Archiv für die Kategorie „OLG Brandenburg“

OLG Brandenburg, Urteil vom 17.01.2024 – 7 U 36/21

Mittwoch, 17. Januar 2024

Wettbewerbsverbot VorstandBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Vorstand
Wettbewerbsverbot
Wettbewerbsverbot Vorstand

§ 88 Abs. 3 AktG

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Neuruppin vom 29.01.2021,  Az. 7 O 2/21, wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der Kosten der Streithelferin zu tragen.

3. Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem jeweiligen Urteil zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe

Die Klägerin betreibt ein Unternehmen, das sich überwiegend mit der Vermittlung, der Verwertung, dem Erwerb, der Veräußerung sowie der Verwaltung von Immobilien befasst. Sie wurde im Jahr 2002 vom Beklagten und („Name 01“), der bis heute Vorstand der Klägerin ist, gegründet und am 11.06.2002 in das Handelsregister eingetragen. Auch der Beklagte war zum Vorstand bestellt. Er übte seine Tätigkeit aufgrund eines Dienstvertrages aus, der am 28.05.2002 geschlossen worden war.

Im August 2012 – wann genau ist streitig – konfrontierte („Name 01“) den Beklagten mit dem Verdacht, dass der Beklagte zum Nachteil der Klägerin Eigengeschäfte vorgenommen habe. In einer am 24.08.2012 geschlossenen notariell beurkundeten Vereinbarung erklärte der Beklagte, sein Vorstandsamt niedergelegt zu haben. Er stimmte der Beendigung seines Dienstvertrages unter Verzicht auf Versorgungs- und Abfindungsansprüche gegen Verzicht auf etwaige Schadensersatzansprüche der Klägerin zu. Ferner erklärte er, seine Aktien an der Klägerin auf („Name 02“) und seine Anteile an der („Firma 01“) auf („Name 01“) zu übertragen. Der Beklagte focht diesen Vertrag an. Seine auf Feststellung der Unwirksamkeit des Vertrages und Feststellung seiner Eigenschaft als Aktionär der Klägerin und als Gesellschafter der („Firma 01“) über den 24.08.2012 hinaus gerichtete Klage gegen („Name 01“) und („Name 02“) hat das Landgericht („Ort 03“) durch Urteil vom 30.05.2013 abgewiesen (95 O 96/12). Auf die Berufung des hier Beklagten ist das Urteil durch Urteil des Kammergerichts vom 07.05.2015 abgeändert und die beantragten Feststellungen sind tenoriert worden. Die dagegen gerichtete Nichtzulassungsbeschwerde ist durch Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 23.02.2016 – VIII ZR 132/15 – zurückgewiesen worden.

Im hier geführten Klageverfahren macht die Klägerin gegen den Beklagten Schadensersatzansprüche wegen des unberechtigten Einzuges von Provisionen durch den Beklagten für Geschäfte der Klägerin sowie den nicht vom Aufsichtsrat der Klägerin genehmigten Erwerb von Immobilien durch den Beklagten geltend.

Sie hat behauptet, der Beklagte sei nicht berechtigt gewesen, im Zeitraum zwischen Oktober 2002 und Mai 2005 Provisionen für die Vermittlung der Eigentumswohnungen („Adresse 01“), („Adresse 06“) und („Adresse 02“) in („Ort 01“) zu vereinnahmen. Diese Provisionen, die sich auf insgesamt 270.517,94 € beliefen, hätten ihr zugestanden.

Zudem hat sie behauptet, die vom Beklagten in den Jahren 2010 bis 2012 erworbenen Eigentumswohnungen, nämlich drei Wohnungen in der („Adresse 03“) in („Ort 02“), vier Wohnungen in der („Adresse 04“) in („Ort 02“) und eine Wohnung in der („Adresse 05“) in („Ort 03“) habe er ohne Kenntnis und Genehmigung des Vorstandes angekauft. Sie hätte die Immobilien erwerben wollen und sei dazu auch wirtschaftlich in der Lage gewesen. Ihr seien infolgedessen Mieteinnahmen und Veräußerungsgewinne entgangen, woraus ein Schaden in Höhe von 642.013,52 € resultiere.

Sie hat zuletzt die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung von 912.531,46 € nebst Zinsen beantragt, hilfsweise die Verurteilung des Beklagten, die für die Übertragung der Wohnung in der („Adresse 05“) in („Ort 03“) und der drei Wohnungen in der („Adresse 04“) in („Ort 02“) notwendigen Erklärungen abzugeben und im Übrigen Schadensersatz in Höhe von 504.731,46 € zu zahlen.

Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat Klageabweisung beantragt. Er hat eingewandt, dass die Klageerhebung unzulässig sei, weil der Aufsichtsrat der Klägerin nicht wirksam über die Inanspruchnahme eines früheren Vorstandsmitglieds entschieden habe und der Vorsitzende des Aufsichtsrates („Name 03“) die erstinstanzlich tätige Rechtsanwaltskanzlei („Name 04“), die Streithelferin, nicht wirksam bevollmächtigt habe. Er hat die Einrede der Verjährung erhoben und eingewandt, seine Vermittlungstätigkeit in den Jahren 2002 bis 2005 sei auf der Grundlage von Vertriebsvereinbarungen erbracht worden, die er bereits vor der Gründung der Klägerin geschlossen habe. Der Erwerb der im Einzelnen bezeichneten Eigentumswohnungen der Klägerin sei für die Klägerin nicht von Interesse gewesen, weil sie die Wohnungen entweder für zu teuer gehalten habe oder finanziell gar nicht in der Lage gewesen wäre, den Erwerb zusätzlich zu den bereits von ihr erworbenen Immobilien zu vollziehen.

Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes im Einzelnen und der erstinstanzlich gestellten Anträge wird auf den Tatbestand und die tatsächlichen Feststellungen in der angefochtenen Entscheidung verwiesen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Klage sei zulässig, da der Aufsichtsrat als zuständiges Gremium durch Beschluss vom 01.07.2015 die Beauftragung und Bevollmächtigung der Streithelferin mit der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen die Beklagte beschlossen habe. Darin liege zugleich die Entscheidung, Klage zu erheben, sofern die Vergleichsverhandlungen scheiterten. Dass eine solche Beschlussfassung in einer Telefonkonferenz am 01.07.2015 getroffen wurde, sei nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme aufgrund der Angaben des Zeugen („Name 01“) bewiesen. Der Feststellung und Verkündung des Abstimmungsergebnisses habe es nicht bedurft, weil die Mitglieder des Aufsichtsrates ihre Stimmen in der Telefonkonferenz abgegeben und so umgehend über das Ergebnis der Abstimmung unterrichtet gewesen seien.

Die Mitglieder des Aufsichtsrates seien auch wirksam gewählt worden. Auch insoweit hätten die Angaben des Zeugen („Name 01“) den klägerischen Vortrag zu den Vorgängen um das Ausscheiden von Herrn („Name 05“) aus dem Aufsichtsrat und die Bestellung von Herrn („Name 03“), Herrn („Name 06“) und Herrn („Name 07“) bestätigt. Auch die Angaben des Zeugen („Name 01“) zum Inhalt und zur Führung des Aktienbuches seien nachvollziehbar und hätten den Inhalt der Eintragungen und die Angaben in den vorgelegten Unterlagen plausibel gemacht. Soweit der Beklagte eingewandt habe, er sei zur Hauptversammlung am 31.08.2012 nicht geladen worden, sei dies nicht erheblich, weil er jedenfalls zum Zeitpunkt der Hauptversammlung am 17.12.2012, in der die wahl der Aufsichtsratsmitglieder wiederholt worden sei, nicht mehr in das Aktienbuch eingetragen gewesen sei. Dies sei maßgeblich gewesen, auch wenn die Übertragung der Aktien des Beklagten unwirksam gewesen sei.

Unerheblich sei auch, ob die Niederlegung des Amtes durch Herrn („Name 05“) vor dem 31.08.2012 wirksam gewesen sei. Denn auch bei Fortgeltung der Mitgliedschaft im Aufsichtsrat am 31.08.2012 sei mit der Neuwahl von Herrn („Name 07“) die gesetzliche Höchstzahl der Aufsichtsratsmitglieder nicht überschritten gewesen. Die Überschreitung der in der Satzung bestimmten Höchstzahl der Mitglieder begründe nicht die Unwirksamkeit des Beschlusses über der Bestellung eines Aufsichtsratsmitgliedes. Zudem sei auch nach dem Vortrag des Beklagten nicht dargelegt, dass Herr („Name 05“) bei der Beschlussfassung am 01.07.2015 noch Mitglied des Aufsichtsrates gewesen sei. Das frühere Aufsichtsratsmitglied („Name 08“) sei bereits im Jahr 2010 aus dem Aufsichtsrat ausgeschieden. Die Aufsichtsratsmitglieder („Name 06“) und („Name 07“) hätten ihre wahl auch wirksam angenommen. Die Erklärung hätten sie nach den Bekundungen des Zeugen („Name 01“) bereits vor ihrer wahl abgegeben. Die Annahme des Amtes vor Durchführung der wahl sei zulässig. Andere Mängel der Beschlussfassung über die Klageerhebung lägen ebenso wenig vor, auch die Vollmachtserteilung gegenüber den Prozessbevollmächtigten habe wirksam durch Herrn („Name 01“) allein erteilt werden können.

Die Klage sei aber unbegründet, weil die von der Klägerin erhobenen Ansprüche verjährt seien. Die den Anspruch begründenden Handlungen eines Provisionsbetruges seien spätestens bis Mai 2005 begangen worden. Die Verjährungsfrist habe daher im Mai 2015 geendet und sei bis zu diesem Zeitpunkt weder gehemmt worden, noch habe sie neu begonnen. Die von dem Aufsichtsratsvorsitzenden („Name 01“) geführten Verhandlungen seien ohne Vollmacht des Aufsichtsrates geführt worden. Die Satzungsregelung in § 12 Abs. 6 regele lediglich die Befugnis, Beschlüsse des Aufsichtsrates umzusetzen, begründe aber keine Einzelvertretungsbefugnis. Ein Beschluss über die Aufnahme von Vergleichsgesprächen habe im Mai 2015 nicht vorgelegen. Die von Herrn („Name 03“) geführten Verhandlungen hätten auch nicht infolge der später erklärten Genehmigung den Lauf der Verjährungsfrist gehemmt. Die Genehmigung wirke vielmehr erst ab dem Zeitpunkt ihrer Erteilung verjährungshemmend. Der Beklagte habe die geltend gemachten Ansprüche auch nicht anerkannt.  Etwaige am 24.08.2012 abgegebene Erklärungen seien nach der ersten Konfrontation mit den streitigen Pflichtverletzungen und ohne längere Überlegung geäußert und seien nicht gegenüber der Klägerin abgegeben worden. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass sich der Beklagte der ihn treffenden Ansprüche der Klägerin bewusst gewesen sei.

Es habe auch keine unklare Rechtslage bestanden, die es gerechtfertigt hätte, den Verjährungsbeginn hinauszuschieben. Die Klägerin habe, auch wenn die Wirksamkeit der Vereinbarung vom 24.08.2012 noch im Streit gestanden haben, vorsorglich Schritte unternehmen können, um den Lauf der Verjährungsfrist zu hemmen.

Ansprüche wegen eines Ankaufsbetruges seien ebenfalls verjährt.  Zu Ansprüchen aus § 88 Abs. 1 AktG habe die Klägerin erst nach der mündlichen Verhandlung vorgetragen, die Voraussetzungen für eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung lägen insoweit nicht vor. Ansprüche aus der Geschäftschancenlehre seien ebenfalls verjährt, weil auch insoweit die kurze Verjährungsfrist des § 88 Abs. 3 AktG gelte. Diese habe zu laufen begonnen, da der Vorstand („Name 03“) jedenfalls am 24.08.2012 umfassend informiert war und die übrigen Aufsichtsratsmitglieder jedenfalls am 03.12.2012 hätte informieren können. Zu diesem Zeitpunkt seien die Ansprüche auch bereits entstanden, da der Beklagte Kaufverträge abgeschlossen und damit die Erwerbsaussichten der Klägerin erheblich verschlechtert habe. Der Lauf der Verjährungsfrist sei nicht durch Vergleichsverhandlungen gehemmt worden, etwaige Verhandlungen von Herrn („Name 03“) hätten diese Wirkung nicht, da er vom Aufsichtsrat nicht zur Führung von Vergleichsverhandlungen ermächtigt worden sei. Erst mit dem Schreiben vom 20.07.2015 könne man davon ausgehen, dass Vergleichsverhandlungen geführt werden sollten; diese Verhandlungen seien indes Ende 2015 nicht mehr fortgeführt worden. Die Einreichung des Güteantrages habe auf den Lauf der Verjährungsfrist nicht im Sinn der Aufnahme von Vergleichsverhandlungen Einfluss gehabt, weil der Beklagte Vergleichsverhandlungen zu diesem Zeitpunkt abgelehnt habe. Bis zum Ablauf der Verjährungsfrist seien die Vergleichsverhandlungen nicht wieder aufgenommen worden.

Die Einreichung des Güteantrages habe auch nicht für sich genommen die Verjährungsfrist unterbrochen. Denn der Antrag habe den formalen Anforderungen nicht genügt, insbesondere sei die Vollmacht des Prozessbevollmächtigten nicht von sämtlichen Aufsichtsratsmitgliedern unterzeichnet gewesen, was zur wirksamen Hemmung der VerjährungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Hemmung
Hemmung der Verjährung
Verjährung
aber erforderlich gewesen wäre. Die Vollmachtserteilung müsse für die Gütestelle vor Zustellung des Antrags vollständig nachvollziehbar sein.

Ansprüche aus § 823 Abs. 2 BGB, § 266 StGB wären demgegenüber zwar nicht verjährt. Insoweit sei aber die Klägerin darlegungs- und beweispflichtig insbesondere auch für ein vorsätzliches Handeln des Beklagten. Die Klägerin habe insoweit keine ausreichenden Umstände vorgetragen, die die Einwendung des Beklagten, er sei stets davon ausgegangen, dass die Klägerin die betreffenden Objekte nicht habe erwerben wollen oder können, zu widerlegen geeignet seien. Ergänzender Vortrag hierzu nach Schluss der mündlichen Verhandlung vom 04.11.2020 gebiete keine Wiedereröffnung, da die Klägerin nicht beantragt habe, zum Vorsatz des Beklagten ergänzend vortragen zu dürfen.

Ergänzend wird auf die Ausführungen in den Entscheidungsgründen Bezug genommen.

Gegen das am 11.02.2021 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 08.03.2021 Berufung eingelegt, die sie nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 11.05.2021 am 07.05.2021 begründet hat.

Mit ihrer Berufung macht die Klägerin geltend: Das Landgericht habe den von ihrem Aufsichtsrat am 03.12.2012 (Anl K103) gefassten Beschluss missverstanden. Der Beschluss habe nicht die Beauftragung und Bevollmächtigung von Rechtsanwalt („Name 03“) mit der Verteidigung gegen die Anfechtungsklage des Beklagten betroffen. Diese Klage sei vielmehr gegen die Eheleute („Name 01“) als Vertragspartner der Vereinbarung vom 24.08.2012 gerichtet gewesen. Die Klägerin sei nicht Partei gewesen und habe daher weder über die Bevollmächtigung noch über die Beauftragung eines Rechtsanwaltes zu entscheiden gehabt. Gegenstand der Beschlussfassung sei vielmehr die Beauftragung des Rechtsanwaltes zur Bearbeitung aller im Zusammenhang mit der Anfechtung der Vereinbarung vom 24.08.2012 stehenden Rechtsfragen gewesen. Es habe eine Gesamtverhandlung und eine Gesamteinigung getroffen werden sollen. Herr („Name 03“) sei infolgedessen zur Führung von Verhandlungen mit dem Beklagten seitens der Klägerin bevollmächtigt gewesen.

Das Landgericht habe zudem nicht zutreffend gewürdigt, dass die Tätigkeit von Herrn („Name 03“) im Zusammenhang mit der Durchsetzung der Schadensersatzansprüche gegen den Beklagten durch Beschlüsse vom 15.12.2015 (Anl K34) und vom 02.08.2016 (Anl K35) sowie vom 30.01.2017 (Anl K36) genehmigt worden sei. Die Genehmigung wirke zurück. Dies gelte auch, soweit die Verhandlungen die Hemmung der VerjährungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Hemmung
Hemmung der Verjährung
Verjährung
bewirken sollten.

Verhandlungen seien seit dem 24.08.2012 geführt worden. Nachdem der Beklagte mit den gegen ihn erhobenen Vorwürfen konfrontiert worden sei, habe er erklärt, dass er sich nicht mehr mit dem Unternehmen identifiziere und bereit sei, es zu verlassen, wenn er ein gutes Angebot erhielte. Sodann sei die notariell beurkundete Vereinbarung geschlossen worden, die eine Gesamtregelung der Angelegenheit dahin enthalten habe, dass der Beklagte auf Ansprüche als Aktionär und Gesellschafter verzichtete und Herr („Name 01“) und die Klägerin ihn von Ansprüchen in „aktienrechtlichen“ und „OHG-rechtlichen“ Angelegenheiten freistellten. Weitere Verhandlungen folgten am 11.03.2013 vor dem LG („Ort 03“) und am 27.04.2014 (Anl K81) zwischen dem Beklagten, Herrn   („Name 03“) und Herrn („Name 01“). Hier habe der Beklagte einen Einigungsvorschlag unterbreitet. Auch in der Folgezeit, nämlich seit dem 05.08.2015, seien weitere Verhandlungen geführt worden. Dies habe sich bis zum 12.04.2018 fortgesetzt, wie er im Einzelnen unter Wiederholung des erstinstanzlichen Vortrages ausführt.

Zu Unrecht habe das Landgericht aber auch angenommen, dass der Lauf der Verjährungsfrist im Monat Mai 2005 begonnen habe. Tatsächlich sei der Beginn der Verjährungsfrist wegen unklarer Rechtslage herausgeschoben gewesen. Die Rechtslage zur Frage, ob die Klägerin wirksam auf Ansprüche gegen den Beklagten verzichtet habe, sei unsicher und auch für den Rechtskundigen nicht zuverlässig zu beantworten gewesen. Sie sei insbesondere nicht in der Lage gewesen, ihre Rechte zumindest durch Erhebung einer Feststellungsklage geltend zu machen. Sie hätte sich in diesem Fall dem Vorwurf widersprüchlichen Verhaltens ausgesetzt, weil im Verfahren vor dem LG („Ort 03“) vertreten worden sei, dass die Vereinbarung vom 24.08.2012 wirksam gewesen sei. Erst mit Rechtskraft des Urteils des Kammergerichts am 07.05.2015 sei Rechtssicherheit eingetreten und sie habe die Ansprüche geltend machen können. Sie habe auch nicht ihrerseits zuvor erkennen müssen, dass die Vereinbarung unwirksam sei. Sowohl der beurkundende Notar als auch das LG („Ort 03“) seien – mit ihr  – von der Wirksamkeit ausgegangen.

Die Verjährungsfrist sei schließlich durch den Gütestellenantrag gehemmt worden, der am 31.12.2015 vorab per Fax und sodann per Post gestellt worden sei. Der Antrag sei unter Vorlage der Vollmacht – per Post im Original – erhoben worden. Soweit das Landgericht der Auffassung sei, auch die Wirksamkeit der Vollmacht habe mit dem Antrag nachgewiesen werden müssen, seien diese Anforderungen an die Zulässigkeit eines Gütestellenantrages nicht zu stellen. Vergleichbar der Rechtslage bei Einreichung eines Mahnbescheidsantrages sei für die verjährungshemmende Wirkung des Antrags bei demnächst erfolgender Zustellung maßgeblich, dass der erhobene Anspruch klar zutage trete. Herr Rechtsanwalt („Name 03“) sei als Aufsichtsratsvorsitzender gemäß § 12 Abs. 6 der Satzung der Klägerin befugt gewesen, den Aufsichtsratsbeschluss vom 15.12.2015 auszuführen. Dies sei für die Gütestelle erkennbar gewesen, da die Satzung mit eingereicht worden sei. Sie sei nicht verpflichtet gewesen, den vollständigen Nachweis einer Bevollmächtigung durch vorherige Beschlussfassung bereits mit der Antragsschrift zu führen. Die Vorlage der Vollmacht beruhe auf einer „Sollvorschrift“. Der Nachweis einer Vertretungskette müsse nicht geführt werden. Dem entsprechend habe die Gütestelle sie auch nicht zu ergänzendem Vortrag aufgefordert, sondern den Antrag zugestellt. Damit sei die Wirkung der Hemmung der VerjährungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Hemmung
Hemmung der Verjährung
Verjährung
eingetreten. Das Landgericht habe an die Zulässigkeit des Antrags zu hohe Anforderungen gestellt. Es hätte zudem bei Zweifeln an ihrer Rechtsauffassung den als Zeugen benannten Mediator Herrn („Name 09“) hören müssen. Im Übrigen könne der Nachweis der Wirksamkeit des Antrages auch noch nach Einreichung nachgeholt werden und lasse die Wirkung der Einreichung des Antrages analog § 167 ZPO nicht entfallen.

Schließlich läge entgegen der Rechtsauffassung des Landgerichts mit dem Abschluss der Vergleichsvereinbarung auch ein Anerkenntnis ihrer Ansprüche vor, das den Lauf der Verjährungsfrist habe neu beginnen lassen.

Hinsichtlich des Ankaufsbetruges habe das Landgericht fehlerhaft § 88 AktG und die in § 88 Abs. 3 AktG geregelte Verjährungsfrist angewendet. Voraussetzung der Anwendbarkeit dieser Vorschrift sei der Betrieb eines Handelsgeschäfts durch ein Vorstandsmitglied bzw. der Abschluss eines Geschäfts im Geschäftszweig der Gesellschaft. Beides liege nicht vor. Der Beklagte habe jeweils im Namen der Klägerin gehandelt und daher kein eigenes Geschäft betrieben. Das Ausnutzen konkreter Geschäftschancen der Klägerin zum eigenen Vorteil unterliege nicht der Regelung des § 88 Abs. 1 AktG. Auch sei das Landgericht zu Unrecht davon ausgegangen, dass § 93 AktG nicht anwendbar sei.

Der Beklagte habe schließlich auch eine Untreue im Sinn des § 266 StGB begangen, da er das Vermögen der Klägerin, zu welchem auch die Kunden und Kundenkontakte gehörten, nicht im Interesse der Klägerin behandelt, sondern zu seinem eigenen Vorteil genutzt habe. Die Provisionsansprüche hätten der Klägerin aufgrund der geschlossenen Verträge zugestanden. Die Überweisung eines Teils der Provisionen an sich sei mithin pflichtwidrig gewesen.

Bei Ankauf von Immobilien habe er zunächst im Namen der Klägerin verhandelt und sodann kurz vor Abschluss des Vertrages den Kauf im eigenen Namen getätigt. Auch insoweit habe er sich treuwidrig verhalten, indem er das gewinnbringende Geschäft selbst ausgeführt habe. Er habe auch vorsätzlich gehandelt. Dies ergebe sich daraus, dass er keine Erlaubnis der Klägerin eingeholt habe und zudem zu verschleiern suchte, dass er Objekte erworben habe. Er habe dem Mitaktionär vielmehr berichtet, dass der Ankauf gescheitert sei. Nach ihrer Auffassung habe er damit zugleich eine unerlaubte Handlung durch Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb sowie eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung begangen. Soweit das Landgericht davon ausgegangen sei, dass zum Vorsatz des Beklagten nicht ausreichend vorgetragen worden sei, hätte es sie darauf hinweisen und ihr Gelegenheit zur Stellungnahme geben müssen, jedenfalls aber die mündliche Verhandlung wiedereröffnen müssen. Sofern sie einen Hinweis erhalten hätte, dass es darauf ankäme, wie der Beklagte den Erwerbern den Eindruck erweckte, sie verkauften nicht an ihn, hätte sie näher ausgeführt, wie der Beklagte gegenüber den Verkäufern zunächst im Namen der Klägerin aufgetreten sei, die notariellen Verträge dann aber so habe erstellen lassen, dass er selbst als Käufer aufgetreten sei. Er habe dem Vorstand der Klägerin jeweils berichtet, dass der Ankauf gescheitert sei.

Die Ansprüche seien auch nicht verjährt. Hinsichtlich des Erwerbs der Immobilien sei auf den Abschluss des Erwerbs durch den Beklagten, also auf die Eigentumsumschreibung im Grundbuch abzustellen.

Die Streithelferin macht geltend, das Landgericht habe den Verjährungseintritt in beiden Komplexen unrichtig beurteilt. Der Beginn der Verjährungsfrist zum Komplex „Provisionsbetrug“ sei solange herausgeschoben gewesen, bis rechtskräftig entschieden gewesen sei, dass die Vereinbarung vom 24.08.2012 unwirksam sei. Die Rechtslage sei unklar gewesen, wie sich aus den einander entgegenstehenden Entscheidungen des Landgerichts („Ort 03“) und des Kammergerichts im Verfahren über die Wirksamkeit der Vereinbarung vom 24.08.2012 ergebe. Erst mit Rechtskraft der Entscheidung durch den Beschluss des BGH vom 23.02.2016 habe die Verjährungsfrist zu laufen begonnen, mithin erst mit Ablauf des 31.12.2016. Der Lauf einer früher beginnenden Verjährungsfrist sei durch den Antrag an die Gütestelle vom 31.12.2015 auch gehemmt worden. Unzutreffend sei das Landgericht davon ausgegangen, dass im Verfahren vor der Gütestelle eine Vollmacht des Aufsichtsratsvorsitzenden („Name 03“) nicht nachgewiesen worden sei. Damit setze es sich in Widerspruch zu seinen Ausführungen zur Zulässigkeit der Klage. Auch der unzulässige Antrag hätte im Übrigen verjährungshemmende Wirkung. Dies müsse für das Gütestellenverfahren entsprechend der Rechtslage im Klageverfahren beurteilt werden. Schließlich habe das Landgericht den Vortrag der Klägerin zu geführten Verhandlungen verkannt, auf den sie im Einzelnen verweist.

Die Klägerin und die Streithelferin beantragen,

das am 29. Januar 2021 verkündete Urteil des Landgerichts Neuruppin, Az.: 7 O 2/21 (ehemals 6 O 43/16) abzuändern und

1. den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 912.531,46 EUR nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

2. hilfsweise

a. den Beklagten zu verurteilen, unter Sicherstellung der lastenfreien Übertragung

aa. die Eigentumswohnung (49/1.000 Miteigentumsanteil an dem Grundstück Flur ,,,, Flurstück ,,,, („Adresse 05“), verbunden mit dem Sondereigentum an der Wohnung Nr. 21), Grundbuch … (Wohnungsgrundbuch), Blatt …, geführt beim Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg,

bb. die Eigentumswohnung (29,88/1.000 Miteigentumsanteil an dem Grundstück Flurstück …, („Adresse 04“), Flurstück …, verbunden mit dem Sondereigentum an der Wohnung nebst Kellerraum, im Aufteilungsplan mit Nr. 9 bezeichnet), Grundbuch … (Wohnungsgrundbuch), Blatt …, geführt beim Grundbuchamt Leipzig,

cc. die Eigentumswohnung (29,96/1.000 Miteigentumsanteil an dem Grundstück Flurstück …, („Adresse 04“), verbunden mit dem Sondereigentum an der Wohnung nebst Kellerraum, im Aufteilungsplan mit Nr. 14) Grundbuch … (Wohnungsgrundbuch), Blatt … , geführt beim Grundbuchamt Leipzig,

dd. hälftigen 4,89/1.000 – Miteigentumsanteil an dem Grundstück Flurstück …, („Adresse 04“) , Flurstück … verbunden mit dem Sondereigentum an dem Vierfach-Parker, im Aufteilungsplan mit Nr. 23 bezeichnet) Grundbuch … (Teileigentumsgrundbuch), Blatt …, geführt beim Grundbuchamt Leipzig,

an sie aufzulassen und die Eigentumsumschreibung im Grundbuch zu bewilligen;

b. unter Aufrechterhaltung des Hilfsantrags zu 2a den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 504.731,46 EUR nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen;

höchst hilfsweise,

das Urteil des Landgerichts Neuruppin vom 29.01.2021 – 7 O 2/21 aufzuheben und den Rechtsstreit an das Landgericht Neuruppin zur erneuten Verhandlung zurückzuverweisen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er wendet ein: Die Überweisung von Provisionen an ihn sei nicht rechts- oder absprachewidrig gewesen. Die Klägerin habe von dem damaligen Aufsichtsratsvorsitzenden („Name 10“), der Eigentümer der von der Klägerin genannten Objekte gewesen sei, Provisionen erhalten. Die Klägerin habe auch gewusst, dass der Beklagte seinerseits eine Provision erhalten habe.

Hinsichtlich des Ankaufs verschiedener Objekte habe die Klägerin den Schaden im Lauf des Verfahrens unterschiedlich beziffert, insbesondere den Güteantrag in geringerer Höhe (444.500 €) gestellt, als sie dies im hier geführten Verfahren getan habe. Insoweit sei jedenfalls der Anspruch verjährt. Sie habe es aber auch versäumt, den Schaden substantiiert darzulegen, der ihr abzüglich der mit dem Erwerb und der Veräußerung verbundenen Kosten entstanden sei.

Die Vereinbarung vom 24.08.2012 sei nicht ausführlich verhandelt worden. Vielmehr habe („Name 01“) sich Zugang zu seinem Büro verschafft und Unterlagen eingesehen. Er habe ihn sodann – entgegen der angekündigten Tagesordnung und für ihn überraschend – am 24.08.2012 über Rechtsanwalt („Name 03“) als Aufsichtsratsvorsitzenden mit den erhobenen Vorwürfen konfrontiert und mit einer bereits vorbereiteten Strafanzeige und daraus folgenden Haftstrafe gedroht. Er habe ihn noch am selben Tag zum Notar gebracht und die notarielle Vereinbarung vorbereiten lassen, die er dann unter dem Eindruck der Drohungen unterzeichnet habe. Er verteidigt die Ausführungen des Landgerichts zum Fehlen einer Vollmacht von Rechtsanwalt („Name 03“) zur Führung von Vergleichsgesprächen und dazu, dass konkrete Verhandlungen zwischen den Parteien auch während des Verfahrens vor dem Landgericht („Ort 03“) und dem Kammergericht nicht geführt worden seien. Die Klägerin könne sich auch nicht auf einen späteren Verjährungsbeginn wegen schwieriger Rechtslage berufen. Die Rechtslage sei nicht schwierig und die Einleitung von verjährungshemmenden Maßnahmen sei zumutbar gewesen. Er verteidigt auch die Rechtsausführungen des Landgerichts dazu, dass das Güteverfahren, das die Klägerin eingeleitet hatte, wegen formeller Mängel keine verjährungshemmende Wirkung habe entfalten können. Schließlich sei der Abschluss eines Vergleichs auch nicht als Anerkenntnis auszulegen.

Soweit die Klägerin behauptet, er habe ohne Absprache mit ihr Grundstücke angekauft, finde § 88 AktG keine Anwendung. Der Vortrag sei von der Klägerin geändert worden; nachdem sie zunächst angegeben habe, er habe in eigenem Namen mit den Kunden verhandelt, behaupte sie nun, er habe in ihrem Namen gehandelt und kurz vor Kaufvertragsabschluss eine Änderung des Erwerbers herbeigeführt. Dieser Vortrag sei unzutreffend. Aber selbst wenn man der klägerischen Argumentation folge, sei davon auszugehen, dass die Verjährungsvorschrift aus § 88 Abs. 3 AktG auch auf Ansprüche nach der sogenannten „Geschäftschancenlehre“ Anwendung finde. Ein Anspruch ergebe sich schließlich auch nicht aus § 93 Abs. 1 AktG. Zu Recht sei das Landgericht davon ausgegangen, dass ein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB, § 266 Abs. 1 StGB nicht begründet sei, weil der subjektive Tatbestand nicht erfüllt sei. Er habe erstinstanzlich ausführlich dargestellt, dass die Klägerin in den Jahren 2010 bis 2012 finanziell zum Erwerb nicht in der Lage gewesen wäre, die Objekte zu erwerben. Zudem habe ihre Gesamtausrichtung es ihr nicht erlaubt, die Objekte in vertretbarer Zeit zu veräußern und dadurch Gewinne zu erzielen. Geschäftschancen seien zudem nicht vom Vermögensbegriff geschützt. Andere Ansprüche aus unerlaubter Handlung seien wegen fehlenden Vorsatzes ebenso wenig begründet.

Ergänzend wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen. Der Senat hat Beweis erhoben. Hinsichtlich des Inhalts und des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Beweisbeschluss vom  01.12.2021 (Bl. 1522) und das Protokoll der Beweisaufnahme vom 18.05.2022 (Bl. 1653) verwiesen.

II.

Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Die Klägerin kann Ansprüche wegen vom Beklagten vereinnahmter Provisionen nach Eintritt der Verjährung nicht mit Erfolg geltend machen. Ansprüche wegen des Eigenerwerbs von Wohnungen während der Tätigkeit des Beklagten für sie sind nicht begründet, weil die Klägerin nicht zur Überzeugung des Senats bewiesen hat, dass die finanzielle Möglichkeit zum Erwerb dieser Wohnungen im Erwerbszeitpunkt bestand und ihr daher ein Schaden entstanden ist.

1.

Die Berufung ist zulässig, die klägerischen Prozessbevollmächtigten sind wirksam vom Aufsichtsrat der Klägerin bevollmächtigt worden.

Der Aufsichtsrat hat über die erstinstanzliche gerichtliche Inanspruchnahme des Beklagten als ehemaligem Vorstandsmitglied entschieden und den Aufsichtsratsvorsitzenden beauftragt, alle zur Geltendmachung erforderlichen Maßnahmen vorzunehmen (Anl K 53). Davon ist die Befugnis zur Erteilung einer Vollmacht an einen Rechtsanwalt erfasst.

Bei der Prozessführung einer Aktiengesellschaft gegen ein Vorstandsmitglied wird die Gesellschaft nach § 112 AktG durch den Aufsichtsrat vertreten. Die Regelung findet auch gegenüber ehemaligen Mitgliedern des Vorstandes Anwendung (st Rspr. BGH, Beschluss vom 14.05.2013 – II ZB 1/11, AG 2013, 562 Rn. 22). Der Beklagte war bis zum 24.08.2012 als Vorstandsmitglied tätig. Die Parteien vereinbarten mit Vertrag vom 24.08.2012 die Beendigung der beruflichen Zusammenarbeit (Anl K4, S. 2) und der Beklagte übte sein Amt seitdem nicht mehr aus. Am 23.10.2012 (Anl K1) wurde er als Vorstandsmitglied im Handelsregister gelöscht.

Die Willensbildung im Aufsichtsrat erfolgt durch Beschluss, § 108 Abs. 1 AktG. Der Aufsichtsrat der Klägerin hat hier mit Beschluss vom 01.07.2015 in einer Telefonkonferenz über die Beauftragung und Bevollmächtigung der Streithelferin mit der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen die Beklagte entschieden.

Nach § 108 Abs. 4 AktG sind schriftliche, fernmündliche oder andere vergleichbare Formen der Beschlussfassung des Aufsichtsrats und seiner Ausschüsse vorbehaltlich einer näheren Regelung durch die Satzung oder Geschäftsordnung des Aufsichtsrates zulässig, wenn kein Mitglied diesem Verfahren widerspricht. Der Vorbehalt einer solchen Regelung kann sich darauf beziehen, dass das Widerspruchsrecht der Aufsichtsratsmitglieder ausgeschlossen werden kann, die Satzung kann aber auch umgekehrt bestimmte Formen der Abstimmung ausschließen. Die Satzung der Klägerin (Anl K2) sieht in § 12 Abs. 1 vor, dass der Aufsichtsrat beschlussfähig sei, wenn die Mehrheit der Mitglieder, mindestens drei, nach schriftlicher rechtzeitiger Ladung anwesend sind. Nach § 12 Abs. 2 bestimmt der Vorsitzende zu Beginn der Sitzung „die Art der Abstimmung“. Nach Art. 12 Abs. 4 Satz 2 kann der Aufsichtsrat auch ohne Einberufung einer Sitzung schriftlich abstimmen, wenn der Vorsitzende oder ein Stellvertreter eine solche Beschlussfassung bestimmt und kein Mitglied diesem Verfahren schriftlich widerspricht. Eine Regelung, die eine Abstimmung per Telefonkonferenz ausschließt, enthält die Satzung danach nicht. Die Tatsache, dass nur die schriftliche Abstimmung näher geregelt ist, ist nicht dahin auszulegen, dass andere Abstimmungsformen nicht zulässig seien; der Wortlaut der Satzung lässt dies nicht erkennen.

Dass die Abstimmung telefonisch tatsächlich mit den Mitgliedern („Name 01“), („Name 06“), („Name 03“), und („Name 07“) durchgeführt und keines der Aufsichtsratsmitglieder widersprochen habe, hat der Zeuge („Name 01“) nach den Ausführungen auf S. 11 bis 14 des angefochtenen Urteils, auf die verwiesen wird, bekundet. Die Feststellungen begründen keine Zweifel an deren Richtigkeit und Vollständigkeit. Sie sind mit der Berufung auch nicht im Einzelnen angegriffen worden.

Die an der Abstimmung teilnehmenden Personen waren auch wirksam gewählte Aufsichtsratsmitglieder. Die Bestellung der Aufsichtsratsmitglieder („Name 03“), („Name 06“) und („Name 07“) ist jedenfalls in der Hauptversammlung am 17.12.2012 wirksam beschlossen worden (Protokoll Anl K 51). Der Vorstand („Name 01“) konnte die Hauptversammlung zum 17.12.2012 einberufen, ohne den Beklagten zur Hauptversammlung zu laden, da nach dem Ergebnis der erstinstanzlichen Beweisaufnahme der Beklagte zum Zeitpunkt der Hauptversammlung nicht mehr im Aktienbuch als Aktionär eingetragen war, wie das Landgericht unter Ziffer 2a) des Urteils (S. 16 – 18) ausgeführt hat. Auf die Feststellungen des Landgerichts wird auch insoweit verwiesen.

Die Eintragung in das Aktienbuch ist für die Frage, welche Personen im Verhältnis zur Gesellschaft als Aktionäre Rechte und Pflichten haben, gemäß § 67 Abs. 2 Satz 1 AktG maßgeblich, auch wenn die Übertragung von Aktien nicht wirksam ist (MüKoAktG Nachtrag ARUG II/Bayer, AktG § 67Bitte wählen Sie ein Schlagwort:
AktG
AktG § 67
, Rn 51,51a). Die materielle Rechtslage bleibt von der Eintragung in das Aktienregister unberührt. Zweck der Eintragung in das Aktienregister ist die Schaffung von Rechtsklarheit für die Frage der mitgliedschaftlichen Berechtigung oder Verpflichtung (vgl. Grigoleit/Rachlitz, AktG § 67Bitte wählen Sie ein Schlagwort:
AktG
AktG § 67
Rn. 2).

Auch die Beauftragung der zweitinstanzlich tätigen Prozessbevollmächtigten mit der Einlegung der Berufung und die Erteilung einer Prozessvollmacht sind wirksam erklärt worden. Die Klägerin hat sich auf die Beschlussfassungen des Aufsichtsrates vom 03.03.2021 (Anl K113, Bl. 2100, 2100R) und vom 18.03.2021 (Anl K 114, Bl. 2101, 2101R) berufen, mit denen über die Einlegung der Berufung und die Beauftragung der klägerischen Prozessbevollmächtigten entschieden worden ist. An der Beschlussfassung nahmen die Aufsichtsratsmitglieder („Name 03“), („Name 07“) und („Name 02“) teil. Die dagegen gerichteten Rügen des Beklagten sind unbegründet.

Der Einwand des Beklagten in der Berufungsinstanz, dass das Amtsgericht Charlottenburg – Registergericht – ein Verfahren über die Eintragung von Satzungsänderungen aufgrund von Beschlüssen der Aktionsversammlung vom 22.04.2021 ausgesetzt habe, da der Beklagte bei der Beschlussfassung nicht beteiligt worden sei, steht der Wirksamkeit der Beschlussfassungen vom 03.03.2021 und vom 18.03.2021 nicht entgegen. Die vom Beklagten erhobenen Einwände gegen die ordnungsgemäße Vertretung der Klägerin, die die Frage betreffen, ob der Aufsichtsrat der Klägerin nach Klageerhebung durch Beschlüsse vom 18.08.2017 (Anl B58, Bl. 1589) und vom 30.06.2018 (Anl B59, Bl. 1590) wirksam gewählt worden ist, führen nicht zur Unzulässigkeit der Berufung.

Den Überlegungen des Beklagten liegt zugrunde, dass er durch Beschluss der Aktionärsversammlung vom 11.04.2016 gemäß § 64 AktG als Aktionär ausgeschlossen wurde, weil er die Einlagen nicht fristgerecht gezahlt habe. Er ist am 13.04.2016 aus dem Aktienbuch ausgetragen worden. Der Beklagte hat den Beschluss vom 11.04.2016 indes erfolgreich angefochten. Durch Urteil des Landgerichts („Ort 03“) vom 03.09.2019 (- 21 O 222/18, Anl B23, Bl. 665) ist festgestellt worden, dass die Ausschlusserklärung unwirksam war. Die Berufung gegen die Entscheidung ist vom Kammergericht mit Urteil vom 29.10.2020 (- 12 U 177/19 Anl B 37) zurückgewiesen worden. Die dagegen gerichtete Nichtzulassungsbeschwerde hat der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 13.07.2021 zurückgewiesen (- II ZR 210/20, Anl B39, Bl. 1419).  Damit steht zwar fest, dass der Beklagte auch nach der Beschlussfassung über seinen Ausschluss vom 11.04.2016 weiterhin Aktionär war; allerdings begründet dieser Umstand nicht rückwirkend die Unwirksamkeit gefasster Hauptversammlungsbeschlüsse. Die materielle Unwirksamkeit macht die Eintragung der Aktionäre im Aktienregister nicht unwirksam, soweit die Eintragung auf Veranlassung des zuständigen Organs und einem – wenn auch materiellrechtlich unwirksamen – Nachweis veranlasst worden ist, wie sich wiederum aus der Regelung des § 67 Abs. 2 Satz 1 AktG ergibt. Der materiell Berechtigte ist auf das Verfahren nach § 67 Abs. 5 AktG verwiesen. Insoweit hat er einen Anspruch auf Durchführung des Verfahrens gegen die AG und ist befugt, seinerseits Klage gegen einen erhobenen Widerspruch zu erheben.

Die vom Beklagten in diesem Zusammenhang vorgelegte Entscheidung des Registergerichts vom 02.02.2022 (Anl B 54, Bl. 1587) betrifft demgegenüber eine beantragte Eintragung von Änderungen der Satzung aufgrund einer Beschlussfassung der Aktionärsversammlung vom 22.04.2021. Das Registergericht setzt seine Entscheidung über die Anmeldung der Satzungsänderungen aus, da die Beschlussfassung über die Satzungsänderung angefochten ist und das Gericht erhebliche Bedenken gegen die Wirksamkeit der Beschlussfassung habe.

Die im Beschwerdeverfahren ergangene Verfügung des Kammergerichts vom 27.04.2022 (B 55, Bl. 1586) verhält sich nicht zu der Frage, welche Wirkung § 67 Abs. 2 Satz 1 AktG beizumessen ist, sondern bezieht sich auf das gegen die Satzungsänderungen vom 22.04.2021 anhängige Beschlussanfechtungsverfahren, dessen Erfolgsaussichten nach den Überlegungen des Kammergerichts „zumindest als offen“ zu bezeichnen seien, was die Aussetzung rechtfertigte, ohne dass auf § 67 Abs. 2 Satz 1 AktG eingegangen wird.

2.

Die Klage ist unbegründet, soweit die Klägerin ihren Anspruch darauf stützt, dass der Beklagte in den Jahren 2002 bis 2005 persönlich Provisionen erzielt habe, die zu ihren Gunsten hätten vereinbart werden müssen. Der geltend gemachte Anspruch ist verjährt.

Der Eintritt der Verjährung ist nach der kurzen Verjährungsfrist des § 88 Abs. 3 AktG wegen der Verletzung des Wettbewerbsverbots begründet. Der Anspruch der Klägerin kann sich aus § 88 Abs. 1 Satz 1, 2. Alt AktG ergeben. Voraussetzung wäre, dass der Beklagte im Geschäftszweig der Klägerin für eigene oder fremde Rechnung Geschäfte gemacht hat. Geschäftemachen ist dabei jede auf Gewinnerzielung gerichtete Teilnahme am geschäftlichen Verkehr, die nicht zur Befriedigung privater eigener Bedürfnisse führt (BGH, Urteil vom 17.02.1997 – II ZR 278/95, NJW 1997, 2055 Rn 9). Die Klägerin hat zwar einen Erlös aus der Vermittlung sämtlicher Immobilien erzielt, allerdings ist nach dem Vortrag des Beklagten eine eigene Provisionsvereinbarung mit Herrn („Name 10“) (Anlage B 4) jeweils Grundlage der Zahlung. Der Beklagte habe mit Herrn („Name 10“) schon vor Gründung der Klägerin zusammengearbeitet und Immobilien vermittelt, insbesondere die Vermittlung von Wohnungen im Mehrfamilienhaus („Adresse 06“) in („Ort 01“). Die von ihm abgeschlossenen Geschäfte seien mithin seine Kunden gewesen. Er habe dann nach Gründung der Klägerin nur vereinbart, dass sie einen Anteil der von ihm verdienten Provisionen bezüglich des Objekts („Adresse 06“) in („Ort 01“) erhalte.

Danach habe man das Objekt („Adresse 01“) ebenfalls vermitteln wollen. Hier sei ein dreiseitiger Vertrag geschlossen worden. Die Vermittlung der Erwerber habe die Klägerin durchführen wollen. Der Beklagte habe einen Anteil für die – vorherige – Vermittlung des Objekts erhalten sollen (Anl B5). Dies sei Gegenstand einer dreiseitigen Vereinbarung gewesen (Anl B4, B5). Die Klägerin erhielt daraus nach dem Vortrag des Beklagten einen Anteil vom Beklagten ausgezahlt.

Etwaige auf § 88 Abs. 1 AktG gestützte Ansprüche sind nach § 88 Abs. 3 Satz 2 AktG nach Ablauf von fünf Jahren unabhängig von der Kenntnis des Unternehmens verjährt. Hier ist die späteste vom Beklagten vereinnahmte Provision am 17.05.2005 (Anl K7) gezahlt worden. Danach ist Verjährung eingetreten, da die Klägerin erst im Jahr 2012 Schadensersatzforderungen gestellt hat.

3.

Die Klägerin stützt ihre Ansprüche aber auch auf die Verletzung der Pflicht des Vorstandsmitglieds, Geschäftschancen der Gesellschaft nicht zum eigenen Vorteil zu nutzen. Den Vorstand trifft gemäß § 93 Abs. 1 AktG die Pflicht, ähnlich wie ein Treuhänder die Vermögensinteressen des Unternehmens wahrzunehmen, dessen Vermögen zu schützen und zu mehren und nicht zugleich das eigene Wohl oder den Vorteil Dritter in den Blick zu nehmen (BGHSt 50, 331 (339); Henssler/Strohn- Dauner-Lieb, § 93 AktG Rn. 9; MüKoAktG-Spindler, § 93 Rn. 137). Ergibt sich eine Geschäftschance für ein Vorstandsmitglied, die konkret ist und die erkennbar nicht dem Vorstand als Person, sondern der Gesellschaft angeboten wird, muss der Vorstand diese Geschäftschance auch dem Unternehmen anbieten. Dem Geschäftsleiter ist es nicht erlaubt, im Geschäftszweig der Gesellschaft Geschäfte für eigene Rechnung zu tätigen oder tätigen zu lassen oder den Vollzug bereits von der Gesellschaft abgeschlossener Verträge durch Abwicklung auf eigene Rechnung oder in sonstiger Weise zu beeinträchtigen oder zu vereiteln. Verletzt er diese Pflicht, hat er der Gesellschaft einen dadurch entstehenden Schaden zu ersetzen (BGH, Urteil vom 04.12.2012 – II ZR 159/10, NZG 2013, 216 zum geschäftsführenden Gesellschafter der GbR; Urteil vom 23.09.1985 – II ZR 257/84, ZIP1985, 1482 (1483) zur OHG; Urteil vom 08.05.1989 – II ZR 229/88, NJW 1989, 2687, juris Rn. 9 zur KG).

Die Anwendung dieser Grundsätze auf die AG ist in entsprechender Anwendung der Regelungen der §§ 93 und 88 AktG möglich. Nach allen in Betracht kommenden Verjährungsfristen ist der Anspruch hier aber verjährt, soweit Provisionsansprüche betroffen sind. Zur Lehre über die Geschäftschancen wird zwar, wie vom Landgericht angenommen, zum Teil davon ausgegangen, dass die Regelung des § 88 Abs. 3 AktG ebenfalls Anwendung findet (MüKoAktG-Spindler, § 88 Rn. 45; BeckOGK-Fleischer, § 88 AktG Rn. 41; vgl. OLG KölnBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG Köln
, BBG 2008, 800 zu § 113 HGB). Allerdings soll nach höchstrichterlicher Rechtsprechung einem Gesellschafter einer Handelsgesellschaft, der gegen das Wettbewerbsverbot verstoßen hat, dessen pflichtwidriges Verhalten aber darüber hinausgeht, weil er Geschäfte nicht für die Gesellschaft abgewickelt, sondern auf sich übergeleitet hat, nicht der Vorteil einer kurzen Verjährung von § 113 Abs. 3 HGB zugute kommen (BGH, Urteil vom 11.01.1971 – II ZR 143/68, NJW 1971, 802; Urteil vom 22.06.1972 – II ZR 67/70, NJW 1972, 1860). Gleiches gilt für den Gesellschafter einer GbR bei einer Anwendung der Grundsätze über die Geschäftschancenlehre (BGH, Urteil vom 04.12.2012 – II ZR 159/10, NZG 2013, 216, Rn. 35). Es gilt in diesen Fällen nach der Rechtsprechung jeweils die allgemeine Verjährungsfrist des § 195 BGB.

Zugleich sind Ansprüche aus Deliktsrecht hinsichtlich der Provisionszahlungen verjährt. Auf diese Ansprüche finden ebenso die allgemeinen Verjährungsvorschriften Anwendung (vgl. BGH, Urteil vom 12.06.1989 – II ZR 334/87, NJW-RR 1989, 1255, juris Rn. 49).

Die von der Kenntnis unabhängig beginnende zehnjährige Verjährungsfrist nach § 199 Abs. 3 Nr. 1 BGB ist verstrichen. Die Verjährungsfrist begann hinsichtlich der letzten Provisionszahlung am 17.05.2005 und endete am 20.05.2015.

Dem Fristablauf steht nicht entgegen, dass infolge eines Anerkenntnisses von Ansprüchen der Neubeginn der Verjährung anzunehmen wäre. Der Beklagte erklärte mit dem Abschluss der Aufhebungsvereinbarung vom 24.08.2012 mit den Eheleuten („Name 01“) nicht, die ihm gegenüber erhobenen Ansprüche anzuerkennen. Ein Anerkenntnis im Sinn des § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB ist nur anzunehmen, wenn der Schuldner unzweideutig zum Ausdruck bringt, dass der gegen ihn erhobene Anspruch besteht und deswegen das Vertrauen des Gläubigers begründet ist, er werde sich nicht alsbald nach Ablauf der Verjährungsfrist auf den Eintritt der Verjährung berufen (st Rspr., etwa BGH, Urteil vom 24.01.2019 – IX ZR 233/17, NJW 2019, 1219 Rn. 15). Vergleichsverhandlungen können dann ein Anerkenntnis darstellen, wenn sich aus dem Verhalten des Schuldners ergibt, dass der Anspruchsgrund nicht bestritten werden soll. Regelmäßig ist allerdings davon auszugehen, dass Vergleichsverhandlungen unter Aufrechterhaltung der beiderseitigen Rechtsstandpunkte geführt werden (BGH, Urteil vom 08.05.2002 – I ZR 28/00, NJW-RR 2002, 1433, juris Rn 20). Die Aufhebungsvereinbarung (Anl K4) enthält keine Erklärung, dass der Anspruchsgrund nicht bestritten werden soll. In der Vereinbarung ist unter Ziffer IV. aufgeführt, dass mit der Erfüllung der Verpflichtungen „alle gegenseitigen Forderungen, ob bekannt oder unbekannt, ausgeglichen sind.“ Ferner erklärte unter Ziffer V.1. („Name 01“), dass er als alleiniger Vorstand und alleiniger Aktionär der Klägerin erkläre, dass „diese auf jegliche Forderungen gegenüber dem Erschienenen zu 1.“, dies ist der Beklagte, verzichte. Erklärungen des Beklagten, bestimmte Beträge oder Schadensersatz für bestimmte Handlungen zu schulden, sind darin nicht enthalten. Auch der mit der Berufung angeführte Umstand, dass der gegenseitige Verzicht erklärt worden sei, der Beklagte also seinerseits auf Ansprüche gegenüber der Klägerin verzichtet habe ( Ziffer V.2.), begründet kein Anerkenntnis der klägerischen Ansprüche. Die Erklärung, auf sämtliche Ansprüche zu verzichten und im Gegenzug keinen Ansprüchen ausgesetzt zu sein, regelt den Abschluss der Rechtsverhältnisse zwischen den Parteien, ohne dass sie sich mit dem Grund und der Berechtigung auseinandersetzen müssen.

Der Lauf der Verjährungsfrist ist auch nicht durch Verhandlungen zwischen den Parteien gemäß § 203 BGB gehemmt worden. Der Begriff der Verhandlungen ist weit auszulegen (etwa BGH, Urteil vom 14.07.2009 – XI ZR 18/08, WM 2009, 1597 Rn 16). Der Gläubiger muss klarstellen, welchen Anspruch er geltend macht und worauf er ihn stützt; anschließend genügt jeder Meinungsaustausch über den Anspruch, es sei denn, dass der Schuldner erkennbar sofort Verhandlungen ablehnt (BGH, Urteil vom 26.10.2006 – VII ZR 194/05, NJW 2007, 587 Rn 10). Es genügen Erklärungen, die die Annahme rechtfertigen, der andere lasse sich auf Erörterungen über die Berechtigung des Anspruchs ein (BGH, Beschluss vom19.12.2013 – IX ZR 120/11, WM 2014, 1107 Rn 2).

Verhandlungen in unverjährter Zeit sind hier von der Klägerin zunächst für einen Tag, nämlich den 24.08.2012 vorgetragen (Bl. 821 bis 825), ferner für die erste mündliche Verhandlung am 11.03.2013 vor dem LG („Ort 03“) – 95 O 96/12. Der Rechtsstreit betrifft zwar die Parteien Eheleute („Name 01“) und den Beklagten, abhängig vom Inhalt der mündlichen Verhandlung erscheint es aber nicht ausgeschlossen, dass auch mit der Klägerin an diesem Tag verhandelt wurde, sofern die Prozessbevollmächtigten der Eheleute („Name 01“) hierzu von der Klägerin bevollmächtigt war. Hier ist aber wiederum nur für den 11.03.2013 eine solche Verhandlung auch mit der Klägerin überhaupt behauptet. Die Gespräche wurden auch nach dem Vortrag der Klägerin nicht im Anschluss an den Termin fortgesetzt.

Der Beklagte unterbreitete darüber hinaus ein Vergleichsangebot vom 27.04./28.04.2014 (Anl K81). Eine Reaktion darauf trägt die Klägerin indes nicht vor, so dass kein prozess von „Verhandlungen“ durch dieses Schreiben in Gang gesetzt wurde.

