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OLG Köln, Urteil vom 17.08.2022 – 22 U 30/22

Mittwoch, 17. August 2022

BGB §§ 826, 852

Dem Restschadensersatzanspruch nach § 852 Satz 1 BGB steht nicht entgegen, dass der Kläger im Rahmen des verjährten Hauptanspruchs nur als sogenannten kleinen Schadensersatz den Betrag verlangt hat, um den er aufgrund eines sittenwidrigen vorsätzlichen Verhaltens des Schädigers einen Kaufgegenstand – gemessen an dem objektiven Wert von Leistung und Gegenleistung – zu teuer erworben hat.

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der 12. Zivilkammer – Einzelrichterin – des Landgerichts Aachen vom 17.02.2022 (12 O 328/21) dahin abgeändert, dass die Beklagte unter Klageabweisung im Übrigen verurteilt wird, an die Klägerin 4.080,81 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11.01.2022 zu zahlen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz und des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin zu 46 % und die Beklagte zu 54 %.

Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

(abgekürzt gemäß § 313a Abs. 1 Satz 1, § 540 Abs. 2, § 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO)

Die Berufung des Klägers hat teilweise Erfolg.

I.

Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch dem Grunde nach gegen die Beklagte jedenfalls nach § 826 i.V.m. § 852 Satz 1 BGB zu.

1. Zu den Anspruchsvoraussetzungen des § 826 BGB gilt: 7

a) Durch das Inverkehrbringen des mit dem Motor EA189 versehenen Fahrzeugs, bei dem die sog. Umschaltlogik aktiviert war, schädigte die Beklagte den Kläger in sittenwidriger Weise. Wegen der Begründung im Einzelnen nimmt der Senat Bezug auf die umfangreichen Ausführungen des Bundesgerichtshofs in dessen Urteil vom 25.05.2020 (VI ZR 252/19, juris), die vorliegend gleichermaßen Geltung beanspruchen, insbesondere auch im Hinblick auf die der Entscheidung zugrunde zu legenden tatschlichen Umstände und die subjektiven Vorstellungen bei den im Hause der Beklagten für die Motorenentwicklung verantwortlichen Personen. 8

b) Aufgrund seiner sittenwidrigen Schädigung konnte der Kläger beanspruchen, von der Beklagten so gestellt zu werden, als hätte er den Kaufvertrag über das streitgegenständliche Fahrzeug nicht geschlossen. Ebenso konnte er sich allerdings auch – wovon er hier Gebrauch gemacht hat – dafür entscheiden, den Kaufgegenstand zu behalten und als sogenannten kleinen Schadensersatz den Betrag zu verlangen, um den er diesen gemessen an dem objektiven Wert von Leistung und Gegenleistung zu teuer erworben hatte (vgl. BGH, Urteil vom 06.07.2021 – ZR 40/20, juris Rn. 15). 9

2. Der Anspruch nach § 826 BGB ist allerdings – jedenfalls soweit sich der Kläger zur Begründung seiner Klage auf das Vorhandensein einer Abschalteinrichtung in Form der sogenannten Umschaltlogik bzw. Prüfstandserkennung stützt – aufgrund des von der Beklagten erhobenen Verjährungseinwands nicht mehr durchsetzbar. Spätestens mit Erhalt des seitens der Beklagten verschickten Informationsschreibens war der Kläger im Jahr 2016 sowohl in allgemeiner Kenntnis über den sogenannten Dieselskandal als auch im Bilde über die konkrete Betroffenheit seines Fahrzeugs. Ihm war daher bereits im Jahr 2016 eine Klageerhebung zumutbar (vgl. BGH, Urteil vom 21.02.2022 – VIa ZR 8/21 – juris Rn. 33 ff.; vom 10.02.2022 – VII ZR 365/21 – juris Rn. 17 ff.). Der Lauf der dreijährigen Regelverjährungsfrist (§ 195 BGB) begann mithin gemäß § 199 Abs. 1 BGB am 31.12.2016 und endete bereits vor Klageerhebung mit Ablauf des 31.12.2019. 10

Ob in Bezug auf die Problematik des sogenannten Thermofensters eine andere verjährungsrechtliche Bewertung angezeigt ist, bedarf keiner Entscheidung. Der sich vorliegend aus § 852 BGB ergebende Restschadensersatzanspruch ist in gleicher Weise zu berechnen, wie der aus § 826 BGB folgende Schadensersatzanspruch (s.u.), so dass sich an der Höhe des klägerischen Anspruchs keine Änderungen ergeben. 11

3. Auch die weiteren Voraussetzungen des Restschadensersatzanspruchs liegen vor, da die Beklagte auf Kosten des Klägers einen ihr durch ihr sittenwidriges Verhalten zugeflossenen Vermögensvorteil im Sinne von § 852 BGB erlangt hat. 12

a) Die Beklagte hat – durch einen Vermögensabfluss auf Seiten des Klägers – einen Vermögensvorteil im Sinne von § 852 Satz 1 BGB erlangt. 13

Als erlangtes Etwas im Sinne des § 852 Satz 1 BGB ist jeder dem Ersatzpflichtigen zugeflossene Gegenstand anzusehen (Foerster, VuR 2021, 180, 181; BeckOGK BGB/Eichelberger § 852 Rn. 17; vgl. auch BGH, Urteil vom 13.10.2015 – II ZR 281/14, NJW 2016, 1083 Rn. 30 und 33; Urteil vom 17.12.2020 – VI ZR 739/20, NJW 2021, 918 Rn. 29), so etwa auch das Entgelt aus einem Kaufvertrag anzusehen. Die Beklagte hat aufgrund des vom Kläger ungewollt abgeschlossenen Vertrags einen Vermögensvorteil in Form eines Anspruchs gegen ihren Vertragshändler erlangt, der das Fahrzeug an den Kläger verkauft hat. Dieser Vermögensvorteil hat sich gemäß § 818 Abs. 1 Halbsatz 2 BGB nach Erfüllung dieser Forderung durch den Händler an dem erlangten Entgelt fortgesetzt (vgl. BGH, Urteile vom 21.02.2022 – VIa ZR 57/21, juris Rn. 13, 16; vom 21.02.2022 – VIa ZR 8/21, juris Rn. 82 mwN). 14

b) Die Bereicherung der Beklagten geschah auch auf Kosten des Klägers. 15

aa) Das Merkmal „auf Kosten … erlangt“ in § 852 Satz 1 BGB knüpft an die durch die unerlaubte Handlung bewirkte Vermögensverschiebung an. Es setzt voraus, dass die unerlaubte Handlung auf Seiten des Verletzten zu einem Vermögensnachteil und auf Seiten des Ersatzpflichtigen zu einem Vermögensvorteil geführt hat. Da es sich bei dem Anspruch aus § 852 Satz 1 BGB um eine Fortsetzung des Schadensersatzanspruchs in anderem rechtlichen Kleid handelt, ist für die Vermögensverschiebung eine wirtschaftliche Betrachtung maßgebend. (vgl. zu alledem BGH, Urteil vom 21.02.2022 – VIa ZR 8/21, juris Rn. 68 mwN). 16

bb) Der danach erforderliche Vermögensnachteil des Klägers liegt in der Zahlung des (vollen) Kaufpreises an den Verkäufer des Fahrzeugs. 17

Bei einer sittenwidrigen vorsätzlichen Schädigung wie im Streitfall liegt selbst bei – hier nicht gegebener (s.u.) – objektiver Werthaltigkeit von Leistung und Gegenleistung ein subjektbezogener Vermögensschaden vor, wenn der Betroffene durch das sittenwidrige Verhalten unter Verletzung seines wirtschaftlichen Selbstbestimmungsrechts zum Abschluss eines Kaufvertrags über ein für seine Zwecke nicht voll brauchbares Fahrzeug gebracht wird, das er in Kenntnis dieser Umstände zu den konkreten Konditionen nicht gekauft hätte, und der Kaufvertrag deshalb seinen konkreten Vermögensinteressen nicht angemessen und damit wirtschaftlich nachteilig ist (BGH, Urteil vom 25.05.2020 – VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316 Rn. 46 f. und 53; Urteil vom 20.07.2021 – VI ZR 533/20, NJW 2021, 3594 Rn. 16). Sein dadurch eingetretener Vermögensschaden setzt sich in dem Verlust des Kaufpreises fort, den er in Erfüllung der ungewollten Kaufvertragsverpflichtung zahlt (vgl. BGH, Urteil vom 20.07.2021 – VI ZR 575/20, ZIP 2021, 1922 Rn. 17; Urteil vom 19.10.2021 – VI ZR 148/20, VersR 2022, 186 Rn. 25). Dieser Schaden entfällt nicht, wenn sich der (objektive) Wert oder Zustand des Fahrzeugs in der Folge aufgrund neuer Umstände wie der Durchführung des Software-Updates verändert (BGH, Urteil vom 18.05.2021 – VI ZR 452/19, NJW-RR 2021, 1111 Rn. 13; Urteil vom 05.10.2021 – VI ZR 495/20, WM 2021, 2107 Rn. 10; Urteil vom 14.12.2021 – VI ZR 676/20, WM 2022, 343 Rn. 25; Urteil vom 16.12.2021 – VII ZR 389/21, ZIP 2022, 220 Rn. 15). 18

Der subjektbezogene Vermögensschaden ist vielmehr unabhängig davon gegeben, ob der Käufer einen Anspruch nach § 826 BGB durchsetzen kann oder nach Verjährung dieses Anspruchs sein Begehren auf § 852 Satz 1 BGB stützt. Die Bestimmung des § 852 Satz 1 BGB lässt den verjährten Schadensersatzanspruch als solchen unberührt und begrenzt lediglich den Umfang des danach zu ersetzenden Schadens nach Maßgabe der §§ 818 ff. BGB auf die durch die unerlaubte Handlung eingetretene Bereicherung des Ersatzpflichtigen (vgl. Ebert, NJW 2003, 3035, 3037; BeckOK BGB/Spindler § 852 Rn. 3; BeckOGK BGB/Eichelberger § 852 Rn. 25; MüKoBGB/Wagner, 8. Aufl., § 852 Rn. 6; zu § 852 Abs. 3 BGB in der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung vgl. BGH, Urteil vom 14.02.1978 – X ZR 19/76, BGHZ 71, 86, 99). Sie hat daher dieselben Voraussetzungen wie der verjährte Schadensersatzanspruch. Soweit der Kläger aufgrund des ungewollt abgeschlossenen Kaufvertrags nach § 826 BGB geschädigt ist, geht ein daraus resultierender Vermögensvorteil der ihn schädigenden Beklagten daher auch nach § 852 Satz 1 BGB auf seine Kosten (BGH, Urteil vom 21. Februar 2022 – VIa ZR 8/21, juris Rn. 71). 19

cc) Der im Rahmen von § 852 Satz 1 BGB erforderliche Zusammenhang zwischen dem Vermögensnachteil des Klägers und dem Vermögensvorteil der Beklagten ist nicht deshalb zu verneinen, weil der Kläger selbst unmittelbar nur mit seinem Verkäufer in einer vertraglichen Beziehung stand. 20

(1) Liegt dem Schaden des Käufers der Kauf eines Neufahrzeugs zugrunde, schließt der Umstand, dass der Vermögensvorteil der Beklagten nicht unmittelbar auf dem schadensbegründenden Vertrag zwischen der Klägerin und dem Händler beruht, sondern durch den Vertrag der Beklagten mit dem Händler vermittelt wird, den zwischen Vermögensabfluss auf Seiten des Geschädigten und Vermögensvorteil auf Seiten des Fahrzeugherstellers erforderlichen Zusammenhang nicht zwingend aus. Denn im Rahmen des § 852 Satz 1 BGB kommt es nicht darauf an, auf welchem Weg die erforderliche Vermögensverschiebung stattgefunden hat; insbesondere muss sie sich nicht unmittelbar zwischen dem Ersatzpflichtigen und dem Verletzten vollzogen haben. Allerdings setzt der Anspruch nach § 852 Satz 1 BGB in diesem Fall voraus, dass der Bestellung des Fahrzeugs von dem Händler bei dem Fahrzeughersteller – hier der Beklagten – der Kaufvertrag zwischen Händler und Geschädigtem zugrunde gelegen hat. Hat der Händler das Fahrzeug demgegenüber unabhängig von einer Bestellung seines Käufers vor dem Weiterverkauf auf eigene Kosten und eigenes Absatzrisiko erworben, fehlt es an dem für §§ 826, 825 Satz 1 BGB erforderlichen Zurechnungszusammenhang (BGH, Urteil vom 21.03.2022 – VIa ZR 275/21, juris Rn. 27 f.). Diese Differenzierung kann lediglich in den Fällen des Gebrauchtwagenkaufs dahinstehen, da in dieser Konstellation grundsätzlich kein Anspruch nach § 852 Satz 1 BGB gegen den Fahrzeughersteller besteht, wenn der Käufer das Fahrzeug von einem Dritten erworben hat (vgl. BGH, Urteil vom 21.02.2022 – VIa ZR 57/21, juris Rn. 14 mwN). 21

(2) Nach diesen Maßstäben ist der erforderliche Zusammenhang zwischen Vermögenschaden auf Seiten des Klägers und dem in Gestalt des für das Fahrzeug erlangten Kaufpreises bestehenden Vermögensvorteil auf Seiten der Beklagten zu bejahen. Insbesondere handelte es sich bei dem Kauf des streitgegenständlichen Fahrzeugs um einen Neuwagenkauf. Auch wenn der Kläger diesen seinerzeit von dem als Verkäufer auftretenden VW-Vertragshändler mit einem Kilometerstand von 8 km erworben hatte, besteht bei einer Gesamtschau aller weiteren Umstände des Einzelfalls hieran kein Zweifel. So wird das Fahrzeug auch in der Rechnung vom 06.11.2012 das Fahrzeug von dem Verkäufer selbst als „Neuwagen“ bezeichnet. Zudem folgt aus der Auftragsbestätigung vom 06.10.2011, dass das Fahrzeug erst auf den mit dem Kläger abgeschlossenen Kaufvertrag von dem Verkäufer bei der Beklagten bestellt worden war (vgl. zu diesem Aspekt auch BGH, Urteil vom 21.03.2022 – VIa ZR 275/21 Rn. 28). Hierfür sprechen nicht nur die aus der Auftragsbestätigung ersichtlichen Sonderausstattungen, sondern insbesondere auch der Umstand, dass der Verkäufer des Klägers diesem im Oktober 2011 nur einen unverbindlichen Liefertermin für das 2. Quartal 2012 zusagen konnte. 22

dd) Schließlich steht dem im Rahmen von § 852 Satz 1 BGB erforderlichen Zurechnungszusammenhang auch nicht entgegen, dass der Geschädigte – wie hier der Kläger – vorliegend nur den sogenannten kleinen Schadensersatz geltend macht (so auch OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG München
, Urteil vom 19.05.2022 – 24 U 4614/21, juris Rn. 16). Dieser Anspruch richtet sich auf den Betrag, um den der Kläger den Kaufgegenstand – gemessen an dem objektiven Wert von Leistung und Gegenleistung – zu teuer erworben hat (vgl. BGH vom 06.07.2021 – VI ZR 40/20, juris Rn. 15; OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG München
aaO, Rn. 17). War ein derartiges Missverhältnis aufgrund des sittenwidrigen Verhaltens des Fahrzeugherstellers bei Vertragsschluss aber gegeben, entspricht der geltend gemachte Minderwert des Fahrzeugs dem Anteil des (objektiv) überhöhten Kaufpreises und damit zugleich der Bereicherung des Fahrzeugherstellers. 23

4. Zur Höhe des klägerischen Anspruchs gilt: 24

a) Da es sich bei dem Restschadensersatzanspruch aus § 852 Satz 1 BGB um die (lediglich der Höhe nach auf das Erlangte gedeckelte) Fortsetzung des ursprünglichen Schadensersatzanspruchs aus § 826 BGB handelt, steht dem Geschädigten auch in diesem Rahmen die Wahl des kleinen statt des großen Schadensersatzes frei. Dabei ist der kleine Schadensersatzanspruch im Rahmen des § 852 Satz 1 BGB genauso zu berechnen wie es vor Eintritt der Verjährung im Rahmen des § 826 BGB der Fall war (OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG München
, Urteil vom 19. Mai 2022 – 24 U 4614/21, juris Rn. 16). Ausgangspunkt für die Höhe des kleinen Schadensersatzanspruchs ist der Betrag, um den der Kläger „den Kaufgegenstand – gemessen an dem objektiven Wert von Leistung und Gegenleistung – zu teuer erworben hat“ (vgl. BGH vom 06.07.2021 – VI ZR 40/20, juris Rn. 15; OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG München
aaO, Rn. 17). 25

Allerdings hat die Beklagte den vom Kläger erlangten Kaufpreis nur insoweit herauszugeben, als dieser sich darauf nicht durch die Vollziehung des Kaufvertrages erlangte Vorteile anrechnen lassen muss. Dem Kläger kann als Restschadensersatz nach § 852 Satz 1 BGB nicht mehr zugesprochen werden, als er vor der Verjährung seines Schadensersatzanspruchs aus § 826 BGB verlangen konnte. Wegen der Rechtsnatur des § 852 Satz 1 BGB als im Umfang beschränkter Schadensersatzanspruch wird die herauszugebende Bereicherung des Ersatzpflichtigen durch den Schaden des Verletzten begrenzt. Auf den von der Beklagten erlangten Kaufpreis sind daher insbesondere die vom Kläger gezogenen Nutzungen anzurechnen. Dies gilt wegen des schadensersatzrechtlichen Bereicherungsverbots auch für diejenigen Nutzungen, die der Kläger nach Eintritt der Verjährung gezogen hat. Die Vorteilsanrechnung basiert darauf, dass der Kläger mit der fortgesetzten Nutzung des Fahrzeugs einen geldwerten Vorteil erzielt hat. Die Verjährung seines Schadensersatzanspruchs ändert hieran nichts. (vgl. zu alledem BGH, Urteil vom 21.02.2022 – VIa ZR 8/21, juris Rn. 83 f, mwN). Zudem ist der in dem Restwert des Fahrzeugs liegende Vorteil bei der Schadensbestimmung zu berücksichtigen, da auch dieser Vorteil bei Geltendmachung des kleinen Schadensersatzes im Vermögen des Klägers verbleibt (vgl. OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG München
, Urteil vom 19. Mai 2022 – 24 U 4614/21, juris Rn. 18, 21). 26

b) Nach diesen Maßstäben hat der Senat zunächst den Minderwert des Fahrzeugs – wie in der Berufungsverhandlung erörtert – gemäß § 287 Abs. 1 Satz 1 ZPO geschätzt und mit 15 % des Bruttokaufpreises bemessen. Dem liegen folgende Erwägungen zugrunde: 27

aa) Für die Berechnung des sogenannten kleinen Schadensersatzes ist zunächst der Vergleich der Werte von Leistung und Gegenleistung im Zeitpunkt des Vertragsschlusses maßgeblich. Dies schließt eine schadensmindernde Berücksichtigung später eintretender Umstände im Rahmen der Vorteilsausgleichung zwar nicht aus. So ist etwa auch eine etwaige Aufwertung des Fahrzeugs durch ein Software-Update als nachträgliche Maßnahme der Beklagten, die gerade der Beseitigung der Prüfstanderkennungssoftware dienen soll, zu berücksichtigen; dabei sind allerdings etwaige mit dem Software-Update verbundene Nachteile in die Bewertung des Vorteils gleichermaßen einzubeziehen und in den so zu bemessenden Schaden „einzupreisen“ (BGH, Urteil vom 05.10.2021 – VI ZR 136/20, juris Rn. 17). Da diese Umstände in dem Restwert des Fahrzeugs zum Ausdruck kommen, hat der Senat sie bei dessen Bestimmung berücksichtigt. 28

bb) Nach diesen Maßstäben hat der Senat bei der wirtschaftlichen Bewertung des Fahrzeugs und seines damaligen Wertes die im Zeitpunkt des Vertragsschlusses bestehende Unsicherheit in den Blick genommen, dass das Fahrzeug aufgrund der verbauten Prüfstandserkennung dem Risiko einer (späteren) Betriebsuntersagung bzw. -stilllegung ausgesetzt war. Den hierin begründeten Minderwert des Fahrzeugs schätzt der Senat auf 15 % des Bruttokaufpreises. Ausgehend von einem Kaufpreis in Höhe von 30.010 € beträgt er damit 4.501,50 €. 29

c) Spiegelbildlich zu diesem Minderwert betrug der tatsächliche Wert des Fahrzeugs bei Abschluss des Kaufvertrages damit 25.508,50 €. Nur soweit der Wert der seit diesem Zeitpunkt von dem Kläger gezogenen Nutzungen und der tatsächliche Restwert des Wagens diesen Betrag übersteigen, muss sich der Kläger die Differenz im Wege des Vorteilsausgleichs anrechnen lassen, da er andernfalls – könnte er den gesamten Minderwert verlangen – vermögensmäßig besser stünde, als wenn er den Kaufvertrag nicht geschlossen hätte (vgl. OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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, Urteil vom 19. Mai 2022 – 24 U 4614/21, juris Rn. 22). Dies führt vorliegend zu einem Anspruch des Klägers in Höhe von noch 4.080,81 €. Im Einzelnen: 30

aa) Den im Rahmen des Vorteilsausgleichs (gegebenenfalls) zu berücksichtigenden tatsächlichen Restwert des streitgegenständlichen Autos schätzt der Senat gemäß § 287 Abs. 1 ZPO auf 10.000 €. Grundlage dafür ist – wie in der Berufungsverhandlung erörtert – im Ausgangspunkt eine Recherche auf der Internetseite der „A“ (Internetadresse 1; vgl. hierzu auch OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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, Urteil vom 19.05.2022 – 24 U 4614/21, juris Rn. 20) am 27.07.2022. Die dortige Wertermittlung berücksichtigt insbesondere die Postleitzahl des Eigentümers (also die Region, in der das Fahrzeug verkauft werden würde), die Erstzulassung und Laufleistung des Fahrzeugs sowie den Fahrzeugtyp Volkswagen Tiguan Track & Field 4Motion 2,0 l TDI sowie die Motorleistung. Die Recherche des Senats hat eine Wertindikation von 8.100 € ergeben. Diesen Wert hat der Senat indes nur als Ausgangspunkt seiner Schätzung genommen, da Fahrzeuge der streitgegenständlichen Art auf anderen Verkaufsportalen mit teilweise deutlich höheren Preisen angeboten werden, wobei hierbei wiederum relativierend zu berücksichtigen ist, dass es sich bei den dort angezeigten Verkaufswerten nur um die Angebote der Verkäuferseite und nicht um die letztlich erzielten Verkaufspreise handelt. Unter Berücksichtigung dieser Umstände erscheint die Annahme eines Restwertes für das klägerische Fahrzeug in Höhe von 10.000 € angemessen. 31

bb) Bei der Beurteilung, ob von dem Anspruch des Klägers im Hinblick auf die Grundsätze des Vorteilsausgleichs Abzüge vorzunehmen sind, war des Weiteren der Vorteil in den Blick zu nehmen, den dieser durch die Nutzung des Fahrzeugs erzielt hat. Diesen hat der Senat ebenfalls gemäß § 287 ZPO geschätzt, wobei er entsprechend seiner ständigen Rechtsprechung, von der abzuweichen der vorliegende Sachverhalt keinen Anlass bietet, für das streitgegenständliche Dieselfahrzeug eine zu erwartende Gesamtfahrleistung in Höhe von 250.000 km zugrunde gelegt hat. Unter Berücksichtigung des Kaufpreises von 30.010 € sowie einer Fahrtleistung durch den Kläger in Höhe von 132.699 km (133.707 km Fahrleistung im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat abzüglich des Kilometerstandes von acht km bei Übergabe des Fahrzeugs an den Kläger) ergibt dies nach der Formel Kaufpreis / zu erwartende Gesamtfahrleistung * Fahrleistung des Klägers eine Nutzungsentschädigung in Höhe von 15.929,19 €. 32

cc) Damit summieren sich die im Vermögen des Klägers vorhanden Vorteile auf insgesamt 25.929,19 € (10.000 € [Restwert] + 15.929,19 € [Nutzungsvorteile]). Erhielte er nunmehr den Minderwert in voller Höhe von 4.501,50 €, hätte er in Folge des Kaufvertragsschlusses insgesamt 30.430,69 € erhalten, indes nur 30.010 € gezahlt. In Höhe der Überkompensation von 420,69 € ist sein Anspruch daher zu kürzen; dies ergibt den zuerkannten Betrag in Höhe von 4.080,81 €. 33

d) Dass durch die Beklagte im Sinne von § 852 Satz 1 BGB Erlangte entsprach auch wertmäßig mindestens diesem Betrag. Zwar ist bei der Bestimmung des Erlangten zu berücksichtigen, dass die Beklagte das Fahrzeug nicht zu dem von dem Kläger gezahlten Kaufpreis, sondern unter Berücksichtigung der Händlermarge an den in der Leistungskette zwischengeschalteten Autohändler veräußert hatte (vgl. BGH, Urteil vom 21.02.2022 – VIa ZR 57/21, juris Rn. 16). Der Senat kann offenlassen, wie hoch diese Marge vorliegend konkret ausgefallen ist. Jedenfalls ist bei lebensnaher Betrachtung ausgeschlossen, dass die Beklagte das Fahrzeug zu einem Preis von lediglich 4.080,81 € (oder darunter) an ihren Vertragshändler geliefert hatte. 34

Aufwendungen der Beklagten wie die Kosten für die Herstellung des Fahrzeugs, die Entfernung der Steuerungssoftware oder die diesbezügliche Information der Öffentlichkeit haben im Übrigen gemäß § 852 Satz 1, § 818 Abs. 4, § 819 Abs. 1 BGB bei der Bestimmung des Erlangten außer Betracht zu bleiben (vgl. BGH, BGH, Urteile vom 21.02.2022 – VIa ZR 57/21, juris Rn. 17; vom 21.02.2022 – VIa ZR 8/21, juris Rn. 92 ff.). 35

5. Der zuerkannte Zinsanspruch folgt aus §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2, § 187 Abs. 1 analog BGB; der auf die Geltendmachung des kleinen Schadensersatzes gerichtete Klageantrag wurde der Beklagten am 10.01.2022 zugestellt. Bei der Zinsentscheidung hat der Senat unberücksichtigt gelassen, dass die zwischenzeitliche Fahrleistung des Klägers bei Klageerhebung und damit zugleich die im Wege des Vorteilsausgleichs zu berücksichtigende Nutzungsentschädigung geringer gewesen sein dürften. Aus dem Umstand, dass das Fahrzeug seit Übergabe an den Kläger innerhalb von rund zehn Jahren 132.399 km zurückgelegt hat, ergibt sich allerdings eine (nicht unerhebliche) durchschnittliche jährliche Fahrtleistung des Klägers von rund 13.270 km. Angesichts dessen geht der Senat gemäß § 287 ZPO davon aus, dass der geringeren Fahrleistung zugleich eine entsprechende Erhöhung des Fahrzeugwertes entsprochen hat, so dass sich hinsichtlich des Vorteilsausgleichs bezogen auf den Zeitpunkt der Zustellung des Klageantrags kein anderes Ergebnis ergibt. 36

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 Satz 1, § 97 Abs. 1, § 269 Abs. 3 Satz 2  ZPO. Grundlage der Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit sind § 708 Nr. 10, § 713 ZPO. 38

III.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da keine Zulassungsgründe im Sinne von § 543 Abs. 2 ZPO vorliegen.

IV.

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 7.502,50 € festgesetzt. Der zwischenzeitlich zurückgenommene Antrag auf Erstattung vorgerichtlich angefallener Rechtsanwaltskosten ist ohne eigenständigen Wert, § 43 Abs. 1 GKG.

Löffler I www.K1.de I www.gesellschaftsrechtskanzlei.com I Gesellschaftsrecht I GmbHRecht I Erfurt I Thüringen I Sachsen I Sachsen-Anhalt I Hessen I Deutschland 2022

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OLG Köln, Urteil vom 21.07.2022 – I-18 U 139/21

Donnerstag, 21. Juli 2022

Versammlungsleiter

§ 48 GmbHG

Die Befugnis zur Feststellung des Zustandekommens eines Beschlusses der Gesellschafter kann durch Mehrheitsbeschluss dem Leiter der Gesellschafterversammlung oder einem Gesellschafter zugewiesen werden.

Tenor

Die Berufungen der Parteien gegen das Urteil des Landgerichts Köln vom 15.07.2021 werden zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufungen werden gegeneinander aufgehoben.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Den Parteien wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch die jeweils andere Partei gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die die Zwangsvollstreckung betreibende Partei zuvor Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe

I.

Der Kläger wendet sich im Wege der Beschlussanfechtungsklage gegen jeweils zwei Beschlüsse, die die Gesellschafter der Beklagten am 17.12.2019 und 05.06.2020 gegen seine Stimme gefasst haben.Randnummer2

Im Jahr 1998 wurde die Beklagte von den Herren A, B und C gegründet. Alle drei Gesellschafter waren als Geschäftsführer tätig. Der Kläger erwarb im Jahr 2008 den Geschäftsanteil des Herrn C und übernahm gleichzeitig das Amt eines weiteren Geschäftsführers der Beklagten.Randnummer3

Der Gesellschaftsvertrag (Anlage 4 zum Schriftsatz des Klägers vom 30.06.2020; Bl. 6 ff. AnlH II) hat u.a. folgenden Inhalt:Randnummer4

„§ 7 – GesellschafterversammlungRandnummer5

[…]Randnummer6

6. Die Gesellschafterversammlung wird von einem aus ihrer Mitte zu wählenden Versammlungsleiter geleitet, der für eine ordnungsgemäße Protokollierung der Beschlüsse Sorge zu tragen hat.Randnummer7

7. Je DM 500,- der übernommenen Stammeinlagen gewähren eine Stimme.Randnummer8

8. Die Gesellschafterbeschlüsse werden, soweit nicht im Gesetz oder nach dieser Satzung andere Mehrheiten vorgesehen ist, mit einfacher Mehrheit des vertretenen stimmberechtigten Kapitals gefasst.Randnummer9

9. Soweit das Gesetz nicht entgegensteht, ist die Beschlussfassung auch im schriftlichen, telefonischen oder fernschriftlichen Verfahren möglich.Randnummer10

10. Sämtliche Gesellschafterbeschlüsse sind -soweit keine notarielle Beurkundung stattzufinden hat- schriftlich zu fassen und von dem Versammlungsleiter bzw. außerhalb von Gesellschafterversammlungen von den Geschäftsführern zu unterschreiben und den Gesellschaftern abschriftlich per Einschreiben zu übersenden oder mit Empfangsquittung zu übergeben.Randnummer11

§ 8 – Jahresabschluss, Gewinnverwendung, SteuerklauselRandnummer12

[…]Randnummer13

3. Jeder Gesellschafter nimmt am Gewinn der Gesellschaft entsprechend dem Verhältnis der Geschäftsanteile zueinander teil.Randnummer14

4. Die Gesellschafterversammlung stellt innerhalb von 8 Monaten seit Schluss des Geschäftsjahres den Jahresabschluss fest und beschließt nach freiem Ermessen und mit 3/4 Mehrheit des stimmberechtigten Kapitals über die Verwendung des jährlichen Reingewinns, insbesondere bei einer Einstellung von Beträgen in Gewinnrücklagen oder über einen Gewinnvortrag oder über eine Ausschüttung an die Gesellschafter. Sollte kein mehrheitlicher Gewinnverwendungsbeschluss zustande kommen, so wird der Steuerbilanzgewinn vor Ertragssteuern und Tantiemen wie folgt verwendet: 50 % dieses Betrages wird als Tantiemen an die Geschäftsführer ausgeschüttet, der verbleibende Betrag wird zu 50% an die Gesellschafter als Gewinn ausgeschüttet und 50% verbleibt als Gewinnrücklage der Gesellschaft.Randnummer15

5. Soweit, aus welchen Gründen auch immer, verdeckte Gewinnausschüttungen durch die Finanzbehörde festgestellt werden, sind die begünstigten Gesellschafter verpflichtet, die auf die verdeckte GewinnausschüttungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Gewinnausschüttung
verdeckte Gewinnausschüttung
entfallende Körperschaftssteuer an die Gesellschaft zu erstatten. Die anteilige Körperschaftssteuer ergibt sich aus der Differenz zwischen der vereinbarten und der angemessenen Vergütung durch die daraus zu viel erteilte Steuergutschrift. Der Anspruch gegen den begünstigten Gesellschafter wird mit Rechtskraft des entsprechenden Körperschaftssteuerbescheides zur Zahlung festgelegt und ist nach Ablauf eines Monats von diesem Zeitpunkt an mit 2% über dem jeweiligen Bundesdiskontsatz jährlich zu verzinsen.“Randnummer16

Die Geschäftsführeranstellungsverträge der Geschäftsführer-Gesellschafter B und A beinhalteten einen Anspruch auf Geschäftsführergehalt in Höhe von 169.000,00 EUR jährlich zuzüglich Zahlung einer Tantieme; der Kläger wurde für seine Tätigkeit als Geschäftsführer entsprechend entlohnt. Im Jahr 2013 wurde die Tantieme für das Geschäftsjahr 2014 auf 50.000 EUR/Gesellschafter-Geschäftsführer beschränkt (Anlage 12 zum Schriftsatz des Klägers vom 30.06.2020; Bl. 56 AnlH II), wobei es auch in den folgenden Jahren geblieben ist.Randnummer17

Der Kläger teilte den Mitgesellschaftern am 25.01.2019 mit, dass er beabsichtige, das Unternehmen der Beklagten zu verlassen. Der Kläger und die übrigen Gesellschafter führten mehrere Gespräche bezüglich seines Ausscheidens, deren Gegenstand auch der Verkauf seiner Gesellschaftsbeteiligung war, ohne dass es zu einer Einigung kam. Am 29.06.2019 legte der Kläger sein Geschäftsführeramt aus wichtigem Grund nieder. Im August 2020 wurde dann zwischen den Parteien ein Aufhebungsvertrag zum Geschäftsführervertrag mit Wirkung zum 30.06.2019 geschlossen (Anlage 5 zum Schriftsatz des Klägers vom 30.06.2020; Bl. 18 ff. AnlH II), in dem u. a. ein Tantiemeanspruch des Klägers für das Geschäftsjahr 2018 in Höhe von 50.000 EUR festgeschrieben und ein weitergehender Vergütungsanspruch des Klägers ausgeschlossen wurde.Randnummer18

Mit Schreiben vom 22.11.2019 (Anlage 6 zum Schriftsatz des Klägers vom 30.06.2020; Bl. 22f. AnlH II) luden die Geschäftsführer der Beklagten zu einer ordentlichen Gesellschafterversammlung zum 17.12.2019 ein. Mit diesem Einladungsschreiben wurde dem Kläger der Jahresabschluss vom 31.12.2018 übersandt. In der Gesellschafterversammlung wurden ausweislich des Protokolls (Anlage 7 zum Schriftsatz des Klägers vom 30.06.2020; Bl. 24 ff. AnlH II) u. a. gegen den Widerspruch des durch Rechtsanwalt D vertretenen Klägers folgende Beschlüsse gefasst:Randnummer19

2. … Die Anstellungsverträge der Geschäftsführer A und B werden wie folgt geändert: Ab dem 01.01.2019 wird die Festvergütung auf jeweils 290.000 Euro brutto p.a. angehoben. Kosten der Gesellschaft für eine Altersversorgung des jeweiligen Geschäftsführers werden auf die Vergütung angerechnet. Wird ein Dienstwagen nicht in Anspruch genommen, so erfolgt zusätzlich eine Ausgleichszahlung in Höhe der tatsächlich bei dem anderen Geschäftsführer entstandenen Kosten des Dienstwagens, dessen Nettokaufpreis maximal 60.000 Euro betragen darf. Auf Tantiemen ab dem 01.01.2018 finden die Regelungen des Gesellschaftsvertrages Anwendung. […]Randnummer20

3. … Der Jahresabschluss zum 31.12.2018 in der der Einladung als Anlage beigefügten Fassung wird festgestellt.“Randnummer21

Mit Schreiben vom 11.05.2020 (Anlage 10 zum Schriftsatz des Klägers vom 30.06.2020; Bl. 51f. AnlH II) wurde zur Fassung von Gesellschafterbeschlüssen in Textform eingeladen. Die Gesellschafter hielten unter dem 04.06.2020 hierauf bezogen eine Telefonkonferenz ab. Die privatschriftliche Niederschrift über die in Textform gefassten Beschlüsse vom 05.06.2020 (Anlage 1 zum Schriftsatz des Klägers vom 30.06.2020; Bl. 1 AnlH II) lautet wie folgt:Randnummer22

„Die Stimmabgabe ergab folgende Ergebnisse:Randnummer23

1. Beschlussfeststellungskompetenz von Herrn A. Dafür haben die Gesellschafter A und B, dagegen hat Herr E gestimmt. Damit wird das Zustandekommen des Beschlusses festgestellt.Randnummer24

2. Vorsorgliche erneute Feststellung des JahresabschlussesBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Feststellung
Feststellung des Jahresabschlusses
zum 31.12.2018. Dafür haben die Gesellschafter A und B, dagegen hat Herr E gestimmt. Damit ist der Jahresabschluss festgestellt“.Randnummer25

Der Kläger ist der Auffassung, die vorstehend zitierten Beschlüsse vom 17.12.2019 und 05.06.2020 seien nichtig, jedenfalls aber anfechtbar, weil sich die Mitgesellschafter durch die rückwirkende Erhöhung ihrer Geschäftsführervergütung einen unberechtigten Vorteil verschafft hätten und ihm der für die Beschlussfassung über den Jahresabschluss erforderliche Einblick in die Gesellschaftsunterlagen nicht gewährt worden sei. Eine Beschlussfeststellungskompetenz des Versammlungsleiters könne nur durch die Satzung oder einstimmigen Beschluss begründet werden. Der Jahresabschluss 2018 sei aufgrund der darin enthaltenen unberechtigten Rückstellungen sowie der Nichterfüllung von Auskunftsansprüchen unwirksam. Wegen des weiteren Vortrags der Parteien in erster Instanz und der dort gestellten Anträge wird auf das angefochtene Urteil (Bl. 8 ff. d. eA.) Bezug genommen.Randnummer26

Das Landgericht hat die Klage hinsichtlich der Beschlüsse vom 17.12.2019 für begründet gehalten. Trotz des erklärten Austritts des Klägers aus der Gesellschaft zum 31.12.2020 fehle diesem nicht die Anfechtungsbefugnis. Diese sei regelmäßig aufgrund der Gesellschafterstellung gegeben und entfalle erst, wenn der Anfechtende nicht mehr als Inhaber eines Geschäftsanteils in der Gesellschafterliste eingetragen ist, wofür es aber derzeit keine Anhaltspunkte gebe. Die Klage sei in Bezug auf die Beschlüsse der Gesellschafterversammlung vom 17.12.2019 zu TOP 2 und TOP 3 dahingehend begründet, dass diese zwar nicht nichtig, aber anfechtbar seien. Die Beschlüsse vom 05.06.2020 seien dagegen rechtlich nicht zu beanstanden.Randnummer27

Hiergegen wenden sich die Parteien mit ihren jeweils form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufungen.Randnummer28

Der Kläger ist der Auffassung, dass einem etwaigen Versammlungsleiter Beschlussfeststellungskompetenz nur durch Satzungsregelung oder einstimmigen Gesellschafterbeschluss zugewiesen werden könne. Hinsichtlich des Jahresabschlusses 2018 habe das Landgericht nicht berücksichtigt, dass die darin zu Unrecht enthaltenen Rückstellungen den verteilungsfähigen Gewinn der Beklagten zu seinen Lasten schmälerten.Randnummer29

Er beantragt,Randnummer30

1. unter teilweiser Abänderung des Urteils des Landgerichts Köln vom 15.07.2021, Az. – 83 0 1/21 – wird festgestellt,

dass der in Textform von den Gesellschaftern der A B E Gesellschaft für aktuarielle Beratung, AG Köln, HRB X1, (vermeintlich) zu 1. gefasste Beschluss, dem Geschäftsführer und Gesellschafter A für die Beschlussfassung zu den nachfolgenden Beschlussgegenständen zu 2. Beschlussfeststellungskompetenz zu verleihen (protokolliert durch privatschriftliche Niederschrift vom 05.06.2020, Anlage F 1 zum erstinstanzlichen Schriftsatz (Klageschrift) vom 30.06.2020), nichtig ist; 

hilfsweise

unter teilweiser Abänderung des Urteils des Landgerichts Köln vom 15.07.2021, Az. – 83 0 1/21 wird in Textform von den Gesellschaftern der A B E Gesellschaft für aktuarielle Beratung, AG Köln, HRB X1, (vermeintlich) zu 1. gefasste Beschluss, dem Geschäftsführer und Gesellschafter A für die Beschlussfassung zu den nachfolgenden Beschlussgegenständen zu 2. Beschlussfeststellungskompetenz zu verleihen (protokolliert durch privatschriftliche Niederschrift vom 05.06.2020, Anlage F 1 zum erstinstanzlichen Schriftsatz (Klageschrift) vom 30.06.2020), für nichtig erklärt;Randnummer31

2. unter teilweiser Abänderung des Urteils des Landgerichts Köln vom 15.07.2021, Az. – 83 0 1/21 -, wird festgestellt,

dass der in Textform von den Gesellschaftern der A B E Gesellschaft für aktuarielle Beratung, AG Köln, HRB X1, (vermeintlich) zu 2. gefasste Beschluss, den Jahresabschluss der A B E Gesellschaft für aktuarielle Beratung mbH zum 31.12.2018 (Anlage F 1 zum Schriftsatz (Klageschrift) vom 14.02.2020) festzustellen (protokolliert durch privatschriftliche Niederschrift vom 05.06.2020, Anlage F 1), nichtig ist; hilfsweise unter teilweiser Abänderung des Urteils des Landgerichts Köln vom 15.07.2021, Az. – 83 0 1/21 -, wird der in Textform von den Gesellschaftern der A B E Gesellschaft für aktuarielle Beratung, AG Köln, HRB X1, (vermeintlich) zu 2. gefasste Beschluss, den Jahresabschluss der A B E Gesellschaft für aktuarielle Beratung mbH zum 31.12.2018 (Anlage F 1 zum Schriftsatz (Klageschrift) vom 14.02.2020) festzustellen (protokolliert durch privatschriftliche Niederschrift vom 05.06.2020, Anlage F 1), für nichtig erklärt.Randnummer32

Die Beklagte beantragt,Randnummer33

1. die Berufung des Klägers zurückzuweisen undRandnummer34

2. unter Abweisung des Urteils des Landgerichts Köln vom 15. Juli 2021 (Az. 83 O 1/21) die Klage insgesamt abzuweisen.Randnummer35

Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung, soweit sie ihr günstig ist. Im Übrigen vertritt sie die Auffassung, dass die Beschlüsse vom 17.12.2019 wirksam seien. Das Landgericht habe in Bezug auf den Beschluss zur Anhebung der Vergütung den gesellschaftsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz rechtsfehlerhaft zur Anwendung gebracht. Sie behauptet, gemessen an ihrer Größe und Ertragskraft sei eine jährliche Festvergütung in Höhe von 290.000,00 EUR schon zum 1. Januar 2019 angemessen gewesen. Der Kläger sei durch den streitgegenständlichen Gesellschafterbeschluss auch nicht in seinem Recht auf Gleichbehandlung beschnitten worden. Vielmehr habe es ihm freigestanden, bei der Gesellschafterversammlung am 17. Dezember 2019 ebenfalls eine rückwirkende Gehaltsanpassung für sich (für den Zeitraum 1. Januar bis 30. April 2019) zu beantragen. Zumindest liege keine willkürliche Ungleichbehandlung vor. Selbst wenn man einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz annehmen würde, so würde dieser nicht zwangsläufig zur Unwirksamkeit des Beschlusses zu TOP 2 führen. Allenfalls könne Teilunwirksamkeit dieses Beschlusses angenommen werden. Ebenfalls rechtsfehlerhaft habe das Landgericht die Feststellung getroffen, der Gesellschafterbeschluss vom 17. Dezember 2019 zu TOP 3 (Feststellung des JahresabschlussesBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Feststellung
Feststellung des Jahresabschlusses
2018) sei unwirksam. Insbesondere habe der Kläger den Personalbereich im Jahr 2018 selbst verantwortet. Daher seien ihm die Gründe der Kostensteigerung für Gehälter im Jahr 2018 bestens bekannt gewesen.Randnummer36

Der Kläger verteidigt das Urteil des Landgerichts, soweit dieses die Beschlüsse vom 17.12.2019 für unwirksam erklärt hat und beantragt,Randnummer37

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

II.

