlichkeit zu Informationen über die wirtschaftlichen Eigentümer von eingetragenen Gesellschaften oder juristischen Personen (EuGH, Urteil vom 22. November 2022 – C-37/20 und C-601/20, ECLI:EU:C:2022:912 = WM 2023, 63 Rn. 87- Luxembourg Business Registers) gibt keinen Anlass zu einer anderen Bewertung.64

Die dortigen Erwägungen des Gerichtshofs, aufgrund derer der Gerichtshof die in Art. 1 Nr. 15 Buchst. c der Fünften Geldwäscherichtlinie (Richtlinie [EU] 2018/843 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2018 zur Änderung der Richtlinie [EU] 2015/849 zur Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems zum Zwecke der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung und zur Änderung der Richtlinien 2009/138/EG und 2013/36/EU [ABl. 2018, L 156 S. 43]) vorgesehene Regelung, nach der die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass die Informationen über die wirtschaftlichen Eigentümer in allen Fällen und für alle Mitglieder der Öffentlichkeit zugänglich sind, für ungültig erklärt hat, sind auf die hier vorzunehmende Abwägung nicht übertragbar. Wie der Gerichtshof klargestellt hat, unterscheiden sich die Vorschriften der Fünften Geldwäscherichtlinie über die öffentliche Zugänglichkeit der Informationen über die wirtschaftlichen Eigentümer von Gesellschaften und anderen juristischen Personen einerseits und die nach der Publizitätsrichtlinie bestehende Pflicht zur Offenlegung der Personalien des Organs einer Kapitalgesellschaft andererseits sowohl hinsichtlich ihrer Zielsetzungen als auch hinsichtlich des Umfangs der erfassten personenbezogenen Daten (EuGH, Urteil vom 22. November 2022 – C-37/20 und C-601/20, ECLI:EU:C:2022:912 = WM 2023, 63 Rn. 87- Luxembourg Business Registers; J. Schmidt, BB 2023, 1859, 1874; Wachter, GmbHR 2023, 593, 597). Die Offenlegung der zur Identifizierung des Vertretungsorgans erforderlichen Daten bezweckt die Information der gesamten Öffentlichkeit, während die mit der Transparenz der wirtschaftlichen Eigentümer intendierte Verhütung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung vorrangig den Behörden und bestimmten Einrichtungen obliegt und damit keine Offenlegung in allen Fällen für alle Mitglieder der Öffentlichkeit erfordert (vgl. EuGH, Urteil vom 22. November 2022 – C-37/20 und C-601/20, ECLI:EU:C:2022:912 = WM 2023, 63 Rn. 83 – Luxembourg Business Registers). Überdies waren bei der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs nicht nur wenige personenbezogene Basisdaten betroffen, sondern Informationen, anhand derer sich ein je nach Ausgestaltung des nationalen Rechts mehr oder weniger umfassendes Profil mit bestimmten persönlichen Identifizierungsdaten, der Vermögenslage des Betroffenen sowie den Wirtschaftssektoren, Ländern und spezifischen Unternehmen, in die er investiert hat, erstellen ließ (EuGH, Urteil vom22. November 2022 – C-37/20 und C-601/20, ECLI:EU:C:2022:912 = WM 2023, 63 Rn. 41 – Luxembourg Business Registers).65

(ggg) Ob in besonderen Ausnahmefällen, etwa bei Nachweis konkreter Gefahren für Leib und Leben, eine andere Beurteilung oder evtl. einschränkende Auslegung der rechtlichen Vorgaben geboten sein könnte (vgl. etwa MünchKommHGB/Fleischer, 5. Aufl., § 106 Rn. 20: ausnahmsweise Angabe eines anderen spezifischen Identifikationsmerkmals statt des Wohnorts), bedarf hier keiner Entscheidung.66

Wie oben ausgeführt sind keine Anhaltspunkte für eine konkrete Gefährdung des Antragstellers festgestellt. Dass für ihn nach seinem Vortrag im Melderegister eine Auskunftssperre (§ 51 BMG) und in den Fahrzeugregistern eine Übermittlungssperre (§ 41 Abs. 2 StVG) eingetragen ist, reicht dafür, wie oben dargelegt, nicht aus, weil diese Register deutlich weitgehendere Daten des Antragstellers, insbesondere seine vollständige Anschrift, enthalten, mit deren Offenlegung folglich auch ein Eingriff von anderem Gewicht bzw. mit größerem Gefährdungspotential verbunden ist. Entgegen der Darstellung des Antragstellers hat auch das Bundesverwaltungsgericht in der den Antragsteller betreffenden Entscheidung über die Anordnung einer Übermittlungssperre gemäß § 41 Abs. 2 StVG nicht ausgeführt, dass sein Geburtsdatum und sein Wohnort gesperrt werden müssten, sondern es hat auf die vom dortigen Berufungsgericht angenommene Gefährdung des Antragstellers durch die Angabe seiner „Halterdaten, also insbesondere seines Namens, seiner Anschrift und der seinen Fahrzeugen zugeteilten Kennzeichen“ abgestellt.67

(3) Eine Abwägung im Lichte der Grundrechte des Grundgesetzes führt zu keinem anderen Ergebnis.68

Die Verarbeitung von Geburtsdatum und Wohnort des Antragstellers durch das Registergericht greift zwar in das Grundrecht des Antragstellers auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) ein, dessen Schutz sich auch auf Basisdaten wie Geburtsdatum und Wohnort erstreckt (vgl. BVerfGE 65, 1, 41 f.; 128, 1, 44; BVerfG, NJW 2008, 1435 Rn. 18).69

Dieser Eingriff ist jedoch verfassungsrechtlich gerechtfertigt (allgemein zum Handelsregister: BeckOGK HGB/Beurskens, Stand: 15.4.2023, § 9 Rn. 7; Schaub in Ebenroth/Boujong, HGB, 4. Aufl., § 9 Rn. 2; Staub/Koch/Harnos, HGB, 6. Aufl., § 9 Rn. 4; Ries in Röhricht/Graf von Westphalen/Haas/ Mock/Wöstmann, HGB, 6. Aufl., § 9 Rn. 1; Roth/Stelmaszczyk in Koller/Kindler/ Drüen, HGB, 10. Aufl., § 9 Rn. 1). Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ist nicht schrankenlos gewährleistet. Der Einzelne muss vielmehr Einschränkungen dieses Rechts hinnehmen, die im überwiegenden Interesse anderer oder der Allgemeinheit liegen. Diese Beschränkungen bedürfen einer verfassungsmäßigen gesetzlichen Grundlage, die insbesondere dem Grundsatz der VerhältnismäßigkeitBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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genügen muss (BVerfGE 65, 1, 43 f.; 128, 1, 46; BVerfG, NJW 2008, 1435 Rn. 21).70

Diesen Anforderungen halten § 10 Abs. 1 Satz 1 GmbHG, § 43 Nr. 4 Satz 1 Buchst. b HRV sowie § 9 Abs. 1, § 10 Abs. 2 HGB stand. Insoweit kann auf die obigen Ausführungen verwiesen werden. Auch bei Anwendung nationaler Beurteilungsmaßstäbe enthalten diese Vorschriften eine hinreichend bestimmte gesetzliche Grundlage und sind die daraus folgenden Einschränkungen in das Recht des Antragstellers durch ein überwiegendes öffentliches Interesse gerechtfertigt. Umstände, die Anlass zu einer anderen Beurteilung geben würden, sind weder allgemein noch konkret im Fall des Antragstellers ersichtlich.71

b) Ein Anspruch des Antragstellers auf Entfernung der Angabe seines Geburtsdatums und seines Wohnorts aus seiner Eintragung als GmbH-Geschäftsführer im Handelsregister aus nationalem Recht besteht ebenfalls nicht.72

Ungeachtet der Frage, ob und ggf. inwieweit im Anwendungsbereich der Datenschutz-Grundverordnung in Anbetracht des in Erwägungsgrund 9 und 10 der Verordnung angestrebten Ziels eines gleichmäßigen Datenschutzniveaus überhaupt auf Ansprüche aus dem nationalen Recht zurückgegriffen werden könnte (vgl. dazu etwa Lüttringhaus in Gebauer/Wiedmann, Europäisches Zivilrecht, 3. Aufl., Kap. 30 Rn. 82 ff.; BGH, Beschluss vom 26. September 2023 – VI ZR 97/22, WM 2023, 2096), wären die Voraussetzungen der hier in Betracht kommenden Ansprüche aus § 1004 Abs. 1 Satz 2 analog, § 823 Abs. 1, § 839 BGB, Art. 2 Abs. 1 GG auf Folgenbeseitigung und/oder künftige Unterlassung (vgl. BGH, Urteil vom 19. Mai 1981 – VI ZR 273/79, BGHZ 80, 311, 319; Urteil vom 17. Dezember 1985 – VI ZR 244/84, NJW 1986, 2505, 2506; Urteil vom 15. September 2015 – VI ZR 175/14, BGHZ 206, 347 Rn. 17 f., 28; BVerwGE 69, 366, 370; 82, 76, 95; 105, 288) nicht erfüllt. Die verfahrensgegenständliche Datenverarbeitung ist, wie oben ausgeführt, nicht rechtswidrig, sondern erfolgt im Rahmen verfassungs- und unionsrechtlich unbedenklicher rechtlicher Verpflichtungen des Registergerichts. Das gilt auch für die Anwendung dieser Verpflichtungen im Fall des Antragstellers; eine einschränkende Auslegung dieser Regelungen ist daher auch insoweit nicht geboten.73

2. Im Ergebnis zu Recht hat das Beschwerdegericht auch den hilfsweisen Anspruch des Antragstellers auf Beschränkung der Offenlegung seines Geburtsdatums und Wohnorts dahingehend, dass eine Übermittlung an Dritte erst nach einer Interessenabwägung erfolgt, verneint.74

a) Ein Recht auf Einschränkung der Verarbeitung aus Art. 18 Abs. 1 und 2 oder aus Art. 21 Abs. 1 Satz 2 DS-GVO steht dem Antragsteller nicht zu.75

aa) Die in Art. 18 Abs. 1 Buchst. a bis c DS-GVO genannten Einschränkungsgründe liegen nicht vor. Der Antragsteller hat die Richtigkeit der eingetragenen Daten nicht bestritten, die Verarbeitung der betroffenen Daten ist nicht unrechtmäßig und die Daten werden für die Zwecke ihrer Verarbeitung durch das Registergericht weiter benötigt.76

bb) Der Antragsteller kann auch keine Einschränkung der Verarbeitung nach Art. 18 Abs. 1 Buchst. d oder Art. 21 Abs. 1 Satz 2 DS-GVO wegen des von ihm erhobenen Widerspruchs verlangen, weil bereits die Voraussetzungen eines Widerspruchrechts gemäß Art. 21 Abs. 1 Satz 1 DS-GVO nicht erfüllt sind.77

Ein Widerspruchsrecht gemäß Art. 21 Abs. 1 Satz 1 DS-GVO besteht nicht, wenn die Datenverarbeitung – wie hier – aufgrund von Art. 6 Abs. 1 Buchst. c DS-GVO zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung des Verantwortlichen erfolgt. Das gilt auch dann, wenn die Verarbeitung zugleich nach Art. 6 Abs. 1 Buchst. e DS-GVO erlaubt wäre (LSG Darmstadt, RDV 2020, 95, 96; Gierschmann/Assion/Nolte/Veil, DS-GVO, Art. 6 Rn. 95; Heberlein in Ehmann/ Selmayr, DS-GVO, 2. Aufl., Art. 6 Rn. 23; Herbst in Kühling/Buchner,DS-GVO/BDSG, 4. Aufl., Art. 21 DS-GVO Rn. 12; Herbst in Kühling/Buchner, DS-GVO/BDSG, 4. Aufl., § 36 BDSG Rn. 17; Munz in Taeger/Gabel,DS-GVO/BDSG/TTDSG, 4. Aufl., Art. 21 DS-GVO Rn. 10; Kamann/Braun in Ehmann/Selmayr, DS-GVO, 2. Aufl., Art. 21 Rn. 13; Kremer in Laue/Kremer, Das neue Datenschutzrecht in der betrieblichen Praxis, 2. Aufl., § 4 Rn. 76; BeckOK IT-Recht/Steinrötter, Stand: 1.1.2023, Art. 21 DS-GVO Rn. 10; Bieresborn, NZS 2018, 10, 13; im Ergebnis auch Martini in Paal/Pauly,DS-GVO/BDSG, 3. Aufl., Art. 21 DS-GVO Rn. 28, 45a [Ausschluss auf Rechtsfolgenebene]; vgl. auch Gierschmann/Veil, DS-GVO, 1. Aufl., Art. 21 Rn. 27 f.; Brühann in Grabitz/Hilf, Das Recht der Europäischen Union, Stand: Mai 1999, Art. 14 Datenschutz-Richtlinie [A 30] Rn. 6 [zu Art. 14 der Datenschutz-Richtlinie]).78

aaa) Nach Art. 21 Abs. 1 Satz 1 DS-GVO steht der betroffenen Person ein Widerspruchsrecht zu, wenn die Datenverarbeitung nach Art. 6 Abs. 1 Buchst. e (in Wahrnehmung einer Aufgabe, die im öffentlichen Interesse liegt, oder in Ausübung übertragener öffentlicher Gewalt) oder Buchst. f (zur Wahrung berechtigter Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten) erfolgt. Die Regelung gilt ihrem Wortlaut nach nur in Fällen einer Datenverarbeitung aufgrund von Art. 6 Abs. 1 Buchst. e oder f DS-GVO. Anders als die noch in Art. 14 Abs. 1 Buchst. a der Datenschutz-Richtlinie enthaltene Regelung, nach der die Mitgliedstaaten „zumindest“ in den Fällen von Art. 7 Buchst. e und f der Richtlinie (entsprechend Art. 6 Abs. 1 Buchst. e und f DS-GVO) ein Widerspruchsrecht der betroffenen Person anerkannten, enthält die Norm damit keine vergleichbare Öffnung für andere Erlaubnistatbestände des Art. 6 Abs. 1DS-GVO. Dem Wortlaut ist aber auch nicht eindeutig zu entnehmen, dass das Widerspruchsrecht damit auf Fälle beschränkt sein soll, in denen die Verarbeitung ausschließlich durch Art. 6 Abs. 1 Buchst. e oder f DS-GVO legitimiert wird (vgl. Martini in Paal/Pauly, DS-GVO/BDSG, 3. Aufl., Art. 21 DS-GVO Rn. 28).79

bbb) Für eine solche Beschränkung spricht allerdings die Systematik der Datenschutz-Grundverordnung.80

Die Erlaubnistatbestände des Art. 6 Abs. 1 DS-GVO stehen grundsätzlich unabhängig und gleichrangig nebeneinander, d.h. jeder Erlaubnistatbestand nach Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 DS-GVO rechtfertigt die Verarbeitung eigenständig und vollständig (vgl. BeckOK Datenschutzrecht/Albers/Veit, Stand: 1.8.2023, Art. 6 DS-GVO Rn. 24; BeckOK IT-Recht/Borges/Steinrötter, Stand: 1.1.2022, Art. 6 DS-GVO Rn. 6 mwN). Ist die Datenverarbeitung gemäß Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. c DS-GVO zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung erforderlich, braucht daher nicht geprüft zu werden, ob sie auch von Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. e DS-GVO erfasst wäre (EuGH, Urteil vom 1. August 2022 – C-184/20, ECLI:EU:C:2022:601 = RIW 2023, 49 Rn. 71- Vyriausioji tarnybinės etikos komisija; Urteil vom 4. Juli 2023 – C-252/21, ECLI:EU:C:2023:537 = NJW 2023, 2997 = RIW 2023, 516 Rn. 94- Meta Platforms). Diese eigenständige Legitimationswirkung der anderen Erlaubnistatbestände würde entwertet, wenn das Widerspruchsrecht auf in Art. 21 Abs. 1 Satz 1 DS-GVO nicht genannte Tatbestände erstreckt würde (vgl. Martini in Paal/Pauly, DS-GVO/BDSG, 3. Aufl., Art. 21 DS-GVO Rn. 45a aE).81

Das gilt insbesondere bei einer Verarbeitung aufgrund einer rechtlichen Verpflichtung gemäß Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. c DS-GVO, da der Normgeber hier eine für den Verantwortlichen verbindliche Entscheidung über die Recht- bzw. Verhältnismäßigkeit der Verarbeitung getroffen hat. Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. e und f DS-GVO enthalten dagegen Erlaubnistatbestände, in denen die Entscheidung über die Datenverarbeitung im konkreten Fall letztlich dem Verantwortlichen überlassen ist. Würde man in Fällen, in denen die Verarbeitung sowohl aufgrund von Buchst. c als auch von Buchst. e erfolgt, dem Betroffenen ein Widerspruchsrecht einräumen und damit eine Einzelfallbeurteilung des Verantwortlichen ermöglichen, würde die Abwägungsentscheidung des Normgebers unterlaufen.82

ccc) Sinn und Zweck des Art. 21 Abs. 1 DS-GVO sprechen ebenfalls für eine solche Auslegung.83