Weiter behauptet die Klägerin, der Beklagte habe im Berufungsverfahren vor dem Kammergericht – 12 U 100/13 – „den Verzicht auf die klägerischen Ansprüche als wesentlich bezeichnet“ (Bl. 826 oben). Auch insoweit ist eine Verhandlung nicht vorgetragen. Die Klägerin ist auf diese Vorgabe auch nach ihrem Vortrag nicht eingegangen.

Verhandlungen zwischen den Parteien sind – wie das Landgericht zutreffend festgestellt hat – erst nach der Bevollmächtigung des Aufsichtsratsmitglieds („Name 03“) am 01.07.2015 wirksam geführt worden.

Ausgehend davon ist allenfalls für den 24.08.2012 und den 11.03.2013 von einer Hemmung der Verjährungsfrist auszugehen. Die Frist ist danach spätestens am 20.05.2015 abgelaufen. Verhandlungen nach dem 01.07.2015 hatten keinen Einfluss mehr auf den Lauf der Verjährungsfrist.

6.

Der Lauf der Verjährungsfrist ist auch nicht wegen einer unsicheren Rechtslage gehemmt gewesen.

Für die Frage, ob die Verjährungsfrist nach § 199 Abs. 2 Nr. 1 BGB zu laufen beginnt, kommt es grundsätzlich nur auf die Kenntnis des Gläubigers von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners an. Rechtliche Überlegungen des Gläubigers sind unerheblich und stehen dem Lauf der Verjährungsfrist nicht entgegen. Eine Ausnahme gilt dann, wenn dem Gläubiger die Erhebung der Klage ausnahmsweise nicht zuzumuten ist. Die höchstrichterliche Rechtsprechung hat zahlreiche Fallgruppen entwickelt, die einen Aufschub rechtfertigen: Neben einer unsicheren und zweifelhaften Rechtslage (BGH, Urteil vom 18.05.2021 – II ZR 41/20, NJW 2021, 2647) kann ein nicht abgeschlossener Vorprozess die Verjährung hinausschieben, der bewirkt, dass der Gläubiger sich zu seiner dort vertretenen Rechtsauffassung mit der Anspruchsverfolgung in Widerspruch setzen müsste (BGH; Urteil vom 06.05.1993 – III ZR 2/92,  BGHZ 122, 317 (325)). Entscheidend kann auch sein, dass in einem Vorprozess über Umstände erst entschieden wird, die die Grundlage des in einem nachfolgenden Verfahren zu verfolgenden Anspruchs bilden und deren Beurteilung von einer umfassenden Gesamtwürdigung durch das Gericht abhängen, die der Gläubiger nicht vorab selbst treffen kann (BGH, Urteil vom 18.05.2021 aaO Rn 14).

Die Rechtsprechung betrifft indes die kenntnisabhängig laufende Verjährungsfrist, nicht die Verjährungshöchstfrist, deren Lauf von der Kenntnis und den Überlegungen des Anspruchsberechtigten unabhängig ist.

Darüber hinaus hält der Senat aber auch die Rechtsauffassung des Landgerichts für zutreffend, dass die Geltendmachung der Ansprüche der Klägerin ohnehin zuzumuten war, da sie nicht Partei des Rechtsstreits über die Wirksamkeit der Vereinbarung vom 24.08.2012 war. Da im Vorprozess auch streitig war, ob die Klägerin bei Abschluss der Vereinbarung vom 24.08.2012 wirksam vertreten war, als („Name 01“) für sie den Verzicht auf sämtliche Forderungen gegen den Beklagten erklärte, konnte die Klägerin, vertreten durch den Aufsichtsrat, jedenfalls vorsorglich ihre Ansprüche geltend machen, ohne sich widersprüchlich zu verhalten.

7.

Aus der Kenntnis von den anspruchsbegründenden Vorfällen erst im August 2012, wie die Klägerin behauptet, folgt kein späterer Ablauf der Verjährungsfrist. In der Konkurrenz des Fristlaufs nach § 199 Abs. 1 und § 199 Abs. 3 BGB ist die früher endende Frist maßgeblich, § 199 Abs. 3 Satz 2 BGB. Die Fristen laufen parallel (Erman/Schmidt-Räntsch, § 199 BGB Rn. 31; vgl. auch Staudinger/Herrler (2019) – Peters/Jacoby, § 199 BGB Rn. 91). Die Verjährungshöchstfrist wird auch vollendet, wenn Kennen oder Kennenmüssen erst seit kurzem vorliegen (MüKoBGB-Grothe, BGB § 199 Rn. 49), dies steht dem Lauf der Verjährungshöchstfrist nicht entgegen (Erman/Schmidt-Räntsch, § 199 BGB Rn. 31).

8.

Der Schadensersatzanspruch der Klägerin wegen mehrerer Erwerbsvorgänge von Immobilien, nämlich dem Erwerb von 3 Wohnungen in der („Adresse 03“) in („Ort 02“), dem Erwerb von 4 Wohnungen in der („Adresse 04“) in („Ort 02“) und dem Erwerb einer Wohnung in der („Adresse 05“) in („Ort 03“), ist  nicht aus § 88 Abs. 1, 2 AktG begründet.

Geht man bei den sieben Wohnungen von einem Ankauf in Konkurrenz zur Klägerin nach § 88 Abs. 1 AktG aus, ist die Verjährungsfrist des § 88 Abs. 3 AktG anwendbar. Die Ansprüche verjähren in drei Monaten seit Kenntnis aller Vorstandsmitglieder und der Aufsichtsratsmitglieder, § 88 Abs. 3 Satz 1 AktG. Unabhängig von der Kenntnis verjähren sie in fünf Jahren von ihrer Entstehung an, § 88 Abs. 3 Satz 2 AktG. Der Vorsitzende des Aufsichtsrates („Name 03“) hatte – wie das Landgericht ausgeführt hat – am 24.08.2012 Kenntnis vom Ankauf der Immobilien (Anlage B11). Die übrigen Aufsichtsratsmitglieder haben am 03.12.2012 (Anl K 14) die außerordentliche fristlose Kündigung des Anstellungsvertrages mit dem Beklagten beschlossen. Sie haben sich dabei auf „schwerwiegendes Fehlverhalten“ bezogen, so dass von ihrer Kenntnis der Vorwürfe und mithin der Möglichkeit, Ansprüche gegen den Beklagten geltend zu machen, auszugehen ist. Die Verjährungsfrist begann damit am 04.12.2012 und endete am 03.03.2013. Schadensersatzansprüche sind in dieser Zeit nicht geltend gemacht worden. Die Geltendmachung der Ansprüche war der Klägerin, wie ausgeführt, auch zumutbar.

9.

Soweit die Klägerin ihren Schadensersatzanspruch wegen des Erwerbs von Wohnungen darauf stützt, dass der Beklagte konkrete Geschäftschancen, die ihr zustanden, vereitelt habe, kann der Beklagte die Einrede der Verjährung nicht mit Erfolg erheben.

10.

Der Aufsichtsrat der Beklagten ist, wie ausgeführt, im Dezember 2012 über die Eigengeschäfte des Beklagten informiert worden. Gemäß § 199 Abs. 1 BGB begann der Lauf der dreijährigen Verjährungsfrist nach § 195 BGB am 01.01.2013. Die danach mindestens bis zum 31.12.2015 laufende Verjährungsfrist ist rechtzeitig durch Verhandlungen und die Einreichung des Güteantrages gehemmt worden.

Verhandlungen wurden ab dem  01.07.2015 geführt. Maßgeblich ist insoweit das Schreiben des damaligen Bevollmächtigten des Beklagten, der auf die Aufforderung der Klägerin mit Schreiben vom 10.06.2015 reagierte, auf die Einrede der Verjährung zu verzichten. Im Schreiben vom 01.07.2015 (Anl B23, Anlh Bekl) erhob der Beklagte Einwände gegen den geltend gemachten Anspruch der Klägerin und führt hierzu auf S. 2 des Schreibens aus, dass auch seine Ansprüche zu berücksichtigen seien, wenn eine Einigung erzielt werden solle. Er begehrt die Einberufung einer Hauptversammlung, die ihm im Wesentlichen Auskunft erteilen soll über die Geschäftsvorgänge und finanziellen Verhältnisse der Gesellschaft seit seinem Ausscheiden. Darauf reagierte die Klägerin mit Schreiben ihrer damaligen Bevollmächtigte, der Streithelferin, vom 15.07.2015 (Anl B24  Anlh Bekl), es wurden zudem telefonisch Verhandlungen am 29.07.2015 und 05.08.2015 geführt, ferner reagierte der Beklagte mit Schreiben vom 14.08.2015 (Anl K82, Anlh Kl II), mit Schreiben vom 03.09.2015 (Anl K31, Anlh Kl I) sowie mit Schreiben vom 18.09.2015 und vom 18.10.2015 (Anl B 25, Anlh Bekl) sowie vom 26.10.2015 (Anl K 86 Anlh Kl II) auf die Überlegungen, sich zu einigen. Der letzte Kontakt endete mit dem Vorschlag des Beklagten, dass der letzte Vorschlag der Klägerin abgelehnt werde, er aber für weitere Gespräche offen sei (K 86). Die Klägerin meldete sich in der Folgezeit nicht. Brechen Verhandlungen ab, so gelten sie in dem Zeitpunkt als beendet, in dem die nächste Reaktion zu erwarten war. Ausgehend davon, dass die Klägerin einen neuen Vorschlag beraten und gegebenenfalls ausarbeiten musste, wären weitere Schritte spätestens am 26.11.2015 zu erwarten gewesen. Eine Hemmung der Verjährungsfrist trat mithin im Zeitraum vom 01.07.2015 bis 26.11.2015 ein (= 146 Tage). Dieser Zeitraum wird in den Ablauf der Verjährungsfrist nicht eingerechnet, § 209 BGB.

Eine weitere Hemmung trat durch den am 31.12.2015 eingereichten Güteantrag ein, § 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB. Die Hemmung tritt mit dem Datum der Einreichung ein, wenn der Antrag demnächst bekannt gegeben wird. Sie endet gemäß § 204 Abs. 2 Satz 1 BGB sechs Monate nach der rechtskräftigen Entscheidung oder anderweitigen Beendigung des Verfahrens. Der Beklagte hatte am 25.01.2016 der Gütestelle mitgeteilt, dass die Durchführung abgelehnt werde. Dieses Schreiben erreichte die Bevollmächtigten der Klägerin am 02.02.2016 (Anl K 87, Anlh Kl II). Mit der Ablehnung des Antrags ist das Verfahren nach § 4 Abs. 1 der Verfahrensordnung der Gütestelle („Name 09“) gescheitert (Anl K 33). Diese Hemmung endete am 02.08.2016. Die Klage wurde am 22.07.2016 eingereicht unter Einzahlung des Vorschusses und dem Beklagten am 20.08.2016 zugestellt. Mit Blick auf die infolge von Verhandlungen und des Güteantrages zu berücksichtigenden Zeiträume der Hemmung, ist Verjährung nicht eingetreten.

Der Güteantrag ist auch formgerecht gestellt worden. Er muss von der Partei oder ihrem Bevollmächtigten unterschrieben sein. Bei einer Unterzeichnung durch den Bevollmächtigten muss die Vollmacht beigefügt werden (§ 2 Abs. 3 lit c) der Gütestellenordnung); es genügt, dass er vorab per Telefax und anschließend im Original übersandt wird. Das Fehlen der Vollmacht lässt die verjährungshemmende Wirkung entfallen, sofern die Vorlage in der Gütestellenordnung vorgesehen ist und nicht vorliegt (BGH, Urteil vom 22.02.2008 – V ZR 86/07, juris). Die streitige Frage, ob die Vollmacht dem Antrag beigefügt war, kann offen bleiben, weil der Mediator die Vorlage der Vollmacht im Güteverfahren mit Schreiben vom 27.11.2017 bestätigt hat (Anl K40, Anlh Kl II). Auch wenn die Vollmacht nicht mit dem Antrag, sondern erst im Lauf des Güteverfahrens eingereicht wurde, wäre die dann ex nunc eintretende Zulässigkeit hier ausreichend, weil das Gütestellenverfahren insgesamt nur einen Monat dauerte, aufgrund der vorangegangenen Verhandlungen, die Verjährung aber fast fünf Monate gehemmt war (146 Tage). Die Wirkung des Antrags trat also noch innerhalb der Verjährungsfrist ein. Die weiteren Ausführungen des Landgerichts, der Prozessbevollmächtigte habe außerdem nachweisen müssen, dass auch der Aufsichtsrat ihn bevollmächtigt habe, teilt der Senat nicht. Der Aufsichtsrat hatte die Bevollmächtigung eines Rechtsanwalts zur Geltendmachung der Ansprüche beschlossen. Der Vorsitzende ist gemäß § 12 Abs. 6 der Satzung zur Ausführung der Beschlüsse des Aufsichtsrats befugt. Dass der Antragsteller neben der schriftlichen Vollmacht die interne Beschlusslage zur Bevollmächtigung durch eine juristische Person nachweisen muss, ist in der Verfahrensordnung nicht vorgesehen.

Ausgehend von der entsprechenden Anwendung der Verjährungsfrist des § 93 Abs. 6 AktG ergibt sich nichts Anderes: Für den Beginn der Verjährungsfrist ist gemäß § 93 Abs. 6 AktG, § 200 BGB die Entstehung des Anspruchs maßgeblich. Der Anspruch nach § 93 Abs. 1 AktG ist mit dem Eintritt eines Schadens infolge der Pflichtverletzung entstanden. Maßgeblich ist der Vergleich der Vermögenslage des Unternehmens infolge des pflichtwidrigen Verhaltens mit der Vermögenslage, die ohne das pflichtwidrigen Verhalten bestünde (Schmidt/Lutter – Sailer-Coceani, AktG, § 93 Rn. 36). Der Schaden ist objektiv entstanden, wenn der Geschädigte in die Lage versetzt ist, zumindest Klage auf Feststellung der Ersatzpflicht des Beklagten zu erheben. Die Klägerin hat hier durch den Vertragsabschluss einen Schaden erlitten, da infolge des Vertragsabschlusses der Erwerb der von ihr bezeichneten Grundstücke ausgeschlossen war. Die jeweiligen Verkäufer waren an die vertraglichen Verpflichtungen gegenüber dem Beklagten gebunden, ein Erwerb durch die Klägerin schied von diesem Zeitpunkt an aus. Der Senat geht davon aus, dass der Kaufvertrag spätestens im Zeitpunkt der Auflassungserklärungen geschlossen war, da der Beklagte keinen früheren Verjährungsbeginn vorgetragen hat. Die Auflassung der Wohnung („Adresse 05“) an den Beklagten ist am 05.08.2010 erklärt worden (Anl K109, Anlheft Kl. IIII). Die Verjährungsfrist nach Art. 93 Abs. 6 AktG begann am 06.08.2010 und wäre ohne die dargestellte Hemmung des Anspruchs mit Ablauf des 05.08.2015 beendet gewesen. Soweit der Kläger Eigentumswohnungen in der („Adresse 04“) in („Ort 02“) im Zwangsversteigerungsverfahren durch Zuschlag erworben hat, ist die Erwerbschance der Klägerin jeweils mit dem Zuschlag am 16.12.2010 (Anl K 108, Anlheft Kl III) vereitelt worden. Mit dem Zuschlag wird der Ersteher Eigentümer des Grundstücks, § 90 Abs. 1 ZVG. Insoweit wäre die fünfjährige Verjährungsfrist am 16.12.2015 verstrichen, sofern die Verjährung nicht gehemmt gewesen wäre. Die Wohnungen in der („Adresse 03“) wurden jeweils am 08.06.2012 an den Beklagten und („Name 11“) jeweils zur Hälfte aufgelassen (Anl K 107, Anlheft Kl. III). Die Verjährungsfrist endete erst am 08.06.2017.

11.

Die Klägerin hat auch darlegen können, dass der Beklagte ihr zustehende Geschäftschancen zu seinem eigenen Vorteil genutzt hat.

Der Beklagte hat Geschäftschancen wahrgenommen, die der Klägerin bereits zugeordnet waren. Der Gesellschaft ist ein Geschäft zugeordnet, wenn sie als erste mit dem Geschäft in Berührung gekommen ist und der Geschäftsführer auf Seiten der Gesellschaft in Vertragsverhandlungen über ein bestimmtes Geschäft eingeschaltet wird (BGH, Urteil vom 04.12.2012 – II ZR 159/10, ZIP 2013, 361 Rn. 26).

Der Kontakt mit Rechtsanwalt („Name 12“), der einen Käufer für die Wohnung der Eheleute („Name 13“) in der („Adresse 05“) suchen sollte, ist über die Klägerin zustande gekommen, wie nicht nur die Klägerin vorgetragen hat, sondern auch der auf Antrag des Beklagten als Zeuge vernommene Rechtsanwalt im Rahmen der Beweisaufnahme bekundete. Danach habe die Wohnung der Eheleute („Name 13“) in der („Adresse 05“) zu einem Bestand von Wohnungen gehört, um deren Verkauf er sich im Auftrag der Eigentümer bemühte. Über einen Makler sei der Kontakt zur Klägerin aufgenommen worden. Es habe ein Gespräch in einem Restaurant in („Ort 03“) gegeben, an dem eine Mitarbeiterin von ihm und die damaligen Vorstandsmitglieder („Name 01“) und der Beklagte teilgenommen hätten. In deren Interesse habe er bei der Gläubigerin eines Grundpfandrechts erfragt, welcher Preis für die Wohnung erzielt werden sollte.

Bezüglich der Wohnungen in der („Adresse 03“) hat die Klägerin durch Vorlage der E-Mail des beurkundenden Notars vom 05.06.2012 (Anl K11) belegt, dass eine Änderung des Kaufvertrages dahin vereinbart wurde, dass der Beklagte die Wohnungen mit seiner Ehefrau erwerben wollte. Der Beklagte hat auch nicht mit abweichender Schilderung in Abrede gestellt, dass die Kontaktaufnahme bei der Veräußerung zunächst gegenüber der Klägerin zustande gekommen war, da der Verkäufer davon ausging, dass die Klägerin Eigentümerin einer weiteren Wohnung war.

Die Wohnungen in der („Adresse 04“) wurden im Rahmen der Zwangsvollstreckung versteigert. Der Beklagte war verpflichtet, ihm bekannt werdende Versteigerungsangebote zunächst im Interesse der Klägerin zu prüfen, wie dies nach seinem Vortrag gängige Praxis war. Ob er von einem Versteigerungsangebot privat Kenntnis erlangt hat, ist insoweit nicht maßgeblich (vgl. BGH, Urteil vom 04.12.2012 – II ZR 159/10, aaO Rn. 27).

Der Beklagte hat auch nicht nachweisen können, dass die Geschäftschancen mangels Interesse der Klägerin wieder aufgegeben worden seien. Denn insoweit wäre er verpflichtet gewesen,  eine Entscheidung der Gesellschaft herbeizuführen, die entsprechend § 88 Abs. 1 AktG nur durch den Aufsichtsrat hätte erteilt werden können. Die Genehmigung ist von ihm unstreitig nicht veranlasst worden.

12.

Die Klägerin hat im Ergebnis der Beweisaufnahme nicht bewiesen, dass ihr durch die Vereitelung der Geschäftschance ein Schaden entstanden ist. Die Rechtsfolgen bestimmen sich nach den §§ 249 ff. BGB, ausgehend von der Verletzung der TreuepflichtBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Treuepflicht
Verletzung der Treuepflicht
des Vorstands als Haftungsgrund (vgl. BGH, Urteil vom 04.12.2012 – II ZR 159/10, NZG 2013, 216, Rn. 33). Die Klägerin trifft danach die Beweislast für die Ursächlichkeit der Pflichtverletzung für den eingetretenen Schaden. Sie hat zu beweisen, dass sich die Chance zum Erwerb der Wohnungen für sie realisiert hätte. Dies ist ihr nach § 287 ZPO erleichtert (vgl. BGH, Urteil vom 08.05.1989 – II ZR 229/88, NJW 1989, S. 2687, juris Rn. 14; Urteil vom 04.12.2012 – II ZR 159/10, ZIP 2013, 361, Rn. 32).

Der Vorstand („Name 01“) hat hier im Rahmen der Beweisaufnahme nicht zur Überzeugung des Senats bestätigen können, dass die Klägerin in der Lage gewesen wäre, die Immobilien zu erwerben und diese Geschäftschance wahrgenommen hätte. Der Senat kann danach die Grundlagen für die Schätzung des Schadens nach § 287 ZPO nicht hinreichend feststellen. Der Vorstand der Klägerin („Name 01“) gab an, dass die Klägerin im Jahr 2010 ständig einen Betrag von 100.000 bis 150.000 € zur Verfügung gehabt habe und dass diese Summe in den Jahren 2011 und 2012 noch höher anzusetzen gewesen wäre. Diese Angaben machte er, wie er angab, aus seiner Erinnerung heraus. Nach einer Unterbrechung der Verhandlung gab er nach Einsicht in seine Unterlagen an, dass im Jahr 2012 sogar liquide Mittel im Umfang von bis zu 400.000 € vorhanden gewesen seien. Zu den Ankaufspreisen legte er sich nicht fest. Er bekundete, dass der vom Beklagten als interne Richtlinie angegebene Preis von 500 bis 600 € je Quadratmeter nicht stets maßgeblich gewesen sei, sondern dass die Preise, die erzielt wurden, unterschiedlich gewesen seien und benannte Kaufpreise für nicht näher beschriebene Immobilien in Höhe von 250.000 €, aber auch in Höhe von 25.000 €.

Der Vorstandsvorsitzende vermittelte dem Senat den Eindruck, dass es ihm auf die Bestätigung eines bestimmten Ergebnisses seiner Einschätzung ankam, ohne dass er genauer begründen konnte, wie er zu dieser Einschätzung gelangt war. Angesichts des laufenden An- und Verkaufs von Immobilien unterbreitete der Senat dem Zeugen die Frage nach den konkreten Zeiträumen, in denen hier der Erwerb durch den Beklagten stattfand. Angaben dazu vermochte er aber nicht zu machen. Wie bei der Entscheidung über den Ankauf von Immobilien vorgegangen wurde, welche Unternehmensausrichtung bestand, welche Immobilien im Zeitraum des möglichen Erwerbs vorhanden waren und inwiefern die angebotenen Wohnungen den Zielvorstellungen der Klägerin entsprachen und erworben worden wären, hat der Vorstand („Name 01“) ebenso wenig bekunden können, wie das Vorgehen im Fall einer Fremdfinanzierung.

Auf die Nachfrage des Beklagten zu der von der Klägerin vorgelegten Liste, die die tatsächlich im Jahr 2010 und 2012 erworbenen und veräußerten Immobilien aufführt (Anl K 117, Bl. 1603), räumte der Vorstand („Name 01“) ein, dass insoweit die Angaben inhaltlich unzutreffend sein könnten und er sich nicht sicher festlegen könne. Ausgehend davon bestehen Zweifel, ob zu den hier in Betracht kommenden Erwerbszeitpunkten mit Vertragsabschlüssen bzw. Zuschlag am 05.08.2010, 16.12.2010 und 08.06.2012 die von dem Vorstandsmitglied („Name 01“) angegebene Möglichkeit zum Erwerb gegeben war, freies Vermögen vorhanden war und die Zahl der von der Klägerin im Übrigen vorgenommenen Geschäftsabschlüsse einen weiteren Erwerb finanziell zuließ.

Auch aus den weiteren von der Klägerin vorgelegten Unterlagen lässt sich eine zuverlässige Grundlage für die Einschätzung des Erwerbs nicht treffen. Die Jahresabschlüsse zum Ende der Jahre 2010 (K24, Anlh Kl I), 2011 und 2012 lassen einen Rückschluss auf das im Vorfeld der Erwerbszeitpunkte verfügbare Vermögen nicht zu, da die Klägerin, wie sie vorgetragen hat, die laufende Finanzierung überwiegend aus Grundstücksverkäufen vornahm. Wann Zahlungen eingegangen sind, die am 31.12. eines jeden Jahres festgestellt wurden, ist nicht ersichtlich. Zudem hat der Beklagte insoweit zu Recht darauf hingewiesen, dass zum 31.12.2010 auch Verbindlichkeiten mit einer Restlaufzeit von einem Jahr in Höhe von 288.084,76 € dem Guthaben gegenüberstanden.

Zum Erwerb des Grundstücks („Adresse 03“) hat der Beklagte vorgetragen, dass der Kaufpreis aufgrund des Kaufvertrages vom 08.06.2012 am 14.08.2012 fällig gewesen sei.  Der Kontoauszug, den die Klägerin zum 17.08.2012 mit einem Guthaben von 328.948,95 € vorgelegt habe, sei irreführend, weil er unberücksichtigt lasse, dass die Klägerin fällige Verbindlichkeiten gegenüber dem Finanzamt habe erfüllen müssen. Der Kontostand desselben Kontos habe am 24.08.2012, dem Tag des Ausscheidens des Beklagten als Vorstand, nur noch 241.172,95 € betragen. Dieser Betrag hätte die Finanzierung des Objekts („Adresse 03“) mit einem Kaufpreis von 216.000 € zwar zugelassen, der Klägerin hätte anschließend jedoch die notwendige Liquidität gefehlt. Insgesamt hätte das Kontoguthaben der Klägerin große Unterschiede aufgewiesen.

Diesen Einwand vermochte die Klägerin nicht allein durch die Vorlage von Kontoauszügen zum 30.11.2010 und dem Vortrag, es sei frei verfügbares Kontoguthaben in Höhe von 491.743,80 € vorhanden gewesen, dem nur Gehaltsverbindlichkeiten in Höhe von 5.662,20 € und sonstige Verbindlichkeiten in Höhe von 37.222,32 € gegenüber gestanden hätten (Anl K 97) oder Vorlage anderer Kontoauszüge zum 18.05.2012 (Anl K 21, Anlh Kl) oder zum 27.08.2012 (Anlh Kl) zu entkräften. Insoweit bedurfte es aus Sicht des Senats einer glaubhaften Darstellung der finanziellen Situation durch den Vorstand, der die Übersicht über sämtliche Konten, die eingegangenen Verbindlichkeiten und die demnächst zu erfüllenden Forderungen im zeitlichen Umfeld der Erwerbsvorgänge hätte schildern können.

Auf die zum Nachweis einer möglichen Kreditaufnahme angebotene Zeugin hat die Klägerin verzichtet. Der Vorstand („Name 01“) bekundete auch nicht, dass er selbst der Klägerin zum Erwerb von Immobilien Kredit gewährt hätte. Nach dem Vortrag des Beklagten sind solche Kreditvergaben auch zuvor von ihm nicht gewährt worden.

Die Ehefrau des Vorstands („Name 01“), („Name 02“), die vom Senat als Zeugin vernommen worden ist, konnte zur Liquidität der Klägerin keine Angaben machen. Sie war mit der Hausverwaltung beschäftigt und bekundete nur das allgemeine Interesse der Klägerin am Erwerb von Immobilien.

13.

Aber auch an dem Interesse der Klägerin, die Immobilie in der („Adresse 05“) tatsächlich zu erwerben, hat der Senat Zweifel. Der Beklagte hat insoweit eingewandt, dass die Klägerin die hier streitgegenständlichen Objekte nicht hätte erwerben wollen, weil sie günstigere Immobilien ankaufte. Die Angaben des Vorstands („Name 01“), der schilderte, dass die Klägerin Immobilien in unterschiedlichen Preissegmenten erworben hätte, werden hinsichtlich des Objekts („Adresse 05“) durch die Aussage des vom Beklagten benannten Zeugen („Name 12“) widerlegt. Zwar hat das Vorstandsmitglied („Name 01“) bei seiner Anhörung vor dem Senat im Termin am 18.05.2022 angegeben, dass die Klägerin keine festen Vorgaben formuliert habe, zu welchem Preis Wohnungen erworben werden sollten und in einem Gespräch mit Rechtsanwalt („Name 12“) sei über konkrete Preisvorstellungen nicht gesprochen worden.

Der Zeuge („Name 12“) bekundete demgegenüber aber, dass die Wohnung der Eheleute („Name 13“) in der („Adresse 05“) zu einem Bestand von Wohnungen gehört habe, um deren Verkauf er sich im Auftrag der Eigentümer bemühte. Über einen Makler sei der Kontakt zur Klägerin aufgenommen worden. Es habe ein Gespräch in einem Restaurant in („Ort 03“) gegeben, an dem eine Mitarbeiterin von ihm und die damaligen Vorstandsmitglieder („Name 01“) und der Beklagte teilgenommen hätten. Es sei ihm vermittelt worden, dass die Klägerin am Erwerb von Wohnungen zum Preis von 500 bis 600 € / qm interessiert gewesen sei. Nachdem die („Firma 02“) ihre Preisvorstellungen mitgeteilt habe, habe er mit dem Beklagten Rücksprache gehalten, der ihm erklärt habe, dass die Klägerin diesen Preis nicht bezahlen würde. Er habe nach Eingang des konkreten Angebotes keine erneute Rücksprache mit dem Vorstandsmitglied („Name 01“) gehalten.

Die Aussage des Zeugen („Name 12“), der angab, sich anhand seiner Unterlagen auf den Termin vorbereitet zu haben, war anschaulich und frei von Widersprüchen. Der Zeuge berichtete über seine damalige Aufgabe, die Vermittlung von überteuert erworbenen Immobilien, und konnte glaubhaft erläutern, auf welcher Grundlage er seine Erinnerungen an die Vermittlung von Immobilien konkret an die Beklagte bekundete, wozu angesichts des seit dem Verkauf verstrichenen Zeitraumes auch Anlass bestand. Vor diesem Hintergrund ist der Senat nicht von den Angaben des Vorstandes („Name 01“) überzeugt, der durchschnittliche Preisangaben oder die Mitteilung einer sogenannten „Schmerzgrenze“ im Vorfeld der konkreten Verhandlungen in Abrede stellte. Die von der Klägerin zu den Erwerbsvorgängen in den Jahren 2009 bis 2011 vorgelegte Auflistung (Anl K 117, Bl. 1603) lässt keinen Schluss darauf zu, wie hoch die durchschnittlich beim Ankauf gezahlten Preise waren, weil die Darstellung der Größe der Immobilien jeweils fehlt.

Die Zeugin („Name 02“), die demgegenüber die Attraktivität der Immobilie hervorgehoben hatte, die aus ihrer Sicht für den Ankauf sprach, war bei den Verhandlungen über mögliche zu erzielende Preise nicht anwesend.

14.

Ansprüche der Klägerin sind schließlich nicht verjährt, soweit sie auf  § 823 Abs. 2 BGB, § 266 StGB gestützt sind. Auch insoweit fehlt es aber an dem Nachweis der Verursachung eines Schadens durch den Immobilienerwerb des Beklagten, da die Grundlagen für die Finanzierung durch die Klägerin nicht festgestellt werden konnten.

15.

Der Hilfsantrag ist ebenfalls nicht begründet, da der Eintritt eines Schadens der Klägerin nicht festgestellt werden kann.

Die Schriftsätze der Klägerin vom 06.11.2023 und des Beklagten vom 13.11.2023 geben keinen Anlass zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung.

16.

Die Kostenentscheidung ergeht gemäß § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10, § 711 Satz 2, § 709 Satz 2.

Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen insoweit nicht vorliegen, § 543 Abs. 2 ZPO.

Der Gebührenstreitwert für die Berufungsinstanz wird auf 912.531,46 € festgesetzt.

Löffler I www.K1.de I www.gesellschaftsrechtskanzlei.com I Gesellschaftsrecht I Geschäftsführerhaftung I Erfurt I Thüringen I Sachsen I Sachsen-Anhalt I Hessen I Deutschland 2022

Schlagworte: AktG § 88, Geschäftschancenlehre, Verstoß gegen die Geschäftschancenlehre, Verstoß gegen Geschäftschancenlehre, Verstoß Geschäftschancenlehre, Wettbewerbsverbot Vorstand

Veröffentlicht in OLG Brandenburg | Kommentare geschlossen

OLG Brandenburg, Beschluss vom 22.11.2023-7 W 117/23 

Mittwoch, 22. November 2023

Gesellschafterliste Erwerber

§ 16 GmbHG, § 938 ZPO, § 940 ZPO

Der unrichtig nicht in die Gesellschafterliste eingetragene Erwerber eines Geschäftsanteils hat zur Begründung eines Anspruchs auf vorläufige Listenkorrektur darzulegen, weshalb eine Sicherungs- oder Regelungsverfügung nicht ausreicht, um ihn vor endgültigen Rechtsverlusten zu bewahren.

Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Landgerichts Neuruppin vom 23. Oktober 2023 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten seines Rechtsmittels.

Der Wert des Verfahrens erster Instanz und der Wert des Beschwerdeverfahrens werden auf je 66.667 Euro festgesetzt.

Gründe

Die Beschwerde ist unbegründet.Randnummer2

Der Hauptantrag, die Antragsgegnerin durch einstweilige Verfügung zu verpflichten, eine neue Gesellschafterliste zum Handelsregister einzureichen, und der Hilfsantrag, die Antragsgegnerin zu verpflichten, den Antragsteller wie einen Gesellschafter mit dem weiteren, hinzuerworbenen Geschäftsanteil zu behandeln, sind unbegründet.Randnummer3

Der Antragsteller meint, die Antragsgegnerin sei ihm zu einstweiliger Sicherung und Regelung seiner Rechtsstellung verpflichtet, weil sie übergehe, dass ihm neben dem bereits gehaltenen Geschäftsanteil ein weiterer abgetreten worden sei.Randnummer4

Dem Antragsteller ist zuzugestehen, dass ihm vorläufiger Rechtsschutz gegen eine unrichtige Gesellschafterliste nicht allein durch die Zuordnung eines Widerspruchs (§ 16 III GmbHG) gewährt werden könnte, weil der Widerspruch die Rechtsstellung des unrichtig Eingetragenen innerhalb der Gesellschaft (§ 16 I GmbHG) nicht berührte und dem vermeintlich Berechtigten keine einstweilige Berechtigung verschaffte (OLG Hamm, NZG 2020, 986, Rdnr. 94; OLG München, NJW-RR 2016, 106, Rdnr. 46; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, 21. Aufl. 2023, § 49 Rdnr. 100; Lieder, GmbHR 2016, 271; Entwurfsbegr. d. BReg, BT-Drs. 16/6140, S. 39).Randnummer5

einstweiliger Rechtsschutz zu Gunsten des unrichtig nicht eingetragenen Erwerbers eines Geschäftsanteils unterliegt indes der allgemeinen Beschränkung, eine Vorwegnahme der Hauptsache möglichst auszuschließen. Der Antragsteller hat zur Begründung eines Anspruchs auf vorläufige Listenkorrektur darzulegen, weshalb eine Sicherungs- oder Regelungsverfügung nicht ausreicht, um ihn vor endgültigen Rechtsverlusten zu bewahren (Lieder, a.a.O., S. 272 f.). Um einen Verfügungsgrund für Sicherungen oder Regelungen in den Rechtsverhältnissen zur Gesellschaft darzulegen, hat der Antragsteller wiederum vorzutragen, welche unwiederbringlichen Beeinträchtigungen seiner Rechte zu befürchten sind und weshalb einstweilige Regelungen zur Rechtswahrung erforderlich sind, weil nachgelagerter Rechtsschutz nicht ausreicht (vgl. Lieder, a.a.O., S. 273). Befürchtet der Antragsteller eine Entwertung seiner Beteiligung, so hat er die zu erwartende darauf abzielende Maßnahme der Gesellschaft zu bezeichnen, um darauf eine Anordnung zu richten (vgl. KG, ZIP 2010, 2047, 2052). Befürchtet der Antragsteller ihm ungünstige Gesellschafterbeschlüsse, die er bei Beachtung der von ihm geltend gemachten Gesellschafterrechte verhindern oder aufhalten könnte, so hätte er darzulegen, weshalb eine Anfechtung solcher Beschlüsse (vgl. KG, a.a.O., S. 2051 f.; Scholz-Seibt, GmbHG, 13. Aufl. 2022, § 16 Rdnr. 40, –Schmidt/Bochmann, § 45 Rdnr. 183) und eine einstweilige Untersagung ihres Vollzuges (vgl. OLG Hamm, NJW-RR 2001, 105, 106 f.; Lutter/Hommelhoff-Bayer, Anh. zu § 47 Rdnr. 91; Scholz-Schmidt/Bochmann, § 45 Rdnr. 183) zur Wahrung seiner Rechte nicht ausreicht. Wo dies nicht ausreicht, kann das Zustandekommen ungünstiger Beschlüsse durch einstweilige Verfügungen verhindert werden, die die Ausübung der Gesellschafterrechte durch den vermeintlich unrichtig Eingetragenen regeln (vgl. BGH, NZG 2014, 184, Rdnr. 39 a.E.; Lutter/Hommelhoff-Bayer, § 40 Rdnr. 101, 104; Scholz-Schmidt/Bochmann, § 45 Rdnr. 183).Randnummer6

Der Antragsteller hat nicht dargelegt, weshalb es zur Wahrung der von ihm geltend gemachten Rechte erforderlich (§ 938 I ZPO) oder nötig (§ 940 ZPO) sein sollte, für die Übergangszeit bis zur verbindlichen Entscheidung in der Hauptsache eine neue Liste einzureichen oder die Antragsgegnerin allgemein zu verpflichten, ihn einstweilen wie einen Gesellschafter mit einem weiteren Geschäftsanteil zu behandeln.Randnummer7

Zum Verfügungsgrund, das Einreichen einer neuen Liste anzuordnen, verweist der Antragsteller (Beschwerdeschr., S. 3 = Bl. 14 LG) auf eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes, der dem von einer möglicherweise fehlerhaften Einziehung Betroffenen die Möglichkeit eröffnet hat, sich gegen die Aufnahme einer ihn nicht mehr als Gesellschafter ausweisenden Gesellschafterliste in das Handelsregister durch die Erwirkung einer die Aufnahme untersagenden einstweiligen Verfügung gegen die Gesellschaft zu schützen (BGHZ 222, 323, Rdnr. 37). Der Antragsteller verfolgt indes ein anderes Ziel: Er will erreichen, eine neue Liste einzureichen. Das einstweilen unterlassene Einreichen einer neuen Liste ist geeignet, einen vorläufigen Zustand zu sichern, der beendet werden kann, indem das einstweilen verfügte Verbot entfällt oder indem endgültig und verbindlich entschieden wird, die Liste einzureichen oder nicht einzureichen. Das Einreichen einer neuen Liste führt nicht zu einem in diesem Sinne vorläufigen Regelungszustand. Die Liste oder einzelne Eintragungen wären nicht als vorläufig gekennzeichnet. Es ist nicht vorgesehen, die einstweilige Verfügung als Grund einzelner Eintragungen anzugeben (vgl. § 2 II GesLV, hingegen § 44 II 2 GBO). Die auf Grund einer einstweiligen Verfügung eingereichte Liste könnte nicht schlicht wieder entfernt werden, wenn die Verfügung aufgehoben würde. Das Entfernen einer Liste sehen die §§ 16 und 40 GmbHG nicht vor. Die gebietende Verfügung müsste durch eine weitere Leistungsverfügung ersetzt werden, die verpflichtet, eine weitere Liste einzureichen, die den alten oder einen weiteren, neuen Zustand mitteilt. So würde die Verfahrensrolle des Antragsgegners verkehrt, der sich nicht mehr bloß gegen die ihn belastende Verfügung mit dem Ziel ihrer Aufhebung zu wehren hätte, sondern zum Gegenangriff gedrängt wäre.Randnummer8

Auch einen Verfügungsgrund für eine vorläufige Sicherung oder Regelung seiner Beteiligungsrechte hat der Antragsteller nicht dargelegt. Er hat eine Gefährdung seiner Informations-, Mitwirkungs- oder Beteiligungsrechte nicht erläutert. Er ist als Inhaber eines Geschäftsanteils eingetragen, der 49 Prozent des Stammkapitals ausmacht. Kraft dieser Rechtsstellung, von der er nicht behauptet, sie würde ihm bestritten, wird der Antragsteller von allen etwa beabsichtigten Gesellschafterbeschlüssen erfahren. Er wird zu Gesellschafterversammlungen eingeladen werden und kann an ihnen teilnehmen, sich gegen ihm unliebsame Beschlüsse aussprechen, eigene Initiativen ergreifen und abstimmen. Auf Minderheitenrechte, die er erst mit dem vermeintlich hinzuerworbenen Geschäftsanteil wahrnehmen könnte, ist der Antragsteller nicht angewiesen. Er hat zudem nicht vorgetragen, dass der vermeintlich inzwischen unrichtig in die Liste eingetragene, nach § 16 I GmbHG legitimierte Gesellschafter Beteiligungs- oder Mitwirkungsrechte wahrnimmt oder dies beabsichtigt, um dadurch die Rechte und Interessen des Antragstellers zu beeinträchtigen. Dass der weitere Gesellschafter und der vermeintliche Veräußerer des umstrittenen Geschäftsanteils beabsichtigten, die unsichere, umstrittene Lage auszunutzen, um ihn in einer wichtigen, für den Antragsteller bedeutsamen Angelegenheit gemeinsam zu überstimmen, hat er nicht dargelegt.Randnummer9

Weil der Antragsteller nicht geschildert hat, was die weiteren Gesellschafter zu tun oder zu unterlassen beabsichtigen, um dabei das vermeintlich hinzugewonnene Gewicht des Antragstellers zu umgehen, können die befassten Gerichte die ihnen durch § 938 I ZPO zugewiesene Gestaltungsbefugnis nicht nutzen, um die Rechtsverhältnisse zwischen dem Antragsteller und der Antragsgegnerin im Sinne des Antragsbegehrens, aber anders als beantragt zu regeln. Die Entscheidungsbefugnis des Gerichts über den Inhalt der einstweiligen Verfügung ist durch den Verfügungsgrund und den Antrag begrenzt (vgl. Musielak/Voit-Huber, ZPO, 20. Aufl. 2023, § 938 Rdnr. 5 f.). Da es dem Antragsteller nicht gelungen ist darzulegen, welche Rechtsgefährdung ihm droht, ist das Ermessen, zur Rechtswahrung anders als beantragt einzuschreiten, nicht eröffnet. Der Gesellschaft ein bestimmtes Vorgehen einstweilen zu verbieten oder dem Antragsteller eine bestimmte Mitwirkungs- oder Gestaltungsmacht einstweilen zuzuerkennen, wiche zum einen vom gestellten Antrag, ihn generell wie einen Gesellschafter mit weiterem Geschäftsanteil zu behandeln, nicht nur im Sinne des Ausnutzens einer Variantenbreite des Einschreitens ab; zum anderen legt der Vortrag des Antragstellers nicht nahe, welches genau und gezielt gebietende oder verbietende Einschreiten er anstreben und wenigstens als einen Teilerfolg seines Antrages ansehen könnte.Randnummer10

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 I ZPO.Randnummer11

Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§§ 574 I 2, 542 II 1 ZPO).Randnummer12

Der Wert ist gemäß § 63 II GKG festzusetzen. Den Wert eines Antrages auf Erlass einer einstweiligen Verfügung, die sich auf die Regelung oder Sicherung der Rechte aus einer Gesellschaftsbeteiligung beziehen soll, veranschlagt der Senat gemäß den §§ 48 I 1 GKG, 3 ZPO mit einem Drittel des Wertes des Geschäftsanteils (vgl. OLG Dresden, NZG 2019, 513, Rdnr. 11), den der Antragsteller mit 200.000 Euro angegeben hat (Anlage ASt 2, S. 4). Die Wertfestsetzung im angefochtenen Beschluss wird entsprechend abgeändert (§ 63 III 1 Nr. 2 GKG).

Schlagworte: Aufnahme einer neuen Gesellschafterliste in das Handelsregister, Aussetzung der Einstellung einer neuen Gesellschafterliste, Bei inhaltlichen Fehlern der Gesellschafterliste, Einreichung einer neuen Gesellschafterliste zur Aufnahme in das Handelsregister, Einstweilige Anordnung, einstweilige Verfügung, Einstweilige Verfügung gegen die Listenkorrektur, einstweiliger Rechtsschutz, Einstweiliger Rechtsschutz auf Änderung der Gesellschafterliste, Einstweiliger Rechtsschutz gegen Gesellschafterliste, Einstweiliger Rechtsschutz und Gesellschafterliste, Eintragung in die Gesellschafterliste, Gesellschafterliste, Liste der Gesellschafter, Listenkorrektur durch Geschäftsführer, Verfügungsgrund, Verfügungsgrund bei Abberufung, Vorteile Einstweiliger Rechtsschutz

Veröffentlicht in OLG Brandenburg | Kommentare geschlossen

OLG Brandenburg, Beschluss vom 01.08.2023 – 7 W 36/23

Dienstag, 1. August 2023

KWG § 32

Tenor

1. Die Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den Beschluss des Landgerichts Potsdam vom 14.12.2022, Az. 12 T 8/21, wird mit der folgenden Berichtigung der Beschlussformel zurückgewiesen: Die Kostenrechnung des Notars („Name 01“) vom 24.08.2018, UR-Nr. … und UR-Nr. … wird dahin geändert, dass der Rechnungsbetrag 243,89 € beträgt.

2. Der Beschwerdeführer trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

I.

Der Beschwerdeführer hat eine Gesellschaftsgründung einer GmbH beurkundet. Im Eintragungsverfahren ist wegen einer Zwischenverfügung des Amtsgerichts – Registergericht -, dass eine Bescheinigung nach § 32 KWG vorzulegen sei, nach Entscheidung der Gesellschaft der Unternehmensgegenstand der einzutragenden GmbH dahin geändert worden, dass der Begriff „Finanzberatung“ entfiel. Die Änderung ist durch Beschlussfassung der einzigen Gesellschafterin vorgenommen worden. Der Notar hat den beim Handelsregister gestellten Eintragungsantrag dahin ergänzt, dass die Eintragung auf der Grundlage des durch die Beschlussfassung geänderten Gesellschaftsvertrages vorgenommen werden sollte, den er in vollständiger Form mit der geänderten Bezeichnung des Unternehmensgegenstandes eingereicht hatte. Zur Abrechnung der Änderung des Gesellschaftsvertrages vor Eintragung ist die Kostenrechnung zur UR-Nr. … über 272,85 zzgl. 51,84 € Ust. erstellt worden (Bl. 4). Darin sind eine Gebühr Nr. 21100 KV GNotKG in Höhe von 250 € nach einem Geschäftswert von 30.000 € sowie Dokumenten- und Auslagenpauschalen abgerechnet worden.

Die Prüfungsabteilung der Ländernotarkasse hat in ihrem Bericht über die Prüfung des Gebühren- und Abgabenwesens des Notars vom 11.10.2019 die gewählte Verfahrensweise beanstandet. Die Änderung des Gesellschaftsvertrages vor Eintragung sollte in Form eines Änderungsvertrages durch übereinstimmende Erklärung aller Gesellschafter vereinbart werden. Diese Form der Änderung des Vertrages begründe im Unterschied zur Beschlussfassung lediglich eine Gebühr nach einem Teilwert der Gründungsurkunde. Es fiele ausgehend von einem Gründungswert von 30.000 € eine Gebühr aus dem Teilwert von 20 % des ursprünglichen Geschäftswertes, mithin aus 6.000 € in Höhe von 60 € an. Gebe es zur Ausführung eines Auftrages mehrere rechtlich gleich sichere Wege, sei der Notar gehalten, den für den Kostenschuldner gebührenrechtlich günstigeren Weg zu wählen.

Die Präsidentin des Landgerichts hat sich dieser Auffassung angeschlossen und den Beschwerdeführer aufgefordert, die Entscheidung des Landgerichts herbeizuführen.

Das Landgericht hat durch den angefochtenen Beschluss vom 14.12.2022 die Kostenrechnung Nr. … und … dahin abgeändert, dass der Rechnungsbetrag 243,89 € beträgt. Zur Begründung hat das Landgericht ausschließlich auf die Ausführungen der Ländernotarkasse in einer im Verfahren eingeholten Stellungnahme vom 26.08.2022 Bezug genommen. Gegen den formlos übersandten Beschluss hat der Beschwerdeführer am 23.02.2023 per Telefax Beschwerde eingelegt, die er auf Hinweis des Senats durch elektronisch eingelegte Beschwerde vom 13.04.2023 wiederholt hat. Er rügt, dass sich das Landgericht mit seinen Stellungnahmen und der Begründung seiner Rechtsauffassung in dem angefochtenen Beschluss nicht auseinandergesetzt hat.

II.

Die Beschwerde ist zulässig. Die Einlegung der am 13.04.2023 elektronisch an das Landgericht Potsdam übermittelten Beschwerde genügt der in § 130 Abs. 3 GNotKG, § 14b Abs. 1 FamFG, § 64 Abs. 2 Satz 4 FamFG vorgesehenen Form. Die Beschwerde ist auch noch fristgerecht eingelegt worden, weil die Beschwerdefrist durch den entgegen § 41 Abs. 2 FamFG vom Landgericht formlos an den Beschwerdeführer übermittelten Beschluss nicht in Lauf gesetzt worden ist, § 63 Abs. 3 Satz 1 FamFG.

Die Beschwerde ist nicht begründet. Sie gibt lediglich Anlass, den Ausspruch der angefochtenen Entscheidung in der aus dem Tenor ersichtlichen Form zu berichtigen.

1.

Zu Recht ist das Landgericht nach Anhörung der Präsidentin des Landgerichts und der Ländernotarkasse davon ausgegangen, dass die Kostenrechnung vom 24.08.2018 zu UR-Nr. … und UR-Nr. … dahin zu berichtigen ist, dass sie sich auf insgesamt 243,89 € beläuft.

Der Notar ist bei der Ausführung eines Beurkundungsauftrages grundsätzlich unabhängig in der Wahl der Gestaltungsmöglichkeit. Er ist allerdings aufgrund seiner Betreuungs- und Beratungspflicht gehalten, von mehreren möglichen Gestaltungsmöglichkeiten die billigste, gleich sichere, sachdienliche und übliche zu wählen (OLG KölnBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG Köln
, JurBüro 1990, 75 (78)). Stellt sich bei der Kostenprüfung heraus, dass infolge einer nicht diesen Anforderungen entsprechenden Verfahrensweise Mehrkosten entstanden sind, so sind diese nach § 21 Abs. 1 GNotKG nicht zu erheben, soweit sie den Betrag, der bei richtiger Verfahrensweise zu entrichten gewesen wäre, übersteigen.

2.

Zutreffend ist das Landgericht in Übereinstimmung mit der Ländernotarkasse davon ausgegangen, dass die Änderung des Gesellschaftsvertrages der GmbH in Gründung mit nur einer Gesellschafterin vor Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister durch eine Änderung des Gesellschaftsvertrages vorgenommen werden musste, da infolge der gewählten Verfahrensweise, den Gesellschaftsvertrag durch Beschluss zu ändern, ein höherer Geschäftswert anzusetzen war, der höhere Gebühren auslöste.

Dabei entspricht es der herrschenden Auffassung, dass die Änderung vor Eintragung grundsätzlich durch eine vertragliche Änderungsvereinbarung aller Gesellschafter vollzogen werden muss (Servatius in : Noack/Servatius/Haas, GmbHG, § 2 Rn. 13; Schäfer in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, § 2 Rn. 19; MüKoGmbHG – Heinze, § 2 Rn. 78). Im Einzelnen wird auf die ausführliche Darstellung des Meinungsstandes in der Stellungnahme der Ländernotarkasse vom 26.08.2022, S. 5 ff. (Bl. 157)) verwiesen. Insoweit ist es fraglich, ob die Änderung durch Beschlussfassung gemäß § 53 GmbHG dem sichersten Weg entspricht, wenn nicht alle Gesellschafter der Änderung zustimmen; dies kann hier aber dahinstehen, weil die neu gegründete („Firma 01“) nur eine Gesellschafterin hatte.

Allerdings entsprach die Wahl nicht dem kostengünstigsten Weg der Ausgestaltung: Während für die Beurkundung der Beschlussfassung 2,0 Gebühren nach Nr. 21100 KV GNotKG für die Beurkundung eines Beschlusses eines Organs einer Vereinigung nach dem Gegenstand des Rechtsverhältnisses, § 97 Abs. 1 GNotKG, von hier 30.000 € richtet, ist für die Beurkundung einer Änderungserklärung als „sonstige Erklärung“ 1,0 Gebühr nach Nr. 21200 GNotKG, mindestens 60 €, zu erheben. Der Wert der „sonstigen Erklärung“ kann nach § 97 Abs. 1, Abs. 3 GNotKG auch nach einem Teil des Geschäftswertes bestimmt werden. Dieser ist für die Erklärung, dass der Unternehmensgegenstand „Finanzberatung“ gestrichen werden soll, angemessen mit 20 % des Wertes des Rechtsverhältnisses zu bemessen, § 36 Abs. 1 GNotKG. Es ergäbe sich für die Beurkundung der Erklärung nach Tabelle B eine Gebühr von 51 €, so dass die Mindestgebühr von 60 € anzusetzen ist. Die Differenz zur Gebühr Nr. 21100 nach dem Geschäftswert von 30.000 € von 250 € beträgt 190 €.

Der Einwand des Beschwerdeführers in seiner Stellungnahme vom 03.03.2020, die Form der Änderung des Gesellschaftsvertrages habe sich daran orientiert, dass das Registergericht nicht dazu aufgefordert hatte, einen falschen Satzungsbestandteil zu ändern, geht fehl. Der Hinweis des Registergerichts konnte nicht berücksichtigen, dass der Gesellschaftsvertrag geändert werden sollte, da die Entscheidung der Gesellschafterin zur Änderung des Unternehmensgegenstandes erst getroffen wurde, nachdem das Landgericht zur Vorlage einer Bescheinigung nach § 32 KWG wegen des Unternehmensgegenstandes „Finanzberatung“ aufgefordert hatte.

Die Gestaltung der Satzungsänderung durch Vereinbarung führt auch nicht in der Gesamtschau zu höheren Gebühren, weil der Notar zunächst den Eintragungsantrag beim Register kostenpflichtig zurücknehmen muss. Vielmehr ist die Nachreichung der Änderung zulässig, bezogen auf die angemeldete Gesellschaft. Auf die von der Ländernotarkasse in ihrer Stellungnahme vom 26.08.2022, S.18 (Bl. 167) dargestellten Rechtsprechungsnachweise und Zitate wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen.

Soweit der Beschwerdeführer die Befürchtung geäußert hat, dass bei Eintragung vor Einreichung der Änderung ein weiteres Verfahren zur Beschlussfassung eingeleitet und die Beschlussfassung beurkundet werden müsste, dürfte die Umdeutung der gesellschaftsvertraglichen Änderung in eine Beschlussfassung in Betracht kommen oder eine Aufforderung an das Registergericht, die Eintragung vorübergehend zurückzustellen. Im Fall der („Firma 01“) war mit einer Eintragung vor Änderung aber ohnehin nicht zu rechnen, da die Bescheinigung nach § 32 KWG nicht vorgelegt worden war.

Ausgehend von den vorgenannten Darstellungen ergeben sich für die Gebührenberechnung vom 24.08.2018 folgende zu erhebende Gebühren:

 2,0 nach KV GNotKG Nr. 21200 aus 6.000 € 60,00 €
 Dokumentenpauschalen nach KV GNotKG Nr. 32001 1,35 €
 Dokumentenpauschale nach KV GNotKG Nr. 32002 1,50 €
 Auslagenpauschale KV GNotKG Nr. 32005 20,00 €
 Zwischenbetrag 82,85 €
 Urkunde Nr. … (Anmeldung) 122,10 €
 Zwischenbetrag 204,95 €
 Umsatzsteuer 38,94 €
 Rechnungsbetrag 243,89 €.