Die Berufungen der Parteien sind zulässig. In der Sache haben jedoch beide Berufungen keinen Erfolg.Randnummer39

1. Die Berufung des Klägers betrifft die angegriffenen Beschlüsse der Gesellschafter der Beklagten vom 05.06.2020. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg, weil diese Beschlüsse formell ordnungsgemäß getroffen wurden und inhaltlich nicht zu beanstanden sind.Randnummer40

a) Der Beschluss betreffend die Zuweisung der Beschlussfeststellungskompetenz an den Gesellschafter A begegnet keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken, sodass die innerhalb der Frist des § 7 Nr. 11 des Gesellschaftsvertrages – dort ist eine Anfechtungsfrist von zwei Monaten nach Absendung bzw. nach Übergabe der Abschrift des Gesellschafterbeschlusses vorgesehen – erhobene Anfechtungsklage ohne Erfolg bleiben muss.Randnummer41

Die Beantwortung der Frage, ob einem Gesellschafter/Versammlungsleiter durch einfachen Gesellschafterbeschluss die Beschlussfeststellungskompetenz zugewiesen werden kann, ist allerdings umstritten. Nach einer in Rechtsprechung und Schrifttum vertretenen Auffassung, soll dies nur durch die Satzung oder einem einstimmig gefassten Beschluss aller Gesellschafter möglich sein, weil anderenfalls ein Missbrauch durch einen Mehrheitsgesellschafter zu befürchten sei (OLG Frankfurt, Beschluss vom 06.11.2008 – 20 W 385/08 -, FGPrax 2009, 81, 82; Noack in: Noack/Servatius/Haas, GmbHG 23. Aufl. 2022, § 48 Rn. 17a) bzw. es sich hierbei um eine echte Delegation der Organkompetenz der Gesellschafterversammlung handele (Altmeppen, GmbHG 10. Aufl. 2021, § 48 Rn. 23; Noack, GmbHR 2017, 792, 796). Nach der Gegenauffassung hat der Versammlungsleiter schon aufgrund dieser Funktion die Kompetenz, den Beschluss festzustellen, weil dies der Rechtssicherheit aller Gesellschafter diene (OLG Brandenburg, Urteil vom 05.01.2017- 6 U 21/14 -, ZIP 2017, 1417 Rn. 55; Drescher in: MünchKommGmbHG, 3. Aufl. 2019, § 47 Rn. 55; BeckOK/Schindler GmbHG § 48 Rn. 44).Randnummer42

Der Senat teilt die zweitgenannte Auffassung. Die Beschlussfeststellung durch den Versammlungsleiter hat zunächst einmal nur deklaratorische Bedeutung in dem Sinne, dass ein bestimmtes Abstimmungsergebnis und damit einhergehend die Annahme oder Ablehnung des Beschlussantrages im Sinne einer Tatsache festgestellt wird. Daraus folgt nicht, dass diese Tatsachenfeststellung zu Recht erfolgt ist und die Abstimmung tatsächlich das festgestellte Ergebnis hatte. Dies im Streitfall zu klären ist vielmehr Aufgabe der Gerichte im Rahmen einer Beschlussanfechtungs- oder -feststellungsklage. Die Beantwortung der Frage, ob ein Gesellschafter eine solche Klage erheben soll, hängt aber davon ab, ob ein Beschluss mit einem bestimmten Inhalt gefasst wurde, oder eben nicht gefasst wurde. Dies wird für alle Gesellschafter durch eine entsprechende Beschlussfeststellung des Versammlungsleiters erkennbar, sodass sie sich hieran orientieren können. Andernfalls bliebe bei einem Streit über die Frage, ob ein Antrag angenommen, oder abgelehnt worden ist, allen Gesellschaftern nur die Möglichkeit, rein vorsorglich entweder eine Beschlussanfechtungsklage, oder eine positive Beschlussfeststellungsklage zu erheben, wobei von vorneherein feststünde, dass nur eine dieser Klagen Erfolg haben kann.Randnummer43

Im Fall der Beklagten spricht für eine Beschlussfeststellungskompetenz des Versammlungsleiters darüber hinaus die Fristenregelung in § 7 Nr. 11 des Gesellschaftsvertrages, die folgenden Inhalt hat:Randnummer44

„Die Anfechtung von Gesellschafterbeschlüssen durch Klageerhebung ist nur innerhalb einer Frist von 2 Monaten nach Absendung bzw. nach Übergabe der Abschrift des Gesellschafterbeschlusses zulässig.“Randnummer45

Die Anknüpfung der Klagefrist an die Absendung des Gesellschafterbeschlusses impliziert, dass es jemanden geben muss, der den Beschluss feststellt. Die Auffassung der Gegenansicht, dass dies die Gesellschafterversammlung sei, führt im Ergebnis nicht weiter. Es wäre dann nämlich erforderlich, dass die Gesellschafterversammlung nach der Abstimmung über den Beschlussantrag – zumindest im Streitfall – ein weiteres Mal abstimmt, um das erste Abstimmungsergebnis festzustellen. Aber auch das Ergebnis dieser Abstimmung müsste von irgendjemandem festgestellt werden.Randnummer46

Die Zulassung der Zuweisung der Beschlussfeststellungskompetenz an den Versammlungsleiter durch bloßen Mehrheitsbeschluss begründet für die Gesellschafterminderheit keine erheblichen Nachteile oder Risiken. Auch die Minderheit hat den Vorteil, dass auch für sie durch die Beschlussfeststellung des Versammlungsleiters das Ergebnis der Beschlussfassung – jedenfalls vorläufig – festgestellt ist. Diese Gesellschafter brauchen also nicht Klagen „ins Blaue hinein“ zu erheben, nur weil möglicherweise ein Beschluss gefasst wurde, den sie nicht akzeptieren wollen, sondern können sich auf die Fälle beschränken, in denen ein ihnen nicht genehmer Beschluss als gefasst festgestellt worden ist. Der Umstand, dass sie jedenfalls in diesen Fällen Klage erheben müssen, um den Beschluss nicht bestandskräftig werden zu lassen, stellt sich nicht als Nachteil dar, denn ihre Situation wäre keine andere, wenn keine Beschlussfeststellung erfolgt wäre, unter den Gesellschaftern aber Streit über das Ergebnis der Beschlussfassung besteht. Für den Rechtsstreit über den Beschluss selbst hat dessen Feststellung durch den Versammlungsleiter keine präjudizielle Bedeutung, hier kommt es nur darauf an, ob der Beschluss tatsächlich mit der erforderlichen Mehrheit gefasst worden ist.Randnummer47

b) Die wiederholte Feststellung des JahresabschlussesBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Feststellung
Feststellung des Jahresabschlusses
2018 ist entgegen der vom Kläger vertretenen Auffassung nicht deswegen anfechtbar, weil darin in erheblichem Umfang Rückstellungen für Ansprüche der beiden Mitgesellschafter des Klägers auf Tantiemezahlungen für das Jahr 2018 enthalten sind, wie sie sich aus dem entsprechenden Beschluss der Gesellschafterversammlung vom 17.12.2019 ergeben würden. Dabei ist es unerheblich, dass auch der Senat diesen Beschluss aufgrund der wirksamen Anfechtung durch den Kläger aus den sogleich (II.2.a)) noch darzulegenden Gründen für unwirksam hält. Die vom Kläger als Begründung für seine Anfechtung angeführte Gefahr, „dass mit der Einstellung der Rückstellung in den Jahresabschluss und dessen Feststellung das angebliche Bestehen dieser vermeintlichen Ansprüche im Verhältnis der Gesellschafter untereinander und im Verhältnis der Gesellschafter-Geschäftsführer zur Gesellschaft für das Jahr 2018 als verbindlich festgestellt gilt“ (S. 3 der Berufungsbegründung; Bl. 142 d. eA.), besteht tatsächlich nicht.Randnummer48

Forderungen, wie sie von den beiden Mitgesellschaftern des Klägers aufgrund des Tantieme-Beschlusses vom 17.12.2019 gegen die Beklagte geltend gemacht werden (können), können auf zwei unterschiedliche Weisen im Jahresabschluss der Gesellschaft erfasst werden: Zum einen können sie als Verbindlichkeiten erfasst werden, zum anderen aber auch als Rückstellungen. Die Erfassung als Verbindlichkeit ist nur möglich, wenn am Abschlussstichtag Gewissheit sowohl über das Bestehen als auch über die Höhe einer Verpflichtung gegenüber einem Dritten besteht (vgl. Reiner in MünchKommHGB, 4. Aufl. 2020, § 266 Rn. 105). Diese Voraussetzung war hier schon aufgrund der bei Aufstellung der Bilanz bereits anhängigen Klage gegen die Beschlüsse vom 17.12.2019 nicht gegeben, denn die Höhe des Tantiemeanspruchs hängt vom Ausgang dieses Rechtsstreits ab. Gerade deswegen war aber gemäß § 249 HGB eine Rückstellung für diese ungewisse Verbindlichkeit zu bilden.Randnummer49

Die vom Kläger befürchtete Folge einer verbindlichen Feststellung des JahresabschlussesBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Feststellung
Feststellung des Jahresabschlusses
mag für den Fall, dass die Tantiemeforderung als Verbindlichkeit in die Bilanz eingestellt ist, berechtigt sein. In dem hier gegebenen Fall, dass lediglich eine Rückstellung wegen einer noch ungewissen Verbindlichkeit gebildet wird, droht diese Konsequenz jedoch nicht. Durch den Beschluss wird gerade nicht festgestellt, dass die Forderung berechtigt ist, sondern es wird nur bilanzielle Vorsorge für den Fall getroffen, dass sich die Forderung in einem späteren Zeitpunkt als berechtigt erweisen sollte. Nach § 249 HGB stand die Bildung dieser Rückstellung auch nicht im Belieben der Beklagten, sondern war zwingend („… sind … zu bilden“).Randnummer50

Die Vornahme der Rückstellung selbst begründet auch keinen dauerhaften Nachteil für den Kläger. Zwar erhöht diese zunächst die Passiva der Gesellschaft und vermindert damit den ausschüttungsfähigen Gewinn. Die Rückstellung ist jedoch nach Klärung der Berechtigung der Forderungen, für die sie erfolgt ist, zwingend aufzulösen (vgl. Ballwieser in MünchKommHGB, a. a. O., § 249 Rn. 85). Entweder muss die Forderung – weil berechtigt – dann erfüllt werden, oder die Auflösung der Rückstellung vermindert die Passiva der Gesellschaft, was sich im entsprechenden Jahr gewinnerhöhend auswirkt und damit auch dem Kläger zugutekommt. Für den Fall, dass der Kläger zwischen der Bildung der Rückstellung und ihrer Auflösung aus der Gesellschaft ausscheidet, sodass er an einer nachfolgenden gewinnwirksamen Auflösung der Rückstellung nicht mehr partizipiert, kann die Rückstellung für die Ermittlung eines Kaufpreis- oder Abfindungsanspruchs unter Berücksichtigung der Eintrittswahrscheinlichkeit des Zahlungsfalles adäquat berücksichtigt werden.Randnummer51

2. Auch die Berufung der Beklagten erweist sich als unbegründet, weil das Landgericht die Beschlüsse der Gesellschafter vom 17.12.2019 zu Recht infolge der fristgerecht erhobenen Anfechtungsklage als unwirksam angesehen hat.Randnummer52

a) Die rückwirkende Erhöhung der Vergütung der beiden Mitgesellschafter A und B für ihre Geschäftsführertätigkeit erfolgte unter Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung; auf die Klärung der zwischen den Parteien streitigen Frage, ob diese Anhebung der Vergütung angemessen ist, kommt es deshalb nicht an.Randnummer53

aa) Es ist zunächst einmal nachvollziehbar und nicht zu beanstanden, dass die Gesellschafter A und B nach dem Ausscheiden des Klägers als Geschäftsführer eine Anpassung ihrer seit Jahren konstant gebliebenen Geschäftsführervergütung für geboten hielten. Bis zum Ausscheiden des Klägers als Geschäftsführer war die Höhe der Geschäftsführervergütung (Festgehalt und Tantieme) für die drei Gesellschafter eher von untergeordneter Bedeutung, weil sie auch aufgrund ihrer Gesellschafterstellung an dem von ihnen durch ihre jeweiligen Geschäftsführeraktivitäten gleichermaßen erwirtschafteten Erfolg der Beklagten über die Gewinnausschüttungen gleichermaßen partizipierten. Dies änderte sich durch das Ausscheiden des Klägers als Geschäftsführer unter gleichzeitiger Aufrechterhaltung der Gesellschafterstellung deutlich. Zum einen kam aufgrund des Ausscheidens des Klägers als Geschäftsführer auf die beiden verbliebenen Gesellschafter-Geschäftsführer eine entsprechende Erhöhung ihrer Arbeit und Verantwortung zu. Zum anderen kam der wirtschaftliche Erfolg ihnen jetzt nur noch zum Teil über die Gewinnausschüttungen zugute, weil diese teilweise auch dem nicht mehr in der Geschäftsführung aktiven Kläger zufließen.Randnummer54

bb) Die konkrete Umsetzung des legitimen Wunsches, die Geschäftsführervergütung den geänderten Verhältnissen anzupassen, begegnet aber durchgreifenden rechtlichen Bedenken, weil damit ersichtlich der Zweck verfolgt wurde, durch rückwirkende die Erhöhung der Geschäftsführervergütung den Gewinn der Gesellschaft und damit die auch an den Kläger erfolgende Gewinnausschüttung auf ein Minimum zu reduzieren. Es wurde nicht nur das Fixgehalt der beiden verbliebenen Geschäftsführer von 169.000 EUR/Jahr auf 290.000 EUR/Jahr, also um über 71 %, erhöht. Zugleich ist die Gesellschaft auch von ihrer seit 2014 geübten Praxis abgewichen, die Tantieme für die Geschäftsführer auf jeweils 50.000 EUR zu beschränken; in die Gewinn- und Verlustrechnung der Beklagten für das Jahr 2018 (Anlage 1 zum Schriftsatz des Klägers vom 14.02.2020, S. 9; Bl. 9 AnlH I) wurden dementsprechend Rückstellungen in Höhe von 778.500 EUR eingestellt. Nach Abzug der im Aufhebungsvertrag insoweit festgelegten Tantieme des Klägers in Höhe von 50.000 EUR entfielen demnach auf die beiden anderen Geschäftsführer jeweils ([778.500 EUR – 50.000 EUR] : 2 =) 364.500 EUR. Daraus folgt für die Geschäftsführer A und B für das Jahr 2018 eine Gesamtvergütung von (169.000 EUR + 364.500 EUR =) 533.500 EUR und für den Kläger in Höhe von lediglich (169.000 EUR + 50.000 EUR =) 219.000 EUR, sodass Vergütung der GeschäftsführerBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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Vergütung der Geschäftsführer
A und B um 314.500 EUR, das sind 143 %, über der des Klägers lag. Für das Jahr 2019 ergibt die Anhebung des Fixgehaltes für die Gesellschafter A und B eine monatliche Vergütung in Höhe von (290.000 EUR/Jahr : 12 Monate =) 24.166, 67 EUR gegenüber einer Vergütung des Klägers in Höhe von (169.000 EUR/Jahr : 12 Monate =) 14.083,33 EUR, womit bereits die fixe Geschäftsführervergütung der Mehrheitsgesellschafter 71,6 % über der des Klägers liegt. Diese Vergütungsanhebung wirkt sich wirtschaftlich allein zu Lasten des Klägers aus, weil durch den erhöhten Vergütungsaufwand der Beklagten, der auf ihn entfallende Gewinn verringert wird, während das wirtschaftliche Ergebnis für die beiden anderen Gesellschafter neutral ist: Die Verringerung ihres Gewinnanspruchs wird durch die Anhebung ihrer Geschäftsführervergütung voll kompensiert.Randnummer55

Eine Rechtfertigung für dieses Ergebnis ist nicht ansatzweise zu erkennen. Selbst wenn man davon ausgehen würde, die Anhebung des Fixgehaltes sei angemessen und die Höhe der Tantieme entspreche der Regelung in § 8 Nr. 4 des Gesellschaftsvertrages, vermöchte das die getroffenen Regelungen allein für die Zeit nach der Beendigung des Geschäftsführeranstellungsvertrages des Klägers, also ab dem 30.06.2019, zu rechtfertigen. Die Regelung gilt aber auch gerade für die Zeit davor, in der der Kläger noch als Geschäftsführer der Beklagten tätig war und zu ihrem wirtschaftlichen Erfolg beigetragen hat, nämlich hinsichtlich der Tantieme für das Geschäftsjahr 2018 und hinsichtlich der Vergütung auch schon für das gesamte erste Halbjahr 2019. Diese evidente Gerechtigkeitslücke lässt sich auch weder damit rechtfertigen, dass in dem Aufhebungsvertrag zum Geschäftsführeranstellungsvertrag eine Regelung bzgl. der Tantieme 2018 und etwaiger weiterer Vergütungsansprüche getroffen wurde, noch damit, dass es dem Kläger frei gestanden hätte, in der Gesellschafterversammlung für sich selbst eine entsprechende Regelung vorzuschlagen.Randnummer56

(1) Die Regelungen im Aufhebungsvertrag, dass die Tantieme des Klägers für 2018 „verbindlich in Höhe 50.000,00 EUR festgeschrieben“ wurde sowie der Ausschluss weiterer Vergütungsansprüche erfolgten ersichtlich auf der Grundlage der langjährigen Praxis, dass die Tantieme auf 50.000 EUR begrenzt ist, und der bislang gezahlten Fixgehälter von 169.000 EUR/Jahr. Der Kläger musste bei Abschluss dieses Vertrages nicht damit rechnen, dass es rückwirkend zu einer massiven Erhöhung dieser Zahlungen lediglich an die verbliebenen Geschäftsführer kommen würde und er hätte sich hierauf billigerweise auch nicht einlassen müssen. Jedenfalls waren die Gesellschafter auch in Ansehung der im Aufhebungsvertrag getroffenen Regelungen nicht gehindert, dem Kläger zur Wahrung der Gerechtigkeit dieselbe Erhöhung zugutekommen zu lassen.Randnummer57

(2) Der weitere Einwand der Beklagten, der Kläger selbst hätte in der Gesellschafterversammlung einen entsprechenden Antrag stellen können, geht fehl. Angesichts der deutlich erkennbar gewordenen Intention, den Anteil des Klägers am wirtschaftlichen Erfolg der Beklagten durch Anhebung der Vergütung der verbliebenen Geschäftsführer weitgehend zu reduzieren, hätte er schon kaum erwarten können, dass zumindest einer der beiden Mitgesellschafter einem solchen Antrag zustimmen würde. Unabhängig davon war es aber auch nicht Aufgabe des Klägers dem gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstoßenden Beschlussvorschlag der Gesellschaftermehrheit durch einen entsprechenden eigenen Antrag zur Rechtmäßigkeit zu verhelfen. Vielmehr konnte er sich darauf beschränken, diesen Antrag – wie geschehen – unter Hinweis auf das eklatante Gerechtigkeitsdefizit abzulehnen.Randnummer58

b) Zu Recht ist das Landgericht auch davon ausgegangen, dass die Feststellung des JahresabschlussesBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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Feststellung des Jahresabschlusses
2018 der Anfechtung unterliegt, weil die Beklagte dem berechtigten Informationsbegehren des Klägers nicht nachgekommen ist. Der Kläger hatte in der Gesellschafterversammlung ausweislich des Protokolls um Aufschlüsselung der Kosten unter Vorlage entsprechender Belege gebeten, was jedoch nicht geschehen ist. Das Auskunftsverlangen war gerechtfertigt. Dem steht auch nicht entgegen, dass der Kläger im fraglichen Zeitraum selbst Geschäftsführer der Beklagten gewesen ist, sodass er die Kosten teilweise selbst zu verantworten bzw. er jedenfalls Einblick in die maßgeblichen Unterlagen gehabt hatte. Insoweit ist nämlich zu bedenken, dass der Kläger mit seinem Ausscheiden aus der Geschäftsführung alle Unterlagen der Gesellschaft an diese herausgeben musste, was ausdrücklich auch in Nr. 6.1 des Aufhebungsvertrages geregelt ist. Ohne derartige Unterlagen, allein aus der Erinnerung heraus ist aber eine sachgerechte Bewertung von einzelnen Kostenpositionen, selbst wenn man diese im Vorjahr als Geschäftsführer selbst zu verantworten hatte, schlechterdings nicht möglich.

III.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92, 97, 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

IV.

Die Zulassung der Revision erfolgt im Hinblick auf den Beschluss vom 05.06.2020, mit dem dem Gesellschafter A die Beschlussfeststellungskompetenz zugewiesen worden ist. Die hier maßgebliche Rechtsfrage ist in Rechtsprechung und Schrifttum umstritten; eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs zu dieser Frage liegt bislang nicht vor.

V.Randnummer61

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 40.000,00 EUR festgesetzt.

Schlagworte: Antragslast, Beschlussfeststellungskompetenz, Bestellung eines Versammlungsleiters, Feststellung des Beschlussergebnisses, Feststellungskompetenz, Förmliche Beschlussfeststellung, Gesellschafterbeschluss, Versammlungsleiter, Versammlungsleiter laut Satzung, Wahl des Versammlungsleiters

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OLG Köln, Beschluss vom 13.10.2021 – I-2 U 23/21

Mittwoch, 13. Oktober 2021

Inso §§ 15b,133 aF , 133 Abs 1 S 2 , 142 aF InsO; GmbHG § 64 Satz 1, BGB §§ 254, 280 Abs 1, 611, 675 BGBInsolvenzanfechtung I Schlechterfüllung eines Beratervertrages

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das am 14.04.2021 verkündete Urteil der 11. Zivilkammer des Landgerichts Aachen, 11 O 241/17, wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das vorbezeichnete Urteil des Landgerichts Aachen ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe

I.

Der Kläger hat die Beklagte auf Zahlung von 481.768,50 EUR in Anspruch genommen, und zwar 52.582,04 EUR aus Insolvenzanfechtung und 429.186,46 EUR als Schadensersatz aus abgetretenem Recht des Geschäftsführers der Schuldnerin wegen angeblicher Schlechterfüllung eines Beratervertrages zwischen der Schuldnerin und der Beklagten mit Schutzwirkung zugunsten des Geschäftsführers.Randnummer2

Wegen des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes und der vor dem Landgericht gestellten Anträge wird auf die Feststellungen in dem am 14.04.2021 verkündeten Urteil des Landgerichts Bezug genommen (§ 522 Abs. 2 S. 4 ZPO).Randnummer3

Durch jenes Urteil, wegen dessen Begründung auf die Entscheidungsgründe verwiesen wird, hat das Landgericht der Klage in Höhe eines Teilbetrages von 178.874,76 EUR nebst Zinsen stattgegeben und die Klage im Übrigen abgewiesen.Randnummer4

Gegen dieses Urteil wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung, die fristgerecht eingelegt sowie in rechter Form und Frist begründet worden ist.Randnummer5

Die Beklagte greift das landgerichtliche Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens an. Sie trägt vor, dass der Beklagten kein Auftrag zur Prüfung einer möglichen Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung der Schuldnerin erteilt worden sei. Der Beklagten sei auch kein Auftrag zur Erstellung eines IDWS-6-Gutachtens erteilt worden. Ein solches Gutachten sei weder erstellt noch in Rechnung gestellt worden. Die Beklagte habe lediglich den Auftrag erhalten, ein Bankkonzept zu erstellen, um Fördergelder für anstehende Investitionen zu beantragen, und die Schuldnerin begleitend zu beraten. Im Rahmen der Vorprüfung habe die Beklagte nur ein sog. IDWS-1-Gutachten erstellt und abgerechnet. Hierbei habe die Beklagte die von der Schuldnerin vorgelegten Unterlagen nur auf Plausibilität überprüft. Eine Sanierungsberatung habe dagegen nicht stattgefunden. Es sei auch keine steuerliche oder rechtliche Beratung vereinbart worden. Daher habe auch keine Verpflichtung der Beklagten bestanden, auf eine mögliche Zahlungsunfähigkeit oder Insolvenzantragspflicht hinzuweisen.Randnummer6

Zum Zeitpunkt der Tätigkeit der Beklagten für die Schuldnerin sei diese nicht zahlungsunfähig gewesen. Die OP-Listen hätten keine überfälligen Zahlungen aufgewiesen. Es habe auch keine überfälligen Verbindlichkeiten gegeben. Die Beklagte sei auch nicht beauftragt worden, die Finanzbuchhaltung oder Bestände zu überprüfen. Die Bilanz zum 31.12.2012, die der Beklagten im August 2013 ausgehändigt worden sei, habe keine Überschuldung ausgewiesen. Dies stehe in krassem Widerspruch zu den Feststellungen des gerichtlich bestellten Sachverständigen, der in seinem Gutachten Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin zum 31.12.2012 angenommen hat. Dies könne nur darauf beruhen, dass dem Gutachter nicht alle notwendigen Unterlagen vorgelegen hätten. Zudem sei nicht nachgewiesen, dass die Schuldnerin auch im Jahr 2013 zum Zeitpunkt der angefochtenen Zahlungen an die Beklagte zahlungsunfähig gewesen sei.Randnummer7

Die Schuldnerin habe während der Tätigkeit der Beklagten nicht mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz gehandelt. Eine Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin sei auch für die Beklagte vor Dezember 2013 nicht ersichtlich gewesen. Aufgrund der ihr bekannten Liquidität der Schuldnerin sei die Beklagte davon ausgegangen, dass sämtliche fälligen Verbindlichkeiten hätten bezahlt werden können. Zudem liege ein Bargeschäft vor. Die gegenseitigen Leistungen seien in einem engen zeitlichen Zusammenhang erfolgt.Randnummer8

Den Geschäftsführer der Schuldnerin treffe ein 100 %-iges Mitverschulden. Er habe der Beklagten die Unterlagen ausgehändigt, aufgrund derer sie ihren Auftrag erfüllt habe. Der Geschäftsführer sei für die Prüfung der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung der Schuldnerin und Einleitung entsprechender Rechtshandlungen verantwortlich gewesen.Randnummer9

Die Beklagte beantragt,Randnummer10

das Urteil des Landgerichts Aachen vom 14.04.2021, 11 O 241/17, abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.Randnummer11

Der Kläger beantragt,Randnummer12

die Berufung zurückzuweisen.Randnummer13

Der Kläger verteidigt das landgerichtliche Urteil unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens. Er trägt vor, dass sich die Beklagte im Fall einer einmal eingetretenen Zahlungsunfähigkeit nur dann mit Erfolg auf den Wegfall derselben berufen könne, wenn sie darlege, dass die Schuldnerin die Zahlungen im Allgemeinen wieder aufgenommen habe. Einen solchen Vortrag habe die Beklagte aber nicht erbracht. Zudem habe die Beklagte im April 2013 in ihrem Sanierungskonzept eingeräumt, dass ein Teil fälliger Verbindlichkeiten voraussichtlich erst im Januar 2014 vollständig beglichen werden könnte. Der Kläger habe dem gerichtlich bestellten Sachverständigen keine Informationen verheimlicht. Die Beklagte sei entgegen ihrem Vortrag auch beauftragt gewesen, ein Sanierungskonzept zu entwerfen. Gegenstand dieses Konzepts sei u.a. die Frage der Rückführung der Altverbindlichkeiten und die Führung eines Treuhandkontos gewesen. Die Beklagte habe daher sehr wohl auch die Liquiditätslage der Schuldnerin zu prüfen gehabt. Die Kammer habe daher zu Recht eine Hinweispflicht der Beklagten in Bezug auf die Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin angenommen. Das Gutachten des gerichtlich bestellten Sachverständigen sei nicht zu beanstanden. Ein 100 %-iges Mitverschulden des Geschäftsführers der Schuldnerin sei abzulehnen, weil die Beklagte ihre Pflichten aus dem Beratungsvertrag verletzt und eine überlegene Sachkunde gehabt habe. Die Kammer habe auch zu Recht den Anfechtungsanspruch bejaht.Randnummer14

Wegen aller weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens in beiden Rechtszügen wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst der darin in Bezug genommenen Anlagen verwiesen.Randnummer15

Der Senat hat die Beklagte mit Beschluss vom 31.08.2021 unter Darlegung der hierfür maßgeblichen Gründe darauf hingewiesen, dass er beabsichtige, die Berufung auf der Grundlage des §§ 522 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

II.

Die Berufung ist gemäß § 522 Abs. 2 S. 1 ZPO durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen.Randnummer17

Die zulässige Berufung hat in der Sache offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg (§ 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO). In seinem Hinweisbeschluss vom 31.08.2021 hat der Senat dazu ausgeführt:Randnummer18

„Das angefochtene Urteil beruht weder auf einer Rechtsverletzung noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung (§§ 522 Abs. 2 Nr. 1, 513 Abs. 1 ZPO). Das Landgericht hat die Beklagte zu Recht und mit zutreffender Begründung, der sich der Senat anschließt, verurteilt, an den Kläger – unter Abweisung der Klage im Übrigen – 178.874,76 EUR nebst Zinsen zu zahlen. Die Einwände der Beklagten gegen das angefochtene Urteil greifen nicht durch.

1.

Bezüglich eines Teilbetrages in Höhe von 52.582,04 EUR ergibt sich ein Rückgewähranspruch des Klägers gem. §§ 143 Abs. 1, 133 Abs. 1 InsO a.F.Randnummer20

Die Zahlungen der Schuldnerin an die Beklagte in der Zeit zwischen dem 22.04.2013 und 18.12.2013 in Höhe von 54.057,64 EUR (von denen nur 52.582,04 EUR eingeklagt worden sind) sind anfechtbar gem. § 133 Abs. 1 InsO a.F. Die Zahlungen an die Beklagte stellen Rechtshandlungen der Schuldnerin dar, die innerhalb von 10 Jahren vor Insolvenzantragstellung am 16.01.2014 erfolgten und die Gläubiger objektiv benachteiligten (§§ 129 Abs. 1, 133 Abs. 1 (a.F.) InsO).Randnummer21

Die Schuldnerin handelte bei Vornahme der Rechtshandlungen auch mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz. Die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung können, da es sich um innere, dem Beweis nur eingeschränkt zugängliche Tatsachen handelt, in aller Regel nur mittelbar aus objektiven (Hilfs-) Tatsachen hergeleitet werden. Zu den Beweisanzeichen, die für das Vorliegen der subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung sprechen, zählt die erkannte Zahlungsunfähigkeit. Ein Schuldner, der zahlungsunfähig ist und seine Zahlungsunfähigkeit kennt, handelt in der Regel mit Benachteiligungsvorsatz (BGH, Beschluss vom 05.03.2020 – IX ZR 171/18, ZInsO 2020, 893 Rn. 10). Hier hat die Kammer die Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin im Sinne von § 17 InsO zum 31.12.2012 und zum 22.04.2013 festgestellt. Sie hat sich hierbei mit zutreffenden Erwägungen, denen sich der Senat anschließt und auf die zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird, auf die Liquiditätsbilanzen des Sachverständigen A in seinem gerichtlich eingeholten Gutachten vom 21.04.2020 (Bl. 455 ff. d.A.) und des Klägers in der Klageschrift (Bl. 8 ff. d.A.) gestützt. Die Einwände der Beklagten gegen diese Liquiditätsbilanzen greifen nicht durch. So bleibt nach ihrem Vortrag offen, welche Unterlagen dem gerichtlich bestellten Sachverständigen vorgelegen haben sollen, von denen die Beklagte nicht gewusst haben will. Auch die im August 2013 vorgelegte Bilanz des Steuerberaters der Schuldnerin, aus der sich eine Überschuldung nicht ergeben soll, steht den Feststellungen der Kammer nicht entgegen, da es sich bei dieser Bilanz nicht um eine Liquiditätsbilanz handelt und es auf eine etwaige Überschuldung vorliegend nicht ankommt. Auch soweit die Beklagte auf die Umsatzzahlen und offene Aufträge verweist, greifen diese Einwände nicht durch. Umsatzzahlen stellen keine Anhaltspunkte für die Liquidität eines Unternehmens dar. Umfangreiche Aufträge mögen zwar vorhanden und noch abzuarbeiten gewesen sein. Diese Aufträge müssen aber auch bearbeitet werden können. Dies ist vorliegend schon deshalb zweifelhaft, weil Gehälter nicht mehr durchgehend pünktlich bezahlt wurden. Unabhängig davon bleibt völlig offen, ob die Bearbeitung der Aufträge überhaupt wirtschaftlich erfolgen konnte.Randnummer22

Unabhängig von der Feststellung der Zahlungsunfähigkeit durch die Liquidationsbilanzen hat die Kammer zutreffend erhebliche weitere Indizien festgestellt, die – auch ohne die Liquidationsbilanz – für eine von der Schuldnerin – und der Beklagten – erkannte Zahlungseinstellung zum Zeitpunkt der angefochtenen Rechtshandlungen sprechen, so dass gem. § 17 Abs. 2 S. 2 InsO von Zahlungsunfähigkeit auszugehen ist. Es bestanden offene – teilweise seit dem Jahr 2010 fällige – Verbindlichkeiten gegenüber verschiedenen Gläubigern, u.a. Sozialversicherungsträgern und dem Finanzamt. Gehälter wurden nicht mehr pünktlich bezahlt. Das Finanzamt und Sozialversicherungsträger betrieben die Zwangsvollstreckung. Seit dem 12.04.2013 kam es zu Rücklastschriften. Vor diesem Hintergrund beauftragte die Schuldnerin die Beklagte, um weiteres Fremdkapital für eine Refinanzierung zu erlangen. Dies gelang der Beklagten zunächst aber nicht (vgl. Anlage K5, Anl.O I, Bl. 82). Dafür, dass die Schuldnerin und die Beklagte von der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin Kenntnis hatten, spricht zudem, dass die Schuldnerin sog. „1-25-Listen“ erstellte und der Beklagten zur Überwachung des Zahlungsverkehrs der Schuldnerin zur Verfügung stellte (vgl. die E-Mail vom 04.12.2013, Bl. 363 d.A., oder das Beratungsprotokoll vom 04.04.2013, Bl. 368 ff. d.A.), aus denen sich durchgängig Rückstände bei Löhnen, Sozialversicherungsbeiträgen und Steuerverbindlichkeiten ergaben. Zudem riet die Beklagte der Schuldnerin, ein Treuhandkonto einzurichten. Dies hatte – wie die Kammer zutreffend festgestellt hat und dem die Beklagten auch nicht mit Substanz entgegengetreten ist – allein den Sinn, den Geschäftsbetrieb der Schuldnerin trotz Belegung der Geschäftskonten durch Pfändungen weiter aufrechtzuerhalten, d.h. weiter Zahlungen an bestimmte, nicht aber an alle Gläubiger zu ermöglichen. Vor diesem Hintergrund muss im Rahmen der Gesamtwürdigung aller Indizien von der Zahlungseinstellung der Schuldnerin und der Kenntnis der Schuldnerin und der Beklagten hiervon im April 2013 ausgegangen werden. Hierfür sprechen insbesondere die rückständigen Sozialversicherungsbeiträge im Hinblick auf die Strafbarkeit im Falle der Nichtzahlung, die offenen Steuerverbindlichkeiten und die offenen Löhne der Angestellten der Schuldnerin, auf deren Arbeitsleistung sie angewiesen war. Vor allem aber lässt die Einrichtung des Treuhandkontos und die damit beabsichtigte Priorisierung von Zahlungen an bestimmte Gläubiger auf eine von der Schuldnerin und der Beklagten erkannten Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin schließen. Letztlich kommt auch der Sachverständige A in seinem Gutachten vom 21.04.2020 zu dem Schluss, dass die Beklagte die Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin erkannt haben muss.Randnummer23

Zwar setzen der Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners und die Kenntnis des Anfechtungsgegners hiervon nach neuerer Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 06.05.2021 – IX ZR 72/20, NZI 2021, 720-725) zusätzlich voraus, dass Schuldnerin und Anfechtungsgegner zusätzlich wussten oder billigend in Kauf genommen haben, dass die Schuldnerin ihre übrigen Gläubiger auch zukünftig nicht wird befriedigen können. Hiervon kann vorliegend indes ausgegangen werden. Aus dem von der Beklagten erstellten Bankkonzept vom 26.04.2013 ergibt sich, dass Altverbindlichkeiten voraussichtlich erst im Januar 2014 komplett abgelöst werden konnten (AnlO I, Bl. 60, 64). Hierbei muss allerdings davon ausgegangen werden, dass es sich insoweit allenfalls um eine Hoffnung der Schuldnerin und der Beklagten handelte. Dies ergibt sich z.B. aus dem Schreiben der Beklagten (u.a.) an den Geschäftsführer der Schuldnerin vom 23.04.2013 (Bl. 311 ff. d.A.), in dem es u.a. heißt: „Unser heutiges Lob betreffend die Pflege der Liste bleibt selbstverständlich bestehen, jedoch müssen wir eindringlich und nachdrücklich anmahnen, dass keine Zahlungen mehr außerhalb der Planung ohne vorherige Absprache mit uns vorgenommen werden dürfen. … Andernfalls können wir die Sanierung im Rahmen der Begleitberatung nicht mit der gebotenen Nachhaltigkeit betreiben und deren Gelingen, welches ohnehin unter der Prämisse der Zahlungseingänge entsprechend ihrer Planung steht, erreichen.“ Zusammenfassend wussten Schuldnerin und Beklagte daher, dass nicht alle fälligen Altverbindlichkeiten vor Januar 2014 getilgt werden konnten, dass bis dahin bestimmte Gläubiger über das Treuhandkonto bevorzugt bedient werden mussten und dass die Tilgung der Altverbindlichkeiten nur gelingen würde, wenn bis dahin alle erwarteten Zahlungseingänge auch erfolgen würden. Ein solch optimaler Verlauf der Zahlungseingänge ist aber nicht mehr als eine Hoffnung, weil immer davon ausgegangen werden muss, dass es bei einzelnen Aufträgen aus den unterschiedlichsten Gründen zu Zahlungsausfällen kommen kann. Hinzu kommt, dass das von der Beklagten entwickelte Sanierungskonzept entsprechend den Ausführungen der Kammer in dem angefochtenen Urteil, denen sich der Senat vollumfänglich anschließt, von vorneherein ungeeignet war, um eine nachhaltige Sanierung der Schuldnerin herbeizuführen. Zusammenfassend haben die Schuldnerin und die Beklagte bereits im April 2013 gewusst oder billigend in Kauf genommen, dass die Schuldnerin ihre Verbindlichkeiten in absehbarer Zeit nicht würde begleichen können. Soweit die Beklagte noch einwendet, die Schuldnerin sei später, d.h. im Sommer und Herbst 2013 wieder zahlungsfähig gewesen, steht dem entgegen, dass die Fortdauer der einmal eingetretenen Zahlungseinstellung zu vermuten ist (BGH, Urteil vom 06.05.2021 – IX ZR 72/20, NZI 2021, 720-725). Dies gilt jedenfalls im vorliegenden Fall, in dem die Zahlungseinstellung im April 2014 deutlich zu Tage getreten ist (vgl. hierzu: BGH, aaO). Im Übrigen hat die Beklagte diese Vermutung auch nicht entkräftet, weil sie nicht aufgezeigt hat, dass die Schuldnerin ihre Zahlungen vollständig wieder aufgenommen hat.Randnummer24

§ 142 InsO findet hier entgegen der Auffassung der Beklagten keine Anwendung. Der Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin entfällt auch nicht nach den Grundsätzen einer bargeschäftsähnlichen Lage. Der Senat schließt sich auch insoweit den zutreffenden Gründen des angefochtenen Urteils der Kammer an. Unabhängig davon hat die Beklagte auch nicht dargetan, dass Leistung und Gegenleistung unmittelbar, d.h. in einem engen zeitlichen Zusammenhang, ausgetauscht worden sind. 