Nach Erwägungsgrund 69 der DS-GVO soll die betroffene Person auch im Fall einer möglicherweise gemäß Art. 6 Abs. 1 Buchst. e oder f DS-GVO rechtmäßigen Datenverarbeitung die Möglichkeit haben, Widerspruch gegen die Verarbeitung der sich aus ihrer besonderen Situation ergebenden Daten einzulegen, mithin die durch den Verantwortlichen in ihrem Fall getroffene Abwägung der im Einzelfall konkret betroffenen Interessen (Art. 21 Abs. 1 Satz 2 DS-GVO) überprüfen und ggf. korrigieren zu lassen (vgl. Herbst in Kühling/Buchner,DS-GVO/BDSG, 4. Aufl., Art. 21 DS-GVO Rn. 15; Gierschmann/Veil, DS-GVO, Art. 21 Rn. 74). Dafür ist indes kein Raum, wenn die Datenverarbeitung zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung des Verantwortlichen erforderlich ist und der Normgeber die Abwägung damit bereits für den Verantwortlichen verbindlich durchgeführt hat, ohne diesem die Möglichkeit einer Beurteilung unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls einzuräumen (vgl. BeckOKDatenschutzrecht/Forgó, Stand: 1.11.2021, Art. 21 DS-GVO Rn. 16 f.; Gola in Gola/Heckmann, DS-GVO/BDSG, 3. Aufl., § 36 BDSG Rn. 10). Hat der Verantwortliche Zweifel an der Recht- bzw. Verhältnismäßigkeit seiner rechtlichen Verpflichtung, muss er gegen diese auf dem dafür vorgesehenen Weg rechtlich vorgehen, auch wenn diese Zweifel auf datenschutzrechtlichen Erwägungen beruhen (vgl. Schlussanträge der Generalanwältin vom 14. September 2023 – C-115/22, ECLI:EU:C:2023:676, juris Rn. 135 ff.). Die Einräumung eines Widerspruchsrechts nach Art. 21 Abs. 1 DS-GVO kann nicht dazu führen, im Wege einer Einzelfallabwägung durch den Verantwortlichen die vom Normgeber bereits vorgenommene und die Verarbeitung nach Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. c DS-GVO legitimierende Abwägung zu umgehen bzw. zu unterlaufen.84

ddd) Im Übrigen lägen auch keine Gründe vor, die sich aus einer besonderen Situation des Antragstellers im Sinne von Art. 21 Abs. 1 Satz 1 DS-GVO ergeben und seinen Widerspruch in der Sache tragen würden. Nicht zuletzt wegen der Normstruktur des Art. 21 Abs. 1 Satz 2 DS-GVO, die eine Abwägung erfordert, müssen von Seiten der betroffenen Person konkrete Tatsachen zu ihrer besonderen Situation vorgetragen werden, die ausnahmsweise das Unterlassen der Erhebung rechtfertigen sollen (Schulz in Gola/Heckmann, DS-GVO/BDSG, 3. Aufl., Art. 21 Rn. 9 f.). Hieran fehlt es im vorliegenden Fall, da mit dem besonders schützenswerten Informationsinteresse des Rechts- und Handelsverkehrs zwingende schutzwürdige Gründe für die Speicherung und Offenlegung von Geburtsdatum und Wohnort des Antragstellers vorliegen, die auch unter Berücksichtigung der von ihm geltend gemachten generellen berufsbedingten Gefährdungslage seine schutzwürdigen Interessen, Rechte und Freiheiten überwiegen.85

b) Aus nationalem Recht ergibt sich ebenfalls kein Anspruch des Antragstellers auf die begehrte Einschränkung des Zugangs zur Angabe seines Geburtsdatums und seines Wohnorts durch Vorschaltung einer Interessenabwägung.86

Die Beschränkung des Widerspruchsrechts in Art. 21 Abs. 1 Satz 1DS-GVO auf die dort genannten Fälle des Art. 6 Abs. 1 Buchst. e und fDS-GVO enthält eine abschließende Harmonisierung. Anders als in Art. 14 Buchst. a der Datenschutz-Richtlinie („zumindest in den Fällen“) wird den Mitgliedstaaten in Art. 21 Abs. 1 DS-GVO nicht mehr die Möglichkeit eingeräumt, den Anwendungsbereich des Widerspruchsrechts über die genannten Fälle hinaus zu erweitern (vgl. Kamann/Braun in Ehmann/Selmayr, DS-GVO, 2. Aufl., Art. 21 Rn. 15). Ein Rückgriff auf nationale Regelungen ist damit ausgeschlossen.87

Zudem bestünde kein entsprechender Anspruch des Antragstellers aus nationalem Recht, weil die Eintragung und Offenlegung seines Geburtsdatums und Wohnorts im uneingeschränkt abrufbaren Registerordner rechtlich vorgegeben ist und, wie ausgeführt, weder im Allgemeinen noch konkret im Fall des Antragstellers europa- oder verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet.88

IV. Ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union nach Art. 267 Abs. 3 AEUV ist nicht veranlasst. Die Anwendung des Unionsrechts auf den vorliegenden Fall wirft keine Auslegungsfragen auf, die nicht schon aus sich heraus klar oder durch die zitierte Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union hinreichend geklärt sind (vgl. EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982 – C-283/81, ECLI:EU:C:1982:335 = NJW 1983, 1257 Rn. 14, 16, 21 – C.I.L.F.I.T. u.a.).89

Letzteres gilt insbesondere für die Kriterien und Maßstäbe der Auslegung und Anwendung von Art. 17 Abs. 3 Buchst. b Fall 1, Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. c, Abs. 3 und Art. 21 Abs. 1 DS-GVO sowie der Unionsgrundrechte. Die Feststellung, ob die Datenverarbeitung zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung im Sinne von Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. c DS-GVO erforderlich ist, ist zudem in erster Linie Sache der nationalen Gerichte (Urteil vom 4. Juli 2023 – C-252/21, ECLI:EU:C:2023:537 = NJW 2023, 2997 = RIW 2023, 516 Rn. 96- Meta Platforms). Dasselbe gilt für die erforderliche Abwägung der betroffenen Rechte und Interessen unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls (vgl. EuGH, Urteil vom 17. Juni 2021 – C-597/19, ECLI:EU:C:2021:492 = GRUR 2021, 1067 Rn. 111 – M.I.C.M.; Urteil vom 4. Juli 2023 – C-252/21, ECLI:EU:C:2023:537 = NJW 2023, 2997 = RIW 2023, 516 Rn. 110- Meta Platforms; BVerfGE 152, 216 Rn. 137 ff. – Recht auf Vergessen II). Die Auslegung von Art. 21 Abs. 1 Satz 1 DS-GVO, wonach ein Widerspruchsrecht nicht in Betracht kommt, wenn die Datenverarbeitung auch gemäß Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. c DS-GVO zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung erforderlich ist, ist angesichts des Wortlauts, der klaren Systematik der Vorschrift und ihres Sinns und Zwecks von vornherein eindeutig (acte clair, vgl. EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982 – C-283/81, Slg. 1982, 3415 Rn. 16 = NJW 1983, 1257 f. – C.I.L.F.I.T.). Überdies wäre ein Widerspruch des Antragstellers gemäß Art. 21 Abs. 1 Satz 2 DS-GVO auch unbegründet.90

Die von der Rechtsbeschwerde für vorlagepflichtig erachteten Fragen, welche Grenzen den Mitgliedstaaten bei Gesetzgebungsmaßnahmen (hier § 10a Abs. 3 HGB) durch Art. 23 DS-GVO insbesondere in Bezug auf die erforderliche Normierung der Garantien gegen Missbrauch gezogen sind, wenn sie das Widerspruchsrecht der Betroffenen aus Gründen des Schutzes sonstiger wichtiger Ziele des allgemeinen öffentlichen Interesses ausschließen wollen, und ob der Ausschluss des Widerspruchsrechts durch gesetzgeberische Maßnahmen der Mitgliedstaaten auch bei Gefahren für Leib und Leben des Betroffenen von Art. 23 DS-GVO gedeckt ist, stellen sich damit nicht.

Löffler I www.K1.de I www.gesellschaftsrechtskanzlei.com I Gesellschaftsrecht I GmbH-Recht I Gesellschafterstreit I Erfurt I Thüringen I Sachsen I Sachsen-Anhalt I Hessen I Deutschland 2024

Schlagworte: Anmeldung Handelsregister, DS-GVO Geschäftsführer, Handelsregister, Löschung Geburtsdatum, Löschung Wohnort

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BGH, Urteil vom 9. Januar 2024 – II ZR 65/23

Dienstag, 9. Januar 2024

Kaduzierungsverfahren

GmbHG §§ 21, 24 Satz 1

1. Die Verjährung des Anspruchs der Gesellschaft auf Leistung der Einlagen vor Beginn des Kaduzierungsverfahrens schließt die Säumnis des Gesellschafters im Sinn des § 21 GmbHG aus, ohne dass dieser die Verjährungseinrede erheben muss.

2. Eine Einlageforderung, auf die das Kaduzierungsverfahren nicht gestützt werden kann, weil sie bereits vor Einleitung des Kaduzierungsverfahrens verjährt war, wird von der Ausfallhaftung nach § 24 Satz 1 GmbHG nicht erfasst.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des14. Zivilsenats des Kammergerichts vom 8. Juli 2022 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens trägt der Kläger.

Von Rechts wegen

Tatbestand

Der Kläger ist Verwalter im Insolvenzverfahren über das Vermögen der E.                         GmbH (im Folgenden: Schuldnerin), das am 29. Juni 2016 eröffnet wurde.2

Die Schuldnerin wurde am 13. Juli 2007 gegründet. Die am selben Tag gegründete E.                  Holding GmbH (im Folgenden: E.   Holding) übernahm einen Geschäftsanteil zum Nennbetrag von 22.500 €, die Beklagte einen zum Nennbetrag von 2.500 €. Die Einlagen waren gemäß § 5 Nr. 2 der Satzung in Geld zu erbringen, und zwar zu 1/2 sofort. Die E.  Holding überwies am 27. August und 28. September 2007 jeweils 11.250 € an die Schuldnerin. Am 22. Oktober 2007 überwies die Schuldnerin ihr 25.000 €. Im Jahr 2012 übernahm die E.  Holding den Geschäftsanteil der Beklagten. Die E.  Holding wurde am 5. Februar 2016 im Handelsregister gelöscht, nachdem ein Eigeninsolvenzantrag im Jahr 2013 mangels Masse abgelehnt worden war.3

Der Kläger führte im Jahr 2017 ein Kaduzierungsverfahren gemäß § 21 GmbHG gegen die E.  Holding durch. Dazu beantragte er am 17. Februar 2017 die Bestellung eines Nachtragsliquidators für die E.  Holding, den das Amtsgericht am 19. Juli 2017 bestellte. Mit Schreiben vom 20. Juli 2017 forderte der Kläger die E.  Holding, vertreten durch den Nachtragsliquidator, vergeblich zur Zahlung ihrer nach seiner Auffassung rückständigen Einlage in Höhe von 22.500 € binnen eines Monats auf. Mit Schreiben vom 23. August 2017 erklärte der Kläger die E.  Holding ihres Geschäftsanteils an der Schuldnerin für verlustig. Mit Schreiben vom 5. Dezember 2017 forderte der Kläger die Beklagte im Wege der Ausfallhaftung vergeblich zur Zahlung der hälftigen Einlage der E.  Holding auf.4

Der Kläger verlangt von der Beklagten gemäß § 24 Satz 1 GmbHG die Zahlung von 11.250 € nebst Prozesszinsen. Die Beklagte hat sich auf die Verjährung der Einlageforderung gegenüber der E.   Holding berufen. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht die Klage abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Klageanträge weiter.

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers hat keinen Erfolg.

I.

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung, ausgeführt:7

Es könne offenbleiben, ob die E.  Holding ihren Geschäftsanteil nicht voll eingezahlt habe, weil, wie der Kläger behaupte, die Einlageleistung aufgrund einer Vorabsprache durch Hin- und Herzahlen zurückgeflossen sei. Jedenfalls sei der Anspruch der Schuldnerin gegen die E.  Holding auf Zahlung der ersten Hälfte ihrer Einlageverpflichtung mit Ablauf des 13. Juli 2017 und damit vor Einleitung des Kaduzierungsverfahrens verjährt gewesen. Die zehnjährige Verjährungsfrist des § 19 Abs. 6 Satz 1 GmbHG beginne mit Fälligkeit des Einlageanspruchs zu laufen, hier am 14. Juli 2007 nach Gründung der Schuldnerin und der E.  Holding am 13. Juli 2007. Denn gemäß § 5 Nr. 2 des Gesellschaftsvertrags der Schuldnerin sei die Einlage in bar und zur Hälfte sofort zu erbringen gewesen. Die Zahlungen der E.   Holding vom August und September 2007 hätten die Verjährungsfrist nicht gemäß § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB neu in Gang gesetzt. Auch beim Hin- und Herzahlen richte sich die Verjährung nach der ursprünglichen Fälligkeit. Die Einleitung des Kaduzierungsverfahrens hemme die Verjährung nicht, so dass es nicht darauf ankomme, dass das Amtsgericht den Nachtragsliquidator erst fünf Monate nach Antragstellung durch den Kläger bestellt habe. Das Kaduzierungsverfahren selbst habe erst nach Eintritt der Verjährung begonnen.8

Zwar habe sich der Nachtragsliquidator für die E.  Holding nicht auf die Verjährungseinrede berufen. Im Ausfallhaftungsprozess könne aber der Gesellschafter analog § 768 BGB wie ein Bürge die Verjährung des gegen den kaduzierten Mitgesellschafter geltend gemachten Anspruchs seiner Inanspruchnahme entgegenhalten. Die Erhebung der Verjährungseinrede durch die Beklagte sei nicht gemäß § 242 BGB ausgeschlossen.

II.

Die Revision des Klägers ist unbegründet. Das Berufungsgericht hat zu Recht auf die Berufung der Beklagten die Klage auf Zahlung der hälftigen Einlage gemäß § 24 Satz 1 GmbHG abgewiesen.10

1. Revisionsrechtlich ist zugunsten des Klägers zu unterstellen, dass die E.  Holding ihre Einlageverpflichtung nicht erfüllt hat. Das Berufungsgericht hat offengelassen, ob die Zahlungen über jeweils 11.250 € im August und September 2007 wegen eines Hin- und Herzahlens mangels Einhaltung der Voraussetzungen des § 19 Abs. 5 GmbHG, § 3 Abs. 4 Satz 1 EGGmbHG nicht schuldbefreiend wirkten.11

2. Die Voraussetzungen einer Ausfallhaftung der Beklagten liegen nicht vor. Zwar haftet die Beklagte grundsätzlich gemäß § 24 Satz 1 GmbHG, weil sie bei Eintritt der FälligkeitBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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Fälligkeit
der hälftigen Einlageforderung gegen die E.  Holding Gesellschafterin der Schuldnerin war (BGH, Urteil vom 13. Mai 1996 – II ZR 275/94, BGHZ 132, 390, 394; Urteil vom 18. September 2018 – II ZR 312/16, BGHZ 219, 327 Rn. 13 f.). Bei Einleitung des Kaduzierungsverfahrens war der Anspruch der Schuldnerin gegen die E.  Holding auf die hälftige Einlageforderung jedoch bereits verjährt. Die Verjährung des Anspruchs der Gesellschaft auf Leistung der Einlagen vor Beginn des Kaduzierungsverfahrens schließt die Säumnis des Gesellschafters im Sinn des § 21 GmbHG aus, ohne dass dieser die Verjährungseinrede erheben muss. Eine Einlageforderung, auf die das Kaduzierungsverfahren nicht gestützt werden kann, weil sie bereits vor Einleitung des Kaduzierungsverfahrens verjährt war, wird von der Ausfallhaftung nach § 24 Satz 1 GmbHG nicht erfasst. Ob die weiteren Voraussetzungen einer subsidiären Ausfallhaftung nach § 24 Satz 1 GmbHG vorliegen (vgl. BGH, Urteil vom 18. September 2018 – II ZR 312/16, BGHZ 219, 327 Rn. 43), kann daher dahinstehen. Im Einzelnen:12

a) Die zehnjährige Verjährungsfrist des § 19 Abs. 6 Satz 1 GmbHG hinsichtlich des klageweise geltend gemachten hälftigen Teils der Einlage begann am 14. Juli 2007 zu laufen.13

aa) Der Anspruch der Gesellschaft auf Leistung der Einlage verjährt gemäß § 19 Abs. 6 Satz 1 GmbHG in zehn Jahren von seiner Entstehung an. Ein Anspruch ist entstanden, sobald er erstmals vom Gläubiger geltend gemacht und mit einer Klage durchgesetzt werden kann. Das setzt grundsätzlich die Fälligkeit des Anspruchs voraus (BGH, Urteil vom 18. September 2018 – II ZR 312/16, BGHZ 219, 327 Rn. 66). Bestimmt die Satzung den Leistungstermin für die Einlage, bedarf es zur Herbeiführung der Fälligkeit weder eines Einforderungsbeschlusses noch der Anforderung durch den Geschäftsführer (BGH, Urteil vom 29. Juni 1961 – II ZR 39/60, WM 1961, 855; Urteil vom 15. April 1991 – II ZR 209/90, ZIP 1991, 724, 726).14

Ausgehend von diesen Grundsätzen und dem übereinstimmenden Parteivortrag folgend hat das Berufungsgericht zutreffend festgestellt, dass der Anspruch auf die Einlagerate, deretwegen die Beklagte im Wege der Ausfallhaftung in Anspruch genommen wird, mit Abschluss des Gesellschaftsvertrags der Schuldnerin am 13. Juli 2007 entstanden und zugleich fällig geworden ist. Denn nach § 5 Nr. 2 des Gesellschaftsvertrags war die Einlage in hälftiger Höhe sofort einzuzahlen. Die Verjährung begann mit dem auf den Fälligkeitszeitpunkt folgenden Tag (§ 187 Abs. 1 BGB), mithin am 14. Juli 2007.15

bb) Entgegen der Auffassung der Revision begann die Verjährung des Anspruchs auf Einlageleistung nicht erst mit der unterstellten Rückzahlung der hälftigen Einlage an die E.  Holding am 22. Oktober 2007.16