3.

Die Kostenentscheidung ergeht gemäß § 130 Abs. 3 Satz 1 GNotKG, § 84 FamFG. Die Rechtsbeschwerde (§§ 129 Abs. 2, 130 Abs. 3 GNotKG) wird nicht zugelassen; die Voraussetzungen des § 70 Abs. 2 FamFG liegen nicht vor.

Schlagworte:

Veröffentlicht in OLG Brandenburg | Kommentare geschlossen

OLG Brandenburg, Urteil vom 19.07.2023 – 7 U 149/22

Mittwoch, 19. Juli 2023

Auseinandersetzungsguthaben

§ 28 Abs 1 BGBEG, § 314 BGB

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten und unter Zurückweisung der Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 26.08.2022, Az. 51 O 93/21, abgeändert. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.

Der Kläger zeichnete bei der A1 GmbH am 28.06.2004 eine Beteiligung als atypisch stiller Gesellschafter im Umfang von 9.000 € (Anl K3, Bl. 10). Die A1 GmbH ist ausweislich einer Eintragung im Handelsregister (HRB … AG …) durch Beschlüsse vom 10.10. / 08.11.2018 mit der Beklagten verschmolzen (Anl K1, Bl. 6R).Randnummer2

Ebenfalls am 28.06.2004 schloss der Kläger einen Vertrag mit der A2 AG mit Sitz in der deutschen Stadt … über den Erwerb von Genussscheinen mit Gewinn- und Verlustbeteiligung im Wert von insgesamt 6.000 € (Anl K5, Bl. 29). Nach dem Vertrag sollten Genussscheine zum A1 Fund B erworben werden. Die A2 AG wurde in die A3 AG mit Sitz in W… umgewandelt. Sie benannte sich in A4 AG um, wurde durch Beschluss vom 29.08.2013 in eine GmbH umgewandelt und firmierte sodann als A4 GmbH. Sitz der GesellschaftBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Gesellschaft
Sitz der Gesellschaft
blieb W…. Ausweislich einer Registerauskunft der Republik Österreich (Anl K 2, Bl. 7) ist die A4 GmbH aufgrund eines Beschlusses der Generalversammlung vom 25.09.2018 als übertragende Gesellschaft mit der Beklagten als übernehmender Gesellschaft verschmolzen. Die A4 GmbH wurde am 15.02.2019 aus dem Register gelöscht.Randnummer3

Der Kläger wurde über die Umwandlungen der Gesellschaften, an denen er sich als stiller Gesellschafter und als Inhaber von Genussrechten beteiligt hatte, mit zwei im Februar 2019 übersandten Schreiben informiert. In diesen Schreiben wurde ihm mitgeteilt, dass seine Beteiligungen sich automatisch in Aktien umgewandelt hätten. Ihm wurde mitgeteilt, dass seine stille Beteiligung rechnerisch einen Wert von 6.300 € habe bei einem Einzahlungsstand von 9.000 €; der rechnerische Wert der Genussrechte wurde mit 5.030,65 € bei einem Einzahlungsstand von 6.000 € angegeben. Mit Schreiben vom 13.02.2020 kündigte der Kläger seine Beteiligungen außerordentlich.Randnummer4

Der Kläger ist der Ansicht gewesen, die internationale Zuständigkeit für Streitigkeiten über beide Anlageformen sei begründet, da die Vertragspartnerinnen für beide Verträge in Deutschland ansässige Gesellschaften gewesen seien.Randnummer5

Hinsichtlich der atypisch stillen Beteiligung meint er, er habe einen Anspruch auf Auszahlung, da er als Anleger der Umwandlung hätte zustimmen müssen. Die Umwandlung sei eine Maßnahme nach § 5 Abs. 2 des Beteiligungsvertrages, die nicht im Gesellschaftsvertrag geregelt sei (Bl. 23R des Vertrages). Er sei berechtigt, den mit der A2 AG geschlossenen Vertrag zu kündigen und könne in der Folge seiner Kündigung gemäß § 15 des Vertrages die Auszahlung des Auseinandersetzungsguthabens einschließlich einer Beteiligung an stillen Reserven und seinem Anteil am Unternehmenswert verlangen. Da eine ordentliche Abrechnung ihm nicht zur Verfügung gestellt worden sei, gehe er davon aus, dass ihm die Einlage in voller Höhe erstattet werden müsse. Jedenfalls stehe ihm ein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte zu, weil ihm keine der atypisch stillen Beteiligung gleichwertigen Rechte nach der Umwandlung gewährt worden seien. Die B-Aktien, die er an der Beklagten gehalten habe, seien nicht kündbar und begründeten keine Einsichts- oder Auskunftsrechte.Randnummer6

Zur Beteiligung mit Genussrechten hat der Kläger die Auffassung vertreten, dass er ebenfalls zur Umwandlung der A4 GmbH, an der er beteiligt war, hätte zustimmen müssen. Seine Beteiligung genieße nach § 7 der Zeichnungsbedingungen einen Bestandsschutz, die in § 10 der Genussrechtsbedingungen aufgenommenen Voraussetzungen einer Änderung der Beteiligung seien nicht erfüllt. Die von der Beklagten gewährten Aktien seien gegenüber der gezeichneten Beteiligung minderwertig, da sie nicht kündbar seien und die Rückzahlung ausgeschlossen sei. Sie seien lediglich handelbar. Nach außerordentlicher Kündigung, zu der er berechtigt sei, sei die Beteiligung abzurechnen und auszuzahlen. Da die Beklagte seiner Auffassung nach nicht ausreichend zu den anzurechnenden Verlusten vorgetragen habe, sei seine Beteiligung in voller Höhe zu erstatten. Ihm sei auch nicht nachvollziehbar, warum die Beklagte vom Wert seiner Beteiligung einen Betrag von 2.700 € als Steuervorteil in Abzug gebracht habe.Randnummer7

Hilfsweise hat er im Wege einer Stufenklage Anträge angekündigt, nach deren Inhalt er die Erstellung von Abrechnungen und die Auszahlung des sich danach ergebenden Guthabens begehrt.Randnummer8

Die Beklagte hat die Klageabweisung beantragt und hat eingewandt, das Landgericht Potsdam sei international nicht zuständig. Die Klägerin sei keine Verbraucherin, sondern sei nach der Umwandlung Gesellschafterin der Beklagten, da sie sogenannte „B-Anteile“ infolge der Verschmelzung erhalten habe, die mit den ursprünglichen Anteilen gleichwertig seien. Es handele sich infolgedessen um eine gesellschaftsinterne Streitigkeit, die an dem für den Sitz der Beklagten maßgeblichen Gerichtsstand in England zu führen sei. Sie ist der Auffassung gewesen, dass die Kündigung nicht wirksam erklärt worden sei, weil es an einem außerordentlichen Kündigungsgrund fehle und die Kündigung auch erst ein Jahr nach der Verschmelzung erklärt worden sei. Zudem werde sie nur für die Zukunft wirksam, nicht rückwirkend zum 31.12.2018.Randnummer9

Zum maßgeblichen Stichtag sei die Beteiligung in Form der atypisch stillen Beteiligung nicht mehr werthaltig gewesen, da die Jahresabschlüsse zum 31.12.2017 und 31.12.2018 jeweils Verlustzuweisungen aufgeführt hätten (s. Anlagenband I., Bl .1-4). Die Klägerin hätte ihrer Auffassung nach etwaige Ansprüche wegen nicht gleichwertig gewährter Beteiligungen in einem Spruchverfahren geltend machen müssen. Daher sei die Leistungsklage insoweit nicht statthaft. Im Übrigen bestehe kein Kündigungsrecht infolge einer Verschmelzung. Vielmehr könne der Kläger allenfalls – sofern die übrigen Voraussetzungen gegeben wären – Ansprüche nach § 23 UmwG geltend machen. Ihm seien hier aber B-Anteile im Umfang von 6.300 Anteilen gewährt worden.Randnummer10

Die Genussrechte seien infolge einer Kapitalherabsetzung auf „0“ reduziert worden, wie die zum Zeitpunkt der Umwandlung am 31.12.2018 gefertigte Bilanz der A4 GmbH ausweise. In Höhe von 5.514.061,14 € sei der Verlust durch Erträge aus der Herabsetzung des ihrer Auffassung nach nachrangigen Genussrechtskapitals ausgeglichen worden. Rechtliche Grundlage sei § 96 Abs. 2 öGmbHG i. V. m. § 226 Abs. 3 öAktG. Danach seien den Genussrechtsinhabern gleichwertige Rechte zu gewähren. Die B-Anteile seien gleichwertige Rechte: Sie gewährten Gewinnbeteiligung, Verlustbeteiligung, Nachrang gegenüber Gläubigern, aber – insoweit für die Anleger vorteilhafter gegenüber den Genussrechten – eine Beteiligung am Vermögen, stillen Reserven und dem Unternehmenswert der Beklagten.Randnummer11

Die vorgerichtlich entstandenen Rechtsanwaltsgebühren hält sie für überhöht, im Übrigen fehle es an einer Anspruchsgrundlage.Randnummer12

Wegen des Sachverhaltes und der erstinstanzlich gestellten Anträge wird auf den Tatbestand und die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils ergänzend Bezug genommen.Randnummer13

Das Landgericht hat die Beklagte zur Zahlung von 11.060,05 € nebst Zinsen sowie zur Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltsgebühren verurteilt und im Übrigen die Klage abgewiesen. Der Kläger habe einen Anspruch aufgrund der Verletzung der Genussrechtsbedingungen. Die Beklagte habe die Umwandlung und Verschmelzung durchgeführt und damit die Genussrechte zum Erlöschen gebracht. Der dem Kläger zu ersetzende Wert belaufe sich mindestens auf den von der Beklagten im Februar 2019 mitgeteilten rechnerischen Wert von 5.030,65 €. In Bezug auf die stille Beteiligung habe die Klägerin einen Ersatzanspruch in Höhe von 6.030 €. Die vom Kläger ausgesprochene Kündigung sei nicht wirksam. Der Kläger habe sie verspätet erklärt. Ihm stehe aber ein Ersatzanspruch zu, weil die Beklagte seine Zustimmung zur Verschmelzung hätte einholen müssen und die dem Kläger gewährten Anteile an der Beklagten mit der früheren stillen Beteiligung nicht gleichwertig gewesen seien.Randnummer14

Gegen das Urteil haben beide Parteien Berufung eingelegt. Die Beklagte trägt vor, das Landgericht habe sich mit den rechtlichen Grundlagen der Anlageformen und der Wirkung der Verschmelzung auf die Anlageformen nicht zutreffend befasst. Für die früheren Genussrechte sei der Verschmelzungsstichtag der 31.12.2017 gewesen. Die Genussrechte seien keine gesellschaftsrechtliche Beteiligung, sondern sogenannte „Sonderrechte“, die kein Stimmrecht für die Umwandlung begründeten und für die gleichwertige Rechte gewährt werden müssten. Ihr Wert bestimme sich im Verhältnis zur wirtschaftlichen Entwicklung des übertragenden Unternehmens und sei daher bei der Umwandlung neu zu bestimmen gewesen. Dies ergebe sich aus Art. 13 der Richtlinie (EG) Nr. 78/855 über die Verschmelzung von Aktiengesellschaften. Die Sonderrechtsinhaber hätten auch nach der Umwandlung einen Anspruch auf Rückkauf der Rechte durch die Beklagte. Die Beklagte habe Aktien gewährt, die gleichwertig seien. Der Wert der Genussrechte sei bedauerlicherweise zum Verschmelzungsstichtag „0“ gewesen. Die Genussrechte werden an den Verlusten der Gesellschaft beteiligt. Die Bilanz weise daher für die Genussrechte einen Wert von 0,00 € (Anl BB 2) aus. Dem eingezahlten Genusskapital seien über die Jahre der Beteiligung Verluste in Höhe von 56.658.238,08 € zugewiesen worden. Die Verlustbeteiligung treffe die Genussrechte während der gesamten Beteiligungsdauer. Ein Teil der Verluste sei durch das Genussrechtskapital ausgeglichen worden. Es seien aber noch Verluste verblieben, die in die Bilanz eingetragen worden seien. Sie stellt die Bilanzposition des Verlustes zum 31.12.2017 (Bl. 45) im Einzelnen dar (Bl. 46). Sie schulde für die Genussrechte keine Abrechnung bei der Umwandlung, sondern allenfalls die Vorlage der Bilanz. Diese habe sie vorgelegt. Der mitgeteilte rechnerische Wert sei davon zu trennen. Er stelle nicht den Wert der Genussrechte, sondern den Wert dar, der sich rechnerisch für die neu gebildeten B-Shares an der Beklagten ergebe. Der Unterschied sei, dass die B-Shares am Unternehmenswert und an den stillen Reserven teilnähmen, so dass trotz der aktuell geringen Bilanzierung und des nicht bestehenden positiven Guthabens rechnerisch ein Wert zu ermitteln sei. Dass die B-Shares in der Bewertung mit 0,001 € mitgeteilt werden, stelle keine Abwertung dar. Die Zahl bezeichne lediglich den Anteil an der Gesamtzahl von Aktien und den Anteil am Kapital, der prozentual angegeben werde (Bl. 49). Die B-Shares gewährten umgehend einen Gewinnanteil, der Anleger stehe daher günstiger. Bei den Genussrechten muss der Anleger demgegenüber warten, bis sein Anteil wieder positiv ist. Sie habe mithin keine Pflicht verletzt und dem Kläger sei auch kein Schaden entstanden.Randnummer15

Die atypisch stille BeteiligungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
atypisch stille Beteiligung
Beteiligung
sei ebenfalls zur Zeit der Verschmelzung wertlos gewesen. Auch insoweit seien dem Kläger aber gleichwertige Rechte eingeräumt worden, da die B-Anteile eine Gewinnbeteiligung, eine Verlustbeteiligung, den Nachrang gegenüber Gläubigern, die Beteiligung am Vermögen, stillen Reserven und dem Unternehmenswert gewährten. Auch insoweit sei nicht der rechnerische Wert zu zahlen. Er sei ermittelt worden aus dem Nominalbetrag der Beteiligung abzüglich des Steuervorteils, der sich aus dem Totalverlust der Beteiligung ergebe. Deswegen sei auch insoweit kein Anspruch auf Auszahlung begründet.Randnummer16

Die Beklagte beantragt,Randnummer17

das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 26.06.2021 abzuändern und die Klage abzuweisen.Randnummer18

Der Kläger beantragt,Randnummer19

die Berufung zurückzuweisen.Randnummer20

Mit seiner eigenen Berufung beantragt der Kläger,Randnummer21

das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 26.08.2022 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen über den Betrag von 11.060,65 € hinaus einen weiteren Betrag in Höhe von 3.939,35 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30.10.2020 zu zahlen.Randnummer22

Der Kläger ist der Ansicht, er habe einen Anspruch auf Erstattung seiner jeweiligen Beteiligungen in voller Höhe. Zur Begründung führt er aus, dass seiner Ansicht nach die Verluste, die die Beklagte mit den Genussrechten ausgeglichen habe, nicht ausreichend dargelegt seien. Es sei unklar, warum die Aktiva der Gesellschaft, die verschmolzen wurde, von 72 Mio € in 2016 auf 20 Mio € in 2017 gesunken seien. Es bleibe offen, warum die Abwertung des Kapitals nur „temporär“ gelten solle.Randnummer23

Hinsichtlich der atypisch stillen Gesellschaft seien die vertraglichen Bedingungen verletzt worden, weil die stillen Gesellschafter der Verschmelzung nicht zugestimmt hätten. Daher stehe ihm ein Schadensersatzanspruch zu, der den Wert seiner Einlage erfasse, die ihm im Fall der Kündigung ausgezahlt worden wäre. Deren Höhe habe die Beklagte nicht ausreichend dargelegt. Sie habe den Auseinandersetzungswert, der sich im Fall einer Kündigung ergeben hätte, nach § 15 des Vertrages vortragen müssen.Randnummer24

Die Beklagte beantragt,Randnummer25

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.Randnummer26

Ihrer Ansicht nach hat der Kläger zur Höhe seines Auseinandersetzungsanspruchs unzureichend vorgetragen. Er habe sich auf die Berechnung der Beklagten berufen, die gerade ausweise, dass der Beteiligung Verluste in voller Höhe der Beteiligung gegenüberstehen.Randnummer27

Der Kläger wiederholt und vertieft auf die Berufung der Beklagten seinen erstinstanzlichen Vortrag zur Begründung eines Ersatzanspruchs gegen die Beklagte. Seiner Auffassung nach habe die Beklagte die Wertlosigkeit der Genussrechte nicht ausreichend dargelegt.Randnummer28

Hinsichtlich der stillen Beteiligung ist er der Ansicht, dass seine Kündigung noch rechtzeitig erklärt worden sei, weil es sich um einen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht schwierigen Fall handele. Er vertieft seinen Vortrag aus der eigenen Berufungsbegründung und beruft sich auf verschiedene zu Gunsten der Anleger ergangene Entscheidungen.Randnummer29

Ergänzend wird wegen des Sachverhaltes im Einzelnen auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

II.

Auf die zulässige Berufung der Beklagten ist das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage ist abzuweisen. Die Berufung des Klägers bleibt ohne Erfolg.

1.

Die internationale Zuständigkeit, die auch in der Berufungsinstanz von Amts wegen zu prüfen ist (BGH, Urteil vom 28.11.2002 – III ZR 102/02, NJW 2003, 426 Rn. 10; BGHZ 115, 90, 91; BGHZ 134, 127, 129), ist gegeben. Für das Verfahren sind deutsche Gerichte zuständig.Randnummer32

Für die im Jahr 2020 bewirkte Zustellung finden die europarechtlichen Regelungen über die internationale Zuständigkeit noch in der bis zum 31.12.2020 geltenden Übergangsfrist Anwendung, Art. 126, Art. 127 Abs. 1 des Abkommens über den Austritt des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirlands aus der Europäischen Union und aus Europäischen Atomgemeinschaft vom 24.01.2020 (ABl. L 29 vom 31.01.2020, S. 7).Randnummer33

Die Zuständigkeit richtet sich nach Art. 66 Abs. 1, 17 Abs. 1, Art. 18 Abs. 1 EuGVVO. Danach gilt für Verfahren, die Ansprüche aus einem Vertrag betreffen, den eine Person, der Verbraucher ist, zu einem Zweck geschlossen hat, der nicht der beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit dieser Person zuzurechnen ist, der für die Zuständigkeit bei Verbrauchersachen anwendbare Abschnitt 4 des EuGVVO Anwendung, wenn der andere Teil in dem Mitgliedstaat, in dem der Verbraucher seinen Wohnsitz hat, eine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit ausübt. Im maßgeblichen Zeitpunkt des Vertragsabschlusses (MüKoZPO/Gottwald, Art. 17 EuGVVO Rn 9; Dörner/EG-Anerkennungs/VollstreckungsZustVO, Art. 17 EuGVVO Rn. 13; Musielak/Voit/Stadler § 17 EuGVVO Rn. 7b; OLG Frankfurt, NJW-RR 2009, 645) am 28.06.2004 übten sowohl die A1 GmbH als auch die A2 AG ihre Tätigkeit in der Bundesrepublik Deutschland aus. Der Kläger ist berechtigt, die Klage in der Verbrauchersache nach Art. 18 Abs. 1 EuGVVO vor dem Gericht des Ortes zu erheben, wo er seinen Wohnsitz hat.Randnummer34

Soweit die A2 AG später in die A3 AG mit Sitz in W… umgewandelt wurde und die Beklagte Rechtsnachfolgerin der A3 AG geworden ist, kann sie sich nicht auf ihre fehlende eigene Tätigkeit in der Bundesrepublik berufen. Vielmehr bleibt die Rechtsnachfolge ohne Einfluss auf die einmal begründete internationale Zuständigkeit (BGH, Urteil vom 09.02.2017 – IX ZR 67/16, MMR 2018, 95).Randnummer35

Der Kläger handelte auch nicht als Aktionär der Beklagten mit der Folge, dass für die internationale Zuständigkeit Gesellschaftsrecht (Art. 1 Abs. 2 lit f) Rom-I-VO) Anwendung finden würde. Dies gilt, soweit der Kläger die schuldrechtliche Genussrechtsbeteiligung gezeichnet hat, da Genussrechte Dauerschuldverhältnisse eigener Art sind, die keine Mitgliedschaftsrechte begründen, sondern schuldrechtliche Ansprüche, die Gesellschafter- oder aktienrechtlichen Ansprüchen lediglich nachgebildet sein können (BGH, Urteil vom 05.10.1992 – II ZR 172/91, BGHZ 119, 305, juris Rn 9).Randnummer36

Aber auch die vom Kläger gezeichnete stille Beteiligung ist nicht gesellschaftsrechtlicher Natur, sondern vertragsrechtlich zu qualifizieren (BGH, Urteil vom 13.09.2004 – II ZR 276/02, WM 2004, 2150, juris Rn 4; Urteil vom 10.06.2015 – IV ZR 69/14, NJW 2015, 2581 Rn. 12).Randnummer37

Ein abweichender internationaler Gerichtsstand ist nicht vereinbart worden. Die Vertragspartnerinnen des Klägers hatten zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses ihren Sitz in Deutschland.

2.

Auf die vom Kläger gezeichneten Anlagen findet deutsches Recht Anwendung.

a.

Der Kläger zeichnete die Genussrechtsbeteiligung am 28.06.2004, als die Anlagegesellschaft als A2 AG firmierte und in K… ansässig war (HReg …, B 8787). Es handelte sich dabei um eine Beteiligung an einer deutschen Gesellschaft, an der sich der in Deutschland wohnhafte Kläger beteiligte. Nach dem zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses noch anwendbaren Art. 28 Abs. 1 EGBGB ist das Recht des Staates anwendbar, zu dem er die engsten Verbindungen aufweist. Dies war hier das deutsche Recht.Randnummer40

Die Rechtsanwendung für die Beteiligung des Klägers änderte sich weder durch den Formwechsel der A2 AG nach deutschem Recht in die A3 AG nach österreichischem Recht, die – konkret ist dies nicht vorgetragen – im Jahr 2005 vorgenommen wurde, noch durch die sich anschließende Umwandlung in die A4 AG bzw. A4 GmbH.

b.

Ebenso ist die Konstellation bei der stillen Beteiligung an der A1 GmbH, die ihren Sitz in … hatte und ebenfalls mit der Beklagten durch Übernahme verschmolzen ist (Anl K1, Bl. 6).

3.

Eine Umwandlung der Genussrechte in Aktien ist auch nicht kraft Gesetzes eingetreten.Randnummer43

Soweit die Folgen der Verschmelzung auf die erworbene Genussrechtsbeteiligung zu prüfen sind, findet ebenfalls deutsches Recht Anwendung. Für grenzüberschreitende Verschmelzungen gilt zwar grundsätzlich, dass das Recht desjenigen Staates Anwendung findet, nach dessen Recht der übernehmende Rechtsträger gegründet wird (EuGH Urteil vom 12.07.2012 – C 378/10 „Vale“). Allerdings gilt Abweichendes für Finanzierungsvereinbarungen, die die zuziehende Gesellschaft vor der Verschmelzung geschlossen hat.Randnummer44

Bei der hier eingetretenen Umwandlung handelt es sich nach dem Vortrag der Beklagten um eine grenzüberschreitende Verschmelzung durch Aufnahme, die die Voraussetzungen des Art. 2 Abs. 2 lit. a) der Richtlinie 2005/56/EG vom 26.10.2005 erfüllt, da die A4 GmbH nach dem Vortrag der Beklagten ihr Vermögen auf die Beklagte übertragen hat. Art. 2 Abs. 2 lit a) regelt den Fall der Aufnahme durch eine Gesellschaft, die nicht zuvor Anteilsinhaberin der übergehenden Gesellschaft ist. Dies war hier der Fall (s. Präambel zum Verschmelzungsplan, Bl. 10 Anlbd I). Für die Umwandlung sieht Art. 14 Abs. 1 lit a) der Richtlinie 2005/56/EG vor, dass das Aktiv- und Passivvermögen der übertragenden Gesellschaft auf die übernehmende Gesellschaft übergeht. Dies bewirkt, dass die übernehmende Gesellschaft hinsichtlich sämtlicher Verträge, die von der übertragenden Gesellschaft geschlossen wurden, als Partei an deren Stelle tritt. Damit ist das Recht, das vor der Verschmelzung auf diese Verträge anzuwenden war, auch nach der Verschmelzung anzuwenden (EuGH, Urteil vom 07.04.2016 – C-483/14, IPrax 2016, 589 Rn. 57).

4.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Auszahlung eines Auseinandersetzungsguthabens nach außerordentlicher Kündigung. Obwohl er nach eigenem Vortrag im Februar 2019 Mitteilungen an die Anleger erhielt (Anl K7 und K8, Bl. 31, 34), erklärte er die Kündigung der Anlagen am 13.02.2020 (Anl K9, Bl. 37), gestützt auf die Angaben in den im Februar 2019 erhaltenen Schreiben und berief sich hinsichtlich des Zahlungsanspruchs auf die Berechnung seiner Anlagen zum 31.12.2018.Randnummer46

Ein außerordentliches Kündigungsrecht nach § 314 BGB stand dem Kläger zu diesem Zeitpunkt nicht mehr zu, da es jedenfalls nicht innerhalb der gemäß § 314 Abs. 3 BGB vorgesehenen angemessenen Frist ausgeübt worden ist.Randnummer47

Die Frist hat den Zweck, dem anderen Vertragspartner in angemessener Zeit Klarheit über den Bestand des Vertrages zu verschaffen, zudem ist davon auszugehen, dass ein längeres Zuwarten dafür spricht, dass der zur Kündigung Berechtigte das Festhalten am Vertrag nicht für unzumutbar hält. Dabei sind die tatsächlichen Umstände, die Bedeutung des Kündigungsgrundes, die Auswirkungen für die Beteiligten und der Umfang der für den Kündigenden zuvor vorzunehmenden Prüfungen zu berücksichtigen (BGH, Urteil vom 23.04.2010 – LwZR 20/09, NZM 2010, 552 Rn. 13). Unter Beachtung aller Umstände ist hier nicht davon auszugehen, dass eine nach einem Jahr erklärte Kündigung noch innerhalb angemessener Frist vorgenommen ist. Dass der Kläger sich vor seiner Kündigung zunächst bei der Beklagten nach der Bedeutung der Umwandlung seiner Beteiligung in B-Aktien erkundigte oder rechtlichen Rat einholte, begründet eine derart lange Frist nicht. Vielmehr wäre er binnen eines Zeitraums von bis zu sechs Monaten in der Lage gewesen, Informationen einzuholen, um sich Klarheit zu verschaffen, ob er infolge der Verschmelzung die Kündigung erklären will.

5.

Die ordentliche Kündigung der Genussrechte konnte der Kläger gemäß § 5 der Genussrechtsbedingungen (Anlbd II, Bl. 115) mit einer Kündigungsfrist von sechs Monaten, mithin im Februar 2020 zum August 2020 erklären. Die ordentliche Kündigung einer atypisch stillen Beteiligung war – jedenfalls nach den vom Kläger vorgelegten Bedingungen (Stand: 03.08.2005) – gemäß § 14 Abs. 1 mit einer Kündigungsfrist von 24 Monaten zum Ende eines Geschäftsjahres möglich (Anl K4, Bl. 23). Auf den Auseinandersetzungswert der Genussrechte bzw. der stillen Beteiligung zu diesem Zeitpunkt stützt der Kläger seine Klage nicht.

6.

Auch ein Schadensersatzanspruch wegen einer Verletzung des § 23 UmwG ist nicht begründet. Nach § 23 UmwG sind den Inhabern von stimmrechtslosen Sonderrechten an dem übertragenden Rechtsträger bei der Verschmelzung gleichwertige Rechte in dem übernehmenden Rechtsträger zu gewähren. Sowohl Genussrechte als auch stille Beteiligungen sind solche Sonderrechte, da sie keine Stimmrechte gewähren, aber eine Gewinnbeteiligung vorsehen, die durch die Verschmelzung an dem dann größeren Unternehmen und wegen des veränderten Verhältnisses des Anteils am Gesamtvermögen der Gefahr einer Entwertung unterliegen.Randnummer50

Ob die von der Beklagten hier gewährten Rechte, die sogenannten B-Aktien gleichwertig sind, hängt von einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise ab. Maßgeblich ist die inhaltliche Ausgestaltung und Anpassung auf die durch die Verschmelzung herbeigeführte Situation (BGH, Urteil vom 28.05.2013 – II ZR 67/12, NZG 2013, 987). Soweit der Anspruch auf Gewährung gleichwertiger Rechte nicht erfüllt wird, kann der Inhaber des Sonderrechts die Rechte geltend machen, die sich ergäben, wenn ihm die Rechte, die ihm zustehen, gewährt worden wären (vgl. BGH, Urteil vom 28.05.2013 – II ZR 67/12, NZG 2013, 987 (992), für Gewinnansprüche aus einer Genussrechtsbeteiligung, die der dortige Kläger trotz Umwandlung geltend machte). Es kann im Ergebnis dahinstehen, ob die gewährten B-Aktien gegenüber den Genussrechten und der atypisch stillen Beteiligung gleichwertig sind. Denn der Kläger vermag nicht darzulegen, dass der Anspruch auf „Anpassung“ hier zu einem Zahlungsanspruch nach dem Umwandlungsstichtag führt.

a.

Der Kläger beruft sich darauf, dass die B-Aktien wirtschaftlich weniger attraktiv sind, vor allem weil sie – anders als die Genussrechte – nicht kündbar sind. Die Gleichwertigkeit im Einzelnen kann indes dahinstehen, da dem Kläger als Folge einer nicht gleichwertig gewährten Anlage kein Anspruch auf Auszahlung der ursprünglichen Anlagesumme oder in Höhe der im Februar 2019 mitgeteilten rechnerischen Bewertung zusteht. Auch wenn dem Kläger wirtschaftlich gleichwertige, nämlich kündbare Rechte gewährt worden wären, hätte er die Anlage in Form der Genussrechte kündigen und deren Wert im Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Kündigung verlangen können. Ausgehend vom Vortrag der Parteien führte aber die Auszahlung der Genussrechte hier nicht zu einem Zahlungsanspruch. Vielmehr ist wegen einer vollen Verlusttragung der Genussrechte bereits zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Umwandlung ohne Darlegung weiterer Umstände nicht davon auszugehen, dass bei Wirksamwerden der Kündigung der nach der Umwandlung gebildeten Anteile ein Guthaben bestanden hätte, das auszuzahlen wäre.Randnummer52

Die Beklagte hat hier – insoweit anders als in dem bereits vom Senat entschiedenen Verfahren 7 U 63/21 – vorgetragen, dass die Genussrechte in der Bilanz für Verluste aus dem laufenden Geschäft aufgekommen sind und – Jahr für Jahr – mit den Verlusten zu verrechnen waren. Sie hat mitgeteilt, dass aus der Veräußerung anderer von ihrer Rechtsvorgängerin gehaltener Anlagen ein negativer Saldo entstanden sei, der mit dem Genussrechtskapital ausgeglichen worden sei. Eine solche bilanzielle Verrechnung nach den Genussrechtsbedingungen war auch zulässig. Die hier anwendbaren Genussrechtsbedingungen (AnlBd. II, Bl. 115 f.) sehen in § 4 Abs. 1 eine Verlustbeteiligung bis zur vollen Höhe der Anlage vor, da die Genussrechte vorrangig gegenüber anderen besonders geschützten Kapitalbestandteilen der Genussrechtsgeberin zu vermindern sind. Die Verrechnung mit entstandenen Verlusten ist danach zulässig.Randnummer53

Die bilanzielle Entwicklung der Beklagten bzw. der A4 GmbH hat der Kläger nicht konkret angegriffen. Er trägt mit der Berufung vor, dass die erheblichen Defizite ihm nicht nachvollziehbar seien, insbesondere die Verluste in 2017 gegenüber dem Ergebnis von 2016. Die Beklagte ist aber nicht gehalten, auf diesen allgemein gehaltenen Einwand hin im Rechtsstreit die wirtschaftliche Entwicklung der A4 GmbH im Einzelnen darzustellen, da es der Kläger auch als Genussrechtsinhaber in der Hand hat, sich durch Auskunftsverlangen nähere Erkenntnis über einzelne Bilanzpositionen zu verschaffen und diese im Einzelnen zu bestreiten (vgl. BGH, Urteil vom 14.06.2016 – II ZR 121/15, NZG 2016, 983).Randnummer54

Anders als in dem vorangegangenen Verfahren hat die Beklagte hier erläutert, dass sie die Mitteilung über die Beteiligung aus Februar 2019, die einen „rechnerischen Wert“ der umgewandelten Beteiligung von 5.030,65 € aufführt, nicht den Auseinandersetzungswert im Fall einer Beendigung der Genussrechtsbeteiligung an der A4 GmbH darstellt, sondern den Wert, der sich für die in B-Aktien umgewandelten Genussrechte rechnerisch ergibt. Der Unterschied in der Bewertung der Genussrechte im Vergleich zu den B-Aktien bestehe darin, dass die Genussrechte ein Einzahlungskonto darstellen, das sich durch Gewinnausschüttungen erhöhen und durch Verluste vermindern kann. Es müsse bei einer Verminderung durch Gewinne in den folgenden Jahren aufgewertet werden. Der rechnerische Wert der B-Aktien stelle den Wert des Anteils am Vermögen der Beklagten dar, der berechnet unter Einbeziehung des Unternehmenswertes und der stillen Reserven ermittelt worden ist (Bl. 48 e-A). Er soll in die Zukunft gerichtet den zukünftig erzielbaren Wert der „neuen“ Beteiligung darstellen.Randnummer55

Der Text der an den Kläger übermittelten Informationen weist nicht auf Abweichendes hin und begründet keine weiteren Darlegungsanforderungen für die Beklagte: im Schreiben an den Kläger als Genussrechtsinhaber (Anl K8, Bl. 34) wird zu den bisherigen Gewinnen aus der Genussrechtsbeteiligung ausgeführt, dass diese bei 80,29 % der Beteiligung gelegen hätten. Für die Zukunft trete infolge der Umwandlung der Genussrechte in B-Aktien eine Beteiligung an Vermögen, stillen Reserven und Unternehmenswert ein. In dem Auszug aus der Vertragshistorie ist sodann die Dividendenzahlung von 4.817,50 € (Bl. 34R) im Zeitraum von Investitionsbeginn bis zum 31.12.2018 aufgeführt, die 80,29 % der ursprünglich angelegten Summe entspreche. Der „rechnerische Wert der Genussrechte“ zum 31.12.2018 ist mit 5.030,65 € angegeben. Er wird einem „Gesamtbeteiligungsbuchwert“ in nahezu derselben Höhe gegenüber gestellt sowie einem möglichen Beteiligungsbuchwert bei vollständiger Realisierung eines Aufwertungspotentials von 7.439,37 €. Der Auszug ist mit dem Hinweis versehen, dass die „vorstehenden Darstellungen zum rechnerischen Wert der Genussrechte zum 31.12.2018, dem rechnerischen Anteil an der Kapitalrücklage, dem Gesamtbeteiligungsbuchwert und dem rechnerischen Beteiligungsbuchwert „kein Anerkenntnis darstellte und keine Zahlungspflichten / – rechte“ der Beklagten gegenüber dem Anleger“ begründe.Randnummer56

Zu der zum Umwandlungsstichtag, dem 31.12.2017 (§ 4 des Verschmelzungsplans, Anlbd I Bl. 13) geltenden Bewertung der Genussrechte hat die Beklagte vorgetragen: Das Genussrechtskapital von 74.203.120,02 € sei in der Bilanz der A4 GmbH zum 31.12.2017 mit einer Verlustzuweisung von 56.658.238,08 € verbucht worden (Bl. 41 eA), um kein negatives Jahresergebnis auszuweisen. Es handele sich um Veräußerungsverluste aus dem Jahr 2017, nicht um eine Beteiligung am Verlustvortrag. Der Jahresverlust sei dadurch auf 0,00 € reduziert worden. Bei einer Bilanzierung nach den IFRS-Richtlinien ergebe sich trotz der Verrechnung mit den Genussrechten ein Jahresverlust von 459.413,70 € (Bl. 46 eA).Randnummer57

Der für die Begründung seines Anspruchs darlegungs- und beweispflichtige Kläger hat nicht dargelegt, inwiefern die Bilanzierung der Beklagten unrichtig sei oder die Verrechnung mit VerlustenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Verrechnung
Verrechnung mit Verlusten
den Genussrechtsbedingungen nicht entsprochen haben soll. Zwar trifft es zu, dass das Schreiben zur Umwandlung der Genussrechtsbeteiligung aus Februar 2019 insoweit nicht klar verständlich war, als sich der auf „0“ reduzierte Wert der Genussrechtsbeteiligung zum Umwandlungsstichtag daraus nicht ersehen ließ. Vielmehr wurden dem Kläger – nach der Umwandlung – sogenannte „rechnerische Werte“ mitgeteilt, die einen positiven Eindruck von dem wirtschaftlichen Potential der Beklagten vermitteln sollten, die aber, wie sich aus dem Schreiben weiter ergibt, keine Verbindlichkeit haben und Zahlungspflichten nicht begründen sollten. Zur Begründung eines bei Gewährung kündbarer Rechte zu erwartenden positiven Ergebnisses, das hier eine Zahlungspflicht begründen könnte, ist das Schreiben vom Februar 2019 damit nicht geeignet. Die im Rechtsstreit von der Beklagten vorgetragene tatsächliche Entwicklung der Genussrechtsbeteiligung steht auch nicht in Widerspruch zu vorherigen Abrechnungen der Beklagten. Der vom Kläger vorgelegte Transaktionsbericht vom 21.12.2017 (Anl K11, Bl. 42) weist zum 31.12.2016 bereits eine „unverbuchte Verlustteilnahme“ von -2.769,36 € aus (Bl. 42R).

b.

Hinsichtlich der Umwandlung der stillen Beteiligung in B-Aktien legt der Kläger eine ohne die Umwandlung potentiell eingetretene positive Entwicklung ebenso wenig dar. Die Beklagte hat sich auch insoweit auf ihre Bilanzen zum 31.12.2017 und 31.03.2018 berufen (Anl B3, B4, Bl. 1-4 Anlbd. I), die das Kapital der stillen Gesellschafter mit „0“ ausweisen. Die vom Kläger vorgelegte Information vom Februar 2019 führt hier bereits die bis zum 31.03.2018 eingetretene Zuweisung von „steuerlichen nutzbaren Verlusten in Höhe von bis zu 100 % des bis dahin investierten Kapitals“ auf (Anl K7, Bl. 31, Bl. 31R). Auch insoweit hat die Beklagte dargestellt, dass die stille Beteiligung durch Verluste auf „0“ reduziert sei im Zeitpunkt der Umwandlung. Die stille Beteiligung haftet – wie die Genussrechte – auch für Verluste bis zur vollen Höhe (vgl. vom Kläger vorgelegte Bedingungen der stillen Beteiligung, Bl. 14 R der Akte).Randnummer59

Daher ergibt sich auch bei fehlender Gleichwertigkeit der gewährten Rechte an der Beklagten kein Anspruch aus § 23 UmwG auf Erstattung der Einlage in voller Höhe oder in Höhe des im Februar 2019 mitgeteilten rechnerischen Wertes.

7.

Die Kostenentscheidung ergeht gemäß § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10, § 711, § 713 ZPO.Randnummer61

Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen insoweit nicht vorliegen, § 543 Abs. 2 ZPO. Die Entscheidung des Senats beruht auf einer abweichenden Würdigung des vorgetragenen Sach- und Streitstandes im Einzelfall und der darauf beruhenden Beurteilung der Frage, ob die Beklagte ihrer erweiterten Darlegungslast zum Wert der Anlagen im Zeitpunkt der Umwandlung ausreichend nachgekommen ist. Die im Schriftsatz vom 14.06.2023 zitierten Entscheidungen – soweit sie veröffentlicht wurden – bestätigen dies: So beruht die Zurückweisung der Berufung im Verfahren 12 U 58/22 unter anderem darauf, dass in der – von der hier übersandten abweichenden – Anlegerinformation eine „temporäre Abwertung“ mitgeteilt worden sei, die der Senat bewertet. Im Verfahren 12 U 100/22 führt der Senat zur aus seiner Sicht unzureichenden Darlegung der Beklagten aus, dass die Bilanz zum 31.12.2018 nicht vorgelegt worden sei. Eine abweichende Beurteilung derselben Rechtsfrage, auf der die Entscheidung beruht, ist nicht ersichtlich.Randnummer62

Der Streitwert für die Berufungsinstanz wird auf 15.000 € festgesetzt (§ 47 Abs. 1, § 48 Abs. 1, § 45 Abs. 2 GKG).

Schlagworte: Auseinandersetzung, Auseinandersetzungsbilanz, Außerordentliche Kündigung, Verschmelzung, Vorausabtretung Abfindungsanspruch/Auseinandersetzungsguthaben und Abtretung des Geschäftsanteils

Veröffentlicht in OLG Brandenburg | Kommentare geschlossen

OLG Brandenburg, Urteil vom 14.02.2023 – 6 U 14/20

Dienstag, 14. Februar 2023

Nachvertragliches WettbewerbsverbotBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Nachvertragliches Wettbewerbsverbot
Wettbewerbsverbot

§ 78 Abs 1 S 1 AktG, § 81 Abs 1 AktG, § 15 Abs 2 HGB, § 15 Abs 3 HGB, § 4 Nr 4 UWG, § 11 Abs 1 UWG

1. Ein alleiniges Vorstandsmitglied hat auch dann Prozessvollmacht, wenn seine Neubestellung bisher nicht im Handelsregister eingetragen ist, denn die Eintragung der nach § 81 Abs. 1 AktG anmeldungspflichtigen Tatsachen hat nur deklaratorische Bedeutung.

2. Eine Hemmung der VerjährungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Hemmung
Hemmung der Verjährung
Verjährung
durch einen anderen Rechtsstreit wird grundsätzlich nur erreicht, wenn derselbe Streitgegenstand betroffen ist. Es genügt nicht, dass durch beide Rechtsstreitigkeiten ein Vorgang aus einem im weitesten Sinne im Zusammenhang stehenden historischen Lebenssachverhalt betroffen ist (Anschluss BGH, Urteil vom 17. Oktober 1995 – VI ZR 246/94), sondern entscheidend ist das im Rechtsstreit jeweils verfolgte Klageziel (hier: Verleitung zum nachvertraglichen Wettbewerbsverbot bzw. Patentrechtsstreit über Untersagung technischen Verfahrens).

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das am 19.12.2019 verkündete Urteil des Landgerichts Cottbus – Az. 11 O 58/17 – wird zurückgewiesen mit der Maßgabe, dass die Klage in den Hilfsanträgen als unzulässig abgewiesen wird.

Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Der Streitwert im Berufungsrechtszug wird auf bis zu 80.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Unterlassung, Auskunft und Feststellung der Schadensersatzpflicht insbesondere wegen vermeintlich unlauterer Mitarbeiterabwerbung in Anspruch.Randnummer2

Die Klägerin ist eine im Jahr 2010 gegründete und in Deutschland tätige Produzentin von aus der blauen Süßlupine hergestellten Produkten. Sie ist Inhaberin verschiedener Patente und Patentanmeldungen, insbesondere des am 17.01.2006 beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) angemeldeten und am 09.03.2010 erteilten Patents DE1…9 (Anlage K 15, Bl. 227 f. d.A.).Randnummer3

Die Beklagte wurde 2014 gegründet und vertreibt unter anderem Brotaufstriche auf Basis von Lupinenprotein-Extrakten. Sie erhob vor dem Bundespatentgericht Nichtigkeitsklage betreffend das Patent DE1…9 der Klägerin, sie nahm diese Klage später zurück.Randnummer4

Zwischen den Parteien war weiter ein Patentverletzungsverfahren im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes beim Landgericht Berlin zum Az. 16 O 386/15 anhängig (Anlagen K 6 und K 7, Bl. 56 ff. d.A.). Das Hauptsacheverfahren bei dem Landgericht Berlin zum Az. 16 O 49/16 ist mit Urteil vom 12.12.2019 zugunsten der Klägerin entschieden worden.Randnummer5

Zwischen dem 08.09.2014 und 31.05.2015 war bei der Klägerin O. G. als Berater im Bereich Vermarktung beschäftigt. In § 7 des diesbezüglichen Beratungsvertrages vom 08.09.2014 ist ein Wettbewerbsverbot für Herrn G. – zur Aufnahme einer Tätigkeit bei einem Konkurrenzunternehmen für die Dauer von 12 Monaten – vorgesehen (Anlage K 8, Bl. 63 f. d.A.). Aufgrund Nachtragsvereinbarung vom 17./21.10.2014 sollte Herr G. zum Interimsgeschäftsführer für die Dauer von voraussichtlich 3 Monaten bestellt werden (vgl. Anlagen K 9, Bl. 67 d.A.). In einem 2. Nachtrag vom 30.03.2015 wurde der 1. Nachtrag vereinbarungsgemäß aufgehoben (Anlage K 10, Bl. 69 ff. d.A.). Die Tätigkeit des Herrn G. bei der Klägerin endete am 31.05.2015.Randnummer6

Unter dem 17.07.2015 schloss die Beklagte mit Herrn G. einen Handelsvertretervertrag. Nach § 7 Ziffer 1 sollte der Vertrag zum 01.06.2016 wirksam werden (Anlage B 2, Bl. 149 f. d.A.). Bereits zuvor versandte Herr G. unter der E-Mail-Adresse „V. L. AG“ am 12.08.2015 als Salesmanager der Beklagten eine E-Mail in englischer Sprache an ein A. (Anlage K 11, Bl. 71 d.A.).Randnummer7

Mit Anwaltsschreiben vom 27. bzw. 28.10.2015 mahnte die Klägerin die Beklagte und Herrn G. wegen behaupteten Verstoßes gegen das nachvertragliche Wettbewerbsverbot ab und forderte zur Abgabe einer Verpflichtungserklärung auf (vgl. Anlage K 12, Bl. 73 f. d.A.). Mit Anwaltsschriftsatz vom 04.11.2015 erwiderte die Beklagte auf die Abmahnung der Klägerin und verlangte von ihr, bis zum 07.11.2015 sämtliche Ansprüche aus den Abmahnungen zurückzunehmen (Anlage B 4, Bl. 157 ff. d.A.). Nachdem die Klägerin auf das Anwaltsschreiben der Beklagten nicht reagiert hatte, erhob diese beim Landgericht Stralsund im November 2015 negative FeststellungsklageBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Feststellungsklage
negative Feststellungsklage
, die in der Folge an das Landgericht Rostock verwiesen wurde. Zwei Tage vor der anberaumten mündlichen Verhandlung beim Landgericht Rostock erhob die Klägerin die vorliegende Leistungsklage beim Landgericht Cottbus. Der Rechtsstreit beim Landgericht Rostock wurde daraufhin in der Hauptsache für erledigt erklärt.Randnummer8

Die Klägerin hat behauptet, Herr G. sei für die Beklagte spätestens ab August 2015 tätig gewesen und nicht erst gemäß Handelsvertretervertrag ab dem 01.06.2016. Er sei von der Beklagten in Kenntnis des bestehenden Wettbewerbsverbotes angeworben worden. Diese sei auf Herrn G. zugegangen und habe diesen in Kenntnis dessen fortbestehenden Verpflichtungen ihr – der Klägerin – gegenüber dazu aufgefordert, für sie – die Beklagte – tätig zu werden. Das in § 7 des Beratungsvertrages begründete und in dessen 2. Nachtrag bestätigte Wettbewerbsverbot sei entgegen der Auffassung der Beklagten auch wirksam. Die Beklagte habe daher ihren – der Klägerin – früheren Mitarbeiter wissentlich zum Vertragsbruch verleitet. Dieses Verhalten sei wettbewerbswidrig. Das Aufsetzen und Versenden der E-Mail vom 12.08.2015 zeige zudem, dass Herr G. Betriebsgeheimnisse erlangt und die Beklagte sich diese durch dessen Anwerben unbefugt verschafft habe. Der geltend gemachte wettbewerbsrechtliche Unterlassungsanspruch sei deshalb auch wegen des Verrats von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen begründet.Randnummer9

Die Klägerin hat beantragt,Randnummer10

1. die Beklagte wird verurteilt, es bei Vermeidung eines in jedem Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer in jedem Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, letztere zu vollstrecken an dem gesetzlichen Vertreter, zu unterlassen,Randnummer11

Mitarbeiter und/oder ehemalige Mitarbeiter der Klägerin dazu aufzufordern und/oder dazu zu verleiten, entgegen deren vertraglichen Verpflichtungen in selbstständiger und/oder unselbstständiger und/oder in sonstiger Weise innerhalb der Europäischen Union für die Beklagte tätig zu werden und/oder eine solche Tätigkeit für die Beklagte fortzusetzen, wie geschehen durch die Einstellung/Beschäftigung des Herrn O. G.;Randnummer12

2. die Beklagte wird verurteilt, Auskunft zu erteilen und Rechnung zu legen über die Art und den Umfang von Handlungen gemäß vorstehend Ziffer 1., insbesondere über deren Zeitraum, die Art und den Umfang derselben, dies insbesondere hinsichtlich des Engagements des Herrn O. G. für die Beklagte;Randnummer13

3. es wird festgestellt, dass die Beklagte dazu verpflichtet ist, der Klägerin sämtlichen Schaden zu ersetzen, der ihr durch Handlungen gemäß Ziffer 1. entstanden ist und/oder künftig noch entstehen wird;Randnummer14

4. die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 755,95 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der europäischen Zentralbank seit Rechtshängigkeit zu zahlen.Randnummer15

Hilfsweise hat die Klägerin die Verweisung des Rechtsstreits an die Kammer für Patentstreitsachen des Landgerichts Berlin beantragt.Randnummer16

Die Beklagte hat beantragt,Randnummer17

die Klage abzuweisen.Randnummer18

Sie hat behauptet, sie stelle ihre Lupinenprotein-Extrakte in unveränderter Form seit etwa März 2015 her. Erst rund drei Monate später habe sie die ersten Gespräche mit Herrn G. geführt, wobei nicht sie auf ihn zugegangen sei, sondern dieser sich an sie gewandt habe. Die Tätigkeit des Herrn G. für sie habe gemäß Handelsvertretervertrag auch erst zum 01.06.2016 begonnen. Die von der Klägerin angeführte E-Mail in englischer Sprache vom 12.08.2015 (Anlage K 11, Bl. 71 f. d.A.) beinhalte keinerlei Geschäftsgeheimnisse. Die Beklagte hat weiter die Auffassung vertreten, ein Verleiten des Herrn G. zum Vertragsbruch scheitere jedenfalls auch an dem Umstand, dass zwischen diesem und der Klägerin kein wirksames Wettbewerbsverbot begründet worden sei. Im Übrigen seien eventuelle Ansprüche der Klägerin verjährt.Randnummer19

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, soweit die Klägerin unter dem Gesichtspunkt des Verleitens zum Vertragsbruch einen Unterlassungsanspruch gemäß §§ 8, 3, 3a, 4 Nr. 4 UWG geltend mache, sei dieser Anspruch jedenfalls verjährt. Nach § 11 Abs. 1 UWG verjährten die Ansprüche aus §§ 8, 9 und 12 Abs. 1 Satz 2 UWG in sechs Monaten. Nach § 11 Abs. 2 UWG beginne die Verjährungsfrist, wenn der Anspruch entstanden sei und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt habe oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen. Unstreitig habe die Klägerin die Beklagte und Herrn G. mit Anwaltsschreiben vom 27. bzw. 28.10.2015 abgemahnt. Ende Oktober 2015 habe demgemäß die Verjährungsfrist zu laufen begonnen, denn der Unterlassungsanspruch sei gegebenenfalls entstanden und die Klägerin habe die den Anspruch begründenden Umstände und die Person des Schuldners zu diesem Zeitpunkt offensichtlich gekannt. Eine Hemmung der VerjährungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Hemmung
Hemmung der Verjährung
Verjährung
durch Verhandlungen nach § 203 BGB liege nicht vor. Die Beklagte habe die Abmahnung sofort zurückgewiesen und unmittelbar danach selbst Klage vor dem Landgericht Stralsund erhoben. Verhandlungen könnten in diesen Umständen nicht gesehen werden. Auch die negative FeststellungsklageBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Feststellungsklage
negative Feststellungsklage
vor dem Landgericht Stralsund und die Verteidigung der hiesigen Klägerin dagegen hätten nicht zur Hemmung der VerjährungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Hemmung
Hemmung der Verjährung
Verjährung
geführt. Die von der Klägerin am 18.07.2017 beim Landgericht Cottbus eingereichte Klage sei daher nach Ablauf der Verjährungsfrist erhoben worden. Verjährt sei damit auch der geltend gemachte Schadensersatzanspruch aus § 9 UWG. Das Gleiche gelte für den Anspruch auf Ersatz der Abmahnkosten gemäß § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG (a.F.) und den Anspruch auf Erteilung einer Auskunft, denn auch dieser sei als Nebenanspruch abhängig von der Verjährung des Unterlassungsanspruchs. Die Klageanträge zu 1. bis 4. scheiterten damit insgesamt an der Einrede der Verjährung.Randnummer20

Offen bleiben könne, ob der Klägerin ein Unterlassungsanspruch nach §§ 8, 17 Abs. 2 UWG (a.F.) bzw. §§ 6, 4 Abs. 3 GeschGehG zustehe. Einen solchen Unterlassungsanspruch könne das Gericht mangels entsprechender Antragstellung gegebenenfalls nur unter Verletzung des von Amts wegen zu beachtenden Grundsatzes der Bindung an die Parteianträge (§ 308 Abs. 1 ZPO) zusprechen. Bei einem wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsantrag ändere eine Abwandlung der Verletzungsform, auf die sich der Verbotsausspruch nach dem Willen des Klägers beziehen solle, den Streitgegenstand und setze deshalb einen entsprechenden Antrag des Klägers voraus. Die Klägerin habe indes auch nach entsprechender rechtlicher Erörterung in der mündlichen Verhandlung an ihrer ursprünglichen Antragstellung festgehalten und keinen weiteren Antrag kumulativ oder hilfsweise gestellt.Randnummer21

Gegen das Urteil wendet sich die Klägerin mit der Berufung, mit der sie ihre erstinstanzlichen Anträge weiterverfolgt. Hilfsweise beantragt sie, die Beklagte zur Unterlassung zu verurteilen, Geschäftsgeheimnisse der Klägerin zu nutzen oder offenzulegen, die sie über eine andere Person – wie geschehen durch Einstellung/Beschäftigung des Herrn G. – erlangt habe. Weiter hilfsweise stützt die Klägerin auch die Anträge auf Auskunftserteilung sowie Feststellung der Schadensersatzpflicht auf jene Verletzungshandlung.Randnummer22

Die Klägerin meint, die Beklagte habe die Verjährungseinrede mit Schriftsatz vom 10.09.2018 verspätet erhoben. Dadurch habe sie den Anspruch anerkannt, denn aus der inhaltlichen Verteidigung gegen die Unterlassungsklage ohne Erhebung der Verjährungseinrede sei auf das Bewusstsein vom Bestehen des Anspruchs zu schließen. Da sie die Verjährungseinrede nicht sofort erhoben habe, sei jedenfalls davon auszugehen gewesen, dass sie dies auch in Zukunft nicht mehr tun werde. Ungeachtet dessen sei die Verjährung der vorliegend geltend gemachten wettbewerbsrechtlichen Ansprüche durch die von ihr gegen die Beklagte vor dem Landgericht Berlin wegen Patentverletzung erhobene Unterlassungsklage gehemmt worden, denn es handele sich um denselben Lebenssachverhalt.Randnummer23