2.

Bezüglich eines weiteren Teilbetrages in Höhe von 126.292,72 EUR ergibt sich der Zahlungsanspruch des Klägers gem. §§ 280 Abs. 1, 611, 675, 398 BGB. Die Voraussetzungen eines solchen Anspruchs liegen vor. Der Senat schließt sich auch insoweit den zutreffenden Ausführungen der Kammer vollumfänglich an.Randnummer26

Soweit die Beklagte vorträgt, sie habe lediglich den Auftrag erhalten, Fördergelder und Zuschüsse zu beantragen, zu diesem Zweck ein Bankenkonzept zu entwickeln, die Liquidität der Schuldnerin zu verbessern und kaufmännische Mängel abzustellen, steht dem der Vortrag der Parteien des Rechtsstreits in erster Instanz und die mit den Anlagen vorgelegten Sanierungskonzepte und Beratungsprotokolle der Beklagten entgegen. Denn danach hatte die Beklagte auch den Auftrag, ein Sanierungskonzept zu entwickeln und dieses auch umzusetzen. Hierbei hat sie mit der Schuldnerin vereinbart, den Zahlungsverkehr mit Hilfe von „1-25-Listen“, die die Schuldnerin zu erstellen hatte, zu überwachen und der Schuldnerin zudem geraten, ihren Zahlungsverkehr über ein Treuhandkonto der Beklagten abzuwickeln. Zusammenfassend ist die Beklagte daher – entsprechend den Feststellungen der Kammer – nicht nur mit der Beantragung von Fördergeldern, sondern zusätzlich mit der Erstellung eines Sanierungskonzepts, der Prüfung der Finanzbuchhaltung und der Überwachung des Zahlungsverkehrs beauftragt worden.Randnummer27

Hiervon ausgehend ist die Kammer zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass die Beklagte auf der Grundlage des Sanierungsberatervertrages – mit Schutzwirkung zugunsten Dritter, hier des Geschäftsführers – verpflichtet war, auf die Insolvenzreife der Schuldnerin hinzuweisen, und sie dieser Verpflichtung nicht nachgekommen ist. Dabei kommt es nicht darauf an, dass die Beklagte und die Schuldnerin nicht ausdrücklich vereinbart haben, dass die Beklagte die Zahlungsfähigkeit der Schuldnerin prüfen und ein Sanierungskonzept mit IDW S6-Standard erstellen sollte. Denn die Kammer hat im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung gem. §§ 133, 157 BGB zutreffend angenommen, dass die Beklagte als Sanierungsberaterin im Rahmen ihrer Aufklärungspflicht aus dem Sanierungsberatervertrag aufgrund zu erwartender überlegener Sachkunde verpflichtet war, auf die Insolvenzreife der Schuldnerin hinzuweisen. Denn im Zweifel hat ein Sanierungsberater den Auftraggeber auch ohne ausdrückliche Aufforderung auf eine bestehende Insolvenzantragspflicht hinweisen, wenn ihm die dazu relevanten Informationen zur Verfügung gestellt wurden. Dies ergibt sich schon daraus, dass Insolvenzverschleppung strafbar ist und ein Geschäftsführer insoweit persönlich zivilrechtlich haftet (Altmeppen, gmbhg, 10. Aufl. 2021, vor § 64 Rn. 151). Soweit die Beklagte einwendet, nicht alle notwendigen Informationen erhalten zu haben, ist dies nicht nachvollziehbar. Sie hat über einen längeren Zeitraum den gesamten Zahlungsverkehr überwacht und hatte – wie sich aus den Sanierungskonzepten, Beratungsprotokollen und dem Schriftverkehr mit der Schuldnerin alle erforderlichen Informationen zur Prüfung der Zahlungsfähigkeit, insbesondere auch Kenntnis von den Altverbindlichkeiten. Ansonsten hätte sie beispielsweise gar nicht angeben können, dass eine Ablösung der Altverbindlichkeiten – im besten Fall – frühestens im Januar 2014 möglich sein sollte (s.o.). Die Beklagte hätte die Schuldnerin daher mit Nachdruck und eindeutig, z.B. in ihrem Sanierungskonzept, entweder auf die Insolvenzreife oder darauf hinweisen müssen, dass dringend ein Experte mit der Prüfung der Insolvenzreife zu beauftragen sei.Randnummer28

Soweit die Beklagte sich auf eine Entscheidung des OLG FrankfurtBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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(ZIP 2019, 1178-1182) beruft und geltend macht, dass ein Sanierungsberater, der nicht die Beratung in rechtlichen und steuerlichen Fragen schulde, auch nicht die Beratung über eine etwaige Insolvenzantragspflicht schulde, greift dieser Einwand nicht durch. Der vom OLG FrankfurtBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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entschiedene Fall ist mit dem vorliegenden Fall nicht vergleichbar. Denn in dem vom OLG FrankfurtBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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entschiedenen Fall hatten die Vertragsparteien den Inhalt des Sanierungsvertrages mit 14 konkret umschriebenen Leistungspflichten unter Ausschluss einer Beratung in steuerlichen und rechtlichen Angelegenheiten abschließend geregelt. Zudem hatte die Schuldnerin in dem dort entschiedenen Fall weitere Berater mit der Prüfung steuerlicher und rechtlicher Fragen beauftragt. Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall indes nicht gegeben. Insbesondere sind die Leistungspflichten der Beklagten als Sanierungsberaterin hier nicht in vergleichbarer Weise konkret und abschließend vereinbart worden. Es bleibt daher – anders als in dem vom OLG FrankfurtBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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entschiedenen Fall – Raum für eine ergänzende Auslegung, die die Kammer hier zutreffend vorgenommen hat.
Randnummer29

Letztlich schließt sich der Senat auch der Abwägung der Kammer zum Umfang des Mitverschuldens des Geschäftsführers der Schuldnerin vollumfänglich an.“Randnummer30

An dieser Bewertung des Streitfalls hält der Senat nach erneuter Beratung fest. Die mit Schriftsatz vom 23.09.2021 vorgebrachten Einwände der Beklagten führen zu keiner abweichenden Beurteilung.Randnummer31

Soweit die Beklagte erneut vorträgt, die Schuldnerin sei im August und Oktober 2013 zahlungsfähig gewesen, kann zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Ausführungen der Kammer in dem angefochtenen Urteil und den Hinweisbeschluss des Senats vom 31.08.2021 verwiesen werden. Die vorliegenden Indizien lassen den Schluss zu, dass die Schuldnerin im April 2013 zahlungsunfähig war und dies von ihr und der Beklagten auch erkannt worden ist. Zudem hat der Sachverständige die Zahlungsunfähigkeit zum 31.12.2012 festgestellt und ausgeführt, dass die Schuldnerin und die Beklagte hiervon gewusst haben müssen. Dabei ist die Fortdauer der einmal eingetretenen Zahlungsunfähigkeit – worauf der Senat im Hinweisbeschluss vom 31.08.2021 hingewiesen hat – auch im vorliegenden Fall zu vermuten. Zudem bleibt die Behauptung der Beklagten, bezüglich der Altverbindlichkeiten der Schuldnerin seien Ratenzahlungsvereinbarungen geschlossen worden, erneut völlig substanzlos, unabhängig davon, dass erstinstanzlich – ebenfalls substanzlos – nur vorgetragen worden ist, dass mit „zahlreichen“ Gläubigern Ratenzahlungsvereinbarungen geschlossen worden sein sollen (z.B. Bl. 72 d.A.).Randnummer32

Soweit die Beklagte erneut auf den Inhalt des Auftrags abstellt und ausführt, dass eine Prüfungs- und Hinweispflicht der Beklagten bezüglich der Liquidität der Schuldnerin nicht bestanden habe, kann zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen der Kammer in dem angefochtenen Urteil und den Hinweisbeschluss des Senats vom 31.08.2021 verwiesen werden.

III.

Die Annahme der Berufung ist auch nicht aus einem der Gründe des § 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 und 3 ZPO veranlasst, wie der Senat im Hinweisbeschluss vom 31.08.2021 bereits ausgeführt hat. Weder kommt der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung zu noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts. Die Entscheidung beruht auf einer Würdigung der Umstände des konkreten Einzelfalls. Der Senat weicht mit dieser Entscheidung entgegen der Auffassung der Beklagten nicht von der höchst- oder obergerichtlichen Rechtsprechung ab. Soweit die Beklagte auf die Entscheidung des OLG FrankfurtBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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(aaO) abstellt, hat der Senat im Hinweisbeschluss vom 31.08.2021 aufgezeigt, warum der dieser Entscheidung zugrunde liegende Sachverhalt mit dem vorliegenden Sachverhalt nicht vergleichbar ist. Der der Entscheidung des BGH vom 26.01.2017 zugrunde liegende Sachverhalt ist mit dem vorliegenden Sachverhalt ebenfalls nicht vergleichbar, weil es dort um die Prüfungspflichten eines mit der Erstellung eines Jahresabschlusses beauftragten Steuerberaters ging. Die im Urteil des BGH vom 06.05.2021, IX ZR 72/20, weiter entwickelten Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung sind, wie vom Senat aufgezeigt worden ist, erfüllt.Randnummer34

Letztlich sind die Voraussetzungen nicht erfüllt, unter denen über das Rechtsmittel mündlich zu verhandeln wäre (§ 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 ZPO).

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgen aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.Randnummer36

Streitwert des Berufungsverfahrens: 178.874,76 EUR

Löffler I www.K1.de I www.gesellschaftsrechtskanzlei.com I Gesellschaftsrecht I Insolvenzanfechtung I Erfurt I Thüringen I Sachsen I Sachsen-Anhalt I Hessen I Deutschland 2022

Schlagworte: Beratervertrag, GmbHG § 64 Satz 1, Insolvenzanfechtung, schlechterfüllung

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OLG Köln, Urteil vom 20.09.2021 – 7 U 1/21

Montag, 20. September 2021

§ 9 CoronaSchVO NRW in der Fassung vom 22.03.2020; § 56 IfSG; § 67 PolG NRW, § 39 OBG NRW, Schließung eines Gewerbebetriebes

Die Schließung eines Gewerbebetriebes (hier: Imbiss) auf Grundlage des § 9 CoronaSchVO NRW in der Fassung vom 22.03.2020 begründet keinen Entschädigungsanspruch gemäß § 56 Abs. 1 IfSG (analog).

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Köln (5 O 108/20) vom 15.12.2020 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsmittels trägt der Kläger.

Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 19.566,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Der Tatbestand ist gemäß § 313a Abs. 1 ZPO entbehrlich.

II.

Die Berufung der Kläger ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

Zur Begründung wird auf den Beschluss vom 04.08.2021 Bezug genommen, in dem der Senat wie folgt ausgeführt hat:

„Die zulässige Berufung hat offensichtlich keinen Erfolg. Die Klage ist unbegründet. Die Entscheidung des Landgerichts Bonn beruht weder auf einer Rechtsverletzung im Sinne des § 546 ZPO, noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrundezulegenden Tatsachen eine andere Entscheidung.

Der Kläger hat gegen das beklagte Land keinen Anspruch auf Entschädigung wegen der in § 9 Absatz 1 Satz 1 CoronaSchVO NRW in der Fassung vom 22.03.2020 angeordneten Betriebsuntersagung von Imbissen. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts Bezug genommen. Die Berufungsbegründung gibt lediglich Anlass zu den folgenden Erwägungen:

1.

Das Landgericht hat einen Anspruch auf Entschädigung gemäß § 56 Abs. 1 IfSG mit zutreffenden Erwägungen, denen auch die Berufung zustimmt, verneint. Nach § 56 Abs. 1 IfSG erhält lediglich eine Entschädigung in Geld, „wer auf Grund dieses Gesetzes als Ausscheider, Ansteckungsverdächtiger, Krankheitsverdächtiger oder als sonstiger Träger von Krankheitserregern im Sinne von § 31 Satz 2 Verboten in der Ausübung seiner bisherigen Erwerbstätigkeit unterliegt oder unterworfen wird und dadurch einen Verdienstausfall erleidet“. § 56 Abs. 1 IfSG setzt eine gezielt personenbezogene Untersagung der Erwerbstätigkeit oder Absonderung gerade wegen der Ansteckungs- bzw. Krankheitsverdächtigkeit (usw.) voraus (vgl. nur Kümper, DÖV, 2020, 904 (908)), die im vorliegenden Fall unzweifelhaft nicht gegeben ist.

2.

Eine Entschädigung in analoger Anwendung von § 56 Abs. 1 IfSG kommt – wie das Landgericht zutreffend entschieden hat – ebenfalls nicht in Betracht. Eine planwidrige Regelungslücke liegt nicht vor.

Ungeachtet der Frage, ob Eingriffe im Sinne von § 9 CoronaSchVO NRW in der Fassung vom 22.03.2020 aus grundrechtlicher Sicht entschädigungspflichtig sein müssten (ablehnend BGHZ 55, 366; ebenfalls ablehnend mit weiteren Nachweisen Kümper, DÖV, 2020, 904 (906), Fn. 18) sah sich der Gesetzgeber des IfSG nicht dahingehend verpflichtet. Er wollte mit der früher in § 48 BSeuchG enthaltenen Entschädigungsregelung ausweislich der Gesetzesbegründung lediglich eine Billigkeitsregelung treffen und nicht aus grundrechtlicher Gebundenheit die Betroffenen entschädigen, wie sich aus der folgenden Formulierung ergibt: „Die Vorschrift stellt eine Billigkeitsregelung dar. Sie bezweckt keinen vollen Schadensausgleich, sondern eine gewisse Sicherung der von einem Berufsverbot Betroffenen vor materieller Not.“ (BT-Drs. III/1888, S. 27). Dementsprechend gab es aus seiner Perspektive auch keinen Anlass, die an die Landesregierungen erteilte Verordnungsermächtigung in § 32 IfSG mit einer Entschädigungspflicht zu verknüpfen bzw. weitere Entschädigungsregelungen unmittelbar im IfSG vorzunehmen. Eine durch entsprechende Anwendung des § 56 IfSG zu schließende unbeabsichtigte Regelungslücke lag demnach nicht vor.

Gegen die Annahme einer planwidrigen Regelungslücke spricht zudem, dass der Gesetzgeber in der Gesetzesbegründung zu der früher in § 48 BSeuchG enthaltenen Regelung (BT-Drs. III/1888, S. 27) eine Ausdehnung des Kreises entschädigungsberechtigten Personen (z.B. für Krankheitsverdächtige, Tuberkulosekranke, Nichtversicherte) zwar erwogen, aber als „nicht sachgerecht“ erachtet hat.

Ebenso hatte der Gesetzgeber im Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Bundes-Seuchengesetzes (BT-Drs. 6/1568) zwar den Kreis der Entschädigungsberechtigten in § 51 BSeuchG erweitert. Er hatte aber auch hier nur punktuelle Entschädigungen vorgesehen.

In diese Linie fügt sich, dass der Gesetzgeber selbst bei Hinzufügung der weiteren Entschädigungsregelung in § 56 Abs. 1 a IfSG im November 2020 die nur punktuellen Entschädigungsregelungen aufrechterhalten hat. Vor diesem Hintergrund kann von einer dem gesetzgeberischen Plan nicht entsprechenden Unvollständigkeit der Entschädigungsregelungen keine Rede sein (siehe auch Landgericht Stuttgart, Urteil vom 05.11.2020 – 7 O 109/20, Rn. 34 ff., juris; Landgericht Hannover, Urteil vom 20.11.2020 – 8 O 4/20, Rn. 49 ff.; juris).

Nicht zuletzt spricht gegen eine planwidrige Regelungslücke der Umstand, dass der Gesetzgeber zwischenzeitlich aus Anlass der Corona-Pandemie mit § 28a IfSG eine spezialisierte Eingriffsermächtigung geschaffen hat, die ebenfalls zahlreiche Beschränkungen für Nichtstörer näher regelt, ohne für diesen Personenkreis zugleich Entschädigungsansprüche zu normieren. Dies verdeutlicht, dass das staatliche Regelungskonzept dahin geht, etwaige Belastungen durch die Inanspruchnahme von Nichtstörern durch generalisierte staatliche Unterstützungsmaßnahmen – und nicht durch individuelle Entschädigungsansprüche – sozial abzufedern. Für die Annahme einer planwidrigen Regelungslücke ist angesichts dieses bewussten Festhaltens des Gesetzgebers an dem Konzept, in den §§ 56, 65 IfSG lediglich punktuelle Entschädigungsansprüche zu normieren, kein Raum.

3.

Auch einen Anspruch des Klägers nach dem allgemeinen Polizei- und Ordnungsrecht, § 67 PolG NRW, § 39 Abs. 1 a) und b) OBG NRW, hat das Landgericht zutreffend verneint. Der Rückgriff auf die allgemeinen Vorschriften des Polizei- und Ordnungsrechts ist wegen der Spezialität des besonderen Gefahrenabwehrrechts im IfSG ausgeschlossen. Ihrer Konzeption nach zielen diese Vorschriften auf die Entschädigung wegen Maßnahmen ab, die auf der Grundlage des allgemeinen Polizei- und Ordnungsrechts des Landes Nordrhein-Westfalen getroffen wurden. Sie enthalten keine vorweggenommene Regelung für noch gar nicht absehbar gewesene Maßnahmen aufgrund bundesrechtlich eingeräumter Verordnungskompetenz, insbesondere dann nicht, wenn das Bundesrecht selbst die Frage der Entschädigung abschließend regelt. Sähe man dies anders, könnte die Frage der Entschädigung eines Betroffenen bei inhaltsgleicher Maßnahmen auf derselben gesetzlichen Grundlage in Abhängigkeit vom Bundesland, dessen Gesundheitsministerium handelt, unterschiedlich zu beurteilen sein (vgl. so im Ansatz auch LG Hannover, NJW-RR 2020, 1226, Rn. 53 ff.). Es liegt fern, dass der Bundesgesetzgeber mit seiner Regelung in §§ 56, 65 IfSG eine solche Folge beabsichtigt hat.

4.

Mit zutreffenden Erwägungen, die auch die Berufung nicht in Frage stellt, hat das Landgericht zudem einen Anspruch auf Entschädigung aus dem Rechtsinstitut des enteignenden Eingriffs verneint.

5.

Ansprüche auf Entschädigung gemäß § 839 BGB i.V.m. Art. 34 Abs. 1 GG oder aus der Rechtsfigur des enteignungsgleichen Eingriffs bestehen ebenfalls nicht. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird zunächst auf die Ausführungen des Landgerichts Bezug genommen. Hinzu kommt, dass der Kläger nicht gegen die Verordnung vorgegangen ist. Dies hätte ihm oblegen, wollte er sich darauf berufen, die CoronaSchVO NRW in der Fassung vom 22.03.2020 sei rechtswidrig gewesen (§ 839 Abs. 3 BGB). Einen Schaden zu liquidieren ohne den schadensverursachenden Eingriff abzuwehren, kommt nicht in Betracht (Ossenbühl/Cornils, Staatshaftungsrecht, 6. Auflage 2013, S. 93 f.). Der Kläger hätte gemäß § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO i.V.m. § 109a JustG NRW im Eilrechtsschutz gegen die Verordnung vorgehen können.

6.

Mit den nicht angegriffenen Ausführungen des Landgerichts zum allgemeinen Aufopferungsanspruch besteht auch insofern kein Anspruch des Klägers auf Entschädigung.“

Die hierzu erfolgte Stellungnahme des Klägers vom 06.08.2021 rechtfertigt nach der einstimmigen Auffassung des Senats keine andere Entscheidung, sondern gibt lediglich zu folgenden ergänzenden Ausführungen Anlass:

Die vom Kläger angestellten Billigkeitserwägungen ändern nichts daran, dass eine analoge Anwendung des § 56 Abs. 1 IfSG mangels planwidriger Regelungslücke ausscheidet. Die im Zuge der Corona-Pandemie gezahlten Unterstützungsleistungen für Gewerbetreibende sind nicht auf eine gesetzliche Verpflichtung, sondern auf eine Entscheidung der Exekutive zurückzuführen. Dementsprechend können daraus keine Rückschlüsse auf den gesetzgeberischen Willen in Bezug auf die Entschädigungsregelungen im IfSG getroffen werden. Vielmehr hat der Gesetzgeber nach Beginn der Corona-Pandemie durch das Einfügen von § 28a IfSG, ohne dabei die Entschädigungsregelungen im IfSG zu ergänzen, zum Ausdruck gebracht, an der nur punktuellen Billigkeitsentschädigung (BT-Drs. III 1888, S. 27) festzuhalten.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97, 91 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO. 30

IV.

Hinsichtlich des Nichtvorliegens der Voraussetzungen für die Zulassung der Revision, § 522 Abs. 2 ZPO, wird auf die weiter gültigen Ausführungen im Hinweisbeschluss vom 04.08.2021 Bezug genommen.

V.

Der Streitwert wird auf 19.566,00 EUR festgesetzt.

Löffler I www.K1.de I www.gesellschaftsrechtskanzlei.com I Gesellschaftsrecht I Corona Entschädigung Gastwirt I Coronaschutzverordnung I Erfurt I Thüringen I Sachsen I Sachsen-Anhalt, 2022

Schlagworte: Corona, Coronakrise, Coronavirus, COVID-19-Pandemie, Covid19, Entschädigung Gastwirt, Schließung eines Gewerbebetriebes

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OLG Köln, Urteil vom 03. September 2021 – 6 U 81/21

Freitag, 3. September 2021

§ 75f HGB, § 133 BGB, § 157 BGB, Art 2 Abs 1 GG, Art 12 Abs 1 GG, § 2 Abs 1 Nr 1 UWG, § 3 Nr 1 UWG, § 4 Nr 4 UWG, § 8 Abs 1 UWG – Illoyales Ausnutzen von Erkenntnissen

1. Auch auf eine Vereinbarung zwischen einzelnen Arbeitgebern ist § 75f HGB anwendbar (vgl. BGH, Urteil vom 30. April 2014, I ZR 245/12, BGHZ 201, 205).

2. § 75f HGB schließt nicht nur die Klagbarkeit von Einstellungsverboten, sondern auch von Vereinbarungen zwischen Unternehmern aus, keine Arbeitskräfte des Vertragspartners abzuwerben (vgl. BGH, a.a.O.), wobei in bestimmten – hier nicht vorliegenden – Fällen Abwerbeverbote von dem nach dem Wortlaut weiten Anwendungsbereich des § 75f HGB auszunehmen und als einklagbar zu behandeln sind.

Tenor

Unter Abänderung des am 25.05.2021 verkündeten Urteils des Landgerichts Köln, Az. 31 O 3/21, wird der Beschluss des Landgerichts Köln vom 03.02.2021, Az. 31 O 3/21, aufgehoben und der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin.

Gründe

I.

Die Parteien streiten über die Frage, ob der Antragstellerin ein Unterlassungsanspruch gegen die Antragsgegnerin hinsichtlich der Abwerbung von Arbeitskräften zusteht und dieser im Wege einer einstweiligen Verfügung durchgesetzt werden kann.Randnummer2

Die Antragstellerin erbringt für die A-Gruppe, der die Antragsgegnerin angehört, seit dem Jahr 2012 Call-Center-Dienstleistungen. Zu diesem Zweck haben die Parteien im Jahr 2012 einen „Rahmenvertrag für Service Center Dienstleistungen“ miteinander geschlossen. Auf den als Anlage AS 1 eingereichten Vertrag wird Bezug genommen.Randnummer3

Ausweislich von § 2 Abs. 1 des Rahmenvertrags ist Vertragsgegenstand die Festlegung der Grundlagen für die von der Antragstellerin im Bereich Customer Service Center an die Antragsgegnerin zu erbringenden Leistungen. Nach § 2 Abs. 2 des Rahmenvertrages sollen hinsichtlich einzelner Dienstleistungen der Antragstellerin für die Antragsgegnerin Projektverträge geschlossen werden, die durch die Regelungen des Rahmenvertrags ergänzt werden. Nach § 16 Abs. 1 des Rahmenvertrags galt dieser zunächst bis zum 31.12.2016 und verlängerte sich sodann jeweils um ein Jahr, wenn er nicht drei Monate vor Ablauf der Vertragslaufzeit durch die Antragsgegnerin gekündigt wurde. Eine Kündigung zum Ablauf des Jahres 2020 ist nicht erfolgt.Randnummer4

In § 20 des Vertrags heißt es, dass die Antragstellerin der Antragsgegnerin das Nutzungsrecht an sämtlichen Arbeitsergebnissen übertrage, wozu unter anderem sämtliches „A spezifisches Know How“ gehöre, welches die Antragstellerin spätestens bei Beendigung des Vertrags zu übertragen habe.Randnummer5

Die Vereinbarung in § 27 des Rahmenvertrags enthält unter anderem folgende Regelungen:Randnummer6

„(1) Beide Parteien verpflichten sich, keinen derzeitigen Mitarbeiter oder eine sonst vertraglich verpflichtete Person des anderen Vertragspartners mittelbar oder unmittelbar abzuwerben, sofern diese mit Leistungen aus diesem Vertrag oder einem der Vertragsteile betraut istRandnummer7

(2)[…]Randnummer8

(3) Diese Verpflichtungen gelten für die Dauer des Vertrags.“Randnummer9

Vereinbarungen entsprechender Art sind in der IT-Branche üblich.Randnummer10

Der Rahmenvertrag fand zunächst auf einen bis zum 31.12.2020 geltenden Projektvertrag (vgl. Anl. AS 2 und 3) Anwendung, der die Einzelheiten der von der Antragstellerin zu erbringenden Dienstleistungen regelte. Weil die Antragsgegnerin sich entschied, die bisher von der Antragstellerin erbrachten Dienstleistungen künftig durch eine ihrer Tochtergesellschaften zu erbringen, wurde der Vertrag über den 31.12.2020 hinaus nicht mehr verlängert. Vielmehr erbrachte die Antragstellerin auf Grundlage des Rahmenvertrags und eines am 12.11.2020 zwischen den Parteien geschlossenen, bis zum 31.03.2021 befristeten Vertrags (vgl. Anl. AS 4) zunächst nur noch Übergangsdienstleistungen.Randnummer11

Die Antragstellerin erbrachte ihre Dienstleistungen für die Antragsgegnerin zu Spitzenzeiten an sechs verschiedenen Standorten und durch mehr als 500 Mitarbeiter. Die Dienstleistungen der einzelnen Standorte werden dabei durch ein globales Steuerungsteam koordiniert, das unter anderem die Aufgaben auf verschiedene Teams verteilt sowie Auswertungen erstellt. Hierfür sind Kenntnisse unter anderem zum Aufbau und zur Anwendung der verwendeten IT- und Abrechnungsprogramme erforderlich. Dem globalen Steuerungsteam gehören weiter Trainer-Manager an, die Trainingsunterlagen erstellen und die lokal eingesetzten Trainer ausbilden. Mitarbeiter, wie sie in dem globalen Steuerungsteam der Antragstellerin eingesetzt sind, sind auf dem Arbeitsmarkt nicht frei verfügbar.Randnummer12

Dienstleistungen für die Antragsgegnerin erbringt die Antragstellerin in dem IT-System der Antragsgegnerin. Aus diesem Grund war der Antragsgegnerin die Identität sämtlicher der von Seiten der Antragstellerin betrauten Mitarbeiter bekannt. Auch konnte die Antragsgegnerin über ihr System die Tätigkeit der einzelnen Mitarbeiter beobachten.Randnummer13

Am 24.11.2020 kontaktierte eine Mitarbeiterin der Antragsgegnerin den für das globale Leitungsteam der Antragstellerin in Berlin tätigen Mitarbeiter B per Telefon und erkundigte sich, ob er Interesse an einer Anstellung bei der Antragsgegnerin habe. Im Anschluss erbat ein weiterer Mitarbeiter der Antragsgegnerin, Herr C, per SMS eine „alternative Kontaktmöglichkeit“ und übersandte ihm nach Übermittlung einer privaten E-Mailadresse an diese einen Link mit einer Stellenausschreibung. Herr B ist für die Antragstellerin seit 2011 tätig.Randnummer14

Am 11.12.2020 erlangte der Geschäftsführer der Antragstellerin Kenntnis von der Ansprache des Herrn B und kontaktierte den CFO der Antragsgegnerin, Herrn D, der zusicherte, für ein künftiges Unterbleiben von Abwerbeversuchen zu sorgen. Die Antragstellerin wandte sich sodann in der Annahme eines weiteren Abwerbungsversuchs am 16.12.2020 erneut telefonisch an Herrn D, der erklärte, für ein Unterbleiben von Abwerbeversuchen bereits intern gesorgt zu haben. Er sicherte sodann erneut das Unterbleiben weiterer Abwerbungsversuche zu.Randnummer15

Mit Schreiben vom 21.12.2020 ließ die Antragsgegnerin die Antragstellerin anwaltlich abmahnen. Hierauf reagierte die Antragsgegnerin ebenso wenig wie auf eine erneute Aufforderung zur Abgabe einer Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung per E-Mail am 30.12.2020.Randnummer16

Die Antragstellerin hat behauptet, dass die Antragsgegnerin außer Herrn B noch sechs andere Mitarbeiter gezielt zum Zwecke der Abwerbung angesprochen habe. Mit einem gleichfalls Ende November 2020 durch Herrn C angesprochenen Mitarbeiter, der ebenfalls dem globalen Steuerungsteam angehört habe, sei es zu einem Vorstellungsgespräch gekommen und ihm sei ein Angebot auf Abschluss eines Arbeitsvertrags unterbreitet worden. Das Angebot werde bis zum heutigen Tag aufrechterhalten. Die Kenntnisnahme von diesem Abwerbungsversuch sei Anlass für den zweiten Anruf bei der Antragsgegnerin gewesen.Randnummer17

Die Antragstellerin ist der Ansicht gewesen, dass ihr die geltend gemachten Ansprüche aus § 27 des Rahmenvertrags, aus §§ 4 Nr. 4, 3 UWG und aus § 7 UWG zustünden. Die Anwendung des § 27 Rahmenvertrag scheitere nicht an § 75f HGB, weil die vertragliche Regelung eine Nebenbestimmung darstelle, die dem infolge der Zusammenarbeit gegebenen besonderen Vertrauensverhältnis zwischen den Parteien Rechnung trage. § 27 Rahmenvertrag sei auch einschlägig. Die Begrenzung auf „derzeit“ angestellte Mitarbeiter in der Regelung sei im Lichte von § 27 Abs. 3 des Rahmenvertrags so zu verstehen, dass es um während der Vertragslaufzeit angestellte Mitarbeiter gehe. Das ergebe sich auch daraus, dass § 27 Abs. 1 des Rahmenvertrags auch sonstige „mit Leistungen aus diesem Vertrag oder einem der Vertragsteile“ betrauten Personen umfasse, denn zum Zeitpunkt des Abschluss des Rahmenvertrags habe es solche Personen naturgemäß noch nicht gegeben. Darauf, ob Herr B schon 2012 mit Leistungen aus dem Vertrag mit der Antragsgegnerin befasst gewesen sei, komme es überdies nicht an, weil sich die entsprechende Voraussetzung in § 27 Rahmenvertrag nicht auf die darin genannten Mitarbeiter beziehe, sondern auf den Passus „sonst vertraglich verpflichtete Person“. Das ergebe sich sprachlich zwingend schon daraus, dass die Anforderung des Betrautseins im Singular formuliert ist, was lediglich zu der in § 27 Rahmenvertrag „vertraglich verpflichteten Person“, aber nicht zu den darin (im Plural) erfassten Mitarbeitern passe. Die Abwerbungsversuche seien lauterkeitsrechtlich unzulässig, insbesondere weil sie Mitarbeiter in Schlüsselpositionen betroffen hätten – wobei eine entsprechende Eigenschaft des Herrn B unstreitig ist – und die Antragsgegnerin in Behinderungsabsicht gehandelt habe.Randnummer18

Am 05.01.2021 hat die Antragstellerin den hier gegenständlichen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung nebst weiteren Anträgen bei Gericht eingereicht. Nach Zurückweisung hat das Landgericht der Antragsgegnerin am 03.02.2021 im Wege der Teilabhilfe bei Meidung der gesetzliche Ordnungsmittel untersagt,Randnummer19

für die Dauer des Bestehens des zwischen den Parteien geschlossenen Rahmenvertrags für Service Center Dienstleistungen Nr. 2012-100xxx vom 11.06.2012 („Rahmenvertrag“) Mitarbeiter der AntragstellerinRandnummer20

– zum Zwecke der unmittelbaren oder mittelbaren Abwerbung anzurufen oder anrufen zu lassenRandnummer21

– zum Zwecke der unmittelbaren oder mittelbaren Abwerbung per SMS oder E-Mail zu kontaktieren oder kontaktieren zu lassenRandnummer22

– zum Zwecke der unmittelbaren oder mittelbaren Abwerbung auf sonstigem Wege zu kontaktieren oder kontaktieren zu lassen,Randnummer23

sofern diese Mitarbeiter mit Leistungen aus dem Rahmenvertrag oder einem der Vertragsteile betraut sind (Tenor Ziff. 1 des Beschluss vom 03.02.2021, Bl. 53 ff. d.A.).Randnummer24

Hiergegen hat sich die Antragsgegnerin mit Widerspruch vom 03.03.2021 gewandt und beantragt,Randnummer25

die einstweilige Verfügung aus Ziffer 1 des Beschlusses vom 02.02.2021 aufzuheben und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vom 05.01.2021 vollständig zurückzuweisen.Randnummer26

Die Antragstellerin hat beantragt,Randnummer27

die einstweilige Verfügung gemäß Ziffer 1 des Beschlusses vom 02.02.2021 unter Zurückweisung des Widerspruchs der Antragsgegnerin zu bestätigen.Randnummer28

Die Antragsgegnerin ist der Ansicht gewesen, dass wegen ihrer mündlichen Zusage des künftigen Unterbleibens von Abwerbeversuchen keine Wiederholungsgefahr bestehe. Außerdem bestehe angesichts dessen auch kein Verfügungsgrund. Darüber hinaus ergebe sich weder aus UWG, noch aus § 27 des Rahmenvertrags ein Verfügungsanspruch. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wonach § 75f HGB nicht anwendbar sei, wenn ein Abwerbeverbot im Rahmen einer Nebenabrede einem besonderen Schutzbedürfnis einer Partei Rechnung trage, sei abzulehnen. Es handele sich bei § 27 des Rahmenvertrags jedoch ohnehin nicht um eine Nebenabrede, die einem besonderen Schutzbedürfnis der Parteien Rechnung trage. Für die Stützung dieser Rechtsansicht verweist die Antragsgegnerin insbesondere auf ein Urteil des Bundesgerichtshofs aus dem Jahr 1974, wonach § 75f HGB auch für Abreden gilt, mit denen die Abwerbung des Personals eines Leiharbeitsunternehmens durch das entleihende Unternehmen verhindert werden solle (BGH, Urt. v. 30.04.1974 – VI ZR 132/72). Zudem ergibt sich nach Ansicht der Antragsgegnerin aus § 20 des Rahmenvertrags, dass es bei der in § 27 enthaltenen Regelung nicht um einen Schutz von Know-how gehen könne. Dass die Norm keinem besonderen Schutzbedürfnis diene, zeige sich des Weiteren auch an der wechselseitigen Geltung der Regelung.Randnummer29

Auch greife § 27 Rahmenvertrag vorliegend darüber hinaus tatbestandlich nicht, weil die Regelung nach ihrem Wortlaut („derzeit“) nur Arbeitnehmer erfasse, die zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses im Mai 2012 mit Leistungen aus dem Vertrag oder einem der Vertragsteile betraut waren.Randnummer30

Das Landgericht hat die einstweilige Verfügung bestätigt. Der Verfügungsanspruch ergebe sich wegen des unstreitigen Versuchs einer Abwerbung jedenfalls des Herrn B aus § 1004 BGB analog und § 27 des Rahmenvertrags.Randnummer31

Die Wiederholungsgefahr sei nicht aufgrund der Telefonate der Vorstandsmitglieder der Parteien ausgeräumt worden. Ein Verstoß gegen das Abwerbeverbot aus § 27 des Rahmenvertrages liege vor. Die Anwendung dieser Vereinbarung sei auch nicht durch § 75f HGB gesperrt.Randnummer32

Auch ein Verfügungsgrund nach § 935 ZPO sei glaubhaft gemacht. Die nicht durch ein Vertragsstrafeversprechen gesicherte Zusage, Abwerbungsversuche künftig zu unterlassen, stehe der Annahme eines Verfügungsgrunds nicht entgegen, weil dadurch die Wiederholungsgefahr nicht beseitigt werde.Randnummer33

Gegen dieses Urteil, auf das gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen wird, wendet sich die Antragsgegnerin mit ihrer Berufung. Entgegen der Ansicht des Landgerichts könne weder ein Verfügungsgrund noch ein Verfügungsanspruch angenommen werden.Randnummer34

Der Verfügungsgrund fehle, weil der Unterlassungsanspruch erloschen sei. Der CFO der Antragsgegnerin habe die Wiederholungsgefahr durch eine mündliche Unterlassungserklärung ausgeräumt, ohne dass es des Versprechens einer Vertragsstrafe bedurft habe. Die Antragstellerin habe insoweit auch auf weitergehende Ansprüche jedenfalls konkludent verzichtet. Die Unterlassungserklärung habe nicht in Schriftform abgegeben werden müssen. Einen Anlass, die Ernstlichkeit der Unterlassungserklärung in Frage zu stellen, habe es nicht gegeben, nachdem die Antragsgegnerin alles getan habe, was die Antragstellerin gefordert habe. Aus der Behauptung der Antragstellerin, die Antragsgegnerin habe ein Jobangebot nicht ausdrücklich zurückgenommen, ergebe sich nichts anderes. Schließlich sei die nachträgliche Forderung einer Unterlassungserklärung treuwidrig und daher unzulässig.Randnummer35

In der Sache bestehe ein Verfügungsanspruch nicht. Die Vereinbarung in § 27 des Rahmenvertrages sei bereits nicht einschlägig, weil diese nur die Übernahme von „derzeitigen“ Mitarbeitern verbiete, was sich allein auf die Mitarbeiter zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses beziehe. Nach § 75f HGB könne der Unterlassungsanspruch indes ohnehin nicht gerichtlich durchgesetzt werden, was die Antragsgegnerin weiter ausführt.Randnummer36

Die Antragsgegnerin beantragt,Randnummer37

das Urteil des Landgerichts Köln vom 25. Mai 2021, Az. 31 O 3/21, sowie die einstweilige Verfügung des Landgerichts Köln vom 03. Februar 2021 aufzuheben und den Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung vom 05. Januar 2021 vollständig zurückzuweisen.Randnummer38

Die Antragstellerin beantragt,Randnummer39

die Berufung zurückzuweisen.Randnummer40

Die Antragstellerin verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags.