Im Einklang mit dem Klägervortrag ist zu unterstellen, dass die Schuldnerin und die E.  Holding ein Hin- und Herzahlen vorab vereinbart haben, ohne dabei die Voraussetzungen des § 19 Abs. 5 GmbHG zu beachten. Wenn ein Hin- und Herzahlen vorliegt, nämlich eine Einlageleistung vereinbart wird, die wirtschaftlich der Rückzahlung der Einlage entspricht und die nicht als verdeckte SacheinlageBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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nach § 19 Abs. 4 GmbHG zu beurteilen ist, wird der Inferent grundsätzlich nicht von seiner Einlageverpflichtung frei (§ 19 Abs. 5 Satz 1 GmbHG). Die erfolgte Leistung hat keine Erfüllungswirkung und die Bareinlagepflicht besteht in vollem Umfang weiter (BGH, Urteil vom 20. Juli 2009 – II ZR 273/07, BGHZ 182, 103 Rn. 14 – Cash-Pool II). Fehlt es damit an einer Leistungsbefreiung der E.  Holding, beginnt auch die Verjährung konsequenterweise bereits mit der Fälligkeit des Anspruchs (vgl. Altmeppen, GmbHG, 11. Aufl., § 19 Rn. 156; Saenger in Saenger/Inhester, GmbHG, 4. Aufl., § 19 Rn. 132).17

b) Der Anspruch auf die hälftige Einlage verjährte gemäß § 19 Abs. 6 Satz 1 GmbHG, § 188 Abs. 2 BGB mit Ablauf des 13. Juli 2017. Weder hat die Verjährung erneut begonnen noch ist sie gehemmt worden.18

aa) Die Verjährung hat mit den Zahlungen der E.  Holding an die Schuldnerin aus August und September 2007 nicht neu begonnen, wie das Berufungsgericht zutreffend ausführt.19

Der Zahlung der E.  Holding kam mangels Beachtung der Voraussetzungen des § 19 Abs. 5 GmbHG nicht nur keine schuldbefreiende Wirkung zu, darin lag auch entgegen der Auffassung der Revision kein Schuldanerkenntnis gemäß § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB, das die Verjährung neu in Gang gesetzt hätte. Für ein Anerkenntnis genügt zwar jedes, auch ein rein tatsächliches, Verhalten des Schuldners oder auch seines Prozessbevollmächtigten gegenüber dem Gläubiger, aus dem sich das Bewusstsein vom Bestehen des Anspruchs, wenigstens dem Grunde nach, unzweideutig ergibt und das deswegen das Vertrauen des Gläubigers begründet, dass sich der Schuldner nicht nach Ablauf der Verjährungsfrist alsbald auf Verjährung berufen werde (BGH, Urteil vom 24. Januar 2019 – IX ZR 233/17, MDR 2019, 355 Rn. 15 mwN). Ein Hin- und Herzahlen setzt aber eine Absprache mit dem Gläubiger, hier der Schuldnerin, voraus (vgl. BGH, Urteil vom 10. Dezember 2007 – II ZR 180/06, BGHZ 174, 370 Rn. 7 mwN), so dass die Bildung von Vertrauen von vornherein ausgeschlossen ist.20

bb) Die Verjährung war nicht im Zeitraum zwischen den Zahlungen vom 27. August und 28. September 2007 an die Schuldnerin und vom 22. Oktober 2007 an die E.   Holding gemäß § 205 BGB gehemmt. Die E.  Holding war nicht, auch nicht nur vorübergehend, zur Verweigerung der Leistung berechtigt, da ihre Zahlung, wie bereits ausgeführt, nicht schuldbefreiend gewirkt hat.21

cc) Dass der Kläger den Antrag auf Bestellung eines Nachtragsliquidators gegen die bereits im Handelsregister gelöschte E.  Holding in unverjährter Zeit am 17. Februar 2017 gestellt hat, erfüllt ebenso wenig einen Hemmungstatbestand; insbesondere scheidet eine Hemmung der VerjährungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Hemmung
Hemmung der Verjährung
Verjährung
wegen höherer Gewalt gemäß § 206 BGB aus (BGH, Urteil vom 14. Dezember 1970 – II ZR 161/68, WM 1971, 350, 351 zu § 203 Abs. 2 BGB aF und zu § 206 BGB aF).22

c) Bereits der Eintritt der Verjährung hinderte die Säumnis der E.  Holding im Sinn des § 21 Abs. 1 Satz 1 GmbHG, ohne dass es auf die Erhebung der Verjährungseinrede durch den Nachtragsliquidator ankommt.23

Zwar hat der Eintritt der Verjährung für sich genommen weder Auswirkungen auf das Bestehen noch auf die Durchsetzbarkeit einer Forderung (vgl. BGH, Urteil vom 27. Januar 2010 – VIII ZR 58/09, BGHZ 184, 128 Rn. 27 mwN). Zudem muss sich der Schuldner im Rechtsstreit auf die Verjährungseinrede berufen, um seine Verurteilung zur Leistung zu verhindern (vgl. nur BGH, Urteil vom27. Januar 2010 – VIII ZR 58/09, BGHZ 184, 128 Rn. 27 mwN; Grüneberg/Ellenberger, BGB, 83. Aufl., § 214 Rn. 2, 4 mwN; a.A. BeckOGK BGB/Bach, Stand: 1.12.2023, § 214 Rn. 8 ff.). Ungeachtet dessen kann aber bereits die Vollendung der Verjährung als solche Rechtswirkung entfalten (vgl. für den Schuldnerverzug BGH, Urteil vom 24. Januar 1961 – VIII ZR 98/59, BGHZ 34, 191, 197; Urteil vom 12. Juli 1967 – VIII ZR 180/65, BGHZ 48, 249, 250; aber offen gelassen im Urteil vom 16. März 1988 – VIII ZR 184/87, BGHZ 104, 6, 11 f. und im Urteil vom 18. Januar 1991 – V ZR 11/90, BGHZ 113, 232, 236; Grüneberg/Grüneberg, BGB, 83. Aufl., § 286 Rn. 10; MünchKommBGB/Ernst, 9. Aufl., § 286 Rn. 32 mwN; a.A. BeckOGK BGB/Dornis, Stand: 1.10.2022, § 286 Rn. 117 ff.). So liegt es hier. Ist der Anspruch auf Leistung der Einlage verjährt, steht dem Schuldner ein dauerhaftes Leistungsverweigerungsrecht gemäß § 214 Abs. 1 BGB zu. Die für eine Kaduzierung erforderliche Säumnis fehlt, weil die Nichtleistung auf die verjährte Einlageforderung nicht mehr rechtswidrig ist (vgl. Altmeppen, DB 2002, 514, 516 Fn. 19; Scholz/Emmerich, GmbHG, 13. Aufl., § 21 Rn. 11, 18; Lutterbeck in Ensthaler/Füller, GmbHG, 3. Aufl., § 21 Rn. 6; MünchHdbGesR III/Gummert, 6. Aufl., § 50 Rn. 185; BeckOK GmbHG/Jaeger, Stand: 1.8.2023, § 21 Rn. 8, 12; Thiessen, ZHR 168 (2004), 503, 522).24

d) Eine Einlageforderung, auf die das Kaduzierungsverfahren nicht gestützt werden kann, weil sie bereits vor Einleitung des Kaduzierungsverfahrens verjährt war, wird von der Ausfallhaftung nach § 24 Satz 1 GmbHG nicht erfasst (vgl. Ebbing in Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt, GmbHG, 4. Aufl., § 24 Rn. 10). Die nur subsidiäre HaftungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Haftung
subsidiäre Haftung
des Ausfallschuldners erfasst ausschließlich die Einlagepflichten, für die eine Kaduzierung in Betracht kommt (vgl. Leuschner in Habersack/Casper/Löbbe, GmbHG, 3. Aufl., § 24 Rn. 15).25

e) Entgegen der Auffassung der Revision ist es der Beklagten auch nicht gemäß § 242 BGB nach Treu und Glauben verwehrt, sich auf die Verjährung zu berufen. Zwar muss der Bürge einen im Verhalten des Hauptschuldners gegenüber dem Gläubiger begründeten Arglisteinwand gegen sich gelten lassen (BGH, Urteil vom 12. März 1980 – VIII ZR 115/79, BGHZ 76, 222, 231). Ob dies auf die Ausfallhaftung gemäß § 24 GmbHG zu übertragen ist, muss nicht entschieden werden. Dass die E.  Holding den Kläger treuwidrig von einer Klageerhebung abgehalten hat und deswegen der hälftige Einlageanspruch verjährt ist, zeigt die Revision nicht auf. Die in diesem Zusammenhang erhobenen Verfahrensrügen hat der Senat geprüft und erachtet sie nicht für durchgreifend (§ 564 Satz 1 ZPO).

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BGH, Urteil vom 9. Januar 2024 – II ZR 220/22

Dienstag, 9. Januar 2024

missbrauch Vertretungsmacht

HGB § 15 Abs. 1

1. Die Berufung auf die fehlende Eintragung einer eintragungspflichtigen Tatsache ist dem Dritten gemäß § 15 Abs. 1 HGB nur dann verwehrt, wenn er positive Kenntnis von der einzutragenden Tatsache hat; ein Kennenmüssen oder eine grob fahrlässige Unkenntnis genügen demgegenüber nicht.

2. Die Grundsätze des Missbrauchs der Vertretungsmacht gelten auch im Anwendungsbereich des Rechtsscheintatbestands des § 15 Abs. 1 HGB.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 2. Zivilsenats des Kammergerichts vom 8. September 2022 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

Die Klägerin ist eine GmbH mit einem Stammkapital von 25.000 €. Ihre Mehrheitsgesellschafterin, die C.                                GmbH, hielt hieran einen Geschäftsanteil mit einem Nennbetrag von 16.250 €, die weitere Gesellschafterin, die B.      GmbH & Co. KGBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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GmbH & Co. KG
KG
, war mit einem Geschäftsanteil mit einem Nennbetrag von 8.750 € an ihr beteiligt. Gegenstand des Unternehmens der Klägerin ist „die Projektentwicklung im Bauhaupt- und Nebengewerk, Grundstücksvermittlung, Bauplanung- und Bauüberwachung, der Wohnungs- und Geschäftshausbau, Bauleistungen für Industrie und Industrieanlagen, Beratungsleistungen im Bauhaupt- und Nebengewerk und alle damit im Zusammenhang stehenden Geschäfte sowie der Erwerb, die Entwicklung, Vermietung, Verwaltung und der Verkauf von Grundstücken und der Betrieb gleichartiger oder ähnlicher Unternehmen (…)“.2

Im Jahr 2015 erwarb die Klägerin das bebaute Grundstück K.                                 in B.       und teilte dieses in 30 Gewerbe- und Wohneinheiten auf. Das Grundstück stellte den einzigen wesentlichen Vermögensgegenstand der Klägerin dar.3

Der Geschäftsführer der Klägerin D.               erklärte 2017 in einer als „Letter of guarantee“ überschriebenen Urkunde gegenüber der Mehrheitsgesellschafterin, er werde keine Veräußerung, Belastung, vertragliche Bindung oder Vermögensschmälerung ohne Zustimmung der GesellschafterversammlungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Gesellschafterversammlung
Zustimmung
Zustimmung der Gesellschafterversammlung
der Klägerin vornehmen. Anfang 2018 betrieb die Mehrheitsgesellschafterin D.                   Abberufung als Geschäftsführer sowie die Einziehung des GeschäftsanteilsBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Einziehung
Einziehung des Geschäftsanteils
Geschäftsanteils
der Minderheitsgesellschafterin und verhandelte mit D.             über die Veräußerung des Grundstücks. In einem Vereinbarungsentwurf war ein Verkaufspreis von 16 Mio. € vorgesehen, von dem mindestens 9 Mio. € an die Mehrheitsgesellschafterin fließen sollten.4

Auf einer von der Mehrheitsgesellschafterin auf den 14. Juni 2018 einberufenen Gesellschafterversammlung der Klägerin stimmte jene gegen die Stimmen der Minderheitsgesellschafterin, die Einberufungsmängel geltend machte, für die Abberufung des GeschäftsführersBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Abberufung
Abberufung des Geschäftsführers
D.              aus wichtigem Grund. Der Versammlungsleiter stellte im Anschluss das Zustandekommen des Beschlusses fest.5

Am 16. Juni 2018 verkaufte die Klägerin, vertreten durch D.            , sämtliche Gewerbeeinheiten und Eigentumswohnungen an die Beklagte zu einem Kaufpreis von 12,2 Mio. €. Zugunsten der Beklagten wurden Auflassungsvormerkungen ins Grundbuch eingetragen.6

Das Landgericht hat die Klage auf Zustimmung zur Löschung der Auflassungsvormerkungen abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist erfolglos geblieben. Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin die Verurteilung der Beklagten zur Zustimmung zur Löschung der Vormerkungen weiter.

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.8

I. Das Berufungsgericht (KG, NZG 2023, 413 ff.) hat, soweit für das Revisionsverfahren von Interesse, im Wesentlichen ausgeführt:9

Die Klägerin sei bei der Beurkundung des Grundstückskaufvertrags wirksam durch ihren Geschäftsführer D.              vertreten worden. Der auf der Gesellschafterversammlung der Klägerin vom 14. Juni 2018 gefasste Abberufungsbeschluss stehe seiner fortbestehenden organschaftlichen Vertretungsmacht nicht entgegen, weil der Beschluss nichtig und die Abberufung damit wirkungslos sei. Der Mehrheitsgesellschafterin habe nämlich kein Selbsthilferecht zur Einberufung der GesellschafterversammlungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Einberufung
Einberufung der Gesellschafterversammlung
Gesellschafterversammlung
gemäß § 50 Abs. 3 GmbHG zugestanden, nachdem der Geschäftsführer dem Verlangen der Mehrheitsgesellschafterin Rechnung getragen und seinerseits eine Versammlung einberufen habe. Dass die Einberufung durch den Geschäftsführer unter Formfehlern gelitten habe, sei für die Frage nach dem Bestand des Selbsthilferechts ebenso unerheblich wie der Umstand, dass der Geschäftsführer die von ihm einberufene Versammlung später abgesetzt habe.10

Jedenfalls habe sich die Beklagte gemäß § 15 Abs. 1 HGB auf den Rechtsschein der fortwährenden Eintragung D.             als Geschäftsführer der Klägerin im Handelsregister berufen können. Die Beklagte sei nicht bösgläubig gewesen. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme lasse sich nämlich schon eine Kenntnis der Beklagten von der Existenz des Abberufungsbeschlusses nicht feststellen. Selbst wenn man zugunsten der Klägerin unterstelle, der Beklagten sei die Abberufung D.             mitgeteilt worden, begründe dies keine Bösgläubigkeit, weil die Wirksamkeit der Abberufung streitig und der Verlust des Geschäftsführeramts im Zeitpunkt der Beurkundung noch nicht im Handelsregister eingetragen gewesen sei.11

Ebenso wenig ergebe sich aus der Anwendung der Grundsätze des Missbrauchs der Vertretungsmacht die Unwirksamkeit des Kaufvertrags: Zwar hätte es entgegen der Ansicht des Landgerichts im Innenverhältnis eines Zustimmungsbeschlusses der Gesellschafter der Klägerin bedurft. Doch habe die Klägerin nicht den Nachweis geführt, dass der Beklagten die Notwendigkeit eines solchen Gesellschafterbeschlusses bekannt gewesen wäre oder sich ihr hätte aufdrängen müssen. Gegen einen evidenten Missbrauch der VertretungsmachtBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Missbrauch der Vertretungsmacht
Vertretungsmacht
spreche insbesondere, dass der beurkundende Notar sowie ein bei der Beurkundungsverhandlung anwesender Rechtsanwalt im Verlaufe der Beurkundung übereinstimmend zur Einschätzung gelangt seien, das Fehlen eines Gesellschafterbeschlusses sei unschädlich. Auf diese Unbedenklichkeitserklärung habe sich die Beklagte verlassen dürfen. Dies gelte selbst dann, wenn sie gewusst oder es sich ihr hätte aufdrängen müssen, dass die Mehrheitsgesellschafterin mit dem Geschäft nicht einverstanden gewesen sei, was sich indes schon nicht feststellen lasse. Die Gesamtumstände der Anbahnung und Durchführung der Beurkundung geböten keine andere Bewertung.12

Der Kaufvertrag sei auch nicht aus anderen Gründen unwirksam. Mangels rechtlicher Einheit könne die Nichtbeurkundung etwaiger Provisionsabreden nicht zu einer Formnichtigkeit des Grundstücksgeschäfts führen. Eine Sittenwidrigkeit liege ebenfalls nicht vor.13

II. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Nachprüfung nicht in allen Punkten stand. Mit der gegebenen Begründung kann die Abweisung der Klage keinen Bestand haben.14

1. Wie das Berufungsgericht im Ergebnis zutreffend ausführt, kommt allerdings ein Anspruch der Klägerin auf Zustimmung zur Löschung der Auflassungsvormerkung wegen Unwirksamkeit des Kaufvertrags über das Grundstück am K.                                   in entsprechender Anwendung des § 179a AktG nicht in Betracht, weil § 179a AktG auf die GmbH nicht analog anwendbar ist (vgl. BGH, Urteil vom 8. Januar 2019 – II ZR 364/18, BGHZ 220, 354 Rn. 9 ff). Die Gesellschafter der GmbH bedürfen nicht des systemfremden Schutzes des § 179a AktG, weil sie, verglichen mit Aktionären, in deutlich größerem Umfang vermittels ihrer Mitwirkungs-, Kontroll- und Informationsrechte auf die Geschäftsleitung Einfluss nehmen können. Im Hinblick auf die hieraus folgende geringere Schutzbedürftigkeit der Gesellschafter einer GmbH vor Alleingängen des Geschäftsführers ist die systemfremde Beschränkung der Vertretungsmacht des Geschäftsführers mit Außenwirkung und die damit einhergehende Beeinträchtigung des redlichen Rechtsverkehrs, mit der Rechtsunsicherheit hervorgerufen und Haftungsrisiken geschaffen werden, nicht gerechtfertigt (vgl. BGH, Urteil vom 8. Januar 2019 – II ZR 364/18, BGHZ 220, 354 Rn. 14).15