Die Klägerin ist ferner der Auffassung, die Klageabweisung bezüglich des von ihr ergänzend auf §§ 8, 17 Abs. 2 UWG (a.F.) bzw. §§ 6, 4 Abs. 3 GeschGehG gestützten Unterlassungsanspruchs wegen eines vermeintlichen Verstoßes gegen § 308 Abs. 1 ZPO sei verfahrensfehlerhaft erfolgt. Bei ordnungsgemäßer Auslegung des Antrages zu 1. sei ohne weiteres zu erkennen, dass der dazu gehaltene Sachvortrag lediglich einer zusätzlichen materiell-rechtlichen Begründung desselben Anspruchs diene, mit dem der Beklagten die Unterlassung geboten werden solle, vormals bei ihr – der Klägerin – beschäftigte Mitarbeiter entgegen deren vertraglichen Verpflichtungen einzustellen; denn dadurch verschaffe sich die Beklagte auch Geschäftsgeheimnisse. Die in der Antragstellung mit dem Zusatz „wie geschehen durch“ in Bezug genommene Einstellung/Beschäftigung des Herrn G. bezeichne insoweit einheitlich die konkrete Verletzungsform. Aus ihrem Vorbringen zu §§ 8, 17 Abs. 2 UWG (a.F.) bzw. §§ 6, 4 Abs. 3 GeschGehG könne daher kein selbständiges weiteres Unterlassungsbegehren hergeleitet werden. Es bleibe dabei, dass ihr diesbezügliches Vorbringen den bereits in erster Instanz gestellten Unterlassungsantrag lediglich materiell-rechtlich zusätzlich stützen solle.Randnummer24

Die Klägerin beantragt,Randnummer25

unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils,Randnummer26

1. die Beklagte wird verurteilt, es bei Vermeidung eines in jedem Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer in jedem Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, letztere zu vollstrecken an dem gesetzlichen Vertreter, zu unterlassen,Randnummer27

Mitarbeiter und/oder ehemalige Mitarbeiter der Klägerin dazu aufzufordern und/oder dazu zu verleiten, entgegen deren vertraglichen Verpflichtungen in selbstständiger und/oder unselbstständiger und/oder in sonstiger Weise innerhalb der Europäischen Union für die Beklagte tätig zu werden und/oder eine solche Tätigkeit für die Beklagte fortzusetzen, wie geschehen durch die Einstellung/Beschäftigung des Herrn O. G.;Randnummer28

2. hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, es bei Vermeidung eines in jedem Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer in jedem Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, letztere zu vollstrecken an dem gesetzlichen Vertreter, zu unterlassen,Randnummer29

Geschäftsgeheimnisse der Klägerin zu nutzen oder offenzulegen, die sie über eine andere Person erlangt hat und zum Zeitpunkt der Erlangung, Nutzung oder Offenlegung wusste oder wissen musste, dass diese das Geschäftsgeheimnis unter Verstoß gegen die Verpflichtung, das Geschäftsgeheimnis nicht offenzulegen, genutzt oder offengelegt hat. Das gilt insbesondere, wenn die Nutzung in der Herstellung, dem Anbieten, dem Inverkehrbringen oder der Einfuhr, der Ausfuhr oder der Lagerung für diese Zwecke von rechtsverletzenden Produkten besteht, wie geschehen durch die Einstellung/Beschäftigung des Herrn O. G.;Randnummer30

3. die Beklagte wird verurteilt, Auskunft zu erteilen und Rechnung zu legen über die Art und den Umfang von Handlungen gemäß vorstehend Ziffer 1., hilfsweise Ziffer 2., insbesondere über deren Zeitraum, die Art und den Umfang derselben, dies insbesondere hinsichtlich des Engagements des Herrn O. G. für die Beklagte;Randnummer31

4. es wird festgestellt, dass die Beklagte dazu verpflichtet ist, der Klägerin sämtlichen Schaden zu ersetzen, der ihr durch Handlungen gemäß Ziffer 1., hilfsweise Ziffer 2., entstanden ist und/oder künftig noch entstehen wird;Randnummer32

5. die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 755,95 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit Rechtshängigkeit zu zahlen.Randnummer33

Die Beklagte beantragt,Randnummer34

die Berufung zurückzuweisen.Randnummer35

Sie verteidigt das landgerichtliche Urteil und verweist hinsichtlich der vom Landgericht bejahten Verjährung der geltend gemachten Ansprüche auf ihren erstinstanzlichen Vortrag. Ergänzend führt sie dazu aus, ein von der Klägerin angenommenes Anerkenntnis des mit dem Antrag zu 1. geltend gemachten Unterlassungsanspruchs wegen der vermeintlich erstinstanzlich verspäteten Erhebung der Verjährungseinrede sei nach den Voraussetzungen des § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB schon deshalb auszuschließen, weil sämtliche dazu von der Klägerin vorgetragenen Tatsachen in die Zeit nach Ablauf der sechsmonatigen Verjährungsfrist fielen. Im Übrigen seien die dazu vorgetragenen Tatsachen unstreitig geblieben, so dass eine Präklusion ihres diesbezüglichen Vortrags nicht in Betracht komme.Randnummer36

Die Beklagte meint ferner, der von der Klägerin in der Berufungsinstanz eingeführte Hilfsantrag zu 2. sei als Klageänderung im Sinne des § 533 ZPO aufzufassen, der sie widerspreche. Der neue Hilfsantrag sei auch nicht sachdienlich, soweit damit erstmals formgerecht ein neuer Streitgegenstand in den prozess eingeführt werde, mit dem die Klägerin geltend mache, dass sie – die Beklagte – widerrechtlich Geschäftsgeheimnisse durch die Einstellung des Herrn G. erlangt habe. Unabhängig davon sei der mit dem Hilfsantrag verfolgte Unterlassungsanspruch ebenfalls verjährt. Zudem sei dieser Antrag zu weit gefasst und fehle es an einem substantiierten Vortrag der Klägerin zu der behaupteten unbefugten Offenlegung und Nutzung von Geschäftsgeheimnissen. Es bleibe nach den Darlegungen der Klägerin zu angeblichen Geschäftsgeheimnissen unklar, welche Informationsweitergabe sie konkret davon umfasst sehen wolle. Unabhängig davon fehle es mit dem Hilfsantrag zu 2. auch weiterhin an einem vollstreckungsfähigen Antrag; er sei schon begrifflich nicht hinreichend bestimmt.Randnummer37

Mit Schriftsatz vom 01.03.2022 hat die Klägerin die Vollmacht der Prozessbevollmächtigten der Beklagten gerügt. Der Senat hat mit dem im Sitzungstermin vom 01.03.2022 verkündeten Beschluss der Beklagten Gelegenheit gegeben, bis zum 15.03.2022 eine Prozessvollmacht im Original vorzulegen (Sitzungsniederschrift vom 01.03.2022, S. 2; Bl. 988 d.A.). Für den sich daran anschließenden weiteren Vortrag der Parteien wird auf den Schriftsatz der Beklagten vom 02.03.2022 nebst von F. K. für die Beklagte unterzeichneten Vollmachtsurkunden (Bl. 1010 ff. d.A.) sowie die Stellungnahme der Klägerin mit Schriftsatz vom 19.03.2022 (Bl. 1016 ff. d.A.) verwiesen. Mit Beschluss vom 05.04.2022 hat der Senat die mündliche Verhandlung wiedereröffnet und der Beklagten ergänzend Gelegenheit gegeben, bis zum 29.04.2022 zu der Vertretungsberechtigung des F. K. vorzutragen (Bl. 1021 d.A.). Für den weiteren Vortrag der Beklagten wird auf ihren Schriftsatz vom 28.04.2022 nebst in Ablichtung zur Akte gereichtem „Protokoll zur außerordentlichen Hauptversammlung der L. AG …“ vom 02.01.2018, ausweislich dessen F. K. vom Aufsichtsrat zum Vorstand bestellt worden ist, verwiesen (Bl. 1029 ff. d.A.). Der Senat hat der Klägerin Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 01.08.2022 eingeräumt und die Frist auf Antrag zuletzt bis zum 13.09.2022 verlängert. Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 24.01.2023 mit Nichtwissen in Abrede gestellt, dass Herr K. die vorgelegte Vollmacht unterzeichnet habe und dass in der außerordentlichen Hauptversammlung der Beklagten vom 02.01.2018 Beschlüsse gefasst worden seien. F. K. sei auch derzeit nicht im Handelsregister als Vorstand eingetragen, die Handelsregistereintragungen seien seit 2016 unverändert. Laut Internetrecherche sei keine Verbindung des Herrn K. zur Beklagten erkennbar, die Beklagte sei im Internet nicht mehr auffindbar, in den einschlägigen Seiten über Firmenwissen werde die alte Geschäftsanschrift genannt.Randnummer38

Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 24.01.2023 haben die einstweilen zur Prozessführung der Beklagten zugelassenen Rechtsanwälte vorgetragen, die Einsicht in das in im Internet veröffentlichte Unternehmensregister habe ergeben, dass ein Jahresabschluss der Beklagten betreffend das Jahr 2020 eingestellt sei, welcher im Jahr 2022 aufgestellt und von F. K. als Vorstandsvorsitzendem unterzeichnet worden sei. Das Gericht und der Prozessbevollmächtigte der Klägerin haben die unter „Unternehmensregister.de“ aufgerufene Internetseite in Augenschein genommen. Wegen des Ergebnisses der Einsichtnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 24.01.2013 (Bl. 1064 d.A.) verwiesen.Randnummer39

Die Klägerin hat beantragt, ihr vorsorglich Erklärungsfrist zu gewähren und der Beklagten aufzugeben, die Unterlage zur Akte zu reichen.Randnummer40

Ferner hat die Klägerin im Termin zur mündlichen Verhandlung erklärt, über die Hilfsanträge solle jedenfalls auch dann entschieden werden, wenn das Gericht aus welchem Grund auch immer die Hauptanträge für unbegründet erachtet.Randnummer41

Wegen weiterer Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze sowie der überreichten Unterlagen, im Übrigen auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die statthafte und auch sonst zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung der Klägerin (§§ 511, 513, 519, 520 ZPO) ist unbegründet. Dem Landgericht ist im Ergebnis darin zu folgen, dass die Klage mit den Hauptanträgen wegen Verjährung unbegründet ist. Eine Verurteilung der Beklagten vermag die Berufung auch mit den im Berufungsrechtszug eingeführten Hilfsanträgen nicht zu erreichen, denn die Klage ist in den Hilfsanträgen mangels ausreichend bestimmter Antragsfassung (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) als unzulässig abzuweisen.Randnummer43

1. Der Entscheidung des Senats steht kein prozessuales Hindernis entgegen.Randnummer44

a) Die Beklagte hat die ordnungsgemäße anwaltliche Bevollmächtigung ihrer Prozessbevollmächtigten dargelegt und zur Überzeugung des Senats nachgewiesen.Randnummer45

aa) Die Prozessbevollmächtigten der Beklagten sind, nachdem die Klägerin die Vollmachtsrüge (§ 88 Abs. 1 ZPO) erhoben hat, vom Senat in Ausübung pflichtgemäßen Ermessens im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 01.03.2022 stillschweigend (vgl. Zöller/Althammer, ZPO, 34. Auflage, § 89, Rn. 3) und ohne dahingehenden Widerspruch der Klägerin zur Prozessführung einstweilen zugelassen worden (§ 89 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Es ist ihnen ferner eine Frist zur Beibringung der Vollmacht gesetzt worden (§ 89 Abs. 1 Satz 2 ZPO). Nachfolgend hat die Beklagte eine von F. K. unterzeichnete Prozessvollmacht mit Schriftsatz vom 02.03.2022 im Original vorgelegt (Anlage BE 1, Bl. 1012 d.A.).Randnummer46

bb) Die durch F. K. erteilte Vollmacht ist entgegen der Auffassung der Klägerin mit anwaltlichem Standardformular und der durch Kurzrubrum erfolgten Bezeichnung des Rechtsstreits („P. GmbH ./. L. AG“) auch hinreichend bestimmt (vgl. Zöller/Althammer, aaO Rn. 8), zumal die gesondert nach § 141 Abs. 3 ZPO erteilte Vollmacht das Aktenzeichen dieses Berufungsverfahrens ausweist (Anlage BE 1, Bl. 1013 d.A.). Sie ist auch sonst als wirksam anzusehen. Soweit die Klägerin zuletzt mit Nichtwissen in Abrede stellt, dass F. K. die eingereichte Vollmachtsurkunde unterzeichnet hat, zeigt sie keinen Anhaltspunkt auf, der geeignet wäre, die auf der Urkunde vorhandene Unterschrift in Zweifel zu ziehen. Eine Fälschung behauptet die Klägerin nicht.Randnummer47

cc) Der Senat ist auch davon überzeugt, dass F. K. als alleiniges Vorstandsmitglied der Beklagten zur Erteilung der Anwaltsvollmacht als gesetzlicher Vertreter gemäß § 78 Abs. 1 Satz 1 AktG berechtigt war. Das ergibt sich aus dem von der Beklagten in Kopie vorgelegten Protokoll der außerordentlichen Hauptversammlung vom 02.01.2018 (vgl. Anlage zum Schriftsatz vom 28.04.2022, Bl. 1031 f. d.A.). Das Protokoll dokumentiert die Amtsniederlegung des bisherigen alleinigen Vorstandes H. E. nach dessen Aktienverkauf und dokumentiert weiter die Beschlussfassung des Aufsichtsrats nach § 84 Abs. 1 Satz 1 AktG über die Bestellung des F. K. zum Vorstandsmitglied. Die Erklärung der Klägerin mit Nichtwissen betreffend die Beschlussfassung, verbunden mit der Beanstandung, die Beklagte habe zum formal- und materiell-rechtlich wirksamen Zustandekommen eines Beschlusses nichts vorgetragen, rechtfertigt es nicht, die Bestellung F. K.s zum alleinigen Vorstandsmitglied in Zweifel zu ziehen. Dem Protokollinhalt ist kein Umstand zu entnehmen, welcher Wirksamkeitszweifel in formeller oder materiell-rechtlicher Hinsicht begründen könnte. Dass die Beklagte das Protokoll der außerordentlichen Hauptversammlung erst nach Ablauf der ihr mit Beschluss vom 05.04.2022 gesetzten Frist vorgelegt und dazu vorgetragen hat, weitere Vorstandsmitglieder wurden auch nicht später bestellt, ist unschädlich, weil der Fristsetzung zum Nachweis der Vollmacht keine Ausschlusswirkung zukommt (vgl. BGH, Beschluss vom 14.12.2011 – XII ZB 233/11, juris Rn. 8).Randnummer48

dd) Ebenso ist für die Wirksamkeit der Prozessvollmacht ohne Belang, dass die Neubestellung des Herrn F. K. zum alleinigen Vorstandsmitglied entgegen § 81 Abs. 1 AktG als anmeldepflichtige Tatsache bisher nicht in das Handelsregister (HRB 11629 CB) eingetragen worden ist, denn die Eintragung der nach § 81 Abs. 1 AktG anmeldungspflichtigen Tatsachen hat nur deklaratorische Bedeutung (BeckOGK/Fleischer, Stand: 01.07.2022, AktG § 81 Rn. 20; Koch, AktG, 16. Auflage, § 81 Rn. 9; Grigoleit, AktG 2. Auflage, § 81 Rn. 17). Im Verhältnis zur Klägerin kann sich die Beklagte auch nach Maßgabe des in § 15 Abs. 1 HGB (nur) gegenüber gutgläubigen Parteien verankerten negativen Vertrauensschutzes auf die nach § 81 Abs. 1 AktG publizitätsbedürftige personelle Änderung berufen, weil der Klägerin die Bestellung des Herrn F. K. zum alleinigen Vorstandsmitglied durch das zur Akte gereichte Protokoll zur außerordentlichen Hauptversammlung vom 02.01.2018, dessen Echtheit sie nicht bestritten hat, positiv bekannt ist (vgl. Grigoleit, aaO Rn. 17). Vor diesem Hintergrund kann sich die Beklagte auch nicht erfolgreich auf den positiven Vertrauensschutz des § 15 Abs. 3 HGB und insofern darauf berufen, dass im Handelsregister weiterhin (vgl. Anlage zum Protokoll vom 01.03.2022, Bl. 991 d.A.) der auf der Hauptversammlung vom 02.01.2018 abberufene Herr E. H. als Vorstand eingetragen ist (vgl. Grigoleit aaO; Fleischer, aaO Rn. 21).Randnummer49

ee) Der Umstand der Nichtvornahme der Eintragung der anmeldepflichtigen Tatsache begründet auch sonst keinen Zweifel daran, dass F. K. der gesetzliche Vertreter der Beklagten ist. Die Darlegungen der Klägerin, F. K. sei nach Internetrecherche nicht mit der Beklagten in Verbindung zu bringen, die Recherchen zur Beklagten ergäben, dass diese nicht mehr existent sei, greifen nicht durch. Abgesehen davon, dass ergiebige Tatsachen von der Klägerin nicht vorgetragen sind, hat die Inaugenscheinnahme der von der Beklagten im Termin zur mündlichen Verhandlung bezeichneten Veröffentlichung des Jahresabschlusses des Beklagten zum Geschäftsjahr 2020 im Unternehmensregister der Bundesanzeiger Verlag GmbH (registerführende Stelle des Unternehmensregisters) ergeben, dass die Beklagte, vertreten durch F. K. als Vorstandsvorsitzender, im Rechtsverkehr auftritt. Bei der Einsicht unter https://www.Unternehmensregister.de war der bezeichnete Jahresabschluss mit der Angabe „unterzeichnet von F. K., Vorstandsvorsitzender, 30. März 2022“ abrufbar.Randnummer50

b) Mit der auf den 01.03.2022 ausgestellten Prozessvollmacht ist die bisherige Prozessführung der Prozessbevollmächtigten von der Beklagten gemäß § 89 Abs. 2 ZPO jedenfalls mit Rückwirkung genehmigt worden (vgl. BGH, Beschlüsse vom 30.10.2013 – V ZB 9/13, juris Rn. 6 und vom 10.01.1995 – X ZB 11/92, juris Rn. 12 ff.; OLG Frankfurt, Urteil vom 07.07.2015 – 5 U 187/14, juris Rn. 37 ff.), so dass es nicht darauf ankommt, ob ihre Prozessbevollmächtigten schon bei Einleitung des Verfahrens eine grundsätzlich auch formlos wirksame (vgl. Zöller/Althammer, aaO § 80 Rn. 5 mwN) Vollmacht hatten.Randnummer51

c) Im Hinblick auf die Ausstellung der Vollmacht am 01.03.2022, die eine fortbestehende organschaftliche Vertretung und damit Handlungsfähigkeit der Beklagten belegt, bestehen auch keine begründeten Zweifel daran, dass die Beklagte, die auch zur Zeit der letzten mündlichen Verhandlung im Berufungsverfahren im Handelsregister des Amtsgerichts Cottbus zur Nummer HRB … CB geführt wird, im Sinne der §§ 50 f. ZPO partei- und prozessfähig ist. Ein klageabweisendes Prozessurteil zu Lasten der Klägerin, welche die Existenz der Beklagten mit Schriftsatz vom 01.03.2022 angezweifelt hat, scheidet vor diesem Hintergrund aus. Der Umstand, dass die Beklagte offenbar ihren Verwaltungssitz nicht mehr unter der weiterhin im Handelsregister vermerkten Sitzanschrift hat, sondern an der von ihr im prozess mitgeteilten Geschäftsadresse, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Dies gilt umso mehr, als sich hinsichtlich der persönlichen Ladungen der Beklagten zu dem ursprünglich anberaumten und nachfolgend verlegten Berufungstermin keine Postrückläufer ergeben haben.Randnummer52

d) Dem (hilfsweise) gestellten Antrag der Klägerin, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils den Rechtsstreit an einen für Patentstreitsachen funktional zuständigen Spruchkörper der Zivilgerichtsbarkeit I. Instanz zu verweisen (vgl. § 143 Abs. 1 und 2 PatG), war schon deshalb nicht zu folgen, weil der Rechtsstreit keine Patentstreitsache betrifft, denn Gegenstand der Klage ist nicht der Anspruch auf oder aus einer Erfindung und die Klage ist mit einer Erfindung auch nicht sonst eng verknüpft (vgl. BGH, Beschluss vom 22.02.2011 – X ZB 4/09, juris). Vielmehr ist vorliegend ein wettbewerbsrechtlicher Streitgegenstand betroffen, für den das Landgericht Cottbus seine Zuständigkeit zutreffend bejaht hat. Unabhängig davon kommt die Verweisung an einen anderen Spruchkörper in der Berufungsinstanz unter dem Gesichtspunkt von für die I. Instanz geltenden Zuständigkeitsregelungen nicht in Betracht. Nach § 513 Abs. 2 ZPO kann eine Berufung nicht darauf gestützt werden, dass das Gericht des ersten Rechtszuges seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen hat. Von § 513 Abs. 2 ZPO werden Entscheidungen über die funktional-sachliche und örtliche Zuständigkeit in allen Zivilrechtsstreitigkeiten erfasst, gleichgültig, ob ein ausschließlicher oder ein vereinbarter Gerichtsstand betroffen ist. Das gilt selbst dann, wenn ein ausschließlicher Gerichtsstand dem Schutz einer Partei dient. Vor diesem Hintergrund kann das Berufungsgericht einen Rechtsstreit nicht mehr von Amts wegen oder auf Antrag an ein nach den gesetzlichen Vorschriften für die betroffene Rechtsmaterie grundsätzlich zuständiges Gericht verweisen. Anderes gilt nur ausnahmsweise hinsichtlich der örtlichen Zuständigkeit im Falle einer international begründeten Zuständigkeit, die in jeder Instanz eines Rechtsstreits zu beachten ist, sowie aufgrund von Sondervorschriften, wie etwa für die Verfahrenszuständigkeit im Verhältnis zu Familiensachen und Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (MünchKommZPO/Rimmelspacher, 6. Auflage, § 513 Rn. 17 ff. mwN). Ein solcher Fall ist hier nicht gegeben, denn die Zuständigkeitsbestimmungen in § 143 Abs. 1 und 2 PatG enthalten lediglich Regelungen zur sachlichen und funktionalen Zuständigkeit der Landgerichte innerhalb der Zivilgerichtsbarkeit (BeckOK PatR/Kircher, 23. Ed. 15.01.2022, PatG § 143 Rn. 17 ff.).Randnummer53

2. Die Klage ist in den auf Unterlassung, auf Auskunftserteilung sowie auf Feststellung der Schadenersatzpflicht gerichteten Hauptanträgen und im Antrag auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten unbegründet.Randnummer54

a) Soweit das Landgericht gemeint hat, einen Anspruch auf Unterlassung gemäß §§ 8, 17 Abs. 2 UWG a.F. bzw. nach den Vorschriften des GeschGehG könne es nicht ohne Verstoß gegen § 308 Abs. 1 ZPO zusprechen, hat es das Parteivorbingen der Klägerin verkannt.Randnummer55

Zutreffend hat das Landgericht ausgeführt, dass das Gericht nach § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO nicht befugt ist, einer Partei etwas zuzusprechen, was nicht beantragt ist. Das zusprechende Urteil muss sich innerhalb des mit der Klage anhängig gemachten Streitgegenstands halten. Einen selbständigen Streitgegenstand hat die Klägerin mit ihrem Hilfsvortrag zum Antrag zu 1. – entgegen der Ansicht des Landgerichts – aber nicht eingeführt.Randnummer56

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wird der Streitgegenstand durch den Klageantrag, in dem sich die vom Kläger in Anspruch genommene Rechtsfolge konkretisiert, und den Lebenssachverhalt (Klagegrund) bestimmt, aus dem der Kläger die begehrte Rechtsfolge herleitet (vgl. nur BGH, Urteil vom 13. September 2012 – I ZR 230/11, BGHZ 194, 314 juris Rn. 18 mwN). Zu dem Lebenssachverhalt, der die Grundlage der Streitgegenstandsbestimmung bildet, rechnen alle Tatsachen, die bei einer vom Standpunkt der Parteien ausgehenden natürlichen Betrachtungsweise zu dem durch den Vortrag der Klagepartei zur Entscheidung gestellten Tatsachenkomplex gehören.Richtet sich die Klage gegen die konkrete Verletzungsform, so ist in dieser Verletzungsform der Lebenssachverhalt zu sehen, durch den der Streitgegenstand bestimmt wird (BGH, Urteil vom 13. September 2012 a.a.O. Rn. 24).Randnummer57

Die Klägerin hat ihr Begehren, es zu unterlassen, ihre Mitarbeiter oder ehemalige Mitarbeiter aufzufordern und/oder zu verleiten, entgegen deren vertraglichen Verpflichtungen … für die Beklagte tätig zu werden und/oder eine solche Tätigkeit für die Beklagte fortzusetzen, auf die Verletzungshandlung der „Einstellung/Beschäftigung des Herrn O. G.“ bezogen. Dazu hat sie erklärt, mit ihren Ausführungen zu § 17 Abs. 2 UWG a.F. bzw. § 4 Abs. 3 GeschGehG wolle sie keinen neuen Streitgegenstand in den Rechtsstreit einführen, sondern lediglich eine weitere materiell-rechtliche Begründung für den mit dem Klageantrag geltend gemachten wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch vorbringen, ein unbefugtes Verschaffen von Betriebsgeheimnissen sei unter den gestellten Antrag zu subsumieren. Der Verweis der Klägerin auf die entsprechenden materiell-rechtlichen Tatbestände des § 17 Abs. 2 UWG a.F. bzw. § 4 Abs. 3 GeschGehG war mithin nur als Hilfsbegründung innerhalb eines einheitlichen Streitgegenstandes anzusehen. Hieran hält die Klägerin auch im Berufungsrechtszug bezüglich ihres Unterlassungsantrages in der Hauptfassung (Antrag zu 1.) fest.Randnummer58

b) Es kann offenbleiben, ob die Beklagte durch die Einstellung und Beschäftigung des Herrn G. die Verbotstatbestände eines Verstoßes gegen Marktverhaltensregelungen bzw. wegen einer gezielten Behinderung durch Verleiten zum Vertragsbruch im Sinne von § 3a UWG bzw. § 4 Nr. 4 UWG (Hauptvortrag zum Antrag zu 1.) oder des sich unbefugten Verschaffens und/oder Offenlegens von Geschäfts- oder Betriebsgeheimnissen im Sinne von § 3a UWG i.V.m. § 17 Abs. 2 UWG a.F. bzw. § 4 Abs. 3 GeschGehG (Hilfsvortrag zum Antrag zu 1.) erfüllt hat. Es kommt insbesondere nicht entscheidend darauf an, ob die Beklagte Herrn G. in Kenntnis eines für diesen wirksam mit der Klägerin begründeten Wettbewerbsverbots eingestellt hat oder ob die betreffende Vereinbarung zwischen der Klägerin und Herrn G. in § 7 des Beratungsvertrages vom 08.09.2014 (Anlage K 8, Bl. 63 ff. d.A.) bzw. der 2. Nachtragsvereinbarung vom 30.03.2015 (Anlage K 10, Bl. 69 f. d.A.) ohne eine Karenzentschädigung nichtig war (vgl. § 74 HGB bzw. §§ 242 BGB i.V.m. Art 12 GG), wie das Landgericht Rostock und das Oberlandesgericht Rostock (vgl. Anlagen B 7 und B 13, Bl. 364 ff. und 622 f. d.A.) sowie das Arbeitsgericht München und das Landesarbeitsgericht München (vgl. Anlagen B 5 und B 12, Bl. 244 ff. und 620 f. d.A.) in den parallel geführten Rechtsstreitigkeiten angenommen haben. Denn der mit dem Hauptantrag zu 1. aus §§ 8 Abs. 1 und 3, 3 Abs. 1, 4 Nr. 4 bzw. § 3a UWG i.V.m. 17 Abs. 2 UWG (a.F.) bzw. §§ 6, 4 Abs. 3 GeschGehG geltend gemachte wettbewerbsrechtliche Unterlassungsanspruch ist aus den vom Landgericht insoweit zutreffend ausgeführten Gründen jedenfalls verjährt.Randnummer59

aa) Der Unterlassungsanspruch (§ 8 Abs. 1 UWG) unterliegt nach § 11 Abs. 1 UWG der Verjährung binnen sechs Monaten. Gemäß § 11 Abs. 2 UWG beginnt die Verjährungsfrist, wenn der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. Nach dem insoweit unstreitigen Parteivorbringen hat die Klägerin die Beklagte und Herrn G. jeweils mit Anwaltsschreiben vom 27. bzw. 28.10.2015 unter anderem unter Verweis auf die von Herrn G. am 12.08.2015 als Salesmanager der Beklagten versandten E-Mail hinsichtlich der des streitgegenständlichen Unterlassungsbegehren abgemahnt. Mithin war der vermeintliche Anspruch entstanden und hatte die Klägerin Kenntnis von den maßgeblichen Umständen und der Person des Schuldners. Selbst wenn man den Verjährungsbeginn erst mit Auslaufen des vertraglichen Wettbewerbsverbots des Herrn G. mit Ablauf des 31.05.2016 annimmt, konnte die Klageschrift vom 18.07.2017, der Beklagten zugestellt am 20.10.2017, die Verjährung nicht mehr hemmen, denn die Verjährungsfrist war spätestens mit Ablauf des 30.11.2016 (§ 188 Abs. 3 BGB) abgelaufen.Randnummer60

bb) Die Beklagte ist mit der Einrede der Verjährung entgegen der Auffassung der Klägerin nicht präkludiert. Dass eine von der beklagten Partei erstinstanzlich erhobene Verjährungseinrede jedenfalls dann nicht wegen prozessualer Verspätung gemäß §§ 282 Abs. 1, 296 Abs. 2 ZPO präkludiert sein kann, wenn die den Anlauf der Verjährungsfrist begründenden Tatsachen zwischen den Parteien wie vorliegend unstreitig sind, liegt auf der Hand (vgl. zu §§ 529, 531 ZPO etwa BGH, Beschluss vom 31.07.2013 – IV ZR 158/12, juris Rn. 15 ff.) und stellt auch die Klägerin nicht in Abrede. Dafür war es lediglich erforderlich, den Beginn der Verjährungsfrist darzulegen, der sich gemäß den hierfür nach § 11 Abs. 2 Nr. 1 und 2 UWG erforderlichen Tatsachen der Anspruchsentstehung und diesbezüglicher Kenntnis der Klägerin aus der unstreitigen Versendung ihres an die Beklagte gerichteten Abmahnschreibens ergibt. Nachdem bereits das Landgericht die Einrede für beachtlich erachtet hat, wäre eine erstinstanzlich unterlassene Zurückweisung verspäteten Vortrags in der Berufungsinstanz ohnehin prozessual überholt.Randnummer61

cc) Der Ablauf der Verjährungsfrist ist nicht wegen zwischenzeitlich geführter Verhandlungen der Parteien gemäß § 203 BGB gehemmt worden, wofür auf die insoweit zutreffenden Ausführungen des Landgerichts verwiesen werden kann. Auch ein Neuanlauf der Verjährung durch ein von der Beklagten abgegebenes Anerkenntnis gemäß § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB scheidet hier entgegen der Auffassung der Klägerin aus, und zwar schon deshalb, weil die von ihr dafür angeführten Umstände, insbesondere die vermeintlich auf ein Anerkenntnis deutende nicht sofortige Erhebung der Verjährungseinrede seitens der Beklagten in der I. Instanz, sämtlich nach Ablauf der sechsmonatigen Verjährungsfrist des § 11 Abs. 1 UWG eingetreten sind und daher von vornherein nicht mehr geeignet waren, den Neubeginn der Verjährungsfrist zu begründen. Eine verjährungsunterbrechende Wirkung hat ein Anerkenntnis nur innerhalb noch laufender Verjährungsfrist (siehe nur BGH, Urteil vom 27.01.2015 – VI ZR 87/14, juris Rn. 11; Grüneberg/Ellenberger, BGB, 82. Auflage, § 212 Rn. 2; jeweils mwN). Ungeachtet dessen liegt in einer Verteidigung, die im prozess zunächst „nur“ die Tatbestandsvoraussetzungen eines geltend gemachten Anspruchs in Abrede stellt, ohne sogleich die Einrede der Verjährung zu erheben, und in der sodann nachträglichen Erhebung der Verjährungseinrede, ersichtlich noch kein Verhalten, dass ein tatsächliches Anspruchsanerkenntnis begründen kann. Im Streitfall hat die Beklagte zudem nach Erhalt der vorgerichtlichen Abmahnung der Klägerin und vor Erhebung der hiesigen Leistungsklage ihrerseits negative FeststellungsklageBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Feststellungsklage
negative Feststellungsklage
gegen den geltend gemachten Unterlassungsanspruch erhoben.Randnummer62

dd) Dass sich im Übrigen aus der Erhebung dieser negativen Feststellungsklage durch die Beklagte auch selbst kein Hemmungstatbestand ableiten lässt, hat bereits das Landgericht zutreffend ausgeführt. Die in den §§ 203, 204 Abs. 1 BGB normierten Hemmungstatbestände verlangen, dass ein Gläubiger seinen Anspruch aktiv verfolgt, um den Eintritt der Verjährung zu verhindern. Deshalb genügen die Erhebung einer negativen Feststellungsklage durch den Schuldner und die Verteidigung des Gläubigers hiergegen nicht, um eine Hemmung der VerjährungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Hemmung
Hemmung der Verjährung
Verjährung
zu bewirken (vgl. BGH, Urteil vom 15.08.2012 – XII ZR 86/11, juris Rn. 29).Randnummer63

ee) Es ist ferner keine Hemmung der sich für den geltend gemachten wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch nach § 11 Abs. 1 UWG richtenden kurzen Verjährung durch das von der Klägerin vor dem Landgericht Berlin geführte Patentverletzungsverfahren eingetreten. Eine Hemmung der VerjährungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Hemmung
Hemmung der Verjährung
Verjährung
durch einen anderen Rechtsstreit wird grundsätzlich nur erreicht, wenn derselbe Streitgegenstand betroffen ist (BGH, Urteil vom 21.03.2000 – IX ZR 183/98, juris Rn. 12; Palandt/Ellenberger, aaO, § 204 Rn. 13 mwN). Dabei ist entgegen der Auffassung der Klägerin nicht nur erheblich, dass durch beide Rechtsstreitigkeiten ein Vorgang aus einem im weitesten Sinne im Zusammenhang stehenden historischen Lebenssachverhalt betroffen ist, sondern entscheidend ist das im Rechtsstreit jeweils verfolgte Klageziel. Denn die jeweilige Klageerhebung unterbricht die Verjährung nur für Ansprüche in der Gestalt und im Umfang, wie sie mit der Klage geltend gemacht wurden, also nur für den streitgegenständlichen prozessualen Anspruch, der Gegenstand der Klage ist. Im Rahmen eines den Streitgegenstand bildenden prozessualen Leistungsanspruchs umfasst die zur Verjährungshemmung führende Rechtshängigkeit dann alle materiell-rechtlichen Ansprüche, die den Klageantrag zu begründen vermögen (BGH, Urteil vom 17.10.1995 – VI ZR 246/94, juris Rn. 18).Randnummer64

Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Im vorliegenden Rechtsstreit begehrt die Klägerin der Beklagten zu untersagen, vormals für sie – die Klägerin – tätige Mitarbeiter einzustellen und dadurch vermeintlich zum Vertragsbruch gegen ein Nachvertragliches WettbewerbsverbotBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Nachvertragliches Wettbewerbsverbot
Wettbewerbsverbot
zu verleiten (Hauptvortrag zum Antrag zu 1. zu § 4 Nr. 4 UWG) bzw. sich dadurch unbefugt Geschäftsgeheimnisse zu verschaffen (Hilfsvortrag zum Antrag zu 1. zu § 17 Abs. 2 UWG a.F. bzw. § 4 Abs. 3 GeschGehG). In dem Patentrechtsstreit hat die Klägerin hingegen beantragt, der Beklagten zu untersagen, ein bestimmtes technisches Verfahren zur Gewinnung pflanzlicher Proteinfraktionen anzuwenden, wenn dabei besonders bezeichnete Verfahrensschritte eingehalten werden (vgl. Anlage BK 1, Bl. 837 d.A.). Mit der damit verlangten Unterlassung der Verletzung eines Patents hat die Klägerin schon mit Rücksicht auf die insoweit verschiedenen Handlungen der Beklagten und zu prüfenden Anspruchsgrundlagen ein anderes Begehren verfolgt als mit der hier klagegegenständlichen vorgerichtlichen Abmahnung der Beklagten und damit aber ein anderes Klageziel als im hiesigen Rechtsstreit. Das Landgericht ist daher zu Recht davon ausgegangen, dass der prozessuale Anspruch, der mit dem Patentverletzungsverfahren verfolgt wurde, hinsichtlich des Streitgegenstandes nicht identisch war mit demjenigen, der hier auf der Grundlage der Klageschrift vom 18.07.2017 (Bl. 10 ff. d.A.) geltend gemacht wird.Randnummer65

c) Die diesbezüglich auf Auskunft und auf Feststellung der Schadensersatzpflicht gerichteten Anträge in den Hauptfassungen sowie ferner der Antrag auf Erstattung vorgerichtlicher Abmahnkosten sind ebenfalls unbegründet. Mit Rücksicht auf die nach § 11 Abs. 1 UWG gleichfalls eingetretene Verjährung des Mitbewerber-Schadensersatzanspruchs aus §§ 3, 9 Satz 1 UWG sowie des Aufwendungsersatzanspruchs aus §§ 8, 13 Abs. 3 UWG, § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG a.F. ist auch der Auskunftsanspruch nicht mehr durchsetzbar respektive unbegründet.Randnummer66

3. Die erstmals im Berufungsrechtszug eingeführten Hilfsanträge auf Unterlassung, auf Auskunftserteilung sowie auf Feststellung der Schadenersatzpflicht sind unzulässig, denn sie genügen den Bestimmtheitsanforderungen des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO nicht.Randnummer67

a) Der Unterlassungsantrag in der Hilfsfassung wiederholt im wesentlichen den Gesetzeswortlaut des § 4 Abs. 3 GeschGehG verbunden mit dem Insbesondere-Zusatz, wenn die Nutzung von Geschäftsgeheimnissen in der Herstellung, dem Anbieten, dem Inverkehrbringen oder der Einfuhr, der Ausfuhr oder der Lagerung von rechtsverletzenden Produkten besteht, wie geschehen durch die Einstellung/Beschäftigung des Herrn G.. Das genügt nicht, da der Antrag nicht erkennen lässt, in welchen konkreten Merkmalen eine Verletzungshandlung liegen soll.Randnummer68

Nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO darf ein Verbotsantrag nicht derart undeutlich gefasst sein, dass Gegenstand und Umfang der Entscheidungsbefugnis des Gerichts (§ 308 Abs. 1 ZPO) nicht erkennbar abgegrenzt sind, sich der Beklagte deshalb nicht erschöpfend verteidigen kann und letztlich die Entscheidung darüber, was dem Beklagten verboten ist, dem Vollstreckungsgericht überlassen bliebe (st. Rspr., vgl. nur BGH, Urteil vom 02.06.2022 – I ZR 140/15, YouTube II, juris Rn. 26; Urteil vom 22.03.2018 – I ZR 118/16, Hohlfasermembranspinnanlage II, juris Rn. 16 jeweils mwN). Eine hinreichende Bestimmtheit ist für gewöhnlich gegeben, wenn eine Bezugnahme auf die konkrete Verletzungshandlung erfolgt oder die konkret angegriffene Verletzungsform antragsgegenständlich ist und der Klageantrag zumindest unter Heranziehung des Klagevortrags unzweideutig erkennen lässt, in welchen Merkmalen des angegriffenen Verhaltens die Grundlage und der Anknüpfungspunkt für den Rechtsverstoß und damit das Unterlassungsgebot liegen soll (vgl. BGH a.a.O.). Diesen Anforderungen werden Antragsfassung und Vorbringen der Klägerin nicht gerecht.Randnummer69

Dem Vorbringen der Klägerin ist nicht zu entnehmen, auf welches konkrete Merkmal eines Geschäftsgeheimnisses sich das Verbot, Geschäftsgeheimnisse zu nutzen oder offen zu legen, beziehen soll. Zwar geht der Bestimmtheitsgrundsatz nicht so weit, dass der Kläger gezwungen wäre, im Klageantrag unter Hintanstellung seiner berechtigten Geheimhaltungsinteressen Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse zu offenbaren, er hat aber zu bezeichnen, welche bestimmte Ausführungsform Gegenstand des Verbots sein soll (vgl. BGH, Urteil vom 22.03.2018 a.a.O. juris Rn. 19; OLG Schleswig, Urteil vom 28.04.2022 – 6 U 39/21, juris Rn. 33; Alexander in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 42. Aufl., GeschGehG § 6 Rn. 36a). Die Klägerin nimmt lediglich abstrakt auf Geschäftsgeheimnisse Bezug, was unzureichend ist. Hinreichende Bestimmtheit bringt auch der Insbesondere-Zusatz nicht, für die insoweit genannten „rechtsverletzende(n) Produkte“ bleibt unklar, welche bestimmte Ausführungsform eines aus Lupinen hergestellten Produkts den Verbotsgegenstand bilden soll.Randnummer70

b) An demselben Mangel ausreichender Bestimmtheit leiden auch die Hilfsfassungen der Anträge auf Auskunft und Feststellung der Schadensersatzpflicht. Da das Verbot unbestimmt ist, fehlt auch eine hinreichende Bestimmung des Auskunftsverlangens und des festzustellenden Rechtsverhältnisses (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO).

III.1

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10 Satz 1 und 2, 711 Satz 1 und 2 ZPO.Randnummer72

Die Revision, über deren Zulassung der Senat von Amts wegen zu entscheiden hat, weshalb der in der mündlichen Verhandlung gestellte Antrag der Klägerin nicht förmlich zu bescheiden ist (vgl. Zöller/Heßler, aaO, § 543 Rn. 16), ist nicht zuzulassen, weil die vorliegende Einzelfallentscheidung keine grundsätzliche Bedeutung hat (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) und auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs nicht erfordern (§ 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO).Randnummer73

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 51 Abs. 2 GKG, § 45 Abs. 1 Satz 2 und 3 GKG. Der Senat folgt der Wertfestsetzung des Landgerichts, das den Wert der erstinstanzlichen Klageanträge, denen die Hauptanträge zweiter Instanz entsprechen, auf 50.000 € festgesetzt hat. Hinzuzurechnen ist für die zweite Instanz der Wert der Hilfsanträge, soweit sie nicht teilweise denselben Gegenstand betreffen. Bei den Hilfsanträgen auf Unterlassung, Auskunft und Feststellung der Schadensersatzpflicht handelt es sich jeweils um von den Hauptanträgen abweichende Streitgegenstände, da aus unterschiedlichen Klagegründen inhaltlich andere Unterlassungs-, Auskunfts- und Schadensersatzfeststellungsbegehren verfolgt werden. Für den kostenrechtlichen Gegenstandsbegriff nach § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG ist indes – unabhängig vom zivilprozessualen Streitgegenstand – eine wirtschaftliche Betrachtung zu Grunde zu legen, entscheidend ist, ob und inwieweit wirtschaftliche Identität vorliegt. Haupt- und Hilfsanträge überschneiden sich in wirtschaftlicher Hinsicht, da die Klägerin den mit Bezug auf Geschäftsgeheimnisse geltend gemachten Sachverhalt beiden Antragsvarianten einheitlich zugrunde gelegt hat. Da die Anträge aber ganz verschieden geartete Verbote bezeichnen, sind sie nicht vollständig wirtschaftlich identisch. Der Senat bemisst den überschießenden Wert der Hilfsanträge mit einem Anteil von 1/3 des Wertes der Hauptanträge, mithin mit einem Betrag von 16.666,67 €. Unter Zusammenrechnung mit dem Wert der Hauptanträge ergibt sich ein Gesamtbetrag in der Wertstufe bis 80.000 € (Anlage 2 zu § 34 Absatz 1 Satz 3 GKG).

Löffler I www.K1.de I www.gesellschaftsrechtskanzlei.com I Gesellschaftsrecht I GmbHRecht I Erfurt I Thüringen I Sachsen I Sachsen-Anhalt I Hessen I Deutschland 2023

Schlagworte: Nachvertragliches Wettbewerbsverbot, Wettbewerbsverbot

Veröffentlicht in OLG Brandenburg | Kommentare geschlossen

OLG Brandenburg, Urteil vom 27.12.2022 – 6 U 154/19O

Dienstag, 27. Dezember 2022

sittenwidrige Kollusion

§ 138 BGB, § 181 BGB, § 242 BGB, § 280 BGB, § 426 BGB, § 430 BGB, § 812 BGB, § 817 BGB

1. Wenn der Vertreter einer Vertragspartei kollusiv mit dem Vertragsgegner zum Nachteil des VertretenenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Nachteil
zum Nachteil des Vertretenen
ein Geschäft abschließt, verstößt das Geschäft wegen einer sittenwidrigen Kollusion gegen die guten Sitten und ist gem. § 138 Abs. 1 BGB nichtig. Aus diesem Grund ist insbesondere auch ein Vertrag nichtig, wenn ein von den Voraussetzungen des § 181 BGB befreiter Bevollmächtigter seine Vollmacht missbraucht, um mit sich als Geschäftsgegner ein Geschäft zum einseitigen Vorteil einer der vertretenen Gesellschaften abzuschließen.

2. Das sittenwidrige Zusammenwirken erfasst dabei regelmäßig das gesamte Rechtsgeschäft, weil davon auszugehen ist, dass der benachteiligte Geschäftsherr bei Kenntnis des kollusiven Zusammenwirkens zwischen seinem Angestellten und dem bevorteilten Vertragspartner den Vertrag insgesamt nicht geschlossen und vollzogen hätte.

3. Vereinbarungen, welche Angestellte, Bevollmächtigte oder sonstige Vertreter einer Partei im Einverständnis mit dem Vertragsgegner zum eigenen Vorteil hinter dem Rücken des Geschäftsherrn und zu dessen Schaden treffen, verstoßen gegen die guten Sitten und sind wegen sittenwidriger Kollusion nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig.

Gründe

I.

Die Parteien streiten über wechselseitig mit Klage und Widerklage geltend gemachte Zahlungsansprüche im Zusammenhang mit einem Unternehmenskaufvertrag.

Zur Klage:

Die Klägerin war bis zum Abschluss des streitgegenständlichen Unternehmenskaufvertrages alleinige Gesellschafterin der Beklagten. Mit Vertrag vom 18.7.2016 veräußerte und übertrug die Klägerin ihre Gesellschaftsanteile an der Beklagten an die (X) (…). In Ziff. 7.1 („Steuern“) des „Vertrages über den Verkauf und die Abtretung aller Geschäftsanteile“ heißt es auszugsweise:

„Mit der Veräußerung der Geschäftsanteile endet die zwischen dem Verkäufer und (Y) Protect und (Y) Verwaltung bestehende steuerliche Organschaft mit der Folge, dass [diese] in 2017 für das gesamte Geschäftsjahr 2016 steuerlich veranlagt werden. (…) In der Closing Bilanz ist in Höhe des bis zum Closing anfälligen Steueranteils der Gesellschaften eine Rückstellung zu bilden. Im Gegenzug stellt der Erwerber den Verkäufer von etwaigen Verpflichtungen aus dem Gewinn- und Beherrschungsvertrag ab dem 1. August 2016 frei. Das Gewinnbezugsrecht hinsichtlich der Gewinne des Geschäftsjahres steht dem Erwerber zu.“

In Ziff. 19 („Offene Forderungen“) vereinbarten die Kaufvertragsparteien zu offenen Forderungen der Beklagten in Abs. 1 bis 3:

„Die in der Closing Bilanz ausgewiesenen offenen Forderungen können fristgerecht zum jeweiligen Fälligkeitsdatum – soweit sie nicht in der Closing Bilanz zurückgestellt wurden – in voller Höhe eingezogen werden.

Die Parteien vereinbaren ausdrücklich, das Einziehungsrisiko der Restforderung gegenüber dem Kunden … am 30. Juni 2016 in Höhe von 318.930,82 € in der Closing Bilanz nicht zurückzustellen, da der Verkäufer die vollständige Einziehung der Forderung gegenüber dem Erwerber garantiert. Soweit die Forderung nicht vollständig zum 31. Dezember 2016 eingetrieben ist, verpflichtet sich der Verkäufer die Schuld des Kunden … zu übernehmen und den Gesellschaften die Forderungen gegenüber … zum Nennwert abzukaufen.

Im Falle des Nichteinzugs der Forderungen verpflichtet sich der Verkäufer, auf erste Anfrage des Erwerbers die betroffene Forderung zu ihrem Nennwert oder soweit eine Rückstellung erfolgte, in Höhe des nichtrückgestellten Betrages abzukaufen.“

Vor Abschluss des Unternehmenskaufvertrages schloss die Beklagte mit der … GmbH (im Folgenden: …) Verträge zur Bewachung von Objekten, woraus die Beklagte gegen die … einen Anspruch in Höhe von 318.927,85 € herleitete. Die Beklagte erhob vor dem Landgericht Potsdam in entsprechender Höhe am 29.4.2016 Zahlungsklage gegen die …. Die Beklagte legte durch

ihren Geschäftsführer M. G. am 10.4.2017 gegenüber der Klägerin unter Verweis auf den Unternehmenskaufvertrag als Kaufpreis für die gegen die … gerichtete Gesamtforderung eine Rechnung über 180.659,24 € („Forderungen …“), ausgehend vom ursprünglichen Forderungsbetrag von 318.930,82 € und abzgl. einer Einzelwertberichtigung „per 30. Juni 2017“ i.H.v. 138.271,58 € (…). Zu dieser Zeit war der Geschäftsführer der Beklagten M. G. zugleich Geschäftsführer der Klägerin und jeweils von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit. Ob die Beklagte per 30.6.2016 eine wirtschaftlich-bilanziell gerechtfertigte Einzelwertberichtigung hinsichtlich der Forderung i.H.v. 138.271,58 € vornahm, ist zwischen den Parteien streitig. Den Rechnungsbetrag von 180.659,24 € überwies die Klägerin an die Beklagte am 13.4.2017 (…). Die Beklagte berief in der Folgezeit Herrn M. G. als Geschäftsführer ab.

Der von der Beklagten nach Abschluss des Unternehmenskaufvertrages gegen die … weitergeführte Rechtsstreit endete mit einem gerichtlich festgestellten Vergleich, in dem sich die … zur Zahlung von 191.500 € verpflichtete (…). Diesen Betrag zahlte die … in der Folgezeit an die Beklagte. Die Klägerin forderte die Beklagte mit Schreiben vom 23.4.2018 auf, den von der … erhaltenen Betrag an sie auszukehren oder die betreffende Vergleichsforderung an sie abzutreten (…). Die Beklagte wies dies mit Schreiben vom 7.5.2018 zurück, woraufhin die Klägerin die Beklagte unter Fristsetzung bis zum 10.8.2018 nochmals erfolglos aufforderte, die Forderung an sie abzutreten oder gegebenenfalls den vereinnahmten Betrag von 191.500 € auszukehren (…).

Zur Widerklage:

Zwischen den Parteien bestand ein am 27.7.2004 abgeschlossener und im Jahr 2014 neu gefasster „Beherrschungs- und GewinnabführungsvertragBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag
Gewinnabführungsvertrag
“ (…). Für die Dauer des Vertrages war die Beklagte finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in die Klägerin eingegliedert. Auf Weisung der Klägerin zahlte die Beklagte am 8.2.2016 einen Betrag i.H.v. 467.414 € zur Abdeckung einer umsatzsteuerlichen Sondervorauszahlung für das Jahr 2016 an das Finanzamt …. Der Betrag diente als Leistung einer Sicherheit für die Klägerin, um eine Dauerfristverlängerung für abzuführende Vorsteuern zu erlangen. Die Dauerfristverlängerung berechtigte die Klägerin, ihre monatlich zu erstellende umsatzsteuerliche Voranmeldung – den Saldo aus abzuführender eingenommener Umsatzsteuer und aus ihrerseits geleisteten Vorsteuern – nicht wie üblich schon zum 10. des Folgemonats, sondern erst zum darauf folgenden Monat abgeben und ausgleichen zu können. Ob der Betrag der Sondervorauszahlung vom Finanzamt an die Klägerin zurückgezahlt oder ganz oder teilweise mit Umsatzsteuerschulden verrechnet worden ist, ist zwischen den Parteien streitig. Wie im Unternehmenskaufvertrag zwischen der Klägerin und der Erwerberin zu Ziff. 7.1 vorgesehen wurde der Beherrschungs- und GewinnabführungsvertragBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag
Gewinnabführungsvertrag
mit Wirkung zum 31.7.2016 gekündigt (…).

Die Klägerin hat erstinstanzlich Zahlung des von der Beklagten nach dem Rechtsstreit mit der … vereinnahmten Vergleichsbetrages verlangt und den Anspruch unter Verweis auf den in Ziff. 19 Abs. 2 des Unternehmenskaufvertrages vorgesehenen Forderungskaufvertrag auf einen Schadensersatzersatzanspruch wegen pflichtwidriger Nichtabtretung der gegen die … gerichteten Forderung seitens der Beklagten i.H.v. 191.500 € gestützt. Die Klägerin hat dazu vorgetragen, sie habe vertreten durch ihren Geschäftsführer M. G. mit Stellung der Rechnung vom 10.4.2017 der Beklagten den Umständen nach zumindest konkludent gegen Abtretung der Ansprüche gegen die … angeboten, die Forderung gegen die … für 180.659,24 € und mithin zu dem Preis, zu dem sie am 31.12.2016 in der Bilanz gestanden habe, zu erwerben. Die zugrunde liegende Wertberichtigung der Forderung gegen die … sei betriebswirtschaftlich nicht zu beanstanden. Die Beklagte, die Erwerberin (X) und deren Wirtschaftsprüfer hätten den Gewinn und das EBITDA („Earnings Before Interest, Taxes, Depreciation and Amortization“) der Beklagten für 2017 selbst so berechnet, als habe ein Kauf über die wertberichtigten Forderungen gegen … zwischen den Parteien stattgefunden. Die Beklagte habe dieses Vertragsangebot zum Forderungskauf durch ihren damaligen Geschäftsführer M. G. auch jedenfalls konkludent durch Entgegennahme der klägerischen Zahlung angenommen und sei daher aufgrund des Kaufvertrages verpflichtet gewesen, ihren Anspruch gegen die … an sie abzutreten. Soweit diese Forderung nachfolgend bereits eingetrieben worden sei, sei die Beklagte nunmehr zum Schadensersatz wegen Unmöglichkeit der Abtretung in Höhe des vereinnahmten Vergleichsbetrages gem. § 280 Abs. 1 und 3, § 283 BGB verpflichtet. Die Klägerin hat ferner die Auffassung vertreten, sofern der Anspruch auf Zahlung von 191.500 € nicht begründet sei, stehe ihr zumindest ein Bereicherungsanspruch in Höhe der Kaufpreiszahlung von 180.659,24 € zu, die sie auf die Rechnung vom 10.4.2017 an die Beklagte für den – etwaig unwirksamen – Forderungskauf geleistet habe.