II.

Die zulässige Berufung der Antragsgegnerin hat Erfolg und führt zur Aufhebung der einstweiligen Verfügung sowie Zurückweisung des auf ihren Erlass gerichteten Antrags, weil ein Verfügungsanspruch nicht besteht.Randnummer42

1. Ein Verfügungsanspruch ergibt sich weder aus Vertrag noch aus dem Wettbewerbsrecht.Randnummer43

a) Der von der Antragstellerin geltend gemachte Unterlassungsanspruch ergibt sich nicht aus § 27 des zwischen den Parteien geschlossenen Rahmenvertrages.Randnummer44

aa) Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 27 des Rahmenvertrages sind allerdings erfüllt.Randnummer45

In § 27 des Rahmenvertrages haben sich beide Vertragsparteien verpflichtet, „keinen derzeitigen Mitarbeiter oder eine sonst vertraglich verpflichtete Person des anderen Vertragspartners mittelbar oder unmittelbar abzuwerben, sofern diese mit Leistungen aus diesem Vertrag oder einem der Vertragsteile betreut sind“. Die Verpflichtungen gelten für die Dauer des Vertrages.Randnummer46

Gegen diese Vereinbarung hat die Antragsgegnerin verstoßen, indem sie mehreren Mitarbeitern der Antragstellerin, die mit Leistungen aus dem Vertrag betraut waren, angeboten hat, unmittelbar für die Antragsgegnerin tätig zu werden.Randnummer47

Gegen diese Annahme spricht entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin nicht, dass sich das Verbot nach seinem Wortlaut auf „derzeitige“ Mitarbeiter beschränkt. Wie das Landgericht mit Recht angenommen hat, kann die Vertragsklausel nicht dahin ausgelegt werden, dass sich das Abwerbungsverbot allein auf Mitarbeiter bezog, die zum Zeitpunkt des Abschlusses des Rahmenvertrages bereits für die Antragstellerin tätig waren.Randnummer48

Die Auslegung der dem Streit zugrundeliegenden Vereinbarung der Parteien durch den Senat gemäß §§ 133, 157 BGB führt – ausgehend vom Wortlaut der Vereinbarung unter Einbeziehung der außerhalb des Erklärungsaktes liegenden Begleitumstände, des mit der Absprache verfolgten Zwecks sowie der Interessenlage der Parteien – zu keinem anderen Ergebnis. Auf die zutreffenden Ausführungen der angefochtenen Entscheidung kann zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen werden.Randnummer49

Zutreffend geht die Antragsgegnerin davon aus, dass der Wortlaut der Vereinbarung auf eine Begrenzung auf die damaligen Mitarbeiter der Antragstellerin hindeutet. Mit dem Begriff „derzeitigen“ kann allerdings auch bereits nach dem Wortlaut ein Bezug auf die aktuellen Mitarbeiter gemeint gewesen sein, weil aus der Formulierung insgesamt nicht deutlich wird, ob sich der Begriff „derzeitig“ auf den damals aktuellen Zeitpunkt bezog. Auch die weitere Formulierung, die neben den „derzeitigen Mitarbeitern“ auch sonst vertraglich verpflichtete Personen des anderen Vertragspartners mit in das Abwerbeverbot einbezog, spricht gegen eine Beschränkung. Denn es ist nicht ersichtlich, dass insoweit ein Unterschied zwischen den „derzeitigen Mitarbeitern“ und sonstigen Personen gemacht werden sollte.Randnummer50

Jedenfalls der Sinn und Zweck der Vereinbarung und die Begleitumstände sowie die Interessen der Parteien zeigen, dass eine Beschränkung auf die damaligen Mitarbeiter der Beklagten nicht gewollt war. Die Antragstellerin musste der Antragsgegnerin Arbeitskräfte zur Erfüllung der Aufgaben benennen, deren Tätigkeit die Antragsgegnerin überwachen und bewerten konnte. Es war vor diesem Hintergrund für die Antragsgegnerin ohne weiteres möglich, Arbeitskräfte anzusprechen, um sie für eine Tätigkeit unmittelbar bei der Antragsgegnerin zu gewinnen. Diese Gefahr sollte vermieden werden. Ein Grund, dies auf Mitarbeiter der Antragstellerin zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses zu beschränken, ist weder ersichtlich noch vorgetragen. Es kommt hinzu, dass der Schutz der Antragstellerin im Laufe der Zeit reduziert würde, weil ein gewisser Wechsel ihrer Arbeitnehmer zu erwarten ist. Auch dies entspricht nicht den Interessen der Parteien.Randnummer51

Entgegen der Ansicht der Antragstellerin ist nicht unerheblich, ob sich die Auslegung allein auf die Mitarbeiter der Parteien zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses bezog. Zwar mag ein Mitarbeiter der Antragstellerin, den die Antragsgegnerin angesprochen hat, bereits zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses für diese tätig gewesen sein. Die Antragstellerin macht aber einen Unterlassungsanspruch geltend, der sich auf ein Abwerbeverbot bezieht, das sämtliche Mitarbeiter betrifft und keine Beschränkung auf Mitarbeiter zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses enthält.Randnummer52

bb) Die Antragstellerin kann den Unterlassungsanspruch jedenfalls nach § 75f HGB nicht gerichtlich geltend machen.Randnummer53

Die Vertragsklausel fällt grundsätzlich in den Anwendungsbereich des § 75f HGB.Randnummer54

Nach § 75f HGB findet im Falle einer Vereinbarung, durch die sich ein Prinzipal gegenüber einem anderen Prinzipal verpflichtet, einen Handlungsgehilfen, der bei diesem in Dienst ist oder gewesen ist, nicht oder nur unter bestimmten Voraussetzungen anzustellen, keine Klage statt. Anwendbar ist die Vorschrift auch auf eine Vereinbarung zwischen einzelnen Arbeitgebern (vgl. BGH, Urteil vom 30.04.2014 – I ZR 245/12, BGHZ 201, 205Abwerbeverbot).Randnummer55

In der vorgenannten Entscheidung geht der BGH weiter davon aus, dass es ohne Bedeutung für die Anwendbarkeit des § 75f HGB ist, ob die Mitarbeiter Handlungsgehilfen gemäß § 59 HGB gewesen sind, weil dem Anwendungsbereich des § 75f HGB alle Arbeitnehmer unterfallen.Randnummer56

Die Vorschrift des § 75f HGB schließt nicht nur die Klagbarkeit von Einstellungsverboten, sondern auch von Vereinbarungen zwischen Unternehmern aus, keine Arbeitskräfte des Vertragspartners abzuwerben (vgl. BGHZ 201, 205Abwerbeverbot). Hierfür sprechen neben dem Wortlaut der Norm auch die Entstehungsgeschichte und der Sinn und Zweck der Norm. Denn § 75f HGB soll es Prinzipalen erschweren, die Pflicht zur Zahlung einer Karenz bei nachvertraglichen Wettbewerbsklauseln gegenüber Arbeitnehmern zu umgehen, indem ein Abwerbungsverbot mit einem anderen Prinzipal vereinbart wird. Auch sollen die §§ 74 ff. HGB den Interessen des Arbeitnehmers an seinem beruflichen Fortkommen nach dem Ende des Anstellungsverhältnisses gegenüber dem Interesse des Unternehmers, sich durch Wettbewerbsverbote vor einer Abwanderung seines Personals zu Konkurrenzunternehmen zu schützen, grundsätzlich der Vorrang eingeräumt werden. Dieser durch § 75f HGB bezweckte Schutz des Arbeitnehmers wird auch durch die Vereinbarung eines Abwerbeverbots zwischen Unternehmern im Allgemeinen in einem Ausmaß beeinträchtigt, dass es gerechtfertigt ist, eine derartige Vereinbarung dem Anwendungsbereich des § 75f HGB zu unterstellen (vgl. BGHZ 201, 205Abwerbeverbot).Randnummer57

Dabei verkennt der Senat nicht, dass es besondere Fallkonstellationen gibt, in denen ein die Belange der betroffenen Arbeitnehmer überwiegendes Interesse der Arbeitgeberseite an einer gerichtlichen Durchsetzbarkeit des Abwerbeverbots besteht. Hierzu hat der BGH (BGHZ 201, 205) folgendes ausgeführt:Randnummer58

Auch der Unternehmer als Arbeitgeber hat ein durch Art. 2 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1 GG geschütztes Recht auf wirtschaftliche Betätigungsfreiheit. Das schließt das Recht des Unternehmers ein, in seinem Markterfolg nicht unverhältnismäßig eingeschränkt oder behindert zu werden (vgl. BVerfGE 97, 228, 253; BVerfG, NJWRR 2004, 1710, 1711). Insofern ist § 75f HGB verfassungskonform einschränkend auszulegen. In bestimmten Fällen sind Abwerbeverbote von dem nach dem Wortlaut weiten Anwendungsbereich des § 75f HGB daher auszunehmen und als einklagbar zu behandeln.Randnummer59

a) Dies gilt zunächst für alle die Fälle, in denen das Verhalten des abwerbenden Arbeitgebers eine unlautere geschäftliche Handlung darstellt, deren Verbot nach den Vorschriften des UWG beansprucht werden kann. Gibt in einem derartigen Fall der Verpflichtete eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ab, würde es zu widersprüchlichen Ergebnissen führen, wenn der aus einem derartigen Vertragsstrafeversprechen Berechtigte Ansprüche hieraus wegen § 75f Satz 2 HGB gerichtlich nicht durchsetzen könnte.Randnummer60

b) Nicht in den Anwendungsbereich des § 75f HGB fallen außerdem solche Vereinbarungen, bei denen das Abwerbeverbot nicht Hauptzweck ist, sondern bei denen es nur eine Nebenbestimmung darstellt, die einem besonderen Vertrauensverhältnis der Parteien oder einer besonderen Schutzbedürftigkeit einer der beiden vertragschließenden Seiten Rechnung trägt. Dient ein Abwerbeverbot dem Schutz vor illoyaler Ausnutzung von Erkenntnissen, die im Rahmen solcher Vertragsverhältnisse und ihrer Abwicklung gewonnen worden sind, besteht kein Grund, die gerichtliche Durchsetzbarkeit zu versagen.Randnummer61

Zu dieser Fallgruppe gehören etwa Abwerbeverbote, die bei Risikoprüfungen vor dem Kauf von Unternehmen oder Unternehmensbeteiligungen vereinbart werden (sog. Due-Diligence-Prüfungen) und die vom Anwendungsbereich des § 75f HGB auszunehmen sind. Eine vergleichbare Situation kann bei einer Abspaltung von Unternehmensteilen oder Konzerngesellschaften oder bei Vertriebsvereinbarungen zwischen selbständigen Unternehmen bestehen. Auch in diesen Fallkonstellationen kann die gerichtliche Durchsetzbarkeit von Abwerbeverboten für eine reibungslose Vertragsabwicklung notwendig und eine einschränkende Auslegung des § 75f HGB geboten sein.Randnummer62

Die Voraussetzungen für die Ausnahme der Anwendung des § 75f HGB liegen im vorliegenden Fall indes nicht vor. Zwar handelt es sich bei der Vereinbarung des Abwerbeverbots um eine Nebenpflicht. Allerdings rechtfertigt die Abwägung der sich gegenüberstehenden Interessen unter Berücksichtigung der genannten Grundrechte der Arbeitnehmer und der Antragstellerin es im vorliegenden Fall nicht, die Vorschrift des § 75f HGB verfassungskonform einschränkend auszulegen.Randnummer63

Im Rahmen der Auslegung ist zu berücksichtigen, dass es sich um eine Ausnahmeregelung handelt (vgl. Roth in Baumbach/Hopt, 40. Aufl., § 75 f Rn. 1). Die Ausnahme ist gerechtfertigt, wenn ein besonderes Vertrauen besteht oder einem besonderen Schutzbedürfnis Rechnung zu tragen ist (vgl. Hagen in BeckOK Arbeitsrecht, 60. Edition, Stand: 01.06.2021, § 75f HGB Rn. 6; Boecken/Rudkowski in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 4. Aufl., § 75 f Rn. 9).Randnummer64

Im Rahmen der Abwägung ist zu berücksichtigen, dass das Abwerbeverbot nicht wegen der Gefahr eines Wissenstransfers von der Antragstellerin zu der Antragsgegnerin abgeschlossen wurde, weil die erworbenen Kenntnisse nach der vertraglichen Vereinbarung der Parteien in § 20 des Rahmenvertrages ohnehin allein der Antragsgegnerin zustehen.Randnummer65

Insoweit ist der Fall auch nicht vergleichbar mit dem Sachverhalt, der der vorstehend dargestellten Entscheidung des BGH zugrunde lag. Denn dort schlossen die Parteien, die in räumlicher Nähe zueinander im Nutzfahrzeuggeschäft tätig waren, einen Kooperationsvertrag, der die Zusammenarbeit regelte. Vorliegend wird die Antragstellerin als Auftragnehmerin für die Antragsgegnerin mit Serviceleistungen (hier Betrieb eines Call-Centers) tätig. Ein Konkurrenzverhältnis zwischen den Parteien auf dem Absatzmarkt existiert vor diesem Hintergrund nicht.Randnummer66

Auch die weiteren vom BGH genannten Ausnahmefälle – etwa im Bereich der Due-Diligence-Prüfungen – sind mit dem vorliegenden Fall nicht vergleichbar, weil es an einem für die Abwerbung erheblichen Informationsvorsprung der Antragsgegnerin gegenüber anderen potentiellen Arbeitgebern fehlt.Randnummer67

Soweit die Antragsgegnerin Kenntnisse über die Mitarbeiter der Antragstellerin im Zusammenhang mit der Ausführung des Vertrages erlangt hat und auch deren Arbeitsleistungen beurteilen konnte, rechtfertigt dies keine einschränkende Auslegung des § 75f HGB. Die Antragstellerin hätte sich gegen eine Abwerbung mit vertraglichen Vereinbarungen mit ihren Arbeitnehmern – wie dargelegt – schützen können. Die Antragsgegnerin hat im Rahmen der Zusammenarbeit über die Namen der Arbeitnehmer und deren Tätigkeiten auch keine konkreten weiteren Kenntnisse – etwa über das Gehalt – erhalten. Ein besonderes Vertrauensverhältnis, wie dies der BGH seiner Entscheidung über die Ausnahme zugrunde gelegt hat, gab es zwischen den Parteien nicht. Allein die langjährige Kooperation kann ein solches Vertrauensverhältnis, das die Anwendbarkeit des § 75f HGB ausschließen kann, nicht begründen.Randnummer68

Das Recht der Antragstellerin als Arbeitgeber aus Art. 2 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1 GG auf wirtschaftliche Betätigungsfreiheit wird nicht so erheblich eingeschränkt, dass dies die Interessen der Arbeitnehmer überwiegen würde. Vielmehr ist die Antragstellerin in erster Linie dem auf dem Arbeitsmarkt üblichen Risiko ausgesetzt, dass Arbeitnehmer abgeworben werden. Kenntnisse, die diese Abwerbung erheblich erleichtern würden, hat die Antragsgegnerin nicht erlangt. Zudem steht den Interessen der Antragstellerin das durch § 75f HGB geschützte Recht der Arbeitnehmer auf freie Arbeitsplatzwahl gegenüber, was – wie dargelegt – auch beinhaltet, dass ein Arbeitgeber einen neuen Arbeitsplatz anbieten kann, ohne Konsequenzen zu befürchten.Randnummer69

Soweit der BGH (BGHZ 201, 205Abwerbeverbot) davon ausgeht, dass auch im Falle einer gezielten Behinderung im Sinne von § 4 Nr. 4 UWG die Ausnahmevorschrift nicht anzuwenden ist, führt dies zu keinem anderen Ergebnis, weil – wie noch dazulegen ist – keine gezielte Behinderung in diesem Sinn vorliegt.Randnummer70

b) Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch ergibt sich nicht aus § 8 Abs. 1, 3 Nr. 1, §§ 3, 4 Nr. 4 UWG. Zwar sind die Parteien Mitbewerber und das angegriffene Verhalten der Antragsgegnerin stellt eine geschäftliche Handlung dar. Jedoch erfüllt es nicht die Voraussetzungen einer gezielten Behinderung im Sinne des § 4 Nr. 4 UWG. Im Einzelnen:Randnummer71

aa) Die Antragstellerin ist als Mitbewerberin der Antragsgegnerin gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG aktivlegitimiert, weil die Antragstellerin und die Antragsgegnerin jeweils um Arbeitskräfte konkurrieren. Hierin liegt ein Wettbewerbsverhältnis im Nachfragewettbewerb, was grundsätzlich ausreichend ist, auch wenn die Parteien – wie hier – nicht im Absatzmarkt miteinander im Wettbewerb stehen (vgl. Köhler in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 39. Aufl., § 4 Rn. 4.104).Randnummer72

bb) Der Versuch des Abwerbens ist eine geschäftliche Handlung im Sinne der § 3 Abs. 1, § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG.Randnummer73

cc) Entgegen der Ansicht der Antragstellerin liegt keine gezielte Behinderung vor. Zwar stellt das Abwerben von Arbeitnehmern eine Behinderung der Antragstellerin dar, diese ist aber nicht unzulässig.Randnummer74

Eine Behinderung liegt vor, wenn die wettbewerbliche Entfaltungsmöglichkeit des Mitbewerbers unlauter beeinträchtigt wird. Das setzt eine Beeinträchtigung der wettbewerblichen Entfaltungsmöglichkeiten der Mitbewerber voraus, die über die mit jedem Wettbewerb verbundene Beeinträchtigung hinausgeht und bestimmte Unlauterkeitsmerkmale aufweist. Unlauter ist die Beeinträchtigung im Allgemeinen, wenn gezielt der Zweck verfolgt wird, Mitbewerber an ihrer Entfaltung zu hindern und sie dadurch zu verdrängen oder wenn die Behinderung dazu führt, dass die beeinträchtigten Mitbewerber ihre Leistung am Markt durch eigene Anstrengung nicht mehr in angemessener Weise zur Geltung bringen können. Ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, lässt sich nur aufgrund einer Gesamtwürdigung der relevanten Umstände des Einzelfalls unter Berücksichtigung der Interessen der Mitbewerber, Verbraucher oder sonstiger Marktteilnehmer sowie der Allgemeinheit beurteilen (vgl. BGH, Urteil vom 11.10.2017 – I ZR 210/16, GRUR 2018, 317 – Portierungs-Auftrag; Urteil vom 21.02.2002 – I ZR 281/99, GRUR 2002, 902 – Vanity-Nummer). Hierzu zählen alle Wettbewerbsparameter, wie der Absatz, wobei die Eignung zur Behinderung ausreicht, auch wenn diese noch nicht eingetreten ist (vgl. BGH, GRUR 2018, 317 – Portierungs-Auftrag; Köhler in Köhler/Bornkamm/Feddersen aaO, § 4 Nr. 4 Rn. 4.6).Randnummer75

Die Schwelle der als bloße Folge des Wettbewerbs hinzunehmenden Behinderung ist überschritten, wenn das betreffende Verhalten bei objektiver Würdigung der Umstände auf die Beeinträchtigung der wettbewerblichen Entfaltung des Mitbewerbers und nicht in erster Linie auf die Förderung des eigenen Wettbewerbs gerichtet ist (vgl. BGH, Urteil vom 26.06.2008 – I ZR 190/05, GRUR 2008, 917 – EROS). Hierbei sind auch die gesetzlichen Wertungen zu berücksichtigen, insbesondere auch das Interesse der Allgemeinheit an einem unverfälschten Wettbewerb. Das Interesse des Handelnden kann allerdings auch dann zurücktreten, wenn dieses weniger schutzwürdig ist, als das Interesse des Gegenübers oder der Allgemeinheit (vgl. Köhler in Köhler/Bornkamm/Feddersen aaO, § 4 Nr. 4 Rn. 4.11, mwN). Hat eine Handlung bei objektiver Betrachtung nachteilige Auswirkungen auf das Wettbewerbsgeschehen, die so erheblich sind, dass sie unter Berücksichtigung des Schutzzwecks des Gesetzes von den Marktteilnehmern nicht hingenommen werden müssen, dann ist diese ebenfalls als unlauter anzusehen (vgl. BGH, Urteil vom 11.01.2007 – I ZR 96/04, GRUR 2007, 800 – Außendienstmitarbeiter).Randnummer76

Bei der Abwerbung von Arbeitnehmern gilt, dass diese im Grundsatz zulässig ist. Auch insoweit müssen besondere Umstände hinzutreten, die die Unlauterkeit begründen. Diese können in einem verwerflichen Zweck oder aufgrund verwerflicher Mittel gesehen werden (vgl. Köhler in Köhler/Bornkamm/Feddersen aaO, § 4 Rn. 4.103 f., mwN). Der Zweck ist in der Regel unlauter, wenn die Abwerbung die Beeinträchtigung des Mitbewerbers bezweckt oder die unlautere Ausbeutung des Mitbewerbers angestrebt wird (vgl. Köhler in Köhler/Bornkamm/Feddersen aaO, § 4 Rn. 4.105 f., mwN).Randnummer77

Nach diesen Grundsätzen liegt eine gezielte Behinderung nicht vor. Denn die Antragsgegnerin wollte in erster Linie Arbeitnehmer für den Betrieb eines eigenen Call-Centers gewinnen, ohne dass sie ein Interesse daran hatte, die Antragstellerin zu beeinträchtigen. Dies ergibt sich schon daraus, dass im Bereich des Absatzmarktes kein Wettbewerbsverhältnis besteht, sodass die Antragsgegnerin nicht von einer Beeinträchtigung der Antragstellerin im Absatzmarkt profitieren kann.Randnummer78

Soweit auch die Verleitung zum Vertragsbruch als wettbewerbswidrige Behinderung angesehen werden kann (vgl. Köhler in Köhler/Bornkamm/Feddersen aaO, § 4 Rn. 4.107, mwN), ist eine solche weder ersichtlich noch dargelegt.Randnummer79

c) Ein Verstoß gegen § 7 Abs. 1, 2 Nr. 2 UWG, auf den sich die Antragstellerin berufen hat, liegt nicht vor, wie das Landgericht in dem Beschluss vom 06.01.2021 dargelegt hat. Hiergegen hat sich die Antragstellerin nicht konkret gewandt. Den zutreffenden Ausführungen des Landgerichts (vgl. auch Köhler in Köhler/Bornkamm/Feddersen aaO, § 7 Rn. 141, mwN) schließt sich der Senat an.Randnummer80

d) Auf die Frage, ob die für den Unterlassungsanspruch erforderliche Erstbegehungs- oder Wiederholungsgefahr vorliegt, kommt es vor diesem Hintergrund nicht mehr an. Auch die Frage, ob die Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs treuwidrig im Sinne von § 242 BGB wäre, kann offenbleiben.Randnummer81

2. Ob ein Verfügungsgrund anzunehmen ist, kann ebenfalls offengelassen werden.Randnummer82

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Das Urteil ist mit seiner Verkündung rechtskräftig.Randnummer83

4. Der Streitwert für das Berufungsverfahrens wird wie folgt festgesetzt: 120.000 EUR

Löffler I www.K1.de I www.gesellschaftsrechtskanzlei.com I Gesellschaftsrecht I Abwerbeverbot I Erfurt I Thüringen I Sachsen I Sachsen-Anhalt I Hessen I Deutschland 2022

Schlagworte: Abwerbeverbot, illoyales Ausnutzen, Mandantenschutzklausel, Sperrabrede, Wettbewerbsverbot, Wettbewerbsverbot der Geschäftsführer

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OLG Köln, Urteil vom 03.09.2021 – 6 U 81/21

Freitag, 3. September 2021

UWG §§ 3, 3a, 4 Nr. 4 HGB § 75f GG Art. 2 Abs.1, Art. 12 Abs.1 – Abwerbeverbot

1. Die Vorschrift des § HGB § 75f HGB schließt nicht nur die Klagbarkeit von Einstellungsverboten, sondern auch von Vereinbarungen zwischen Unternehmern aus, keine Arbeitskräfte des Vertragspartners abzuwerben (vgl. BGH GRUR 2014, 1122, Rn 44 – Abwerbeverbot).

2. Die Ausnahme ist gerechtfertigt, wenn ein besonderes Vertrauen besteht oder einem besonderen Schutzbedürfnis Rechnung zu tragen ist. Der Gesichtspunkt eines etwaigen Wissenstransfers kann bei der notwendigen Abwägung der gegenseitigen Interesse keine Bedeutung erlangen, wenn die Vertragsparteien ohnehin vereinbart haben, dass die im Rahmen der Zusammenarbeit erworbenen Kenntnisse ohnehin dem abwerbenden Unternehmen zustehen.

3. Die Abwerbung von Arbeitnehmern ist im Grundsatz zulässig und nur dann untersagt, wenn besondere Umstände hinzutreten, die die Unlauterkeit begründen. Diese können in einem verwerflichen Zweck oder aufgrund verwerflicher Mittel gesehen werden. Der Zweck ist in der Regel unlauter, wenn die Abwerbung die Beeinträchtigung des Mitbewerbers bezweckt oder die unlautere Ausbeutung des Mitbewerbers angestrebt wird.

4. Eine Gezielte Behinderung liegt nicht vor, wenn das abwerbende Unternehmen in erster Linie Arbeitnehmer für den Betrieb eines eigenen Call-Centers gewinnen wollte, ohne dass sie ein Interesse daran hatte, die Antragstellerin zu beeinträchtigen.

Tenor

Unter Abänderung des am 25.05.2021 verkündeten Urteils des Landgerichts Köln, Az. 31 O 3/21, wird der Beschluss des Landgerichts Köln vom 03.02.2021, Az. 31 O 3/21, aufgehoben und der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin.

I.

Die Parteien streiten über die Frage, ob der Antragstellerin ein Unterlassungsanspruch gegen die Antragsgegnerin hinsichtlich der Abwerbung von Arbeitskräften zusteht und dieser im Wege einer einstweiligen Verfügung durchgesetzt werden kann.

Die Antragstellerin erbringt für die A-Gruppe, der die Antragsgegnerin angehört, seit dem Jahr 2012 Call-Center-Dienstleistungen. Zu diesem Zweck haben die Parteien im Jahr 2012 einen „Rahmenvertrag für Service Center Dienstleistungen“ miteinander geschlossen. Auf den als Anlage AS 1 eingereichten Vertrag wird Bezug genommen.

Ausweislich von § 2 Abs. 1 des Rahmenvertrags ist Vertragsgegenstand die Festlegung der Grundlagen für die von der Antragstellerin im Bereich Customer Service Center an die Antragsgegnerin zu erbringenden Leistungen. Nach § 2 Abs. 2 des Rahmenvertrages sollen hinsichtlich einzelner Dienstleistungen der Antragstellerin für die Antragsgegnerin Projektverträge geschlossen werden, die durch die Regelungen des Rahmenvertrags ergänzt werden. Nach § 16 Abs. 1 des Rahmenvertrags galt dieser zunächst bis zum 31.12.2016 und verlängerte sich sodann jeweils um ein Jahr, wenn er nicht drei Monate vor Ablauf der Vertragslaufzeit durch die Antragsgegnerin gekündigt wurde. Eine Kündigung zum Ablauf des Jahres 2020 ist nicht erfolgt.

In § 20 des Vertrags heißt es, dass die Antragstellerin der Antragsgegnerin das Nutzungsrecht an sämtlichen Arbeitsergebnissen übertrage, wozu unter anderem sämtliches „A spezifisches Know How“ gehöre, welches die Antragstellerin spätestens bei Beendigung des Vertrags zu übertragen habe.

Die Vereinbarung in § 27 des Rahmenvertrags enthält unter anderem folgende Regelungen:

„(1) Beide Parteien verpflichten sich, keinen derzeitigen Mitarbeiter oder eine sonst vertraglich verpflichtete Person des anderen Vertragspartners mittelbar oder unmittelbar abzuwerben, sofern diese mit Leistungen aus diesem Vertrag oder einem der Vertragsteile betraut ist

(2)[…]

(3)   Diese Verpflichtungen gelten für die Dauer des Vertrags.“

Vereinbarungen entsprechender Art sind in der IT-Branche üblich.

Der Rahmenvertrag fand zunächst auf einen bis zum 31.12.2020 geltenden Projektvertrag (vgl. Anl. AS 2 und 3) Anwendung, der die Einzelheiten der von der Antragstellerin zu erbringenden Dienstleistungen regelte. Weil die Antragsgegnerin sich entschied, die bisher von der Antragstellerin erbrachten Dienstleistungen künftig durch eine ihrer Tochtergesellschaften zu erbringen, wurde der Vertrag über den 31.12.2020 hinaus nicht mehr verlängert. Vielmehr erbrachte die Antragstellerin auf Grundlage des Rahmenvertrags und eines am 12.11.2020 zwischen den Parteien geschlossenen, bis zum 31.03.2021 befristeten Vertrags (vgl. Anl. AS 4) zunächst nur noch Übergangsdienstleistungen.

Die Antragstellerin erbrachte ihre Dienstleistungen für die Antragsgegnerin zu Spitzenzeiten an sechs verschiedenen Standorten und durch mehr als 500 Mitarbeiter. Die Dienstleistungen der einzelnen Standorte werden dabei durch ein globales Steuerungsteam koordiniert, das unter anderem die Aufgaben auf verschiedene Teams verteilt sowie Auswertungen erstellt. Hierfür sind Kenntnisse unter anderem zum Aufbau und zur Anwendung der verwendeten IT- und Abrechnungsprogramme erforderlich. Dem globalen Steuerungsteam gehören weiter Trainer-Manager an, die Trainingsunterlagen erstellen und die lokal eingesetzten Trainer ausbilden. Mitarbeiter, wie sie in dem globalen Steuerungsteam der Antragstellerin eingesetzt sind, sind auf dem Arbeitsmarkt nicht frei verfügbar.

Dienstleistungen für die Antragsgegnerin erbringt die Antragstellerin in dem IT-System der Antragsgegnerin. Aus diesem Grund war der Antragsgegnerin die Identität sämtlicher der von Seiten der Antragstellerin betrauten Mitarbeiter bekannt. Auch konnte die Antragsgegnerin über ihr System die Tätigkeit der einzelnen Mitarbeiter beobachten.

Am 24.11.2020 kontaktierte eine Mitarbeiterin der Antragsgegnerin den für das globale Leitungsteam der Antragstellerin in Berlin tätigen Mitarbeiter B per Telefon und erkundigte sich, ob er Interesse an einer Anstellung bei der Antragsgegnerin habe. Im Anschluss erbat ein weiterer Mitarbeiter der Antragsgegnerin, Herr C, per SMS eine „alternative Kontaktmöglichkeit“ und übersandte ihm nach Übermittlung einer privaten E-Mailadresse an diese einen Link mit einer Stellenausschreibung. Herr B ist für die Antragstellerin seit 2011 tätig.

Am 11.12.2020 erlangte der Geschäftsführer der Antragstellerin Kenntnis von der Ansprache des Herrn B und kontaktierte den CFO der Antragsgegnerin, Herrn D, der zusicherte, für ein künftiges Unterbleiben von Abwerbeversuchen zu sorgen. Die Antragstellerin wandte sich sodann in der Annahme eines weiteren Abwerbungsversuchs am 16.12.2020 erneut telefonisch an Herrn D, der erklärte, für ein Unterbleiben von Abwerbeversuchen bereits intern gesorgt zu haben. Er sicherte sodann erneut das Unterbleiben weiterer Abwerbungsversuche zu.

Mit Schreiben vom 21.12.2020 ließ die Antragsgegnerin die Antragstellerin anwaltlich abmahnen. Hierauf reagierte die Antragsgegnerin ebenso wenig wie auf eine erneute Aufforderung zur Abgabe einer Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung per E-Mail am 30.12.2020.

Die Antragstellerin hat behauptet, dass die Antragsgegnerin außer Herrn B noch sechs andere Mitarbeiter gezielt zum Zwecke der Abwerbung angesprochen habe. Mit einem gleichfalls Ende November 2020 durch Herrn C angesprochenen Mitarbeiter, der ebenfalls dem globalen Steuerungsteam angehört habe, sei es zu einem Vorstellungsgespräch gekommen und ihm sei ein Angebot auf Abschluss eines Arbeitsvertrags unterbreitet worden. Das Angebot werde bis zum heutigen Tag aufrechterhalten. Die Kenntnisnahme von diesem Abwerbungsversuch sei Anlass für den zweiten Anruf bei der Antragsgegnerin gewesen.

Die Antragstellerin ist der Ansicht gewesen, dass ihr die geltend gemachten Ansprüche aus § 27 des Rahmenvertrags, aus §§ 4 Nr. 4, 3 UWG und aus § 7 UWG zustünden. Die Anwendung des § 27 Rahmenvertrag scheitere nicht an § 75f HGB, weil die vertragliche Regelung eine Nebenbestimmung darstelle, die dem infolge der Zusammenarbeit gegebenen besonderen Vertrauensverhältnis zwischen den Parteien Rechnung trage. § 27 Rahmenvertrag sei auch einschlägig. Die Begrenzung auf „derzeit“ angestellte Mitarbeiter in der Regelung sei im Lichte von § 27 Abs. 3 des Rahmenvertrags so zu verstehen, dass es um während der Vertragslaufzeit angestellte Mitarbeiter gehe. Das ergebe sich auch daraus, dass § 27 Abs. 1 des Rahmenvertrags auch sonstige „mit Leistungen aus diesem Vertrag oder einem der Vertragsteile“ betrauten Personen umfasse, denn zum Zeitpunkt des Abschluss des Rahmenvertrags habe es solche Personen naturgemäß noch nicht gegeben. Darauf, ob Herr B schon 2012 mit Leistungen aus dem Vertrag mit der Antragsgegnerin befasst gewesen sei, komme es überdies nicht an, weil sich die entsprechende Voraussetzung in § 27 Rahmenvertrag nicht auf die darin genannten Mitarbeiter beziehe, sondern auf den Passus „sonst vertraglich verpflichtete Person“. Das ergebe sich sprachlich zwingend schon daraus, dass die Anforderung des Betrautseins im Singular formuliert ist, was lediglich zu der in § 27 Rahmenvertrag „vertraglich verpflichteten Person“, aber nicht zu den darin (im Plural) erfassten Mitarbeitern passe.  Die Abwerbungsversuche seien lauterkeitsrechtlich unzulässig, insbesondere weil sie Mitarbeiter in Schlüsselpositionen betroffen hätten – wobei eine entsprechende Eigenschaft des Herrn B unstreitig ist – und die Antragsgegnerin in Behinderungsabsicht gehandelt habe.

Am 05.01.2021 hat die Antragstellerin den hier gegenständlichen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung nebst weiteren Anträgen bei Gericht eingereicht. Nach Zurückweisung hat das Landgericht der Antragsgegnerin am 03.02.2021 im Wege der Teilabhilfe bei Meidung der gesetzliche Ordnungsmittel untersagt,

für die Dauer des Bestehens des zwischen den Parteien geschlossenen Rahmenvertrags für Service Center Dienstleistungen Nr. 2012-100xxx vom 11.06.2012 („Rahmenvertrag“) Mitarbeiter der Antragstellerin

– zum Zwecke der unmittelbaren oder mittelbaren Abwerbung anzurufen oder anrufen zu lassen

– zum Zwecke der unmittelbaren oder mittelbaren Abwerbung per SMS oder E-Mail zu kontaktieren oder kontaktieren zu lassen

– zum Zwecke der unmittelbaren oder mittelbaren Abwerbung auf sonstigem Wege zu kontaktieren oder kontaktieren zu lassen,

sofern diese Mitarbeiter mit Leistungen aus dem Rahmenvertrag oder einem der Vertragsteile betraut sind (Tenor Ziff. 1 des Beschluss vom 03.02.2021, Bl. 53 ff. d.A.).

Hiergegen hat sich die Antragsgegnerin mit Widerspruch vom 03.03.2021 gewandt und beantragt,

die einstweilige Verfügung aus Ziffer 1 des Beschlusses vom 02.02.2021 aufzuheben und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vom 05.01.2021 vollständig zurückzuweisen.

Die Antragstellerin hat beantragt,

die einstweilige Verfügung gemäß Ziffer 1 des Beschlusses vom 02.02.2021 unter   Zurückweisung des Widerspruchs der Antragsgegnerin zu bestätigen.

Die Antragsgegnerin ist der Ansicht gewesen, dass wegen ihrer mündlichen Zusage des künftigen Unterbleibens von Abwerbeversuchen keine Wiederholungsgefahr bestehe. Außerdem bestehe angesichts dessen auch kein Verfügungsgrund. Darüber hinaus ergebe sich weder aus UWG, noch aus § 27 des Rahmenvertrags ein Verfügungsanspruch. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wonach § 75f HGB nicht anwendbar sei, wenn ein Abwerbeverbot im Rahmen einer Nebenabrede einem besonderen Schutzbedürfnis einer Partei Rechnung trage, sei abzulehnen. Es handele sich bei § 27 des Rahmenvertrags jedoch ohnehin nicht um eine Nebenabrede, die einem besonderen Schutzbedürfnis der Parteien Rechnung trage. Für die Stützung dieser Rechtsansicht verweist die Antragsgegnerin insbesondere auf ein Urteil des Bundesgerichtshofs aus dem Jahr 1974, wonach § 75f HGB auch für Abreden gilt, mit denen die Abwerbung des Personals eines Leiharbeitsunternehmens durch das entleihende Unternehmen verhindert werden solle (BGH, Urt. v. 30.04.1974 – VI ZR 132/72). Zudem ergibt sich nach Ansicht der Antragsgegnerin aus § 20 des Rahmenvertrags, dass es bei  der in § 27 enthaltenen Regelung nicht um einen Schutz von Know-how gehen könne. Dass die Norm keinem besonderen Schutzbedürfnis diene, zeige sich des Weiteren auch an der wechselseitigen Geltung der Regelung.

Auch greife § 27 Rahmenvertrag vorliegend darüber hinaus tatbestandlich nicht, weil die Regelung nach ihrem Wortlaut („derzeit“) nur Arbeitnehmer erfasse, die zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses im Mai 2012 mit Leistungen aus dem Vertrag oder einem der Vertragsteile betraut waren.

Das Landgericht hat die einstweilige Verfügung bestätigt. Der Verfügungsanspruch ergebe sich wegen des unstreitigen Versuchs einer Abwerbung jedenfalls des Herrn B aus § 1004 BGB analog und § 27 des Rahmenvertrags.

Die Wiederholungsgefahr sei nicht aufgrund der Telefonate der Vorstandsmitglieder der Parteien ausgeräumt worden. Ein Verstoß gegen das Abwerbeverbot aus § 27 des Rahmenvertrages liege vor. Die Anwendung dieser Vereinbarung sei auch nicht durch § 75f HGB gesperrt.

Auch ein Verfügungsgrund nach § 935 ZPO sei glaubhaft gemacht. Die nicht durch ein Vertragsstrafeversprechen gesicherte Zusage, Abwerbungsversuche künftig zu unterlassen, stehe der Annahme eines Verfügungsgrunds nicht entgegen, weil dadurch die Wiederholungsgefahr nicht beseitigt werde.

Gegen dieses Urteil, auf das gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen wird, wendet sich die Antragsgegnerin mit ihrer Berufung. Entgegen der Ansicht des Landgerichts könne weder ein Verfügungsgrund noch ein Verfügungsanspruch angenommen werden.

Der Verfügungsgrund fehle, weil der Unterlassungsanspruch erloschen sei. Der CFO der Antragsgegnerin habe die Wiederholungsgefahr durch eine mündliche Unterlassungserklärung ausgeräumt, ohne dass es des Versprechens einer Vertragsstrafe bedurft habe. Die Antragstellerin habe insoweit auch auf weitergehende Ansprüche jedenfalls konkludent verzichtet. Die Unterlassungserklärung habe nicht in Schriftform abgegeben werden müssen. Einen Anlass, die Ernstlichkeit der Unterlassungserklärung in Frage zu stellen, habe es nicht gegeben, nachdem die Antragsgegnerin alles getan habe, was die Antragstellerin gefordert habe. Aus der Behauptung der Antragstellerin, die Antragsgegnerin habe ein Jobangebot nicht ausdrücklich zurückgenommen, ergebe sich nichts anderes. Schließlich sei die nachträgliche Forderung einer Unterlassungserklärung treuwidrig und daher unzulässig.

In der Sache bestehe ein Verfügungsanspruch nicht. Die Vereinbarung in § 27 des Rahmenvertrages sei bereits nicht einschlägig, weil diese nur die Übernahme von „derzeitigen“ Mitarbeitern verbiete, was sich allein auf die Mitarbeiter zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses beziehe. Nach § 75f HGB könne der Unterlassungsanspruch indes ohnehin nicht gerichtlich durchgesetzt werden, was die Antragsgegnerin weiter ausführt.

Die Antragsgegnerin beantragt,

das Urteil des Landgerichts Köln vom 25. Mai 2021, Az. 31 O 3/21, sowie die einstweilige Verfügung des Landgerichts Köln vom 03. Februar 2021 aufzuheben und den Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung vom 05. Januar 2021 vollständig zurückzuweisen.