2. Zwar hat der Geschäftsführer D.          bei der Beurkundung des Kaufvertrags entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts tatsächlich nicht mehr über organschaftliche Vertretungsmacht verfügt (dazu unten a)). Gleichwohl muss sich die Klägerin gemäß § 15 Abs. 1 HGB so behandeln lassen, als habe die Vertretungsmacht beim Vertragsschluss noch fortbestanden (dazu unten b)).16

a) Im Zeitpunkt der Beurkundung war D.              nicht mehr vertretungsberechtigt im Sinne des § 35 Abs. 1 Satz 1 GmbHG, weil seine Bestellung als Geschäftsführer auf der Gesellschafterversammlung am 14. Juni 2018 wirksam widerrufen worden war (§ 38 Abs. 1 GmbHG). Die Abberufung des GeschäftsführersBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Abberufung
Abberufung des Geschäftsführers
bleibt zwar ohne Wirkung, wenn der ihr zugrunde liegende Beschluss der Gesellschafterversammlung nichtig ist (hierzu Belz in Rowedder/Pentz, GmbHG, 7. Aufl., § 38 Rn. 21; Paefgen in Habersack/Casper/Löbbe, GmbHG, 3. Aufl., § 38 Rn. 194). Dies ist hier aber entgegen der Annahme des Berufungsgerichts nicht der Fall.17

Eine Beschlussnichtigkeit wäre in entsprechender Anwendung der § 121 Abs. 2, § 241 Nr. 1 AktG zwar anzunehmen, wenn die Versammlung von einer hierzu nicht berechtigten Person einberufen worden wäre (BGH, Urteil vom 8. November 2016 ­ II ZR 304/15, BGHZ 212, 342 Rn. 13), etwa weil die Voraussetzungen des Selbsthilferechts des Gesellschafters für die Einberufung nach § 50 Abs. 3 GmbHG nicht vorgelegen hätten (vgl. BGH, Urteil vom 16. Dezember 1953 – II ZR 167/52, BGHZ 11, 231, 236 f.; Urteil vom 7. Februar 1983- II ZR 14/82, BGHZ 87, 1, 3; Urteil vom 28. Januar 1985 – II ZR 79/84, WM 1985, 567, 568; Urteil vom 15. Juni 1998 – II ZR 318/96, BGHZ 139, 89, 94). Allerdings beruht die Annahme des Berufungsgerichts, der Mehrheitsgesellschafterin habe hinsichtlich der Gesellschafterversammlung vom 14. Juni 2018 kein Einberufungsrecht zugestanden, auf einem Rechtsfehler. Die Mehrheitsgesellschafterin war zur Einberufung der Versammlung befugt, weil die Voraussetzungen des Selbsthilferechts nach § 50 Abs. 3 Satz 1 Fall 1 GmbHG vorlagen.18

aa) Nach dieser Vorschrift kann ein Gesellschafter, der, wie die Klägerin, mindestens 10 von Hundert des Stammkapitals der GmbH hält, die Einberufung einer Gesellschafterversammlung selbst bewirken, wenn seinem Verlangen auf Einberufung nach § 50 Abs. 1 GmbHG zuvor nicht entsprochen wurde. Dies ist anzunehmen, wenn dem Verlangen überhaupt nicht, nicht rechtzeitig, nicht vollständig oder nicht ordnungsgemäß nachgekommen wurde (vgl. BGH, Urteil vom 7. Februar 1983 – II ZR 14/82, BGHZ 87, 1, 2; Urteil vom 28. Januar 1985 – II ZR 79/84, WM 1985, 567, 568; Hüffer/Schäfer in Habersack/Casper/Löbbe, GmbHG, 3. Aufl., § 50 Rn. 21; Römermann in Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt, GmbHG, 4. Aufl., § 50 Rn. 127 ff.; Scholz/Seibt, GmbHG, 12. Aufl., § 50 Rn. 23; Teichmann in Gehrlein/Born/Simon, GmbHG, 6. Aufl., § 50 Rn. 12). Letzteres war hier der Fall. Im Zeitpunkt der Einberufung der GesellschafterversammlungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Einberufung
Einberufung der Gesellschafterversammlung
Gesellschafterversammlung
durch die Mehrheitsgesellschafterin am 14. Juni 2018 war der Geschäftsführer der Klägerin diesem Einberufungsverlangen noch nicht nachgekommen.19

(1) Die Mehrheitsgesellschafterin richtete am 16. April 2018 an den zur Einberufung befugten Geschäftsführer der Klägerin (§ 49 Abs. 1 GmbHG) ein Verlangen unter Angabe des Zwecks und der Gründe der Versammlung.20

(2) Dem Verlangen kam der Geschäftsführer nicht in ordnungsgemäßer Art und Weise nach.21

Die vom Geschäftsführer veranlasste Einberufung zur Gesellschafterversammlung am 28. Mai 2018 genügte nämlich mangels Unterschrift nicht der erforderlichen Schriftform und war daher formell fehlerhaft. Dieser Einberufungsfehler hatte wiederum zur Folge, dass auf der Versammlung gefasste Beschlüsse entsprechend § 241 Nr. 1 AktG nichtig gewesen wären (hierzu BGH, Urteil vom 17. Oktober 1988 – II ZR 18/88, ZIP 1989, 634, 636; Beschluss vom 24. März 2016 – IX ZB 32/15, NZG 2016, 552 Rn. 21). Die Annahme des Berufungsgerichts, dieser Formmangel in der Einberufung stehe einer gehörigen Erfüllung des Verlangens nicht entgegen, weil die Minderheitsgesellschafterin erklärt habe, sich auf Formfehler nicht zu berufen, greift zu kurz. Denn ein solcher Verzicht ist zwar auch im Vorfeld der Versammlung möglich (Altmeppen, GmbHG, 11. Aufl., § 51 Rn. 23; Hüffer/Schäfer in Habersack/Casper/Löbbe, GmbHG, 3. Aufl., § 51 Rn. 34; MünchKommGmbHG/Liebscher, 4. Aufl., § 51 Rn. 67), kann aber bis zur Beschlussfassung frei widerrufen werden (Noack in Noack/Servatius/Haas, GmbHG, 23. Aufl., § 51 Rn. 29; BeckOK GmbHG/Schindler, Stand: 1.8.2023, § 51 Rn. 65). Daher vermag ein vor der Versammlung erklärter Verzicht der übrigen Gesellschafter die durch den Einberufungsfehler des Geschäftsführers bedingte Gefahr der Beschlussunwirksamkeit nicht zu beseitigen.22

Dass der Geschäftsführer, wie das Berufungsgericht meint, sein eigenes Versäumnis der Mehrheitsgesellschafterin nicht hätte „entgegenhalten“ dürfen, ist für die Frage der ordnungsgemäßen Anspruchserfüllung ebenfalls unerheblich. Denn für die aus Sicht der Mehrheitsgesellschafterin entscheidende Frage nach der Wirksamkeit der auf der Versammlung zu fassenden Beschlüsse spielt dieser Gesichtspunkt erkennbar keine Rolle.23

Die Mehrheitsgesellschafterin war hier auch nicht gehalten, nach der fehlerhaften Einberufung ein zweites Verlangen an den Geschäftsführer zu richten. Beruft der Geschäftsführer die Versammlung nicht ordnungsgemäß ein, so darf der Gesellschafter sein Selbsthilferecht vielmehr sogleich ausüben, ohne dass er den Geschäftsführer zuvor um Nachbesserung der Einberufung ersuchen muss (Rauch/Schnüttgen, Die Gesellschafterversammlung der GmbH, 2012, Rn. 163). Eine entsprechende Pflicht des Gesellschafters gegenüber dem Geschäftsführer findet im Gesetz schon keine Stütze. Hinzu kommt, dass dem Gesellschafter die mit einem zweiten Verlangen verbundene Verzögerung nicht zuzumuten ist, zumal die Geschäftsführung auf diese Weise die Einberufung durch fehlerhafte Ladungen verzögern könnte.24

bb) Das Selbsthilferecht der Mehrheitsgesellschafterin war bei der Einberufung auf den 14. Juni 2018 auch nicht verbraucht. Zwar hat die Mehrheitsgesellschafterin zunächst auf eine Versammlung am 15. Mai 2018 geladen. Auf dieser konnten mangels Beschlussfähigkeit infolge Nichterscheinens der Minderheitsgesellschafterin keine Beschlüsse gefasst werden (vgl. § 6 Nr. 6 der Satzung). In diesem Fall tritt kein Verbrauch ein. Das Selbsthilferecht ist erst verbraucht, wenn die Gesellschafterversammlung sich mit den mit der Einberufung mitgeteilten Beschlussgegenständen befasst hat (vgl. zur aktienrechtlichen Parallelvorschrift des § 122 Abs. 3 AktG BGH, Beschluss vom 8.  Mai 2012 – II ZB 17/11, NZG 2012, 793 Rn. 8, Urteil vom 30. Juni 2015 – II ZR 142/14, BGHZ 206, 143 Rn. 27; Urteil vom 10. Oktober 2017 – II ZR 375/15, BGHZ 216, 110 Rn. 68; Urteil vom 14. Juli 2020 – II ZR 255/18, BGHZ 226, 224 Rn. 21).25

b) Allerdings muss sich die Klägerin so behandeln lassen, als bestehe die Vertretungsmacht D.            fort. Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, dass sich die Beklagte auf § 15 Abs. 1 HGB berufen kann.26

aa) Die Abberufung des GeschäftsführersBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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ist nach § 39 Abs. 1 Fall 2 GmbHG zur Eintragung in das HandelsregisterBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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anzumelden und dort einzutragen. Solange die Eintragung nicht erfolgt ist, wird der Rechtsverkehr durch § 15 Abs. 1 HGB geschützt (vgl. BGH, Urteil vom 20. Dezember 1982 – II ZR 110/82, BGHZ 86, 177, 182 f.; Urteil vom 1. Juli 1991 – II ZR 292/90, BGHZ 115, 78, 80; Urteil vom 14. Mai 2019 – II ZR 299/17, BGHZ 222, 32 Rn. 34).27

bb) Ob die Annahme des Berufungsgerichts, bereits die von der Klägerin behauptete Kenntnis der Beklagten von der Existenz des in seiner Wirksamkeit streitigen Abberufungsbeschlusses sei nicht bewiesen, den Angriffen der Revision standhält, vor allem, ob das Berufungsgericht diese Feststellung hätte treffen dürfen, ohne den Zeugen D.           erneut zu vernehmen (§ 398 Abs. 1 ZPO), kann hier auf sich beruhen. Denn die Beklagte verlöre, wie das Berufungsgericht in seiner Alternativbegründung mit Recht angenommen hat, auch im Fall unterstellter Kenntnis des Abberufungsbeschlusses nicht den Schutz des § 15 Abs. 1 HGB. Die Würdigung des Berufungsgerichts, der Hinweis D.            auf diesbezügliche Meinungsverschiedenheiten gegenüber der Beklagten im Verbund mit seiner Einschätzung, die Abberufung sei unwirksam, schlösse ihre Kenntnis von der Tatsache der Abberufung im Sinne von § 15 Abs. 1 HGB aus, verkennt weder den Begriff der Kenntnis noch begegnet die tatrichterliche Würdigung der festgestellten Umstände des Einzelfalls revisionsrechtlichen Bedenken.28

(1) Die Berufung auf die fehlende Eintragung einer eintragungspflichtigen Tatsache ist dem Dritten gemäß § 15 Abs. 1 HGB nur dann verwehrt, wenn er positive Kenntnis von der einzutragenden Tatsache, hier also der wirksamen Abberufung, hat. Ein Kennenmüssen oder eine grob fahrlässige Unkenntnis genügen demgegenüber nicht (RGZ 144, 199, 204; OLG OldenburgBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG Oldenburg
, ZIP 2011, 175, 176; Gehrlein in Ebenroth/Boujong, HGB, 5. Aufl., § 15 Rn. 12; Koch/Harnos in: Staub Handelsgesetzbuch Großkommentar, 6. Aufl., § 15 HGB Rn. 59; MünchKommHGB/Krebs, 5. Aufl., § 15 Rn. 50; Hopt/Merkt, HGB, 42. Aufl., § 15 Rn. 7; BeckOK HGB/Müther, Stand: 1.7.2023, § 15 Rn. 13; Oetker/Preuß, HGB, 8. Aufl., § 15 Rn. 23; Ries in Röhricht/Graf von Westphalen/Haas/Mock/Wöstmann, HGB, 6. Aufl., § 15 Rn. 16; Roth/Stelmaszczyk in Koller/Kindler/ Roth/Drüen, HGB, 10. Aufl., § 15 Rn. 12; BeckOGK HGB/Schaal, Stand: 15.9.2019, § 15 Rn. 51; Schall in Heidel/Schall, 4. Aufl., HGB § 15 Rn. 35).29

Dabei unterliegt die tatrichterliche Beurteilung (§ 286 ZPO), ob eine Partei positive Kenntnis von einer eintragungspflichtigen Tatsache hat oder ihr nur der Vorwurf grob fahrlässiger Unkenntnis zu machen ist, der Nachprüfung durch das Revisionsgericht nur dahin, ob der Streitstoff umfassend, widerspruchsfrei und ohne Verstoß gegen Denk- und Erfahrungssätze gewürdigt worden ist (vgl. BGH, Urteil vom 20. März 2001 – XI ZR 157/00, ZIP 2001, 781, 782, in BGHZ 147, 145 insoweit nicht abgedruckt; vgl. auch Urteil vom 17. Juni 2016 – V ZR 134/15, NJW 2017, 248 Rn. 11; Urteil vom 26. Februar 2013 – XI ZR 498/11, BGHZ 196, 233 Rn. 32; Urteil vom 10. Februar 2022 – VII ZR 396/21, MDR 2022, 558 Rn. 22). Unter Berücksichtigung dieses Prüfungsmaßstabs hält die Alternativbegründung des Berufungsgerichts der revisionsrechtlichen Nachprüfung stand.30

(2) Die Revision lässt den Kern der Alternativbegründung des Berufungsgerichts außer Acht, wonach zwischen der Kenntnis vom Abberufungsbeschluss und der Kenntnis von der wirksamen Abberufung zu differenzieren ist. Das Berufungsgericht geht insbesondere zutreffend davon aus, dass es nicht darauf ankommt, ob im Zeitpunkt der Beurkundung der Willenserklärung eines in Wahrheit abberufenen, jedoch fortwährend in das Handelsregister eingetragenen Geschäftsführers bereits eine noch mögliche Beschlussmängelklage gegen einen umstrittenen Abberufungsbeschluss anhängig war (vgl. OLG OldenburgBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG Oldenburg
, ZIP 2011, 175, 176) oder, wie hier, eine solche erst später erhoben wurde. Entscheidend ist vielmehr, ob die erlangte Kenntnis der Umstände im Einzelfall geeignet ist, zwingend positive Kenntnis der Unrichtigkeit der Eintragung zu vermitteln, was die Klägerin zu beweisen hätte. Dies hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei verneint. Zweifel an der Wirksamkeit der kundgemachten Abberufung, die eine Kenntnis von der wirksamen Abberufung ausschließen, können schon daraus resultieren, dass sich der abberufene Geschäftsführer gerichtlich gegen die Abberufung wehrt oder mitteilt, sich zur Wehr setzen zu wollen, gleichviel, ob er dies später tut oder unterlässt. Aber auch die Kenntnis des Dritten von zwischen den Gesellschaftern bestehenden Meinungsverschiedenheiten über die Wirksamkeit der Abberufung, die typischerweise, und so auch hier, eine Beschlussmängelklage nach sich ziehen, vermag die Aussagekraft der erlangten Information über den Abberufungsbeschluss bereits entscheidend zu entwerten, so dass die erlangte Information nicht für sich genommen zur Annahme der Bösgläubigkeit des auf den fortwährenden Handelsregistereintrag Vertrauenden zwingt (vgl. Pätzold/Oberstadt, EWiR 2023, 394, 395). Gerade im hier zu beurteilenden Fall kann es schon deswegen nicht entscheidend auf das Vertrauen in einen schwebenden Prozess ankommen, weil zwischen der Beschlussfassung über die Abberufung und der Beurkundung nur zwei Tage lagen.31

(3) Soweit die Revision meint, jeder redlich, vom eigenen Vorteil unbeeinflusst Denkende wisse, dass die Abberufung eines Geschäftsführers einer GmbH nur der einfachen Mehrheit bedürfe (§ 47 Abs. 1 GmbHG), ein Mehrheitsgesellschafter also stets in der Lage sei, die Abberufung gegen den Willen des Minderheitsgesellschafters herbeizuführen, weshalb Meinungsverschiedenheiten mit einem Minderheitsgesellschafter nicht geeignet seien, die Tatsache der Abberufung zu widerlegen, zeigt sie keinen revisiblen Rechtsfehler auf. Unschädlich ist ein Wissen von Umständen, die die Schlussfolgerung auf eine Tatsache zwar zulassen, aber wegen der Möglichkeit einer anderen gesellschaftsvertraglichen Gestaltung nicht gebieten (vgl. RGZ 144, 199, 204; Gehrlein in Ebenroth/Boujong, HGB, 5. Aufl., § 15 Rn. 12; BeckOGK HGB/Schaal, Stand: 15.9.2019, § 15 Rn. 52). Die Satzung kann jedenfalls für die Abberufung des GeschäftsführersBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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Abberufung des Geschäftsführers
ohne wichtigen Grund ein höheres Quorum als die einfache Mehrheit vorsehen (vgl. BGH, Urteil vom 20. Dezember 1982 – II ZR 110/82, BGHZ 86, 177, 179; Urteil vom 17. Oktober 1983 – II ZR 31/83, WM 1984, 29; Beurskens in Noack/Servatius/Haas, GmbHG, 23. Aufl., § 38 Rn. 35; BeckOGK GmbHG/ Dubovitskaya, Stand: 1.10.2023, § 38 Rn. 157; Kleindiek in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 21. Aufl., § 38 Rn. 6; Terlau in Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt, GmbHG, 4. Aufl., § 38 Rn. 20, 57 f.). Daher zöge allein das Wissen der Beklagten darum, dass die Mehrheitsgesellschafterin hinter seiner, D.            Abberufung gestanden und für sie gestimmt hatte, nicht notwendig und zwingend die Erkenntnis nach sich, der Beschluss sei mit der erforderlichen Stimmenmehrheit gefasst worden.32

cc) Für den abstrakten Vertrauensschutz des § 15 Abs. 1 HGB kommt es entgegen der Revision schließlich nicht darauf an, wieviel Zeit zwischen dem Entstehen der eintragungspflichtigen Tatsache (hier: der Abberufung) und dem rechtsgeschäftlichen Vorgang (hier: der Beurkundung) liegt. Die Kürze des Zeitraums ist nicht geeignet, abweichend vom allgemeinen Grundsatz, dass § 15 Abs. 1 HGB keine Nachforschungen gebietet (zu letzterem RGZ 144, 199, 204; Gehrlein in Ebenroth/Boujong, HGB, 5. Aufl., § 15 Rn. 12; Staub/Koch/Harnos, HGB, 6. Aufl., § 15 Rn. 59), ausnahmsweise Erkundigungsobliegenheiten auszulösen. Der Dritte ist selbst bei Kenntnis vom Abberufungsbeschluss nicht zu eigenen weiteren Nachforschungen angehalten (vgl. RGZ 144, 199, 204; OLG OldenburgBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG Oldenburg
, ZIP 2011, 175, 176; Pätzold/Oberstadt, EWiR 2023, 394, 395; Staub/Koch/Harnos, HGB, 6. Aufl., § 15 Rn. 59). Es oblag der Beklagten daher nicht, die vom Geschäftsführer D.           geäußerten Zweifel an der Wirksamkeit der Abberufung einer Überprüfung zu unterziehen, etwa indem sie D.         zu einer näheren Darlegung der im Raum stehenden Beschlussmängel hätte auffordern müssen.33