Das LG hat wegen säumnis der Klägerin im Termin am 20.2.2019 ein klageabweisendes Versäumnisurteil verkündet, gegen das die Klägerin fristgerecht Einspruch eingelegt hat. …

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, eine Forderungsabtretung sei zwischen den Parteien dieses Rechtsstreits nicht wirksam vereinbart worden. Eine solche Abtretung ergebe sich zum einen nicht aus dem Unternehmenskaufvertrag, an dem sie als Partei nicht beteiligt gewesen sei. Eine Abtretungsverpflichtung könne aber auch nicht aus dem Bezahlvorgang hinsichtlich des von der Klägerin geleisteten Teilbetrages von 180.659,24 € hergeleitet werden, weil ein betreffender Kaufvertrag mit der Klägerin über die Forderung gegen die … mit der Folge eines erheblichen Forderungsverzichts jedenfalls nichtig gewesen sei. … [Wird ausgeführt.]

Die Beklagte hat hilfsweise mit einem Anspruch auf Rückzahlung der Umsatzsteuersondervorauszahlung i.H.v. 467.414 € die Aufrechnung erklärt und Widerklage in überschießender Höhe erhoben; ferner hilfsweise hat sie erstinstanzlich die Aufrechnung mit Beitreibungskosten für die Forderung i.H.v. 10.000 €, die ihr durch den Rechtsstreit gegen die … als Kosten entstanden seien (…), sowie mit einer Schadensersatzforderung i.H.v. 127.430,82 € erklärt, mithin in Höhe der Differenz zwischen dem Nominalwert der Forderung gegen die … und der von dieser erhaltenen Vergleichszahlung (318.930,82 € – 191.500 €). Sie hat dazu die Auffassung vertreten, … [Wird ausgeführt.]

[Die Beklagte hat Wider- und Hilfswiderklage erhoben; die Klägerin hat beantragt, Widerklage und Hilfswiderklage abzuweisen.]

Das LG hat mit dem angefochtenen Urteil das klageabweisende Versäumnisurteil vom 20.2.2019 aufrechterhalten und zur Ab

Weisung der Klage und Stattgabe der Widerklage im Wesentlichen ausgeführt: … [Ausführungen des LG.]

Wegen der weiteren erstinstanzlichen Feststellungen wird gem. § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO auf das landgerichtliche Urteil verwiesen.

Gegen das ihr am 16.9.2019 zugestellte Urteil des LG richtet sich die am 16.10.2019 eingelegte und innerhalb verlängerter Frist mit am 17.12.2019 eingegangenem Schriftsatz begründete Berufung der Klägerin. Sie rügt insbesondere die vom LG angenommene Nichtigkeit des streitgegenständlichen Forderungskaufvertrages und die infolgedessen Verneinung eines Schadensersatzanspruchs aus §§ 280 Abs. 1 und 3, 283 BGB. Ein bewusst kollusives Handeln des Herrn M… G… zur Begründung der Sittenwidrigkeit liege nicht vor, die Einzelwertberichtigung der betreffenden Forderung sei wirtschaftlich gerechtfertigt gewesen. Jedenfalls stehe ihr ein bereicherungsrechtlicher Anspruch auf Rückzahlung der an die Beklagte als Kaufpreis geleisteten 180.659,24 € nebst Zinsen zu, weil das LG insoweit zu Unrecht eine Anspruchskürzung nach den Grundsätzen von Treu und Glauben angenommen habe. Eine aufrechenbare und überschießend mit der Widerklage geltend gemachte Gegenforderung der Beklagten auf Erstattung der Umsatzsteuersondervorauszahlung bestehe – wie bereits erstinstanzlich ausgeführt – insbesondere mit Rücksicht auf den zwischen den Parteien geschlossenen und insoweit fortwirkenden Beherrschungs- und GewinnabführungsvertragBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag
Gewinnabführungsvertrag
nicht.

[Die Klägerin hat beantragt, das angefochtene Urteil abzuändern; die Beklagte hat beantragt, die Berufung zurückzuweisen.]

Die Beklagte ist der Auffassung, hinsichtlich der Widerklage sei die Berufung schon nicht wirksam eingelegt respektive unzulässig, weil die Berufungsschrift die Parteieigenschaften der Widerklägerin und Widerbeklagten nicht aufgegriffen und damit die Widerklage nicht erkennbar zum Gegenstand des Rechtsmittels gemacht habe. …

II.

Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin (§§ 511, 517, 519, 520 ZPO) hat überwiegend Erfolg. Der Klägerin ist ein Teilbetrag der Klageforderung i.H.v. 53.228,42 € wegen des in der Berufung zu beachtenden Verbots der reformatio in peius zuzusprechen. Die Widerklage ist hingegen insgesamt abzuweisen, denn die von der Beklagten zur Hilfsaufrechnung gestellte und im Übrigen im Wege der Widerklage geltend gemachte Gegenforderung ist unbegründet.

A) Zulässigkeit

Entgegen der Auffassung der Beklagten ist die Berufung der Klägerin in Bezug auf die Widerklage nicht – teilweise – nach Ablauf der einmonatigen Berufungsfrist (§ 517 ZPO) und daher insoweit unzulässig oder lediglich beschränkt eingelegt worden.

1. Keine Zweifel, gegen wen Berufung persönlich gerichtet ist

Die Berufungsschrift vom 15.10.2019 nennt die zur Widerklage gehörenden Parteibezeichnungen zwar nicht ausdrücklich, richtet sich aber ohne Einschränkungen „gegen das am 16. September 2019 zugestellte Urteil des Landgerichts Potsdam vom 11.09.2019 (Az.: 52 O 73/18)“ (…) und damit gegen das sich zu Klage und Widerklage verhaltende Urteil insgesamt. Vor diesem Hintergrund sind die für die Berufungsschrift gem. §§ 517, 519 ZPO fristwahrend zu bezeichnenden Parteien des Rechtsmittelverfahrens, namentlich die in ihrem Rubrum als „Berufungsklägerin und Klägerin“ sowie „Berufungsbeklagte und Beklagte“ bezeichneten juristischen Personen, aus ihr selbst mit allen hierfür erforderlichen Angaben zu den Vertretungsverhältnissen und Ladungsanschriften ersichtlich (…). Indem vorliegend die Widerklägerin mit der Berufungsbeklagten identisch und jene nicht lediglich Drittbeteiligte ist, bestehen daher keine Zweifel daran, gegen wen die Berufung persönlich gerichtet ist (vgl. Heßler in Zöller, 34. Aufl., § 519 ZPO Rz. 30a f. m.w.N.).

2. Umfang des geführten Rechtsmittels ist gem. § 520 Abs. 3 Nr. 1 ZPO erst mit Berufungsbegründung anzugeben

Soweit die Beklagte ferner moniert, der Berufungsschrift lasse sich mangels Parteirollenbezeichnungen zur Widerklage in ihrem Rubrum zudem in der Sache nicht entnehmen, ob sie die erstinstanzlich erfolgreiche Widerklage umfasse, führt dies auch nicht zu einer lediglich auf die Klage beschränkt eingelegten Berufung. Der Umfang des gegen den Berufungsbeklagten geführten Rechtsmittels ist gem. § 520 Abs. 3 Nr. 1 ZPO erst mit der Berufungsbegründung anzugeben (vgl. Heßler in Zöller, 34. Aufl., § 520 ZPO Rz. 28 ff.). Nach der Berufungsbegründung vom 17.12.2019 bestehen keine Zweifel daran, dass das Rechtsmittel auch einen den vollen Streitgegenstand der Widerklage umfassenden Angriff gegen das landgerichtliche Urteil enthält. Zum einen weist die Berufungsbegründung im Rubrum ergänzende Parteibezeichnungen zur Widerklage auf, zum anderen enthält sie unter Ziff. II. 3. auch gesonderte Rügen zur erstinstanzlich erfolgreichen Widerklage respektive zu der damit korrespondierenden (Hilfs-)Aufrechnungsforderung der Beklagten (…).

B) Begründetheit

Die Berufung ist hinsichtlich der Klageforderung teilweise und hinsichtlich der Widerklage insgesamt erfolgreich. Zutreffend hat das LG erkannt, dass die seitens der Klägerin von der Beklagten verlangte Zahlung eines Betrages von 195.000 €, den die Beklagte auf Grundlage eines gerichtlichen Vergleichs von der … erhalten hat, zwar nicht aus dem Gesichtspunkt einer vertraglichen Pflichtverletzung gem. § 280 Abs. 1, Abs. 3, § 283 BGB begründet ist, weil ein zwischen den Parteien des Rechtsstreits vereinbarter Forderungskaufvertrag jedenfalls gem. § 138 Abs. 1 BGB nichtig ist. Der von der Klägerin hilfsweise geltend gemachte Anspruch auf Rückzahlung des von ihr für den vermeintlichen Forderungskauf geleisteten Kaufpreises i.H.v. 180.659,24 € ist deshalb, wie auch das LG gesehen hat, prinzipiell aus dem Gesichtspunkt ungerechtfertigter Bereicherung gem. § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB begründet, Dem Rückzahlungsanspruch der Klägerin steht allerdings die von Amts wegen zu beachtende Einwendung des § 817 Satz 2 BGB insgesamt entgegen. Im rechtlichen Ergebnis ist der Klägerin gleichwohl wegen des in der Berufung zu beachtenden prozessualen Verböserungsverbotes der Teilbetrag von 53.228,42 €, den das LG der Klägerin in den Gründen des angefochtenen Urteils als begründeten Teil der Klageforderung zugesprochen und aufgrund der – zu Unrecht als begründet erachteten –

Hilfsaufrechnung der Beklagten als erloschen angesehen hat, zusprechen. Denn die von der Beklagten mit der Hilfsaufrechnung und mit der Widerklage in überschießender Höhe von 413.344,82 € verlangte Zahlung und für den Fall, das die Klage abgewiesen wird, ohne dass eine Entscheidung über ihre hilfsweise erklärte Aufrechnung ergeht, verlangte Zahlung weiterer 54.069,18 € steht ihr entgegen der Auffassung des LG nicht zu. Die Beklagte hat wegen der von ihr zugunsten der Klägerin i.H.v. 467.414 € geleisteten umsatzsteuerlichen Sondervorauszahlung keinen Rückzahlungsanspruch aus dem Gesichtspunkt eines Gesamtschuldnerausgleichs nach § 426 Abs. 2, § 430 BGB oder aus einer anderen Anspruchsgrundlage.

Zur Klage:

Die i.H.v. 195.000 € geltend gemachte Klageforderung ist der Klägerin nur in anteiliger Höhe von 53.228,42 € zuzusprechen.

1. Forderungskaufvertrag mit Abtretung war nichtig

Das LG ist zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass der von der Klägerin für ihr Hauptvorbringen herangezogene Forderungskaufvertrag mit vermeintlich zu ihren Gunsten erfolgter Abtretung der gegen die … gerichteten Forderung nichtig war und ihr deshalb nicht aus dem Gesichtspunkt einer diesbezüglichen Pflichtverletzung der von der … an die Beklagte i.H.v. 195.000 € ausgekehrte Betrag gem. § 280 Abs. 1 und Abs. 3 i.V.m. §§ 275, 283 BGB als Schadensersatz zustehen kann.

a) Inhaltlich übereinstimmende Willenserklärungen

Mit dem LG ist davon auszugehen, dass die Parteien durch ihren seinerzeit personenidentischen Geschäftsführer – Herrn M. G. – im Zusammenhang mit der von der Beklagten gelegten Rechnung vom 10.4.2017 (…) zwei inhaltlich übereinstimmende Willenserklärungen zum Abschluss eines Forderungskaufvertrages abgegeben haben. Dagegen spricht zwar, dass die Beklagte dadurch ihre Forderungsberechtigung in dem gegen die … vor dem LG geführten prozess grundsätzlich verloren hätte und infolgedessen eine Prozessstandschaft zu ihren Gunsten hätte vereinbart werden müssen. Für eine solche Vereinbarung bestehen keine Anhaltspunkte. Vor dem Hintergrund der Kaufpreiszahlung seitens der Klägerin an die Beklagte ist gleichwohl nicht zweifelhaft, dass der von der Klägerin behauptete Forderungskauf zumindest durch konkludent übereinstimmende Willenserklärungen für beide Seiten geschlossen wurde. Den Rechnungsbetrag von 180.659,24 € überwies die Klägerin an die Beklagte unstreitig am 13.4.2017. Dass die Klägerin als weiteren objektiven Anhaltspunkt neben der Kaufpreiszahlung selbst nur die Rechnung vom 10.4.2017 anzuführen vermag, die Herr M. G. für die Beklagte gegenüber der Klägerin in Personalunion gelegt hat, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Angesichts der Umstände kommen hier von vornherein nur Absprachen des jeweiligen Geschäftsführers mit sich selbst in Betracht, die sich als solche kaum weiter objektivierbar in der Außenwelt manifestiert haben können.

b) Zur Frage einer schwebenden Unwirksamkeit

Soweit der Forderungskaufvertrag deshalb schwebend unwirksam sein könnte, weil nach Ziff. 19 Abs. 3 des zwischen der Klägerin und der (X) geschlossenen Unternehmenskaufvertrages allein der Erwerberin das Recht zustand, die Klägerin zum Ankauf der betreffenden Forderung aufzufordern, kommt es darauf im Ergebnis nicht an. Dass dem zwischen der Klägerin und der Beklagten vereinbarten Forderungskaufvertrag, der ausweislich der dazu erstellten Rechnung ausdrücklich zur Erfüllung der in Ziff. 19 des Unternehmenskaufvertrages begründeten Verpflichtung geschlossen wurde, eine vorherige Ankaufaufforderung der Erwerberin gegenüber der Klägerin oder ein gegenüber dem damaligen Geschäftsführer der Beklagten erteilter Auftrag zur Rechnungslegung und Geltendmachung eines Ankaufbegehrens zugrunde lag, ist zwar nicht ersichtlich. Auch dass der damalige Geschäftsführer der Beklagten die Kaufpreisforderung entgegen der Regelung in Ziff. 19 Abs. 2 des Unternehmenskaufvertrages eigenmächtig reduzieren durfte, ist nicht anzunehmen. Es ist daher fraglich, ob der Forderungskaufvertrag ohne Beteiligung der Erwerberin schwebend unwirksam war, weil diese das Verhalten des Geschäftsführers des Beklagten noch hätte genehmigen müssen, um Erfüllung der in Ziff. 19 Abs. 2 des Unternehmenskaufvertrages statuierten Ankaufpflicht gegen sich eintreten zu lassen (§ 177 Abs. 1 BGB). Für eine solche Genehmigung bestehen keine Anhaltspunkte, zumal nicht ersichtlich ist, dass die Erwerberin ein Interesse daran hatte, dem Forderungskauf zu einem um 138.271,58 € reduzierten Kaufpreis zuzustimmen.

c) Vereinbarter teilweiser Kaufpreisverzicht war SittenwidrigNichtigkeit des Unternehmenskaufvertrags gem. § 138 BGB

Letztlich kann die Frage einer schwebenden Unwirksamkeit des Forderungskaufvertrages allerdings dahinstehen, weil dieser wegen des entgegen Ziff. 19 Abs. 2 des Unternehmenskaufvertrages vereinbarten teilweisen Kaufpreisverzichts von vornherein Sittenwidrig und damit nach § 138 Abs. 1 BGB insgesamt nichtig war.

aa) Sittenwidrige Kollusion

Wenn der Vertreter einer Vertragspartei kollusiv mit dem Vertragsgegner zum Nachteil des VertretenenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Nachteil
zum Nachteil des Vertretenen
ein Geschäft abschließt, verstößt das Geschäft wegen einer sittenwidrigen Kollusion gegen die guten Sitten und ist gem. § 138 Abs. 1 BGB nichtig. Aus diesem Grund ist insbesondere auch ein Vertrag nichtig, wenn ein – wie der damalige Geschäftsführer der Beklagten – von den Voraussetzungen des § 181 BGB befreiter Bevollmächtigter seine Vollmacht missbraucht, um mit sich als Geschäftsgegner – diesbezüglich als Geschäftsführer der Klägerin – ein Geschäft zum einseitigen Vorteil einer der vertretenen Gesellschaften abzuschließen (vgl. BGH v. 25.2.2002 – II ZR 374/00, ZIP 2002, 753; BGH v. 13.9.2011 – VI ZR 229/09, juris Rz. 9; BGH v. 28.1.2014 – II ZR 371/12, GmbHR 2014, 421, juris Rz. 10; ebenso OLG Düsseldorf v. 2.3.2018 – 7 U 23/17, FamRZ 2018, 1865, 1867). Voraussetzung dafür ist, dass der Vertreter, der zur Wahrung der interessen seines Geschäftsherrn verpflichtet ist, sich diesem gegenüber treuwidrig verhält und der Vertragspartner dies weiß (BGH v. 17.5.1988 – VI ZR 233/87, NJW 1989, 26, 27). Das sittenwidrige Zusammenwirken erfasst dabei regelmäßig das gesamte Rechtsgeschäft, weil davon auszugehen ist, dass der benachteiligte Geschäftsherr bei Kenntnis des kollusiven Zusammenwirkens zwischen seinem Angestellten und dem bevorteilten Vertragspartner den Vertrag insgesamt nicht geschlossen und vollzogen hätte (vgl. BGH v. 18.2.2003 – X ZR 245/00, juris Rz. 39). Eine solche In

teressenkollision des M. G. als früherer GeschäftsführerBitte wählen Sie ein Schlagwort:
früherer Geschäftsführer
Geschäftsführer
beider Parteien lag bei Abschluss des Forderungskaufvertrages vor.

(1) Entgegen der Auffassung der Klägerin hätte ein Forderungskaufvertrag für den auf beiden Seiten als Geschäftsführer handelnden M. G. nur über den vollen Nennwert von 318.927,85 € erfolgen dürfen und nicht in wertberichtigter Höhe. Der Wortlaut in Ziff. 19 Abs. 2 des Unternehmenskaufvertrages ist entgegen der Lesart der Klägerin, die die Regelungen in Abs. 2 und 3 ohne einleuchtende Begründung derart zusammenziehen will, dass der Inhalt des Abs. 2 praktisch negiert wird, eindeutig.

In Abs. 2 der Regelung ist die Gesamtforderung von 318.927,85 € gegenüber der …, die in eben dieser Höhe zuvor Gegenstand der Klageschrift vom 29.4.2016 in dem von der hiesigen Beklagten gegen die … geführten Rechtsstreit vor dem LG Potsdam war (…), klar identifizierbar. Für diese Gesamtforderung ist vereinbart worden, dass der Verkäufer „die vollständige Einziehung der Forderung dem Erwerber gegenüber garantiert“ und sich im Falle der Nichtbeitreibbarkeit bis zum 31.12.2016 verpflichtet, „die Schuld des Kunden … zu übernehmen und den Gesellschaften die Forderungen gegenüber … zum Nennwert abzukaufen“. Die Forderung sollte daher entgegen der Auffassung der Klägerin gerade nicht in der sog. Closing Bilanz zum 31.12.2016 wertberichtigt werden. Vielmehr heißt es klarstellend in Satz 1 der Regelung: „Die Parteien vereinbaren ausdrücklich, das Einziehungsrisiko der Restforderung gegenüber dem Kunden … am 30. Juni 2016 in Höhe von 318.930,82 € in der Closing Bilanz nicht zurückzustellen.“ Dass die Parteien des Unternehmenskaufvertrages unter „Zurückstellung“ jedenfalls auch eine Einzelwertberichtigung verstanden haben, ist unstreitig (…).

Zu dieser Regelung verhält sich widerspruchsfrei diejenige in Abs. 3, welche die Klägerin für die Zulässigkeit einer Einzelwertberichtigung auch der gegen die … gerichteten Forderung heranziehen will. Dort heißt es, dass im Falle des Nichteinzugs der Verkäufer verpflichtet ist, „die betroffene Forderung zu ihrem Nennwert oder soweit eine Rückstellung erfolgte, in Höhe des nichtrückgestellten Betrages abzukaufen.“ Die Formulierung „die betroffene Forderung“ ist erkennbar offen gehalten, um damit auch für alle anderen Forderungen, außer der gegen die … gerichteten und in Abs. 2 gesondert abgehandelten, eine gemeinsame Regelung zu treffen, seien sie zwischenzeitlich wertberichtigt oder nicht. Die Regelung in Abs. 3 verhält sich daher nicht inhaltlich modifizierend hinsichtlich der gegen die … gerichteten Forderung, deren Ankauf die Klägerin nach Abs. 2 im Falle des Nichteinzugs bis zum 31.12.2016 in voller Höhe „gegenüber dem Erwerber garantiert“ hat. Das wäre auch sinnwidrig, weil sich eine Verdoppelung zu den Ankaufmodalitäten der in Abs. 2 getroffenen Sonderregelung ergäbe. Diese trifft die spezielle Regelung, dass die Forderung gegen die … von der Möglichkeit einer wertberichtigten Einstellung in der Abschlussbilanz von vornherein ausgenommen wird. Bei dieser Forderung handelt es sich mithin zwingend um eine solche, welche die Klägerin ab dem vereinbarten Stichtag gem. Abs. 3 „auf erste Anfrage des Erwerbers (…) zu ihrem Nennwert“ ankaufen sollte. Aus dem Zusatz, dass der Forderungsankauf „auf erste Anfrage“ seitens der Erwerberin erfolgen soll, ergibt sich ebenfalls nichts anderes. Daran wird nur noch deutlicher, dass der Erwerberin und nicht der Beklagten das Recht zugestanden hat, den Ankauf der streitgegenständlichen Forderung ohne zulässige Einwendungen der Klägerin – und hier also in Höhe des vollen Nennwertes – zu verlangen. Soweit die Klägerin gegenüber diesem im Ergebnis auch vom LG geteilten Regelungsverständnis meint, die Vereinbarung in Ziff. 19 Abs. 3 sei trotz der Eindeutigkeit der die …-Forderung betreffenden Sonderregelung in Ziff. 19 Abs. 2 „hineinzulesen“, überzeugt das nach allem nicht.

(2) Auch der weitere Berufungsvortrag der Klägerin, die Regelung in Abs. 3 müsse deshalb den Wortlaut in Abs. 2 modifizierend verstanden werden, weil andernfalls die weitere Regelung in Ziff. 3.2 des Unternehmenskaufvertrages zur Zahlung eines zusätzlichen Kaufpreises zu einem für die Erwerberin unbilligen Ergebnis führe, vermag den Inhalt der für sich genommen klaren Regelungen in Ziff. 19 nicht abzuändern.

Schon nach ihrer eigenen Begründungsprämisse verfängt die Argumentation der Klägerin nicht. Die Parteien des Unternehmenskaufvertrages hatten in Ziff. 3.3.2.1. die Zahlung eines zusätzlichen Kaufpreises für den Fall vereinbart, dass die Beklagte ein bestimmtes EBITDA-Ziel (Gewinn ohne Berücksichtigung von Zinsen, Steuern, Abschreibungen und sonstigen Finanzierungsaufwendungen) erreicht. Sollte das EBITDA-Ziel verfehlt werden, minderte sich der zusätzliche Kaufpreisanteil, der im Falle des tatsächlichen Erreichens des Ziels für 2016 quasi als Prämie 1.000.000 € betragen sollte, um die dreifache Differenz zwischen der tatsächlichen EBITDA und dem EBITDA-Ziel. Die daraus gezogene Schlussfolgerung der Klägerin, hätte sie an die Beklagte nicht den berichtigten Buchwert, sondern den höheren Nominalwert der streitgegenständlichen Forderung gezahlt, wäre es in Höhe der Differenz zu einem „außerordentlichen Ertrag bei der Beklagten gekommen“, leuchtet schon deshalb nicht ein, weil die Beklagte den vollen Betrag grundsätzlich auch von der … bis zum Ankaufsstichtag des 31.12.2016 hätte vereinnahmen und somit im Geschäftsjahr 2016 denselben Ertrag hätte erzielen können. In Ziff. 19 Abs. 3 des Unternehmenskaufvertrages heißt es konsequent, dass der Forderungsankauf nur „im Falle des Nichteinzugs“ für die Klägerin stichtagsbezogen verpflichtend wird; die Durchsetzbarkeit der insoweit „betroffenen Forderung“ war zur Zeit des Abschlusses des Unternehmenskaufvertrages offen.

Soweit die Klägerin ferner darauf abstellt, dass die Beklagte den Forderungskauf im Jahr 2017 buchhalterisch selbst als wirksamen Aktivtausch (Kaufpreiszahlung gegen Ausbuchung der Forderung) angesehen hat (…), kommt es mit Rücksicht auf den allein maßgeblichen Zeitpunkt des Vertragsschlusses auch darauf nicht an, zumal für das Verständnis der vertraglichen Regelungen ohne Belang ist, wie die an dem Unternehmenskaufvertrag nicht beteiligte Beklagte die Zahlung der Klägerin im Jahr 2017 ihrerseits verbucht hat. Zutreffend hat bereits das LG ausgeführt, dass dem Einwand der Klägerin, der Beklagten sei wegen der fraglichen Durchsetzbarkeit der Forderung und der von der Beklagten insofern wirtschaftlich vertretbar und auch intern buchhalterisch umgesetzten Einzelwertberichtigung kein geldwerter Nachteil entstanden, keine Bedeutung zukommt, weil sich die Klägerin gerade unabhängig von der objektiven Werthaltigkeit der Forderung gem. Ziff. 19 Abs. 2 des Unternehmenskaufvertrages gegenüber der Erwerberin zu deren Ankauf zum Nennwert verpflichtet hat.

(3) Dass ihre „Auslegung zutreffend, jedenfalls aber gut vertretbar“ ist, wie die Klägerin meint, so dass ein kollusives Handeln

des Doppelgeschäftsführers ausscheide, überzeugt nach allem nicht. Richtig ist zwar, dass sich die gegen die … gerichtete Forderung tatsächlich nicht bis zum 31.12.2016 realisieren ließ. Das berechtigte den Geschäftsführer der Beklagten aber nicht, die zwischen den Parteien des Unternehmenskaufvertrages vereinbarte Zusatzkaufpreisoption, die einer Wette anhand einer Gewinnerzielungsprognose ähnelt, im Nachhinein eigenmächtig dadurch zu entwerten, dass er die betreffende Forderung gegen die … nach Ablauf des 31.12.2016 zu einem geringeren Kaufpreis an die Klägerin veräußert hat. Daran kann es nichts ändern, wenn die Erwerberin den von der Klägerin gezahlten Kaufpreis in das EBITDA-Ergebnis der Beklagten für das Jahr 2017 selbst einberechnet hat, wie die Klägerin vorgetragen hat. Zum einen sind maßgebend für die Sittenwidrigkeit eines Rechtsgeschäfts allein die Verhältnisse im Zeitpunkt seiner Vornahme (BGH v. 12.4.2016 – XI ZR 305/14, ZIP 2016, 1058, juris Rz. 46). Zum anderen ergibt sich aus einem späteren Verhalten der Erwerberin auch kein hinreichender Anhaltspunkt für die Auslegung von Ziff. 19 des Unternehmenskaufvertrages noch gar ein bewusstes Anerkenntnis der Erwerberin, dass der vollzogene Forderungskauf vertragsgemäß war. Als Geschäftsführer der Beklagten musste vielmehr Herrn M. G. bei Abschluss des vorhergehenden Forderungskaufvertrages klar sein, dass er in dieser Eigenschaft als am Unternehmenskaufvertrag nicht beteiligter Dritter den Regelungsinhalt von Ziff. 19 des Unternehmenskaufvertrages einer eigenmächtigen „Korrektur“ zugeführt hat.

bb) Forderungskaufvertrag nicht wirksam geschlossen

Vor diesem Hintergrund erweist sich der zwischen den Parteien zu den von der Klägerin selbst dargelegten Bedingungen geschlossene Forderungskaufvertrag als nicht wirksam geschlossen. Vereinbarungen, welche Angestellte, Bevollmächtigte oder sonstige Vertreter einer Partei im Einverständnis mit dem Vertragsgegner zum eigenen Vorteil hinter dem Rücken des Geschäftsherrn und zu dessen Schaden treffen, verstoßen gegen die guten Sitten und sind wegen sittenwidriger Kollusion nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig. Diese Voraussetzungen liegen auf Grundlage der dazu bereits vom LG getroffenen Feststellungen vor.

(1) Als Geschäftsführer der Beklagten traf Herrn M. G. bei der Erledigung der für diese zu tätigenden Geschäfte die Verpflichtung zur Wahrung der Gesellschaftsinteressen (vgl. § 43 Abs. 1 GmbHG). Diese Verpflichtung ist Ausdruck der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht (vgl. BGH v. 17.5.1988 – VI ZR 233/87, juris Rz. 9). Als in dieser Weise gegen die guten Sitten i.S.d. § 138 Abs. 1 BGB verstoßend erweist sich das vom LG zutreffend aus den unstreitigen Tatsachenumständen gefolgerte gleichsam „kollusive“ Zusammenwirken des für beide am Forderungskauf beteiligte Parteien in Personalunion handelnden Geschäftsführers. Entgegen der Auffassung der Klägerin muss sich die Sittenwidrigkeit hier auch nicht unmittelbar in einem wirtschaftlichen Nachteil der Beklagten abbilden, sondern der Vorwurf der Sittenwidrigkeit ist bereits deshalb gerechtfertigt, weil vorliegend die Erwerberin der Beklagten als Dritte zugunsten der Klägerin ungerechtfertigt geschädigt worden ist. Die Sittenwidrigkeit eines Rechtsgeschäfts kann sich auch daraus ergeben, dass der Sittenverstoß Dritte betrifft. Sittenwidrigkeit setzt dann nur zusätzlich voraus, dass alle an dem Geschäft Beteiligten Sittenwidrig handeln, also alle die Tatsachen, die die Sittenwidrigkeit begründen, kennen oder sich zumindest ihrer Kenntnis grob fahrlässig verschließen (vgl. BGH v. 28.10.2011 – V ZR 212/10, juris Rz. 10; BGH v. 23.2.2005 – VIII ZR 129/04, juris Rz. 7). Diese Voraussetzungen liegen sämtlich vor. Wie ausgeführt gab es vor dem Hintergrund der im Unternehmenskaufvertrag eingegangenen Verpflichtung der Klägerin, die Forderung zum Nennwert abzugelten, keinen rechtfertigenden Grund, diese Forderung zum Nachteil der Erwerberin im Wert zu berichtigen. Auch wenn eine solche Wertberichtigung bei der Beklagten zuvor intern erfolgt sein sollte, wie die Klägerin behauptet, hat die Erwerberin es durch die mit der Klägerin zu Ziff. 19 Abs. 2 und Abs. 3 des Unternehmenskaufvertrages vereinbarte Forderungsrisikoübernahme jedenfalls vermocht, von der Klägerin wirtschaftlich so gestellt zu werden, als ob das nicht geschehen wäre. Diesen Verhandlungserfolg hat der damalige Geschäftsführer der Beklagten zum unmittelbaren Nachteil der Erwerberin und unmittelbaren Vorteil der Klägerin, die sich zum Nennwertausgleich verpflichtet hatte, durch den Forderungskaufvertrag und insofern durch personenidentisches Geschäftsführerhandeln („kollusiv“) für beide Seiten vereitelt, was den Vorwurf der Sittenwidrigkeit eines drittschädigenden Rechtsgeschäfts objektiv begründet.

(2) Es bestehen auch keine vernünftigen Zweifel daran, dass Herrn M. G. den Umständen nach bekannt war, dass für die Beklagte kein Grund bestand, freiwillig gegenüber der Klägerin auf einen erheblichen Teil der Forderung gegen die … zu verzichten. Insbesondere waren ihm als Geschäftsführer der Klägerin die in dem Unternehmenskaufvertrag von der Klägerin mit der Erwerberin getroffenen Regelungen bekannt, die hinsichtlich der von der Klägerin geschuldeten Forderungshöhe unmissverständlich sind. Es kommt hinzu, dass die für den Forderungskaufvertrag erstellte Rechnung vom 10.3.2017 ausdrücklich Bezug nimmt auf den „Kaufvertrag (Y); SPA Art. 19 Titel 2)“. Die bereits vom LG aus den Umständen gefolgerte Feststellung zur Kenntnis der die Sittenwidrigkeit begründenden Tatsachen seitens ihres Geschäftsführers hat die Klägerin in der Berufung auch nicht in Abrede gestellt, sondern stattdessen unbehelflich auf eine vermeintlich angemessenere und insofern aber den Inhalt der in Ziff. 19 des Unternehmenskaufvertrages vereinbarten Forderungsankaufmodalitäten bewusst „korrigierende“ Auslegung ihres Geschäftsführers verwiesen.

2. Kein Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung wegen § 817 Satz 2 BGB

Ausgehend davon, dass der von der Klägerin behauptete Forderungskaufvertrag wegen Sittenwidrigkeit gem. § 138 Abs. 1 BGB in allen Teilen nichtig ist (vgl. BGH v. 12.4.2016 – XI ZR 305/14, ZIP 2016, 1058, juris Rz. 46; Ellenberger in Grüneberg, 81. Aufl., § 138 BGB Rz. 20), steht der Klägerin der von ihr hilfsweise geltend gemachte Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung hinsichtlich der an die Beklagte rechtsgrundlos als Kaufpreis gezahlten 180.659,24 € grundsätzlich aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB zu. Der Forderungskaufvertrag war anfänglich nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig, so dass die Leistung des Kaufpreises zugunsten der Beklagten ohne rechtlichen Grund erfolgt ist. Soweit das LG der Klägerin einen solchen Bereicherungsanspruch zugesprochen und diesen nach § 242 BGB auf 53.228,42 € – wegen eines Anspruchs der Beklagten auf einen Forderungsankauf zum vollen Nennwert einerseits und wegen des von der … erhaltenen Vergleichsbetrags

(191.500 € + 180.659,24 € – 318.930,82 €) andererseits – gekürzt hat, ist das landgerichtliche Urteil allerdings rechtsfehlerhaft. Entgegen der Auffassung des LG ist die Bereicherungsforderung nicht nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) auf den Differenzbetrag zwischen dem Wert der dem nichtigen Kaufvertrag zugrunde liegenden Forderung und dem von der Beklagten von der … erhaltenen Vergleichsbetrag zu reduzieren. Denn der Rückforderung des Kaufpreises steht wegen des (auch) für die Klägerin seinerzeit Sittenwidrig handelnden Geschäftsführers insgesamt die Norm des § 817 Satz 2 BGB entgegen. Wegen des in der Berufung zu beachtenden Verbots der reformatio in peius verbleibt es indes insoweit bei dem rechtlichen Ergebnis des LG, so dass der Klägerin ein Zahlbetrag i.H.v. 53.228,42 € zuzusprechen ist.

a) Anspruchskürzung gem. § 242 BGB?

Das LG hat für die von ihm vorgenommene Anspruchskürzung auf die Grundsätze von Treu und Glauben (§ 242 BGB) verwiesen und dabei nicht eindeutig offengelegt, welche darunter fassbare Rechtsfigur es für anwendbar erachtet hat.

aa) Zur dolo-agit-Einrede

Soweit das LG wohl eine dolo-agit-Einrede der Beklagten gegen die Rückzahlung des Kaufpreises in Betracht gezogen hat, scheitert dies jedenfalls daran, dass der Beklagten eine gegenläufige Forderung gegenüber der Klägerin auf Zahlung des vollen Kaufpreises nicht selbst aus Ziff. 19 des Unternehmenskaufvertrages zusteht. Zwar kann nach den Grundsätzen von Treu und Glauben niemand erfolgreich eine Leistung einklagen, die er sogleich nach Erhalt an den Schuldner zurückgeben müsste, weil diesem ein entsprechender Gegenanspruch zusteht (Grüneberg in Grüneberg, 81. Aufl., § 242 BGB Rz. 52). Zu einem eigenen Forderungsrecht der Beklagten, insbesondere als Begünstigte eines Vertrages zugunsten Dritter i.S.d. § 328 BGB, verhalten sich die Regelungen in Ziff. 19 des Unternehmenskaufvertrages aber nicht. Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Parteien des Unternehmenskaufvertrages der Beklagten eine solche Rechtsposition konkludent zuweisen wollten. Insbesondere haben sie auch keinen unechten Vertrag zugunsten Dritter geschlossen, bei dem der Dritte kein eigenes Forderungsrecht erwirbt und der Schuldner lediglich ermächtigt wird, in Erfüllung eines mit dem Gläubiger geschlossenen Vertrages, mit befreiender Wirkung an den Dritten zu leisten. Denn nach dem eindeutigen Wortlaut in Ziff. 19 Abs. 2 hat sich die Klägerin allein gegenüber der Erwerberin verpflichtet, das dort genannte „Einziehungsrisiko“ für die noch offene Forderung der Beklagten gegenüber der … zu übernehmen. Deutlich wird dies auch an der Formulierung, dass „der Verkäufer die vollständige Einziehung der Forderung gegenüber dem Erwerber garantiert“ – und nicht etwa gegenüber der Beklagten als der eigentlichen Forderungsgläubigerin der …. Zudem soll nach Ziff. 19 Abs. 3 ein entsprechender Forderungskauf ausdrücklich nur „auf erste Anfrage des Erwerbers“ erfolgen und nicht auf ein Verlangen der Beklagten. Das spricht insgesamt eindeutig dagegen, dass die Parteien des Unternehmenskaufvertrages der Beklagten ein Forderungsrecht gegen die Klägerin einräumen wollten. Die Beklagte hatte daher keinen eigenen Anspruch gegen die Klägerin, ihr die Forderung gegen die … zum Nennwert abzukaufen. Die Klägerin wäre andernfalls sogar der Gefahr ausgesetzt gewesen, „auf erste Anfrage“ der Erwerberin zusätzlich zu einem etwa schon auf Verlangen der Beklagten gezahlten Betrag nochmals den vollen Nennwert der …-Forderung als Kaufpreis leisten zu müssen.

bb) Auch sonst kein schmälernder Einwand aus § 242 BGB ersichtlich

Weshalb der Beklagten ein den Bereicherungsanspruch der Klägerin schmälernder Einwand aus § 242 BGB zustehen sollte, ist auch sonst nicht ersichtlich. Zwischen der Beklagten und der Klägerin besteht insgesamt kein auf die streitgegenständliche Forderung bezogenes Rechtverhältnis, nach der Ausgliederung der Beklagten aus der Unternehmensgruppe der Klägerin auch kein sonstiges mehr. Eine Regelung zur Verpflichtung der Klägerin, der Beklagten den vollen Nennwert der gegen die … gerichteten Forderung zu erstatten, findet sich nur in dem von der Klägerin mit der Erwerberin geschlossenen Unternehmenskaufvertrag, aus dem der Beklagten keine eigene Rechtsposition erwächst.

b) Kondiktionssperre gem. § 817 Satz 2 BGB

Die vom LG dem Grunde nach zutreffend bejahte Kaufpreisrückforderung der Klägerin ist entgegen seiner Auffassung jedoch deshalb ausgeschlossen, weil für den Streitfall aus § 817 Satz 2 BGB eine Kondiktionssperre abzuleiten ist. Die für die Anwendbarkeit des rechtshindernden Einwandes aus § 817 Satz 2 BGB zu prüfenden Voraussetzungen liegen im Streitfall auf Grundlage des unstreitigen Sachverhaltes vor.

aa) Voraussetzungen des § 817 Satz 2 BGB

Nach § 817 Satz 2 BGB bleibt dem Leistenden ein Bereicherungsanspruch versagt, wenn ihm seinerseits gerade durch den Leistungsvollzug ein Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot oder gegen die guten Sitten zur Last zu legen ist. Entgegen seinem Wortlaut ist § 817 Satz 2 BGB nicht ausschließlich auf die Kondiktion aus § 817 Satz 1 BGB anzuwenden, sondern auf alle Leistungskondiktionen (BGH v. 14.7.1993 – XII ZR 262/91, juris Rz. 13; OLG Saarbrücken v. 17.8.2016 – 1 U 159/14, juris Rz. 127). Zudem ist der Anwendungsbereich von § 817 Satz 2 BGB nicht auf Verstöße gegen Verbotsgesetze beschränkt, es können auch Sittenverstöße zugrunde liegen, denn Zweck des § 817 Satz 2 BGB ist auch diesbezüglich, die interessen streitender Vertragsparteien, die sich beide außerhalb der Rechtsordnung bewegen, nicht durch die Rechtsordnung zu schützen (vgl. BGH v. 23.2.2005 – VIII ZR 129/04, juris Rz. 13; OLG Brandenburg v. 16.12.2015 – 4 U 77/14, juris Rz. 59 m.w.N.). Eine Einschränkung erfährt dieser Grundsatz grundsätzlich nur im Schutzzweck der nichtigkeitsbegründenden Norm, der nicht konterkariert werden darf, insbesondere wenn diese Norm gerade dem Schutz des Leistenden dient (BGH v. 13.3.2008 – III ZR 282/07, juris Rz. 10).

bb) Anwendbarkeit des § 817 Satz 2 BGB gegeben

Diese Voraussetzungen für die Anwendbarkeit des § 817 Satz 2 BGB sind gegeben.

(1) Insbesondere hat die Klägerin, wie ausgeführt vertreten durch ihren Geschäftsführer bei Abschluss des Forderungskaufvertrages, objektiv Sittenwidrig gehandelt. Soweit bei einem ausschließlich drittschädigenden Geschäft für beide Seiten ein sittenwidriges Verhalten verlangt wird, um die Kondiktions

sperre des § 817 Satz 2 BGB zu begründen (BGH v. 23.2.2005 – VIII ZR 129/04, juris Rz. 13), liegt auch diese Voraussetzung, wie zu den Voraussetzungen des § 138 Abs. 1 BGB ausgeführt, vor.

(2) Es ist zudem ein vorwerfbar sittenwidriges Handeln des Geschäftsführers der Klägerin zu bejahen. Zwar schließt § 817 Satz 2 BGB die Rückforderung grundsätzlich nur bei einem bewussten Sittenverstoß aus; jedoch steht es vorsätzlichem Handeln gleich, wenn der Leistende sich der Einsicht in die Sittenwidrigkeit seines Handelns leichtfertig verschließt (BGH v. 23.2.2005 – VIII ZR 129/04, juris Rz. 14). Daher genügt es hier für ein auch subjektiv sittenwidriges Handeln, dass der Geschäftsführer der Klägerin die für die Beurteilung der Sittenwidrigkeit maßgeblichen Unternehmenskaufvertragsregelungen kannte und sich hinsichtlich der vertragswidrig mit der Beklagten vereinbarten Forderungsreduzierung daher jedenfalls nicht anders als leichtfertig der Einsicht in die objektive Sittenwidrigkeit seines Handelns verschließen konnte. Das Argument der Klägerin, ein solches Sichverschließen ihres Geschäftsführers sei deshalb nicht anzunehmen, weil die Forderung zum fraglichen Zeitpunkt bereits einzelwertberichtigt gewesen sei, verfängt selbst dann nicht, wenn eine solche Berichtigung zur Zeit des Forderungskaufvertrages erfolgt und aus Sicht der Beklagten wegen Zweifeln an der Durchsetzbarkeit der Forderung bilanziell vertretbar war, denn die Klägerin hatte sich im Unternehmenskaufvertrag gerade verpflichtet ungeachtet dessen, den vollen Nennbetrag der Forderung zu entrichten. Insofern hat ihr Geschäftsführer diesen Vorteil der Erwerberin sehenden Auges vereitelt. Es musste ihm angesichts der eindeutigen Kaufpreisregelung in Ziff. 19 Abs. 2 des Unternehmenskaufvertrages klar sein, dass er diese nicht eigenmächtig abändern konnte. Für die von der Klägerin als Hintergrund dieses Handelns angeführte Auslegung des Vertrages ist – wie ausgeführt – angesichts der klaren Regelungen im Vertrag, wonach die betreffende Forderung nach Ablauf eines Stichtages zum vollen Nennwert angekauft werden sollte, kein Raum. Die Formulierungen in Ziff. 19 Abs. 2 und Abs. 3 des Unternehmenskaufvertrages sollten eine für die Erwerberin rechtssichere Absicherung zur Werthaltigkeit der in der Bilanz der Beklagten stehenden Forderung gegen die … treffen (kein „Einziehungsrisiko“, „garantierte“ vollständige Einziehung, Forderungsankauf „auf erste Anfrage“). Eine eigenmächtige „Korrektur“ dieser Regelungen, wie sie die Klägerin unter Verweis auf einen von der Erwerberin nach Ziff. 3.2 ff. des Unternehmenskaufvertrages nach dem Geschäftsergebnis zu zahlenden „Earn-Out“ anführt, stand dem Geschäftsführer der Klägerin demnach offensichtlich nicht zu. Er war zu einer solchen Korrektur nur scheinbar faktisch in der Lage, insofern er zugleich als Geschäftsführer der Beklagten handeln konnte. Unabhängig davon hing die Frage, ob die Reduzierung des Forderungskaufpreises im Zusammenhang mit dem etwaig zu zahlenden „Earn-Out“ für die Erwerberin vorteilhaft war, gem. Ziff. 3.2.1. des Unternehmenskaufvertrages vom Bestand der sonstigen Forderungen zum Stand 30.6.2017 ab. Der Kaufvertrag über die streitgegenständliche Forderung ist vor diesem Stichtag im April 2017 abgeschlossen und vollzogen worden, mithin zu einem Zeitpunkt, zu dem noch nicht klar war, ob die Earn-Out-Klausel greifen wird. Für den Geschäftsführer der Klägerin kann unter diesen Umständen von vornherein nicht entlastend angeführt werden, dass gerade die im Forderungskaufvertrag preislich umgesetzte Wertberichtigung zu einem für die Erwerberin zwingend günstigeren Ergebnis führen konnte.

cc) Von Rechtsprechung gebildete Einzelfälle für Ausschluss von § 817 Satz 2 BGB nicht einschlägig

Soweit sich die Klägerin auf Einzelfälle beruft, in denen die Rechtsprechung die Anwendbarkeit des § 817 Satz 2 BGB mit Rücksicht auf den Schutzzweck der zur Nichtigkeit des zugrunde liegenden Geschäfts führenden Normen verneint hat, sind diese für den vorliegenden Sachverhalt nicht einschlägig. Es liegt hier kein Fall vor, in dem sich die Sittenwidrigkeit ausnahmsweise aus einer Normverletzung ergibt, die gerade den Leistenden schützen soll (vgl. Sprau in Grüneberg, 81. Aufl., § 817 BGB Rz. 18). Die Nichtigkeitsrechtsfolge aus § 138 Abs. 1 BGB dient nach dessen Schutzzweck nicht vor allem dem Schutz des Leistenden (vgl. OLG Brandenburg v. 16.12.2015 – 4 U 77/14, juris Rz. 60). Auch eine Korrektur der Rechtsfolge des § 817 Satz 2 BGB nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) ist nicht geboten, insbesondere sind keine für die Klägerin objektiv anerkennenswerten schutzwürdigen interessen ersichtlich. Soweit die Beklagte – zumindest vorübergehend – einen Vorteil dadurch erlangt hat, dass sie wegen der aus dem Vergleich mit der … erzielten Zahlung im Ergebnis einen über den Nennwert der betreffenden Forderung reichenden Überschuss in der Bilanz hat, ändert das nichts. Anders als die Klägerin meint, kommt es im Streitfall nicht zwingend darauf an, ob auch der Beklagten ein objektiv wirtschaftlicher Nachteil entstanden ist, sondern genügt es, dass jedenfalls der Erwerberin ein Schaden in Höhe der Kaufpreisdifferenz zu dem im Unternehmenskaufvertrag in voller Höhe vereinbarten Forderungswert entstehen musste. Die gegenläufige Argumentation der Klägerin ist vielmehr widersprüchlich, wenn sie selbst darauf verweist, dass die Beklagte aus dem Unternehmenskaufvertrag keine eigenen Rechte herleiten und deshalb keinen eigenen Schaden erleiden konnte. Zumindest ersteres trifft zu, begründet aber gerade die durch den Forderungskaufvertrag realisierte sittenwidrige Schädigung für die nach den Regelungen in Ziff. 19 Abs. 2 und Abs. 3 des Vertrages begünstigte Erwerberin. Auf eine zum Nachteil der Beklagten erfolgte Schädigung, die sich nur außerhalb des Vertragsregimes bilanziell ergeben könnte, was weiterer Feststellungen zum objektiven wirtschaftlichen Wert der Forderung verlangte, kommt es daher nicht an.

dd) Verbot der reformatio in peius, da Beklagte selbst keine Berufung eingelegt

Weil die Beklagte selbst keine Berufung oder Anschlussberufung eingelegt hat, kommt es gleichwohl nicht in Betracht, dass die Klägerin im Berufungsverfahren im Ergebnis wirtschaftlich schlechter dasteht als nach dem landgerichtlichen Urteil. Der vom LG nicht zugesprochene Teil der geltend gemachten Bereicherungsforderung ist zwar aus anderen als vom LG angenommenen Gründen materiell-rechtlich insgesamt unbegründet. Es ist aber der Klägerin der ihr erstinstanzlich in den Entscheidungsgründen i.H.v. 53.228,42 € als Bereicherungsforderung zuerkannte Betrag wegen des Verbots der reformatio in peius in der Berufungsinstanz aus verfahrensrechtlichen Gründen weiterhin zuzusprechen (§ 528 Satz 2 ZPO).

(1) Dagegen spricht entgegen der Auffassung der Beklagten nicht, dass das LG den mit dem Hilfsvorbringen der Klägerin geltend gemachten Bereicherungsanspruch in Höhe des Teil

betrages von 53.228,42 € nicht als Zahlbetrag tenoriert, sondern nur in den Entscheidungsgründen für begründet erachtet und auf die Hilfsaufrechnung der Beklagten hin als erloschen angesehen hat (§ 389 BGB). Es kommt für das verfahrensrechtliche Verböserungsverbot nicht darauf an, dass in den Entscheidungsgründen getroffene Ausführungen grundsätzlich nicht als solche in Rechtskraft erwachsen, sondern nur zur Auslegung des rechtskraftfähigen Entscheidungssatzes herangezogen werden können, wie die Beklagte grundsätzlich zutreffend ausführt (vgl. Vollkommer in Zöller, 34. Aufl., Vor § 322 ZPO Rz. 31 m.w.N.). Ebenso wenig ist entscheidend, ob das LG über die zur Aufrechnung gestellten Forderungen eine zutreffende und i.S.d. § 322 Abs. 2 ZPO der Rechtskraft fähige Entscheidung getroffen hat. Denn allein der Umstand, dass das LG einen Teil der Bereicherungsforderung als begründet angesehen und nur die Klägerin gegen das landgerichtliche Urteil ein Rechtsmittel eingelegt hat, führt dazu, dass der die Klageforderung i.H.v. 53.228,42 € betreffende Teil des Streitstoffes nicht in die Berufungsinstanz gelangt ist. Wenn eine beklagte Partei im Wege der Aufrechnung eine Gegenforderung geltend macht, sind zwei selbständige Ansprüche anhängig, nämlich der Klageanspruch einerseits und wegen der erweiterten Rechtskraftwirkung des § 322 Abs. 2 ZPO der zur Aufrechnung gestellte Gegenanspruch andererseits. Entscheidet ein Urteil – wie hier das erstinstanzliche – rechtskraftfähig über beide, enthält es daher zwei prozessual selbständige Elemente des Streitstoffes. Die Überwälzung des Streitstoffes in die Rechtsmittelinstanz kann daher auf jedes dieser beiden Elemente und innerhalb dieser – bei Teilbarkeit – auf einen Teil beschränkt werden (vgl. BGH v. 26.10.1994 – VIII ZR 150/93, juris Rz. 23; BGH v. 3.11.1989 – V ZR 143/87, juris Rz. 38 ff.).

(2) Das ist hier geschehen, indem lediglich die Klägerin das Rechtsmittel der Berufung eingelegt hat und die Beklagte keine Anschlussberufung. Damit fiel in der Berufungsinstanz nur der vom LG als nicht begründet behandelte Teil der Klageforderung, der über 53.228,42 € hinausging, sowie die vom LG bezüglich Hilfsaufrechnung und Widerklage als begründet angesehene Gegenforderung insgesamt an. Vor diesem Hintergrund steht die Klageforderung in der Berufungsinstanz bis zum Betrag von 53.228,42 € nicht zur Entscheidung an und muss sie der Senat wegen des Verbots der reformatio in peius als bestehend behandeln.

3. Keine Verzugszinsen

Die von der Klägerin auf den ihr i.H.v. 53.228,42 € zuzusprechenden Zahlbetrag begehrten Verzugszinsen sind jedoch unbegründet. Ihr steht auch kein Anspruch auf Rechtshängigkeitszinsen zu. … [Wird ausgeführt.]

Zur Widerklage:

Die vom LG von den zur (Hilfs-)Aufrechnung gestellten – allein – als begründet angesehene Gegenforderung der Beklagten auf Rückzahlung der von ihr im Februar 2016 für die Klägerin geleistete Umsatzsteuersondervorauszahlung steht dieser mangels Forderungsberechtigung nicht zu. Die Beklagte hat gegen die Klägerin keinen Zahlungsanspruch aus dem Gesichtspunkt eines Gesamtschuldnerausgleichs nach § 426 Abs. 2, § 430 BGB oder aus einer anderen Anspruchsgrundlage. Insbesondere kann die Beklagte auch nicht aus dem Umstand, dass die Erwerberin mit der Klägerin im Unternehmenskaufvertrag vereinbart hat, dass der Klägerin für das gesamte (Verkaufs-)Jahr 2016 keine Gewinnabführung der Beklagten mehr verbleiben sollte, einen eigenen Anspruch herleiten.

1. Vorsteuervorauszahlung als Streitgegenstand

Streitgegenständlich ist insoweit die Vorsteuervorauszahlung der Beklagten i.H.v. 467.414 €, welche die Beklagte auf Weisung der Klägerin am 8.2.2016 an das Finanzamt für die Gewährung einer „Dauerfristverlängerung“ überwiesen hat (…). Die Begründung des LG, wonach die diesbezüglich zur Hilfsaufrechnung und Widerklage gestellte Rückzahlungsforderung der Beklagten begründet ist, folgt der im angefochtenen Urteil zitierten Entscheidung des BGH (BGH v. 29.1.2013 – II ZR 91/11, GmbHR 2013, 318, juris Rz. 10 ff.), übergeht dabei jedoch, dass deren Sachverhaltsgrundlage im Streitfall nicht gegeben ist.

a) Gesamtschuldnerschaft von Organträger und Organgesellschaft gegenüber Fiskus

In der Entscheidung des BGH war aufgrund umsatzsteuerlicher Organschaft die dortige Beklagte als Organträgerin (im Streitfall entspricht dem im Verhältnis der Parteien für die Vergangenheit die Klägerin) nach § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UStG Steuerschuldnerin der auf die Umsätze der Organschaft entfallenden Umsatzsteuer (vgl. BFH v. 23.9.2009 – VII R 43/08, BFHE 226, 391, 395 = GmbHR 2010, 108). Die Vorschrift behandelt den Organkreis als einheitliches Ganzes und erfasst infolgedessen auch diejenigen Steuern, die im Unternehmen des Organträgers angefallen sind (BGH v. 22.10.1992 – IX ZR 244/91, BGHZ 120, 50, 53 f. = GmbHR 1993, 92). Neben dem Organträger als Steuerschuldner haftet bei einer umsatzsteuerlichen Organschaft zusätzlich auch die Organgesellschaft nach § 73 Satz 1 AO für solche Steuern des Organträgers, für welche die Organschaft zwischen ihnen steuerlich von Bedeutung ist (im Streitfall entspricht dem im Verhältnis der Parteien für die Vergangenheit die Beklagte). Der Organträger als Steuerschuldner und die nach § 219 Satz 1 AO nur nachrangig haftende Organgesellschaft werden vor diesem Hintergrund – obwohl es an der Gleichstufigkeit der Schuld fehlt – wegen § 44 Abs. 1 AO gegenüber dem Fiskus als Gesamtschuldner behandelt. Ein eventueller Innenausgleich wird nach bürgerlichem Recht entsprechend § 426 BGB vorgenommen (vgl. BGH v. 22.10.1992 – IX ZR 244/91, BGHZ 120, 50, 55 f. = GmbHR 1993, 92; BGH v. 1.12.2003 – II ZR 202/01, ZIP 2004, 164, 165 = GmbHR 2004, 258; BGH v. 19.1.2012 – IX ZR 2/11, BGHZ 192, 221 Rz. 19; BGH v. 29.1.2013 – II ZR 91/11, GmbHR 2013, 318, juris Rz. 10). Deshalb ist im Innenverhältnis der Organträger grundsätzlich verpflichtet, der Organgesellschaft einen finanziellen Ausgleich in entsprechender Heranziehung des § 426 BGB zu leisten, das heißt im Grundsatz hat derjenige Beteiligte eines Organkreises, aus dessen Umsätzen die gezahlten Umsatzsteuerbeträge herrühren, auch im Innenverhältnis die Steuerlast zu tragen, denn die Zurechnung der Steuerschuldnerschaft nach § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UStG zu Lasten des Organträgers dient nur der Vereinfachung der Steuererhebung. Es handelt sich dabei nicht um eine „andere Bestimmung“ i.S.d. § 426 Abs. 1 BGB (vgl. BGH v. 29.1.2013 – II ZR 91/11, GmbHR 2013, 318, juris Rz. 12). Das gleiche Prinzip ist nach dieser Rechtsprechung für den Ausgleich von Vorsteuerbeträgen zwischen den jeweiligen Parteien heranzuziehen (BGH v.