Die Antragstellerin beantragt,

              die Berufung zurückzuweisen.

Die Antragstellerin verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags.

II.

Die zulässige Berufung der Antragsgegnerin hat Erfolg und führt zur Aufhebung der einstweiligen Verfügung sowie Zurückweisung des auf ihren Erlass gerichteten Antrags, weil ein Verfügungsanspruch nicht besteht.

1. Ein Verfügungsanspruch ergibt sich weder aus Vertrag noch aus dem Wettbewerbsrecht.

a) Der von der Antragstellerin geltend gemachte Unterlassungsanspruch ergibt sich nicht aus § 27 des zwischen den Parteien geschlossenen Rahmenvertrages.

aa) Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 27 des Rahmenvertrages sind allerdings erfüllt.

In § 27 des Rahmenvertrages haben sich beide Vertragsparteien verpflichtet, „keinen derzeitigen Mitarbeiter oder eine sonst vertraglich verpflichtete Person des anderen Vertragspartners mittelbar oder unmittelbar abzuwerben, sofern diese mit Leistungen aus diesem Vertrag oder einem der Vertragsteile betreut sind“. Die Verpflichtungen gelten für die Dauer des Vertrages.

Gegen diese Vereinbarung hat die Antragsgegnerin verstoßen, indem sie mehreren Mitarbeitern der Antragstellerin, die mit Leistungen aus dem Vertrag betraut waren, angeboten hat, unmittelbar für die Antragsgegnerin tätig zu werden.

Gegen diese Annahme spricht entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin nicht, dass sich das Verbot nach seinem Wortlaut auf „derzeitige“ Mitarbeiter beschränkt. Wie das Landgericht mit Recht angenommen hat, kann die Vertragsklausel nicht dahin ausgelegt werden, dass sich das Abwerbungsverbot allein auf Mitarbeiter bezog, die zum Zeitpunkt des Abschlusses des Rahmenvertrages bereits für die Antragstellerin tätig waren.

Die Auslegung der dem Streit zugrundeliegenden Vereinbarung der Parteien durch den Senat gemäß §§ 133, 157 BGB führt – ausgehend vom Wortlaut der Vereinbarung unter Einbeziehung der außerhalb des Erklärungsaktes liegenden Begleitumstände, des mit der Absprache verfolgten Zwecks sowie der Interessenlage der Parteien – zu keinem anderen Ergebnis. Auf die zutreffenden Ausführungen der angefochtenen Entscheidung kann zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen werden.

Zutreffend geht die Antragsgegnerin davon aus, dass der Wortlaut der Vereinbarung auf eine Begrenzung auf die damaligen Mitarbeiter der Antragstellerin hindeutet. Mit dem Begriff „derzeitigen“ kann allerdings auch bereits nach dem Wortlaut ein Bezug auf die aktuellen Mitarbeiter gemeint gewesen sein, weil aus der Formulierung insgesamt nicht deutlich wird, ob sich der Begriff „derzeitig“ auf den damals aktuellen Zeitpunkt bezog. Auch die weitere Formulierung, die neben den „derzeitigen Mitarbeitern“ auch sonst vertraglich verpflichtete Personen des anderen Vertragspartners mit in das Abwerbeverbot einbezog, spricht gegen eine Beschränkung. Denn es ist nicht ersichtlich, dass insoweit ein Unterschied zwischen den „derzeitigen Mitarbeitern“ und sonstigen Personen gemacht werden sollte.

Jedenfalls der Sinn und Zweck der Vereinbarung und die Begleitumstände sowie die Interessen der Parteien zeigen, dass eine Beschränkung auf die damaligen Mitarbeiter der Beklagten nicht gewollt war. Die Antragstellerin musste der Antragsgegnerin Arbeitskräfte zur Erfüllung der Aufgaben benennen, deren Tätigkeit die Antragsgegnerin überwachen und bewerten konnte. Es war vor diesem Hintergrund für die Antragsgegnerin ohne weiteres möglich, Arbeitskräfte anzusprechen, um sie für eine Tätigkeit unmittelbar bei der Antragsgegnerin zu gewinnen. Diese Gefahr sollte vermieden werden. Ein Grund, dies auf Mitarbeiter der Antragstellerin zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses zu beschränken, ist weder ersichtlich noch vorgetragen. Es kommt hinzu, dass der Schutz der Antragstellerin im Laufe der Zeit reduziert würde, weil ein gewisser Wechsel ihrer Arbeitnehmer zu erwarten ist. Auch dies entspricht nicht den Interessen der Parteien.

Entgegen der Ansicht der Antragstellerin ist nicht unerheblich, ob sich die Auslegung allein auf die Mitarbeiter der Parteien zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses bezog. Zwar mag ein Mitarbeiter der Antragstellerin, den die Antragsgegnerin angesprochen hat, bereits zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses für diese tätig gewesen sein. Die Antragstellerin macht aber einen Unterlassungsanspruch geltend, der sich auf ein Abwerbeverbot bezieht, das sämtliche Mitarbeiter betrifft und keine Beschränkung auf Mitarbeiter zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses enthält.

bb) Die Antragstellerin kann den Unterlassungsanspruch jedenfalls nach § 75f HGB nicht gerichtlich geltend machen.

Die Vertragsklausel fällt grundsätzlich in den Anwendungsbereich des § 75f HGB.

Nach § 75f HGB findet im Falle einer Vereinbarung, durch die sich ein Prinzipal gegenüber einem anderen Prinzipal verpflichtet, einen Handlungsgehilfen, der bei diesem in Dienst ist oder gewesen ist, nicht oder nur unter bestimmten Voraussetzungen anzustellen, keine Klage statt. Anwendbar ist die Vorschrift auch auf eine Vereinbarung zwischen einzelnen Arbeitgebern (vgl. BGH, Urteil vom 30.04.2014 – I ZR 245/12, BGHZ 201, 205 – Abwerbeverbot).

In der vorgenannten Entscheidung geht der BGH weiter davon aus, dass es ohne Bedeutung für die Anwendbarkeit des § 75f HGB ist, ob die Mitarbeiter Handlungsgehilfen gemäß § 59 HGB gewesen sind, weil dem Anwendungsbereich des § 75f HGB alle Arbeitnehmer unterfallen.

Die Vorschrift des § 75f HGB schließt nicht nur die Klagbarkeit von Einstellungsverboten, sondern auch von Vereinbarungen zwischen Unternehmern aus, keine Arbeitskräfte des Vertragspartners abzuwerben (vgl. BGHZ 201, 205 – Abwerbeverbot). Hierfür sprechen neben dem Wortlaut der Norm auch die Entstehungsgeschichte und der Sinn und Zweck der Norm. Denn § 75f HGB soll es Prinzipalen erschweren, die Pflicht zur Zahlung einer Karenz bei nachvertraglichen Wettbewerbsklauseln gegenüber Arbeitnehmern zu umgehen, indem ein Abwerbungsverbot mit einem anderen Prinzipal vereinbart wird. Auch sollen die §§ 74 ff. HGB  den Interessen des Arbeitnehmers an seinem beruflichen Fortkommen nach dem Ende des Anstellungsverhältnisses gegenüber dem Interesse des Unternehmers, sich durch Wettbewerbsverbote vor einer Abwanderung seines Personals zu Konkurrenzunternehmen zu schützen, grundsätzlich der Vorrang eingeräumt werden. Dieser durch § 75f HGB bezweckte Schutz des Arbeitnehmers wird auch durch die Vereinbarung eines Abwerbeverbots zwischen Unternehmern im Allgemeinen in einem Ausmaß beeinträchtigt, dass es gerechtfertigt ist, eine derartige Vereinbarung dem Anwendungsbereich des § 75f HGB zu unterstellen (vgl. BGHZ 201, 205 – Abwerbeverbot).

Dabei verkennt der Senat nicht, dass es besondere Fallkonstellationen gibt, in denen ein die Belange der betroffenen Arbeitnehmer überwiegendes Interesse der Arbeitgeberseite an einer gerichtlichen Durchsetzbarkeit des Abwerbeverbots besteht. Hierzu hat der BGH (BGHZ 201, 205) folgendes ausgeführt:

Auch der Unternehmer als Arbeitgeber hat ein durch Art. 2 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1 GG geschütztes Recht auf wirtschaftliche Betätigungsfreiheit. Das schließt das Recht des Unternehmers ein, in seinem Markterfolg nicht unverhältnismäßig eingeschränkt oder behindert zu werden (vgl. BVerfGE 97, 228, 253; BVerfG, NJWRR 2004, 1710, 1711). Insofern ist § 75f HGB verfassungskonform einschränkend auszulegen. In bestimmten Fällen sind Abwerbeverbote von dem nach dem Wortlaut weiten Anwendungsbereich des § 75f HGB daher auszunehmen und als einklagbar zu behandeln.

a) Dies gilt zunächst für alle die Fälle, in denen das Verhalten des abwerbenden Arbeitgebers eine unlautere geschäftliche Handlung darstellt, deren Verbot nach den Vorschriften des UWG beansprucht werden kann. Gibt in einem derartigen Fall der Verpflichtete eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ab, würde es zu widersprüchlichen Ergebnissen führen, wenn der aus einem derartigen Vertragsstrafeversprechen Berechtigte Ansprüche hieraus wegen § 75f Satz 2 HGB gerichtlich nicht durchsetzen könnte.

b) Nicht in den Anwendungsbereich des § 75f HGB fallen außerdem solche Vereinbarungen, bei denen das Abwerbeverbot nicht Hauptzweck ist, sondern bei denen es nur eine Nebenbestimmung darstellt, die einem besonderen Vertrauensverhältnis der Parteien oder einer besonderen Schutzbedürftigkeit einer der beiden vertragschließenden Seiten Rechnung trägt. Dient ein Abwerbeverbot dem Schutz vor illoyaler Ausnutzung von Erkenntnissen, die im Rahmen solcher Vertragsverhältnisse und ihrer Abwicklung gewonnen worden sind, besteht kein Grund, die gerichtliche Durchsetzbarkeit zu versagen.

Zu dieser Fallgruppe gehören etwa Abwerbeverbote, die bei Risikoprüfungen vor dem Kauf von Unternehmen oder Unternehmensbeteiligungen vereinbart werden (sog. Due-Diligence-Prüfungen) und die vom Anwendungsbereich des § 75f HGB auszunehmen sind. Eine vergleichbare Situation kann bei einer Abspaltung von Unternehmensteilen oder Konzerngesellschaften oder bei Vertriebsvereinbarungen zwischen selbständigen Unternehmen bestehen. Auch in diesen Fallkonstellationen kann die gerichtliche Durchsetzbarkeit von Abwerbeverboten für eine reibungslose Vertragsabwicklung notwendig und eine einschränkende Auslegung des § 75f HGB geboten sein.

Die Voraussetzungen für die Ausnahme der Anwendung des § 75f HGB liegen im vorliegenden Fall indes nicht vor. Zwar handelt es sich bei der Vereinbarung des Abwerbeverbots um eine Nebenpflicht. Allerdings rechtfertigt die Abwägung der sich gegenüberstehenden Interessen unter Berücksichtigung der genannten Grundrechte der Arbeitnehmer und der Antragstellerin es im vorliegenden Fall nicht, die Vorschrift des § 75f HGB verfassungskonform einschränkend auszulegen.

Im Rahmen der Auslegung ist zu berücksichtigen, dass es sich um eine Ausnahmeregelung handelt (vgl. Roth in Baumbach/Hopt, 40. Aufl., § 75 f Rn. 1). Die Ausnahme ist gerechtfertigt, wenn ein besonderes Vertrauen besteht oder einem besonderen Schutzbedürfnis Rechnung zu tragen ist (vgl. Hagen in BeckOK Arbeitsrecht, 60. Edition, Stand: 01.06.2021, § 75f HGB Rn. 6; Boecken/Rudkowski in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 4. Aufl., § 75 f Rn. 9).

Im Rahmen der Abwägung ist zu berücksichtigen, dass das Abwerbeverbot nicht wegen der Gefahr eines Wissenstransfers von der Antragstellerin zu der Antragsgegnerin abgeschlossen wurde, weil die erworbenen Kenntnisse nach der vertraglichen Vereinbarung der Parteien in § 20 des Rahmenvertrages ohnehin allein der Antragsgegnerin zustehen.

Insoweit ist der Fall auch nicht vergleichbar mit dem Sachverhalt, der der vorstehend dargestellten Entscheidung des BGH zugrunde lag. Denn dort schlossen die Parteien, die in räumlicher Nähe zueinander im Nutzfahrzeuggeschäft tätig waren, einen Kooperationsvertrag, der die Zusammenarbeit regelte. Vorliegend wird die Antragstellerin als Auftragnehmerin für die Antragsgegnerin mit Serviceleistungen (hier Betrieb eines Call-Centers) tätig. Ein Konkurrenzverhältnis zwischen den Parteien auf dem Absatzmarkt existiert vor diesem Hintergrund nicht.

Auch die weiteren vom BGH genannten Ausnahmefälle – etwa im Bereich der Due-Diligence-Prüfungen – sind mit dem vorliegenden Fall nicht vergleichbar, weil es an einem für die Abwerbung erheblichen Informationsvorsprung der Antragsgegnerin gegenüber anderen potentiellen Arbeitgebern fehlt.

Soweit die Antragsgegnerin Kenntnisse über die Mitarbeiter der Antragstellerin im Zusammenhang mit der Ausführung des Vertrages erlangt hat und auch deren Arbeitsleistungen beurteilen konnte, rechtfertigt dies keine einschränkende Auslegung des § 75f HGB. Die Antragstellerin hätte sich gegen eine Abwerbung mit vertraglichen Vereinbarungen mit ihren Arbeitnehmern – wie dargelegt – schützen können. Die Antragsgegnerin hat im Rahmen der Zusammenarbeit über die Namen der Arbeitnehmer und deren Tätigkeiten auch keine konkreten weiteren Kenntnisse – etwa über das Gehalt – erhalten. Ein besonderes Vertrauensverhältnis, wie dies der BGH seiner Entscheidung über die Ausnahme zugrunde gelegt hat, gab es zwischen den Parteien nicht. Allein die langjährige Kooperation kann ein solches Vertrauensverhältnis, das die Anwendbarkeit des § 75f HGB ausschließen kann, nicht begründen.

Das Recht der Antragstellerin als Arbeitgeber aus Art. 2 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1 GG  auf wirtschaftliche Betätigungsfreiheit wird nicht so erheblich eingeschränkt, dass dies die Interessen der Arbeitnehmer überwiegen würde. Vielmehr ist die Antragstellerin in erster Linie dem auf dem Arbeitsmarkt üblichen Risiko ausgesetzt, dass Arbeitnehmer abgeworben werden. Kenntnisse, die diese Abwerbung erheblich erleichtern würden, hat die Antragsgegnerin nicht erlangt. Zudem steht den Interessen der Antragstellerin das durch § 75f HGB geschützte Recht der Arbeitnehmer auf freie Arbeitsplatzwahl gegenüber, was – wie dargelegt – auch beinhaltet, dass ein Arbeitgeber einen neuen Arbeitsplatz anbieten kann, ohne Konsequenzen zu befürchten.

Soweit der BGH (BGHZ 201, 205 – Abwerbeverbot) davon ausgeht, dass auch im Falle einer gezielten Behinderung im Sinne von § 4 Nr. 4 UWG die Ausnahmevorschrift nicht anzuwenden ist, führt dies zu keinem anderen Ergebnis, weil – wie noch dazulegen ist – keine Gezielte Behinderung in diesem Sinn vorliegt.

b) Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch ergibt sich nicht aus § 8 Abs. 1, 3 Nr. 1, §§ 3, 4 Nr. 4 UWG. Zwar sind die Parteien Mitbewerber und das angegriffene Verhalten der Antragsgegnerin stellt eine geschäftliche Handlung dar. Jedoch erfüllt es nicht die Voraussetzungen einer gezielten Behinderung im Sinne des § 4 Nr. 4 UWG. Im Einzelnen:

aa) Die Antragstellerin ist als Mitbewerberin der Antragsgegnerin gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG aktivlegitimiert, weil die Antragstellerin und die Antragsgegnerin jeweils um Arbeitskräfte konkurrieren. Hierin liegt ein Wettbewerbsverhältnis im Nachfragewettbewerb, was grundsätzlich ausreichend ist, auch wenn die Parteien – wie hier – nicht im Absatzmarkt miteinander im Wettbewerb stehen (vgl. Köhler in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 39. Aufl., § 4 Rn. 4.104).

bb) Der Versuch des Abwerbens ist eine geschäftliche Handlung im Sinne der § 3 Abs. 1, § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG.

cc) Entgegen der Ansicht der Antragstellerin liegt keine Gezielte Behinderung vor. Zwar stellt das Abwerben von Arbeitnehmern eine Behinderung der Antragstellerin dar, diese ist aber nicht unzulässig.

Eine Behinderung liegt vor, wenn die wettbewerbliche Entfaltungsmöglichkeit des Mitbewerbers unlauter beeinträchtigt wird. Das setzt eine Beeinträchtigung der wettbewerblichen Entfaltungsmöglichkeiten der Mitbewerber voraus, die über die mit jedem Wettbewerb verbundene Beeinträchtigung hinausgeht und bestimmte Unlauterkeitsmerkmale aufweist. Unlauter ist die Beeinträchtigung im Allgemeinen, wenn gezielt der Zweck verfolgt wird, Mitbewerber an ihrer Entfaltung zu hindern und sie dadurch zu verdrängen oder wenn die Behinderung dazu führt, dass die beeinträchtigten Mitbewerber ihre Leistung am Markt durch eigene Anstrengung nicht mehr in angemessener Weise zur Geltung bringen können. Ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, lässt sich nur aufgrund einer Gesamtwürdigung der relevanten Umstände des Einzelfalls unter Berücksichtigung der Interessen der Mitbewerber, Verbraucher oder sonstiger Marktteilnehmer sowie der Allgemeinheit beurteilen (vgl. BGH, Urteil vom 11.10.2017 – I ZR 210/16, GRUR 2018, 317 – Portierungs-Auftrag; Urteil vom 21.02.2002 – I ZR 281/99, GRUR 2002, 902 – Vanity-Nummer). Hierzu zählen alle Wettbewerbsparameter, wie der Absatz, wobei die Eignung zur Behinderung ausreicht, auch wenn diese noch nicht eingetreten ist (vgl. BGH, GRUR 2018, 317 – Portierungs-Auftrag; Köhler in Köhler/Bornkamm/Feddersen aaO, § 4 Nr. 4 Rn. 4.6).

Die Schwelle der als bloße Folge des Wettbewerbs hinzunehmenden Behinderung ist überschritten, wenn das betreffende Verhalten bei objektiver Würdigung der Umstände auf die Beeinträchtigung der wettbewerblichen Entfaltung des Mitbewerbers und nicht in erster Linie auf die Förderung des eigenen Wettbewerbs gerichtet ist (vgl. BGH, Urteil vom 26.06.2008 – I ZR 190/05, GRUR 2008, 917 – EROS). Hierbei sind auch die gesetzlichen Wertungen zu berücksichtigen, insbesondere auch das Interesse der Allgemeinheit an einem unverfälschten Wettbewerb. Das Interesse des Handelnden kann allerdings auch dann zurücktreten, wenn dieses weniger schutzwürdig ist, als das Interesse des Gegenübers oder der Allgemeinheit (vgl. Köhler in Köhler/Bornkamm/Feddersen aaO, § 4 Nr. 4 Rn. 4.11, mwN). Hat eine Handlung bei objektiver Betrachtung nachteilige Auswirkungen auf das Wettbewerbsgeschehen, die so erheblich sind, dass sie unter Berücksichtigung des Schutzzwecks des Gesetzes von den Marktteilnehmern nicht hingenommen werden müssen, dann ist diese ebenfalls als unlauter anzusehen (vgl. BGH, Urteil vom 11.01.2007 – I ZR 96/04, GRUR 2007, 800 – Außendienstmitarbeiter).

Bei der Abwerbung von Arbeitnehmern gilt, dass diese im Grundsatz zulässig ist. Auch insoweit müssen besondere Umstände hinzutreten, die die Unlauterkeit begründen. Diese können in einem verwerflichen Zweck oder aufgrund verwerflicher Mittel gesehen werden (vgl. Köhler in Köhler/Bornkamm/Feddersen aaO, § 4 Rn. 4.103 f., mwN). Der Zweck ist in der Regel unlauter, wenn die Abwerbung die Beeinträchtigung des Mitbewerbers bezweckt oder die unlautere Ausbeutung des Mitbewerbers angestrebt wird (vgl. Köhler in Köhler/Bornkamm/Feddersen aaO, § 4 Rn. 4.105 f., mwN).

Nach diesen Grundsätzen liegt eine Gezielte Behinderung nicht vor. Denn die Antragsgegnerin wollte in erster Linie Arbeitnehmer für den Betrieb eines eigenen Call-Centers gewinnen, ohne dass sie ein Interesse daran hatte, die Antragstellerin zu beeinträchtigen. Dies ergibt sich schon daraus, dass im Bereich des Absatzmarktes kein Wettbewerbsverhältnis besteht, sodass die Antragsgegnerin nicht von einer Beeinträchtigung der Antragstellerin im Absatzmarkt profitieren kann.

Soweit auch die Verleitung zum Vertragsbruch als wettbewerbswidrige Behinderung angesehen werden kann (vgl. Köhler in Köhler/Bornkamm/Feddersen aaO, § 4 Rn. 4.107, mwN), ist eine solche weder ersichtlich noch dargelegt.

c) Ein Verstoß gegen § 7 Abs. 1, 2 Nr. 2 UWG, auf den sich die Antragstellerin berufen hat, liegt nicht vor, wie das Landgericht in dem Beschluss vom 06.01.2021 dargelegt hat. Hiergegen hat sich die Antragstellerin nicht konkret gewandt. Den zutreffenden Ausführungen des Landgerichts (vgl. auch Köhler in Köhler/Bornkamm/Feddersen aaO, § 7 Rn. 141, mwN) schließt sich der Senat an.

d) Auf die Frage, ob die für den Unterlassungsanspruch erforderliche Erstbegehungs- oder Wiederholungsgefahr vorliegt, kommt es vor diesem Hintergrund nicht mehr an. Auch die Frage, ob die Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs treuwidrig im Sinne von § 242 BGB wäre, kann offenbleiben.

2. Ob ein Verfügungsgrund anzunehmen ist, kann ebenfalls offengelassen werden.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Das Urteil ist mit seiner Verkündung rechtskräftig.

4. Der Streitwert für das Berufungsverfahrens wird wie folgt festgesetzt: 120.000 €.

Löffler I www.K1.de I www.gesellschaftsrechtskanzlei.com I Gesellschaftsrecht I Wettbewerbsverbot der Gesellschafter I Mitbewerberbehinderung I Gezielte Behinderung I Abwerbeverbot I Erfurt I Thüringen I Sachsen I Sachsen-Anhalt I Hessen I Deutschland 2022

Schlagworte: Abwerbeverbot, Gezielte Behinderung, Mitbewerber gezielt behindert, unlauterer Wettbewerb, UWG § 4 Nr. 4

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OLG Köln, Urteil vom 24. August 2021 – 4 U 29/20       

Dienstag, 24. August 2021

§ 705 BGBRückzahlung unberechtigter Entnahmen I Ausschluss GesellschafterBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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Tenor

1. Es wird festgestellt, dass die Beschlüsse der Gesellschafterversammlungen der Gesellschaft bürgerlichen RechtsBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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A vom 1. März 2018 und 2. November 2019 über die Ausschließung der Klägerin aus wichtigem Grund nichtig sind.

2. Es wird festgestellt, dass die Klägerin das Unternehmen („Praxis“ – Rechtsanwaltskanzlei) der Gesellschaft bürgerlichen RechtsBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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Gesellschaft bürgerlichen Rechts
A ab dem 1. Januar 2020 einschließlich allein fortführt.

3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

4. Die Beklagten tragen die Kosten der Berufungsverfahren.

5. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages leistet.

6. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

A.

Laut Anlage gemäß § 3 Ziffer 3 des Gesellschaftsvertrages in der Fassung vom 30.09./15.11.2014 (nachfolgend: GV) waren Gesellschafter der Rechtsanwaltsgesellschaft bürgerlichen Rechts A (nachfolgend: GbR) mit 65% der Beklagte zu 1, mit 5% der Beklagte zu 2, mit 20% die Klägerin und mit 10% Rechtsanwalt B. Die GbR ist eine überörtliche Sozietät von Rechtsanwälten zum Zwecke der gemeinschaftlichen Berufsausübung auf den Gebieten des Insolvenzwesens und der Beratung im Zusammenhang mit der Restrukturierung und Sanierung von Unternehmen, die 2017 Büros u.a. in C, D und E unterhielt.Randnummer2

Die Gesellschafter der GbR haben den Status eines „Sozius“ oder eines „Partners“ (§ 3 Ziffer 1 GV). Die Gesellschaft hat einen Sozietätsausschuss, der gemäß § 12 Ziffer 1 und 2 GV aus den Parteien sowie B als geborenen Mitgliedern bestand. § 10 GV lautet u.a. wie folgt:

„…Randnummer3

5. Die Gesellschafterbeschlüsse, auch die formlos gefassten, sind zu protokollieren und von allen Mitgliedern des Sozietätsausschusses (§12) zu unterzeichnen. Jedem Gesellschafter ist eine Kopie der Protokolle zuzuleiten.Randnummer4

6. Die Unwirksamkeit oder Anfechtbarkeit von Gesellschafterbeschlüssen kann nur innerhalb eines Monats klageweise geltend gemacht werden. Die Frist beginnt mit dem Tag des Zugangs des Protokolls zu laufen.

…“Randnummer5

§ 19 GV regelt das Ausscheiden bei Ausschluss eines Gesellschafters und die Entziehung der Geschäftsführungsbefugnis. Die Bestimmung hat auszugsweise folgenden Wortlaut:Randnummer6

„1. Ein Gesellschafter kann durch Beschluss seiner Mitgesellschafter, der mit den Mehrheiten gemäß § 11 zu fassen ist, aus der Gesellschaft ausgeschlossen werden, wennRandnummer7

a) in seiner Person ein wichtiger Grund gegeben ist, …

…Randnummer8

2. Statt des Ausschlusses kann dem betroffenen Gesellschafter die Geschäftsführungsbefugnis entzogen werden.Randnummer9

3. Der betroffene Gesellschafter hat kein Stimmrecht. Seine Stimmen zählen nicht mit.“Randnummer10

§ 20 GV regelt das Ausscheiden bei Kündigung eines Gesellschafters und lautet auszugsweise wie folgt:

„…Randnummer11

2. Jeder Sozius und jeder Partner kann seine Mitgliedschaft in der Gesellschaft unter Einhaltung einer Frist von 12 Monaten zum Ende eines jeden Kalenderjahres, erstmals mit Wirkung zum 31.12.2015 kündigen.

…Randnummer12

4. Liegt ein wichtiger Grund in der Mehrheit der Personen der übrigen Gesellschafter vor, kann der berechtigte Gesellschafter die Mitgliedschaft in der Gesellschaft fristlos kündigen.Randnummer13

5. Durch die Kündigung wird die Gesellschaft nicht aufgelöst. Der kündigende Gesellschafter scheidet aus der Gesellschaft aus.“Randnummer14

§ 22 GV regelt die Folgen des Ausscheidens eines Gesellschafters und sieht vor, dass seine Beteiligung bei Fortführung der GbR den übrigen Gesellschaftern anwächst, sofern diese nicht innerhalb von drei Monaten nach Ausscheiden mit den Mehrheiten des § 11 GV die Auflösung der GesellschaftBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Auflösung
Auflösung der Gesellschaft
Gesellschaft
beschließen. Weiter heißt es:

„…Randnummer15

3. Bleibt nur ein Gesellschafter zurück, kann dieser innerhalb der in Abs. 2 genannten Frist erklären, die Praxis allein fortführen zu wollen.“Randnummer16

Nach § 11 Ziffer 1 GV bedürfen Änderungen des Gesellschaftsvertrages der Mehrheit von mindestens 85% der abgegebenen Stimmen der Sozien und 50% der abgegebenen Stimmen der Partner. Soweit die Änderung wesentliche Rechte und Pflichten der Gesellschafter, namentlich der Bestand der Gesellschaft oder den Inhalt von Mitgliedschaftsrechten betrifft, ist ein einstimmiger Beschluss erforderlich (§ 11 Ziffer 1 a GV). Nach § 9 Ziffer 3 GV ist die Gesellschafterversammlung beschlussfähig, wenn sie ordnungsgemäß eingeladen ist und Gesellschafter mit einer Beteiligung von mindestens 85% anwesend sind.Randnummer17

Die Klägerin ist die geschiedene Ehefrau des Beklagten zu 1. Dem Scheitern der Ehe, der drei Kinder entstammen, folgten jahrelange Auseinandersetzungen unter den Gesellschaftern, die in eine Vielzahl von Rechtsstreitigkeiten u.a. über die Wirksamkeit der von den Beklagten und B betriebenen Ausschließung der Klägerin aus der GbR mündeten.Randnummer18

Nachdem die Beklagten Ende Juli 2017 ohne vorherige Information der Klägerin Mitarbeitern des später geschlossenen Standorts der GbR in E gekündigt hatten, sprach Rechtsanwalt B, der seiner Tätigkeit für die Gesellschaft von jenem Standort aus nachging, am 4. September 2017 die fristlose Kündigung seiner Mitgliedschaft aus. Mit E-Mail vom 5. September 2017 (Anlage K67, AH) teilte der Beklagte zu 2 der Klägerin mit, dass entsprechend dem Wunsch von Rechtsanwalt B, aus der Sozietät auszuscheiden, von den Beklagten eine einvernehmliche Beendigung der Zusammenarbeit zunächst zum 30. Juni und später zum 30. September 2017 in Auge gefasst worden sei. Weiter heißt es in der E-Mail:Randnummer19

„… Es handelt sich also keinesfalls um eine Kündigung seitens B, die durch unsere Maßnahme ausgelöst wurde, sondern das Ausscheiden war von ihm gewünscht worden. …Randnummer20

Ich bin der festen Überzeugung, dass diese Kündigung unwirksam ist und durch eine einvernehmliche Aufhebungsregelung zu ersetzen sein wird. …“Randnummer21

Mit der erstmals im Berufungsrechtszug zur Akte gereichten E-Mail vom 6. September 2017 (Anlage K171, AH Schriftsatz 09.10.2019) antwortete die Klägerin auszugsweise wie folgt:Randnummer22

„Hallo F, hallo G,

…Randnummer23

Unabhängig davon weise ich zum wiederholten Mal darauf hin, dass jegliche einvernehmliche Regelung mit B auf Gesellschafterebene und damit auch mit mir abzustimmen ist. Ich nehme zur Kenntnis, dass ihr mich während des gesamten, offensichtlich über Monate laufenden Prozesses nicht im Entferntesten eingebunden habt. …Randnummer24

Für das weitere Prozedere weise ich darauf hin, dass hinsichtlich des angesprochenen „einvernehmlichen“ Ausscheidens von B, das derzeit wieder völlig an mir vorbei verhandelt wird, rechtzeitig zu der durchzuführenden Gesellschafterversammlung eingeladen werden muss. Ich bitte schon jetzt und erneut um Auskunft über den Stand der Verhandlungen bzw. das Ziel, das mit diesen Verhandlungen verfolgt werden soll.“Randnummer25

In der Folge leiteten die Beklagten der Klägerin eine auf den 10. September 2017 datierte, von ihnen unterschriebene Gesellschafterliste (Anlage K68) zum Zwecke der Unterzeichnung zu, die B nicht mehr als Gesellschafter der GbR auswies. Dazu heißt es unter *) erläuternd:Randnummer26

„Der bisherige Mitgesellschafter B hat die Gesellschaft ohne Angabe von Gründen fristlos zum 04.09.2017 gekündigt und sich einer anderen Anwaltskanzlei angeschlossen. Die übrigen Gesellschafter haben im Außenverhältnis der Neuorientierung von Herrn B nicht widersprochen. Die Gesellschaft hat sich jedoch bezüglich der Wirksamkeit der Kündigung alle Rechte vorbehalten. Eine ordentliche Kündigung wäre gesellschaftsvertraglich erst zum 31.12.2018 zulässig gewesen.“Randnummer27

Die geänderte Gesellschafterliste wurde von der Klägerin trotz mehrfacher Erinnerung, zuletzt durch den Beklagten zu 1 gemäß E-Mail vom 18. Februar 2018 (Anlage K69), nicht unterzeichnet. Nachdem B anwaltliche Hilfe in Anspruch genommen und sich mit Schreiben vom 20. Februar 2018 an den Beklagten zu 1 gewandt hatte, entgegnete die Beklagte zu 2 mit Schreiben vom 23. Februar 2018 für die GbR auszugsweise wie folgt:Randnummer28

„1. Ausscheiden aus der A GbRRandnummer29

Mit Schreiben vom 04.09.2017 hat Herr B seine Mitgliedschaft in der A GbR aus wichtigem Grund fristlos gekündigt. Bereits zum 05.09.2017 hat er sich der Sozietät H Rechtsanwälte angeschlossen. Die fristlose Kündigung war rechtlich unwirksam, da es für diese keinen wichtigen Grund gab. Herr B hat demgemäß auch gar nicht erst versucht, einen Kündigungsgrund darzulegen. Eine wirksame Kündigung konnte vertragsgemäß erst zum 31.12.2018 erfolgen. Wir haben uns daher wegen des vertragswidrigen Ausscheidens alle Ansprüche vorbehalten. Da Herr B bereits „nahtlos“ zur Sozietät H gewechselt war, haben wir, da er nicht gleichzeitig zwei Anwaltskanzleien angehören kann, „nach außen“ den Wechsel geduldet, uns aber Schadenersatzansprüche vorbehalten.Randnummer30

Wir haben uns zwischenzeitlich mit Herrn B darauf verständigt, dass wirtschaftlich das Ausscheiden auf den 31.08.2017 erfolgt und zu diesem Zeitpunkt die gegenseitigen Ansprüche ermittelt werden. Alle weiteren Überlegungen und auch die bisherigen Gespräche mit B beziehen sich ausschließlich auf diesen Stichtag.“Randnummer31

Nach einem Streit über die Berechtigung von Entnahmen der Klägerin hatten sich die Parteien am 10. November 2017 im Rahmen des von den Beklagten angestrengten Verfahrens auf Erlass einer einstweiligen Verfügung 4 O 1963/17 eV LG Dresden darauf verständigt, dass bis zum 31.12.2017 von der Klägerin monatlich 22.000 EUR, von dem Beklagten zu 1 monatlich 70.000 EUR und von dem Beklagten zu 2 monatlich 20.000 EUR entnommen werden dürften. Aus Gründen, die zwischen den Parteien streitig sind, waren dem Privatkonto des Beklagten zu 2 zu Lasten der GbR am 27. Dezember 2017 800.000 EUR gutgeschrieben worden. Mit Schriftsatz vom 21. Dezember 2017 (Anlage K132) hatten die Beklagten gegen die Klägerin vor dem Landgericht Dresden (4 O 2957/17) Klage auf Rückzahlung ihrer Ansicht nach unberechtigter Entnahmen in Höhe von 2.367.980,30 EUR erhoben. Im Rahmen dieses Rechtsstreits hatten sich die Parteien auf die Durchführung eines Mediationsverfahrens verständigt, wobei zwischen den Parteien streitig ist, ob und gegebenenfalls ab welchem Zeitpunkt sich dieses auf die spätere Beschlussfassung über den Ausschluss der Klägerin aus der GbR erstreckt hat.Randnummer32

Die Beklagten wollten am 9. Januar 2018 eine Gesellschafterversammlung abhalten, zu welcher der Beklagte zu 1 mit Schreiben vom 22. Dezember 2017 eingeladen hatte. Als einziger Punkt zur Tagesordnung war eine Beschlussfassung über den Ausschluss der Klägerin aus der GbR vorgesehen. Auf die Beschwerde der Klägerin untersagte der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln der GbR und den Beklagten durch Beschluss vom 8. Januar 2018 (22 O 429/17 LG Köln = 8 W 1/18 OLG KölnBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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, nunmehr 4 U 28/20 OLG KölnBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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, dort GA 40 ff.) im Wege der einstweiligen Verfügung u.a., bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über die Wirksamkeit der Ausschließung der Klägerin diese bekanntzugeben und deren Betätigung als geschäftsführende Gesellschafterin zu behindern. Nachdem den Verfügungsklagten der Beschluss unmittelbar vor Beginn der Gesellschafterversammlung am 9. Januar 2018 zugestellt worden war, hatte die Klägerin beantragt, ihr zu gestatten, zu der Versammlung in Begleitung ihres Rechtsanwalts zu erscheinen. Dieses Begehren war von den Beklagten abgelehnt worden. Nachdem der anwaltliche Beistand der Klägerin der Aufforderung der Beklagten zum Verlassen des Versammlungsraums nicht nachgekommen war, hatten diese ihrerseits den Versammlungsort verlassen, ohne den Beschlussantrag zu Abstimmung zu stellen.Randnummer33

Mit Schreiben vom 10. Februar 2018 hatte der Beklagte zu 1 die Klägerin und den Beklagten zu 2, nicht aber Rechtsanwalt B, auf den 1. März 2018 zu einer außerordentlichen Gesellschafterversammlung eingeladen. Einziger Tagesordnungspunkt sollte die Ausschließung der Klägerin aus der GbR sein. Die Beklagten haben der Klägerin vorgeworfen, sie habe das Beratungsmandat betreffend die I Herrenbekleidung GmbH & Co. KGBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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GmbH & Co. KG
KG
(nachfolgend: I GmbH & Co. KGBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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GmbH & Co. KG
KG
) in einer Weise bearbeitet, die geeignet gewesen sei, nicht nur beim Amtsgericht Köln als dem zuständigen Insolvenzgericht Zweifel an der Kompetenz der GbR zu wecken, sondern auch darüber hinaus in Fachkreisen mit einer erheblichen Reputationseinbuße verbunden gewesen sei (GA 60 ff.). Darüber hinaus habe die Klägerin durch die Einstellung einer weiteren (persönlichen) Sekretärin sachliche Betriebsleistungen der GbR für ihre privaten Zwecke in Anspruch genommen (GA 65 ff.). Des Weiteren habe die Klägerin die Durchführung der auf den 9. Januar 2018 anberaumten Gesellschafterversammlung, die der Beschlussfassung über ihren Ausschluss habe dienen sollen, vereitelt (GA 70 f.). Schließlich habe die Klägerin rücksichtslos eigene Vermögensinteressen zum Nachteil der GbR verfolgt (GA 71 ff.). Den Vorwürfen liegen neben den Geschehnissen vom 9. Januar 2018 folgende Vorgänge zugrunde:Randnummer34

Durch das Amtsgericht Köln (74 IN 103/16) war 2016 über das Vermögen der I GmbH & Co. KGBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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GmbH & Co. KG
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ein Insolvenzverfahren unter Anordnung von Eigenverwaltung eröffnet worden. Zum Sachwalter wurde Rechtsanwalt J bestellt. Die GbR war für die I GmbH & Co. KGBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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als Sanierungsexperte tätig. Das Mandat wurde von der Klägerin bearbeitet. Mit seinem Bericht an das Insolvenzgericht vom 20. Oktober 2017 (AH Bekl.-Vertr. K, Anlage B8) monierte der Sachwalter, dass die Schuldnerin bis Mitte Juli 2017 Liquiditätsplanungen nur unregelmäßig und verzögert vorgelegt sowie trotz mehrfacher (auch an die Klägerin gerichteter) Aufforderung nur schleppend Auskunft über auf einen Betrag von rund 1,95 Mio. EUR angewachsene Masseverbindlichkeiten gegeben habe. Außerdem machte er auf Versäumnisse der Schuldnerin in Bezug auf die Einholung seiner Zustimmung zum Abschluss von Stundungsvereinbarungen mit Massegläubigern aufmerksam, über die er auch im Nachgang nicht informiert worden sei. Schließlich brachte er zum Ausdruck, dass er den von der Schuldnerin erstellten Insolvenzplan für überarbeitungsbedürftig hielt und wies darauf hin, dass die von der Klägerin im Eröffnungsverfahren auf 170.000 EUR veranschlagten Beratungskosten, bedingt durch eine gegenüber der Planung um 15 Monate längere Verfahrensdauer ohne Berücksichtigung der auf arbeitsrechtliche Angelegenheiten entfallenden Kosten, auf einen Betrag von rund 480.000 EUR angewachsen seien, mit der Folge, dass die Kosten der Eigenverwaltung voraussichtlich um 15% bis 52% höher seien als die fiktiven Kosten eines Regelverfahrens. Durch mit Gründen versehenen Beschluss vom 15. November 2017 (Anlage AG8 22 O 429/17 = 4 U 28/20 OLG KölnBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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) beraumte das Insolvenzgericht u.a. zum Zwecke der Beschlussfassung über die Fortführung oder Aufhebung der Eigenverwaltung eine Gläubigerversammlung auf den 27. November 2017 an. Auszugsweise heißt es darin:Randnummer35