3. Einer rechtlichen Prüfung nicht stand hält allerdings die Annahme des Berufungsgerichts, ein Missbrauch der VertretungsmachtBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Missbrauch der Vertretungsmacht
Vertretungsmacht
lasse sich nicht feststellen. Zwar hat das Berufungsgericht zu Recht angenommen, dass der ehemalige Geschäftsführer der Klägerin mit dem Abschluss des Grundstückskaufvertrags ohne Gesellschafterbeschluss die im Innenverhältnis bestehenden Grenzen seiner nach § 15 Abs. 1 HGB als fortbestehend anzusehenden Vertretungsmacht missachtet hat; die weitere Annahme des Berufungsgerichts, die Missachtung dieser Grenzen schlage hier nach den Umständen des Falls nicht auf das Außenverhältnis durch, beruht indes auf einem Rechtsfehler.34

a) Die Geschäftsführer vertreten die Gesellschaft nach § 35 Abs. 1 Satz 1 GmbHG gerichtlich und außergerichtlich. Diese Vertretungsmacht ist grundsätzlich unbeschränkt und unbeschränkbar (§ 37 Abs. 2 GmbHG). Schranken ergeben sich aber – auch mit Wirkung gegenüber Dritten (§ 242 BGB) – aus den Grundsätzen des Missbrauchs der Vertretungsmacht (vgl. BGH, Beschluss vom 10. April 2006 – II ZR 337/05, ZIP 2006, 1391 Rn. 2; Urteil vom 9. Januar 2019 – II ZR 364/18, BGHZ 220, 354 Rn. 40; Altmeppen, GmbHG, 11. Aufl., § 37 Rn. 40; Buck-Heeb in Gehrlein/Born/Simon, GmbHG, 6. Aufl., § 37 Rn. 35;Kleindiek in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 21. Aufl., § 35 Rn. 22; Lenz in Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt, GmbHG, 4. Aufl., § 37 Rn. 41; Scholz/Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider, GmbHG, 12. Aufl., § 35 Rn. 187; MünchKommGmbHG/Stephan/Tieves, 4. Aufl., § 37 Rn. 182).35

aa) Handelt der Vertreter im Rahmen seiner Vertretungsmacht, führt dies grundsätzlich zu einer rechtsgeschäftlichen Bindung des Vertretenen. Das Risiko einer missbräuchlichen Verwendung der Vertretungsmacht hat grundsätzlich der Vertretene zu tragen. Die Missachtung von Regeln und Weisungen, die sich aus dem Innenverhältnis des Vertreters zum Vertretenen ergeben, wirkt sich erst dann im Außenverhältnis aus, wenn die Grenzen des rechtlich Tragbaren überschritten werden (BGH, Urteil vom 29. Oktober 2020 – IX ZR 212/19, WM 2020, 2287 Rn. 9). Das Vertrauen des Geschäftsgegners in den Bestand des Geschäfts ist nicht schutzwürdig, wenn er weiß oder wenn es sich ihm geradezu aufdrängen muss, dass der Vertreter seine Vertretungsmacht missbraucht. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn Vertreter und Geschäftsgegner bewusst zum Nachteil des VertretenenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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zum Nachteil des Vertretenen
zusammenwirken oder wenn der Missbrauch der VertretungsmachtBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Missbrauch der Vertretungsmacht
Vertretungsmacht
dem Geschäftsgegner bekannt ist oder wegen Evidenz des Missbrauchs hätte bekannt sein müssen (BGH, Beschluss vom 10. April 2006 – II ZR 337/05, ZIP 2006, 1391 Rn. 2; Urteil vom 9. Januar 2019 – II ZR 364/18, BGHZ 220, 354 Rn. 40). Der Vertretene ist gegen einen erkennbaren Missbrauch der VertretungsmachtBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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Vertretungsmacht
im Verhältnis zum Vertragspartner dann geschützt, wenn der Vertreter von seiner Vertretungsmacht in ersichtlich verdächtiger Weise Gebrauch gemacht hat, so dass beim Vertragspartner begründete Zweifel bestehen mussten, ob nicht ein Treueverstoß des Vertreters gegenüber dem Vertretenen vorliege. Notwendig ist dabei eine massive Verdachtsmomente voraussetzende objektive Evidenz des Missbrauchs. Die objektive Evidenz ist insbesondere dann gegeben, wenn sich nach den gegebenen Umständen die Notwendigkeit einer Rückfrage des Geschäftsgegners bei dem Vertretenen geradezu aufdrängt (BGH, Urteil vom 11. Mai 2017 – IX ZR 238/15, WM 2018, 391 Rn. 20). In einem solchen Fall des Missbrauchs der Vertretungsmacht kann der Geschäftsgegner aus dem formal durch die Vertretungsmacht gedeckten Geschäft keine vertraglichen Rechte herleiten (BGH, Urteil vom 9. Januar 2019 – II ZR 364/18, BGHZ 220, 354 Rn. 40).36

bb) Die Grundsätze des Missbrauchs der Vertretungsmacht gelten auch im Anwendungsbereich des Rechtsscheintatbestands des § 15 Abs. 1 HGB. Die Rechtsscheinregeln bewirken, dass sich derjenige, der den Rechtsschein zurechenbar gesetzt hat, dem gutgläubigen Dritten gegenüber, der sich bei seinem geschäftlichen Verhalten auf den Rechtsschein verlassen hat, nicht auf die wahre Rechtslage berufen kann. Aus Rechtsscheingrundsätzen können indes keine weitergehenden Rechte hergeleitet werden, als sie bestünden, wenn der Rechtsschein zuträfe (BGH, Urteil vom 20. Januar 1954 – II ZR 155/52, BGHZ 12, 105, 110; Urteil vom 11. März 1955 – I ZR 82/53, BGHZ 17, 13, 17; Urteil vom 31. Juli 2012 – X ZR 154/11, WM 2013, 1142 Rn. 20).37

b) Das Berufungsgericht ist im Ergebnis noch zutreffend davon ausgegangen, dass D.          als Geschäftsführer nach den Umständen des vorliegenden Falls dazu verpflichtet gewesen wäre, vor Abschluss des Kaufvertrags mit der Beklagten einen zustimmenden Gesellschafterbeschluss herbeizuführen. Das hat er nicht getan und damit die im Innenverhältnis maßgeblichen Grenzen seiner nach Rechtsscheingrundsätzen als fortbestehend fingierten organschaftlichen Vertretungsmacht überschritten.38

aa) Die Notwendigkeit eines Zustimmungsbeschlusses ergab sich zwar nicht aus dem gegenüber der Mehrheitsgesellschafterin abgegebenen „Letter of guarantee“ vom 23. Oktober 2017. Die hierin enthaltene Selbstverpflichtung D.          vermag schon deshalb nicht mit konstitutiver Wirkung einen Zustimmungsvorbehalt zugunsten der Gesellschafterversammlung zu begründen, weil § 37 Abs. 1 GmbHG für Beschränkungen der Befugnisse des Geschäftsführers korporationsrechtliche Anordnungen durch Satzung oder Gesellschafterbeschluss verlangt und einseitige Erklärungen des Geschäftsführers gegenüber einem einzelnen Gesellschafter nicht genügen lässt. Anders mag der hier nicht gegebene Fall einer Erklärung des Geschäftsführers gegenüber sämtlichen Gesellschaftern zu beurteilen sein, soweit im Einzelfall die Entgegennahme durch die Gesellschafter als konkludente Beschlussweisung auslegt werden kann.39

bb) Die Zustimmungsbedürftigkeit des Grundstücksgeschäfts folgte, wie das Berufungsgericht zu Recht angenommen hat, aus § 49 Abs. 2 GmbHG, auch wenn die weitere Annahme des Berufungsgerichts, die Rechtslage sei insoweit im Zeitpunkt der Beurkundung umstritten gewesen, nicht zutrifft. Dem Geschäftsführer einer GmbH kommt, vorbehaltlich gesetzlicher Pflichten, Geschäftsführungsbefugnis nur dann und insoweit zu, als die Gesellschafterversammlung von ihrer Geschäftsführungskompetenz weder durch Regelung im Gesellschaftsvertrag noch durch Beschlussweisung an den Geschäftsführer Gebrauch macht (BGH, Urteil vom 9. Januar 2019 – II ZR 364/18, BGHZ 220, 354 Rn. 37;Altmeppen, GmbHG, 11. Aufl., § 37 Rn. 3; MünchKommGmbHG/Stephan/Tieves, 4. Aufl., § 37 Rn. 69 , 115 ff.; Wicke, GmbHG, 4. Aufl., § 37 Rn. 4;Eschwey, MittBayNot 2018, 299, 308 f.). Namentlich ist der Geschäftsführer bei besonders bedeutsamen Geschäften angehalten, die Zustimmung der GesellschafterversammlungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Gesellschafterversammlung
Zustimmung
Zustimmung der Gesellschafterversammlung
von sich aus einzuholen, § 49 Abs. 2 GmbHG (BGH, Urteil vom 29. März 1973 – II ZR 139/70, WM 1973, 510, 511; Urteil vom 5. Dezember 1983 – II ZR 56/82, ZIP 1984, 310, 311; Urteil vom 25. Februar 1991- II ZR 76/90, ZIP 1991, 509, 510 f.; Urteil vom 30. Mai 2005 – II ZR 236/03, DStR 2005, 1066; Urteil vom 9. Januar 2019 – II ZR 364/18, BGHZ 220, 354 Rn. 37; MünchKommGmbHG/Liebscher, 4. Aufl., § 49 Rn. 54; Noack in Noack/Servatius/Haas, GmbHG, 23. Aufl., § 49 Rn. 17; BeckOK GmbHG/Schindler, Stand: 1.8.2023, § 49 Rn. 39; Scholz/Seibt, GmbHG, 12. Aufl., § 49 Rn. 20, 22). Die Verpflichtung zur Übertragung des ganzen Gesellschaftsvermögens einer GmbH ist ein solchermaßen besonders bedeutsames Geschäft, zu dessen Vornahme der Geschäftsführer einen zustimmenden Beschluss der Gesellschafterversammlung herbeiführen muss, selbst wenn der Gesellschaftsvertrag, wie im vorliegenden Fall, einen entsprechenden Zustimmungsvorbehalt nicht ausdrücklich enthält (vgl. BGH, Urteil vom 9. Januar 2019 – II ZR 364/18, BGHZ 220, 354 Rn. 36; Altmeppen, GmbHG, 11. Aufl., § 37 Rn. 24; BeckOGK GmbHG/Born, Stand: 15.9.2023, § 53 Rn. 401; MünchKommGmbHG/Stephan/Tieves, 4. Aufl., § 37 Rn. 153; Dietlein/Klomfaß, NZG 2022, 339 f.; Prochnau/Reiff, CB 2022, 387, 388 f.; v. Prittwitz, DStR 2019, 1265, 1268;Wachter, DB 2019, 1078, 1079). Dies gilt auch dann, wenn das übertragene Gesellschaftsvermögen im Wesentlichen aus einem Grundstück besteht und der Gegenstand des Unternehmens den Verkauf von Grundstücken umfasst. Das die Kontrollbefugnisse der Gesellschafterversammlung in ihrer Gesamtheit sowie den Minderheitenschutz sichernde Erfordernis eines Gesellschafterbeschlusses resultiert aus dem innergesellschaftlichen Kompetenzgefüge der GmbH, weshalb ein solcher Zustimmungsbeschluss unabhängig von der Ausgestaltung des Unternehmensgegenstands der Klägerin notwendig ist.40

c) Nicht frei von Rechtsfehlern ist aber die Begründung des Berufungsgerichts, mit der es einen für die Beklagte erkennbaren Missbrauch der VertretungsmachtBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Missbrauch der Vertretungsmacht
Vertretungsmacht
verneint hat.41

aa) Das Berufungsgericht hat hierzu ausgeführt, der Beklagten sei zwar bekannt gewesen, dass die Klägerin ihren gesamten Immobilienbestand ohne einen dies legitimierenden Gesellschafterbeschluss veräußere, doch habe sie, die Beklagte, sich, was die Notwendigkeit einer Zustimmung der Gesellschafter anbelange, in einer Weise getäuscht, die der Annahme eines evidenten Missbrauchs der Vertretungsmacht entgegenstehe. Im konkreten Einzelfall sei die Beklagte schutzbedürftig, weil die Frage der Notwendigkeit der Beschlussfassung durch die Gesellschafter in der Beurkundungsverhandlung diskutiert worden sei und der Notar die „Zweifelsfrage“ schließlich, nachdem es auf Betreiben D.              zu der vom Notar vorgeschlagenen Rücksprache mit der Mehrheitsgesellschafterin nicht gekommen sei, in dem Sinne beantwortet habe, eines Beschlusses bedürfe es nicht, auch wenn sich die Rechtsansicht des Notars später als falsch herausgestellt haben möge.42

bb) Zutreffend ist der rechtliche Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, dass dem Dritten auch bei positiver Kenntnis vom Fehlen eines objektiv notwendigen Gesellschafterbeschlusses nicht zwingend das Vertrauen auf den Bestand der Vertretungsmacht des daher pflichtwidrig handelnden Geschäftsführers zu versagen ist.43

Bei besonders bedeutenden Geschäften ist ein Dritter als Vertragspartner zwar auch unterhalb der Schwelle des kollusiven Zusammenwirkens grundsätzlich nicht schutzwürdig, wenn es sich ihm den Umständen nach aufdrängen muss, dass der Geschäftsführer ohne Zustimmungsbeschluss der Gesellschafterversammlung seine Vertretungsmacht überschreitet und er zugleich weiß oder es sich ihm ebenfalls aufdrängen muss, dass ein zustimmender Beschluss nicht vorliegt. Ersteres wird man, wie der Senat bereits entschieden hat, häufig annehmen können, wenn das gesamte Unternehmen in einem Gesamtvermögensgeschäft als solches übertragen werden soll. Einem verständigen Vertragspartner muss nämlich grundsätzlich klar sein, dass der Geschäftsführer die GmbH nicht ohne Zustimmung der Gesellschafter unternehmenslos stellen kann. Aber auch wenn, wie vorliegend, mit einer Immobilie nur ein einzelner Vermögensgegenstand übertragen werden soll, kann es sich nach den Umständen des Einzelfalls aufdrängen, dass der Geschäftsführer das Geschäft wegen seiner Bedeutung für die Gesellschaft nicht ohne Rückversicherung bei den Gesellschaftern vornehmen kann (BGH, Urteil vom 9. Januar 2019 – II ZR 364/18, BGHZ 220, 354 Rn. 41). Das gilt vor allem, wenn bereits die Firma der Gesellschaft, wie hier, in nach außen offensichtlicher Weise darauf hinweist, dass die Immobilie ihr alleiniger oder zumindest wesentlicher Vermögensgegenstand ist.44

Befindet sich der Dritte jedoch in einem Rechtsirrtum über das Beschlusserfordernis im Sinne der Notwendigkeit einer Rückversicherung bei den Gesellschaftern, so kann er trotz positiver Kenntnis vom Fehlen des Beschlusses dennoch schutzbedürftig sein, sofern sich ihm die Notwendigkeit eines zustimmenden Beschlusses nicht aufdrängen musste. Ein auf einfacher Fahrlässigkeit beruhender Irrtum ist hierfür noch unschädlich; die Schutzbedürftigkeit des Dritten entfällt aber, wenn er einem evidenten Rechtsirrtum unterliegt. Ebenfalls zutreffend hat das Berufungsgericht angenommen, der Dritte könne sich grundsätzlich auf den ausdrücklichen, die Entbehrlichkeit eines Gesellschafterbeschlusses attestierenden Rat des beurkundenden Notars verlassen, solange der Rat weder erkennbar fehlerhaft noch offensichtlich auf falschen bzw. unzureichenden Grundlagen erteilt wurde.45

cc) Soweit das Berufungsgericht allerdings zu dem Ergebnis gelangt, die Beklagte habe im Vertrauen auf die rechtliche Einschätzung des Notars hinsichtlich der Entbehrlichkeit eines Gesellschafterbeschlusses gehandelt und sei daher einem ihre Schutzbedürftigkeit nicht ausschließenden Rechtsirrtum unterlegen gewesen, beruht dies auf einer unvollständigen und revisionsrechtlich zu beanstandenden Würdigung des Prozessstoffs.46