29.1.2013 – II ZR 91/11, GmbHR 2013, 318, juris Rz. 13). Denn im Innenverhältnis liegt eine mit Gesamtgläubigern vergleichbare Konstellation vor und entsprechend § 430 BGB hat ein zivilrechtlicher Ausgleich zur Wahrung der Belastungsneutralität zu erfolgen. Die Verlagerung des Vorsteuerabzugsrechts zum Organträger ist insoweit nur formeller Natur. Es hat deshalb die Verteilung von Umsatzsteuerlast und Vorsteuerabzugsrecht grundsätzlich nach dem Verursacherprinzip zu erfolgen, falls nicht die Parteien eine abweichende Regelung getroffen haben. Dabei ist es für einen Ausgleichsanspruch der Organgesellschaft auch nicht relevant, ob die Vorsteuerbeträge durch das Finanzamt an den Organträger tatsächlich in Geld erstattet oder mit eigenen Umsatzsteuerschulden verrechnet wurden.

b) LG hat Ausgleichsanspruch der Beklagten nur im Ausgangspunkt zu Recht bejaht

Ausgehend von diesen Grundsätzen hat das LG einen Ausgleichsanspruch der Beklagten nur im Ausgangspunkt zu Recht bejaht und übersehen, dass zwischen den Parteien des Rechtsstreits zur Zeit des streitgegenständlichen Zahlungsflusses ein Beherrschungs- und GewinnabführungsvertragBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag
Gewinnabführungsvertrag
bestand, aufgrund dessen die Leistung der Beklagten mit Rechtsgrund und in gegenüber der Beklagten nicht nach § 426 Abs. 2 BGB ganz oder teilweise ausgleichspflichtiger Weise in das Vermögen der Klägerin gelangt ist.

aa) Andere unternehmensvertragliche Regelung i.S.d. § 426 Abs. 1 BGB

Entgegen der Annahme des LG ist anders als von der zitierten Rechtsprechung vorausgesetzt im Innenverhältnis der Parteien dieses Rechtsstreits eine andere unternehmensvertragliche Regelung i.S.d. § 426 Abs. 1 BGB vereinbart worden, namentlich der zwischen ihnen unstreitig bis zum 31.7.2016 bestehende Beherrschungs- und GewinnabführungsvertragBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag
Gewinnabführungsvertrag
vom 4.12.2014 (…).

(1) Die Beklagte war danach für die Dauer des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages steuerrechtlich als Organgesellschaft in die Klägerin als Organträgerin eingegliedert und nach § 2 Abs. 1 zur Abführung ihres Gewinns für jedes Geschäftsjahr an die (Y) Holding (Klägerin) verpflichtet. Mit der Veräußerung der Beklagten sollte gem. Ziff. 7.1 des Unternehmenskaufvertrages die steuerliche Organschaft der Beklagten zwar enden und diese in 2017 für das gesamte Geschäftsjahr 2016 steuerlich eigenständig veranlagt werden (…). Bereits zugunsten der Beklagten im Jahr 2016 von der Klägerin verauslagte Steuervorauszahlungen sollte die Klägerin von den Steuerbehörden – gegebenenfalls mit Unterstützung der Erwerberin, wie in Ziff. 7.1 Abs. 4 des Unternehmenskaufvertrages geregelt ist – zurückerhalten. Weil aber zur Zeit ihrer Vornahme die streitgegenständliche Sondersteuervorauszahlung aus Sicht der Klägerin bei wirtschaftlicher Betrachtung und mit entsprechender Auswirkung auf die Bilanzierung eine Vorweg-Gewinnabführung war, hat ihr der betreffende Betrag im Februar 2016 mit Rechtsgrund zugestanden. Indem die Beklagte aufgrund des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages mit ihrer Muttergesellschaft (Klägerin) ohnehin ihren gesamten Jahresüberschuss an ihre Muttergesellschaft abzuführen hatte, spielte es im wirtschaftlichen Ergebnis keine Rolle, ob sie eine Steuerumlage oder anstelle derer einen entsprechenden Gewinn abführte (vgl. BGH v. 29.1.2013 – II ZR 91/11, GmbHR 2013, 318, juris Rz. 20; BGH v. 1.12.2003 – II ZR 202/01, GmbHR 2004, 258, juris Rz. 4). Mit Rücksicht darauf, dass der Beherrschungs- und GewinnabführungsvertragBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag
Gewinnabführungsvertrag
zwischen den Parteien zur Zeit der Weisung der Klägerin, die Sondervorauszahlung zu ihren Gunsten an das Finanzamt zu leisten, in Kraft war und erst zum 31.7.2016 gekündigt wurde (…), ist daher davon auszugehen, dass diese Art der Steuerumlagepraxis aufgrund und im Rahmen des Ergebnisabführungsvertrages erfolgt ist, so dass ein Rückforderungsanspruch der Beklagten im Innenverhältnis wegen einer insoweit anderen Bestimmung i.S.d. § 426 Abs. 1 BGB von vornherein entfällt. Diese Verpflichtung gegenüber der Klägerin hat die Beklagte auch nicht bestritten, sondern selbst unstreitig gestellt, dass die betreffende Steuervorauszahlung im Februar 2016 nach Weisung der Klägerin auf Grundlage des zu dieser Zeit noch bestehenden Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages erfolgt ist (Schriftsatz vom 31.1.2019 …). Vor diesem Hintergrund besteht für die streitgegenständliche Leistung im Verhältnis der Parteien keine Ausgleichsverpflichtung, so dass der Beklagten ein Anspruch aus § 426 Abs. 2 BGB nicht zusteht.

(2) Ihr steht auch kein Schadensersatzanspruch zu. Zwar kann eine Vorweg-Gewinnabführung dazu führen, dass sie zu einem Nachteil der abhängigen Gesellschaft führt, insbesondere wenn dadurch ein bilanzieller Verlust entsteht, so dass für die abhängige Gesellschaft ein Schadensersatzanspruch gegenüber der herrschenden Gesellschaft bestehen kann (vgl. § 317 Abs. 1 AktG und § 311 AktG). Auch für einen solchen Anspruch ist indes nichts ersichtlich. Sofern die Beklagte im Jahr 2016 keinen ausreichenden Gewinn für die Vorwegentnahme erwirtschaftet haben sollte, ist dies nicht nach Grund und Höhe geltend gemacht. Dass etwa Voraussetzungen für den Umfang der Gewinnabführung beschränkende Regelungen vorlagen (vgl. § 17 Satz 2 Nr. 1 UStG i.V.m. § 301 AktG), ist ebenfalls nicht vorgetragen.

bb) Kündigung des Unternehmensvertrags führt zu keinem anderen Ergebnis

Gegen diese Beurteilung lässt sich entgegen der Auffassung der Beklagten nicht erfolgreich einwenden, dass zum Zeitpunkt des Erstattungsbegehrens der Unternehmensvertrag durch Kündigung zum 31.7.2016 aufgehoben war (…), wie in Ziff. 2 Abs. 1 des Unternehmenskaufvertrages vorgesehen. Dies ändert nichts am rechtlichen Ergebnis, denn zur Zeit der Leistung war die Klägerin zur Geltendmachung einer Vorweg-Gewinnabführung berechtigt. Entgegen der Auffassung der Beklagten lässt auch der Zeitpunkt der vom Finanzamt geleisteten Erstattung keinen Rückschluss darauf zu, ob die Klägerin die Sondervorauszahlung der Beklagten zulässig als sog. Vorweg-Gewinnabführung eingefordert hat, denn mit weisungsgemäßer Zahlung ist der Betrag wirtschaftlich bereits in das Vermögen der – gegenüber dem Finanzamt eigentlich zur Zahlung verpflichteten – Klägerin geflossen.

cc) Beklagte kann aus Unternehmenskaufvertrag als Nichtbeteiligte keine Rechte herleiten

Ebenso wenig steht dieser Beurteilung entgegen, dass die Klägerin in dem Unternehmenskaufvertrag gegenüber der Erwerberin in Ziff. 7.1 erklärt hat, dass die Beklagte wegen der mit ihrer Veräußerung endenden steuerlichen Organschaft für das ge

samte Jahr 2016 steuerlich selbständig veranlagt werden soll und dass die Erwerberin „den Verkäufer von etwaigen Verpflichtungen aus dem Beherrschungs- und GewinnabführungsvertragBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag
Gewinnabführungsvertrag
ab dem 1. August 2016 [freistellt]“ (…).

(1) Es trifft zwar zu, wie auch das LG angenommen und im Ergebnis aber falsch beurteilt hat, dass das Gewinnbezugsrecht für das Jahr 2016 nach dem Unternehmenskaufvertrag gem. Ziff. 7.1 des Unternehmenskaufvertrages letztlich nur der Erwerberin zustehen sollte. Diese Argumentation übersieht aber, dass die Beklagte aus dem Unternehmenskaufvertrag als Nichtbeteiligte – respektive als Objekt und nicht Subjekt des Vertrages – keine Rechte herleiten kann und auch eine gewillkürte Prozessstandschaft für die Erwerberin weder erst- noch zweitinstanzlich dargelegt ist. Die Beklagte ist nicht selbst Inhaberin einer Rückforderung für von der Klägerin vorab vereinnahmte Gewinne, sondern müsste zur Geltendmachung einer solchen Forderung von ihrer Erwerberin ermächtigt werden (vgl. BGH v. 1.12.2003 – II ZR 202/01, GmbHR 2004, 258 = ZIP 2004, 164, juris Rz. 8); denn es stehen letztlich dieser alle Gewinne der Beklagten auf Grundlage der Regelung im Unternehmenskaufvertrag für das Jahr 2016 zu. Darauf hat die Klägerin in der Berufungsbegründung zu Recht hingewiesen. Richtig ist daher nur, dass der Gewinnabführungsvertrag wie im Unternehmenskaufvertrag vorgesehen für die Zeit nach dem 31.7.2016 gekündigt worden ist. Das lässt aber zum einen nicht den Rechtsgrund für die früheren Zahlungen der Beklagten als „Vorweg-Gewinnabführungen“ entfallen. Zum anderen sind Vereinbarungen zugunsten der Beklagten, die dieser in Bezug auf den vorher bestehenden Gewinnabführungsvertrag selbst eine Rechtsposition gegenüber der Klägerin vermitteln würden und nicht nur ihrer Erwerberin, nicht getroffen. Ob der Erwerberin ein Erstattungsanspruch – und von dieser gegebenenfalls auszukehren an die Beklagte – aus dem Unternehmenskaufvertrag gegen die Klägerin zusteht, kann vor diesem Hintergrund offen bleiben.

(2) Das dagegen in ihrem letzten Schriftsatz noch angeführte Argument der Beklagten, ihr stehe selbst ein Anspruch gegen die Klägerin aus ihrer Closing Bilanz zu, in der sie die Umsatzsteuersondervorauszahlung als Belastung verbucht habe, verfängt demgegenüber nicht. Allein aus einer bilanziellen Buchposition folgt kein Anspruch der Beklagten.

2. Auf schlüssige Darlegung der Höhe der Ausgleichsforderung durch Beklagte kommt es nicht mehr an

Darauf, ob die Beklagte nach Hinweis des Senats im ersten Berufungstermin in ihren nachfolgenden Schriftsätzen die Höhe der von ihr geltend gemachten Ausgleichsforderung nunmehr erstmals schlüssig dargelegt hat, kommt es vor diesem Hintergrund nicht mehr an.

III.

Löffler I www.K1.de I www.gesellschaftsrechtskanzlei.com I Gesellschaftsrecht I Wettbewerbsverbot der Gesellschafter I Erfurt I Thüringen I Sachsen I Sachsen-Anhalt I Hessen I Deutschland 2023

Schlagworte: Banachteiligungsvorsatz, Doppelgeschäftsführer, Grundsätze über die Haftung des Vertreters wegen wirtschaftlichen Eigeninteresses, Kenntnis Benachteiligungsvorsatz, Sittenwidrigkeit, Unangemessene Benachteiligung, Verbot vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung, zum Nachteil des Vertretenen

Veröffentlicht in OLG Brandenburg | Kommentare geschlossen

OLG Brandenburg, Urteil vom 30.11.2022 – 7 U 193/21

Mittwoch, 30. November 2022

Zeichnung Geschäftsanteile durch ein Mitglied ist mit dem Wesen der Liquidation nicht zu vereinbaren

§ 15b GenG, § 51 Abs 1 GenG, § 51 Abs 3 S 1 GenG, § 76 Abs 1 GenG, § 100 Abs 2 Nr 3 AktG, § 241 Nr 1 AktG, § 241 Nr 2 AktG, § 241 Nr 3 AktG, § 241 Nr 4 AktG

1. Die rechtzeitige Erhebung der Anfechtungsklage gemäß § 51 Abs. 1 GenG setzt nicht nur voraus, dass überhaupt eine Klage eingereicht worden ist, es müssen zudem innerhalb der Monatsfrist im wesentlichen Kern die klagebegründenden Tatsachen mitgeteilt werden (Anschluss BGH, Urteil vom 23. Mai 1960 – II ZR 89/58). Diesen Anforderungen genügt eine Klageschrift nicht, die nur stichwortartige Angaben enthält und der Kern der klagebegründenden Tatsachen, d.h. welche tatsächlichen Umstände die Anfechtbarkeit der Einladung und der Beschlussfassung begründen sollen, nicht angegeben wird.

2. Die Zeichnung weiterer Geschäftsanteile durch ein Mitglied ist mit dem Wesen der Liquidation nicht zu vereinbaren. Mit der Auflösung der Genossenschaft ändert sich deren Zweck dahin, dass nunmehr die Geschäfte abzuwickeln sind und das Vermögen aufzuteilen ist. Der Erwerb ist rechtlich nicht mehr möglich, wenn die Auflösung beschlossen oder kraft Gesetzes eingetreten ist.

3. Nur bei einer Übertragung von Geschäftsguthaben ohne Übernahme weiterer Geschäftsanteile ist die Übernahme des Geschäftsguthabens in der Liquidation möglich.

4. Ein Beschluss ist nichtig, wenn in entsprechender Anwendung von § 241 Nr. 1 AktG Mängel der Einberufung vorliegen oder eine Feststellung des Beschlusses analog § 241 Nr. 2 AktG nicht vorliegt. Zudem sind Beschlüsse analog § 241 Nr. 3, 4 AktG nichtig, wenn sie gegen zwingende gesetzliche oder satzungsrechtliche Vorgaben verstoßen, die im öffentlichen Interesse ergangen sind oder auf die die Mitglieder nicht wirksam verzichten können oder wenn sie mit dem Wesen der Genossenschaft nicht vereinbar sind (Anschluss BGH, Urteil vom 22. März 1982 – II ZR 219/81).

5. Eine Frist zur Vorlage der Vollmachten begründet keine rechtswidrige Beschränkung der Teilnahme und des Stimmrechts der Mitglieder. Eine Übersendung der Vollmachten vor Beginn der Versammlung ist wegen der persönlichen Voraussetzungen, die bei dem Bevollmächtigten vorliegen mussten, sachlich gerechtfertigt. Dabei ist unerheblich, ob grundsätzlich der Nachweis einer Bevollmächtigung auch noch im Anschluss an eine Versammlung zulässig geführt werden darf. Maßgeblich ist, dass die in der Versammlung gefassten Beschlüsse erst nach abschließender Beurteilung aller erteilten Vollmachten zuverlässig festgestellt werden können. Damit liegt ein berechtigtes Interesse an einer Prüfung der Vollmachtserteilung vor Beginn der Versammlung vor.

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 24.09.2021, Az. 6 O 284/20, wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aus dem Urteil jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

Gründe

I.

Der Kläger wendet sich mit seiner am 09.11.2020 eingereichten Anfechtungsklage gegen die Beschlussfassungen der Beklagten zu 1. in einer Generalversammlung am 09.10.2020. Zur Versammlung ist mit Einladung vom 18.09.2020 (Anl K4, Bl. 57) geladen worden. Mit einem im Postversand übermittelten Schreiben vom 29.09.2020 (Bl. 66) teilte die Beklagte zu 1. mit, dass Vollmachten bei der Generalversammlung nur entsprechend den Vorgaben der Satzung (§ 23 Abs. 3) ausgeübt werden könnten. Die Mitglieder wurden zugleich aufgefordert, die Bevollmächtigung in geeigneter Form nachzuweisen, damit die Voraussetzungen für die Vollmachterteilung überprüft werden könnten. Vollmachten sollten bis spätestens 06.10.2020, 17.00 Uhr vorliegen. Es wurde weiter ausgeführt, dass verspätet eingereichte oder bei der Versammlung vorgelegte Vollmachten nicht berücksichtigt werden könnten.Randnummer2

Der Kläger unterzeichnete am 27.10.2020 eine Erklärung, mit der er sein Geschäftsguthaben zu übertragen anbot (Anl B1, Bl. 106). Am selben Tag unterzeichnete er einen Treuhandauftrag, der die Beklagte beauftragte, sein Geschäftsguthaben auf ein noch zu bezeichnendes Mitglied zu übertragen. Das Angebot vom 27.10.2010 und der Treuhandauftrag wurden an die Beklagte zu 1. übersandt und gingen dort am 29.10.2010 ein. Mit Schreiben vom 30.10.2020 (Anl K8, Bl. 151) erklärte der Kläger, unter welchen Bedingungen sein Treuhandauftrag erteilt werden sollte und erklärte für den Fall der Nichteinhaltung seiner Bedingungen den Widerruf des Auftrages. Die Beklagte zu 1. erwiderte mit Schreiben vom 03.11.2020 (Anl K9, Bl. 154), dass der Treuhandauftrag unbedingt erteilt sei und bot an, ihn „zurückzuschicken“, falls die Unwirksamkeit der von ihm gestellten Bedingungen für den Kläger nicht akzeptabel sei.Randnummer3

Das Angebot, das Geschäftsguthaben des Klägers zu übertragen, wurde am 09.08.2021 von dem Mitglied der Beklagten zu 1. S… T… angenommen. Dem Kläger war dies mit Schreiben vom 05.08.2021 angekündigt worden. Die Annahme des Übertragungsangebotes und die Austragung aus der Mitgliederliste durch den Vorstand am 12.08.2021 wurden dem Kläger mit Schreiben vom 12.08.2021 schriftlich mitgeteilt (Anl B1, Bl. 123).Randnummer4

Unter dem 11.08.2021 unterzeichnete der Kläger eine Erklärung über die Übernahme von Geschäftsguthaben bei der Beklagten zu 1. zum Nominalwert von 1.000 € vom Mitglied Dr. H… H….Randnummer5

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die Einberufung zur Versammlung am 09.10.2020 sei rechtswidrig gewesen, weil der Versammlungsort W… 550 km von dem Sitz der Beklagten zu 1. in P… entfernt sei. Der Kläger hat behauptet, dass Mitglieder der Beklagten zu 1. aus H… aufgrund der wahl des Versammlungsortes nicht an der Versammlung hätten teilnehmen können.Randnummer6

Ferner ist er der Auffassung gewesen, die Einschränkung der Zulassung von Stimmrechtsvollmachten sei unzulässig gewesen und zu kurzfristig vor der Versammlung angekündigt worden. Die Vollmachten zahlreicher Mitglieder seien unmittelbar vor der Versammlung zurückgewiesen worden.Randnummer7

Weiter hat er vorgetragen: Sämtliche Beschlüsse litten an Abstimmungsmängeln. Die zustimmenden Stimmen seien nicht ausgezählt, sondern im Subtraktionsverfahren ermittelt worden. Zu Beginn der Veranstaltung seien die anwesenden Personen und die als gültig angesehenen Stimmrechtsvollmachten gezählt worden. Es hätten sich 122 Stimmen ergeben. Bei den Abstimmungen am späten Nachmittag hätten bereits mehrere Mitglieder die Versammlung verlassen und seien abgereist. Dennoch sei die Zahl der Zustimmungen weiterhin so ermittelt worden, dass zunächst die ablehnenden Stimmen gezählt und deren Zahl dann von der Gesamtstimmenzahl in Abzug gebracht worden sei, die ungeachtet der reduzierten Zahl anwesender Mitglieder unverändert mit 122 angenommen worden sei.Randnummer8

An den Abstimmungen zur Entlastung des Vorstandes und der Liquidatoren sowie an der wahl der Aufsichtsratsmitglieder hätten jeweils Mitglieder der zu entlastenden Organe mitgestimmt. Die Abstimmungsergebnisse seien insoweit fehlerhaft.Randnummer9

Die Wahlen zum Aufsichtsrat seien nicht geheim durchgeführt worden. Das gewählte Aufsichtsratsmitglied K… sei gleichzeitig als Vorstand für die … AG tätig und unterliege einem Interessenkonflikt.Randnummer10

Er habe sämtlichen Beschlüssen jeweils in der Versammlung widersprochen, seine Widersprüche seien lediglich nicht protokolliert worden.Randnummer11

Der Kläger hat beantragt, festzustellen, dass die Einberufung und Durchführung der ordentlichen Generalversammlung vom 09.10.2020 nicht ordnungsgemäß erfolgt und die Generalversammlung daher zu wiederholen ist. Er hat dazu erklärt, dass diese Formulierung die Anfechtung der gefassten Beschlüsse zum Ausdruck bringen solle. Er hat ferner beantragt, die in der ordentlichen Versammlung vom 09.10.2020 gefassten Beschlüsse in ihrer Gesamtheit für nichtig zu erklären. Die Beklagten haben Klageabweisung beantragt.Randnummer12

Die Beklagten haben die Klage für unzulässig gehalten, da sie nicht innerhalb der gesetzlichen Frist erhoben worden sei und der Kläger aus der Beklagten zu 1. ausgeschieden sei.Randnummer13

Sie haben behauptet, der Beklagten zu 1. gehörten rund 800 Mitglieder an, die überwiegend in H… und R…-… wohnten. In der Satzung sei ein bestimmter Versammlungsort nicht vorgeschrieben. Es habe den Wünschen einer großen Zahl der entsprochen, die Versammlung nicht in P… abzuhalten, um die Anreise zu erleichtern.Randnummer14

Die Zurückweisung nicht fristgerecht vorgelegter Vollmachten habe nicht zu abweichenden Abstimmungsergebnissen geführt. Es seien auch keine ordentlich vorgelegten Stimmrechtsvollmachten zurückgewiesen worden.Randnummer15

Ein geheimes Abstimmungsverfahren sei nicht, wie es § 25 Abs. 2 der Satzung vorsehe, von einem Viertel der Mitglieder gefordert worden. Die Abstimmungsergebnisse seien eindeutig gewesen. Sie seien zutreffend ermittelt worden.Randnummer16

Die Abstimmungsergebnisse für die Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat belegten, dass etwaige unzulässige Beteiligungen der Organmitglieder bei der Abstimmung auf das Abstimmungsergebnis keinen Einfluss hätten haben können. Gleiches gelte für die wahl der Vorstandsmitglieder. Andere Kandidaten hätten sich nicht zur wahl gestellt.Randnummer17

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Klage als Anfechtungsklage unzulässig sei, weil sie nicht innerhalb der gesetzlichen Frist von einem Monat rechtshängig geworden sei. Die Zustellung sei nicht „demnächst“ im Sinn des § 167 ZPO vollzogen worden. Gründe, die in der Versammlung vom 09.10.2020 gefassten Beschlüsse für nichtig zu erklären, lägen nicht vor. Zum Abstimmungsverfahren seien in der Satzung keine verbindlichen Vorgaben geregelt, so dass die Nichtigkeit des Beschlusses nicht aus Verfahrensfehlern resultiere. Dass das Stimmverhalten der Organmitglieder sich auf das Abstimmungsergebnis ausgewirkt habe, sei nicht dargelegt.Randnummer18

Mit der dagegen gerichteten Berufung macht der Kläger im Wesentlichen geltend:Randnummer19

Seiner Auffassung nach sei die Klage nur gegen die Beklagte zu 1. gerichtet worden. Er sei nicht aus der Beklagten zu 1.ausgeschieden, da sein Geschäftsguthaben nicht ohne Übernahme seiner Geschäftsanteile durch die Erwerberin habe erfolgen können und mithin während der Liquidation erfolgt wäre. Die Übertragung von Anteilen während der Liquidation sei nicht möglich. Zudem habe er den Treuhandauftrag zur Übertragung auch widerrufen. Schließlich bestehe seine Mitgliedschaft jedenfalls infolge einer Teilübertragung von Seiten des Mitglieds H…. Das Landgericht habe verkannt, dass mit der Klage Verfahrensfehler gerügt worden seien, die seiner Auffassung nach grundlegende Rechte der Mitglieder sicherten. Die aufgezeigten Fehler müssten daher die Folge der Nichtigkeit der Beschlüsse nach sich ziehen. Dies gelte für den gewählten Versammlungsort ebenso wie für eine Regelung, die den Ausschluss wirksam erteilter Stimmrechtsvollmachten ermögliche und die infolge des Substraktionsverfahrens fehlerhaft ermittelten Abstimmungsergebnisse. Das Substraktionsverfahren sei zwar ein zulässiges Verfahren, es sei aber versäumt worden, jeweils die Zahl der anwesenden und vertretenen Stimmen zu ermitteln. Ihm seien sechzehn Vollmachten zugänglich (Anl K12, Bl. 263 bis 275), die Weisungen für „Nein“-Stimmen enthalten hätten und nicht berücksichtigt worden seien. Es genüge, dass die Verletzung der genannten Vorschriften für das Beschlussergebnis relevant sein könnte, die Beschussfassung müsse nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht auf den Fehlern beruhen.Randnummer20

Die Wahlen von jeweils einem Mitglied des Vorstandes und des Aufsichtsrates seien fehlerhaft gewesen, weil die Mitglieder der jeweiligen Gremien mit abgestimmt hätten. Außerdem seien die Wahlen nicht geheim abgehalten worden, was er auch in der Sitzung beanstandet habe. Schließlich bestünden Interessenkonflikte, weil J… H… K…, der zum Aufsichtsrat gewählt worden sei, mit dem Vorstandsmitglied/der Liquidatorin I… K… verheiratet sei und er selbst Vorstand der … AG sei, die geschäftliche Transaktionen mit den Einlagen der Genossen ausführe. Die Verknüpfung von Vorstands- und Aufsichtsratsämtern in beiden Gesellschaften verstoße gegen das Verbot der Überkreuzverflechtung aus § 100 Abs. 2 Nr. 3 AktG, das hier entsprechend Anwendung finden müsse. Der Verstoß habe die Nichtigkeit der wahl zur Folge.Randnummer21

Die Prüfung des Jahresabschlusses durch den Wirtschaftsprüfer Dr. K… sei interessenwidrig gewesen. Die Ehefrau von Dr. K… habe den Jahresabschluss in dem von ihm mit geführten Büro erstellt. Herr Dr. K… könne daher nicht Prüfer gemäß § 55 GenG sein.Randnummer22

Der Kläger beantragt, das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 24.09.2021 abzuändern undRandnummer23

1. festzustellen, dass die Einberufung und Durchführung der ordentlichen Generalversammlung vom 09.10.2020 nicht ordnungsgemäß erfolgt ist und die Generalversammlung daher zu wiederholen ist.Randnummer24

2. Die in der ordentlichen Generalsversammlung der Beklagten vom 09.10.2020 gefassten Beschlüsse in ihrer Gesamtheit für nichtig zu erklären.Randnummer25

Die Beklagten beantragen,Randnummer26

die Berufung zurückzuweisen.Randnummer27

Die Beklagten halten die Klage für unzulässig, weil sei als Anfechtungsklage nicht rechtzeitig erhoben worden sei. Zudem seien die Anträge fehlerhaft gestellt. Die Anfechtungsklage könne nicht in eine Nichtigkeitsklage umgedeutet werden. Auch der Klageantrag zu 2. bringe nicht zum Ausdruck, dass Nichtigkeitsklage erhoben werden solle. Als Nichtigkeitsklage sei die Klage auch unzulässig, weil der Kläger nicht mehr Mitglied der Beklagten zu 1. sei. Zu den Anfechtungsgründen erwidern sie: Von den im Zeitpunkt der Generalversammlung vorhandenen 785 Mitgliedern seien 673 nicht im Postleitzahlenbereich 0, 1 oder 2 ansässig. Dies habe die wahl des Versammlungsortes in W… sinnvoll gemacht.Randnummer28

Die Vorgabe, dass Vollmachten vorab vorgelegt werden mussten, sei wegen der erforderlichen Prüfung der Einhaltung der Voraussetzungen für die Vollmachterteilung angeordnet worden. Die Wirkung dieser Vorgabe sei mit der Wirkung einer unterbliebenen Einladung, wie der Kläger mit der von ihm zitierten Rechtsprechung begründen wolle, nicht vergleichbar. Die Abstimmungsergebnisse seien zutreffend ermittelt. Sie stellen in Abrede, dass zehn Mitglieder abgereist und dass diesen Mitgliedern jeweils zwei Stimmrechtsvollmachten erteilt worden seien.Randnummer29

Die wahl zum Aufsichtsrat und zum Vorstand habe nicht geheim durchgeführt werden müssen. Der offenen Abstimmung habe kein Mitglied widersprochen. Die Regelung des § 100 AktG finde keine Anwendung auf die Genossenschaft. Interessenkonflikte bestünden nicht. Auch soweit der Kläger die Feststellung des JahresabschlussesBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Feststellung
Feststellung des Jahresabschlusses
unter Hinweis auf § 256 AktG in Frage stelle, gehe dies mangels Anwendbarkeit der Vorschrift fehl.Randnummer30

Nichtigkeitsbegründende Mängel seien schließlich nicht gegeben. Sämtliche von ihm gerügten vermeintlichen Fehler könnten nur die Anfechtbarkeit begründen; die Anfechtung sei hier aber wegen der Versäumung der Klagefrist ausgeschlossen.Randnummer31

Ergänzend wird wegen des Sach- und Streitstandes auf die tatsächlichen Feststellungen der erstinstanzlichen Entscheidungen sowie die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

II.

Die zulässige Berufung ist unbegründet.Randnummer33

Die Klage gegen die Beklagte zu 1. ist als Feststellungsklage, gerichtet auf Feststellung der Nichtigkeit der in der Generalversammlung vom 09.10.2020 gefassten Beschlüsse zulässig, aber nicht begründet. Die gegen den Beklagten zu 2. gerichtete Klage ist unzulässig.

1.

Die Auslegung der Klage- und der Berufungsschrift ergibt, dass die Klage sowohl gegen die Genossenschaft als auch gegen den Aufsichtsrat gerichtet werden sollte. In der Klageschrift vom 09.11.2020 ist der Aufsichtsrat als Beklagter zu 2. aufgeführt und die Klagebegründung vom 14.05.2021 richtet sich gegen die … … eG in Liquidation „u.a.“. Auch der Berichtigungsantrag vom 25.10.2021, der sich auf das Urteil des Landgerichts bezog, enthält keine Ausführungen dazu, dass die Klage nicht gegen den Aufsichtsrat hätte gerichtet und der Aufsichtsrat daher nicht in das Rubrum hätte aufgenommen werden sollen. Die Berufungsschrift führt wiederum den Aufsichtsrat als Beklagten zu 2. auf. In der Berufungsbegründung ist das Rubrum geändert, da nunmehr nicht mehr neben der Bezeichnung der Beklagten zu 1. Der Zusatz „u.a.“ aufgenommen ist. Eine klarstellende Einschränkung der zuvor verfassten Schriftsätze hinsichtlich des Umfangs der Berufung enthält die Berufungsbegründung indes nicht, vielmehr wird auf den gesamten Sachvortrag erster Instanz und auf die Klageschrift Bezug genommen. Auch wenn die Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage zutreffend gegen die Genossenschaft gerichtet werden muss, ergibt sich daraus nicht, dass der Kläger rechtlich zutreffend die Klage erheben wollte, zumal er den Aufsichtsrat neben der richtigen Partei, der Beklagten zu 1. als Beklagten, nicht aber als Vertreter der eG im Sinn des § 51 Abs. 3 Satz 2, 1. Hs GenG aufführt. Die Begründetheit der Klage ist für die Auslegung der Parteibezeichnungen und des Klageantrages nicht maßgeblich, sondern die vom Kläger abgegebenen Erklärungen.Randnummer35

Die gegen den Aufsichtsrat geführte Klage ist unzulässig. Organe von juristischen Personen können in einem Organstreit Partei sein, wenn sie eigene Rechte aus der Organstellung gegenüber einem anderen Organ oder der juristischen Person geltend machen (BGH, Urteil vom 28.11.1988 – II ZR 57/88, BGHZ 106, 54) oder wenn ihnen im Gesetz die Parteistellung zugewiesen wird. Im Übrigen sind sie nicht selbst Partei, sondern können für eine juristische Person im Rechtsstreit handeln (Zöller/Althammer, ZPO, § 51 Rn. 14). Die Anfechtungsklage ist gegen die Genossenschaft zu richten, § 51 Abs. 3 Satz 1 GenG.

2.

Die Auslegung der Klageanträge ergibt unter Heranziehung der Begründung von Klage- und Berufungsschrift, dass der Kläger sich gegen alle in der Generalversammlung vom 09.10.2020 gefassten Beschlüsse wendet und diese für anfechtbar, hilfsweise für nichtig hält.

3.

Die Anfechtungsklage ist gemäß § 51 Abs. 1 GenG unzulässig, da der Kläger die Klagefrist versäumt hat. Die rechtzeitige Erhebung der Anfechtungsklage setzt nicht nur voraus, dass überhaupt eine Klage eingereicht worden ist, es müssen außerdem innerhalb der Monatsfrist im wesentlichen Kern die klagebegründenden Tatsachen mitgeteilt werden (BGH, Urteil vom 23.05.1960 – II ZR 89/58, BGHZ 32, 322). Diesen Anforderungen genügt die Klageschrift mit dem als Anlage genommenen Protokoll der Versammlung nicht. Sie führt stichwortartig auf, dass die Anfechtung sich gegen die „Einladung, Beschlussfähigkeit und die Beschlüsse der Generalversammlung der Beklagten“ richte. Der Kern der klagebegründenden Tatsachen, der hier in der erst mit Schriftsatz vom 14.05.2021 vorgetragenen Darstellung liegen würde, welche tatsächlichen Umstände die Anfechtbarkeit der Einladung und der Beschlussfassung begründen sollen, ist der Klageschrift nicht zu entnehmen. Die Bezugnahme auf das Protokoll bezieht sich auf die in der Versammlung gefassten Beschlüsse. Zweifel an deren Wirksamkeit ergeben sich daraus nicht.

4.

Die Klage ist nicht unzulässig, weil der Kläger aus der Beklagten zu 1. ausgeschieden ist. Der Austritt des Klägers konnte infolge des Umstandes, dass bereits vor dem 09.10.2020 die Liquidation der Beklagten zu 1. beschlossen worden war, nicht wirksam werden, da der Erwerb weiterer Geschäftsanteile durch die Vertragspartnerin T… bei Übertragung des Geschäftsguthabens erforderlich war. Der Erwerb weiterer Geschäftsanteile durch ein Mitglied der Genossenschaft ist mit der Rechtsnatur der Liquidation nicht zu vereinbaren.

Der Kläger unterzeichnete seine Erklärung zur Übertragung des Geschäftsguthabens in Höhe von 11.000 € am 27.10.2020, die Annahmeerklärung der Vertragspartnerin ist am 09.08.2021 unterzeichnet worden. Die Übertragung des Geschäftsguthabens hatte zur Folge, dass die Vertragspartnerin neue Geschäftsanteile zeichnen musste, da das Geschäftsguthaben vorhandene Anteile überstieg, § 76 Abs. 1 Satz 1, § 76 Abs. 5 Satz 1 GenG. Nach § 29 Abs. 1 Satz 1 der Satzung der Beklagten zu 1. ist die Beteiligung eines Mitglieds mit mehreren Geschäftsanteilen zulässig. Ein Geschäftsanteil ist mit 1.000 € bestimmt, § 29 Abs. 1 Satz 2 der Satzung. Die Übertragung des Geschäftsguthabens von 11.000 € entsprach mithin 11 Geschäftsanteilen, die die Erwerberin des Guthabens neu zeichnen musste, da dieser Betrag jedenfalls den Wert von einem Geschäftsanteil überschritt, § 7 Abs. 2 Satz 3 der Satzung. Dass von anderen Voraussetzungen auszugehen sei, weil die Erwerberin T… etwa bereits 11 Geschäftsanteile gehalten, das zu ihren Gunsten bestehende Geschäftsguthaben aber 0 Euro betragen hätte, ist nicht vorgetragen.

Die in der mündlichen Verhandlung erwogene Auffassung, dass der Kläger lediglich Geschäftsguthaben übertragen habe, ist durch den in der mündlichen Erörterung von Klägerseite erhobenen Einwand, dass die Formulierung in dem von der Beklagten zu 1. erstellten Vordruck auch die Übernahme der Anteile in einer „Beteiligungserklärung“ vorsehe (vgl. Bl. 106) entkräftet. Die Erörterung in der mündlichen Verhandlung und die Argumentation des Klägers in seinem Schriftsatz vom 08.11.2022 gebieten eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung auf den die klägerische Rechtsauffassung bekräftigenden Einwand im Schriftsatz vom 17.11.2022 nicht. Die Beklagte zu 1. ist durch die Abweisung der Klage als unbegründet und nicht, wie zunächst erwogen, als unzulässig, auch nicht beschwert.Randnummer41

Die Zeichnung weiterer Geschäftsanteile durch ein Mitglied ist mit dem Wesen der Liquidation nicht zu vereinbaren. Mit der Auflösung der Genossenschaft, ändert sich deren Zweck dahin, dass nunmehr die Geschäfte abzuwickeln sind und das Vermögen aufzuteilen ist. Der Erwerb ist rechtlich nicht mehr möglich, wenn die Auflösung beschlossen oder kraft Gesetzes eingetreten ist. § 87 Abs. 1 GenG bestimmt, dass die Vorschriften des zweiten und des dritten Abschnitts während der Liquidation entsprechend Anwendung finden, nicht aber auch die Vorschriften des ersten Abschnitts, die Regelungen über den Beitritt und den Erwerb von Geschäftsanteilen in den §§ 15, 15a und 15b GenG enthalten. Der Beitritt eines neuen Mitglieds ist mit dem Zweck der Abwicklung nicht zu vereinbaren (RGZ, 50, 127 (130). Gleiches gilt für die Erweiterung der Beteiligung durch Erwerb weiterer Geschäftsanteile (BGH, Urteil vom 15.06.1978 – II ZR 13/77, NJW 1978, 2595, juris Rn. 28 f.; RGZ 117, 116 (120)). Die Übernahme neuer Anteile begründet Bindungen für den Übernehmer, ohne dass die Gesellschaft in der Lage ist, dem Erwerber eine seiner Beteiligung entsprechende wirtschaftliche und rechtliche Stellung zu verschaffen (BGH, Urteil vom 01.12.2003 – II ZR 216/01, WM 2004, 488, juris Rn. 21; BGH, Urteil vom 15.06.1978, a.a.O., juris Rn. 29). Eine – hier nicht gegebene – vor Beginn der Liquidation begründete Pflicht zur Übernahme von Geschäftsanteilen besteht daher auch nicht fort. Die Vereinbarung über die Übernahme von Anteilen stellt einen auf eine rechtlich unmögliche Leistung gerichteten Vertrag dar, der nicht erfüllt werden kann, § 275 BGB. Das von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung angeführte Argument, dass der Erwerber im Fall der Übernahme weiterer Anteile bereits Mitglied der Beklagten ist, steht dem Ausschluss der Übernahme als unvereinbar mit der Natur der Liquidation nicht entgegen. Auch für das Mitglied, das weitere Anteile übernimmt, würde die Übernahme ein rechtlich unausgewogenes Geschäft darstellen, da es den Wert für Anteile entrichtet, denen infolge des Liquidationszwecks ein durch das Stadium der Abwicklung und Auseinandersetzung begrenzter Gegenwert zukommt.Randnummer42

Etwas anderes folgt nicht daraus, dass ein Geschäftsguthaben nach der Satzung der Beklagten jederzeit übertragbar sein sollte, § 7 Abs. 1 der Satzung. Die Formulierung „jederzeit“ entspricht der gesetzlichen Formulierung in § 76 Abs. 1 GenG, wird aber in § 76 Abs. 1 Satz 1 GenG und insoweit auch hier anwendbar dadurch ergänzt, dass das Geschäftsguthaben im Fall einer Übernahme durch ein Mitglied den vorhandenen Anteil nicht übersteigen darf und es anderenfalls der Übernahme weiterer Geschäftsanteile bedarf, § 15b GenG. Nur bei einer Übertragung von Geschäftsguthaben ohne Übernahme weiterer Geschäftsanteile ist die Übernahme in der Liquidation möglich (Lang/Weidmüller-Holthaus/Lehnhoff, GenG § 87 Rn. 20a; Fandrich/Pohlmann/Bloehs, § 87 Rn. 6; Berliner Kommentar GenG/Kühnberger, § 87 Rn. 3, 5; OLG HamburgBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG Hamburg
, NJW 1957, 225).

5.

Die zumindest hilfsweise auf Feststellung der Nichtigkeit der Beschlussfassungen gerichtete Klage ist entsprechend § 249 Abs. 1, § 246 AktG zulässig. Sie ist nicht begründet.Randnummer44

Die in der Sitzung vom 09.10.2020 gefassten Beschlüsse sind nicht nichtig. Die Nichtigkeit von Beschlüssen wird auch im Genossenschaftsrecht analog § 241 AktG bestimmt (BGH, Urteil vom 23.02.1978 – II ZR 37/77, BGHZ 70, 384, (387)). Das Gesetz geht in § 51 GenG grundsätzlich nur von der Anfechtbarkeit von Beschlüssen aus. Ein Beschluss ist dagegen nichtig, wenn in entsprechender Anwendung von § 241 Nr. 1 AktG Mängel der Einberufung vorliegen oder eine Feststellung des Beschlusses analog § 241 Nr. 2 AktG nicht vorliegt (Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, § 51 Rn. 2). Zudem sind Beschlüsse analog § 241 Nr. 3, 4 AktG nichtig, wenn sie gegen zwingende gesetzliche oder satzungsrechtliche Vorgaben verstoßen die im öffentlichen Interesse ergangen sind oder auf die die Mitglieder nicht wirksam verzichten können (vgl. zum Vereinsrecht BGH, Urteil vom 09.11.1972, – II ZR 63/71, BGHZ 59, 369 (372)) oder wenn sie mit dem Wesen der Genossenschaft nicht vereinbar sind (BGH, Urteil vom 22.03.1982 – II ZR 219/81, NJW 1982, 2558 (2559)).

6.

Die wahl des Versammlungsortes begründet keine die Nichtigkeit begründenden Mängel der Beschlussfassung. Die Satzung der Beklagten zu 1. enthält keine Regelungen zum Versammlungsort. Damit wäre analog § 121 Abs. 5 AktG zwar grundsätzlich der Sitz der Genossenschaft für die Durchführung der Versammlung zu wählen (RGZ 44, 9). Ausgehend von dem Zweck der Regelung, dass die Teilnahme der Gesellschafter bzw. Mitglieder an der Versammlung nicht durch die wahl des Versammlungsortes beeinträchtigt werden darf, kann aber auch ein abweichender Versammlungsort gewählt werden, sofern dadurch die Teilnahme der Gesellschafter oder Mitglieder nicht erschwert wird (vgl. zur GmbH: BGH, Urteil vom 28.01.1985 – II ZR 79/84, WM 1985, 567 Rn 9). Die wahl des Versammlungsortes in W… ist danach nicht zu beanstanden. Der Kläger legt lediglich bezogen auf zwei Mitglieder, die in H… wohnhaft sind, die schlechtere Erreichbarkeit des Versammlungsortes dar. Dem Einwand der Beklagten, dass etwa 85% der Mitglieder den Versammlungsort in W… leichter erreichen könnten, als den Sitz der Beklagten zu 1. in P…, ist der Kläger, der für das Vorliegen von Umständen, die die Nichtigkeit begründen, darlegungs- und beweispflichtig ist, weder konkret entgegengetreten, noch hat er insoweit Beweis angeboten. Eine Einschränkung des Rechts zur Teilnahme für die Mitglieder ist ausgehend von dem Vortrag der Beklagten gerade nicht mit der wahl des Versammlungsortes verbunden, auch wenn ein geringer Anteil der Mitglieder den Versammlungsort W… schlechter erreichen konnte, als den Sitz der Beklagten zu 1. in P….

7.

Auch die von der Beklagten zu 1. Im Vorfeld der Versammlung mitgeteilte Frist für die Vorlage von Stimmrechtsvollmachten begründet nicht die Nichtigkeit der in der Sitzung vom 09.10.2020 festgestellten Beschlüsse. Sie ist nicht mit einer unterbliebenen Einberufung der GesellschafterversammlungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Einberufung
Einberufung der Gesellschafterversammlung
Gesellschafterversammlung
vergleichbar. Die Satzung sieht zulässig aufgrund § 43 Abs. 5 Satz 3 GenG persönliche Voraussetzungen für die Personen vor, denen Vollmacht erteilt werden kann. Danach können nur Mitglieder oder Ehegatten, Eltern, volljährigen Kinder oder Geschwister ein Mitglied vertreten oder sie müssen in einem Gesellschafts- oder Angestelltenverhältnis zum vertretenen Mitglied stehen.Randnummer47

Die hier mit Schreiben vom 29.09.2020 mitgeteilte Frist zur Vorlage der Vollmachten bis spätestens 06.10.2020 begründet keine rechtswidrige Beschränkung der Teilnahme und des Stimmrechts der Mitglieder, auch wenn, wie der Kläger geltend macht, ihm dieses Schreiben erst am 05.10.2020 vorgelegen hat. Die Erteilung der Vollmacht konnte auf dem zuvor bereits mit der Ladung zur Versammlung versandten Formular (vgl. Anl K4, Bl 57) per Telefax oder E-Mail zur Prüfung der Beklagten zu 1. auch kurzfristig übermittelt werden. Zugleich eröffnete die Beklagte zu 1. die Möglichkeit, mit einer Blankovollmacht ein anwesendes Mitglied zur Stimmabgabe zu ermächtigen und dabei Weisungen zu erteilen. Die Übersendung der Vollmachten vor Beginn der Versammlung ist wegen der persönlichen Voraussetzungen, die bei dem Bevollmächtigten vorliegen mussten, sachlich gerechtfertigt. Dabei ist unerheblich, ob grundsätzlich der Nachweis einer Bevollmächtigung auch noch im Anschluss an eine Versammlung zulässig geführt werden darf. Maßgeblich ist, dass die in der Versammlung gefassten Beschlüsse erst nach abschließender Beurteilung aller erteilten Vollmachten zuverlässig festgestellt werden können. Damit liegt ein berechtigtes Interesse an einer Prüfung der Vollmachtserteilung vor Beginn der Versammlung vor, das die Beklagte zu 1. durch die Bestimmung einer Vorlagefrist klarstellen konnte. Wegen der verschiedenen Möglichkeiten, eine Vollmacht zu erteilen, war auch bei Zugang des Schreibens vom 29.09.2020 erst einen Tag vor dem angegebenen Fristablauf die Erteilung und Mitteilung einer Vollmacht ohne größere Schwierigkeiten zu bewerkstelligen. Die Regelung des § 241 Abs. 1 Nr. 1 AktG soll vermeiden, dass Aktionäre überrumpelt werden, in dem sie nicht von der Einberufung unterrichtet oder Zweifel begründet werden, ob die Versammlung wirksam einberufen ist, da nicht das zuständige Organ gehandelt hat. Eine vergleichbare Situation tritt mit der nach rechtzeitiger Einberufung durch das zuständige Organ mitgeteilten Vorgabe, Stimmrechtsvollmachten aufgrund des bereits übersandten Formulars vorab einzureichen, nicht ein.

8.

Die nach dem Vortrag des Klägers möglicherweise unrichtige Ermittlung der Abstimmungsergebnisse begründet nicht die Nichtigkeit der gefassten Beschlüsse. Fehler bei der Feststellung des Abstimmungsergebnisses begründen lediglich die Anfechtbarkeit eines Beschlusses, es sei denn, sie sind offenkundig (BGH, Urteil vom 13.03.1980 – II ZR 54/78, NJW 1980, 1465 (1467); Urteil vom 25.05.1961 – II ZR 136/59, BB 1961, 802; Lang/Weidmüller-Holthaus/Lehnhoff, GenG, § 51 Rn. 12, 27 Berliner Kommentar GenG/Keßler, § 51 Rn. 11; Pöhlmann/Fandrich/Bloehs-Fandrich, § 51 Rn 12). Die Behauptung des Klägers, dass zehn Mitglieder die Versammlung verlassen hätten, bei der Auszählung der Stimmen aber berücksichtigt worden seien, ist nicht offenkundig. Der Kläger selbst trägt nicht vor, dass das Verlassen der Versammlung durch bestimmte Mitglieder konkret festgestellt worden wäre, sonst berief sich erstinstanzlich auf eine „Schätzung“ eines Mitglieds (Ss vom 24.09.2001, S. 12), die er zweitinstanzlich als „nachweislich“ bezeichnete, die aber hinsichtlich der betreffenden Personen nicht näher festgestellt worden ist. Offen bleibt auch, ob, wie der Kläger meint, gerade denjenigen Mitgliedern, die die Versammlung vorzeitig verlassen haben sollen, Stimmrechtsvollmacht erteilt worden war. Dies trägt der Kläger in Bezug auf ein Mitglied vor, im Übrigen stellt er Vermutungen an, ein offenkundiger Fehler liegt darin nicht. Inwiefern Abstimmungsergebnisse infolge des angewendeten Substraktionsverfahrens ohne zuverlässige Feststellung der anwesenden und vertretenen Stimmen fehlerhaft waren und sich auf das Abstimmungsergebnis ausgewirkt haben können, wäre bei zulässiger Anfechtung einer gesonderten Prüfung vorbehalten.

8.

Die Behauptung, die Mitglieder von Aufsichtsrat und Vorstand hätten bei ihrer Entlastung mitgestimmt und damit eine unzulässige Selbstentlastung bewirkt, § 43 Abs. 6 GenG, hat ebenso wenig ein offenkundig unrichtiges Abstimmungsergebnis bewirkt. Die Beklagte zu 1. verfügt über zwei Liquidatoren und drei Aufsichtsratsmitglieder. Weder die Beschlussfassungen über die Entlastung der Liquidatoren noch die Beschlussfassungen über die Entlastung der Aufsichtsratsmitglieder ist mit einem Stimmenverhältnis beschlossen worden, bei dem die fünf Stimmen der Organmitglieder entscheidend berücksichtigt worden sind. Gleiches gilt für die Neuwahl der Aufsichtsratsmitglieder K… und L….

9.

Die Neuwahl des Aufsichtsratsmitgliedes K… ist nicht in entsprechender Anwendung des § 100 Abs. 2 Nr. 3 AktG unwirksam, da er zugleich dem Vorstand der … AG angehört. Die entsprechende Anwendung des § 100 Abs. 2 Nr. 3 AktG setzt eine planwidrige Regelungslücke voraus. Davon kann hier nicht ausgegangen werden. Die Regelung des § 100 Abs. 2 Nr. 3 AktG betrifft nach seinem Wortlaut die Tätigkeit eines Aufsichtsratsmitgliedes, das zugleich gesetzlicher Vertreter einer „anderen Kapitalgesellschaft“ ist. Damit ist im direkten Anwendungsbereich des § 100 Abs. 2 Nr. 3 AktG die Tätigkeit im Aufsichtsrat der AG gerade nicht ausgeschlossen, wenn das Aufsichtsratsmitglied zugleich Vorstand einer Genossenschaft ist, da die Genossenschaft keine Kapitalgesellschaft ist (allgM, vgl. BeckOGK/Spindler, § 100 AktG Rn. 16 m.w.N.). Damit im Einklang steht es, wenn eine der Regelung § 100 Abs. 2 Nr. 3 AktG entsprechende Regelung für den Aufsichtsrat der Genossenschaft, der gleichzeitig in einer AG als Vorstand tätig ist, fehlt, weil der Gesetzgeber in § 100 Abs. 2 Nr. 3 AktG die Unvereinbarkeit auf „andere Kapitalgesellschaften“ bezieht. Dies spricht gegen eine planwidrige Lücke, vielmehr für eine planmäßig unterbliebene Regelung. Soweit die vom Kläger zitierte Kommentierung (Lang/Weidmüller, GenG, § 37 Rn. 1) davon ausgeht, dass sich bereits aus § 37 GenG die entsprechende Anwendung des § 100 Abs. 2 Nr. 3 AktG ergebe, steht dies im Widerspruch dazu, dass das Aktiengesetz in § 105 AktG die Unvereinbarkeit von Ämtern seinerseits regelt und damit auch die Grundlage für die Neufassung des § 37 GenG durch die Novelle zum Genossenschaftsrecht 2006 bildete (vgl. BT-Drs. 16/1025, S. 85). Eine dem § 100 Abs. 2 Nr. 3 AktG entsprechende Regelung ist bei der Gesetzesnovelle gerade nicht in das Genossenschaftsgesetz aufgenommen worden.Randnummer51

Die bei der wahl des Aufsichtsrates nicht gewahrte Geheimhaltung begründet ebenfalls keinen schwerwiegenden Fehler des Wahlvorganges, der die Nichtigkeit der wahl bewirken würde. Der Wirksamkeit der wahl von J… H… K… als Aufsichtsratsmitglied steht nicht entgegen, dass er mit der Liquidatorin I… K… verheiratet ist.

10.

Mängel der Feststellung der Jahresabschlüsse 2018 und 2019, die die Nichtigkeit analog § 256 Abs. 1 AktG begründen könnten, legt der Kläger nicht dar. Soweit er sich darauf beruft, dass der Prüfer des Verbandes nach § 55 Abs. 1 GenG befangen sei, weil er mit der Prüferin der Jahresabschlüsse verheiratet sei und mit ihr gemeinsam ein Büro betreibe, begründet die daraus resultierende mögliche Befangenheit keine Anfechtungsgründe für die Mitglieder der Beklagten zu 1. (vgl. Lang/Weidmüller-Holthaus/Lehnhoff, § 55 Rn 20).