„Weitere, als möglicherweise nachteilig für die Gläubiger einzustufende Umstände ergeben sich aus dem Bericht des Sachwalters, wonach ihm die Schuldnerin und ihre Berater die Erfüllung seiner gesetzlichen Aufsichts- und Überwachungspflichten deutlich erschwerten, indem sie für das Verfahren maßgebliche Umstände nicht von sich aus, sondern stets erst auf mehrmalige Nachfrage hin mit erheblicher Verzögerung übermittelten: Liquiditätsplanungen wurden statt für künftige Zeiträume trotz Anforderung aktueller Planungen für zurückliegende Zeiträume eingereicht, eine mehrfach erbetene Aufstellung zu unberichtigten Masseverbindlichkeiten wurde über acht Monate hinweg nicht vorgelegt, über die zu den im Juli 2017 letztlich ermittelten unberichtigten Masseverbindlichkeiten i.H.v. 2,48 Mio. EUR getroffenen Stunden-vereinbarungen war nicht informiert worden und auch der im Zusammenhang mit der Überschreitung der Beraterkosten stehende Beratervertrag wurde unter Verweis auf die Rechtsauffassung der Berater, dieser Vertrag bedürfe nicht der Zustimmung des Sachwalters, nicht vorgelegt. Diese Auffassung ist allerdings unzutreffend:

…Randnummer36

Auch wenn vorliegend der Sachwalter dem nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens neu abgeschlossenen Beratervertrag auf die Aussage der Schuldnerberater hin, dieser entspreche den Konditionen der für das Eröffnungsverfahren ausgehandelten vertraglichen Bedingungen, konkludent zugestimmt hatte und auch die wiederholt angeforderten Unterlagen letztlich vorgelegt wurden, erschient insbesondere aufgrund der angezeigten Kostenüberschreitung bei den Beraterhonoraren neben der im Raum stehenden Übernahme der Kassenführung nach § 275 Abs. 2 InsO sowie einer Prüfung möglicher Gesamtschadensansprüche gemäß §§ 280, 92, 93 InsO eine Information aller Gläubiger sowie eine Beschlussfassung der Gläubigerversammlung über die Fortsetzung oder Aufhebung der Eigenverwaltung erforderlich.“Randnummer37

Der Beklagte zu 1 entsandte für die GbR eine Mitarbeiterin als Beobachterin in die Gläubigerversammlung, ohne die Klägerin, die gleichfalls zugegen war, hiervon zu unterrichten. Die Eigenverwaltung wurde fortgesetzt; zu einer Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen ist es (bislang) nicht gekommen.Randnummer38

Auf dem 15. Deutschen Insolvenzrechtstag vom 14. bis 16. März 2018 nahm Rechtsanwalt L in einem Vortrag mit dem Titel „Der unabhängige Insolvenzverwalter – ein Auslaufmodell?“ kritisch zu dem Instrument der Eigenverwaltung Stellung. Dabei wurde im Besonderen der Verlauf des Verfahrens 74 IN 103/16 AG Köln kritisiert.Randnummer39

Die Pädagogin und Kunsttherapeutin M war seit Mai 2013 als Kindermädchen für die gemeinsamen Kinder der Klägerin und des Beklagten zu 1 in deren damaligem Familienhaushalt tätig. Laut Änderungsvertrag vom 10. Juli 2017 (Anlage K57) waren Frau M bei einer regelmäßigen Arbeitszeit von wöchentlich 20 Stunden und einem monatlichen Gehalt von 2.380 EUR die Erledigung von Büroarbeiten für die Klägerin übertragen worden. Daneben sollte Frau M lediglich noch 20% ihrer Arbeitskraft der Kinderbetreuung widmen. Mit Wirkung zum 1. Januar 2018 hatte die Klägerin namens der GbR einen Anstellungsvertrag mit Frau M geschlossen (Anlage K61). Diese war nunmehr mit 20 Wochenstunden bei einem monatlichen Gehalt von gleichfalls 2.380 EUR als Sekretärin im Home-Office der Klägerin eingesetzt. Der Arbeitsplatz im Home-Office der Klägerin war vakant geworden, nachdem die Klägerin der vorherigen Stelleninhaberin Frau N mit Wirkung zum 31. Dezember 2016 gekündigt hatte. In den Kanzleiräumen am Standort D war für die Klägerin während der gesamten Zeit ein Sekretariat eingerichtet, welches ab dem 1. Oktober 2017 mit einer Teilzeitkraft besetzt war.Randnummer40

Die GbR unterhielt u.a. bei der O D (nachfolgend: OD) und der P AG Kontokorrentkonten mit im Soll geführten Kreditlinien von 5.000.000 EUR und 1.500.000 EUR. Mit Schreiben vom 22. Februar 2018 (Anlage B10, AH Bekl.-Vertr. (K)) hatte die P AG die Geschäftsleitung der GbR zum Zwecke der Prüfung der Fortführung des Kreditengagements zum aktuellen Nachweis bestehender Kreditvormerkungen, zur Erläuterung geplanter Entnahmen durch Gesellschafter sowie von Maßnahmen zur Stärkung des Eigenkapitals, der Mitteilung des aktuellen Forderungsbestandes, der Prognose der wirtschaftlichen Entwicklung der Kanzlei und die Information über Maßnahmen für den Fall des krankheits- oder altersbedingten Ausscheidens des Hauptgesellschafters aufgefordert. Ausweislich des Schreibens war dem ein am 7. Februar geführtes Gespräch zwischen der Klägerin und Mitarbeitern der Bank vorausgegangen, in dem erstere einer Revalutierung der im Soll geführten Kontokorrentlinie widersprochen und darauf hingewiesen hatte, dass die OD nicht gewillt sei, ihr Kreditengagement in der bisherigen Form weiterzuführen. Ausweislich eines an den Beklagten zu 1 gerichteten Schreibens der OD vom 6. Februar 2018 hatte diese die Kreditlinie gekündigt und mit Schreiben vom 27. November 2017 angeboten, in Verhandlungen über die Modalitäten der stufenweise Rückführung einzutreten.Randnummer41

Nachdem der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln mit Beschluss vom 8. Januar 2020 (22 O 429/17 LG Köln = 8 W 1/18 OLG KölnBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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, nunmehr 4 U 28/20 OLG KölnBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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, dort GA 40 ff.) bereits in Zweifel gezogen hatte, dass die ihm unterbreiteten Gründe geeignet seien, eine Ausschließung der Klägerin aus der GbR zu rechtfertigen, wurde das gerichtliche Unterlassungsgebot per weiterer einstweiliger Verfügung des Landgerichts Köln vom 22. Februar 2018 (22 O 58/18 LG Köln = 4 U 28/20 OLG KölnBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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) auch auf den zur Rechtfertigung des Ausschlusses herangezogenen Anstellungsvorgang M und/oder nicht innerhalb von zwei Wochen vor der Gesellschafterversammlung vom 1. März 2020 mitgeteilte andere Gründe erstreckt.Randnummer42

An der Gesellschafterversammlung der GbR vom 1. März 2018 nahmen die Parteien im Beistand anwaltlicher Vertreter teil. Für Rechtsanwalt B war niemand erschienen. Ausweislich eines mit Schreiben vom 6. März 2018 an die Klägerin, nicht aber an B, übersandten Protokolls über die Gesellschafterversammlung, das von dem Beklagten zu 2 unterzeichnet ist, wurde am 1. März 2018 u.a. der Beschluss gefasst:Randnummer43

Ausschluss der Gesellschafterin aus wichtigem Grund gemäß § 19 Abs. 1 Buchst. a) des Sozietätsvertrages.Randnummer44

Herr A und Herr R stimmten für den Ausschluss der Gesellschafterin Q, Frau Q stimmte dagegen. Herr A und Herr S wiesen darauf hin, dass Frau Q in diesem Zusammenhang kein Stimmrecht zusteht und der Beschluss damit mit dem beantragten Inhalt zustande gekommen ist.“Randnummer45

Der Übersendung dieses Protokolls war die Zusendung eines Protokolls (Anlage K25, AH Kl) an die Beklagten, nicht aber an B vorangegangen, das von der Klägerin am 1. März 2018 fertiggestellt und unterzeichnet war und hinsichtlich der Beschlussfassung über ihren Ausschluss aus der GbR u.a. folgenden Wortlaut hatte:Randnummer46

„3. Herr R stellt daraufhin den Antrag „Ausscheiden der Gesellschafterin Q aus wichtigem Grund gem. § 19 Abs. 1 Buchst. a) des Sozietätsvertrages“. Herr Rechtsanwalt S erklärt, Herr A und Herr R stimmten dafür. Frau Q erklärt, sie stimme dagegen. Auf den Hinweis von Herrn Rechtsanwalt S, Frau Q unterliege einem Stimmverbot, erklären Frau Q und Herr Rechtsanwalt T, es bestehe kein Stimmverbot. Ausschließungsgründe seien weder nachvollziehbar noch substantiiert dargelegt. Ergänzend wird in diesem Zusammenhang auch auf die rechtswidrige Entnahme von Herrn R in Höhe von 800.000,00 EUR verwiesen. Einer versuchten Feststellung des BeschlussergebnissesBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Feststellung
Feststellung des Beschlussergebnisses
durch Herrn R widerspricht Rechtsanwalt T und erklärt seinerseits, der Beschlussantrag sei von der Gesellschafterversammlung abgelehnt worden.“Randnummer47

Mit an die Klägerin gerichteter E-Mail vom 15. März 2018 (Anlage K27, AH Kl.), welche auf eine nicht zur Akte gelangte E-Mail vom 13. März 2018 Bezug nimmt und mit dem Betreff „Gesamtlösung“ bezeichnet ist, griff der Beklagte zu 2 ein (vorangegangenes) Gespräch über eine mögliche Liquidation der GbR auf. Neben Ausführungen zu den strittigen Fragen eines Ausgleichs des angeblich negativen Kapitalkontos der Klägerin und einer Erstattung von Entnahmen durch den Beklagten zu 2 heißt es in der E-Mail weiter:Randnummer48

„Was das Thema Deines Ausschlusses anbetrifft, so muss dieses Thema im Rahmen der Gesamtlösung sicherlich geklärt werden. Es spricht aber nichts dagegen, eine diesbezügliche einvernehmliche Regelung auf den Fall einer Gesamtlösung zu beschränken. Dringender Handlungsbedarf zur Klärung der Frage Deines Ausschlusses besteht derzeit nicht. Durch die einstweiligen Verfügungen des OLG KölnBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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bzw. des LG Köln ist Dein Status für die Zwischenzeit erst einmal geklärt. Ich halte diese Entscheidung des LG Köln und des OLG KölnBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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zwar für falsch, könnte mir aber vorstellen, sie für einen angemessenen Verhandlungszeitraum nicht anzugreifen. Für weitergehende Zugeständnisse im Vorfeld sehe ich allerdings keinen Anlass; diese und die übrigen Fragen sollten wir vielmehr konstruktiv im Rahmen der Gesamtlösung klären.“Randnummer49

Darauf antworte die Klägerin mit einer an beide Beklagten gerichtete E-Mail vom 17. März 2018 (Anlage OP15, AH K II). Diese lautet auszugsweise:Randnummer50

„Ich nehme Bezug auf Deine Mail vom 15.03.2018, F, und bin gerne bereit, zügig zu klären, ob eine Liquidation erforderlich und möglich ist und wenn ja, wie wir sie gestalten können. …Randnummer51

Deine Überlegungen, F, zu einer Liquidation der Gesellschaft nehme ich ernst, … . Die zentrale Frage dabei ist für mich, wie G dazu steht. G, Du hast im Termin geäußert, die vorgeschlagene Liquidation komme für Dich nur in Betracht, wenn es eine „stille“ Liquidation sei. Wie auch immer das gehen soll, das müssten wir noch klären. G, bleibt es dabei? Ich glaube, dass es erst Sinn macht, Überlegungen in diese Richtung zu vertiefen, wenn auch Du, G, dahinter stehst. Im Übrigen weise ich darauf hin, dass in der Tatsache, dass ich bereit bin, an der Diskussion über eine Liquidation der Gesellschaft teilzunehmen bzw. einer Liquidation zuzustimmen, die Aufgabe irgendwelcher Rechtspositionen zu sehen ist. Vielmehr müssen in diesem Zusammenhang alle streitigen Fragen zur Zufriedenheit gelöst werden und alle mir entstandenen Aufwendungen im Zusammenhang mit den von Euch vom Zaun gebrochenen, mutwilligen Rechtsstreiten, die ich seit Jahren mit großem Aufwand führen muss, müssen mir erstattet werden.“Randnummer52

Die Klageschrift ist in vorliegender Sache am 29. März 2018 beim Landgericht eingegangen. Mit Vorschussrechnung vom 18. April 2018 hat das Landgericht Gerichtskosten nach Nr. 1xxx KV GKG in Höhe von 44.088 EUR angefordert. Am 22. August 2019 ist der Gerichtskostenvorschuss eingegangen. Am 4. September 2019 hat das Landgericht die Zustellung der Klageschrift verfügt. Diese ist am 6. September 2019 zugestellt worden.Randnummer53

Dem Eingang der Klageschrift ist am 11. April 2018 ein auf Bitte des Beklagten zu 1 am 9. April 2018 vereinbartes Gespräch zwischen der Klägerin und einem Herrn U nachgefolgt, in dem letzterer für den Beklagten zu 1, was dieser in Details mit Nichtwissen in Abrede stellt, deutlich gemacht hat, an einer Gesamtlösung unter Einbeziehung auch von Fragen des Sorge- und Umgangsrechts für die gemeinsamen Kindern interessiert zu sein.Randnummer54

Dem Antrag der Klägerin, angesichts der Durchführung der gerichtlichen Mediation für das Streitverfahren 4 O 2957/17 LG Dresden das Ruhen anzuordnen, sind die Beklagten für die GbR entgegengetreten. Diese hat mit Schriftsatz vom 27. April 2018 auf die von der Klägerin gegen den Beklagten zu 2 erhobene Widerklage erwidert.Randnummer55

Nach einem ersten Mediationstermin vom 3. Mai 2018 haben die Beklagten mit Schriftsatz vom 19. Juni 2018 (Anlage K77) zum Zwecke der Vorbereitung des für den 27. Juni 2018 anberaumten Folgetermins u.a. auch zur Frage der Wirksamkeit des Ausschließungsbeschlusses Stellung bezogen und Zweifel an den Ausführungen des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts und der 22. Zivilkammer des Landgerichts Köln in den nunmehr gleichfalls beim Senat anhängigen einstweiligen Verfügungsverfahren 22 O 427/17 LG Köln (= 4 U 28/20 OLG KölnBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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) und 22 O 58/18 LG Köln (= 4 U 30/20 OLG KölnBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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) angemeldet. Zur Begründung haben sie auf den beigefügten Entwurf einer auf den 19. Juni 2018 datierten Widerspruchsschrift in der Sache (22 O 429/17 LG Köln = 4 U 28/20 OLG KölnBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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(Anlage K78) Bezug genommen und abschließend ausgeführt:Randnummer56

„Von einer Einreichung dieses Schriftsatzes haben wir bislang lediglich abgesehen, um das Mediationsverfahren nicht unnötig zu belasten, werden dies aber unverzüglich nachholen, wenn der Termin am 27.06.2018 zu keinem befriedigenden Ergebnis führt.“Randnummer57

Gegenstand der Erörterungen im Mediationstermin vom 27. Juni 2018 waren Vorschläge der anwaltlichen Vertreterin der GbR, denen alternativ ein Verbleib und ein Ausscheiden der Klägerin aus der GbR zugrunde lagen. Dem folgte im Dezember 2018 ein Vergleichsangebot des Beklagten zu 1, das u.a. ein Ausscheiden der Klägerin mit Wirkung zum 31. Dezember 2018 vorsah.Randnummer58

Mit Schreiben vom 14. Dezember 2018 hat der Beklagte zu 2 das Gesellschaftsverhältnis mit Wirkung zum 31. Dezember 2019 gekündigt (Anlage K34). Mit Schreiben von 21. Dezember 2018 hat der Beklagte zu 1 eine entsprechende Kündigungserklärung ausgesprochen (Anlage K35).Randnummer59

Nachdem sie Hinweise darauf erhalten hatte, dass die GbR ohne ihr Wissen ein Darlehen über 500.000 EUR bei dem Beklagten zu 1 aufgenommen hatte, hat die Klägerin, wie aus dem nachgelassenen Schriftsatz vom 5. Dezember 2019 (GA 192) hervorgeht, die Beklagten mit E-Mails vom 17. und 20. Dezember 2018 (Anlagen K91, K92) um Auskunft und Vorlage des Darlehensvertrages gebeten. Da eine Antwort ausblieb, hat die Klägerin die Beklagten mit E-Mail vom 28. Dezember 2018 (Anlage K93) darauf hingewiesen, dass sie gemäß § 711 BGB jeglicher weiteren Darlehensaufnahme wiederspreche, und um Bestätigung der Beachtung des Widerspruchs bis zum 2. Januar 2019 gebeten. Mangels Reaktion der Beklagten hat die Klägerin die Beklagten mit der um 8:13 Uhr versandten E-Mail vom 3. Januar 2019 (Anlage K94) davon unterrichtet, dass sie ihren Widerspruch gegenüber der P AG, der V, der W und der X AG publik gemacht habe. Mit der um 14.23 Uhr versandten E-Mail vom selben Tag (Anlage K36) hat der Beklagte zu 2 der Klägerin den angeforderten Vertrag übermittelt und deutlich gemacht, dass es sein wie auch das Interesse des Beklagten zu 1 sei, Ende 2019 einen „lebensfähigen und funktionierenden Betrieb zurückzulassen.Randnummer60

In einem von ihr gefertigten Protokoll über eine mit dem Beklagten zu 2 und dem für Personalangelegenheiten zuständigen Mitarbeiter Y geführte Besprechung vom 24. Januar 2019 hat die Klägerin folgendes festgehalten:Randnummer61

„Angesichts der zu erwartenden erheblichen Liquiditätsabflüsse – es stehen insgesamt noch EUR 4,2 Mio Bankverbindlichkeiten zur Tilgung aus – und der Komplexität der Entflechtung der Gesellschafter waren sich die Beteiligten einig, dass nun alle Kapazitäten auf die Gestaltung der Zukunft gerichtet sein sollten und ein Schlussstrich unter die Rechtsstreite der Vergangenheit gezogen werden sollte. Durch die aktuelle Entwicklung haben sich die ganzen Ausschließungen erledigt, sie brauchen nicht mehr thematisiert zu werden, denn nun ist klar, dass sich die Gesellschafter trennen werden und eine einvernehmliche Trennung anstreben. Herr R regte darüber hinaus an, auch die noch anhängigen Rechtsstreite und die laufende Mediation gütlich zu beenden. …“Randnummer62

Am 30. Januar 2019 haben die Beklagten im Rahmen einer Betriebsversammlung gegenüber den Mitarbeitern des Standorts Z bekanntgegeben, dass sie Ende des Jahres aus der GbR Ausscheiden würden.Randnummer63

Bis zur Güteverhandlung im Mediationsverfahren am 24. Mai 2019 haben die Parteien über Sanierungsmaßnahmen korrespondiert. In der besagten Sitzung hat der Mediationsrichter aus Gründen, die zwischen den Parteien streitig sind, das Scheitern der Mediation festgestellt. Noch am selben Tag hat der Beklagte zu 1 den Mitgesellschaftern die Ergänzung der Tagesordnung der bereits für den 29. Mai 2019 einberufenen Gesellschafterversammlung mit dem Ziel der Beschlussfassung über die (abermalige) Ausschließung der Klägerin aus der GbR aus wichtigem Grund mitgeteilt. Am 28. Mai 2019 hat die Klägerin vor dem Landgericht Köln (22 O 177/19= 4 U 31/20 OLG KölnBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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) im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gegen die Beklagten und die Gesellschaft das Verbot erwirkt, eine neuerliche Ausschließung der Klägerin zu vollziehen. Diese haben die Beklagten in der Gesellschafterversammlung vom 29. Mai 2019 nicht zur Abstimmung gestellt; stattdessen haben sich die Parteien Fragen der Abwicklung bei einer einvernehmlichen Trennung zugewandt. Gegenstand der Erörterung war die Fortführung der Kanzlei durch die Klägerin gemäß § 22 Nr. 3 GV. Hierzu hat der Beklagte zu 1 ein am 8. August 2019 erstattetes Rechtsgutachten von A2 eingeholt (Anlage K47). Am 18. Juni 2019 haben sich die Parteien ein weiteres Mal getroffen und sich durch einen Steuerexperten die Vor- und Nachteile einer Realteilung und einer Fortführung der Sozietät erläutern lassen. Einen für den 14. August 2019 vereinbarten Folgetermin hat der Beklagte zu 1 anderthalb Stunden vor dessen Beginn ohne Angaben von Gründen abgesagt.Randnummer64

Bereits zuvor hatten die Beklagten in den Verfahren 22 O 429/17, 22 O 58/18 und 22 O 177/19 LG Köln (nunmehr 4 U 28/20, 4 U 31/20 und 4 U 30/20 OLG KölnBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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) Widerspruch eingelegt, wovon die Klägerin allerdings erst nach der Absage des Treffens vom 14. August 2019 Kenntnis erhalten hat.Randnummer65

Trotz fehlender Zustimmung der Beklagten hatte die Klägerin Mitarbeitern des Standorts C im Mai 2019 mitgeteilt, die unternehmerische Entscheidung getroffen zu haben, den dortigen Betrieb stillzulegen und diese Entscheidung durch Kündigung aller Mitarbeiter zum 31. Dezember 2019 auch vollzogen. Auf eine Kündigungsschutzklage einer betroffenen Mitarbeiterin stellte das Arbeitsgericht Köln durch Urteil vom 15. August 2019 (8 Ca 3692/19, Anlage OP 20) fest, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Klägerin nicht aufgelöst worden sei.Randnummer66

Die Sozietät unterhält mehrere Geschäftskonten, über die geschäftliche Zahlungsvorgänge, insbesondere auch Fremdgeldzahlungen, abgewickelt werden. Nachdem der Beklagte zu 1 von ihm im Rahmen seiner Berufsausübung erwirtschaftete Vergütungen ab dem 29. August 2019 auf ein privates Bankkonto einzogen hatte, das dem Zugriff der Klägerin entzogen war, hat diese am 30. September 2019 namens der GbR (22 O 344/19 LG Köln) eine einstweilige Verfügung (22 O 344/19 LG Köln) erwirkt, mit welcher dem Beklagten zu 1 untersagt worden ist, als (vorläufiger) Insolvenzverwalter, Sachwalter, Organ einer Schuldnerin in Eigenverwaltung, Treuhänder oder Mitglied im Gläubigerausschuss oder sonstigen Gläubigergremien verdiente Vergütungen auf andere als Gesellschaftskonten einzuziehen, und mit welcher ihm aufgegeben worden ist, rund 2 Mio. EUR auf eines der Gesellschaftskonten einzuzahlen. Auf den Widerspruch des Beklagten zu 1 hat das Landgericht durch Urteil vom 7. November 2019 die einstweilige Verfügung betreffend das Unterlassungsgebot bestätigt und betreffend das Zahlungsgebot die Erledigung der Hauptsache in Höhe eines Teilbetrages von rund 1,4 Mio. EUR festgestellt. Im Übrigen hat es die einstweilige Verfügung aufgehoben und den Antrag auf deren Erlass zurückgewiesen. Die dagegen gerichtete Berufung des Beklagten zu 1 ist beim Senat anhängig (4 U 176/19 OLG KölnBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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).Randnummer67

Mit Schreiben vom 17. Oktober 2019 (Anlage K19) hatte der Beklagte zu 1) die Klägerin und den Beklagten zu 2 auf den 2. November 2019 zu einer außerordentlichen Gesellschafterversammlung eingeladen. Einziger Tagesordnungspunkt sollte die Ausschließung der Klägerin aus der GbR sein. Die Beklagten haben der Klägerin vorgeworfen, mittels der E-Mails vom 3. Januar 2019 und 6. September 2019 den Versuch unternommen zu haben, der GbR ihre finanzielle Existenzgrundlage zu entziehen. Darüber hinaus habe sie gegenüber Gerichten und Mitarbeitern behauptet, der Beklagte zu 1 habe sich zu Lasten der GbR in strafbarer Weise bereichert.Randnummer68

Auf Antrag der Klägerin hat die 22. Zivilkammer des Landgerichts Köln der GbR und den Beklagten durch Beschluss vom 23. Oktober 2020 (22 O 367/19 LG Köln = 4 U 32/20 OLG KölnBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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) im Wege der einstweiligen Verfügung u.a. aufgegeben, bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über die Wirksamkeit der Ausschließung diese bekanntzugeben noch deren Betätigung als geschäftsführende Gesellschafterin zu behindern.Randnummer69

Am 2. November 2019 hat die Gesellschafterversammlung der GbR auf Verlangen der Beklagten mit deren Stimmen nochmals die Ausschließung der Klägerin beschlossen. Dabei haben die Beklagten der Klägerin im Wesentlichen vorgeworfen, durch Offenlegung kreditrelevanter Tatsachen und des Widerspruchs gegen weitere Kreditaufnahmen gegenüber Banken die wirtschaftliche Existenz der GbR aufs Spiel gesetzt und die Gefahr einer Insolvenz heraufbeschworen zu haben.Randnummer70

Auf Antrag der Klägerin ist das per einstweiliger Verfügung vom 30. September 2019 angeordnete Unterlassungsgebot (22 O 344/19 LG Köln = 4 U 176/19 OLG KölnBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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) per weiterer einstweiliger Verfügung des Landgerichts Köln vom 7. November 2019 (22 O 385/19 LG Köln = 4 U 33/20 OLG KölnBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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) unter Einziehung weiterer der GbR zustehender Forderungen durch den Beklagten zu 1 auf beide Beklagten erstreckt worden.Randnummer71

Mit Rücksicht auf die am 4. November 2019 eingereichte Klageerweiterung hat die Klägerin im Kammertermin vom 21. November 2019 (GA 162 ff) beantragt, festzustellen, dass die Beschlüsse der Gesellschafterversammlungen über ihre Ausschließung nichtig sind (Klageantrag zu 1), den Beklagten unter Androhung von Ordnungsmitteln (Klageantrag zu 4) zu untersagen, ihre Ausschließung gegenüber Mitarbeitern und Dritten bekannt zu geben (Klageantrag zu 2) und sie in der Ausübung ihrer Tätigkeit als geschäftsführende Gesellschafterin der GbR zu behindern (Klageantrag zu 3). Nach Schluss der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin mit nachgelassenem Schriftsatz vom 5. Dezember 2019 (GA 193) hilfsweise um die Feststellung nachgesucht, dass die Ausschließungsbeschlüsse nicht zustande gekommen seien.Randnummer72

Das Landgericht hat den Angriff gegen die Beschlussfassung vom 1. März 2018 für verfristet gehalten, ein Rechtsschutzbedürfnis für den Angriff gegen die Beschlussfassung vom 2. November 2019 verneint und hilfsweise einen Ausschließungsgrund für den zuletzt genannten Zeitpunkt für gegeben erachtet. Dementsprechend hat es durch Urteil mit Verkündungsvermerk des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vom 19. Dezember 2019 (GA 221), auf das wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivortrags, der gestellten Anträge und der Begründung Bezug genommen wird, die Klage abgewiesen. Das Protokoll über die Verkündung des Urteils (GA 220), zu welcher der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle nicht hinzugezogen worden ist, ist weder vom Vorsitzenden noch von dessen Vertreterin unterschrieben worden, wohl aber hat letztere die Zustellung des Urteils an die Parteien veranlasst (GA 232). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das Landgericht, dessen Urteil u.a. in juris veröffentlicht ist, im Wesentlichen ausgeführt: Die Feststellungsklage sei, soweit sie sich gegen den Gesellschafterbeschluss vom 1. März 2020 richte, verfristet. Die Monatsfrist für die Einreichung der Klage habe spätestens am 9. März 2018 mit dem Zugang des von dem Beklagten zu 2 (in seiner Eigenschaft als wirksam bestimmten Versammlungsleiter (LU, Seite 12) verfassten Protokolls begonnen (LU, Seite 13). Dass es kein von allen Mitgliedern des Sozietätsausschusses unterzeichnetes Protokoll gegeben habe, stehe dem nicht entgegen. Eine solche Dokumentation habe nicht der gängigen Praxis entsprochen und sei daher von Gesellschaftern auch nicht zur Wirksamkeitsvoraussetzung für Beschlüsse erhoben worden (LU, Seite 12). Für die Verlautbarung des Beschlusses über die Ausschließung der Klägerin aus der GbR habe die Versendung des von dem Beklagten zu 2 verfassten Protokolls genügt. Die mit dessen Zugang in Lauf gesetzte Monatsfrist habe die Klägerin nicht eingehalten, weil zur Fristwahrung nicht nur die Einreichung bei Gericht am 28. März 2018, sondern Rechtshängigkeit erforderlich sei (LU, Seite 13). Der Lauf der Frist sei zwar aufgrund der am 15. März 2018 angezeigten Gesprächsbereitschaft des Beklagten zu 2, der aufgrund der Gesamtumstände aus Sicht der Klägerin auch für den Beklagten zu 1 tätig geworden sei, gehemmt worden, § 203 Satz 1 BGB analog (LU, Seite 14 f.). Die Hemmung habe aber aufgrund des Abbruchs der Verhandlungen am 24. Mai 2019 geendet. Die Verhandlungen seien in der Folge weder aufgrund des Verzichts der Beklagten zu 1 und 2 auf eine Beschlussfassung über eine erneute Ausschließung der Klägerin am 29. Mai 2019, noch aufgrund der am 18. Juni 2019 geführten und für den 14. August 2019 avisierten Gespräche über eine einvernehmliche Realteilung wieder aufgenommen worden. Bei Einzahlung des Kostenvorschusses am 21. August 2019 sei die Monatsfrist lange verstrichen gewesen, was nach § 167 ZPO nicht mehr als unschädlich bezeichnet werden könne (LU, Seite 15 ff.). Die Eigenkündigungen hinderten die Beklagten auch nicht, sich auf die am 1. März 2018 beschlossene Ausschließung der Klägerin zu berufen (LU, Seite 17 ff.). Da sie am 2. November 2019 kein Mitglied der GbR mehr gewesen sei, fehle für die Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit des erneuten Ausschließungsbeschlusses das Rechtsschutzbedürfnis (LU, Seite 19 f.).Randnummer73

Mit der gegen das landgerichtliche Urteil gerichteten form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung verfolgt die Klägerin ihre im Kammertermin vom 21. November 2019 gestellten Klageanträge zu 1 bis 3, den Ordnungsmittelantrag zu 4 (nunmehr Berufungsantrag zu 1d) und den am 5. Dezember nachgeschobenen Antrag hilfsweise zu dem Klageantrag zu 1 (nunmehr Berufungsanträge zu 1 a) weiter. Den erstinstanzlich unbedingten Klageantrag zu 3 verfolgt die Klägerin nunmehr nur noch hilfsweise nach dem im zweiten Rechtszug ergänzend zur Entscheidung gestellten Feststellung, dass die Klägerin die Kanzlei ab dem 1. Januar 2020 allein fortführt (nunmehr Berufungsanträge zu 1 c). Hilfsweise zu dem Klageantrag zu 3 begehrt die Klägerin ferner die Untersagung der Behauptung gegenüber Mitarbeitern und Dritten, sie sei wirksam aus der GbR ausgeschlossen worden (nunmehr Berufungsantrag zu 1 b) (GA 301 f.).Randnummer74

Soweit die Gesellschafterversammlung vom 1. März 2018 betroffen ist, meint die Klägerin, die mit Schreiben vom 22. Dezember 2019 und 3. Januar 2020 (GA 385, Anlagen K124 bis 127) die Fortführungserklärung nach § 22 Nr. 3 GV abgegeben hat, dass ein wirksamer Beschluss nicht gefasst worden sei (GA 752-765), die Klagefrist mangels Einladung von Rechtsanwalt B, mangels Befugnis des Beklagten zu 2 zur Beschlussfeststellung sowie mangels Unterzeichnung des Versammlungsprotokolls durch alle Gesellschafter (GA 333-349, 765-770) nicht versäumt sei; jedenfalls aber sei ein (wirksam) gefasster Ausschließungsbeschluss durch die von den Beklagten erklärte Kündigung ihrer Mitgliedschaft gegenstandslos geworden (GA 349-354, 738-745), eine (wirksam) in Lauf gesetzte Klagefrist auch nach dem 24. Mai 2019 noch gehemmt gewesen und deshalb nicht versäumt worden (GA 355-364, 770-776). Schließlich sei die Berufung auf eine versäumte Klagefrist verwirkt (GA 745-752). Die Hilfsüberlegung des Landgerichts, die Offenlegung kreditrelevanter Tatsachen und des Widerspruchs gegen weitere Kreditaufnahmen gegenüber Gläubigerbanken hätten ihre Ausschließung gerechtfertigt, sei, wie die Klägerin geltend macht (GA 365-381, 776-785), verfehlt, weil sie aufgrund eigenmächtiger Verhaltensweisen und fehlender Information durch die Beklagten berechtigte eigene Belange verfolgt habe.Randnummer75

Die Klägerin beantragt sinngemäß,Randnummer76

das Urteil des Landgerichts Köln vom 19. Dezember 2019 abzuändern undRandnummer77

1. festzustellen, dass die Beschlüsse der Gesellschafterversammlung der Gesellschaft bürgerlichen RechtsBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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vom 1. März 2018 und 2. November 2019 über die Ausschließung der Klägerin aus wichtigem Grund nichtig sind;Randnummer78

hilfsweise festzustellen, dass die vorgenannten Beschlüsse nicht wirksam gefasst worden sind;Randnummer79

2. den Beklagen zu untersagen, die Ausschließung Mitarbeitern der Gesellschaft und Dritten gegenüber bekanntzugeben;Randnummer80

hilfsweise den Beklagten zu untersagen, Mitarbeitern der Gesellschaft und Dritten gegenüber zu behaupten, die Klägerin sei wirksam aus der Gesellschaft ausgeschlossen;Randnummer81

3. festzustellen, dass sie das Unternehmen („Praxis“ = Rechtsanwaltskanzlei) der Gesellschaft bürgerlichen RechtsBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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A mit Wirkung ab dem 1. Januar 2020 alleine fortführt;Randnummer82

hilfsweise den Beklagten zu untersagen, ihre Tätigkeit als geschäftsführende Gesellschafterin (Liquidatorin) der Gesellschaft bürgerlichen RechtsBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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A, insbesondere an der Nutzung der personellen, sachlichen und ideellen Mittel der Gesellschaft im Rahmen des Gesellschaftszwecks und ihrer beruflichen Tätigkeit innerhalb der Gesellschaft zu behindern;Randnummer83

4. den Beklagten für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen eine der ihnen gemäß Ziffern 3 und 4 auferlegten Verpflichtungen ein Ordnungsgeld in Höhe von bis zu 250.000 EUR, ersatzweise für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, die Anordnung von Ordnungshaft, oder die Anordnung unmittelbarer Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten, bei mehreren oder wiederholten Zuwiderhandlungen von bis zu insgesamt zwei Jahren anzudrohen.Randnummer84

Die Beklagten beantragen,Randnummer85

die Berufung zurückzuweisen.Randnummer86

Sie verteidigen die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung, Vertiefung und Ergänzung ihres erstinstanzlichen Vortrags (GA 491-455, 651 f.). Den erstmals im Berufungsrechtszug verfolgten Antrag auf Feststellung, dass sie das Unternehmen der GbR allein fortführe (Berufungsantrag zu 1 c), sei mangels feststellungsfähigen Rechtsverhältnisses unzulässig, jedenfalls aber verhalte sich die Klägerin, die durch Presseveröffentlichung (Anlage OP34) habe mitteilen lassen, auf ihr Übernahmerecht verzichtet zu haben, widersprüchlich, (GA 546-548). Der mit dem Berufungsantrag zu 1 b verfolgte Hilfsantrag sei überholt, erledigt und unbegründet (GA 546).Randnummer87

Mit Terminverfügung vom 18. Februar 2021 (GA 795) ist unter Bezugnahme auf die Entscheidungen des Bundesgerichtshofs vom 14. Juni 1954 (GSZ 3/54 -, juris Rn. 9) und vom 21. April 2015 (VI ZR 132/13 -, juris Rn. 9, 14) auf das Ergebnis der Vorberatung hingewiesen worden, wonach die Berufung der Klägerin Erfolg haben könnte, weil das Verkündungsprotokoll und der Verlautbarungsmangel nach Ablauf der Fünfmonatsfrist des § 517 ZPO nicht mehr behebbar ist. Hierzu und zur Sache im Übrigen hat der Beklagte zu 1 vor der mündlichen Verhandlung Stellung genommen. Nachdem der Senat im Termin vom 20. April 2021 (GA 918) u.a. erläutert hat, dass und warum er dazu neige, an dieser Rechtsauffassung nicht festhalten zu wollen, haben der Beklagte zu 1 mit nicht nachgelassenen Schriftsätzen vom 22. Juni 2021 (GA 838 ff.) und 16. August 2021 (GA 994 ff.) sowie die Klägerin mit nicht nachgelassenem Schriftsatz vom 16. Juli 2021 (GA 985 ff.) weiter zur Sache vorgetragen.Randnummer88

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die wechselseitig nebst Anlagen zu der Verfahrensakte gereichten Schriftsätze und auf den übrigen Inhalt der Verfahrensakte verwiesen.

B.