Das Revisionsgericht ist zwar nach § 559 Abs. 2 ZPO grundsätzlich an die Feststellungen des Berufungsgerichts gebunden. Es ist gemäß § 286 ZPO Sache des Tatrichters, unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder nicht wahr zu erachten ist. Die wesentlichen Grundlagen der Beweiswürdigung müssen dazu im Berufungsurteil, gegebenenfalls durch (ergänzende) Bezugnahme auf die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils, nachvollziehbar dargelegt werden. Das Revisionsgericht kann nur prüfen, ob sich der Tatrichter mit dem Prozessstoff umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat, die Würdigung also vollständig und rechtlich möglich ist und nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt (st. Rspr.; BGH, Beschluss vom 11. Mai 2021 – II ZR 56/20, WM 2021, 1692 Rn 32; Urteil vom 27. November 2021- VII ZR 257/20, WM 2022, 87 Rn. 32).47

Einer an diesem Maßstab ausgerichteten Prüfung hält die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts nicht stand. Es hat sich bei der Frage, ob die fehlende Befugnis des Geschäftsführers, ohne erforderliche Rückversicherung bei der Mehrheitsgesellschafterin den Kaufvertrag abzuschließen, für die Beklagte offensichtlich war, maßgeblich auf die Aussage des vom Landgericht als Zeugen vernommenen Notars M.               gestützt, der das Fehlen eines Zustimmungsbeschlusses der Gesellschafter im Rahmen des Beurkundungstermins in Gegenwart der Parteien für unschädlich gehalten habe. Es hat sich aber nicht damit auseinandergesetzt, dass der Zeuge K.              , der damalige Geschäftsführer der Beklagten, auf dessen Kenntnis es entsprechend § 31 BGB bzw. nach § 166 Abs. 1 BGB maßgeblich ankommt, im Rahmen seiner Zeugenvernehmung vor dem Landgericht bekundet hat, über ein Beschlusserfordernis sei im Beurkundungstermin überhaupt nicht gesprochen worden bzw. er könne sich daran nicht erinnern, wobei das Landgericht den Widerspruch nicht durch Nachfrage weiter aufgeklärt hat. Denkt man die Wahrnehmung des notariellen Rats zur Entbehrlichkeit eines Gesellschafterbeschlusses auf Seiten der Beklagten hinweg, hätte hier nach Lage des Falles die Beschlussnotwendigkeit angesichts der evidenten Veräußerung des wesentlichen Vermögensgegenstands auch für einen juristischen Laien auf der Hand gelegen. Unter diesen Umständen bedurfte es daher eines „gegenläufigen“ (rechtsirrigen) Rechtsrats durch eine juristische Vertrauensperson, um dennoch ein Sich aufdrängen der auf der Hand liegenden Zustimmungsnotwendigkeit abzulehnen.48

Den Umstand der möglicherweise fehlenden Wahrnehmung des Rechtsrats durch die Beklagte hat das Berufungsgericht bei seinen Feststellungen nicht berücksichtigt, wie die Revision zu Recht rügt. Das Berufungsgericht wird deshalb die Auseinandersetzung mit den Angriffen der Revision gegen seine Beweiswürdigung nachzuholen haben (§ 286 Abs. 1 Satz 2 ZPO). Soweit sich die Richtigkeit der Bekundungen der zur Erteilung des Rechtsrats vor dem Landgericht vernommenen Zeugen nicht zuverlässig aus objektiven, nicht mit der Glaubwürdigkeit der Zeugen unmittelbar in Zusammenhang stehenden Umständen ergibt, wird das Berufungsgericht die Zeugen erneut vernehmen müssen (hierzu BGH, Urteil vom 19. Juni 1991 – VIII ZR 116/90, MDR 1991, 1089).49

III. Das Berufungsurteil ist danach aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen, weil sie noch nicht zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 1 Satz 1 und 3 ZPO).50

1. Eine Entscheidungsreife ergibt sich nicht im Hinblick auf die von der Klägerin reklamierte Formnichtigkeit des beurkundeten Kaufvertrags. In revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, das Löschungsbegehren sei nicht deswegen begründet, weil die zwischen den Parteien beurkundete Vereinbarung wegen Nichtbeurkundung der Provisionsabrede unwirksam wäre (§§ 125, 139, 311b BGB). Werden, wie hier, zwei Verträge äußerlich getrennt voneinander abgeschlossen, begründet dies eine tatsächliche Vermutung dafür, dass sie nach dem Parteiwillen auch unabhängig voneinander gewollt sind und dies durch die Trennung zum Ausdruck gebracht werden sollte (vgl. RGZ 103, 295, 297; BGH, Urteil vom 10. Oktober 1986 – V ZR 247/85, NJW 1987, 1069; Urteil vom 7. Dezember 1988 – VII ZR 343/87, NJW-RR 1990, 340, 341). Diese Vermutung kann zwar entkräftet werden. Hierzu bedarf es aber genügender Anhaltspunkte für die Annahme, dass die Verträge ungeachtet der äußerlichen Trennung nach dem Willen der Parteien eine rechtliche Einheit bilden sollten (vgl. BGH, Urteil vom 9. Juli 1993 – V ZR 144/91,NJW-RR 1993, 1421, 1422; Urteil vom 13. Februar 2003 – IX ZR 76/99,NJW-RR 2003, 1565, 1566). Solche Anhaltspunkte hat das Berufungsgericht nicht feststellen können. Hieran ist der Senat gemäß § 559 Abs. 2 ZPO in Ermangelung eines zulässigen und begründeten Revisionsangriffs gebunden. Das Berufungsgericht ist vertretbar davon ausgegangen, dass die konkreten Abläufe dagegensprächen, dass das Grundstücksgeschäft ohne die von der Klägerin behauptete Provisionsvereinbarung nicht abgeschlossen worden wäre.51

2. Das Berufungsgericht hat ebenfalls ohne Rechtsfehler eine Nichtigkeit des Kaufvertrags gemäß § 138 Abs. 1 BGB wegen sittenwidriger Kollusion abgelehnt. Entgegen der Annahme der Revision hat es dabei nicht die Darlegungslast der Klägerin verkannt. Zwar trifft den Schädiger die sekundäre Darlegungslast für die Behauptung, kollusives Verhalten liege nicht vor, wenn der Geschädigte konkrete Tatsachen für den Verdacht vorbringt, mehrere Personen hätten kollusiv zusammengewirkt (BGH, Urteil vom 22. Februar 2019 – V ZR 244/17, WM 2019, 1356 Rn. 47). Doch ist das Berufungsgericht revisionsrechtlich beanstandungsfrei davon ausgegangen, dass die Klägerin Indizien, die einen solchen Verdacht begründeten, nicht vorgetragen habe. Die hiergegen erhobenen Einwände der Revision hat der Senat geprüft und erachtet sie nicht für durchgreifend. Auf eine weitergehende Begründung wird verzichtet (§ 564 Satz 1 ZPO).

Schlagworte: Abberufung 2-Mann-GmbH, Abberufung aus wichtigem Grund, Abberufung des Geschäftsführers, Abberufung des Geschäftsführers aus wichtigem Grund, Abberufung des GmbH-Geschäftsführers, AktG § 121 Abs. 2 Satz 2, AktG § 179 a, AktG § 241, AktG 179a, Einberufung durch Gesellschafter ohne Selbsthilferecht, Einberufung ohne Selbsthilferecht, Einberufungsmängel gemäß § 241 Nr. 1 AktG analog, Entzug der Minderheitenrechte des § 50 GmbHG, Erkennbarkeit der Beschränkung der Vertretungsmacht, Geschäftsführer beruft Gesellschafterversammlung zu einem früheren Zeitpunkt ein als GmbH-Gesellschafter nach § 50 Abs. 3 GmbHG, GmbHG § 50 Abs. 1, GmbHG §§ 49 Abs 1 und 50 Abs 3 Satz 1, Handelsregister und Rechtsschein, HGB § 15, Keine analoge Anwendung des § 179a AktG, Machtmissbrauch, missbrauch, Missbrauch der Vertretungsmacht, ohne Selbsthilferecht, positive Kenntnis der fehlenden materiell-rechtlichen Berechtigung, positive Kenntnis von Pflichtwidrigkeit, Selbsthilferecht nach § 50 Abs. 3 Satz 1 GmbHG, Vertretungsmacht

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BGH, Beschluss vom 9. Januar 2024 – II ZB 20/22

Dienstag, 9. Januar 2024

Amtsverhinderung AufsichtsratBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Amtsverhinderung Aufsichtsrat
Aufsichtsrat

AktG § 103Bitte wählen Sie ein Schlagwort:
AktG
AktG § 103
Abs. 1, 3, § 104 Abs. 1 Satz 1

Ein Aufsichtsrat, der wegen eines dauerhaft boykottierenden Aufsichtsratsmitglieds beschlussunfähig ist, kann nicht entsprechend § 104 Abs. 1 Satz 1 AktG ergänzt werden.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des 2. Zivilsenats des Thüringer Oberlandesgerichts vom 14. September 2022 wird auf ihre Kosten verworfen.

Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 60.000 €.

Gründe

I.

Die Antragsteller zu 1 und 2 sind Vorstandsmitglieder, die Antragsteller zu 3 und 4 sind Aufsichtsratsmitglieder der P.                AG, deren Aufsichtsrat nach § 9 Abs. 2 ihrer Satzung aus drei Mitgliedern besteht. Nach § 11 Abs. 3 Satz 1 der Satzung ist der Aufsichtsrat nur beschlussfähig, wenn drei Mitglieder an der Beschlussfassung teilnehmen.2

In der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht E.                      (1 HK O 56/21) traten die beiden Aktionäre der P.              AG, die H.                KG, deren Gesellschafter die Töchter der weiteren Beteiligten sind, und die B.                   KG unter Verzicht auf alle Form- und Fristvorschriften zu einer außerordentlichen Hauptversammlung zusammen und bestellten die weitere Beteiligte für die Dauer bis zum Ablauf derjenigen Hauptversammlung, die über den Jahresabschluss und die Entlastung für das vierte Jahr nach der Bestellung beschließt, zum Mitglied des Aufsichtsrats.3

Die Antragsteller beantragten mit Schriftsatz vom 9. Februar 2022, Rechtsanwalt Prof. Dr.       L.     gemäß § 104 Abs. 1 AktG für die Dauer bis zur Bestellung eines neuen Aufsichtsratsmitglieds durch die Hauptversammlung als Ersatzaufsichtsratsmitglied der P.              AG für die weitere Beteiligte zu bestellen, da diese ihre Mitwirkung im Aufsichtsrat verweigere und dessen Beschlussunfähigkeit herbeiführe.4

Das Amtsgericht – Registergericht – hat den Antrag zurückgewiesen. Die dagegen gerichtete Beschwerde hat das Beschwerdegericht zurückgewiesen. Mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgen die Antragsteller ihr Begehren weiter.

II.

Das Beschwerdegericht (Thüringer OLG, BeckRS 2022, 53394) hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:6

Die Voraussetzungen für die Bestellung eines Aufsichtsratsmitglieds nach § 104 Abs. 1 AktG lägen nicht vor. Der Aufsichtsrat der P.                AG bestehe nach § 9 Abs. 2 der Satzung, § 95 Satz 1, 2 AktG aus drei Aufsichtsratsmitgliedern und sei zahlenmäßig nicht unterbesetzt, da ihm die weitere Beteiligte sowie die Antragsteller zu 3 und 4 angehörten.7

Dem Fehlen eines Mitglieds gemäß § 104 Abs. 1 AktG sei die dauernde Amtsverhinderung gleichgestellt. Der auf Sicherung der Handlungs- und Funktionsfähigkeit gerichtete Zweck des § 104 Abs. 1 AktG gebiete die Anwendung der Vorschrift immer dann, wenn die Verhinderung so beschaffen sei, dass das Aufsichtsratsmitglied längerfristig nicht in der Lage sei, seiner Überwachungsaufgabe nachzukommen und bei Beschlussfassungen seine Stimme zumindest schriftlich abzugeben. Ein Aufsichtsratsmitglied sei aber nicht dauerhaft verhindert iSd § 104 Abs. 1 AktG, wenn es zur Verfolgung von Eigeninteressen die Mitwirkung an den Beschlussfassungen des Aufsichtsrats verweigere. Das Amt des verhinderten Aufsichtsratsmitglieds erlösche nicht, sondern ruhe nur bis zur Beendigung des Amts des ersatzweise gerichtlich bestellten Aufsichtsratsmitglieds. Nach § 104 Abs. 6 AktG erlösche das Amt des gerichtlich bestellten Aufsichtsratsmitglieds wiederum kraft Gesetzes, sobald der Mangel behoben sei. Die Mitwirkung an den erforderlichen Beschlussfassungen in den Fällen der Obstruktion hänge deshalb ausschließlich vom entsprechenden Willen des Aufsichtsratsmitglieds ab. Hingegen erlösche das Amt des bestellten Ersatzmitglieds mit der zwischenzeitlichen Mitwirkung des verhinderten Aufsichtsratsmitglieds nach der gerichtlichen Entscheidung. Scheide die Einberufung einer Hauptversammlung aus, sei der Antrag auf Abberufung des Aufsichtsratsmitglieds nach § 103 Abs. 3 AktG mit dem Antrag auf Ersatzbestellung nach § 104 Abs. 1 AktG zu kombinieren. Das betroffene Aufsichtsratsmitglied sei dabei nicht stimmberechtigt. Die Durchführung und Wirksamkeit der Beschlussfassung nach § 103 Abs. 3 AktG könne entweder dadurch gesichert werden, dass die Beschlussfassung durch die verbleibenden Aufsichtsratsmitglieder als wirksam angesehen oder eine Ergänzungsbestellung nur für die anstehende Beschlussfassung beantragt werde.

III.

Die durch das Beschwerdegericht zugelassene Rechtsbeschwerde ist statthaft und auch im Übrigen zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg. Die Voraussetzungen für eine Ergänzung des Aufsichtsrats gemäß § 104 Abs. 1 Satz 1 AktG liegen nicht vor.9

1. Dem Aufsichtsrat der P.               AG gehört mit den Antragstellern zu 3 und 4 und der weiteren Beteiligten die zur Beschlussfähigkeit nötige Zahl von Mitgliedern an.10

Nach § 104 Abs. 1 AktG sind der Vorstand, ein Mitglied des Aufsichtsrats oder ein Aktionär berechtigt, bei Gericht einen Antrag auf Ergänzung des Aufsichtsrats zu stellen, wenn dem Aufsichtsrat die zur Beschlussfassung erforderliche Anzahl von Mitgliedern nicht angehört. Die Norm soll die Funktionsfähigkeit des Aufsichtsrats sicherstellen (vgl. BGH, Urteil vom 24. Juni 2002- II ZR 296/01, ZIP 2002, 1619, 1621 mwN). Dem Fehlen eines Mitglieds wird die dauerhafte Amtsverhinderung des Aufsichtsratsmitglieds gleichgesetzt, etwa wegen rechtlicher, wie die Vertretung eines Vorstandsmitglieds nach § 105 Abs. 2 S. 1 AktG, oder tatsächlicher Verhinderung, etwa infolge Krankheit, Unerreichbarkeit oder eines dauerhaften Interessenkonflikts (Drygala in K. Schmidt/Lutter, AktG, 5. Aufl., § 104 Rn. 3; Koch, AktG, 17. Aufl., § 104 Rn. 2; Simons in Hölters/Weber, AktG, 4. Aufl., § 104 Rn. 7; BeckOGKAktG/Spindler, Stand: 01.07.2023, § 104 Rn. 12).11

Die weitere Beteiligte ist weder rechtlich noch tatsächlich dauerhaft an der Ausübung ihres Aufsichtsratsmandats gehindert. Das Beschwerdegericht hat offengelassen, ob die weitere Beteiligte die Mitwirkung im Aufsichtsrat seit September 2021 boykottiert und damit dessen Beschlussunfähigkeit herbeiführt, um so die Geltendmachung von Zahlungsansprüchen der P.                AG gegen die Erbengemeinschaft nach H.          , der neben der weiteren Beteiligten auch ihre drei Töchter angehören, zu verhindern. Dies ist deshalb für das Rechtsbeschwerdeverfahren zu unterstellen. Dabei handelt es sich aber nicht um einen dauerhaften, sondern lediglich um einen punktuellen Interessenkonflikt der weiteren Beteiligten bei ihrer Aufsichtsratstätigkeit für die P.                AG, der auch nach den von der Rechtsbeschwerde dazu angeführten Literaturstimmen (MünchKommAktG/Habersack, 6. Aufl., § 104 Rn. 13; Koch, AktG, 17. Aufl., § 104 Rn. 2; MünchHdbGesR VII/Lieder, 6. Aufl., § 26 Rn. 270) nicht vom Anwendungsbereich des § 104 Abs. 1 AktG erfasst wird. Die von der Rechtsbeschwerde in diesem Zusammenhang erhobene Verfahrensrüge hat der Senat geprüft, aber nicht für durchgreifend erachtet (§ 577 Abs. 6 Satz 2, § 564 Satz 1 ZPO).12