III.

Die Kostenentscheidung ergeht gemäß § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10, § 711 Satz 2, § 709 Satz 2 ZPO.Randnummer54

Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen insoweit nicht vorliegen, § 543 Abs. 2 ZPO.Randnummer55

Der Gebührenstreitwert für den Rechtsstreit in beiden Instanzen, hinsichtlich der ersten Instanz gemäß § 63 Abs. 3 Nr. 2 GKG, wird entsprechend § 247 Abs. 1 AktG, § 3 ZPO auf 2.500 € für jeden der angefochtenen Beschlüsse, insgesamt 17.500 € festgesetzt. Das Interesse der Anträge zur Anfechtung und Feststellung der Nichtigkeit der Beschlüsse ist wirtschaftlich identisch.

Löffler I www.K1.de I www.gesellschaftsrechtskanzlei.com I Gesellschaftsrecht I GmbH-Recht I Gesellschafterstreit I Erfurt I Thüringen I Sachsen I Sachsen-Anhalt I Hessen I Deutschland 2022

Schlagworte: Agrarbetrieb, Agrargenossenschaft, Agrarunternehmen, Anfechtungsklage, Beschlussanfechtungsklage, Beschlussmängel, Beschlussmängelklage, Beschlussmängelrecht, Beschlussmängelstreit, Beschlussmängelstreitigkeiten, Beschlussnichtigkeitsklage, fehlerhafte Genossenschaft, Folgen bei Beschlussmängeln, Genossenschaft, Genossenschaft Vermögenswert, Genossenschaftsanteil, Genossenschaftsrecht, Gesellschafterstreit, Gesellschafterstreit GmbH, Gesellschafterstreit vor Gericht, Gesellschafterstreitigkeiten, Gesellschafterstreitigkeiten sicher vermeiden oder schnell gewinnen, Innenausgleich Genossen, Kauf von Agrargenossenschaft, Lösung von Gesellschafterstreit, Nichtigkeits- und Anfechtungsklage, Nichtigkeitsklage, Verkauf von Agrargenossenschaft, Verteilung Vermögen an Genossen, Wertverlust Genossenschaftsanteil, Zeichnung Geschäftsanteile

Veröffentlicht in OLG Brandenburg | Kommentare geschlossen

OLG Brandenburg, Urteil vom 09.11.2022 – 4 U 10/22

Freitag, 11. November 2022

§ 195 BGB, § 204 Abs 1 Nr 1 BGB, § 215 BGB, § 387 BGB, § 389 BGB, § 812 Abs 1 S 1 Alt 1 BGB, § 812 Abs 1 S 1 Alt 2 BGB, § 43 Abs 2 GmbHG, § 43 Abs 4 GmbHG, § 138 Abs 1 ZPO, § 142 Abs 1 ZPO

1. Der Antrag auf Urkundenvorlage ersetzt nicht den schlüssigen Sachvortrag einer Partei. Zudem darf die Anordnung der Urkundenvorlage nicht mit dem Ziel ergehen, die Klage erst durch den Inhalt der Urkunde schlüssig zu machen (Haftung GeschäftsführerBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Geschäftsführer
Haftung
Haftung Geschäftsführer
).

2. Die Verjährung eines (Schadensersatz-) Anspruchs aus § 43 Abs. 2 GmbHG, der auf die unterlassene Durchsetzung eines (Haupt-) Anspruchs gestützt wird, beginnt grundsätzlich erst mit der Verjährung des Hauptanspruchs.

Tenor

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 19.11.2021, Az. 51 O 82/21, – unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen – teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Es wird festgestellt, dass der Rechtsstreit in Höhe von 43.500 € erledigt ist.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 6.463,75 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23.04.2021 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Von den Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin 96 %, die Beklagte trägt 4 %.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf bis zu 230.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die klagende GmbH macht einen Zahlungsanspruch gegen die Beklagte als ehemalige Geschäftsführerin der Klägerin im Zusammenhang mit der Sanierung des Hauses der Beklagten geltend. Gegenstand der Klägerin ist (u.a.) die Planung und Durchführung von Bauvorhaben aller Art. Gesellschafter der Klägerin waren die Beklagte und – als Mehrheitsgesellschafter – Herr M… G…, der Vater der Beklagten.Randnummer2

Die Beklagte war in der Zeit vom 09.12.2014 bis zum 14.12.2020 alleinvertretungsberechtigte und von den Beschränkungen des § 181 BGB befreite Geschäftsführerin der Klägerin.Randnummer3

Die Beklagte ist hälftige Miteigentümerin des mit einer denkmalgeschützten Villa bebauten Grundstücks in der L…-Allee … in … …, dem sogenannten „…Haus“. Weiterer Miteigentümer war zunächst der frühere Lebensgefährte der Beklagten, Herr R… L…; später übernahmen ihre Eltern seinen Miteigentumsanteil.Randnummer4

Das Haus wurde in der Zeit von Mai 2015 bis August 2016 umfangreich saniert. Zur Finanzierung der Sanierung hatte die Beklagte ein Darlehen bei der Commerzbank von zunächst 600.000 € aufgenommen.Randnummer5

Ein Teil der Sanierungsarbeiten wurde von der Klägerin getätigt. Dies war dem Vater der Beklagten bekannt, dessen Planungsbüro die Planungsleistungen bis zur Leistungsphase 4 HOAI erbracht hatte. Die Heizungs- und Sanitärarbeiten führte die Firma E… Energien GmbH aus und stellte dafür der Klägerin am 15.12.2015 einen Betrag von 20.152,00 € in Rechnung. Darauf zahlte die Klägerin 10.000 €; den Rest zahlte die Beklagte direkt an das ausführende Unternehmen. Im Übrigen haben beide Streitparteien erstinstanzlich zum genauen Umfang der übrigen Arbeiten keine konkreten Angaben gemacht.Randnummer6

In einer Email vom 18.03.2016 schrieb die Beklagte im Zusammenhang mit einem „Angebot … Haus“ an ihren damaligen Lebensgefährten (u.a.):Randnummer7

„Über welches Bauvorhaben willst du das machen? Privat sind wir bruttozahler und Firma ist Nettozahler. Ruf mich dazu an.“Randnummer8

In einer Email vom 19.05.2016 schrieb die Beklagte an ihren damaligen Lebensgefährten:Randnummer9

„Weiterhin muss noch für getätigte Arbeiten am Haus eine Rechnung von Projektentwicklungen an uns gestellt werden, für Gewerk, Fenster, Innenputz, Außenputz etc. Kümmere mich drum.“Randnummer10

Seit dem 15.09.2016 bewohnt die Beklagte das Haus.Randnummer11

Es existiert eine an die Beklagte und ihren Lebensgefährten gerichtete „Schlussrechnung“ der Klägerin vom 01.09.2016 über einen Betrag von insgesamt brutto 259.420,00 €. In der Rechnung werden Bauleistungen aufgeführt, die ausweislich der Rechnung das „Bauvorhaben Sanierung …haus, L…-Alle …, … …“ betreffen. Als Leistungszeitraum wird in der Rechnung Mai 2015 bis August 2016 angegeben. Folgende Bauleistungen werden in der Rechnung jeweils mit der Angabe „pauschal“ mit Nettobeträgen aufgeführt:Randnummer12

Titel 1Rohbauarbeiten20.000 €
Titel 2Trockenbauarbeiten20.000 €
Titel 3Elektroinstallation6.000 €
Titel 4Heizungs- und Sanitärinstallation10.000 €
Titel 5Estrich6.000 €
Titel 6Tischlerarbeiten65.000 €
Titel 7Malerarbeiten30.000 €
Titel 8Fassadenarbeiten30.000 €
Titel 9Parkettlegearbeiten24.000 €
Titel 10Fliesenlegerarbeiten7.000 €

Randnummer13

Die Beklagte legte diese Rechnung der Commerzbank mit Email vom 26.10.2017 als Verwendungsnachweis vor. Mit Email vom 30.11.2017 reichte die Beklagte eine Kostenaufstellung bei der Commerzbank ein, in der (auch) die in der Rechnung aufgeführten Positionen nochmals enthalten waren.Randnummer14

Eine Zahlung der Beklagten auf die Rechnung erfolgte nicht. Die Beklagte hat im Verlauf des Verfahrens zunächst verschiedene Zahlungen behauptet, von denen die Klägerin jedoch darlegen konnte, dass diese nicht auf die streitgegenständliche Rechnung erfolgten. Dem ist die Beklagte dann nicht mehr entgegen getreten.Randnummer15

Mit Vertrag vom 12.02.2018 gewährte die Beklagte der Klägerin ein Darlehen von 145.000 €. Die Auszahlung erfolgte in mehreren Teilbeträgen in der Zeit vom 15.02.2018 bis 22.03.2018. Der Vertrag enthält die folgende Passage:Randnummer16

„Das Darlehen ist mit einem Zinssatz von 1,95% p.a. zu verzinsen. Die Zinsen werden am Jahresende dem jeweiligen Darlehensstand hinzugeschlagen. Das Darlehen ist in voller Höhe bis zum 31.12.2020 zurückzuzahlen. Vorzeitige Tilgungen sind möglich.“Randnummer17

Auf das Darlehen erfolgten bisher Rückzahlungen von insgesamt 101.500 €, so dass das Darlehen erstinstanzlich noch mit 43.500 € valutierte.Randnummer18

In einem anderen Verfahren vor dem Landgericht Potsdam (Az. 52 O 25/21) trug die Beklagte (als dortige Klägerin) mit Anwaltsschriftsatz vom 19.04.2021 folgendes vor:Randnummer19

„Richtig ist, dass die Klägerin gemeinsam mit Herrn R… L… ihr Haus in der L…-Allee … in … … saniert hat. In Zeiten, in denen sie Geschäftsführerin der Beklagten war, befand sich in den Geschäftsunterlagen auch ein Vertrag zwischen ihr und der Beklagten, auf den sie Zahlungen geleistet hat.“Randnummer20

In einem das Grundstück L…-Allee … betreffenden Zwangsversteigerungsverfahren behauptete die Beklagte in einem Anwaltsschriftsatz vom 22.04.2021 einen Verkehrswert des Grundstücks von mindesten 2 Mio. €.Randnummer21

In dem Verfahren 4 W 32/21 vor dem Brandenburgischen Oberlandesgericht erklärte die Beklagte im Rahmen einer eidesstattlichen Versicherung (u.a.):Randnummer22

„Richtig ist, dass ich gemeinsam mit Herrn R… L… ein Haus in der L…-Allee … in … … saniert habe. In dem Zusammenhang hat die P… GmbH an meinem Haus auch (Teil-)Leistungen erbracht. Ich habe jedoch auch 173.577,36 € an die P… GmbH überwiesen bzw. auf deren Weisungen Rechnungen Dritter bezahlt.“Randnummer23

Die Klägerin hat mit der vorliegenden Klage von der Beklagten Zahlung in Höhe des Betrages verlangt, der sich aus der Rechnung vom 01.09.2016 ergibt (259.420 €). Sie hat zunächst einen Anspruch aus § 43 Abs. 2 GmbHG geltend gemacht, mit der Begründung, die Beklagte habe die aus der Rechnung ersichtliche Forderung verjähren lassen. Sie ist der Auffassung, dass die Beklagte durch die Vorlage der Rechnung bei der Commerzbank zum Ausdruck gebracht habe, dass die darin abgerechneten Arbeiten auch tatsächlich ausgeführt worden seien. Sie könne sich nicht darauf berufen, sich nicht mehr an die Rechnung zu erinnern. Vielmehr obliege ihr angesichts der Rechnung eine „sekundäre Darlegungs- und Beweislast“ im Hinblick auf den Umfang der von der Klägerin geleisteten Sanierungsarbeiten. Mit Schriftsatz vom 09.09.2021 hat die Klägerin die Klage derart umgestellt, dass sie in erster Linie den sich aus der Rechnung ergebenden Werklohnanspruch geltend mache. Sofern die Beklagte sich auf Verjährung berufe, sei dies treuwidrig. Erst in zweiter Linie werde der Anspruch als Schadenersatz auf § 43 Abs. 2 GmbHG gestützt.Randnummer24

Die Beklagte hat behauptet, die Klägerin habe weder Rohbauarbeiten noch Installationsarbeiten (Elektrik, Heizung, Lüftung, Sanitär) ausgeführt. Die von der Klägerin ausgeführten Arbeiten seien „größtenteils nicht vollständig fertig gestellt“ und diese seien „auch in nicht unerheblichem Umfang mangelhaft“.Randnummer25

Das Landgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, dass die Klägerin einen Rechtsgrund für die Klageforderung nicht schlüssig dargelegt habe. Es sei nicht vorgetragen, dass die in der Rechnung aufgeführten Arbeiten tatsächlich vereinbart und durchgeführt worden seien. Selbst wenn man den Vortrag der Klägerin so verstehen wollte, das ein Werkvertrag über die in der Rechnung vom 01.09.2016 abgerechneten Leistungen geschlossen und die Arbeiten erbracht worden seien, ließe sich nicht feststellen, dass die in Rechnung gestellte Werklohnforderung fällig sei. Denn die Klägerin habe nicht dargelegt, dass die Leistungen ausdrücklich oder konkludent abgenommen worden seien. Die Vorlage der Rechnung bei der Commerzbank sei nach objektivem Empfängerhorizont schon nicht als Erklärung gegenüber der Klägerin zu verstehen, und demnach auch nicht als ein selbständiges Schuldanerkenntnis im Sinne des § 781 BGB anzusehen. Es mangele zudem auch an der Schriftform. Es bestehe kein Anspruch wegen der Zahlung von 10.000 € an die Firma E… Energien GmbH. Weder sei eine entsprechende Vereinbarung vorgetragen worden, noch könne von einer rechtsgrundlosen Leistung ausgegangen werden, da eine Anrechnung auf das unstreitig noch valutierende Darlehen der Beklagten in Betracht komme. Da schon kein Schaden feststellbar sei, komme auch ein Anspruch aus § 43 Abs. 2 GmbHG nicht in Betracht. Wegen der weiteren tatsächlichen Feststellungen wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen, § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO.Randnummer26

Mit der Berufung verfolgt die Klägerin die Zahlungsklage weiter, wobei sie einen Teil von 43.500 € (einseitig) für erledigt erklärt hat, nachdem sie diesen Teil der Klageforderung mit der Darlehensrestforderung der Beklagten aufgerechnet hat. Das Landgericht habe die Grundsätze der „sekundären Darlegungs- und Beweislast“ nicht beachtet. Angesichts der unstreitigen Umstände hätte es der Beklagten oblegen vorzutragen, welche konkreten vertraglichen Vereinbarungen zwischen den Streitparteien über die Sanierungsmaßnahmen getroffen und welche Arbeiten konkret ausgeführt worden seien. Die Klägerin habe keine eigenen Kenntnisse und Unterlagen über die Vorkommnisse und könne deshalb nichts weiter dazu vortragen. Das Landgericht hätte der Beklagten deshalb auch gemäß § 142 Abs. 1 ZPO aufgeben müssen, die Vertragsurkunde vorzulegen. Das Landgericht habe auch die Vorlage der Rechnung bei der Commerzbank unzutreffend gewürdigt. Dies sei jedenfalls ein starkes Indiz dafür, dass die Arbeiten tatsächlich, wie in der Rechnung dargestellt, ausgeführt worden seien. Die Behauptung der Beklagten, sich nicht mehr an die Rechnung zu erinnern, sei nicht glaubhaft. Die Beklagte hätte die durchgeführten Arbeiten als Geschäftsführerin dokumentieren müssen. Jedenfalls in Bezug auf die Rechnung der Firma E… hätte eine Verurteilung erfolgen müssen. Denn durch die Rechnung sei die Leistungserbringung am Haus der Beklagten nachgewiesen und die Zahlung der Klägerin auf diese Rechnung unstreitig. Die Werklohnforderung sei auch fällig, da durch den Einzug der Beklagten in das Haus von einer konkludenten Abnahme auszugehen sei.Randnummer27

Erstmals mit Schriftsatz vom 23.09.2022 hat die Klägerin eine Rechnung der Tischlerei M… B… vom 25.11.2015 über netto 11.000 € vorgelegt und dazu behauptet, die (an die Klägerin gerichtete) Rechnung weise Tischlerleistungen für das Holzgesims am Haus der Beklagten aus. Den Rechnungsbetrag habe die Klägerin gezahlt. Weiter hat die Klägerin eine Rechnung der F… Stuck und Putz GmbH vom 30.09.2016 über netto 28.963,75 € für Fassadenarbeiten vorgelegt und dazu behauptet, diese (an die Klägerin gerichtete) Rechnung weise Fassadenarbeiten am Haus der Beklagten aus. Diese Rechnung sei von der Klägerin auf Veranlassung der Beklagten gezahlt worden.Randnummer28

Die Klägerin beantragt,Randnummer29

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Potsdam vom 19.11.2021, Az. 51 O 82/21, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 215.920,00 € nebst Zinsen in Höhe von acht Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.01.2020 zu zahlen,Randnummer30

im Übrigen, d.h. in Höhe von 43.500,00 €, festzustellen, dass sich der Rechtsstreit erledigt hat.Randnummer31

Die Beklagte beantragt,Randnummer32

die Berufung zurückzuweisen.Randnummer33

Sie verteidigt das angefochtene Urteil und beruft sich auf Verjährung. Die streitgegenständliche Rechnung sei nicht in der Buchführung der Klägerin erfasst worden; eine Rechnung mit derselben Rechnungsnummer betreffe einen anderen Schuldner und andere Leistungen. An der Sanierung seien auch keine eigenen Mitarbeiter der Klägerin beteiligt gewesen; vielmehr seien die Arbeiten nur von Drittunternehmen ausgeführt worden. Wenn die Klägerin Leistungen erbracht hätte, wäre dies anhand der Buchführungsunterlagen nachzuweisen, die die Klägerin vorlegen könnte. Die Beklagte sei nicht verpflichtet mitzuteilen, wer die Arbeiten tatsächlich ausgeführt habe. Die Sanierung sei bis heute nicht abgeschlossen. Die Email vom 16.05.2016 betreffe nicht das später aufgenommene Darlehen bei der Commerzbank von 200.000 €, sondern die Umschuldung der 600.000 €. Sie legt einen Darlehensvertrag mit der Commerzbank aus dem Jahr 2018 über eine Darlehenssumme von 200.000 € vor, in dem als Verwendungszweck angegeben ist:Randnummer34

„Rückführung Gesellschafterdarlehen über insgesamt 200.000 €, Darlehensgeber: G… Projektentwicklungen GmbH“.Randnummer35

Die Beklagte habe auch nicht erklärt, dass die von ihr geleisteten Zahlungen auf Leistungen der Klägerin erfolgt seien. M… G… sei bei den Verhandlungen und der Ausführung der Sanierungsarbeiten eingebunden gewesen. Ihm sei bekannt, dass eine direkte Abrechnung der Gewerke erfolgt sei. Im Hinblick auf die Zahlung der Klägerin an die Firma E… von 10.000 € tritt die Beklagte der Aufrechnung mit der eigenen Darlehensforderung nicht entgegen. Dem Sachvortrag zu Tischler- und Fassadenarbeiten tritt die Beklagte lediglich mit dem Einwand entgegen, der neue Sachvortrag sei nicht zulassungsfähig.

II.

Die zulässige Berufung hat den aus dem Tenor ersichtlichen Erfolg.Randnummer37

Die Klägerin hat gegen die Beklagten einen Anspruch auf Zahlung von 6.463,75 €. Ein darüber hinausgehender Anspruch von 43.500 € ist durch Aufrechnung mit der unstreitig bestehenden Darlehensforderung der Beklagten erloschen; insoweit war die Erledigung des Rechtsstreits festzustellen. Ein weitergehender Anspruch der Klägerin besteht indes nicht.

1.

Soweit der Anspruch begründet ist, folgt dieser dem Grunde nach aus § 43 Abs. 2 GmbHG i.V.m. § 812 Abs. 1 S. 1 BGB, da es die Beklagte als Geschäftsführerin der Klägerin pflichtwidrig Unterlassen hatte, fällige Forderungen der Klägerin gegen die Beklagte beizutreiben. Die Forderungen ergeben sich aus dem Umstand, dass die Klägerin Zahlungen von insgesamt 49.963,75 € an Drittunternehmen für Werkleistungen am Haus der Beklagten getätigt hatte. Diese Zahlungen bzw. Leistungen erfolgten im Verhältnis der Streitparteien zueinander rechtsgrundlos, so dass der Klägerin gegen die Beklagte eine Forderung aus § 812 Abs. 1 S. 1 BGB zustand. Das Unterlassen der Beitreibung derartiger Forderungen ist als Pflichtverletzung der Beklagten anzusehen, die als Geschäftsführerin treuhänderische Verwalterin des Vermögens der Klägerin ist.Randnummer39

Der Anspruch scheitert nicht daran, dass nach dem Vortrag der Beklagten alle Gesellschafter der Klägerin „mit den Umständen der Sanierung einverstanden“ gewesen seien. Zwar liegt keine Pflichtverletzung nach § 43 Abs. 2 BGB vor, wenn sämtliche Gesellschafter mit dem Handeln des Geschäftsführers einverstanden sind (Scholz/Verse, GmbHG, 12. Aufl., § 43 Rn. 265 f. m.w.N.). Für die Annahme eines derartigen Einverständnisses genügt es jedoch hier nicht vorzutragen, dass der Vater der Beklagten mit den Umständen der Sanierung einverstanden gewesen sei. Maßgeblich ist vielmehr, ob (auch) der Mehrheitsgesellschafter damit einverstanden war, dass die Klägerin die Kosten der in Rede stehenden Werkleistungen dauerhaft übernimmt, d.h. dass die Klägerin auf Zahlungsansprüche gegen die Beklagte verzichtet. Dazu verhält sich der Sachvortrag der Beklagten nicht.

a)

Unstreitig zahlte die Klägerin für Heizungs- und Sanitärleistungen sowie Tischler- und Fassadenarbeiten, die am Haus der Beklagten erbracht worden waren, Beträge von 10.000 €, 11.000 € bzw. 28.963,75 €, insgesamt 49.963,75 €. Die entsprechenden Rechnungen waren zwar an die Klägerin gestellt, die zugrundeliegenden Werkleistungen erfolgten jedoch unstreitig am Haus der Beklagten. Da sowohl Leistungserbringung zugunsten der Beklagten als auch die Zahlungen der Klägerin unstreitig sind, ist ein Novenausschluss nach § 531 Abs. 2 ZPO hier nicht zu erörtern.Randnummer41

Die Klägerin ist auch nicht wegen § 533 ZPO prozessual daran gehindert, ihren Anspruch auf die erst in der Berufungsinstanz vorgelegten Rechnungen zu stützen. Denn es handelt sich – soweit der Anspruch auf § 43 Abs. 2 GmbHG gestützt wird – wegen § 264 Nr. 1 ZPO schon nicht um eine Klageänderung, da dieser Anspruch bereits erstinstanzlich ausdrücklich streitgegenständlich war; auch wenn die Klägerin ihren Anspruch zwischenzeitlich primär als Werklohnanspruch und danach wieder als Schadenersatzanspruch geltend gemacht hat. Die Klägerin hat sowohl durch die Angabe der Klageforderung als auch durch die Vorlage der Rechnung vom 01.09.2016 deutlich gemacht, dass jedenfalls die in der Rechnung aufgeführten Leistungen am Haus der Beklagten streitgegenständlich sein sollen. Dabei begründet die Frage, ob derartige Leistungen von der Klägerin erbracht wurden oder diese nur von der Klägerin an die leistenden Drittunternehmer bezahlt wurde, keinen maßgeblichen Unterschied für den Streitgegenstand. Auf welche materiellen subjektiven Rechte sich die Klägerin stützt (§ 631 BGB, § 812 BGB oder § 43 Abs. 2 GmbHG) braucht sie schon nicht vorzutragen, so dass diese Unterscheidung für den Streitgegenstand nicht von Belang ist (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 34. Aufl, Einleitung Rn. 71 m.w.N.). Im Übrigen wäre eine entsprechende Klageänderung aber auch sachdienlich, da diese geeignet erscheint, einem weiteren Rechtsstreit vorzubeugen, und der Senat auf der Grundlage des bisherigen Sach- und Streitstandes entscheiden kann.

b)

Ein Rechtsgrund dafür, dass die Klägerin den Werklohn oder die Werkleistung im Verhältnis zur Beklagten übernommen hat, ist nicht ersichtlich.Randnummer43

Insbesondere war ein Werkvertrag über die entsprechenden Werkleistungen zwischen den Streitparteien nicht zustande gekommen. Mit zutreffenden Erwägungen ist schon das Landgericht zu dem Ergebnis gekommen, dass die Vorlage der Rechnung vom 01.09.2016 bei der finanzierenden Bank keine Erklärung der Beklagten gegenüber der Klägerin darstellt, so dass daraus keine auf einen Vertragsschluss mit der Klägerin gerichtete Willenserklärung erblickt werden kann. Gleiches gilt für die Einlassung der Beklagten gegenüber der Staatsanwaltschaft Potsdam vom 02.08.2021 in dem gegen sie geführten Ermittlungsverfahren (Az. 466 Js 16151/21), in der sie bestimmte Leistungen der Klägerin bezeichnet und zugleich deren Ausgleich gegenüber der Klägerin behauptet hat. Im Übrigen trifft den Beschuldigten im Strafverfahren schon keine Wahrheitspflicht, so dass einer entsprechenden Einlassung nur sehr begrenzt eine indizielle Wirkung zugesprochen werden kann.Randnummer44

Die Klägerin selbst hat weder den Abschluss eines Werkvertrags zwischen den Streitparteien noch die Durchführung entsprechender Werkleistungen durch die Klägerin konkret behauptet. Die Klägerin trägt insbesondere keinen Vertragsschluss vor und hat auch nicht behauptet, dass die in ihrer Rechnung vom 01.09.2016 aufgeführten Leistungen tatsächlich durch die Klägerin (ggf. durch Subunternehmer) erbracht worden seien. Der Sachvortrag der Klägerin war auch nicht dahingehend (ergänzend) auszulegen, nachdem das Landgericht auf das Fehlen entsprechenden Sachvortrags ausdrücklich, zuletzt im angefochtenen Urteil, hingewiesen hatte. Der Klägerin verhilft auch nicht zum Erfolg, soweit sie sich die Einlassung der Beklagten gegenüber der Staatsanwaltschaft Potsdam (s.o.) (hilfsweise) zu eigen macht. Ein Vertragsschluss lässt sich daraus aus den bereits dargelegten Gründen (s.o.) nicht ableiten. Im Übrigen stimmt die Einlassung der Beklagten zu vermeintlich erbrachten Leistungen teilweise nicht mit dem Sachvortrag der Klägerin zu erbrachten Leistungen überein. So behauptet die Klägerin im vorliegenden Verfahren substantiiert die Erbringung von Heizungs- und Sanitärarbeiten von rund 20.000 € und von Fassadenarbeiten von rund 29.000 €, während sich aus der Einlassung der Beklagten entsprechende Beträge von lediglich 10.000 € bzw. 18.000 € ergeben. Die Einlassung der Beklagten lassen sich daher nicht widerspruchsfrei mit dem übrigen Sachvortrag der Klägerin in Übereinstimmung bringen; der Senat ist nicht befugt, diese Widersprüche nach eigenem Gutdünken aufzulösen.Randnummer45

Im Übrigen liegt es hier nahe anzunehmen, dass Rechnungen von Drittunternehmern nur aus (umsatz)steuerlichen Gründen über die Klägerin abgerechnet wurden, um die nur der Klägerin mögliche Umsatzsteuerfreistellung nach § 13b Abs. 2 Nr. 4 UStG auszunutzen. Derartiges lässt sich jedenfalls aus der Email vom 18.03.2016 sowie aus dem Umstand schließen, dass die Rechnung vom 01.09.2016 (die Mehrwertsteuer in Höhe von 41.420 € ausweist) nach dem unbestritten gebliebenen Vortrag der Beklagten „nicht in die Buchführung der Klägerin aufgenommen“ wurde. Läge der Rechnung vom 01.09.2016 eine echte Leistungsbeziehung zugrunde, wäre die darin ausgewiesene Umsatzsteuer unabhängig davon fällig, ob der Rechnungsbetrag gezahlt worden ist. Eine solche Konstruktion begründet jedoch – ungeachtet ihrer Nichtigkeit nach § 134 BGB i.V.m. § 370 AO – kein Vertragsverhältnis zwischen den Streitparteien.Randnummer46

Die Auffassung der Klägerin, ihr sei entsprechender Sachvortrag mangels eigener Kenntnis nicht möglich, ist unzutreffend. Sie wäre tatsächlich nicht gehindert gewesen, das Zustandekommen des Werkvertrages und die Erbringung der Leistungen zu behaupten. Denn soweit die Klägerin keine eigenen Wahrnehmungen zum Vertragsschluss und der Leistungserbringung gemacht hat (und diese Informationen sich auch nicht aus Unterlagen der Klägerin ergeben), wäre sie nicht gehindert, die ihr insoweit möglichen erscheinenden Tatsachen zu behaupten, da § 138 Abs. 1 ZPO nur die (bewusste) Lüge verbietet (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 34. Aufl, § 138 Rn. 1 m.w.N.). Dabei kann dahingestellt bleiben, in welchem Umfang eine Wissenszurechnung hier über den Mehrheitsgesellschafter der Klägerin möglich gewesen wäre (vgl. OLG Celle, NJW-RR 1997, 290).Randnummer47

Die Beklagte war auch nicht verpflichtet, zu etwaig erbrachten Leistungen vorzutragen. Denn wenn der Sachvortrag der Klägerin schon keinen Schluss auf die geltend gemachte Rechtsfolge zulässt, muss dieser nicht weiter bestritten werden; bei lediglich pauschalem Vorbringen genügt schlichtes Bestreiten (vgl. MükoZPO/Fritsche, 6. Aufl., § 138 Rn. 18). Zwar kann eine sekundäre Darlegungslast zu bejahen sein, wenn die Beklagte alle wesentlichen Tatsachen kennt oder kennen muss und es ihr zumutbar ist, nähere Angaben zu machen (vgl. BGH, Urteil vom 14.06.2005, VI ZR 179/04, Rn. 18, juris). Die sekundäre Darlegungslast gilt jedoch grundsätzlich nur im Kontext des Bestreitens nach § 138 Abs. 2, 3 ZPO und setzt einen schlüssigen Sachvortrag der Gegenseite voraus. Nichts anderes gilt im Hinblick auf eine von der Klägerin ins Feld geführte Verletzung der Dokumentationspflicht durch die Beklagte, die ihrerseits zunächst einmal von der Klägerin konkret darzulegen und ggf. zu beweisen wäre.Randnummer48

Auch im Kontext des § 43 Abs. 2 GmbHG stellt sich die Darlegungs- und Beweislast grundsätzlich nicht anders dar. Die Gesellschaft trägt die Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich des Verhaltens – aktives Tun oder Unterlassen – des Geschäftsführers in seinem Pflichtenkreis, das sich als „möglicherweise“ pflichtwidrig darstellt, hinsichtlich des Eintritts und Höhe des entstandenen Schadens sowie hinsichtlich der Kausalität zwischen dem Verhalten des Geschäftsführers und dem Schaden (vgl. Scholz/Verse, GmbHG, 12. Aufl. 2018 ff., § 43 GmbHG m.w.N.).Randnummer49

Das (pauschale) Bestreiten der Beklagten war hier auch nicht wegen Widersprüchlichkeit oder wegen eines Verstoßes gegen die Wahrheitspflicht unbeachtlich. Die Behauptung der Beklagten im Verfahren 52 O 25/21 vor dem Landgericht Potsdam, wonach ein Vertrag zwischen ihr und der Klägerin existierte, auf den die Beklagte Zahlungen geleistet habe, lässt offen, welcher Vertrag (Werk- oder Darlehensvertrag) gemeint ist. Dabei verkennt der Senat nicht, dass der vorhergehende Satz den Eindruck erweckt, dass der nachfolgende Satz einen Werkvertrag meint. Dies wird aber – möglicherweise bewusst – offen gelassen. Entsprechendes gilt für den ähnlichen Vortrag der Beklagten in dem Verfahren 4 W 32/21 vor dem Senat.

Auch der Antrag der Klägerin auf Urkundenvorlage nach § 142 Abs. 1 ZPO ersetzt schlüssigen Sachvortrag nicht. Es steht schon nicht fest, dass eine Urkunde über einen Werkvertrag zwischen den Vertragsparteien existiert und eine solche sich im Besitz der Beklagten befindet. Zudem darf die Anordnung der Urkundenvorlage nicht mit dem Ziel ergehen, die Klage erst durch den Inhalt der Urkunde schlüssig zu machen (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 34. Aufl., § 142 Rn. 1, 2, 6).

c)

Nachdem die Zahlungen rechtsgrundlos erfolgten, folgt der ursprüngliche Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 oder 2 BGB. Dabei kann dahinstehen, ob die mit den Drittunternehmen geschlossenen Werkverträge, die Grundlage für die am Haus der Beklagten erbrachten Leistungen waren, mit der Klägerin oder der Beklagten als Besteller abgeschlossen worden waren. Im ersten Fall ergibt sich im Dreiecksverhältnis Klägerin–Werkunternehmer-Beklagte eine Nichtleistungskondiktion im Valutaverhältnis Klägerin-Beklagte (vgl. Grüneberg/Sprau, § 812 Rn. 57). Im zweiten Fall hätte die Klägerin eine Verbindlichkeit der Beklagten ohne Rechtsgrund beglichen, so dass in diesem Verhältnis eine Leistungskondiktion im Sinne des § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB gegeben wäre.

d)

Der Zahlungsanspruch der Klägerin ist in Höhe von 43.500 € gemäß § 389 BGB durch die in der Berufungsbegründung erklärte Aufrechnung mit dem Rückzahlungsanspruch aus dem im Februar 2018 abgeschlossenen Darlehnsvertrag erloschen. Die Aufrechnung scheitert nicht an einer Verjährung (s.u.), wäre aber auch im Übrigen wegen § 215 BGB wirksam. Der Rückzahlungsanspruch aus dem Darlehensvertrag war zwar erst ab dem 31.12.2020 fällig. Aufgrund der vertraglich vereinbarten jederzeitigen Erfüllbarkeit dieses Anspruches hätte die Klägerin diese Leistung jedoch schon zu unverjährter Zeit „bewirken“ können im Sinne des § 387 BGB (vgl. Grüneberg § 387 Rn. 12 m.w.N.).Randnummer53

Im Umfang der Aufrechnung ist die Erledigung des Rechtsstreits festzustellen.

e)

Der Zahlungsanspruch ist (insgesamt) nicht verjährt. Die Verjährung eines Anspruchs aus § 43 Abs. 2 GmbHG, der auf die unterlassene Durchsetzung eines (Haupt-)Anspruchs gestützt wird, beginnt grundsätzlich erst mit der Verjährung des Hauptanspruchs (vgl. Scholz/Verse, GmbHG, 12. Aufl., § 43 Rn. 413 ff. m.w.N.). Die hier in Rede stehenden Hauptansprüche sind frühestens im Jahr 2015 entstanden und konnten demnach frühestens mit Ablauf des Jahres 2018 verjähren, § 195 BGB. Demnach ist der Anspruch aus § 43 Abs. 2 GmbHG, dessen Verjährungsfrist gemäß § 43 Abs. 4 GmbHG fünf Jahre beträgt, hier unproblematisch noch nicht verjährt, nachdem die im April 2021 zugestellte Klage den Lauf der Verjährung gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB rechtzeitig gehemmt hat.

2.

Weitergehende Ansprüche stehen der Klägerin in der Hauptsache nicht zu.Randnummer56

Werkvertragliche Ansprüche der Klägerin gegenüber der Beklagten scheitern bereits am Fehlen einer vertraglichen Vereinbarung. Weitere (über das Erörterte hinausgehende) bereicherungsrechtliche Ansprüche lassen sich mangels substantiierten Sachvortrags zu gewährten Leistungen ebensowenig feststellen. Schadenersatzansprüche nach § 43 Abs. 2 GmbHG wegen pflichtwidrigen Verjährenlassens setzen das Bestehen entsprechender (verjährter) Hauptforderungen voraus, die hier jedoch nicht gegeben sind. Aus der Verletzung etwaiger Organisations- oder Dokumentationspflichten schließlich ließe sich nur dann ein Schadenersatzanspruch ableiten, wenn der Umfang der Verletzung der Pflicht und die Schadenskausalität feststünde, was hier nicht der Fall ist.

3.

Der Zinsanspruch folgt aus §§ 291, 288 Abs. 1 BGB, da die Beklagte im Verhältnis zur Klägerin als Verbraucherin im Sinne des § 13 BGB anzusehen ist (vgl. Grüneberg/Ellenberger, BGB, § 13 Rn. 3 m.w.N.).Randnummer58

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97, 92 Abs. 1 ZPO.Randnummer59

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.Randnummer60

Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich.

Löffler I www.K1.de I www.gesellschaftsrechtskanzlei.com I Gesellschaftsrecht I GmbHRecht I Erfurt I Thüringen I Sachsen I Sachsen-Anhalt I Hessen I Deutschland 2023

Schlagworte: Check Geschäftsführerhaftung, Geschäftsführerhaftung, Geschäftsführerhaftung bei GmbH, Geschäftsführerhaftung GmbH, GmbH-Geschäftsführerhaftung, GmbHG § 43, Haftung Geschäftsführer, Haftung Geschäftsführer einer GmbH, Haftung Geschäftsführer GmbH Privatvermögen, Haftung Geschäftsführer und Haftung Vorstand, Haftung nach § 43 Abs. 2 GmbHG, Haftung nach § 43 GmbHG, Haftung wegen Verletzung der Sorgfaltspflicht gemäß § 43 Abs. 1 GmbHG, Hinweis zur Geschäftsführerhaftung, Pflichtverletzung nach § 43 Abs. 2 GmbHG

Veröffentlicht in OLG Brandenburg | Kommentare geschlossen

OLG Brandenburg, Beschluss vom 29.08.2022 – 7 W 87/22

Montag, 29. August 2022

Gesellschafterliste

§ 16 Abs 3 S 3 GmbHG, § 16 Abs 3 S 4 GmbHG, § 40 GmbHG

1. Eine in das Handelsregister aufgenommene Gesellschafterliste darf nicht entfernt oder herausgenommen werden, wenn sie sich teilweise oder in allen ihren Verlautbarungen als von Anfang an oder nachträglich unrichtig erweist.

2. Wer die Unrichtigkeit einer zum Register aufgenommenen Gesellschafterliste geltend machen will, muss die Zuordnung eines Widerspruchs erwirken.

3. Wer die zutreffende Beteiligung an der Gesellschaft verlautbart wissen will, muss auf das Einreichen einer zutreffenden Liste hinwirken.

Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Amtsgerichts Potsdam vom 5. Juli 2022 wird zurückgewiesen.

Gründe

Die Beschwerde ist unbegründet.Randnummer2

Der Antrag, eine Liste der GesellschafterBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Gesellschafter
Liste der Gesellschafter
aus dem Registerordner herauszunehmen, richtet sich ebenso auf eine im Gesetz nicht vorgesehene Rechtsfolge wie die zugleich hilfsweise vorgetragene Anregung auf Amtslöschung.Randnummer3

Eine in das Handelsregister aufgenommene Gesellschafterliste (§ 40 GmbHG) darf nicht entfernt oder herausgenommen werden, wenn sie sich teilweise oder in allen ihren Verlautbarungen als von Anfang an oder nachträglich unrichtig erweist. Eine solche Amtshandlung des Registergerichts sieht das Verfahrensrecht nicht vor. Die hilfsweise vom Antragsteller in Betracht gezogene Löschung ist für genau bezeichnete Eintragungen in das Handelsregister geregelt (§§ 393 ff. FamFG). Die Liste oder ihre Einreichung oder ihre Aufnahme in das Register werden indes nicht in das Register eingetragen.Randnummer4

Wer die Unrichtigkeit einer zum Register aufgenommenen Gesellschafterliste geltend machen will, um den guten Glauben an ihren Inhalt zu erschüttern, muss die Zuordnung eines Widerspruchs erwirken (§ 16 III 3, 4 GmbHG).Randnummer5

Der Zuordnung des Widerspruchs zu der Liste zeigt, sie werde ganz oder teilweise für unrichtig gehalten, und für diese Auffassung spreche entweder die Bewilligung desjenigen, dessen Berechtigung mit Zweifeln belegt wird, oder die Prüfung durch ein Gericht, das Verfügungsgrund und -anspruch für gegeben gehalten hat. Das Register, dem die Liste und die Abfolge von Widersprüchen und Aufhebungen von Widersprüchen zu entnehmen ist, verlautbart die Verhältnisse der Gesellschaft und ihrer Gesellschafter vollständiger und zutreffender, als ein Entfernen einer zum Register aufgenommenen Liste. Dass Unsicherheit oder Streit um die Anteile an der Gesellschaft besteht, wäre dem Register dann nicht zu entnehmen. Lückenlose Transparenz wird nur gewährleistet, wenn dem Register auf Dauer entnommen werden kann, dass und in welchem Zeitraum ein Widerspruch zur Liste zugeordnet war.Randnummer6

Wer die zutreffende Beteiligung an der Gesellschaft verlautbart wissen will, muss auf das Einreichen einer zutreffenden Liste hinwirken (vgl. Michalski-Ebbing, GmbHG, 3. Aufl. 2017, § 16 Rdnr. 109; Scholz-Seibt, GmbHG, 12. Aufl. 2018, § 16 Rdnr. 88, § 40 Rdnr. 67). Nur durch Aufnahme einer neuen, inhaltlich richtigen Liste lässt sich eine falsche Liste korrigieren (vgl. MüKo-GmbH-Heidinger, 3. Aufl. 2019, § 40 Rdnr. 362 f.; Scholz-Seibt, § 40 Rdnr. 66).Randnummer7

Einer Kostenentscheidung und einer Wertfestsetzung bedarf es nicht, weil die Gebühr nach zurückgewiesener Beschwerde ohne Kostengrundentscheidung entsteht und sich nicht nach einem Wert richtet (Nr. 19112 KV-GNotKG).Randnummer8

Anlass, die Rechtsbeschwerde zuzulassen (§ 70 II FamFG), besteht nicht.

Löffler I www.K1.de I Gesellschaftsrecht I Gesellschafterversammlung I M&A I Unternehmenskauf I Erfurt I Thüringen I Sachsen I Sachsen-Anhalt I Hessen I Deutschland 2022

Schlagworte: Angaben in der Gesellschafterliste, Befugnis zur Einreichung der Gesellschafterliste, Bei inhaltlichen Fehlern der Gesellschafterliste, Einreichung einer neuen Gesellschafterliste zur Aufnahme in das Handelsregister, Einreichungspflicht einer geänderten Gesellschafterliste durch Geschäftsführer, Einstweiliger Rechtsschutz auf Änderung der Gesellschafterliste, Einstweiliger Rechtsschutz und Gesellschafterliste, Formelle Legitimationswirkung des § 16 Abs. 1 GmbHG, Gesellschafterliste, Gesellschafterliste bei Ausschlussvorgängen, Gesellschafterliste bei Übertragungsvorgängen, Gesellschafterliste Gesellschafterlisten, Gesellschafterlisten, GmbhG § 16, GmbhG § 16 Abs. 1, GmbHG 16, Korrektur der Gesellschafterliste, Legitimationswirkung der Gesellschafterliste, Liste der Gesellschafter, Nach Veröffentlichung der geänderten Gesellschafterliste im Handelsregister – Listenkorrektur, negative Legitimationswirkung des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG, Rechtsscheinwirkung der Gesellschafterliste, Sämtliche Gesellschafter im Sinne des § 16 Abs. 1 GmbHG, Veränderungen der Gesellschafterliste mit Rechtsnachfolge

Veröffentlicht in OLG Brandenburg | Kommentare geschlossen

OLG Brandenburg, Urteil vom 29.06.2022 – 4 U 214/21 

Mittwoch, 29. Juni 2022

§ 30 Abs 1 S 1 GmbHG, § 34 Abs 3 GmbHG, § 42 HGB, § 246 HGB, §§ 246ff HGB, § 266 HGB, §§ 266ff HGB, § 241 Nr 3 AktG          

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 1. Kammer für Handelssachen vom 24.09.2021 teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

1. Es wird festgestellt, dass der zu Tagesordnungspunkt 1 gefasste Beschluss der Gesellschafterversammlung der Beklagten vom 23.05.2018 über die Einziehung des GeschäftsanteilsBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Einziehung
Einziehung des Geschäftsanteils
Geschäftsanteils
des Gesellschafters T… K… nichtig ist.

2. Es wird festgestellt, dass der Kläger Gesellschafter der Beklagten ist.

3. Die Beklagte wird verurteilt, die aktuelle Gesellschafterliste entsprechend der Anlage zu diesem Urteil unverzüglich bei dem Amtsgericht Potsdam, Registergericht, zum Geschäftszeichen HRB … P zur Hereinnahme in den geführten Registerordner einzureichen.

Die weitergehende Klage wird abgewiesen, die Berufung im Übrigen zurückgewiesen.

Von den Kosten beider Instanzen haben der Kläger 5 % und die Beklagte 95 % zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.

Der Kläger und F… R… (im Folgenden: F… R. oder Mitgesellschafter) waren ausweislich der Gesellschafterliste vom 28.09.2012 zu gleichen Teilen als Gesellschafter der Beklagten eingetragen. Zwischen den Gesellschaftern besteht jedenfalls seit Ende 2017 Streit, der in diversen einstweiligen Verfügungsverfahren und Rechtsstreitigkeiten über mehrere Instanzen ausgetragen wurde und wird. So erhob F… R. Nichtigkeits- und AnfechtungsklageBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Anfechtungsklage
Nichtigkeits- und Anfechtungsklage
gegen die Beschlussfassungen der Gesellschafterversammlung vom 26.02.2018 und 01.03.2018, mit denen ihm sein Geschäftsanteil entzogen wurde, er als Geschäftsführer abberufen und der hiesige Kläger zum Geschäftsführer berufen wurde, der – rechtskräftig – stattgegeben wurde. Die in jenem Verfahren (52 O 75/18 bzw. 4 U 134/20) von F… R. überdies erhobene allgemeine Feststellungsklage gerichtet darauf festzustellen, dass der Beschluss der außerordentlichen Gesellschafterversammlung vom 23.05.2018, mit dem die Geschäftsanteile des hiesigen Klägers eingezogen worden sind, wirksam sei, ist in der Berufungsinstanz ohne Erfolg geblieben, eine Nichtzulassungsbeschwerde ist beim BGH (II ZR 102/21) anhängig.Randnummer2

Im Nachgang zu der vorgenannten Gesellschafterversammlung vom 23.05.2018 reichte F… R. am 19.06.2018 eine neue Gesellschafterliste ein, die nur noch ihn als Gesellschafter ausweist und am 02.07.2018 in den Registerordner eingestellt wurde.Randnummer3

Mit seiner am 18.06.2018 eingegangenen und am 19.07.2018 zugestellten Klage wendet sich der Kläger u.a. gegen in dieser außerordentlichen Gesellschafterversammlung vom 23.05.2018 gefasste Beschlüsse, mit denen sein Geschäftsanteil eingezogen (TOP 1) und das Steuerbüro (X) Steuerberatungsgesellschaft mit der Erstellung der Jahresabschlüsse für die Jahre 2015 bis 2017 und der entsprechenden Buchungen der Geschäftsvorfälle beauftragt wurde (TOP 2).Randnummer4

Er machte im Wesentlichen geltend, beide Beschlüsse seien unwirksam, weil sie infolge der bereits in der Gesellschafterversammlung vom 01.03.2018 erfolgten Einziehung der Geschäftsanteile des F… R. nicht mit der erforderlichen Stimmenmehrheit gefasst worden seien. Die Beschlüsse seien überdies deshalb nichtig, jedenfalls anfechtbar, da F… R. die Ladungsberechtigung gefehlt habe und die Gesellschafterversammlung an einem untauglichen Ort, nämlich – unstreitig – im Keller des Privathauses des Mitgesellschafters, und in Anwesenheit von 4 weiteren Personen stattgefunden hat. Der Kläger vertrat die Auffassung, bei einer Zwei-Personen-GmbH seien wechselseitige Einziehungsanträge unzulässig, in einem solchen Fall sei eine Auflösungsklage geboten. Ein wichtiger Grund für die Ausschließung des Klägers aus der Gesellschaft sei nicht vorgetragen. Jedenfalls seien F… R. selbst seine Ausschließung rechtfertigende Pflichtverletzungen vorzuwerfen mit der Folge, dass er die Ausschließung des Klägers nicht verlangen könne. Der Einziehungsbeschluss sei nichtig, weil die Beklagte zum Zeitpunkt der Beschlussfassung nicht in der Lage gewesen sei, die nach § 14 des Gesellschaftsvertrages geschuldete Einziehungsvergütung, die mit mindestens dem von der Beklagten ermittelten Betrag von 189.476,79 € anzusetzen sei, nicht aus ihrem freien Vermögen habe zahlen können; dies ergebe sich etwa aus den eine bilanzielle Überschuldung ausweisenden veröffentlichten Jahresabschlüssen der Beklagten für 2017 und 2018.Randnummer5

Die klageerweiternd für den Fall des Obsiegens mit dem Klageantrag zu 1 begehrte Verurteilung zur Einreichung einer geänderten Gesellschafterliste werde auf ein gesetzliches Schuldverhältnis gestützt; der Rechtsanspruch im Falle einer erforderlichen Änderung der Gesellschafterliste müsse (auch) gegenüber der Gesellschaft durchsetzbar sein.Randnummer6

Die – in erster Instanz durch F… R. als Geschäftsführer vertretene – Beklagte wandte gegen ihre Inanspruchnahme im Wesentlichen ein, der Klageantrag zu 1 sei wegen doppelter Rechtshängigkeit unzulässig. Ohnehin sei der Kläger nicht Gesellschafter geworden; die Anteilsübertragung mit notariellem Vertrag vom 28.09.2012 sei Sittenwidrig sowie wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot gemäß § 134 BGB nichtig; hilfsweise fechte sie diese gemäß § 123 BGB wegen arglistiger Täuschung an. Es habe auch ein wichtiger Grund für die Einziehung vorgelegen; das Vertrauensverhältnis zwischen den Gesellschaftern sei aufgrund der Vorgänge im Vorfeld und anlässlich der am 28.02. und 01.03.2018 abgehaltenen Gesellschafterversammlungen zerstört. Entgegen der Behauptung des Klägers könne die auf Grundlage der Unternehmensbewertung des Steuerberaters J. N… auf 189.476,79 € ermittelte Einziehungsvergütung geleistet werden, ohne das Stammkapital der Gesellschaft zu vermindern. Der Klageantrag zu 3 habe sich im Hinblick auf die zwischenzeitlich erstellten Jahresabschlüsse erledigt. Für den Klageantrag zu 4 fehle es an dem erforderlichen Rechtschutzbedürfnis.Randnummer7

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird mit den folgenden Ergänzungen auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen wird (§ 540 Abs. 1 ZPO):Randnummer8

Am 10.03.2021 fand eine weitere Gesellschafterversammlung statt, in der ausweislich des als Anlage BK 2 (Bl. 1500f d.A.) eingereichten Protokolls der Beschluss gefasst wurde, „die Einziehung des GeschäftsanteilsBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Einziehung
Einziehung des Geschäftsanteils
Geschäftsanteils
von Herrn T… K… wird hiermit bestätigt ersatzweise mit sofortige Wirkung erneut eingezogen“. Über das Vermögen der Beklagten ist zwischenzeitlich, mit Beschluss des Amtsgerichts Potsdam vom 17.01.2022, das Insolvenzverfahren eröffnet worden.Randnummer9

Das Landgericht hat der Klage mit Urteil vom 24.09.2021 vollumfänglich stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Klageantrag zu 1 sei nicht wegen doppelter Rechtshängigkeit gemäß § 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO unzulässig. Die vorliegende Nichtigkeits- und AnfechtungsklageBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Anfechtungsklage
Nichtigkeits- und Anfechtungsklage
habe einen anderen Streitgegenstand als die zum Az. 52 O 75/18 (4 U 134/20 des Brandenburgischen Oberlandesgerichts, II ZR 102/21) mit Klageantrag zu 3.d) erhobene Klage, beträfe zudem andere Parteien. Der Antrag zu 1 sei auch begründet. Der Kläger sei anfechtungsbefugt, denn er sei zur Zeit der Beschlussfassung in der Gesellschafterliste eingetragen gewesen und gelte damit gemäß § 16 Abs. 1 GmbHG gegenüber der Beklagten als deren Gesellschafter. Der Beschluss zu TOP 1 der Gesellschafterversammlung vom 23.05.2018 sei entsprechend § 241 Nr. 3 AktG nichtig, weil die Beklagte die nach § 4 des Gesellschaftervertrages geschuldete Einziehungsvergütung zur Zeit der Beschlussfassung nicht aus freiem Vermögen habe zahlen können. Der Kläger habe sich in Bezug auf die Einziehungsvergütung im Termin vom 27.08.2021 den Vortrag der Beklagten zu der als Anlage B 8 vorgelegten Unternehmensbewertung zu eigen gemacht und deren Höhe mit mindestens dem darin ermittelten Betrag von 189.476,79 € angegeben. Nach den Berechnungen auf Grundlage der in dem im Unternehmensregister veröffentlichten und von der Beklagten als sachlich richtig bestätigten Jahresabschluss zum 31.12.2018 ausgewiesenen Aktiva und Passiva habe sich für den 31.12.2017 und 31.12.2018 ein Reingewinn von 13.700 € ergeben; mithin habe eine Unterbilanz in dem Sinne bestanden, dass das Reinvermögen das Stammkapital von 25.000 € nicht mehr gedeckt habe. Reduziert um den jeweils bei den Aktiva ausgewiesenen „nicht durch Eigenkapital gedeckte(n) Fehlbetrag“ i.H.v. 91.908,13 € zum 31.12.2017 bzw. 75.643,67 € zum 31.12.2018 habe das Aktivvermögen zu beiden Stichtagen die Summe der Verbindlichkeiten und Rückstellungen unterschritten, so dass kein ungebundenes Vermögen vorhanden gewesen sei. Anhaltspunkte für eine zwischenzeitliche, insbesondere zur Zeit der Beschlussfassung am 23.05.2018, eingetretene Verbesserung der Vermögenssituation seien weder vorgetragen noch ersichtlich. Das behauptete Gesellschafterdarlehen des Mitgesellschafters, aus dem die Einziehungsvergütung vermeintlich hätte gezahlt werden können, sei bereits als Verbindlichkeit bilanziert, eine Auszahlung der Einziehungsvergütung wegen § 30 Abs. 1, § 34 Abs. 3 GmbHG unzulässig gewesen. Der Einwand, der Anspruch auf Einziehungsvergütung setze den wirksamen Erwerb der Geschäftsanteile voraus, greife wegen § 16 Abs. 1 GmbHG nicht durch. Ob die Beklagte – was sie bestreite – überschuldet i.S.d. § 19 Abs. 2 InsO gewesen sei, sei unerheblich.Randnummer10

Der Klageantrag zu 2 sei als Zwischenfeststellungsklage gemäß § 256 Abs. 1 ZPO zulässig, weil er vorgreiflich für die Klageanträge zu 3 und 4 sei; ein Rechtsschutzbedürfnis bestehe wegen des nicht in vollem Umfang durch die Klageanträge zu 1 und 4 geklärten Rechtsverhältnisses. Der Klageantrag zu 2 sei auch begründet, denn aufgrund der Nichtigkeit des Beschlusses unter TOP 1 sei der Kläger weiter Gesellschafter der Beklagten und sein Geschäftsanteil weder der Beklagten noch dem Mitgesellschafter angefallen.Randnummer11

Der Klageantrag zu 3 sei als Nichtigkeitsklage zulässig. Ungeachtet der Frage, ob die Jahresabschlüsse für 2015, 2016 und 2017 bereits erstellt worden seien, bestehe ein Rechtschutzbedürfnis, weil das Mitbestimmungsrecht des Klägers verletzt worden sei. Der Klageantrag sei auch begründet. Der Kläger sei aus den oben dargestellten Gründen anfechtungsbefugt; unter Berücksichtigung seiner Stimmberechtigung mangels wirksamer Einziehung des GeschäftsanteilsBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Einziehung
Einziehung des Geschäftsanteils
Geschäftsanteils
sei die nach § 7 Nr. 10 des Gesellschaftsvertrages erforderliche Stimmenmehrheit nicht erreicht.Randnummer12

Das Rechtschutzbedürfnis für den Klageantrag zu 4 resultiere daraus, dass der Kläger gegenüber der Beklagten und Dritten gemäß § 16 Abs. 1 GmbHG erst nach Eintragung in die bei dem Handelsregister eingereichten Gesellschafterliste als Gesellschafter gelte. Der Anspruch auf Einreichung der geänderten Gesellschafterliste ergebe sich aus § 40 Abs. 1 GmbHG und sei gegen die Gesellschaft gerichtet.Randnummer13

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der inzwischen durch R… W… als Geschäftsführer vertretenen Beklagten, mit der sie ihr Klageabweisungsbegehren vollumfänglich weiter verfolgt.Randnummer14

Die Beklagte rügt unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags, das Landgericht habe den zu der Nichtigkeit des Geschäftsanteilserwerbs angebotenen Beweis – nunmehr sei F… R. als Zeuge zu vernehmen – erheben müssen, denn die Legitimationswirkung des § 16 Abs. 1 GmbHG – und damit die Klagebefugnis des Klägers – fehle, wenn ausnahmsweise ein Widerspruch zur materiellen Rechtslage vorliege.Randnummer15

Der zu TOP 1 gefasste Beschluss sei aber auch nicht nichtig. Der Kläger habe sich entgegen der Sichtweise des Landgerichts den Beklagtenvortrag zur Unternehmensbewertung nicht zu eigen gemacht. Die Kennzahlen aus den Bilanzen für 2017 und 2018 seien überdies nicht geeignet, die Finanzkraft der Beklagten zu belegen oder zu verneinen, denn das Limit des von F… R. gewährten Gesellschafterdarlehens in Höhe von 500.000 € sei noch nicht ausgeschöpft gewesen – es habe zum 31.12.2017 mit 218.895,70 € und zum 31.12.2018 mit 221.548,43 € valutiert. Es sei auch nicht etwa die Auflösungsklage geboten gewesen, denn anders als in den zitierten Urteilen gehe es nicht um in einer Gesellschafterversammlung gestellte wechselseitige Einziehungsanträge, so dass die Beklagte nicht der Gefahr ausgesetzt gewesen sei, beide Gesellschafter zu verlieren.Randnummer16

Ein Rechtschutzbedürfnis für die Klageanträge zu 2 und 3 liege nicht vor; in Bezug auf den Klageantrag zu 3 deshalb, weil der Kläger nicht in die Gesellschafterliste eingetragen sei. Überdies sei sein Mitbestimmungsrecht nicht verletzt, weil die Beauftragung des Steuerberaters nicht in die Zuständigkeit der Gesellschafterversammlung falle. Die mit Antrag zu 4 verfolgte Klage sei unbegründet, weil es an einer säumnis der Beklagten fehle.Randnummer17

Die Beklagte beantragt,Randnummer18

das am 24.09.2021 verkündete Urteil des Landgerichts Potsdam – 51 O 7/21 – abzuändern und die Klage abzuweisen.Randnummer19

Der Kläger beantragt,Randnummer20

die Berufung mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass der Klageantrag zu 2 lautet, festzustellen, dass er Gesellschafter der Beklagten ist.Randnummer21

Er rügt unter Verweis auf die fehlende Eintragung des als Geschäftsführer der Beklagten bezeichneten Herrn W… im Handelsregister die nicht fristgerecht eingelegte Berufung; jedenfalls fehle es im Hinblick auf das eröffnete Insolvenzverfahren an einer ordnungsgemäßen Bevollmächtigung der Beklagten.Randnummer22

Er bestreitet das Vorbringen der Beklagten zu den Geschehnissen im Vorfeld der Geschäftsanteilsübertragung Ende September 2012 und die behauptete Darlehensgewährung unter dem 01.12.2007; es sei zu vermuten, dass der Darlehensvertrag erst aus Anlass des hiesigen Berufungsverfahrens „generiert“ worden sei.Randnummer23

Von einer Gesellschafterversammlung am 10.03.2021 habe er erst mit der Berufung erfahren und gegen den gefassten Einziehungsbeschluss Beschlussanfechtungs- und Nichtigkeitsklage vor dem Landgericht Potsdam erhoben.Randnummer24

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die Berufung ist zulässig und das Berufungsverfahren nicht durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Beklagten unterbrochen worden; das Rechtsmittel hat allerdings nur in Bezug auf den Klageantrag zu 3 Erfolg.