Die Berufung ist unbegründet, soweit die Klägerin beantragt, den Beklagten unter Androhung von Ordnungsmitteln zu untersagen, Mitarbeitern der GbR und Dritten gegenüber bekannt zu geben oder zu behaupten, die Klägerin sei aus der GbR ausgeschlossen (Berufungsanträge zu 2 und 4, dazu unten III.). Im Übrigen führt sie zur Abänderung des angefochtenen Urteils und zur Feststellung der Nichtigkeit der Ausschließungsbeschlüsse vom 18. März 2018 und 2. November 2019 (Berufungsantrag zu 1, dazu unten I.) sowie zur Feststellung der Fortführung des Unternehmens der GbR durch die Klägerin allein ab dem 1. Januar 2020 (Klageweiterung gemäß Berufungsantrag zu 3, dazu unten II.).Randnummer90

I. 1. Das angefochtene Urteil ist – worauf der Senat im Termin vom 20. April 2021 (GA 918) unter Aufgabe seiner terminvorbereitend geäußerten abweichenden Rechtsauffassung gemäß Verfügung des damaligen Senatsvorsitzenden vom 18.02.2021 (GA 795 f.) hingewiesen hat -, wenn auch fehlerhaft, verlautbart worden und damit wirksam.Randnummer91

a) Ein Urteil wird erst durch seine förmliche Verlautbarung mit allen prozessualen und materiell-rechtlichen Wirkungen existent. Vorher liegt nur ein – allenfalls den Rechtsschein eines Urteils erzeugender – Entscheidungsentwurf vor. Die Verlautbarung eines Urteils erfolgt grundsätzlich öffentlich im Anschluss an die mündliche Verhandlung oder in einem hierfür anberaumten Termin durch das Verlesen der Urteilsformel (§§ 310 Abs. 1 Satz 1, 311 Abs. 2 Satz 1 ZPO, § 173 Abs. 1 GVG). Die Verkündung einer Entscheidung ist nach § 160 Abs. 3 Nr. 7 ZPO im Protokoll festzustellen. Die Feststellung der Verkündung ist eine nach § 165 ZPO wesentliche Förmlichkeit, die nur durch das Protokoll bewiesen werden kann (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Februar 2012 – XII ZB 165/11 -, juris Rn. 12). Dementsprechend beweist der nach § 315 Abs. 3 ZPO auf der Urschrift des Urteils anzubringende Verkündungsvermerk des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eine Verkündung nicht (BGH, Beschluss vom 16. Februar 1989 – II ZB 38/88 -, juris Rn. 5).Randnummer92

b) Dass das Verkündungsprotokoll des Landgerichts nicht unterzeichnet ist, führt jedoch nicht zur Unwirksamkeit des Urteils. Verkündungsmängel stehen dem wirksamen Erlass eines Urteils nur entgegen, wenn gegen elementare, zum Wesen der Verlautbarung gehörende Formerfordernisse verstoßen wurde, so dass von einer Verlautbarung im Rechtssinne nicht mehr gesprochen werden kann. Sind deren Mindestanforderungen hingegen gewahrt, hindern auch Verstöße gegen zwingende Formerfordernisse das Entstehen eines wirksamen Urteils nicht. Zu den Mindestanforderungen gehören, dass die Verlautbarung von dem Gericht beabsichtigt war oder von den Parteien derart verstanden werden durfte und die Parteien von Erlass und Inhalt der Entscheidung förmlich unterrichtet wurden. Mit dem Wesen der Verlautbarung nicht unvereinbar ist dagegen eine Bekanntgabe des Urteils durch Zustellung statt durch Verkündung in öffentlicher Sitzung, da dies eine gesetzlich vorgesehene, wenn auch anderen Urteilen vorbehaltene Verlautbarungsform (§ 310 Abs. 3 ZPO) erfüllt. Wird ein § 310 Abs. 1 ZPO unterfallendes Urteil den Parteien an Verkündungs Statt förmlich zugestellt, liegt deshalb kein Verstoß gegen unverzichtbare Formerfordernisse, sondern ein auf die Wahl der Verlautbarungsart beschränkter Verfahrensfehler vor (vgl. BGH, Urteil vom 12. März 2004 – V ZR 37/03 -, juris Rn. 10).Randnummer93

Daran gemessen ist das erstinstanzliche Urteil wirksam verlautbart worden. Die Vertreterin des Vorsitzenden hat die Übersendung des Urteils an die Parteien selbst verfügt, so dass ihr Wille, die Entscheidung zu erlassen, trotz eines möglichen Verstoßes gegen § 310 Abs. 1 Satz 1 ZPO außer Frage steht. Ist somit von einer wirksamen Verlautbarung des Urteils auszugehen, stellt sich die unterlassene Verkündung in einem gesonderten Termin lediglich als Verfahrensfehler dar, der auf eine Rüge hin nur dann zur Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils geführt hätte, wenn die Entscheidung auf der Verletzung des Verfahrensrechts beruhte, ohne den Fehler also anders hätte ausfallen können (§ 513 Abs. 1 ZPO). Dafür ist hier aber nichts ersichtlich.Randnummer94

2. a) Mit der gegebenen Begründung durfte das Landgericht die gegen den Beschluss vom 1. März 2018 gerichtete Beschlussmängelklage nicht abweisen.Randnummer95

aa) Nach § 10 Nr. 6 GV kann nur innerhalb eines Monats nach Zugang einer Abschrift des Protokolls über den Gesellschafterbeschluss gerichtlich geltend gemacht werden, dass dieser unwirksam oder anfechtbar ist. Das Landgericht hat diese gesellschaftsvertragliche Bestimmung zu Recht nicht dahin verstanden, es habe damit vorgeschrieben werden sollen, dass die Unwirksamkeit von Beschlüssen der Gesellschafterversammlung wie im Kapitalgesellschaftsrecht durch gegen die Gesellschaft zu richtende Anfechtungsklage geltend zu machen sei. Eine solche von den sonst im Personengesellschaftsrecht geltenden Regeln, nach denen der Streit über die Wirksamkeit von Gesellschafterbeschlüssen unter den Gesellschaftern selbst auszutragen ist, abweichende Bestimmung kann allerdings wirksam auch für eine Personengesellschaft getroffen werden (BGH, Urteil vom 13. Februar 1995 – II ZR 15/94 -, juris Rn. 8). Indes hat keine Partei behauptet, dass die in § 10 Nr. 6 GV vorgesehene gerichtliche Geltendmachung der „Anfechtbarkeit“ ein rechtsgestaltendes Urteil zur Folge haben soll. Dementsprechend hat das Landgericht zutreffend angenommen, dass die Unwirksamkeit des Beschlusses, wie im Personengesellschaftsrecht üblich, im Wege der gegen die übrigen Gesellschafter gerichteten Feststellungsklage zu verfolgen ist, der Gesellschaftsvertrag hierfür aber eine Höchstfrist bestimmt.Randnummer96

bb) Nicht zu beanstanden ist ferner die Auslegung von § 10 Nr. 6 GV durch das Landgericht dahin, dass die Klage grundsätzlich nicht nur innerhalb eines Monats bei Gericht eingereicht, sondern auch erhoben, das heißt den Beklagten zugestellt werden musste. Zwar bestimmt § 10 Nr. 6 GV lediglich, dass die Fehlerhaftigkeit von Gesellschafterbeschlüssen nur innerhalb eines Monats seit Protokollzugang gerichtlich geltend zu machen ist, während § 246 Abs. 1 AktG ausdrücklich vorschreibt, dass die Klage innerhalb eines Monats nach der Beschlussfassung erhoben werden muss. Die bloße Einreichung einer Klage, die den Gesellschaftern nicht mitgeteilt wird, ließe die mit der kurzen Frist bezweckte rasche Klärung der rechtlichen Wirksamkeit der gefassten Beschlüsse in der Schwebe. Diese Umstände sprechen für eine Auslegung von § 10 Nr. 6 GV, wonach grundsätzlich die Erhebung der Klage innerhalb der Monatsfrist erforderlich ist, allerdings wie bei der Frist für die Erhebung der Anfechtungsklage bei der Aktiengesellschaft (vgl. BGH, Urteil vom 8. Februar 2011 – II ZR 206/08 -, juris Rn. 13) entsprechend § 167 ZPO zur Fristwahrung die Einreichung der Klageschrift genügt, wenn die Zustellung demnächstBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Zustellung
Zustellung demnächst
erfolgt (vgl. BGH, Urteil vom 25. Oktober 2016 – II ZR 230/15 -, juris Rn. 16).Randnummer97

cc) Dass die Monatsfrist des § 10 Nr. 6 GV bei Einreichung der Klage am 29. März 2018 nicht verstrichen gewesen sein kann, steht außer Zweifel. Entgegen der Ansicht des Landgericht ist die Klage den Beklagten demnächst im Sinne von § 167 ZPO zugestellt worden ist.Randnummer98

(1) Eine Zustellung „demnächst“ nach Eingang des Antrags oder der Erklärung bedeutet eine Zustellung innerhalb einer nach den Umständen angemessenen, selbst längeren Frist, wenn die Partei oder ihr Prozessbevollmächtigter unter Berücksichtigung der Gesamtsituation alles Zumutbare für die alsbaldige Zustellung getan hat. Die Zustellung ist nicht mehr „demnächst“ erfolgt, wenn die Partei, der die Fristwahrung obliegt, oder ihr Prozessbevollmächtigter durch nachlässiges – auch leicht fahrlässiges – Verhalten zu einer nicht bloß geringfügigen Zustellungsverzögerung beigetragen hat. Hat der Veranlasser die Zustellung nicht vorwerfbar verzögert oder fällt ihm nur eine geringfügige Verzögerung zur Last, überwiegen regelmäßig seine interessen gegenüber den Belangen des Zustellungsadressaten (BGH, Urteil vom 10. Februar 2011 – VII ZR 185/07 -, juris Rn. 8; Urteil vom 10. Juli 2015 – V ZR 154/14 -, juris Rn. 5; Urteil vom 3. September 2015 – III ZR 66/14 -, juris Rn. 15; Urteil vom 12. Januar 2016 – II ZR 280/14 -, juris Rn. 12). Bei der Bemessung einer Verzögerung ist auf die Zeitspanne abzustellen, um die sich der ohnehin erforderliche Zeitraum für die Zustellung der Klage als Folge der Nachlässigkeit des Klägers verzögert (BGH, Urteil vom 10. Februar 2011 – VII ZR 185/07 -, juris Rn. 8; Urteil vom 10. Juli 2015 – V ZR 154/15 -, juris Rn. 6; Urteil vom 3. September 2015 – III ZR 66/14 -, juris Rn. 19). Dem Zustellungsveranlasser zuzurechnende Verzögerungen von bis zu 14 Tagen gelten regelmäßig als „geringfügig“ und sind deshalb hinzunehmen (BGH, Urteil vom 3. September 2015 – III ZR 66/14 -, juris Rn. 15; Urteil vom 10. Juli 2015 – V ZR 154/14 -, juris Rn. 5).Randnummer99

(2) Gemessen wird die Zeitdauer der Verzögerung vom Tage des Ablaufs der Klagefrist und nicht etwa seit dem – früheren – Zeitpunkt der Einreichung der Klageschrift (BGH Urteile vom 25. November 1985 – II ZR 236/84 -, juris Rn. 9; vom 7. April 1983 – III ZR 193/81 -, juris Rn. 9). Denn die Partei ist berechtigt, eine Frist bis zum letzten Tage auszunutzen. Macht sie hiervon keinen Gebrauch und reicht die Klage bereits früher ein, so bleibt der Zeitraum zwischen Klageeinreichung und Ablauf der Klagefrist in Ansehung des § 167 ZPO unberücksichtigt; Verzögerungen der Zustellung, die auf einen Zeitraum fallen, in dem die Klagefrist noch nicht abgelaufen war, sind unschädlich (so für den Verjährungseintritt BGH, Urteil vom 7. April 1983 – III ZR 193/81 -, juris Rn. 9).Randnummer100

dd) Die Klagefrist hat nicht vor dem 9. März 2020 begonnen.Randnummer101

(1) In § 10 Nr. 6 GV, nach dem Beschlüsse innerhalb eines Monats ab Protokollzugang angefochten werden können, ist unter Protokollzugang der Tag des Zugangs eines Protokolls im Sinne von § 10 Nr. 5 GV verstehen. Diese Bestimmung sieht für förmlich und nicht förmlich gefasste Beschlüsse vor, dass deren Inhalte festgehalten werden sowie dass sie den Gesellschaftern durch Übersendung einer Ablichtung des von allen Mitgliedern des Sozietätsausschusses (§ 12 GV) unterzeichneten Protokolls mitgeteilt werden. Dass die Protokollübersendung in § 10 Nr. 6 GV das Protokoll im Sinne von § 10 Nr. 5 GV in Bezug nimmt, folgt auch daraus, dass eine Klagefrist bestimmt ist. Da die Klage an die kurze Frist von einem Monat gebunden ist (§ 10 Nr. 6 GV), müssen die Klageberechtigten auch von einem bestimmten Beschlussergebnis als maßgebend ausgehen können. Dazu ist erforderlich, dass dieses Ergebnis festgestellt und verlautbart wird. Ohne Feststellung und Verlautbarung gibt es keinen eindeutigen Gegenstand einer Beschlussmängelklage, und eine rasche Klageerhebung zur Klärung der rechtlichen Wirksamkeit eines Beschlusses ist nicht zumutbar (vgl. für die KG: BGH, Urteil vom 25. Oktober 2016 – II ZR 230/15 -, juris Rn. 16 mit weiteren Nachweisen).Randnummer102

(2) Das Landgericht hat nicht verkannt, dass es an der Übermittlung eines gemäß § 10 Nr. 5 GV förmlich festgestellten Gesellschafterbeschlusses fehlt. Richtig ist auch, dass einer wirksamen Beschlussfassung in der GbR nicht entgegensteht, dass kein gemäß § 10 Nr. 5 GV von allen Mitgliedern des Sozietätsausschusses (§ 12 GV) unterschriebenes Protokoll vorhanden ist, in dem der angegriffene Beschluss festgehalten ist. Das durch § 10 Nr. 5 GV vorgeschriebene Beschlussprotokoll dient Beweiszwecken, wie das Landgericht im Ergebnis zutreffend angenommen hat (LU, Seite 12 f.), macht das Zustandekommen eines Beschlusses aber nicht von der Einhaltung einer bestimmten Form abhängig (vgl. dazu BGH, Urteil vom 25. Mai 2009 – II ZR 259/07 -, juris Rn. 16). Aus einer von § 10 Nr. 5 GV abweichenden Handhabung bei der Unterzeichnung der Beschlussprotokolle lassen sich indes keine Schlüsse in Bezug auf den Beginn der Klagefrist ziehen. Es ist nicht ersichtlich, dass die Frage der Klagefrist bei den früheren Beschlussprotokollen überhaupt eine Rolle spielte. Dass erst der Zugang des von allen Mitgliedern des Sozietätsausschusses (§ 12 GV) unterzeichneten Protokolls die Klagefrist auslöst, folgt unmittelbar aus § 10 Nr. 5 und 6 GV.Randnummer103

(3) Davon zu trennen ist die Frage, ob die Klagefrist des § 10 Nr. 6 GV auch dann in Gang gesetzt wird, wenn ein § 10 Nr. 5 GV vergleichbares förmliches Festhalten eines Gesellschafterbeschlusses, durch das die Unsicherheit darüber beseitigt werden soll, ob ein wirksamer Beschluss gefasst wurde, auf andere Weise erfolgt.Randnummer104

(i.) Erfüllt ist diese Voraussetzung stets, wenn ein Versammlungsleiter diese Feststellung trifft (vgl. BGH, Urteil vom 11. Februar 2008 – II ZR 187/06 -, juris Rn. 24). Das war hier nicht der Fall. Der Beklagte zu 2 war entgegen der Ansicht des Landgerichts aufgrund des Widerspruchs der Klägerin nicht wirksam zum Versammlungsleiter bestellt. Der Versammlungsleiter kann zwar von der Mehrheit der Gesellschafter bestimmt werden (vgl. BGH, Beschluss vom 4. Mai 2009 – II ZR 166/09 -, juris Rn. 7 mit weiteren Nachweisen). Anders verhält es sich aber, wenn der Gesellschaftsvertrag eine abweichende Regelung enthält (vgl. für die GmbH: Bayer in: Lutter/Hommelhof, GmbHG. 20. Auflage 2020, § 48 Rn. 14; Seibt in: Scholz, GmbHG, 12. Auflage 2018, 2020, 2021, § 48 Rn. 22). Nach § 10 Nr. 1 GV werden Gesellschafterbeschlüsse mit qualifizierter Mehrheit von 85% der abgegebenen Stimmen der Sozien und zusätzlich 20% der abgegebenen Stimmen der Partner gefasst. Dass Geschäftsordnungsbeschlüsse hiervon ausgenommen wären, lässt sich weder § 10 Nr. 1 GV noch anderen Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages entnehmen. Da die Klägerin bei dieser Abstimmung über die Wahl eines Versammlungsleiters selbst dann keinem Stimmverbot unterlag, wenn ein ihre Ausschließung aus der GbR rechtfertigender Grund bestanden hätte, konnte gegen ihren Widerspruch kein Versammlungsleiter bestellt werden. Dessen ungeachtet ist dem von dem Beklagten zu 2 erstellten Protokoll eine Beschlussfeststellung durch einen Versammlungsleiter im Rechtssinne nicht einmal zu entnehmen. Der Wortlaut der Sitzungsniederschrift (dort Seite 4), wonach der Beklagte zu 1 und sein anwaltlicher Berater Rechtsanwalt S darauf hingewiesen hätten, dass der Ausschließungsbeschluss mangels Stimmrechts der Klägerin zustande gekommen sei, macht deutlich, dass der Beklagte zu 2 selbst keine solche Feststellung getroffen hat, und lässt erkennen, dass über das tatsächliche Abstimmungsverhältnis hinaus von ihm selbst kein rechtliches Beschlussergebnis verkündet, d.h. nicht bekanntgegeben worden ist, ob der gestellte Antrag angenommen oder abgelehnt worden ist. Die Tatsache allein, dass die Beklagten zu 1 und 2 das ihnen zustehende Stimmrecht gegen den Widerspruch der Klägerin ausgeübt und für den Ausschließungsantrag gestimmt haben, besagt noch nicht, dass mit ihren Stimmen ein antragsgemäßer Beschluss zustande gekommen ist. Die Frage, ob dies der Fall ist oder nicht, erfordert eine rechtliche Beurteilung, zu der nur noch das Gericht mit verbindlicher Wirkung in der Lage ist, nachdem sich der Beklagte zu 2 selbst einer Festlegung enthalten hat.Randnummer105

(ii.) Ein förmliches Festhalten ist aber auch auf andere Weise möglich, soweit das Ziel, Unsicherheit über die Fassung eines Beschlusses zu beseitigen, erreicht wird (vgl. BGH, Urteil vom 11. Februar 2008 – II ZR 187/06 -, juris Rn. 24). Diese Voraussetzung ist hier erfüllt. Die Klägerin und der Beklagte zu 2 gehen ausweislich der von ihnen jeweils gefertigten Protokollentwürfe zutreffend davon aus, dass es sich bei dem Treffen am 1. März 2018 um eine Gesellschafterversammlung der GbR gehandelt hat. In der Versammlung haben die beiden Beklagten für und die Klägerin gegen deren Ausschluss aus der GbR gestimmt. Darüber bestand bereits im Zeitpunkt der Erstellung des nach § 10 Nr. 5 GV zur Dokumentation der gefassten Beschlüsse erforderlichen Protokolls zwischen den Beklagten und der Klägerin keine Uneinigkeit. Der Streit ging nicht darum, wer für oder gegen etwas gestimmt hat, sondern allein um das Stimmverbot für die Klägerin hinsichtlich des Auschlusses, von dem die Beklagten meinten, er sei aufgrund des gemäß § 19 Nr. 3 GV bestehenden Stimmverbots einstimmig beschlossen, und von dem die Klägerin zunächst meinte, der Beschluss habe die nach §§ 19 Nr. 1, 11 GV erforderliche rechnerische Mehrheit verfehlt, weil ihr das Stimmrecht allein durch die Behauptung eines wichtigen Grundes nicht habe genommen werden können. Davon ist die Klägerin in der Klageschrift vom 28. März 2020 wieder abgerückt. Denn mit ihr hat sie die in dem Protokoll des Beklagten zu 2 festgehaltene Beschlussfassung über ihre Ausschließung aus der GbR nicht mehr in Frage gestellt. Wenn – wie hier – erst im weiteren Verlauf des Prozesses wieder Streit über das „in Wahrheit“ Beschlossene durch die Behauptung, das Ergebnis sei doch ein anderes, weil ein Stimmverbot missachtet wurde, entstanden ist, so ist der zunächst gemeinsam durch das Protokoll des Beklagten zu 2 und den Inhalt der Klageschrift festgehaltene Beschluss maßgebend.Randnummer106

ee) Die Monatsfrist des § 10 Nr. 6 GV ist eine von Amts wegen zu beachtende vertragliche Ausschlussfrist. Diese kann durch eine den Gesellschaftsvertrag ändernde Vereinbarung zwischen den Gesellschaftern verlängert werden. Hier ist eine solche Fristverlängerung indes nicht abgesprochen worden.Randnummer107

ff) Es kann auf sich beruhen, ob, wie das Landgericht (LU, Seite 14) angenommen hat und auch von Stimmen im Schrifttum (Wertenbruch in: Münchener Kommentar zum GmbHG, 3. Auflage 2019, Anh zu § 47 Rn. 311; Fleischer GmbHR 2013, 1289, 1291 f.) befürwortet wird, die Ausschlussfrist – unabhängig von einer etwaigen Verlängerungsvereinbarung – entsprechend § 203 BGB gehemmt ist, wenn und solange Vergleichsverhandlungen zwischen den Gesellschaftern geführt werden (aa), oder ob es, wie vom Bundesgerichtshof (Beschluss vom 13. Juli 2009 – II ZR 272/08 -, juris) für eine ähnlich gelagerte Anfechtung von Gesellschafterbeschlüssen der GmbH gebilligt worden ist, wegen der besonderen Umstände des Falles lediglich rechtsmissbräuchlich ist, wenn sich die Beklagten auf die Überschreitung der Monatsfrist berufen (bb).Randnummer108

(1) Wird mit der Klägerin und dem Landgericht angenommen, dass Vergleichsverhandlungen die Ausschlussfrist entsprechend § 203 BGB hemmen, dann wäre die Monatsfrist ab dem 15. März 2018 gehemmt gewesen.Randnummer109

(i.) Die Hemmung beginnt mit jedem Meinungsaustausch über die Wirksamkeit des Beschlusses, sofern nicht sofort und eindeutig das Begehren des Gesellschafters nach einer Aufhebung oder Abänderung des Beschlusses von dem Verhandlungsgegner abgelehnt wird (Noack ZIP 2020, 1382, 1387). Verhandlungen schweben schon dann, wenn eine der Parteien Erklärungen abgibt, die der jeweils anderen Seite die Annahme gestatten, der Erklärende lasse sich auf Erörterungen über die Wirksamkeit des Beschlusses ein.Randnummer110

(ii.) Die Annahme des Landgerichts, die Parteien hätten vom 15. März 2018 bis zum 24. Mai 2019 in diesem Sinne verhandelt, ist nicht zu beanstanden.Randnummer111

Die Klägerin hatte bereits durch den am 21. Februar 2018 gestellten Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung in dem Verfahren (22 O 58/18 LG Köln = 4 U 30/20 OLG KölnBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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) zum Ausdruck gebracht, dass sie die Unwirksamkeit ihrer Ausschließung in der bevorstehenden Gesellschafterversammlung vom 1. März 2018 gerichtlich geltend machen werde. Der Beklagte zu 2 hat hierauf seine Vorgehensweise mit E-Mail vom 15. März 2018 (Anlage K27, AH Kl.) erläutert und der Klägerin mitgeteilt, dass dieses „Thema“ im Rahmen der angestrebten Gesamtlösung für die Liquidation der GbR geklärt werden müsse. Mithin durfte die Klägerin annehmen, der Beklagte zu 2 lasse sich auf Erörterungen über die Wirksamkeit des Ausschließungsbeschlusses ein. Ein Gespräch mit der Klägerin über eine Gesamtlösung hat U als Mittelsmann für den Beklagten zu 1 zwar erst am 9. April 2018 angebahnt und am 11. April 2018 geführt. Die Wertung des Landgerichts, dies bestätige, dass die Klägerin bereits am 15. März 2019 Verhandlungsbereitschaft auch des Beklagten zu 1 habe annehmen dürfen, ist entgegen der Ansicht der Berufung nicht zu beanstanden. Anders verhielte es sich allenfalls dann, wenn der Beklagte zu 1 bis zum 9. April 2020 von der durch den Beklagten zu 2 in Aussicht gestellten Erörterung auch der Wirksamkeit beschlossenen Ausschließung der Klägerin bei den Gesprächen über die Möglichkeit einer Gesamtlösung für die Liquidation der GbR nichts gewusst hätte. Das hat der Beklagte zu 1, worauf die Klägerin zu Recht hingewiesen hat (GA 772), indes selbst nicht behauptet. Die Unterrichtung des Beklagten zu 1 jedenfalls ab dem 17. März 2018 wird im Übrigen durch die an beide Mitgesellschafter gerichtete E-Mail der Klägerin vom 17. März 2018 (Anlage OP15, AH K II) belegt.Randnummer112

Dass die Klägerin, wie sie geltend macht (GA 182 f.), von Anfang an davon ausgehen durfte, dass Gegenstand des Mediationsverfahrens auch ihre am 1. März 2018 beschlossene Ausschließung sein sollte, indiziert der zum Zwecke der Vorbereitung des Mediationstermins vom 19. Juni 2018 vor dem Landgericht Dresden (AR 7/18 G) eingereichte Schriftsatz der Beklagten vom 19. Juni 2018 (Anlage K77, AH Kl.V (B2)). Denn darin haben die Beklagten unter Bezugnahme auf den beigefügten Entwurf einer auf den 19. Juni 2018 datierten Widerspruchsschrift in der Sache (22 O 429/17 LG Köln = 4 U 28/20 OLG KölnBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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; Anlage K77, AH Kl.V (B2)) auch zu den dem Beschluss vom 1. März 2018 unterlegten Ausschließungsgründen vorgetragen und gegenüber dem Mediationsrichter deutlich gemacht, das Mediationsverfahren durch die Einreichung des Widerspruchs beim Landgericht Köln nicht unnötig belasten und das Ergebnis des Mediationstermins vom 27. Juni 2018 abwarten zu wollen. Die Verhandlungen schwebten mindestens bis zum Mediationstermin vom 24. Mai 2019, bei dem das Mediationsverfahren AR 7/18 G LG Dresden beendet worden ist (Anlage B5, AH Bekl.Vertr. (K)).Randnummer113

(iii.) Die Auffassung des Landgerichts, die ab dem 29. Mai 2018 wiederaufgenommenen Verhandlungen hätten auf den Ablauf der Klagefrist keinen Einfluss mehr, teilt der Senat nicht.Randnummer114

Gegenstand der Verhandlungen gemäß § 203 Satz 1 BGB sind der „Anspruch oder die den Anspruch begründenden Umstände“. Damit ist im Sinne eines Lebenssachverhalts die Gesamtheit der tatsächlichen Umstände gemeint, die nach dem Verständnis der Verhandlungsparteien einen Anspruch erzeugen. Dieser Lebenssachverhalt wird grundsätzlich in seiner Gesamtheit verhandelt. Damit werden sämtliche Ansprüche, die der Gläubiger aus diesem Sachverhalt herleiten kann, von der Hemmung der VerjährungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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erfasst. Ausnahmsweise wirkt die Hemmung nicht für einen abtrennbaren Teil eines Anspruchs, wenn die Parteien nur über den anderen Teil verhandelt haben. Eine solche Beschränkung der Hemmungswirkung muss sich aus dem Willen der Verhandlungsparteien eindeutig ergeben (BGH, Urteil vom 19. November 1997 – IV ZR 357/96 -, juris Rn. 12; Urteil vom 5. Juni 2014 – VII ZR 285/12 -, juris Rn. 12).Randnummer115

Den ab dem 29. Mai 2019 wiederaufgenommenen Verhandlungen der Parteien lag u.a. die Vorstellung zugrunde, der Klägerin könne aufgrund des bevorstehenden Ausscheidens der Beklagten zu 1 und 2 aus der GbR zum 31. Dezember 2019 aus ein Übernahmerecht aus § 22 Nr. 3 GV zustehen. Dieser Anspruch bestand nur, wenn die am 1. März 2018 beschlossene Ausschließung unwirksam war. Die dafür maßgeblichen Umstände waren streitig. Eine gerichtliche Klärung der Frage war für die Parteien risikobelastet und schon aus Zeitgründen praktisch schwierig. Deshalb haben die Vertragsparteien ab dem 29. Mai 2019 und am 18. Juni 2019 auch über die Möglichkeiten einer Realteilung gesprochen (GA 92, 183) gesprochen.Randnummer116

Verhandelt wurde damit über den einheitlichen Lebenssachverhalt, der sich aus dem Gesellschaftsvertrag, der Ausschließung der Klägerin, den Eigenkündigungen der Beklagten zu 1 und 2, den Schwierigkeiten der Regelung der Ausscheidensfolgen und den Abhilfemöglichkeiten zusammensetzt. Zu diesem Lebenssachverhalt gehört auch die Frage der Wirksamkeit der Beschlussfassung vom 1. März 2018. Diesen Teil des Lebenssachverhalts haben die Parteien von ihren Verhandlungen gerade nicht ausgeschlossen. Er bildete vielmehr den Hintergrund der Verhandlungsbemühungen. Zu einer vom Landgericht angenommenen Ausklammerung gerade der Frage der Wirksamkeit des Ausschließungsbeschlusses aus den ab dem 29. Mai 2019 geführten Verhandlungen bestand weder Anlass, noch ist eine solche von den Beklagten eindeutig kommuniziert worden. Denn zum einen wollten diese, wie das der Klägerin zugeleitete und von dem Beklagten zu 1 eingeholte Rechtsgutachten vom 8. August 2019 zu der Regelung des § 22 GV (Anlage K48, GA 90) belegt, gerade an der Erörterung der Möglichkeit einer alleinigen Fortführung der Praxis durch die Klägerin als der letzten verbliebenen Gesellschafterin festhalten. Zum anderen hatten die Beklagten bei der Gesellschafterversammlung vom 29. Mai 2019 auf die angekündigte Beschlussfassung über eine abermalige Ausschließung der Klägerin und damit in Ansehung ihrer zwischen den Parteien streitigen Gesellschafterstellung auf eine Veränderung des Lebenssachverhalts verzichtet, der bis dahin notwendiger Bestandteil der Verhandlungen war.Randnummer117

(iiii.) Mit Blick auf die Einzahlung des Kostenvorschusses kommt es bei der Berechnung der noch hinnehmbaren Verzögerung von 14 Tagen nicht auf die Zeitspanne zwischen der Aufforderung zur Einzahlung der Gerichtskosten und deren Eingang bei der Gerichtskasse, sondern darauf an, um wie viele Tage sich der für die Zustellung der Klage ohnehin erforderliche Zeitraum infolge der Nachlässigkeit des Klägers verzögert hat (BGH, Urteil vom 10. Februar 2011 – VII ZR 185/07 -, juris Rn. 8 f.; Urteil vom 10. Juli 2015 – V ZR 154/14 -, juris Rn. 6). Gemessen daran ist die Zustellung vorliegend „demnächst“ bewirkt worden. Eine der Klägerin vorwerfbare Verzögerung von mehr als 14 Tagen liegt nicht vor. Dabei zu berücksichtigen, dass es gemessen an den unter B.I.2.a)cc)(1) dargelegten Grundsätzen bei der Prüfung, ob die Zustellung noch „demnächst“ erfolgt ist, darauf ankommt, wieviel Zeit zwischen dem Ablauf der Monatsfrist (§ 10 Nr. 5 und 5 GV), also frühestens mit der Absage der für den selben Tag anberaumten Besprechung vom 14. August 2019, und der Zustellung der Klage am 6. September 2019 liegt. Der Zeitraum zwischen Klageeinreichung und Ablauf der Monatsfrist in Ansehung des § 167 ZPO bleibt außer Betracht; denn soweit die Verzögerung bei der Zustellung auf die laufende Klagefrist fällt, ist sie unschädlich. Sodann ist in Rechnung zu stellen, dass von einer auf die Wahrung ihrer prozessualen Obliegenheiten bedachten Partei nicht verlangt werden kann, an Wochenend- und Feiertagen für die Einzahlung des Kostenvorschusses Sorge zu tragen (vgl. BGH Urteil vom 10. Juli 2015 – V ZR 154/14 -, juris Rn. 9). Da die Klägerin danach unter Berücksichtigung gewöhnlicher Postlaufzeiten frühestens am 16. April 2018 (Montag) auf die Vorschussrechnung vom 11. April 2018 hätte tätig werden müssen und der Kostenvorschuss tatsächlich am 21. August 2019 bei der Justizkasse eingegangen ist, liegt ohne Berücksichtigung des Zeiträume zwischen Klageeinreichung am 29. März 2018 und Abbruch des Mediationsverfahrens am 24. Mai 2019 und der Wiederaufnahme der Verhandlungen am 29. Mai bis zu deren endgültigen Abbruch am 14. August 2020 keine schuldhafte Verzögerung von mehr als 14 Tagen vor.Randnummer118

(2) Geht man dagegen davon aus, dass die Verhandlungen der Parteien nicht zu einer Hemmung der Monatsfrist führten, sondern allenfalls den Vorwurf des Rechtsmissbrauchs begründen könnten, wenn sich die Beklagten auf deren Überschreitung berufen, ist das Ergebnis nicht anders.Randnummer119

(i.) Dass eine Berufung auf eine versäumte Klagefrist der Gesellschaft oder den Gesellschaftern im Einzelfall nach § 242 BGB versagt sein kann, ist in der Rechtsprechung anerkannt (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Juli 2009 – II ZR 272/08 -, juris)Randnummer120

(ii.) Ein widersprüchliches Verhalten ist rechtsmissbräuchlich im Sinne von § 242 BGB, wenn besondere Umstände die Rechtsausübung als treuwidrig erscheinen lassen. Entscheidend sind die Umstände des jeweiligen Einzelfalls. Widersprüchliches Verhalten kann rechtmissbräuchlich sein, wenn für den anderen Teil ein Vertrauenstatbestand geschaffen worden ist oder wenn andere besondere Umstände die Rechtsausübung als treuwidrig erscheinen lassen. Eine Rechtsausübung ist unzulässig, wenn sich objektiv das Gesamtbild eines widersprüchlichen Verhaltens ergibt, weil das frühere Verhalten mit dem späteren sachlich unvereinbar ist und die interessen der Gegenseite deshalb vorrangig schutzwürdig erscheinen (BGH, Urteil vom 10. Juli 2018 – II ZR 24/17 -, juris Rn. 32 mit weiteren Nachweisen).Randnummer121

(iii.) Diese Voraussetzungen sind nicht bereits dadurch erfüllt, dass die Beklagten überhaupt in Verhandlungen mit der Klägerin eingetreten sind. Die Beklagten konnten der Klägerin ohne weiteres eine Fortsetzung des Gesellschaftsverhältnisses – unter Beseitigung der Folgen der ausgesprochenen Ausschließung – in Aussicht stellen oder auch über eine einvernehmliche Liquidation der GbR verhandeln. Sie konnten von beidem auch wieder abrücken. Die Klägerin konnte, solange keine Vereinbarung vorlag, nicht darauf vertrauen, dass die Parteien auf jeden Fall das Gesellschaftsverhältnis fortsetzen oder die Gesellschaft einvernehmlich würden. Die Klägerin selbst macht auch nicht geltend, dass sie zwingend darauf habe vertrauen können, eine entsprechende Einigung zwischen den Parteien werde – ohne Wenn und Aber – definitiv zustande kommen.Randnummer122

(iiii.) Ein Vertrauenstatbestand, der die Berufung der Beklagten auf die Verfristung der Klage rechtsmissbräuchlich erscheinen lässt, liegt allein darin, dass der Beklagte zu 2 der Klägerin mit E-Mail vom 15. März 2018 (Anlage K27, AH RAe B2 (Kl.)) mitgeteilt hatte, dringender Handlungsbedarf für die Klärung der Frage der Ausschließung bestehe nicht, weil ihre Rechtsstellung durch die erlassenen einstweilige Verfügungen gesichert sei, und er sich vorstellen könne, diese für einen angemessenen Verhandlungszeitraum nicht anzugreifen. Die Zielsetzung dieser Erklärung lag ersichtlich darin, die bevorstehenden Verhandlungen der Parteien nicht durch eine streitige Auseinandersetzung über die Wirksamkeit der Ausschließung zu belasten. Das haben die Beklagten – wie bereits ausgeführt – in dem zum Zwecke der Vorbereitung des Mediationstermins vom 19. Juni 2018 vor dem Landgericht Dresden (AR 7/18 G) eingereichten Schriftsatz der Beklagten vom 19. Juni 2018 (Anlage K77, AH Kl.V (B2)) nachträglich auch nochmals bestätigt. Aus der von dem Beklagten zu 1 gebilligten Erklärung des Beklagten zu 2 vom 15. März 2018 konnte die Klägerin den Schluss ziehen, die Beklagten würden sich solange nicht auf eine Verfristung der Beschlussmängelklage berufen, als die Verhandlungen der Parteien andauerten und die Beklagten auf die Einlegung eines Widerspruchs gegen die ihre Behandlung als Gesellschafterin sichernden einstweiligen Verfügungen verzichteten. Lassen sich Gesellschafter angesichts des sich bereits anbahnenden Streits über mit ihren Stimmen beschlossene Ausschließung auf die Erörterung einer einvernehmlichen Streitbeilegung ein und geben sie dann die Erklärung ab, die Streitschlichtung nicht mit der Auseinandersetzung über die einstweiligen Verfügungen belasten zu wollen, so geben sie damit zu erkennen, dass ihnen erst recht an einer raschen Erhebung der Beschlussmängelklage nicht gelegen ist. Daran müssen sich die Beklagten festhalten lassen. Die Erklärungen vom 15. März und 19. Juni 2018 sowie das Verhalten der Beklagten waren erkennbar für das prozessuale Verhalten der von der Ausschließung betroffenen Klägerin von entscheidender Bedeutung. Wegen der erheblichen rechtlichen und wirtschaftlichen Folgen wird im Rahmen eines Gesellschaftsverhältnisses Vertrauen in die Redlichkeit und Zuverlässigkeit solcher Erklärungen der Beklagten beansprucht. Wird der Klägerin in einem solchen Fall signalisiert, dass ein Bedürfnis für eine rasche Klärung der Wirksamkeit der Ausschließung nicht gesehen wird, so ist es den Beklagten als den die Ausschließung betreibenden Gesellschaftern zumutbar, sich daran auch in Bezug auf die Wahrung der Klagefrist festhalten zu lassen.Randnummer123

b) Entgegen der Ansicht der Berufung (GA 415, 761) kann die Klägerin weder damit gehört werden, dass es weder einer wie auch immer gearteten Mitwirkung von Rechtsanwalt B an der Beschlussprotokollierung bedurfte, noch kann sie geltend machen, dass der Beschluss vom 1. März 2018 mangels Beschlussfähigkeit der Gesellschafterversammlung nichtig war, weil B zu dieser nicht geladen war.Randnummer124

aa) Mit der Berufung bestehen allerdings erhebliche Zweifel daran, ob die von B am 4. September 2017 ausgesprochene fristlose Kündigung wirksam war. Zwar hatte dieser das Recht, bei Vorliegen eines wichtigen Grundes die Mitgliedschaft in der Gesellschaft zu kündigen (§ 20 Nr. 4 GV). Ob dem Landgericht darin zu folgen ist, dass bereits die jahrelangen Streitigkeiten unter den Gesellschaftern einen wichtigen Grund zur Kündigung bildeten (LU, Seite 11 f.), erscheint fraglich.Randnummer125

(1) Ein Personengesellschaftsverhältnis kann gekündigt werden, wenn dem kündigenden Gesellschafter nach Treu und Glauben eine Fortsetzung der Gesellschaft nicht mehr zugemutet werden kann, wobei alle Einzelumstände des Falles – u.a. der Zweck und die Struktur der GesellschaftBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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, ihre Dauer, die Intensität der persönlichen Zusammenarbeit und der bis zur ordentlichen Beendigung des Gesellschaftsverhältnisses verbleibende Zeitraum – in eine Gesamtabwägung einzubeziehen sind (BGH, Urteil vom 28. Januar 2002 – II ZR 239/00 -, juris Rn. 9). Das Landgericht hat angenommen, die mit dem Scheitern der Ehegemeinschaft zwischen der Klägerin und dem Beklagten zu 1 einher gehenden jahrelangen Streitigkeiten unter den Gesellschaftern hätten die Kündigungserklärung von B ausgelöst (LU, Seite 11). Dementsprechend kommt darauf an, ob die Klägerin und der Beklagte zu 1 ihre gesellschaftsrechtlichen Pflichten durch ihr vorausgegangenes Verhalten so schwerwiegend verletzt haben, dass B infolge des dadurch verursachten Zerwürfnisses eine vertrauensvolle Fortsetzung der Zusammenarbeit mit beiden nicht mehr zumutbar war.Randnummer126

(2) Entgegen der Ansicht des Landgerichts spricht der beiderseitige Parteivortrag nicht zwingend für die Erfüllung dieser Voraussetzung. Nach Darstellung des Beklagten zu 2 gemäß E-Mail vom 5. September 2017 (Anlage K67) hat B bereits 2016 Kontakt zu anderen Insolvenzverwaltern aufgenommen, Anfang 2017 auf eine Verkürzung der Fristen für die ordentliche Kündigung der Mitgliedschaft in der GbR gedrungen und angekündigt, die Gesellschaft zum 30. Juni 2017 und alsdann zum 30. September 2017 verlassen zu wollen. Dem weiteren Inhalt der E-Mail ist zu entnehmen, dass die Beklagten einer gütlichen Einigung über die Ausscheiden von B aus der Sozietät aufgeschlossen gegenüber standen. Bei dieser Sachlage ist es fehlerhaft, isoliert auf von der Klägerin und dem Beklagten zu 1 ausgehende innergesellschaftliche Streitigkeiten abzustellen und sie als wichtigen Grund für ein Recht von B zur fristlosen Kündigung zu verstehen, ohne in die Bewertung einzubeziehen, dass dieser sich offenbar bereits 2016 mit dem Gedanken trug, die Sozietät zu verlassen, alsdann mit den Beklagten im Laufe des Jahres über sein Ausscheiden verhandelte und bis September 2017 zuwartete, ehe er sich tatsächlich zur fristlosen Kündigung entschloss. Angesichts dieser Abläufe ist nicht erkennbar, dass die für ein Verbleiben von B in der Sozietät erforderliche Vertrauensgrundlage durch ein Verhalten der Parteien so nachhaltig erschüttert war, dass ihm eine ordentliche Kündigung zum 31. Dezember 2018 nicht zugemutet werden konnte.Randnummer127

bb) Die weitere Annahme des Landgerichts, B sei jedenfalls deshalb vor der Gesellschafterversammlung vom 1. März 2018 nicht mehr Mitglied der GbR gewesen, weil es fernliegend sei, dass die Parteien dessen Zugehörigkeit sowohl zur Gesellschaft als auch zu einer anderen Rechtsanwaltssozietät akzeptiert hätten, begegnet gleichfalls Bedenken.Randnummer128

(1) Richtig ist, dass der Gesellschafter einer GbR auch unabhängig vom Vorliegen eines wichtigen Grundes wirksam aus der Gesellschaft austreten kann, wenn die Gesellschaft den Austritt annimmt (vgl. BGH, Urteil vom 18. Februar 2014 – II ZR 174/11 -, juris Rn. 14). Rechtliche Grundlage für das Ausscheiden von B muss dann allerdings die allseitige Vereinbarung aller Gesellschafter sein. Zu ihrer Wirksamkeit bedarf eine solche Vereinbarung der Zustimmung aller Gesellschafter, da der Bestand der Gesellschaft betroffen ist (§ 11 Nr. 2a GV), die im Regelfall durch einen Gesellschafterbeschluss herbeigeführt wird (vgl. BGH, Urteil vom 26. Januar 1961 – II ZR 240/59 -, juris Rn. 17).Randnummer129