2. Ein Aufsichtsrat, der wegen eines dauerhaft boykottierenden Aufsichtsratsmitglieds beschlussunfähig ist, kann nicht entsprechend § 104 Abs. 1 Satz 1 AktG ergänzt werden.13

a) Teilweise wird allerdings, insbesondere bei einem dreiköpfigen Aufsichtsrat, eine entsprechende Anwendung der Norm befürwortet (BeckOGK AktG/Spindler, Stand: 01.07.2023, § 104 Rn. 13, § 108 Rn. 45; MünchKommAktG/Habersack, 6. Aufl., § 104 Rn. 13; Jaeger in Hdb Aktiengesellschaft, Lfg. 80, Rn. I 9.103; Adenauer, NZG 2019, 85, 86; Reichard, AG 2012, 359, 361 ff.).Dagegen liegt nach einer anderen Ansicht auch im Fall eines dauerhaften obstruktiven Verhaltens des Aufsichtsratsmitglieds keine Beschlussunfähigkeit des Aufsichtsrats vor, die eine entsprechende Anwendung des § 104 Abs. 1 Satz 1 AktG erfordere. Vielmehr sei jeder Form von Obstruktion mit den üblichen Rechtsbehelfen gegen unbotmäßiges Verhalten von Organmitgliedern zu begegnen (Drygala in K. Schmidt/Lutter, AktG, 5. Aufl., § 108 Rn. 10; Henssler in Henssler/Strohn, GesR, 5. Aufl., § 104 Rn. 5; Koch, AktG, 17. Aufl., § 104 Rn. 2; MünchHdbGesR VII/Lieder, 6. Aufl., § 26 Rn. 270; Hopt/Roth in GroßkommAktG, 5. Aufl., § 104 Rn. 27; Simons in Hölters/Weber, AktG, 4. Aufl., § 104 Rn. 7; Backhaus/Tielmann, Aufsichtsrat, 2. Aufl., § 104 Rn. 32;E. Vetter in Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, 5. Aufl., Rn. 25.39).14

b) Der Senat schließt sich der zuletzt genannten Ansicht an. Eine Analogie setzt voraus, dass das Gesetz eine planwidrige Regelungslücke aufweist und der zu beurteilende Sachverhalt in rechtlicher Hinsicht soweit mit dem Tatbestand, den der Gesetzgeber geregelt hat, vergleichbar ist, dass angenommen werden kann, der Gesetzgeber wäre bei einer Interessenabwägung, bei der er sich von den gleichen Grundsätzen hätte leiten lassen wie bei dem Erlass der herangezogenen Gesetzesvorschrift, zu dem gleichen Abwägungsergebnis gekommen (BGH, Urteil vom 15. Februar 2022 – II ZR 235/20, BGHZ 232, 375 Rn. 25 mwN). Das ist nicht der Fall.15

aa) Ein dauerhaftes, zur Beschlussunfähigkeit des Aufsichtsrats führendes Boykottverhalten des Aufsichtsratsmitglieds kann mit einer dauerhaften rechtlichen oder tatsächlichen Verhinderung bereits deshalb nicht gleichgesetzt werden, da es jederzeit beendet werden kann. Zudem ist eine gerichtliche Ergänzung des Aufsichtsrats nicht geeignet, die durch das obstruierende Aufsichtsratsmitglied herbeigeführte Situation rechtssicher aufzulösen. Gemäß § 104 Abs. 6 AktG erlischt das Amt des gerichtlich bestellten Aufsichtsratsmitglieds, sobald der Mangel behoben ist. Das obstruktive Aufsichtsratsmitglied hat es also in der Hand, durch sein Erscheinen zur Aufsichtsratssitzung nach der gerichtlichen Ersatzbestellung die Beschlussfähigkeit des Gremiums wieder herbeizuführen, was zum Amtsverlust des gerichtlich bestellten Aufsichtsratsmitglieds führt. Es bedürfte dann einer erneuten gerichtlichen Ersatzbestellung, wenn das Aufsichtsratsmitglied zu seinem obstruktiven Verhalten zurückkehrt (Drygala in K. Schmidt/Lutter, AktG, 5. Aufl., § 108 Rn. 10; Simons in Hölters/Weber, AktG, 4. Aufl., § 104 Rn. 7 Fn. 27).16

bb) Das Aktiengesetz eröffnet auch in der Konstellation eines drei-köpfigen Aufsichtsrats die Möglichkeit, ein ohne Bindung an Wahlvorschläge gewähltes, die teilnahme an der Beschlussfassung boykottierendes Aufsichtsratsmitglied abzurufen, ein neues Aufsichtsratsmitglied durch die Hauptversammlung oder das Gericht zu bestellen und damit die Funktionsfähigkeit des Aufsichtsrats sicherzustellen. Dem Schutzanliegen des § 104 AktG kann daher auch ohne entsprechende Anwendung der Norm Rechnung getragen werden.17

(1) Nach § 103 Abs. 1 Satz 1 AktG können Aufsichtsratsmitglieder, die von der Hauptversammlung ohne Bindung an Wahlvorschläge gewählt worden sind, vor dem Ablauf ihrer Amtszeit abberufen werden. Der Möglichkeit der Abberufung durch die Hauptversammlung kann die Rechtsbeschwerde nicht mit Erfolg das Konfliktlösungspotential mit der Argumentation absprechen, die Abberufung des obstruierenden Aufsichtsratsmitglieds und die Neuwahl eines Nachfolgers durch einen Hauptversammlungsbeschluss sei schwerfällig und mit Anfechtungs- und Nichtigkeitsklagerisiken behaftet (so aber Reichard, AG 2012, 359, 360). Im Übrigen verfängt der Einwand gerade im vorliegenden Fall nicht, wenn man berücksichtigt, dass die weitere Beteiligte anlässlich eines Gerichtstermins ad hoc im Wege einer außerordentlichen Hauptversammlung in den Aufsichtsrat der zweigliedrigen Aktiengesellschaft gewählt worden ist. Das zeigt jedenfalls, dass das Argument gerade in Aktiengesellschaften mit geschlossenem Aktionärskreis im Hinblick auf § 121 Abs. 6 AktG nicht überzeugt.18

Etwas Anderes folgt auch nicht aus der Argumentation der Rechtsbeschwerde, die weitere Beteiligte könne mit Hilfe der H.                 KG als hälftiger Aktionärin ihre Abberufung dauerhaft verhindern, da sie als mittelbare Anteilseignerin bei der Beschlussfassung in der Hauptversammlung über ihre eigene Abberufung nicht ausgeschlossen sei (vgl. dazu Koch, AktG, 17. Aufl., § 103 Rn. 4 mwN). Es kann dahinstehen, ob eine solche Beherrschung der H.                KG durch die weitere Beteiligte, die ausweislich des von den Antragstellern vorgelegten Handelsregisterauszugs der H.              KG vom 8. Februar 2022 am 1. Dezember 2021 als persönliche Gesellschafterin ausgeschieden und auch nicht als Kommanditistin ausgewiesen ist, über ihre Töchter als Gesellschafter vorliegt. Dies hätte zwar für den konkreten Streitfall, in dem zwei Aktionäre zu gleichen Teilen an einer Aktiengesellschaft beteiligt sind, zur Konsequenz, dass in einer Situation, in der nur einer der Aktionäre die Abberufung wünscht, eine Abberufung nach § 103 Abs. 1 AktG nicht möglich ist. Das kann aber nicht zur Folge haben, dass der abberufungswillige Aktionär, der das betreffende Aufsichtsratsmitglied selbst in den Aufsichtsrat gewählt hat, aber nun nicht die Stimmrechtsmacht besitzt, sein Abberufungsverlangen durchzusetzen, seinen Willen über die gerichtliche Bestellung eines weiteren Aufsichtsratsmitglieds durch eine entsprechende Anwendung des § 104 Abs. 1 Satz 1 AktG durchzusetzen vermag. Mit derartigen Einzelfallerwägungen lässt sich die analoge Anwendung einer Norm nicht begründen.19

(2) Daneben kann das Gericht ein boykottierendes Aufsichtsratsmitglied nach § 103 Abs. 3 AktG abberufen.20

(a) Nach § 103 Abs. 3 Satz 1 AktG hat das Gericht auf Antrag des Aufsichtsrats ein Aufsichtsratsmitglied abzuberufen, wenn in dessen Person ein wichtiger Grund vorliegt. Ein wichtiger Grund im Sinne der Norm liegt bei einem nachweisbaren Boykottverhalten vor (OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG München
, Beschluss vom 28. August 2018 – 31 Wx 61/17, ZIP 2018, 1932, 1933; Drygala in K. Schmidt/Lutter, AktG, 5. Aufl., § 103 Rn. 16; MünchKommAktG/Habersack, 6. Aufl., § 103 Rn. 41; Koch, AktG, 17. Aufl., § 103 Rn. 10).21

(b) Der Aufsichtsrat beschließt über die Antragstellung mit einfacher Mehrheit, § 103 Abs. 3 Satz 2 AktG. Ein solcher Beschluss kann auch in einem dreiköpfigen Aufsichtsrat ohne teilnahme des boykottierenden Aufsichtsratsmitglieds an der Abstimmung mit den Stimmen der beiden anderen Aufsichtsratsmitglieder wirksam gefasst werden.22

Gemäß § 108 Abs. 2 Satz 3 AktG müssen in jedem Fall drei Mitglieder des Aufsichtsrats an der Beschlussfassung teilnehmen. Besteht ein Aufsichtsrat, wie vorliegend, nur aus der gesetzlichen Mindestzahl von drei Mitgliedern (§ 95 Satz 1 AktG), kann deshalb das obstruktive Aufsichtsratsmitglied durch seine Nichtteilnahme nach dem Wortlaut der Norm eine wirksame Beschlussfassung tatsächlich verhindern. Diesem ist es jedoch verwehrt, sich auf diese formale Rechtsposition zu berufen, wonach der Aufsichtsrat als Organ aufgrund seiner Nichtteilnahme beschlussunfähig sei.23

Ein Aufsichtsratsmitglied, gegen das ein Abberufungsverfahren nach § 103 Abs. 3 AktG eingeleitet werden soll, unterliegt bei der Abstimmung einem Stimmverbot (BayObLGZ 2003, 89, 92; Drygala in K. Schmidt/Lutter, AktG, 5. Aufl., § 103 Rn. 13; Koch, AktG, 17. Aufl., § 103 Rn. 12; Mertens/Cahn in KK-AktG, 3. Aufl., § 103 Rn. 30; MünchKommAktG/Habersack, 6. Aufl., § 103 Rn. 35; Hopt/Roth in GroßkommAktG, 5. Aufl., § 103 Rn. 58; Simons in Hölters/Weber, AktG, 4. Aufl., § 103 Rn. 31; BeckOGKAktG/Spindler, Stand: 01.07.2023, § 103 Rn. 31) und kann die Einleitung des Abberufungsverfahrens deshalb nicht verhindern. Der Stimmrechtsausschluss eines von drei Aufsichtsratsmitgliedern führt nicht zur Beschlussunfähigkeit des Organs gemäß § 108 Abs. 2 Satz 2, 3 AktG. Vielmehr kann und muss das betreffende Aufsichtsratsmitglied zur Vermeidung einer Beschlussunfähigkeit des Organs an der Beschlussfassung teilnehmen, hat sich aber der Stimme zu enthalten (BGH, Urteil vom 2. April 2007 – II ZR 325/05, ZIP 2007, 1056 Rn. 13). Infolgedessen missbraucht das betreffende Mitglied seine formale Rechtsposition, wenn es sich auf die durch sein eigenes schuldhaftes Fernbleiben verursachte Beschlussunfähigkeit beruft, um so den Beschluss über den erforderlichen Antrag nach § 103 Abs. 3 Satz 1 AktG zu vereiteln. § 108 Abs. 2 Satz 3 AktG ist deshalb in einem Fall des zielgerichteten Rechtsmissbrauchs dahingehendteleologisch zu reduzieren, dass der Antrag nach § 103 Abs. 3 AktG auch dann zulässig ist, wenn bei der Beschlussfassung nur die zwei übrigen Aufsichtsratsmitglieder mitgewirkt haben, der Aufsichtsrat also an sich beschlussunfähig war (Drygala in K. Schmidt/Lutter, AktG, 5. Aufl., § 108 Rn. 10; Hopt/Roth in GroßkommAktG, 5. Aufl., § 103 Rn. 59; BeckOGKAktG/Spindler, Stand: 01.07.2023, § 103 Rn. 31, § 108 Rn. 44 f.; Stadler/Berner, NZG 2003, 49, 51 ff.; Stadler/Berner, AG 2004, 27, 29; aA MünchKommAktG/Habersack, 6. Aufl., § 103 Rn. 35; BayObLGZ 2003, 89, 94; Keusch/Rotter, NZG 2003, 671, 673).24

Diese Rechtsauffassung hat sich der Aufsichtsrat der P.                AG auch in seinem Antrag vom 21. Juni 2022, die weitere Beteiligte nach § 103 Abs. 3 AktG abzuberufen, zu eigen gemacht.

Schlagworte: AktG § 103, AktG § 104, AktG § 108, Amtsverhinderung Aufsichtsrat, Aufsichtsratsbeschluss, boykottierendes Aufsichtsratsmitglied

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BGH, Beschluss vom 5. Dezember 2023 – II ZR 146/22

Dienstag, 5. Dezember 2023

Streitwert Übertragung KommanditanteileBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Streitwert
Streitwert Übertragung Kommanditanteile
Übertragung

Tenor

Auf die Gegenvorstellung der Klägerin wird die Festsetzung des Streitwerts in dem Beschluss des Senats vom 4. Juli 2023 geändert.
Der Streitwert wird auf die Wertstufe bis 13.400.000 € festgesetzt.

Gründe

Die Gegenvorstellung der Klägerin gegen die Festsetzung des Streitwerts in dem Beschluss vom 4. Juli 2023, mit dem die Nichtzulassungsbeschwerde des Beklagten zurückgewiesen wurde, ist zulässig, da sie innerhalb der analog geltenden sechsmonatigen Frist von § 68 Abs. 1 Satz 3, § 63 Abs. 3 Satz 2 GKG
eingelegt worden ist (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Juli 2020 – II ZR 420/17, juris Rn. 4; Beschluss vom 22. November 2016 – XI ZR 305/14, NJW 2017, 739). Sie hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.

Maßgebend für die Bewertung des Anspruchs des Beklagten auf Übertragung der Kommanditanteile der Klägerin an der H. KG ist der Verkehrswert dieser Geschäftsanteile. Insofern gilt hier nichts Anderes als in Fällen, in denen im Streit über einen Geschäftsanteil die Wirksamkeit einer Einziehung infrage steht (BGH, Beschluss vom 14. Juli 2020 – II ZR 420/17, juris Rn. 7).
Der Verkehrswert der Geschäftsanteile bestimmt sich mittels einer objektivierten Unternehmensbewertung nach IDW S 1, der anders als der IDW S 13 die Berücksichtigung eines abschreibungsbedingten Steuervorteils (TAB) nicht verpflichtend vorschreibt. Die von den Parteien im Verfahren vorgelegten Gutachten gehen übereinstimmend davon aus, dass danach der Verkehrswert der von der Klägerin gehaltenen Kommanditanteile an der H. KG zum Bewertungsstichtag mit mindestens 13.364.000 € zu bemessen ist (vgl. Gutachten der Dr. K. & Partner GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft vom Mai 2022, S. 38, Anlage B 23, Anlagenband zum Schriftsatz vom 10. Mai 2022; Gutachten der B. GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft vom 22. Februar 2022, S. 22, Anlage BB 2, Anlagenband zum Schriftsatz vom 24. Februar 2022; ergänzende Stellungnahme Dr. K. & Partner GmbH
Wirtschaftsprüfungsgesellschaft vom 21. Juni 2022, S. 8, GA V 1087).

Schlagworte: Streitwert, Streitwert Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage, Streitwert Einziehungsbeschluss, Streitwert Geschäftsanteile, Streitwert Übertragung Kommanditanteile, Streitwertbemessung

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BGH, Urteil vom 28. November 2023 – II ZR 214/21

Dienstag, 28. November 2023

faktischer KonzernBitte wählen Sie ein Schlagwort:
faktischer Konzern
Konzern

AktG § 136 Abs. 1 Satz 1 Fall 3, § 147 Abs. 1

1. Ein herrschendes Unternehmen ist im faktischen Konzern in der Hauptversammlung der abhängigen Gesellschaft wegen eines Interessenkonflikts vom Stimmrecht ausgeschlossen, wenn über die Geltendmachung von ErsatzansprüchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Ersatzansprüchen
Geltendmachung von Ersatzansprüchen
gegen Organmitglieder der abhängigen Gesellschaft Beschluss gefasst wird und die vorgeworfene Pflichtverletzung auf Veranlassung und zugunsten des herrschenden Unternehmens begangen worden sein soll.

2. Ein Geltendmachungsbeschluss nach § 147 Abs. 1 AktG ist dann hinreichend bestimmt, wenn er im Einzelnen umreißt, worin die Pflichtverletzung und der Tatbeitrag der Mitglieder des Vorstands oder des Aufsichtsrats bestehen soll, gegen die Ersatzansprüche der Gesellschaft geltend gemacht werden sollen. Es kommt nicht darauf an, ob die Anspruchsverfolgung Aussicht auf Erfolg hat.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 16. Dezember 2021 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens und des Revisionsverfahrens trägt die Beklagte.

Von Rechts wegen

Tatbestand

Die Beklagte ist eine börsennotierte Aktiengesellschaft, deren Gegenstand unter anderem der Betrieb von Hotels und gastronomischen Betrieben im In- und Ausland ist. Mehrheitsaktionärin der Beklagten mit einem Aktienanteil von 52,16 % war die L.             S.A., die der in der Hotellerie und Touristikbranche tätigen L.       -Gruppe angehörte. Zweitgrößte Aktionärin war mit einem Aktienanteil von 33,80 % die Klägerin. Die restlichen Aktien befanden sich in Streubesitz.2

Die Beklagte erwarb im Jahr 2015 von der L.     -Gruppe durch Tochtergesellschaften 100 % der Gesellschaftsanteile an der C.                 S.A. zum Kaufpreis von 34 Mio. €. Die Klägerin bezweifelt die Angemessenheit des Kaufpreises und ist der Auffassung, der Mehrheitsaktionärin der Beklagten sei verdeckt Vermögen der Beklagten zugewendet worden.3

In der Hauptversammlung der Beklagten am 17. Juli 2015 wurde auf Antrag der Klägerin beschlossen, u.a. gegen die Mehrheitsaktionärin Ersatzansprüche im Zusammenhang mit dem Erwerb der C.                S.A. geltend zu machen. Zugleich wurde ein besonderer Vertreter zur Geltendmachung der Ersatzansprüche bestellt. In der Hauptversammlung der Beklagten vom 21. Juli 2016 wurde unter TOP 10 darüber abgestimmt, ob Ersatzansprüche der Beklagten aus diesem Erwerb ergänzend auch gegen Mitglieder ihres Aufsichtsrats und ihres Vorstands als Gesamtschuldner geltend gemacht werden sollen und hierzu ein besonderer Vertreter bestellt werden soll.4

Der Beschlussantrag lautete auszugsweise:

[…] Veranlasst durch die herrschende Mehrheitsaktionärin hat die Gesellschaft durch Tochtergesellschaften (vgl. Geschäftsbericht 2015, Seite 25) 100% der Anteile an der C.                 S.A. zum Kaufpreis von € 34 Mio. erworben. […] Dadurch wurde der herrschenden Mehrheitsaktionärin auf deren Veranlassung verdeckt Vermögen der Gesellschaft zugewendet. Der Kaufpreis war deutlich überhöht. […]5

Mit den als gültig gezählten Stimmen der Mehrheitsaktionärin wurde der Beschlussantrag abgelehnt.6

Die Klägerin begehrt die Nichtigerklärung der zu TOP 10 gefassten Beschlussablehnung und im Wege der positiven Beschlussfeststellungsklage die Feststellung, dass der Beschluss zu TOP 10 gefasst worden ist. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht den zu TOP 10 gefassten ablehnenden Beschluss für nichtig erklärt und der Beschlussfeststellungsklage stattgegeben. Mit ihrer vom Senat insoweit zugelassenen Revision begehrt die Beklagte die Zurückweisung der Berufung der Klägerin.