A.

Das Berufungsverfahren ist nicht infolge der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Beklagten mit Beschluss des AG Potsdam vom 17.01.2022 (Bl. 1587f d.A.) gemäß § 240 ZPO unterbrochen worden.Randnummer27

Unterbrochen wird ein Rechtsstreit durch die Insolvenzeröffnung, wenn das Verfahren die Insolvenzmasse betrifft (§ 240 Satz 1 ZPO). Maßgeblich ist dabei, ob der Gegenstand des Rechtsstreits zur Insolvenzmasse gehört (für die Aktiengesellschaft: BGH, Versäumnisurteil vom 19.07.2011 – II ZR 246/09Rn 9; Beschluss vom 21.11.2005 – II ZR 79/04Rn 2, juris; für die Genossenschaft: BGH, Urteil vom 10.03.1960 – II ZR 56/59 -, BGHZ 32, 114, 121 f.; vgl. ferner Hüffer, AktG, 9. Aufl., § 245 Rn. 29; Drescher in Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, AktG § 246 Rn. 12). Dies ist bei Beschlussmängelklagen gegen eine Gesellschaft mit beschränkter HaftungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Gesellschaft
Gesellschaft mit beschränkter Haftung
Haftung
– nicht anders als bei einer Aktiengesellschaft -, über deren Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist, der Fall, wenn durch den angefochtenen Beschluss Ansprüche der Masse begründet werden oder Verbindlichkeiten wegfallen. Denn dann zielt die Beschlussmängelklage darauf ab, die Insolvenzmasse zu verringern. Ein Beschlussmängelverfahren wird demgegenüber nicht unterbrochen, wenn die Klage entweder keine Veränderung der Masse bewirken kann oder darauf abzielt, die Insolvenzmasse zu vergrößern. Dies hat seinen Grund darin, dass der Insolvenzverwalter nicht gezwungen werden darf, im prozess einen für die Masse nachteiligen Beschluss zu verteidigen (RGZ 76, 244, 249 f.; LG Hamburg, ZIP 2009, 686, 687; Lüke in Kübler/Prütting/Bork, InsO, Stand 2010, § 85 Rn. 17a; Uhlenbruck/Uhlenbruck, InsO, 13. Aufl., § 85 Rn. 53; MünchKommInso/Schumacher, 2. Aufl., § 85 Rn. 39; Jaeger/Windel, InsO, § 85 Rn. 53 ff.; MünchKommAktG/Hüffer, 3. Aufl., § 246 Rn. 49; a.A. K. Schmidt, Festschrift Kreft, 2004, S. 503, 518 ff.; Schwab in K. Schmidt/Lutter, AktG, 2. Aufl., § 246 Rn. 15).Randnummer28

Danach hat die Eröffnung des Insolvenzverfahrens in Bezug auf keinen der angefochtenen Beschlüsse und weiteren Anträge zu einer Unterbrechung des Verfahrens geführt.Randnummer29

a) Der Beschluss zu TOP 1 – Einziehung des GeschäftsanteilsBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Einziehung
Einziehung des Geschäftsanteils
Geschäftsanteils
des Klägers – (Klageantrag zu 1) ist zwar nicht masseneutral; er führt aber zu einer Verringerung der Masse, weil der von der Einziehung betroffenen Gesellschafter gemäß § 14 des Gesellschaftsvertrages vom 01.10.2012 Anspruch auf Zahlung der Einziehungsvergütung hat. Damit greift insoweit der Grundsatz ein, dass der Insolvenzverwalter nicht zur Verteidigung eines für die Masse nachteiligen Beschlusses verpflichtet sein kann.Randnummer30

b) Der Beschluss zu TOP 2 – wahl des Steuerbüros für die Erstellung von Jahresabschlüssen – ist masseneutral. Durch die wahl des Steuerbüros für die Erstellung von Jahresabschlüssen der Jahre 2015, 2016 und 2017 entsteht noch kein die Masse belastender Vergütungsanspruch. Ein solcher Anspruch wird – ungeachtet der im Insolvenzverfahren fortbestehenden Buchführungs- und Rechnungslegungspflicht (§ 155 Abs. 1 Sätze 1 und 2 InsO), infolge derer der Insolvenzverwalter die ausstehenden Jahresabschlüsse erstellen lassen müsste – erst durch den mit dem Steuerbüro abzuschließenden Vertrag begründet.Randnummer31

c) Die Klageanträge zu 2 – Feststellung, dass der Kläger Gesellschafter der Beklagten ist – und zu 4 – Einreichung einer Gesellschafterliste – betreffen die Insolvenzmasse nicht.

B.

Die Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 517ff ZPO. Wie bereits in der mündlichen Verhandlung vom 08.06.2022 dargestellt bestehen entgegen der Sichtweise des Klägers an der ordnungsgemäßen Vertretung der Beklagten durch den in der Gesellschafterversammlung vom 03.09.2021 zum Geschäftsführer bestellten R… W… bei Einlegung der Berufung unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt Zweifel.Randnummer33

Ist, wie unter A. ausgeführt, mit dem vorliegenden Rechtsstreit die Insolvenzmasse nicht betroffen, folgt hieraus unmittelbar, dass die Beklagte in dem Rechtsstreit trotz des zwischenzeitlich eröffneten Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen weiterhin wirksam durch ihren Geschäftsführer als gesetzlichen Vertreter vertreten wird. Auch die von dem neubestellten Geschäftsführer W… am 25.10.2021 unterzeichnete Prozessvollmacht (Bl. 1519 d.A.) bleibt von der Insolvenzeröffnung unberührt.Randnummer34

Die ordnungsgemäße Vertretung der Beklagten wird auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass der Kläger mit einer weiteren, zwischenzeitlich beim Landgericht Potsdam anhängig gemachten Nichtigkeits- und AnfechtungsklageBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Anfechtungsklage
Nichtigkeits- und Anfechtungsklage
vom 25.10.2021 (Bl. 1458ff d.A.) die Unwirksamkeit des in der Gesellschafterversammlung vom 03.09.2021 gefassten Beschlusses – Bestellung des R… W… zum Geschäftsführer der Beklagten – festgestellt haben will.Randnummer35

Der Kläger kann sich gemäß § 16 Abs. 1 GmbHG nicht auf die Anfechtbarkeit des R… W… zum neuen Geschäftsführer bestellenden Beschlusses berufen; Nichtigkeitsgründe (entsprechend § 241 AktG) legt er nicht dar. Nach § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG gilt im Verhältnis zur Gesellschaft im Fall einer Veränderung in den Personen der Gesellschafter oder des Umfangs ihrer Beteiligung als Inhaber eines Geschäftsanteils nur, wer als solcher in der im Handelsregister aufgenommenen Gesellschafterliste eingetragen ist. Greift diese Vermutung, stehen dem als Inhaber eines Geschäftsanteils in die Gesellschafterliste Eingetragenen sämtliche Mitgliedschaftsrechte zu, ohne dass es auf seine wahre Berechtigung ankommt (vgl. BGH, Urteile vom 20.11.2018 – II ZR 12/17Rn 23; vom 02.07. 2019 – II ZR 406/17Rn 35). Diese Legitimationswirkung greift auch bei einem eingezogenen Geschäftsanteil (BGH, Urteile vom 20.11.2018 – II ZR 12/17Rn. 25ff.; vom 02.07.2019 – II ZR 406/17Rn 38). Wird der Inhaber eines Geschäftsanteils nach dessen Einziehung in der Gesellschafterliste gestrichen, kann der Gesellschafter ab dem Zeitpunkt der Aufnahme einer ihn nicht mehr aufführenden Gesellschafterliste zum Handelsregister seine mitgliedschaftlichen Rechte ungeachtet der Wirksamkeit des Einziehungsbeschlusses nicht länger ausüben (BGH, Urteile vom 02.07.2019 – II ZR 406/17Rn 35, und vom 10.11.2020 – II ZR 211/19Rn 14, juris; Lutter/Hommelhoff, GmbHG 20. Aufl. 2020, § 16 Rn 36.1).Randnummer36

So war es hier. Die am 02.07.2018 in den Registerordner eingestellte Gesellschafterliste weist den Kläger nicht mehr als Gesellschafter aus. Er konnte daher in der Gesellschafterversammlung vom 03.09.2021 keine Mitgliedschaftsrechte ausüben.Randnummer37

Soweit der Kläger des Weiteren geltend macht, dass R… W… als Geschäftsführer nicht im Handelsregister eingetragen ist, ist die fehlende Eintragung im Handelsregister nicht von Relevanz, da ihr – worauf die Beklagte zutreffend verweist – eine konstitutive Bedeutung nicht zukommt.

C.

Die Berufung der Beklagten hat aus den nachfolgenden, vom Senat bereits im Termin umfassend erörterten Gründen nur insoweit Erfolg, als sie sich gegen die Feststellung der Nichtigkeit bzw. Nichtigerklärung des die Beauftragung des Steuerbüros (X) Steuerberatungsgesellschaft mit der Erstellung der Jahresabschlüsse für die Jahre 2015/2016/2017 und entsprechende Buchungen der Geschäftsvorfälle betreffenden Beschlusses der Gesellschafterversammlung vom 23.05.2018 wendet; im Übrigen ist die Berufung unbegründet, wobei der Tenor des Landgerichts klarstellend dahin zu berichtigen ist, dass (Urteilstenor zu 1) der Beschluss zu TOP 1 nicht für nichtig erklärt wird, sondern seine Nichtigkeit festgestellt wird (vgl. BGH, Urteil vom 26.01.2021 – II ZR 391/18Rn 20 f).

1.

Zu Unrecht hat das Landgericht eine Klagebefugnis des Klägers bejaht, soweit dieser mit seiner Klage die Feststellung der Nichtigkeit bzw. Nichtigerklärung des Beschlusses der Gesellschafterversammlung vom 23.05.2018 zu TOP 2 – Beauftragung des Steuerbüros (X) Steuerberatungsgesellschaft mit der Erstellung der Jahresabschlüsse für die Jahre 2015, 2016, 2017 und der entsprechenden Buchungen der Geschäftsvorfälle – begehrt hat.Randnummer40

a) Dem Kläger, der zwar noch zum Zeitpunkt der Klageeinreichung am 18.06.2018, aber nicht mehr zum maßgeblichen Zeitpunkt der Klageerhebung am 19.07.2018 in der Gesellschafterliste eingetragen war, fehlt gemäß § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG die Klagebefugnis. Die Zubilligung der Klagebefugnis ist auch nicht zur Durchsetzung der verfassungsrechtlich gebotenen Rechtsschutzmöglichkeit des Klägers erforderlich, denn der angefochtene Beschluss zu TOP 2 betrifft weder seinen Ausschluss noch die Einziehung seines Geschäftsanteils.Randnummer41

aa) Die Beklagte ist nicht nach Treu und Glauben gehindert, sich auf die formelle Legitimationswirkung des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG zu berufen. Zwar hat der Bundesgerichtshof einen solchen Fall angenommen, wenn es der Gesellschaft aufgrund einer einstweiligen Verfügung untersagt worden war, nach einem Einziehungsbeschluss eine neue Gesellschafterliste beim Amtsgericht zur Aufnahme im Handelsregister einzureichen, und wenn entgegen dieser Anordnung eine geänderte Gesellschafterliste zum Handelsregister eingereicht und im Registerordner aufgenommen worden ist (vgl. BGH, Urt. v. 02.07.2019 – II ZR 406/17Rn. 42). Eine hiermit vergleichbare Konstellation liegt indes nicht vor. Zwar erließ das Landgericht Potsdam am 16.07.2018 (noch unter dem Az.: 2 O 225/18) eine einstweilige Verfügung gegen die Beklagte, mit der dieser geboten wurde, den Kläger weiter als hälftigen Gesellschafter zu dulden und ihm sämtliche Gesellschafterrechte zuzubilligen. Diese einstweilige Verfügung ist jedoch auf den Widerspruch der Beklagten durch das Landgericht durch Urteil vom 01.02.2019 – 52 O 77/18 – mit Wirkung ex tunc (vgl. OLG Frankfurt, Beschl. v. 28.03.2011 – 11 W 27/10 -; Vollkommer in: Zöller, 34. Auflage (2022) § 925 ZPO, Rn. 5; Mayer in: BeckOK ZPO, 44. Ed. 01.03.2022, ZPO § 925 Rn. 1-5 m.w.N.) aufgehoben worden; die gegen das Urteil eingelegte Berufung hat der 6. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts mit Beschluss vom 11.07.2019 – 6 U 23/19 – zurückgewiesen. Das Aufhebungsurteil im Widerspruchsverfahren entspricht der anfänglichen Zurückweisung des Verfügungsantrags (OLG München Beschl. v. 12.02.2013 – 34 Wx 54/13, BeckRS 2013, 6321), so dass sich der Kläger auf die zwischenzeitlich erlassene einstweilige Verfügung vom 16.07.2018 nicht berufen kann.Randnummer42

bb) Soweit der Kläger seine Klagebefugnis daraus abzuleiten versucht, es bestünden bei einer zweigliedrigen GmbH besondere Treuepflichten, ist letzteres zwar zutreffend (vgl. hierzu etwa OLG Frankfurt, Urt. v. 16.07.2019 – 5 U 84/18Rn. 59), aber vor dem Hintergrund des Gesetzeszweckes der Legitimationswirkung des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG – der Herstellung von Rechtssicherheit und Rechtsklarheit sowie der Missbrauchs- und Geldwäschebekämpfung – nicht geeignet, die zweigliedrige GmbH von dem Anwendungsbereich dieser Norm auszunehmen.Randnummer43

cc) Der Senat hält auch daran fest, dass sich der Kläger nicht – wie im Verhandlungstermin vom 08.06.2022 geltend gemacht – auf § 265 Abs. 2 ZPO analog stützen kann. § 265 ZPO setzt nach seinem Rechtsgedanken voraus, dass der Kläger zum Zeitpunkt der Klageerhebung klagebefugt gewesen ist und diese durch ein nachträgliches Ereignis (analog der in § 265 ZPO genannten Veräußerung oder Abtretung) verloren hat. Daran fehlt es jedoch, wenn – wie hier – aufgrund der Aufhebung der einstweiligen Verfügung mit Wirkung ex tune der Kläger zu keinem Zeitpunkt klagebefugt gewesen ist.Randnummer44

b) Das Klagebegehren lässt sich auch nicht in eine – zulässige – allgemeine Feststellungsklage gemäß § 256 ZPO umdeuten. Nichtigkeitsgründe – nur diese könnten im Rahmen einer allgemeinen Feststellungsklage geprüft werden – macht der Kläger in Bezug auf den Beschluss zu TOP 2 nicht geltend.Randnummer45

c) Nach alledem kommt es darauf, ob – wie die Beklagte meint – dem Kläger (ausnahmsweise) das Rechtschutzbedürfnis für die Erhebung der Nichtigkeits- oder Anfechtungsklage fehlt, weil die Jahresabschlüsse für die Jahre 2015 bis 2017 zwischenzeitlich erstellt worden sind, nicht mehr an.

2.

Die Berufung ist dagegen zurückzuweisen, soweit sie sich gegen die Nichtigerklärung bzw. Feststellung der Nichtigkeit des die Einziehung betreffenden Beschlusses der Gesellschafterversammlung der Beklagten vom 23.05.2018 wendet.Randnummer47

a) Der Senat teilt die Sichtweise des Landgerichts, wonach das Klagebegehren nicht im Hinblick auf die vom Mitgesellschafter F… R. erhobene und derzeit noch im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren beim BGH (II ZR 102/21) anhängige allgemeine Feststellungsklage mit dem Ziel festzustellen, dass der Beschluss vom 23.05.2018, mit dem die Geschäftsanteile des Klägers eingezogen worden sind, wirksam sei, unzulässig ist. Dagegen bringt die Berufung nichts vor.Randnummer48

b) Für die Nichtigkeitsklage betreffend den Beschluss über die Einziehung seines Geschäftsanteils steht die negative Legitimationswirkung des § 16 Abs. 1 GmbHG der Klagebefugnis des Klägers nicht entgegen.Randnummer49

Es ist vielmehr in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs anerkannt, dass dem Gesellschafter die Anfechtungsbefugnis für die Klage gegen seinen Ausschluss oder die Einziehung seines Geschäftsanteils trotz sofortiger Wirksamkeit erhalten bleibt, um der verfassungsrechtlich gebotenen Rechtsschutzmöglichkeit Geltung zu verschaffen (BGH, Urteile vom 24.01.2012 – II ZR 109/11Rn 24 -, vom 19.09.1977 – II ZR 11/76 – zur GmbH, und vom 22.03.2011 – II ZR 229/09Rn. 7 ff. zur AG). Das gilt auch dann, wenn – wie es hier der Fall war – schon vor Erhebung der Anfechtungsklage eine von der Gesellschaft eingereichte geänderte Gesellschafterliste, in der der betroffene Gesellschafter nicht mehr eingetragen ist, in das Handelsregister aufgenommen worden ist (BGH, Beschluss vom 29.01.2019 – II ZR 234/18 – und Urteil vom 02.07.2019 – II ZR 406/17Rn 41 juris).Randnummer50

Es bedarf entgegen der mit der Berufung vertretenen Auffassung der Beklagten an dieser Stelle auch keiner Aufklärung und/oder Entscheidung darüber, ob der Geschäftsanteilserwerb des Klägers wirksam war bzw. wirksam wegen arglistiger Täuschung angefochten worden ist. Denn ebensowenig wie es für die Legitimationswirkung des § 16 Abs. 1 GmbHG auf die Wirksamkeit des Anteilserwerbs oder die materielle Rechtslage ankommt (BGH, Urteil vom 18.09.2018 – II ZR 312/16Rn 38), ist dies für die Fortgeltung der Anfechtungsbefugnis des von der Einziehung betroffenen Gesellschafters bedeutsam, der bereits vor Erhebung der Nichtigkeits- oder Anfechtungsklage aus der Gesellschafterliste gestrichen worden ist.Randnummer51

c) Der Einziehungsbeschluss ist nichtig.Randnummer52

aa) Ein Nichtigkeitsgrund liegt zwar nicht bereits deshalb vor, weil – wie der Kläger erstinstanzlich geltend gemacht hat – der Beschluss zu TOP 1 infolge der bereits in der Gesellschafterversammlung vom 01.03.2018 erfolgten Einziehung der Geschäftsanteile des F… R. nicht mit der erforderlichen Stimmenmehrheit gefasst worden ist. Nachdem die Beklagte ihre Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 16.06.2020 (52 O 75/18, Berufungsverfahren 4 U 134/20), mit dem es (u.a.) die in den den Gesellschafterversammlungen vom 28.02.2018 und 01.03.2018 gefassten Beschlüsse über die Einziehung des GeschäftsanteilsBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Einziehung
Einziehung des Geschäftsanteils
Geschäftsanteils
des F… R. für nichtig erklärt hat, steht die Nichtigkeit der Einziehungsbeschlüsse vom 28.02.2018 und 01.03.2018 mit Wirkung für und gegen jedermann (BGH, Urteil vom 17.02.1997 – II ZR 41/96 – juris Rn 12 m.w.N.; Beschluss vom 25.01.1985 – III ZR 108/83 – juris Rn 8 Karsten Schmidt/Bochmann in: Scholz GmbHG, 12. Aufl. 2018 ff, § 45 GmbHG Rn 48) rechtskräftig fest.Randnummer53

bb) Das Landgericht hat einen Nichtigkeitsgrund betreffend den in der Gesellschafterversammlung vom 23.05.2018 gefassten Einziehungsbeschluss indes zutreffend darin gesehen, dass die Beklagte zu dem hier maßgeblichen Zeitpunkt nicht über das zur Zahlung der geschuldeten Abfindung von (insgesamt) mindestens 189.476,79 € notwendige freie Vermögen verfügte.Randnummer54

Auszahlungen an ausgeschiedene Gesellschafter dürfen nicht zur Entstehung oder Vertiefung einer Unterbilanz führen (BGH, Urteile vom 04.08.2020 – II ZR 171/19Rn 31 mwN, und vom 26.01.2021 – II ZR 391/18Rn 23). Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist ein Einziehungsbeschluss entsprechend § 241 Nr. 3 AktG wegen eines Verstoßes gegen § 30 Abs. 1 Satz 1, § 34 Abs. 3 GmbHG nichtig, wenn bereits bei Beschlussfassung feststeht, dass das Einziehungsentgelt nicht aus freiem, die Stammkapitalziffer nicht beeinträchtigenden Vermögen der Gesellschaft gezahlt werden kann (BGH, Urteile vom 24.01.2012 – II ZR 109/11Rn 7 mwN; vom 10.05.2016 – II ZR 342/14Rn 13; vom 26.06.2018 – II ZR 65/16Rn 13).Randnummer55

Das ist hier der Fall.Randnummer56

(1) Der Abfindungsanspruch besteht mindestens in Höhe von 189.476,79 €. Denn der Kläger hat sich – wie das Landgericht zu Recht ausgeführt hat – das Vorbringen der Beklagten, die den Abfindungsbetrag auf 189.476,79 € beziffert hat, zu eigen gemacht und einen mindestens in der beklagtenseits behaupteten Höhe bestehenden Anspruch behauptet mit der Folge, dass die (Mindest)Höhe des Anspruchs unstreitig ist. Die im Sitzungsprotokoll dokumentierte Erklärung des Klägers, „es handelt sich um ein hilfsweises Zu-Eigen-Machen des Vortrags, dass die Einziehungsvergütung mindestens 189.476,79 € betrage“ lässt sich bei verständiger Würdigung nicht dahin verstehen, dass sich der Kläger einen – so nicht gehaltenen – Vortrag der Beklagten, wonach die Einziehungsvergütung „mindestens“ 189.476,79 € beträgt, zu eigen macht, sondern ist dahin auszulegen, dass der Kläger eine Einziehungsvergütung mindestens in der von der Beklagten behaupteten Höhe von 189.476,79 € behauptet.Randnummer57

Der Kläger war auch nicht aufgrund der von ihm geltend gemachten Unzulässigkeit der beklagtenseits zugrunde gelegten Berechnungsmethode aus prozessualen Gründen gehindert, sich den Vortrag der Beklagten im Sinne eines Mindestbetrages seines Abfindungsanspruchs zu eigen zu machen. Eine Partei kann sich das Vorbringen der anderen Partei hilfsweise selbst dann zu eigen zu machen, wenn es mit dem eigenen Hauptvortrag nicht vereinbar ist, sofern sie dadurch nur ihre Wahrheitspflicht nicht verletzt (st. Rspr. des BGH, siehe nur Urteil vom 10.01.1985 – III ZR 93/83Rn 27 mwN).Randnummer58

(2) Freies, die Stammkapitalziffer nicht beeinträchtigendes Vermögen, um (auch nur) die am 23.11.2018 fällige erste von insgesamt 3 Raten i.H.v. 63.158,93 € bezahlen zu können, hatte die Beklagte nach dem vom Kläger als Anlage zum Schriftsatz vom 16.08.2021 eingereichten, im Unternehmensregister veröffentlichten Jahresabschluss für 2018 nicht.Randnummer59

Die mögliche Unterbilanz ist durch einen aus dem HGB-Jahresabschluss abgeleiteten Vergleich zwischen dem Nettovermögen der Gesellschaft und ihrem statuarischen Stammkapital ausschließlich Rücklagen und Nachschusskapital zu ermitteln. Das Nettovermögen errechnet sich als die Summe aller in einer Bilanz nach § 42, §§ 246 ff, 266ff HGB angesetzten und (auf den Zeitpunkt der Auszahlung fortgeschrieben) bewerteten Aktiva abzüglich sämtlicher echten Passiva. Denn die Unwägbarkeiten bei der Bewertung stiller Rücklagen dürfen nicht dazu führen, dass an die Gesellschafter Gesellschaftsvermögen ausgekehrt wird, welches zur Erhaltung des Stammkapitals erforderlich ist (Lutter/Hummelhoff 20. Aufl. 2020 § 30 GmbHG Rn 11).Randnummer60

(a) Mit dem Wirksamwerden der Einziehung entsteht für den betroffenen Gesellschafter zwar grundsätzlich sofort ein Anspruch gegen die Gesellschaft auf Zahlung einer angemessenen Abfindung. Der Abfindungsanspruch kann aber im Gesellschaftsvertrag – wie hier hinsichtlich der ersten, zweiten und dritten Rate in § 15 Nr. 1 des Gesellschaftsvertrages vom 28.09.2012 geschehen – gestundet werden, so dass er erst zu den vereinbarten Zeitpunkten fällig wird (BGH, Urteil vom 10.05.2016 – II ZR 342/14Rn 19). Deshalb kommt es hier für die Frage einer Unterkapitalisierung nicht auf den Zeitpunkt des Einziehungsbeschlusses, sondern auf eine wirtschaftliche Prognose für den Zeitpunkt der ersten fälligen Rate der Einziehungsvergütung – 6 Monate nach Erklärung der Einziehung – an.Randnummer61

Da der danach maßgebliche Zeitpunkt nahe an dem Stichtag für den Jahresabschluss 2018 liegt, ist anzunehmen, dass auch eine zum 23.11.2018 erstellte Stichtagsbilanz zu keinem wesentlich anderen Ergebnis führt.Randnummer62

(b) Die Auszahlung bereits der ersten Rate führte zu einer Vertiefung der (bestehenden) Unterbilanz der Beklagten.Randnummer63

Eine Unterbilanz ergibt sich bereits daraus, dass in dem von der Beklagten in das Unternehmensregister eingestellten Jahresabschluss für 2018 ein „nicht durch Eigenkapital gedeckter Fehlbetrag“ i.H.v. 75.643,67 € ausgewiesen ist. Nach § 268 Abs. 3 HGB hat die Ausweisung eines „nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrages“ am Schluss der Bilanz auf der Aktivseite (nur) dann zu erfolgen, wenn das Eigenkapital durch Verluste aufgebraucht ist und sich ein Überschuss der Passivposten über die Aktivposten ergibt. War aber das Eigenkapital bereits durch Verluste aufgebraucht, liegt eine sogenannte bilanzielle Überschuldung vor mit der Folge, dass Auszahlungen nach § 30 Abs. 1 GmbHG verboten sind. Damit steht fest, dass die erste Rate des Einziehungsentgeltes i.H.v. 63.158,93 € nicht aus freiem, die Stammkapitalziffer nicht beeinträchtigenden Vermögen der Gesellschaft gezahlt werden.Randnummer64

Selbst wenn der nicht durch Eigenkapital gedeckte Fehlbetrag außer Betracht bliebe, stünden dem ausgewiesenen Aktivvermögen von 782.603,38 € alleine aus Rückstellungen und Verbindlichkeiten gebildete Passivposten i.H.v. insgesamt 844.547,05 € gegenüber, zuzüglich der passiven Rechnungsabgrenzungsposten (i.H.v. 13.700,00 €) betragen die Passiva sogar 858.247,05 €, so dass auch insoweit ein freies Vermögen nicht festzustellen ist.Randnummer65

Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass der Verkehrswert des Betriebsgrundstücks der Beklagten womöglich – darauf deutet der des mit notariellem Kaufvertrag vom 23.07.2019 vereinbarte Kaufpreis von 1,950 Mill. € hin – den in die Bilanz eingestellten Buchwert erheblich überstieg. Da die Gesellschaft für die Unterbilanzrechnung an ihre einmal ausgeübten Bilanzierungswahlrechte gebunden ist, da andernfalls der in § 30 GmbHG bezweckte Gläubigerschutz manipuliert werden könnte, dürfen bei den Aktiva die stillen Reserven nicht aufgelöst werden.Randnummer66

Auch vermag die Beklagte nicht mit ihrem Einwand, die Einziehungsvergütung habe aus einem Gesellschafterdarlehen des F… R. gezahlt werden können, durchzudringen. Das Landgericht hat zu Recht ausgeführt, dass das behauptete Gesellschafterdarlehen mit dem bereits valutierten Betrag als Passivposten und mit dem (noch) nicht valutierten Teil als Aktivposten in den Jahresabschluss 2018 eingestellt worden sein muss. Denn ebenso wie Verbindlichkeiten aus Gesellschafterdarlehen zu passivieren sind, sind Forderungen aus Gesellschafterdarlehen zu aktivieren (§ 42 Abs. 3 GmbHG). Dagegen bringt die Berufung auch nichts vor; das insoweit als Anlage BK 4 (Bl. 1506 d.A.) eingereichte Schreiben des Steuerberaters J. N… vom 27.12.2021 enthält keine hiervon abweichende Aussage und ist – auch dies war Gegenstand der mündlichen Erörterung des Senats – unbehelflich.Randnummer67

Auch darauf, ob insolvenzrechtlich eine Überschuldung vorliegt, kommt es – wie bereits das Landgericht zutreffend ausgeführt hat – nicht an, weil Maßstab für das Bestehen einer Unterbilanz oder bilanzieller Überschuldung die nach § 42 GmbHG, §§ 246 ff, 266 ff HGB angesetzten Werte und nicht die Werte sind, die im Rahmen der Prüfung einer insolvenzrechtlichen Überschuldung anzusetzen sind.Randnummer68

(c) Der Kläger stützt sich ungeachtet der behaupteten Fehlerhaftigkeit des – von ihm selbst zur Akte gereichten – Jahresabschlusses für 2018 wenigstens konkludent und hilfsweise auf die darin ausgewiesenen Beträge.

3.

Die Berufung der Beklagten hat auch keinen Erfolg, soweit sie sich gegen die Feststellung, dass der Kläger Gesellschafter der Beklagten ist, richtet.Randnummer70

a) Im Ergebnis zu Recht hat das Landgericht diesen Klageantrag unter Verweis auf das Urteil des OLG Hamm vom 16.04.2014 – 8 U 82/13 – als Zwischenfeststellungsklage gemäß § 256 Abs. 2 ZPO für zulässig erachtet. Mit dem noch in Rede stehenden Inhalt ist der Klageantrag zu 2 vorgreiflich (nur) für den Klageantrag zu 4, denn die Verpflichtung zur Einreichung einer den Kläger als (Mit)Gesellschafter ausweisenden Gesellschafterliste bei dem Registergericht setzt voraus, dass der Kläger materiell-rechtlich Gesellschafter der Beklagten ist. Es besteht auch die Möglichkeit, dass aus dem streitigen Rechtsverhältnis zwischen den Parteien weitere Ansprüche erwachsen; das genügt für das Rechtschutzbedürfnis (BGH, Urteil vom 23.04.2012 – II ZR 75/10Rn 41).Randnummer71

b) Der Klageantrag ist auch begründet; der Kläger ist Gesellschafter der Beklagten geworden und ist es auch bis zum maßgeblichen Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung geblieben.Randnummer72

aa) Der Kläger ist wirksam aufgrund des Erwerbs des Geschäftsanteils von F… R. mit notariellem Vertrag vom 28.09.2012 Gesellschafter der Beklagten geworden. Den Sachvortrag der Beklagten als wahr unterstellt, trägt dieser die von ihr begehrte Rechtsfolge der Nichtigkeit des Geschäftsanteilserwerbes nicht; der Einräumung einer Schriftsatzfrist zur Ergänzung des Sachvortrages bedurfte es daher nicht.,Randnummer73

(1) Der Anteilskauf ist nicht – wie die Beklagte meint – gemäß § 134 BGB wegen Verstoßes gegen § 49b Abs. 2 BRAO und/oder § 43a Abs. 4 BRAO nichtig. Die Beklagte hat in erster Instanz in der Klageerwiderung (dort S. 11f, Bl. 129f d.A.) den Verstoß gegen das in § 43a BRAO normierte Verbot darin gesehen, dass „sich der Kläger von seinem Mandanten den hälftigen Geschäftsanteil an der Beklagten zu einem Preis weit unter Wert“ habe abtreten lassen, der Kläger habe „ausschließlich in seinem eigenen monetären Interesse“ gehandelt und dabei „seine Pflicht, seinen Mandanten ordnungsgemäß und nach bestem Wissen zu beraten“ verletzt. Sie hat vorgetragen, der Kläger habe seit etwa 2010/2011 als „Haus- und Hofanwalt“ des Geschäftsführers der Beklagten sowie dessen Unternehmungen fungiert. Dieser habe, nachdem es gegenüber seiner Ehefrau aus – wie er vermutet habe – der Sphäre der Mieterin des Betriebsgrundstücks der Beklagten, mit der sich diese in einer rechtlichen Auseinandersetzung befunden habe, zu einer Bedrohungssituation gekommen sei, den Kläger um Rat gebeten. Der Kläger habe vorgeschlagen, den Geschäftsanteil des F… R. aufzuteilen und die Geschäftsführung auf eine andere Person zu übertragen, dies müsse schnellstens umgesetzt werden. Von der Idee, das Betriebsgrundstück an diese Mieterin oder einen Dritten, der Interesse gezeigt habe, das Grundstück zu einem Preis von 500.000 € anzukaufen, habe der Kläger abgeraten. F… R. habe sich gefügt und habe, nach einem Termin mit dem Steuerberater, den Notartermin am 28.09.2012 vereinbart. Die Modalitäten des Vertrages, etwa die Fälligkeit des Kaufpreises für die Anteile erst zum 01.10.2014, habe allein der Kläger festgelegt, die Abtretungsurkunde habe F… R. erst am Beurkundungstermin gesehen. Diesen Vortrag, den der Kläger bereits mit seinen erstinstanzlichen Schriftsätzen vom 22.08.2018 (dort S. 1, Bl. 165 d.A.) und 14.01.2019 (dort S. 3 ff, Bl. 285 ff d.A.) unmissverständlich als unzureichend dargestellt hat, hat die Beklagte im Berufungsrechtszug im Wesentlichen lediglich insoweit modifiziert, als sie die Beteiligten mit Namen bezeichnet und als Zeugen benannt hat.Randnummer74

(a) Dieser – vom Kläger bereits erstinstanzlich im Schriftsatz vom 14.01.2019 (dort S. 2-14, Bl. 285-297 d.A.) umfassend bestrittene Sachvortrag der Beklagten vermag bereits im Ansatz – worauf der Kläger bereits mit seinen erstinstanzlichen Schriftsätzen vom 22.08.2018 und 14.01.2019 unmissverständlich und erneut der Senat im Verhandlungstermin vom 08.06.2022 hingewiesen hat – einen Verstoß des Klägers gegen § 49b Abs. 2 BRAO bei dem Erwerb der Geschäftsanteile an der Beklagten nicht zu stützen. Nach dieser Vorschrift sind Vereinbarungen unzulässig, durch die eine Vergütung oder ihre Höhe vom Ausgang der Sache oder vom Erfolg der anwaltlichen Tätigkeit abhängig gemacht wird, oder nach denen der Rechtsanwalt einen Teil des erstrittenen Betrages als Honorar erhält (Erfolgshonorar), soweit das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz nichts anderes bestimmt. Überdies zeitigte ein etwaiger Verstoß des Klägers gegen § 49b Abs. 2 BRAO lediglich die Nichtigkeit der Erfolgshonorarvereinbarung als Rechtsfolge (§ 134 BGB).Randnummer75

(b) Das Tatsachenvorbringen der Beklagten begründet auch keine aus § 134 BGB folgende Nichtigkeit des Anteilskauf(vertrages) vom 28.09.2012, weil der Kläger gegen das in § 43a Abs. 4 BRAO normierte Verbot, widerstreitende Interessen zu vertreten, verstoßen habe. Zwar ist § 43a Abs. 4 BRAO ein Verbotsgesetz i.S.d. § 134 BGB (BGH, Urteil vom 12.05.2016 – IX ZR 241/14Rdnr. 7ff.). Ob ein Anwalt gegen das in § 43a Abs. 4 BRAO normierte Verbot verstößt, wenn seine eigenen Interessen denjenigen seines Mandanten zuwider laufen, hat der BGH in der genannten Entscheidung offengelassen, bedarf (auch) vorliegend indes keiner Entscheidung. Soweit das Beklagtenvorbringen überhaupt ein bestehendes Mandat zwischen dem Kläger und F… R. erkennen lässt, war dieses mit der Erteilung des erbetenen Rates, was zu tun sei, um eine (weitere) Eskalation zu verhindern, beendet – mithin vor Abschluss des notariellen Geschäftsanteilskaufvertrages vom 28.09.2012. Bei Abschluss des Vertrages über den Erwerb eines Geschäftsanteils des F… R. an der Beklagten vertrat der Kläger unzweifelhaft nur noch seine eigenen Interessen, der Vertrag beinhaltete auch keine Verpflichtung, die Interessen des F… R. und/oder diejenigen der Beklagten wahrzunehmen.Randnummer76

Selbst wenn entgegen der hier vertretenen Sichtweise dem Kläger ein Verstoß gegen § 43a BRAO vorzuwerfen wäre, hätte dieser zwar die Nichtigkeit des Anwaltsvertrages zur Folge, weil der Schutzzweck des § 43a Abs. 4 BRAO, der Schutz des Vertrauens in die Rechtspflege und die Eindämmung von Interessenkollisionen, leer liefe, wenn der Anwalt aus seiner verbotswidrigen Tätigkeit eine Vergütung beanspruchen könnte (BGH; Urteil vom 12.05.2016 – IX ZR 241/14Rn 7 und 12), führte die standesrechtliche Unzulässigkeit der Tätigkeit des Anwalts hingegen nicht zur Nichtigkeit des im Rahmen dieser Tätigkeit geschlossenen (weiteren) Vertrages (BGH, Urteil vom 12.05.2016 – IX ZR 241/14Rn 26; für die Prozessvollmacht: BGH, Urteil vom 14.05.2009 – IX ZR 60/08 -; vgl. OLG München, Beschluss vom 03.08.2020 – 13 W 1030/20 -; Staudinger-Rieble, BGB, Neubearbeitung 2021, § 134 Rn 308 Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, 3. Aufl. 2020, § 3 BORA Rn 36). Selbst bei Zuwiderhandlung gegen umfassende und generelle Tätigkeitsverbote bleiben die Handlungen des Rechtsanwalts wirksam, um die Beteiligten im Interesse der Rechtssicherheit zu schützen (BGH, Urteil vom 19.03.1993 – V ZR 36/92Rn 9). Insbesondere besteht kein Anlass anzunehmen, von der vermeintlichen Nichtigkeit sei auch die Abtretung des Geschäftsanteils an den Kläger erfasst.Randnummer77

(c) Sofern die Beklagte ihren Vortrag dahin verstanden wissen will, dass die vermeintlich unter Wert verkaufte Beteiligung an der Beklagten ein unter Verstoß gegen das Verbot der Wahrnehmung widerstreitender Interessen vereinbartes Erfolgshonorar für die Beratung dahin, die Zwangssituation durch Aufnahme eines weiteren Gesellschafters und Geschäftsführers zu lösen, darstelle, ist eine solche rechtliche Würdigung fernliegend.Randnummer78

(2) Der Erwerb des Geschäftsanteils durch den Kläger ist auch nicht Sittenwidrig und gemäß § 138 BGB nichtig. Das Vorbringen der Beklagten genügt weder, um den Abschluss des notariellen Anteilskaufvertrages vom 28.09.2012 als in Ausnutzung einer Zwangslage des F… R. erfolgt anzusehen, noch begründet es den Vorwurf der Sittenwidrigkeit wegen eines besonders groben Missverhältnisses der Leistungen. Die diesbezüglich aufgestellte Behauptung, der Wert des Geschäftsanteiles habe mehr als das Doppelte des Kaufpreises (75.000 €) betragen, ist vom Kläger unmissverständlich bestritten worden (Schriftsatz vom 14.01.2019 S. 9, Bl. 292 d.A.) und überdies als offensichtlich bloße Behauptung ins Blaue hinein unbeachtlich. Die Beklagte zieht offenbar einen Vergleich zwischen dem Kaufpreis für den Geschäftsanteil (75.000 €) und dem Wert des Betriebsgrundstücks, für das seinerzeit ein vermeintliches Kaufangebot über 500.000 € existiert habe; es liegt auf der Hand, dass der Wert des Geschäftsanteils an einer Gesellschaft mit dem Wert des von dieser innegehaltenen Grundstücks nicht gleichzusetzen ist. Irgendwelche tatsächlichen Umstände, aus denen sich ein (auch nur) höherer Verkehrswert als der in dem notariellen Anteilskaufvertrag vom 28.09.2012 vereinbarte Kaufpreis für den Geschäftsanteil ableiten ließe, sind erst- und zweitinstanzlich nicht dargetan, ein Beweisantritt fehlt gänzlich. Eine andere Sichtweise ist auch nicht dann geboten, wenn zusätzlich die Vereinbarung zur Fälligkeit des Kaufpreises für den Geschäftsanteil mit in den Blick nimmt.Randnummer79

(3) Die Anfechtung gemäß § 123 Abs. 1 BGB wegen arglistiger Täuschung greift ebenfalls nicht durch. Abgesehen davon, dass die Voraussetzungen einer vom Kläger im Zusammenhang mit dem Anteilserwerb gegenüber F… R. begangenen arglistigen Täuschung schon nicht dargetan sind – das klägerische Vorbringen lässt einen Wissensvorsprung des Anteilserwerbers gegenüber F… R. als bisheriger Alleingesellschafter in Bezug auf den Wert des Geschäftsanteils nicht erkennen – ist die Anfechtungsfrist von einem Jahr (§ 124 BGB) mit der erstmals im Schriftsatz vom 15.08.2018 (dort S. 14, Bl. 132 d.A.) erklärten Anfechtung offenkundig nicht gewahrt. Auch auf diesen Aspekt hat – wie im Senatstermin angesprochen – bereits der Kläger in erster Instanz unmissverständlich hingewiesen.Randnummer80

bb) Der Kläger hat seine materiell-rechtliche Gesellschafterstellung auch nicht, insbesondere nicht nach dem 23.05.2018 wieder verloren. Die Beklagte beruft sich zwar auf die in der Gesellschafterversammlung vom 10.03.2021 gefassten Beschlüsse über die Bestätigung der Einziehung sowie über die erneute Einziehung des GeschäftsanteilsBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Einziehung
Einziehung des Geschäftsanteils
Geschäftsanteils
des Klägers (Anlage BK 2, Bl. 1500f d.A.: „die Einziehung des GeschäftsanteilsBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Einziehung
Einziehung des Geschäftsanteils
Geschäftsanteils
von Herrn T… K… wird hiermit bestätigt ersatzweise mit sofortiger Wirkung erneut eingezogen“). Beide Beschlüsse sind indes nichtig.Randnummer81

(1) Der in der Gesellschafterversammlung vom 10.03.2021 gefasste Beschluss über die Einziehung des GeschäftsanteilsBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Einziehung
Einziehung des Geschäftsanteils
Geschäftsanteils
des Klägers ist schon deshalb nichtig, weil ein nichtiger Beschluss – der in der Gesellschafterversammlung vom 23.05.2018 gefasste Einziehungsbeschluss (siehe oben zu 2.c) – nicht bestätigt werden kann (BGH, Urteil vom 26.01.2021 – II ZR 391/18Rn 35).Randnummer82

(2) Der vorsorglich in der Gesellschafterversammlung vom 10.03.2021 gefasste Beschluss über die erneute Einziehung des GeschäftsanteilsBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Einziehung
Einziehung des Geschäftsanteils
Geschäftsanteils
des Klägers ging zwar nicht schon deshalb ins Leere, weil der Geschäftsanteil des Klägers infolge der Streichung in der Gesellschafterliste nicht mehr existent und der Kläger nicht mehr Inhaber des Geschäftsanteils war. Denn die formelle und die materielle Gesellschafterstellung können – wie der vorliegende Fall zeigt – auseinanderfallen mit der Folge, dass der am 10.03.2021 getroffene Einziehungsbeschluss einen materiell-rechtlich existenten Geschäftsanteil betraf (siehe nur BGH, Urteil vom 10.11.2020 – II ZR 211/19Rn. 16 ff). Die Gesellschaft musste auch nicht zuvor eine Voreintragung des Klägers herbeiführen.Randnummer83

Der Einziehungsbeschluss vom 10.03.2021 – für den Bestätigungsbeschluss gilt das Nämliche – ist aber analog § 244 AktG nichtig, weil der Kläger zu der Gesellschafterversammlung nicht geladen worden ist.Randnummer84

Die Rechte des von der Einziehung betroffenen Gesellschafters müssen durch Ladung wie ein Gesellschafter gewahrt werden, wenn die Gesellschaft ihn hinsichtlich der Einziehung wieder als Gesellschafter behandeln will (BGH, Urteil vom 10.11.2020 – II ZR 211/19Rn 32 m.w.N.; vgl. OLG Brandenburg, GmbHR 1998, 1037). Dass der Kläger zu der Gesellschafterversammlung vom 10.03.2021 geladen wurde (§ 241 Nr. 1 AktG analog), behauptet nicht einmal die Beklagte; der Kläger stellt dies explizit in Abrede.Randnummer85

(3) Die in Bezug auf die Gesellschafterversammlung im Übrigen unter den Parteien streitigen Fragen, namentlich wann der Kläger das Protokoll der Gesellschafterversammlung vom 10.03.2021 erhalten hat und ob die unter dem 24.01.2022 insoweit eingereichte „Beschlussanfechtungs- und Feststellungsklage“ (Anlage BK 1, Bl. 1553ff d.A.) innerhalb der Anfechtungsfrist beim Landgericht Potsdam erhoben worden ist, sind nicht in dem vorliegenden Rechtsstreit zu klären.

4.

Steht nach den vorstehenden Ausführungen fest, dass der Kläger (immer noch) Gesellschafter der Beklagten ist, kann er auch verlangen, dass eine ihn als (Mit)Gesellschafter ausweisende Gesellschafterliste zur Hereinnahme in den Registerordner eingereicht wird.Randnummer87

Die Beklagte ist für dieses Klagebegehren auch passivlegitimiert. In der Rechtsprechung (OLG Brandenburg, Beschluss vom 09.07.2019 – 6 W 26/19Rn 21 f; KG Berlin, Beschlüsse vom 13.08.2019 – 2 W 22/19 – und vom 10.07.2019 – 2 W 16/19Rn 9; OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG München
, Beschluss vom 17.06.2015 – 14 W 1132 – Rn. 29; OLG Hamm, Urteil vom 16.04.2014 – 8 U 82/13 Rn 70; OLG Jena, Urteil vom 09.10.2013 – 2 U 678/12Rn 49f, juris) und im Schrifttum (Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbHG 20. Aufl. 2020 § 40 Rn. 58, 102; Seibt in Scholz GmbHG 12. Aufl. 2018 § 40 Rn 67; vgl. bereits die Gesetzesbegründung, BT-Drucks. 16/6140, S. 38) ist mittlerweile allgemein anerkannt, dass auch bei der GmbH entsprechend der Rechtslage bei § 67 Abs. 2 AktG dem tatsächlich Berechtigten ein Anspruch auf Einreichung einer korrigierten Gesellschafterliste zusteht, den er im Wege der Leistungsklage gegen die Gesellschaft durchsetzen kann. Daran ändert die in § 40 Abs. 1 GmbHG vorgesehene Pflicht des Geschäftsführers zur unverzüglichen Einreichung einer aktuellen Gesellschafterliste und deren höchstpersönlicher Charakter nichts (a. A. OLG Brandenburg, 7. Zivilsenat, Beschluss vom 12.02.2013 – 7 W 72/12Rn 12). Denn der Geschäftsführer wird bei Erstellung der Liste und Einreichung als Organ der Gesellschaft tätig, gegen die der Anspruch auf Korrektur der Liste gerichtet ist.

5.

Das Vorbringen der Parteien in den nicht nachgelassenen Schriftsätzen vom 24.06.2022 gibt keinen Anlass zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung, da die Voraussetzungen des § 156 ZPO nicht gegeben sind.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 516 Abs. 3 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit findet ihre Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.Randnummer90

Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs nicht erfordert (§ 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO).Randnummer91

Der Streitwert für die erste Instanz wird gemäß § 63 Abs. 3 Nr. 2 GKG abgeändert und ebenso wie derjenige für das Berufungsverfahren auf 19.750 € festgesetzt.Randnummer92

Maßgeblich für die Höhe des Streitwertes für die Nichtigkeitsklage (Klageantrag zu 1) ist § 247 Abs. 1 AktG analog. Danach ist der Streitwert nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu bestimmen. Der Streitwert bei einem Beschluss über die Einziehung eines Geschäftsanteils entspricht dabei nicht stets dem Verkehrswert dieses Anteils, der lediglich die Obergrenze bildet. Vielmehr ist maßgeblich einerseits das Interesse des Klägers an der Vernichtung des Beschlusses, das wiederum vom wirtschaftlichen Erfolg abhängig ist, den er damit für sich erstrebt. Andererseits ist das (wirtschaftliche) Interesse der Beklagten an der Aufrechterhaltung des Beschlusses zu berücksichtigen (vgl. MükoAkt/Schäfer, 5. Aufl., § 247 Rn. 12). Da der Kläger für die Einziehung des GeschäftsanteilsBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Einziehung
Einziehung des Geschäftsanteils
Geschäftsanteils
entschädigt wird, richtet sich der Streitwert auch hier nicht maßgeblich nach dem Verkehrswert des Geschäftsanteils. Vielmehr geht es um das Interesse der Prozessparteien, ob der Kläger Inhaber des streitgegenständlichen Geschäftsanteils bleibt oder dieser Geschäftsanteil wegfällt. Dieses Interesse hat der Senat nach billigem Ermessen auf 12.500 € festgesetzt. Das mit den Klageanträgen zu 2 und zu 4 verfolgte Interesse deckt sich – anders als noch vom Landgericht gesehen – nicht vollständig mit demjenigen zum Klageantrag zu 1 und ist mit 6.250 € zu bemessen. Den Klageantrag zu 3 bemisst der Senat übereinstimmend mit dem Landgericht mit 1.000,00 €.

Löffler I www.K1.de I www.gesellschaftsrechtskanzlei.com I Gesellschafterliste I Listenkorrektur I Erfurt I Thüringen I Sachsen I Sachsen-Anhalt I Hessen I Deutschland 2022

Schlagworte: Einstweiliger Rechtsschutz und Gesellschafterliste, Einziehungsbeschluss, Gesellschafterliste, Gesellschafterliste bei Ausschlussvorgängen

Veröffentlicht in OLG Brandenburg | Kommentare geschlossen