Entscheidungsgründe

Die Revision hat keinen Erfolg.8

I. Das Berufungsgericht (OLG DüsseldorfBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG Düsseldorf
, AG 2022, 203) hat seine Entscheidung, soweit für die Revisionsinstanz von Bedeutung, im Wesentlichen wie folgt begründet:9

Der Beschluss zu TOP 10 der Hauptversammlung der Beklagten vom 21. Juli 2016 sei wegen eines Verstoßes gegen § 136 Abs. 1 Satz 1 Fall 3 AktG anfechtbar. Die Mehrheitsaktionärin habe wegen ihrer mittelbaren Betroffenheit bei der Geltendmachung von ErsatzansprüchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Ersatzansprüchen
Geltendmachung von Ersatzansprüchen
gegen Mitglieder von Vorstand und Aufsichtsrat der Beklagten einem Stimmverbot unterlegen. Potentielle Pflichtverletzungen von Mitgliedern dieser Organe der Beklagten bei dem Erwerb der Anteile an der C.                S.A. von der L.     -Gruppe entsprächen im Hinblick auf das Haftungskonzept der §§ 311 ff. AktG und der in § 318 AktG angeordneten Gesamtschuld wesensmäßig einer Pflichtverletzung der Mehrheitsaktionärin und leiteten sich aus einem einheitlichen Lebenssachverhalt ab. Bei dem Zusammenspiel der §§ 309 ff., 317 f. AktG in Konzernsachverhalten könne nur durch ein Stimmverbot des Mehrheitsaktionärs nach § 136 Abs. 1 Satz 1 Fall 3 AktG sichergestellt werden, dass im Interesse der GesellschaftBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Gesellschaft
im Interesse der Gesellschaft
, der Gläubiger und der Minderheitsaktionäre trotz bestehender Abhängigkeiten und Verbundenheit auch Ersatzansprüche gemäß §§ 318, 93, 116 AktG durchgesetzt werden können. Das entspreche Sinn und Zweck des § 147 Abs. 1 Satz 1 AktG.10

Aus der Begründetheit der Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage folge bei richtiger Zählung der abgegebenen Stimmen die Begründetheit der positiven Beschlussfeststellungsklage zu TOP 10.11

II. Diese Ausführungen halten rechtlicher Prüfung im Ergebnis stand.12

1. Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, dass die L.             S.A. als Mehrheitsaktionärin bei der Abstimmung zu TOP 10 auf der Hauptversammlung der Beklagten vom 21. Juli 2016 über die Geltendmachung von ErsatzansprüchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Ersatzansprüchen
Geltendmachung von Ersatzansprüchen
gegen Organmitglieder der Beklagten und über die Bestellung eines besonderen Vertreters vom Stimmrecht ausgeschlossen war. Ein herrschendes Unternehmen ist im faktischen Konzern in der Hauptversammlung der abhängigen Gesellschaft wegen eines Interessenkonflikts vom Stimmrecht ausgeschlossen, wenn über die Geltendmachung von ErsatzansprüchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Ersatzansprüchen
Geltendmachung von Ersatzansprüchen
gegen Organmitglieder der abhängigen Gesellschaft Beschluss gefasst wird und die vorgeworfene Pflichtverletzung auf Veranlassung und zugunsten des herrschenden Unternehmens begangen worden sein soll.13

a) Gemäß § 136 Abs. 1 Satz 1 Fall 3 AktG kann niemand für sich oder für einen anderen das Stimmrecht ausüben, wenn darüber Beschluss gefasst wird, ob die Gesellschaft gegen ihn einen Anspruch geltend machen soll. Ausdrücklich erfasst das Gesetz damit nur das Stimmrecht des Aktionärs, gegen den die Geltendmachung von Ansprüchen beschlossen werden soll. Das schließt aber nicht aus, § 136 Abs. 1 Satz 1 AktG in vergleichbaren Fällen sinngemäß anzuwenden, wenn nämlich das Ausmaß des Interessenkonflikts für den Aktionär identisch ist, so dass eine auf das mitgliedschaftliche Interesse ausgerichtete Stimmabgabe nicht erwartet werden kann (MünchKommAktG/Arnold, 5. Aufl., § 136 Rn. 23; Dürr in Wachter, AktG, 4. Aufl., § 136 Rn. 14; Grigoleit/Herrler, AktG, 2. Aufl., § 136 Rn. 12; Grundmann in Großkomm. AktG, 5. Aufl., § 136 Rn. 39; Koch, AktG, 17. Aufl., § 136 Rn. 18; Krebs in Hölter/Weber, AktG, 4. Aufl., § 147 Rn. 8; Bürgers/Körber/Lieder, AktG, 5. Aufl., § 136 Rn. 10; BeckOGK AktG/Rieckers, Stand 1.7.2023, § 136 Rn. 17; Spindler in K. Schmidt/Lutter, AktG, 4. Aufl., § 136 Rn. 29; MünchHdbGesR IV/Hoffmann-Becking, 5. Aufl., § 39 Rn. 44;Spindler, Festschrift Vetter, 2019, S. 763, 767; Wahlers/Heerstraßen, Festschrift Loschelder, 2010, S. 425, 428; für § 47 Abs. 4 GmbHG: BGH, Urteil vom 20. Januar 1986 – II ZR 73/85, BGHZ 98, 28, 33). Entsprechendes gilt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch bei der Einzelentlastung von Vorstand und Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft. Dort trifft das Stimmverbot nur dasjenige Organmitglied, über dessen Entlastung abgestimmt wird, es sei denn, ein anderes Organmitglied ist in gleicher Weise betroffen, weil es an einem Vorgang beteiligt war, der dem Organmitglied, um dessen Entlastung es geht, als Pflichtverletzung vorzuwerfen ist (BGH, Urteil vom 12. Juni 1989 – II ZR 246/88, BGHZ 108, 21, 25 f.; Urteil vom 21. September 2009 – II ZR 174/08, BGHZ 182, 272 Rn. 15).14

In diesem Zusammenhang kommt der weitere im § 136 Abs. 1 Satz 1 AktG ebenfalls zum Ausdruck kommende Grundgedanke des Stimmverbots zum Tragen, dass nämlich ein Gesellschafter nicht Richter in eigener Sache sein darf (BGH, Urteil vom 17. Januar 2023 – II ZR 76/21, ZIP 2023, 467). Ein (Mehrheits-)Aktionär, um dessen unmittelbare Inanspruchnahme es geht, kann den dem Ersatzanspruch zugrundeliegenden Sachverhalt nicht unbefangen beurteilen. Das gilt ebenso im faktischen Konzern bei der Beschlussfassung über Ersatzansprüche gegen Organe der abhängigen Gesellschaft, wenn Beschlussgegenstand (auch) das Zusammenwirken des Mehrheitsaktionärs mit den Organen der abhängigen Gesellschaft zum Nachteil der Gesellschaft und die Veranlassung zum Abschluss eines für die Gesellschaft nachteiligen Rechtsgeschäfts zu seinen Gunsten ist. Der Mehrheitsaktionär, dem vorgeworfen wird, ein für die Gesellschaft nachteiliges Geschäft zum eigenen Vorteil veranlasst zu haben, urteilt bei der Beschlussfassung über die Geltendmachung von ErsatzansprüchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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aufgrund dieses Sachverhalts gegen die Organe der abhängigen Gesellschaft auch immer über eine „eigene Sache“ und billigt oder missbilligt damit zugleich ein eigenes (Fehl-)Verhalten. Dieses Richten in eigener Sache ist dem Mehrheitsaktionär versagt. Es liegt insofern ein typisierter Interessenkonflikt zwischen dem Sonderinteresse des Mehrheitsaktionärs und dem Gesellschaftsinteresse an der Durchsetzung von Ersatzansprüchen auch gegen ihre Organe nach den §§ 318, 93, 116 AktG vor (so auch Grigoleit/Herrler, AktG, 2. Aufl., § 147 Rn. 9; BeckOGK AktG/Mock, Stand 1.7.2023, § 147 Rn. 67.5; Schmolke, AG 2022, 192, 196). Dabei kommt es für die Frage, ob ein einheitlicher, das Stimmrecht ausschließender Beschlussgegenstand vorliegt, allein auf den sachlichen Zusammenhang der dem Aktionär einerseits und den Organen andererseits vorgeworfenen Verfehlungen und nicht darauf an, ob gegen die Beteiligten in einer bestimmten Reihenfolge, in einem Akt oder gegen jeden getrennt abgestimmt wird (vgl. BGH, Urteil vom 20. Januar 1986 – II ZR 73/85, BGHZ 98, 28, 33).15

Der Stimmrechtsausschluss gilt in gleicher Weise, wenn es darum geht, das Organ zu bestellen, das die Gesellschaft bei der Anspruchsverfolgung vertreten soll, weil von einem betroffenen Gesellschafter nicht erwartet werden kann, dass er einen Prozessvertreter auswählt und bestellt, der gegen ihn selbst die Interessen der GesellschaftBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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am entschiedensten vertritt (vgl. BGH, Urteil vom 20. Januar 1986 – II ZR 73/85, BGHZ 97, 28, 33 f.; Urteil vom 8. August 2023 – II ZR 13/22, ZIP 2023, 1986 Rn. 16 mwN).16

b) Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe hat das Berufungsgericht mit Recht ein Stimmverbot der Mehrheitsaktionärin angenommen, da Beschlussgegenstand von TOP 10 auch durch sie veranlasste pflichtwidrige Handlungen der Organe der Beklagten beim Kauf der Anteile an der C.                 S.A. sind und der ihr erwachsende finanzielle Vorteil spiegelbildlich dem der beklagten Gesellschaft als Erwerberin erwachsenden Schaden entsprechen soll. Das in diesem Sachverhalt verkörperte persönliche Interesse der Mehrheitsaktionärin schließt ihre unbefangene Stimmabgabe bei der Abstimmung über die Geltendmachung von ErsatzansprüchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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gegen die Verwaltungsmitglieder der Beklagten aus, da der Interessenkonflikt identisch ist.17

Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts war der Abschluss des Anteilserwerbs an der C.              S.A. ohne ein Zusammenwirken der Organe der Beklagten als abhängige Gesellschaft und der Mehrheitsaktionärin als herrschendes Unternehmen undenkbar. Zu dem Zusammenwirken wird im Beschlussantrag zu TOP 10 ausgeführt, die Organmitglieder der Beklagten seien „an der Vorbereitung und Umsetzung des Geschäfts als handelnde Vorstandsmitglieder bzw. bei deren unzureichender Überwachung als Aufsichtsratsmitglieder“ beteiligt gewesen und es seien von ihnen für die Bewertung des Kaufobjektes bei der Due-Diligence-Prüfung „ganz zentrale Aspekte“ „ausgespart worden“. So heißt es auch im gegen die Mehrheitsaktionärin gerichteten Geltendmachungsbeschluss der Hauptversammlung am 17. Juli 2015, „Vorstand und Aufsichtsrat haben offensichtlich, veranlasst durch den herrschenden Mehrheitsaktionär der auf den 16./17. Juli 2015 einberufenen Hauptversammlung, den Erwerb der C.        S.A. zum Kaufpreis von 34 Mio € vorgeschlagen. Der Kaufpreis ist deutlich überhöht. Dadurch soll dem herrschenden Mehrheitsaktionär auf dessen Veranlassung verdeckt Vermögen der Gesellschaft zugewendet werden. […] Die [sich] aus der Vorbereitung und Umsetzung des Hauptversammlungsbeschlusses ergebenen [gemeint: ergebenden] Ersatzansprüche der Gesellschaft insb. wegen des Über-Wert-Erwerbes sind geltend zu machen“ (vgl. BGH, Urteil vom 30. Juni 2020 – II ZR 8/19, BGHZ 226, 182 Rn. 3).18

2. Ohne Rechtsfehler hat das Berufungsgericht auf die positive Beschlussfeststellungsklage festgestellt, dass in der Hauptversammlung der Beklagten am 21. Juli 2016 die unter TOP 10 zur Abstimmung gestellten Beschlüsse gefasst worden sind.19

a) Der Beschluss zu TOP 10 ist hinreichend bestimmt. Ein Geltendmachungsbeschluss nach § 147 Abs. 1 AktG ist dann hinreichend bestimmt, wenn er im Einzelnen umreißt, worin die Pflichtverletzung und der Tatbeitrag der Mitglieder des Vorstands oder des Aufsichtsrats bestehen soll, gegen die Ersatzansprüche der Gesellschaft geltend gemacht werden sollen. Es kommt nicht darauf an, ob die Anspruchsverfolgung Aussicht auf Erfolg hat.20

Der Lebenssachverhalt, auf den der geltend zu machende Ersatzanspruch gestützt wird, muss in einem Geltendmachungsbeschluss gemäß § 147 Abs. 1 Satz 1 AktG ausreichend klar und konkret beschrieben sein, damit Vorstand und Aufsichtsrat bzw. der besondere Vertreter den Umfang ihres Mandats erkennen können und die Gerichte – im Falle der Bestellung eines besonderen Vertreters – dessen Vertretungsmacht zu prüfen in der Lage sind (BGH, Urteil vom 30. Juni 2020 – II ZR 8/19, BGHZ 226, 182 Rn. 24 mwN). Geht es um die Geltendmachung von ErsatzansprüchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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gegen Gesellschafter oder Geschäftsführer einer Gesellschaft mit beschränkter HaftungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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, so reicht es nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs grundsätzlich aus, dass der die Abstimmung beantragende Gesellschafter im Einzelnen umreißt, worin die Pflichtverletzung und der Tatbeitrag der einzelnen Mitgesellschafter besteht. Es kommt nicht darauf an, ob die Anspruchsverfolgung Aussicht auf Erfolg hat (BGH, Urteil vom 20. Januar 1986 – II ZR 73/85, BGHZ 97, 28, 36; Urteil vom 30. Juni 2020 – II ZR 8/19, BGHZ 226, 182 Rn. 29; Urteil vom 8. August 2023 – II ZR 13/22, ZIP 2023, 1986 Rn. 19). Es würde die Durchsetzung der Ersatzansprüche unzumutbar erschweren, wenn schon im Anfechtungsprozess und mangels Rechtskrafterstreckung im nachfolgenden prozess nochmals gerichtlich geklärt werden müsste, ob der Haftungsgrund besteht (BGH, Urteil vom 20. Januar 1986 – II ZR 73/85, BGHZ 97, 28, 36; Urteil vom 8. August 2023 – II ZR 13/22, ZIP 2023, 1986 Rn. 19).21

Diese zu § 46 Nr. 8 GmbHG entwickelten Anforderungen an die Tatsachengrundlage eines Geltendmachungsbeschlusses sind auf § 147 Abs. 1 Satz 1 AktG zu übertragen (noch offengelassen in BGH, Urteil vom 30. Juni 2020 – II ZR 8/19, BGHZ 226, 182 Rn. 29). Auch in der Aktiengesellschaft würde die Durchsetzung von Ersatzansprüchen sonst unzumutbar erschwert. Ein sachlicher Grund für eine davon abweichende Behandlung ist nicht ersichtlich.22

b) Pflichtverletzung und Tatbeitrag der Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats sind wie auch der dadurch verursachte Schaden im Einzelnen umrissen. Danach hat die Beklagte durch Tochtergesellschaften 100% der Anteile an der C.            S.A. zum Kaufpreis von € 34 Mio. von der L.    Gruppe erworben. Dadurch sei der herrschenden Mehrheitsaktionärin auf deren Veranlassung verdeckt Vermögen der Gesellschaft zugewendet worden, weil der Kaufpreis deutlich überhöht gewesen sei. Im Beschlussantrag zu TOP 10 wird weiter ausgeführt, die Organmitglieder der Beklagten seien „an der Vorbereitung und Umsetzung des Geschäfts als handelnde Vorstandsmitglieder bzw. bei deren unzureichender Überwachung als Aufsichtsratsmitglieder“ beteiligt gewesen und es seien von ihnen für die Bewertung des Kaufobjektes bei der Due-Diligence-Prüfung „ganz zentrale Aspekte“ „ausgespart worden“.23

Die von der Revision gegen die Feststellung des Beschlusses zu TOP 10 erhobenen Verfahrensrügen hat der Senat geprüft, aber nicht für durchgreifend erachtet (§ 564 Satz 1 ZPO). Ebenso wenig liegt ein Verstoß der Klägerin gegen ihre gesellschafterliche Treuepflicht wegen der Person des bestellten besonderen Vertreters vor.

Konzernrecht Aktienrecht

Schlagworte: faktischer Konzern, Stimmrechte, Stimmrechtsausschluss, Stimmverbot

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