(2) Daran fehlt es hier. Das gilt zunächst ungeachtet des Umstands, dass B nach der von Beklagten unterzeichneten Gesellschafterliste vom 10. September 2017 nicht mehr als Gesellschafter der GbR aufgeführt war. Denn die Klägerin hatte die Unterzeichnung der veränderten Gesellschafterliste verweigert.Randnummer130

Dass sie zur Unterschriftsleistung verpflichtet gewesen wäre, ist weder erkennbar noch dargetan. Eine Übereinkunft über einen vor der Gesellschafterversammlung vom 1. März 2018 vollzogenen Austritt von B aus der GbR ist insbesondere nicht konkludent dadurch zustande gekommen, dass die Beklagten in Verhandlungen über eine Ausscheidensvereinbarung eingetreten sind. Die bloße Aufnahme solcher Vertragsverhandlungen stellt kein konkludentes Angebot auf einen Austritt zu dem von B gewünschten Zeitpunkt dar. Der Abschluss einer Abrede über den Austritt aus der Gesellschaft durch schlüssiges Verhalten ist nur unter engen Voraussetzungen anzunehmen. Deshalb ist schon zweifelhaft, ob Gesellschafter, die die fristlose Kündigung eines Mitgesellschafters als unwirksam zurückweisen und in Verhandlungen über ein einvernehmliches Ausscheiden zu dem von dem Kündigenden gewünschten Zeitpunkt eintreten, damit schlüssig ihre Bereitschaft erklären, den Austritt auch für den Fall zu akzeptieren, dass eine Vereinbarung über die Folgen des Ausscheidens nicht zustande kommt. Aus der Tatsache, dass die Klägerin den Beklagten die Verhandlungen überlassen hat, folgt überdies nicht, dass sie ohne Regelung der Ausscheidensfolgen mit einem Austritt von Rechtsanwalt B zu dem von diesem gewünschten Zeitpunkt einverstanden war. Anderes folgt auch nicht aus dem Umstand, dass weder die Beklagten noch die Klägerin Anstrengungen unternommen haben, die Tätigkeit von B für eine andere Rechtsanwaltsgesellschaft zu unterbinden. Der abweichenden Ansicht des Landgerichts (LU, Seite 11 f.) liegt offenbar die Erwägung zugrunde, dass die Klägerin durch die bloße Duldung eines B möglicherweise zur Last fallenden Verstoßes gegen anwaltliches Berufsrecht selbst gegen anwaltliches Berufsrecht verstoßen hätte. Unabhängig davon, ob man diese Beurteilung teilt, bestand keine Verpflichtung der Klägerin, die auch von den Beklagten für unwirksam gehaltene fristlose Kündigung anzugreifen und eine anwaltliche Tätigkeit von B für eine andere Sozietät zu unterbinden, um eine Zustimmungsfiktion zu verhindern. Auch in Ansehung des Spannungsverhältnisses zwischen Gesellschafts- und anwaltlichem Berufsrecht besteht kein anzuerkennendes Bedürfnis dafür, dem bloßen Untätigbleiben des an dem vermeintlichen Verstoß gegen das anwaltliche Berufsrecht nicht beteiligten Gesellschafter Rechtswirkungen beizumessen, ohne dass die für eine stillschweigende Billigung des Austritts geforderten Voraussetzungen vorliegen. Das berechtigte Interesse des an dem vermeintlichen Verstoß gegen das anwaltliche Berufsrecht unbeteiligten Sozius an Verhandlungen über einen einvernehmlichen Austritt würde nur unzureichend berücksichtigt, wenn er diesen schon bei bloßer Duldung des ohne seine Mitwirkung geschaffenen Rechtszustands grundsätzlich als verbindlich gegen sich gelten lassen müsste.Randnummer131

cc) Der Klägerin ist zuzugeben, dass die Nichteinladung eines Gesellschafters ein Einberufungsmangel ist, der entsprechend § 241 Nr. 1 AktG grundsätzlich zur Nichtigkeit der in der Versammlung gefassten Gesellschafterbeschlüsse führt (BGH, Urteil vom 2. Juli 19 – II ZR 406/17 -, juris Rn. 33 mit weiteren Nachweisen). Die Frage, ob B am 1. März 2018 noch Mitglied der GbR war und an der Beschlussfassung und Protokollierung hätte beteiligt werden müssen, braucht jedoch im vorliegenden Falle nicht entschieden zu werden. Die Klägerin hat diesen Einwand erstmals in der Replik vom 15. November 2019 erhoben. Dieses Vorbringen war verspätet. Die Gründe, auf welche die Unwirksamkeit gestützt wird, müssen in ihrem wesentlichen tatsächlichen Kern innerhalb der Ausschlussfrist des § 10 Nr. 6 GV in den Rechtsstreit eingeführt werden. Geschieht das erst – wie vorliegend – nach Ablauf der Klagefrist, kommt dies einer verspäteten Klage gleich. Die verspätet vorgebrachten Gründe sind dann unbeachtlich (vgl. BGH, Urteile vom 9. November 1992 – II ZR 230/91 -, juris Rn. 42, und vom 13. Februar 1995 – II ZR 15/94 -, juris Rn. 17).Randnummer132

c) Von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig hat das Landgericht ungeprüft gelassen, ob die Beklagten zu 1 und 2 am 1. März 2018 zur Ausschließung der Klägerin berechtigt waren.Randnummer133

aa) Für die Frage der Ausschließung eines Gesellschafters nach § 737 BGB kommt es – sofern, wie hier, eine Fortsetzungsklausel im Sinne des § 736 BGB vereinbart ist (§ 22 Nr. 1 GV) – entscheidend darauf an, ob in der Person des auszuschließenden Gesellschafters ein zur Kündigung berechtigender Umstand im Sinne des § 723 Abs. 1 Satz 2 BGB, mithin ein wichtiger Grund, vorliegt. Dies ist dann der Fall, wenn die Fortsetzung der Gesellschaft mit dem Auszuschließenden für die übrigen Gesellschafter unzumutbar ist. Eine Entscheidung hierüber erfordert eine umfassende Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände des Einzelfalles im Rahmen einer beiden Seiten gerecht werdenden Gesamtabwägung. Dabei sind vor allem Art und Schwere des Fehlverhaltens des Auszuschließenden sowie auch ein etwaiges Fehlverhalten des den Ausschluss betreibenden Gesellschafters zu berücksichtigen. Die Ausschließung kommt nur als „ultima ratio“ in Betracht, nämlich wenn die Unzumutbarkeit nicht durch mildere Mittel – etwa durch vertragliche Änderungen oder Entzug der Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis – beseitigt werden kann (BGH, Urteil vom 31. März 2003 – II ZR 8/01 -, juris Rn. 25 mit weiteren Nachweisen). Dieses Verständnis kann auch der Ausschließungsregelung des § 19 Nr. 1 lit. a GV zugrunde gelegt werden.Randnummer134

bb) Daran gemessen ist das Vorliegen von Ausschlussgründen auf der Grundlage des beiderseitigen Parteivortrags zu verneinen.Randnummer135

(1) Soweit die Beklagten meinen, der Ausschluss sei deswegen gerechtfertigt, weil die Klägerin das Beratungsmandat betreffend die I Herrenbekleidung GmbH & Co. KGBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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in einer Weise geführt habe, die geeignet gewesen sei, nicht nur beim Insolvenzgericht Zweifel an der Kompetenz der GbR zu wecken, bedarf es einer Prüfung, inwieweit die gegen die Klägerin erhobenen Vorwürfe zutreffen und welches Gewicht etwaigen Fehlleistungen der Klägerin für die Frage zukam, ob den Beklagten die weitere Zusammenarbeit mit der Klägerin zuzumuten war.Randnummer136

(i.) Dabei fällt zugunsten der Klägerin zunächst ins Gewicht, dass der Sachvortrag der Beklagten für die Annahme, die GbR hafte aufgrund von Beratungsdefiziten aus §§ 611, 241 Abs. 1, 280 Abs. 1, 282, 278 BGB, keine Grundlage bietet. Der Beratungsvertrag, der die Sanierung begleiten sollte, ist ein Dienstvertrag im Sinne des § 611 Abs. 1 BGB. Dementsprechend schuldete die GbR eine Dienstleistung, nicht aber einen Erfolg im Sinne einer wie auch immer als „geglückt“ anzusehenden Sanierung. Bei der Erbringung der Dienstleistung hatte die Klägerin zwar die Nebenpflicht, das Vermögen der Schuldnerin nicht unnötig zu schädigen. Diese Pflicht hat sie aber entgegen der Ansicht der Beklagten (22 O 429/17 LG Köln = 4 U 28/20 OLG KölnBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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GA 186) nicht zwangsläufig dadurch verletzt, dass sie sich für eine Sanierung durch Erhaltung des Unternehmensträgers ausgesprochen sowie mit der Schließung von Filialen verbundene hohe Kosten und die auf durch Forderungsverzichte entstehende Sanierungsgewinne entfallende Steuer in Kauf genommen hat. Gegenteiliges folgt auch nicht aus dem Bericht und der Anzeige des Sachwalters gemäß § 274 Abs. 3 Satz 1 InsO (Anlage AG9 22 O 429/17 LG Köln = 4 U 28/20 OLG KölnBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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).Randnummer137

(ii.) Diesbezüglich hat das Amtsgericht Köln (Beschluss vom 15. November 2017 – 103 IN 103/16 -, juris) es zwar wegen der bis dahin entstandenen Kosten der Eigenverwaltung für erforderlich gehalten, von Amts wegen gemäß §§ 270Abs. 1 S. 2, 74 Abs. 1 Satz 1 InsO eine Gläubigerversammlung einzuberufen, um über die Fortsetzung der Eigenverwaltung zu entscheiden. Dass das Insolvenzgericht gemeint hat, Nachteile für die Gläubiger könnten sich durch die Fortsetzung der Eigenverwaltung, namentlich durch eine erhebliche Überschreitung der prognostizierten Beratungskosten ergeben, mag darauf hindeuten, dass bei Fortführung der Eigenverwaltung für die Befriedigung der Gläubiger eine geringere Masse zu vorhanden sein drohte, als dies im Regelverfahren der Fall gewesen wäre, impliziert aber nicht ohne weiteres eine Pflichtverletzung der Beklagten bei der Bearbeitung des Mandats. Die Anregung des Insolvenzgerichts, im Hinblick auf die Höhe der Beraterhonorare Maßnahmen gemäß § 275 Abs. 2 InsO und von Schadensansprüchen gemäß §§ 280, 92, 93 InsO zu prüfen, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Dabei muss der Senat weder entscheiden, ob es von vornherein oder aufgrund unvorhersehbarer (späterer) Umstände nicht möglich war, die prognostizierten Beratungskosten einzuhalten, noch muss er der Frage nachgehen, ob die Kostenüberschreitung auf ein Verhalten der eigenverwaltenden Schuldnerin zurückzuführen war. Nicht entscheidungserheblich ist ferner, ob die Klägerin den Sachwalter und/oder das Insolvenzgericht über sich abzeichnende Kostensteigerungen zu informieren hatte und dieser Anforderung nicht (rechtzeitig) nachgekommen ist. Selbst wenn die Klägerin dies zu verantworten und gegen ihr aus dem Beratungsverhältnis zur Schuldnerin auch gegenüber dem Sachwalter obliegende Informationspflichten verstoßen hätte, wäre ein solches Fehlverhalten als nicht so schwerwiegend zu erachten, dass es den Beklagten daraufhin unzumutbar war, die Klägerin in der GbR zu belassen.Randnummer138

(2) Soweit die Beklagten der Klägerin vorgeworfen haben, ohne tatsächlichen Bedarf, ohne Durchlaufen des für die GbR üblichen Bewerbungsverfahrens und ohne ihnen durch vorherige Information die Möglichkeit zu einem Widerspruch nach § 711 BGB gegeben zu haben, die (frühere) Betreuerin der gemeinsamen Kinder mit dem Beklagten zu 1 für das Sekretariat ihres Home-Office zu einem Gehalt angestellt zu haben, das die Vergütung für vergleichbare Mitarbeiter erheblich überstiegen habe (GA 65-70), vermag das die Ausschließung nicht zu rechtfertigen.Randnummer139

Der Darstellung der Klägerin, der Bedarf für eine weitere Arbeitskraft ab dem 1. Januar 2018 habe sich daraus ergeben, dass ihr Sekretariat ab Oktober 2017 nur in Teilzeit besetzt gewesen sei und einen angestellten Rechtsanwalt habe mitbetreuen müssen (GA 104), sind die Beklagten nicht mit Substanz entgegen getreten. Dafür, dass die frühere Kinderfrau für die zu besetzende Position fachlich ungeeignet ist, bietet ihr Vortrag gleichfalls keinen hinreichenden Anhalt.Randnummer140

Ob die Klägerin gehalten gewesen ist, die Beklagten mit Rücksicht auf deren absehbaren Widerspruch nach § 711 BGB vorab von der konkret geplanten Maßnahme zu unterrichten, bedarf keiner Entscheidung. Sollte darin ein pflichtwidriges Versäumnis gelegen haben, würde das schon deshalb in einem milderen Licht erscheinen, weil der Beklagte zu 2 – wie die Klägerin unwidersprochen vorgetragen hat (GA 106) – in zwei Fällen Mitarbeiter ohne die nach § 12 Nr. 6 Buchst. h GV erforderliche Zustimmung des Sozietätsausschusses eingestellt hat.Randnummer141

Den Beklagten ist zwar zugegeben, dass nicht ersichtlich ist, weshalb die vertraglich festgesetzte Vergütung für die frühere Kinderfrau der Klägerin und des Beklagten zu 1 erheblich höher bemessen worden ist, als sie für vergleichbare Mitarbeiter mit deutlich mehr Berufserfahrung festgelegt worden war, zumal sie im Vergleich zu diesen bei ihrem Eintritt in die Kanzlei nur eher geringe praktischen Erfahrungen als Sekretärin aufzuweisen hatte. Für die Berechtigung eines solchen Gehaltsunterschieds hätte es jedenfalls einer besonderen Begründung bedurft, die die Klägerin schuldig geblieben ist. Das allein vermag aber Vorwurf des Missbrauchs von Gesellschaftsvermögen für eigene Zwecke und die Ausschließung der Klägerin nicht zu rechtfertigen.Randnummer142

(3) Soweit die Beklagten geltend machen, die Klägerin habe gegen ihre gesellschaftsrechtliche TreuepflichtBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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verstoßen, weil sie durch das Beharren auf anwaltlichen Beistand in der für den 9. Januar 2018 einberufenen Gesellschafterversammlung deren Durchführung vereitelt habe, kann darin ein wichtiger Grund für ihre Ausschließung nicht gesehen werden.Randnummer143

Ein Anspruch der Klägerin auf Teilnahme eines anwaltlichen Beraters ergab sich zwar nicht aus § 9 Nr. 4 GV. Dort ist nämlich lediglich vorgesehen, dass ein Gesellschafter durch einen Mitgesellschafter vertreten werden kann.Randnummer144

Ausnahmsweise kann aber auch ohne satzungsrechtliche Grundlage aufgrund der Treuepflicht eine Pflicht der Gesellschafter zur Zulassung eines anwaltlichen Beistands bestehen, wenn die Interessenabwägung einen Vorrang des Beratungsinteresses des Gesellschafters gegenüber dem Geheimhaltungsinteresse und dem Interesse an Privatheit der Gesellschaft und der übrigen Gesellschafter ergibt. Dabei sind neben der Anzahl und der personellen Verbundenheit der Gesellschafter auch die bisherige Gesellschaftspraxis bei der Zulassung von Beiständen, die Bedeutung des Beschlussgegenstandes und das Beratungsbedürfnis des Gesellschafters zu berücksichtigen (vgl. Bayer in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 20. Aufl. 2020, § 48 Rn. 8; Seibt in: Scholz, GmbHG, 12. Aufl. 2018, 2020, 2021, § 48 Rn. 26).Randnummer145

Daran gemessen hat die Klägerin hinreichende Gründe dargetan, die es – auch unter Berücksichtigung und Würdigung der gegenläufigen interessen der Beklagten – ausnahmsweise notwendig erscheinen ließen, sich in der Gesellschafterversammlung vom 9. Januar 2018 unmittelbar beraten zu lassen. Die Teilnahme eines vertrauenswürdigen und wirtschaftsrechtlich geschulten und erfahrenen Beistands der Klägerin war den Beklagten angesichts der Tragweite des Beschlussgegenstands zuzumuten. Die von den Beklagten beabsichtigte Ausschließung der Klägerin berührte den Fortbestand der Mitgliedschaft in der GbR und war für deren Berufsausübung von herausragender Bedeutung. Da sie als Rechtsanwältin auf das Restrukturierungs- und Insolvenzrecht fokussiert war, wäre die Klägerin – ohne anwaltlichen Beistand mit Spezialkenntnissen im Gesellschaftsrecht – nur eingeschränkt in der Lage gewesen, ihre Rechte und interessen angemessen geltend zu machen. Ein gegenüber diesen besonderen interessen im Einzelfall nur auch gleichgewichtiges Interesse der der Beklagten, die Teilnahme des Beraters zu verhindern, war nicht zu erkennen, da diesen unbenommen war, sich gleichfalls durch Spezialisten vertreten zu lassen.Randnummer146

(4) Die Beklagten werfen der Klägerin vor, im Februar 2018 nicht nur gegenüber der P AG offenbart zu haben, dass die OD die von der GbR im Soll geführte Kontokorrentkreditlinie über 5.000.000 EUR aufgrund der Auseinandersetzungen unter den Gesellschaftern in der bisherigen Form nicht habe prolongieren wollen, sondern die Bank überdies mit Hinweis auf das vorgerückte Alter des Beklagten zu 1 und dadurch bedingte ungewisse Zukunftsaussichten animiert zu haben, mit dem eigenen Kreditengagement entsprechend zu verfahren. Darin haben die Beklagten einen gezielten Angriff gegen lebenswichtige finanzielle interessen der GbR gesehen, der durch eine alsdann von der P AG eingeleitete Prüfung des Kreditengagements zu einer konkreten Kreditgefährdung geführt habe (GA 72 f.). Kreditschädigende Äußerungen können in der Tat geeignet sein, einen Gesellschafter aus der Gesellschaft auszuschließen (vgl. BGH, Urteil vom 23. Januar 1967 – II ZR 166/65 -, juris Rn. 23 f., 26; OLG München, Urteil vom 4. Dezember 1998 – 23 U 2700/95 -, juris Rn. 83; Hannes/Oenings in: Hesselmann/Tillmann/Mueller-Thuns, Handbuch GmbH & Co. KGBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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, 22. Aufl. 2020, Rn. 8422). Dass die Äußerungen der Klägerin geeignet waren, bei der P ein ungünstiges Bild zu verursachen, und dieser Anlass bot, ihr Kreditengagement zu überdenken, liegt auf der Hand. Diese mögliche Beeinträchtigung ist aber zum einen gegen die eigenen interessen der Klägerin abzuwägen, der ausweislich des Schreibens der P vom 22. Februar 2018 (Anlage B10) an einer Reduzierung der persönlichen Haftung für Verbindlichkeiten der GbR gelegen war. Die Notwendigkeit einer solchen Abwägung haben die Beklagten, soweit es um den Vorstoß der Klägerin gegenüber der P AG Anfang 2018 geht, nicht ausreichend berücksichtigt. Es mag sein, dass schon das Bekanntwerden von Unstimmigkeiten zwischen den Gesellschaftern und von Schwierigkeiten bei der Prolongation bestehender Kontokorrentkreditlinien dem Ruf und damit den wirtschaftlichen Interessen der GesellschaftBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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abträglich war. In die gebotene Abwägung ist einzustellen, dass ausweislich des Bankschreibens vom 6. Februar 2018 (Anlage B14) die wirtschaftliche Lage der GbR im November 2019 aus Sicht der OD Anlass für eine Kündigung der Kontokorrentkreditlinie bot, sich die Klägerin mit einer von ihr für unberechtigt gehaltenen und von der GbR klageweise geltend gemachten Forderung auf Erstattung von Entnahmen in Höhe von rund 2,4 Mio. EUR konfrontiert sah, und gleichzeitig die Liquidität der GbR durch eine Entnahme des Beklagten zu 2 in Höhe eines Betrages von 800.000 EUR belastet wurde, dessen Rückzahlung die Klägerin später im Wege einer auf die Grundsätze der actio pro socio gestützten Widerklage verlangt hat. Darauf, wie die Erfolgsaussichten von Klage und Widerklage zu beurteilen waren, kommt es ebenso wenig an, wie auf die Frage, ob die Bonitätszweifel der OD berechtigt waren. Maßgeblich ist, dass das von der Klägerin verfolgte Ziel einer mit der Verringerung von Verbindlichkeiten der GbR einhergehenden Reduzierung der persönlichen Haftung nicht ohne weiteres als geschäftsschädigend angesehen werden kann. Soweit es um den konkreten Vorstoß gegenüber der P AG geht, ist in die Würdigung miteinzubeziehen, dass nicht ersichtlich ist, dass die von dem Kreditinstitut eingeleitete Prüfung des Kreditengagements zu Nachteilen für die GbR geführt hat. Dieser Gesichtspunkt ist bei der Bewertung der Schwere des der Klägerin etwa zur Last zu legenden Verhaltens zu berücksichtigen. Denn ob ein pflichtwidriges Verhalten eines Gesellschafters seine Ausschließung rechtfertigt, kann auch davon abhängen, welcher Schaden der Gesellschaft daraus entstanden ist (vgl. BGH, Urteil vom 10. Juni 1991 – II ZR 234/89 -, juris Rn. 11).Randnummer147

(5) Die Vielzahl der zwischen den Parteien bestehenden Streitpunkte und geführten Rechtsstreitigkeiten legt zwar nahe, dass ein gedeihliches Zusammenwirken der Gesellschafter nicht mehr zu erwarten sei. Das könnte aber allenfalls eine etwaige Auflösungsklage als gerechtfertigt erscheinen lassen; nicht aber rechtfertigt das tiefgreifende Zerwürfnis zwischen den Gesellschaftern als solches die Ausschließung der Klägerin. Der Ausschluss eines Gesellschafters setzt unter diesem Gesichtspunkt entsprechend § 140 HGB voraus, dass das Zerwürfnis von ihm zumindest überwiegend verursacht worden ist und in der Person des oder der auf Ausschließung klagenden Gesellschafter nicht ebenfalls ein Ausschlussgrund vorliegt (vgl. BGH, Urteil vom 10. Juni 1991 – II ZR 234/89 -, juris Rn. 11). Auf der Grundlage des beiderseitigen Parteivortrags lässt sich nicht feststellen, dass die Führung der einzelnen Prozesse als gesellschaftswidriges Verhalten des Klägers zu werten ist. Danach muss zwar davon ausgegangen werden, dass die Klägerin in jenem Rechtsstreit über die Berechtigung angeblich zu Unrecht entnommener Gelder ihre eigenen wirtschaftlichen interessen wahrgenommen hat und wahrnimmt. Das trägt aber nicht die Wertung des Vorgehens der Klägerin als eines ihren Ausschluss rechtfertigenden Verhaltens. Der Gesellschafter braucht seine eigenen berechtigten Belange nicht ohne weiteres hinter diejenigen der Gesellschaft zurückzustellen (vgl. BGH, Urteil vom 10. Juni 1991 – II ZR 234/89 -, juris Rn. 7).Randnummer148

3. Entgegen der Ansicht des Landgerichts ist auch der am 2. November 2019 gefasste Beschluss der Gesellschafterversammlung der GbR über die Ausschließung der Klägerin aus wichtigem Grund unwirksam.Randnummer149

a) Allerdings ist es von seinem Rechtsstandpunkt folgerichtig davon ausgegangen, dass die Abweisung der Klage gegen den Erstbeschluss das Rechtsschutzbedürfnis für die Klage gegen den Zweitbeschluss entfallen lässt (LU, Seite 19). Das Rechtsschutzbedürfnis setzt eine Betroffenheit durch den angegriffenen Gesellschafterbeschluss in eigenen Rechten voraus. Daher besteht ein Rechtsschutzbedürfnis grundsätzlich nur für die Gesellschafter einer GbR und endet das Rechtsschutzbedürfnis abgesehen von den analog § 265 Abs. 2 ZPO zu behandelnden Fällen mit dem Verlust der Gesellschafterstellung (vgl. für die GmbH etwa Wertenbruch, in: Münchener Kommentar zum GmbHG, 2. Auflage, § 47 Anh. Rn. 182, der dies allerdings in dogmatischer Hinsicht zweifelhaft als Problem der Aktivlegitimation behandelt). Die Klage auf Feststellung der Nichtigkeit des Zweitbeschlusses hat das Landgericht von seinem Rechtsstandpunkt aus daher folgerichtig abgewiesen. Mit der Abweisung der Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit des Erstbeschlusses konnte der Zweitbeschluss keine Rechtswirkungen mehr entfalten. Für die Klage gegen den Zweitbeschluss wäre von einem erledigenden Ereignis auszugehen.Randnummer150

b) Die Hilfserwägungen des Landgerichts tragen die Abweisung der auf Feststellung der Unwirksamkeit des Ausschließungsbeschlusses vom 2. November 2019 gerichteten Klage nicht.Randnummer151

aa) Die Klägerin hatte unabhängig vom Ausgang der im März 2019 eingereichten Beschlussmängelklage aufgrund der erwirkten einstweiligen Verfügungen einen Anspruch darauf, entsprechend dem Gesellschaftsvertrag ebenso behandelt zu werden wie die übrigen Mitglieder der Sozietät. Wenn sie durch von den Beklagten getroffene Absprachen in die Sozietät betreffenden Fragen zur Finanzierung der GbR durch Gesellschafterkredite weitgehend abgeschnitten und ihr lediglich die Möglichkeit eingeräumt wurde, ihre Mandate mit den personellen und sachlichen Mitteln der Kanzlei fortzuführen, so lag darin eine gesellschaftsvertragswidrige Ungleichbehandlung. Dieses Vorgehen der Beklagten war auch objektiv vorwerfbar, denn sie wussten angesichts der schwebenden Gerichtsverfahren und des laufenden Mediationsverfahrens, dass die Klägerin die Ausschließung nicht hinzunehmen bereit war, und sie haben es bewusst in Kauf genommen, dass der Ausschließungsbeschluss für unwirksam erklärt werden würde.Randnummer152

(1) Richtig ist, dass die durch die unabgesprochene Aufnahme von Gesellschafterkrediten und das Übergehen von hierauf bezogenen Auskunftsverlangen geschaffene gesellschaftsrechtliche Ungleichbehandlung als zunächst nur interne Vorgänge nicht isoliert bewertet werden dürfen. Diese Ungleichbehandlung ist sicherlich auch eine Reaktion auf das robuste Vorgehen der Klägerin gewesen. Diese hat sich nämlich nicht darauf beschränkt, die ihr unberechtigt erscheinende Ausschließung zurückzuweisen und den Forderungen der Beklagten auf Ausgleich eines angeblich in Höhe eines Betrages von mehr als 2 Mio. EUR im Soll geführten Entnahmekontos, wie sie für geboten hielt, gerichtlich entgegen zu treten. Vielmehr hat die Klägerin – soweit ersichtlich – als erste den bis dahin intern gebliebenen Streit der Gesellschafter über Finanzierungsfragen nach außen getragen und die Hausbanken der Sozietät davon in Kenntnis gesetzt, dass sie von den Beklagten ohne ihr Einverständnis angestrebten Neukreditaufnahmen widerspreche. Hierzu bestand indes Anlass, da die Klägerin – auch wenn man den Vortrag der Beklagten zugrunde legt – nicht davon ausgehen konnte, diese würden den vorangegangenen Widerspruch beachten und – wie geboten – eine gerichtliche Klärung der Frage herbeizuführen, inwieweit die wirtschaftliche Lage der GbR eine Zustimmung der Klägerin zu weiteren Kreditaufnahmen gebot. Die Klägerin mag mit ihrer Intervention bei den Hausbanken das ohnehin bereits gestörte Gesellschaftsverhältnis zusätzlich erheblich belastet und Liquiditätsschwierigkeiten der Sozietät heraufbeschworen haben. Auch mag ihr Verhalten von den kreditgebenden Banken nicht nur als Anwendung eines Druckmittels in dem internen Streit der Partner gedeutet worden sein, sondern musste bei ihnen – wie der Klägerin nicht verborgen bleiben konnte – den Eindruck hervorrufen, dass einer der Partner sich aus der solidarischen Verantwortung für die Gesellschaft lösen und künftig nicht mehr mit seinem Privatvermögen für die gemeinsamen Verbindlichkeiten einstehen wollte. Dadurch mögen sich die Beklagten nicht nur in einen Erklärungszwang gegenüber den Hausbanken gesetzt gesehen haben, sondern auch gezwungen gewesen sein, die Bankverbindungen neu zu ordnen und im Zusammenhang damit zusätzliche Sicherheiten aus ihrem Privatvermögen zu stellen. Die Klägerin mag damit nicht nur dem Ansehen der Gesellschaft geschadet, sondern sich im Ergebnis nach außen sichtbar außerhalb der Haftungsgemeinschaft der Sozietät gestellt und durch dieses Verhalten die Reaktion des Beklagten zu 1 herausgefordert haben, sie künftig auch als Außenstehende zu behandeln, ihr jedenfalls durch den Einzug von Forderungen der GbR auf ein eigens von ihm eingerichtetes und für Rechnung der GbR geführtes Privatkonto den Einblick in und die Möglichkeit der Einflussnahme auf die Verwendung der eingehenden Gelder zu verwehren.Randnummer153

(2) Die gebotene Gesamtabwägung, die der Senat vorzunehmen hat, führt gleichwohl dazu, dass das Vorhandensein eines wichtigen Grundes für die von den Beklagten am 2. November 2019 beschlossene Ausschließung der Klägerin zu verneinen und dementsprechend dem mit der Berufung weiterverfolgten Feststellungsbegehren auch insoweit stattzugeben ist.Randnummer154

(i.) Nachdem die Beklagten versäumt hatten, die grundlegenden Meinungsverschiedenheiten über die gebotene Finanzierung der GbR einer Klärung durch entsprechende Befassung der Gesellschafterversammlung, des Sozietätsausschusses und der Gerichte zuzuführen, hat die Klägerin den gesellschaftsinternen Konflikt nicht ohne Not nach außen getragen. Schon die Ungleichbehandlung bei der Information über die von dem Beklagten zu 1 gewährten Gesellschafterkredite gab der Klägerin Anlass, Vorsorge zu treffen, hinsichtlich der aus der gemeinsamen Tätigkeit der Sozietät entstehenden Verpflichtungen nicht ohne weiteres persönlich belangt werden zu können. Dementsprechend kann es ihr nicht als ihre Ausschließung aus der GbR rechtfertigendes schwerwiegendes Verhalten angelastet werden, dass sie die Initiative gegenüber den Hausbanken ergriffen hat. Dass auch die Beklagten selbst dies nicht anders beurteilt haben, wird schon daraus deutlich, dass sie – obwohl sie die Mediation weder bereits im Januar 2019 abgebrochen noch die Ausschließung der Klägerin in einer alsbald einberufenen Gesellschafterversammlung auf dieses Verhalten gestützt haben – erst rund zehn Monate später auf diesen Komplex zurückgekommen sind.Randnummer155

(ii.) Der Senat muss nicht entscheiden, ob die im Anschluss an die Kündigung der Mitgliedschaft durch die Beklagten nach § 22 Nr. 3 GV bestehende Möglichkeit, zu erklären, die GbR allein fortführen zu wollen, der Klägerin entgegen dem Rechtsgutachten von A2 (Anlage K48, dort Seite 16 ff.) und dem Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 15. August 2019 (8 Ca 3692/19, Anlage OP 20) das Recht gab, ohne Billigung der Beklagten den Standort Köln mit Wirkung zum 1. Januar 2020 zu schließen und die Umsetzung einer solchen unternehmerischen Entscheidung im Mai 2019 durch Kündigung der dortigen Mitarbeiter vorzubereiten. Für die Entscheidung des Streitfalls kann ferner dahinstehen, ob eine etwa anzunehmende Pflichtverletzung als so schwerwiegend bezeichnet werden kann, dass sie eine künftige Fortsetzung der Gesellschaft mit der Klägerin für die Beklagten unzumutbar werden ließ.Randnummer156

Denn zum einen ist nicht zu verkennen, dass sich mit der Kündigung eines Gesellschafters (hier: der Beklagten zu 1 und 2) dessen berechtigtes Interesse an einer Mitsprache in Angelegenheiten der Gesellschaft erheblich vermindert und auf Entscheidungen begrenzt ist, die für ihn noch irgendwie von wirtschaftlicher Bedeutung sein können (vgl. BGH, Urteil vom 26. Oktober 1983 – II ZR 87/83 -, juris Rn. 27). Dies verpflichtete die Beklagten zu einer gewissen Zurückhaltung und konnte es ihnen mit Rücksicht auf ihre bis zum Ausscheiden fortbestehende gesellschaftliche Treuepflicht gebieten, sich nicht ohne triftigen Grund gegen eine sachlich vertretbare Maßnahme der Klägerin zu stemmen, die – wie die Beklagten nicht in Abrede stellen – augenscheinlich nicht in der Lage war, die Sozietät mit allen Standorten fortzuführen. Zum anderen wäre auch an eine Entziehung der (alleinigen) Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis nach §§ 712, 715 BGB als gegenüber der Ausschließung milderem Mittel zu denken gewesen. Dies hätte sich vor allem im Hinblick auf die erheblichen beruflichen und wirtschaftlichen Folgen eines Ausschlusses für die Klägerin aufgedrängt, die zwar als Rechtsanwältin auf dem Gebiet des Insolvenzwesens hätte praktizieren können, jedoch ihr bisheriges Tätigkeitsumfeld einschließlich ihrer Mitarbeiter hätte aufgeben müssen.Randnummer157

(iii.) Soweit es um den von der Klägerin erhobenen Vorwurf der Untreue geht, waren die Beklagten bei angemessener Gewichtung ihres eigenen zur Störung des internen Vertrauensverhältnisses beitragenden Fehlverhaltens bei der gebotenen Gesamtabwägung gleichfalls zum Ausschluss der Klägerin nicht berechtigt. Der Beklagte zu 1 hatte den Stein ins Rollen gebracht, indem er der GbR zustehende Forderungen auf ein privates Konto ein- und der Kontrolle der Klägerin entzog. Die Unterlassung dieses Vorgangs und die Erstattung der eingezogenen Beträge an die GbR musste sich die Klägerin mittels einstweiliger Verfügung erstreiten. Dieses Verhalten des Beklagten zu 1, welches die Berufung unzutreffend als nicht gesellschaftswidrig einstuft, hat den von der Klägerin im Rahmen von Eilverfahren und möglicherweise auch gegenüber Mitarbeitern erhobenen Vorwurf der Untreue herausgefordert. Die Klägerin mag dem Beklagten zu 1 schuldig gewesen sein, erst die Zahlungsvorgänge intern zu prüfen, ehe sie einen derart schwerwiegenden Vorwurf erhob. Angesichts der Herausforderung durch den Beklagten zu 1 vermag das Verhalten der Klägerin jedoch weder für sich genommen noch in der Gesamtschau ihre Ausschließung aus wichtigem Grund zu rechtfertigen.Randnummer158

II. Der erstmals im Berufungsrechtszug gestellte (Haupt-)Antrag auf Feststellung, dass die Klägerin das Unternehmen der GbR ab dem 1. Januar 2020 allein fortführt (Berufungsantrag zu 3.), hat Erfolg. Die Bedingung, unter die der Hilfsantrag, mit dem den Beklagten Behinderungen der Klägerin als geschäftsführende Gesellschafterin untersagt werden soll, gestellt ist, tritt dementsprechend nicht ein.Randnummer159

1. Die Abweisung der geänderten Klage als unzulässig kommt nicht in Betracht. Die Voraussetzungen des § 533 ZPO liegen vor.Randnummer160

a) Eine Klageänderung ist gemäß § 533 Nr. 1 ZPO zulässig, wenn der Gegner einwilligt oder das Gericht dies für sachdienlich hält. Letzteres ist hier der Fall, weil der bisherige Streitstoff eine verwertbare Entscheidungsgrundlage bleibt und die Zulassung die endgültige Beilegung des Streits fördert und einen neuen prozess vermeidet (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 33. Auflage 2020, § 263 Rn. 13).Randnummer161

b) Als zweite Voraussetzung darf eine Klageänderung nur auf Tatsachen gestützt werden, die das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin nach § 529 ZPO zugrunde zu legen hat (§ 533 Nr. 2 ZPO). Auch das ist hier der Fall. Denn neue unstreitige Tatsachen (hier: die Abgabe der Erklärung nach § 22 Nr. 3 GV) sind im Berufungsrechtszug gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 2, 531 Abs. 2 ZPO zu berücksichtigen (BGH, Urteil vom 6. Dezember 2004 – II ZR 394/02 -, juris Rn. 11).Randnummer162

2. Schließlich ist das Feststellungsbegehren entsprechend dem geänderten (Haupt-)Antrag begründet, weil die Ausschließung der Klägerin aus den angeführten Gründen unwirksam war und die Beklagten infolge der von ihnen ausgesprochenen Kündigungen mit Ablauf des 31. Dezember 2019 aus der GbR ausgeschieden sind.Randnummer163

III. Der Senat muss nicht entscheiden, ob die Klägerin von den Beklagten zum Zwecke der Untersagung der Ausführung der Gesellschafterbeschlüsse bis zum rechtskräftigen Abschluss des Streits über die Feststellung der Nichtigkeit der Gesellschafterbeschlüsse verlangen konnte, ihre Ausschließung Mitarbeitern und Dritten gegenüber weder bekanntzugeben noch (hilfsweise) deren Wirksamkeit zu behaupten. Ein Gesellschafter kann zwar, wenn sich aus der Durchführung eines Beschlusses Nachteile für ihn oder die Gesellschaft ergeben könnten, die nach dem Obsiegen im Hauptsacheprozess nicht oder jedenfalls nicht mehr vollständig rückgängig gemacht werden könnten, der Beschlussausführung zuzuordnende Geschäftsführungsmaßnahme unterbinden. Ein solcher Anspruch ist indes dem einstweiligen Rechtschutz zuzuordnen und kann nicht selbst zur Hauptsache gemacht werden.

C.

Der Inhalt der nicht nachgelassenen Schriftsätze des Beklagten zu 1 vom 22. Juni 2021 (GA 838 ff.) und vom 16. August 2021 (GA 994 ff.) sowie der Klägerin vom 16. Juli 2021 (GA 985 ff.) und 18. August 2021 führt nicht zu einer anderen rechtlichen Beurteilung und hat dem Senat keine Veranlassung zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung gegeben (§§ 296a, 156 Abs. 1 und 2 ZPO).

D.

1. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.Randnummer166

2. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.Randnummer167

3. Die Voraussetzungen, unter denen die Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO zuzulassen ist, liegen nicht vor. Die für die Entscheidung des Rechtsstreits maßgeblichen Fragen sind höchstrichterlich geklärt; die Rechtsanwendung des Senats stützt sich auf spezifische Umstände des Einzelfalles.

E.Randnummer168

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 3.593.600,00 EUR festgesetzt.

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Ausschluss des Gesellschafters
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OLG Köln, Urteil vom 12.08.2021 – 18 U 197/20

Donnerstag, 12. August 2021

§ 280 BGB, § 328 BGB, § 611 BGB, § 64 GmbHG

Voraussetzung für die Einbeziehung Dritter in den Schutzbereich des Anwaltsvertrages ist, dass bereits bei Übernahme des Mandates erkennbar ist, dass auch der Dritte in den Schutzbereich des Vertrages einbezogen ist. Dies gilt für das Haftungsrisiko von GmbH-Geschäftsführern gemäß § 64 GmbHG a. F. nur, wenn das Mandat sich explizit auf eine insolvenzrechtliche Beratung bezieht, nicht aber, wenn im Rahmen eines anderen Mandates Anhaltspunkte für eine Insolvenzgefahr auftreten und deshalb die Nebenpficht besteht, die Mandantin hierauf hinzuweisen.

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Köln vom 26.10.2020 – 24 O 165/20 – wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des aufgrund des Urteils beizutreibenden Betrages abzuwenden, wenn nicht zuvor die Beklagten Sicherheit i.H.v. 120 % des jeweils beizutreibenden Betrages leisten.

Gründe

I.

Der Kläger ist – nach dem Tod des ursprünglich bestellten – nunmehriger Insolvenzverwalter über das Vermögen der A GmbH (im folgenden: Gesellschaft). Er klagt aus abgetretenem Recht der Personen, die im Zeitraum vor der Insolvenzeröffnung Geschäftsführer bzw. Liquidatoren der Gesellschaft waren und – nach Auffassung des Klägers – einer persönlichen Haftung in Höhe von insgesamt 1.343.695,23 € gemäß § 64 GmbHG unterlägen für im Zeitraum vom 20.10.2015 bis 20.11.2015 auf Verbindlichkeiten der Gesellschaft geleistete Zahlungen. Der Kläger ist der Auffassung, dass diese Personen gegen die Beklagten einen Anspruch auf Schadensersatz in dieser Höhe wegen anwaltlicher Falschberatung hätten, der Gegenstand dieser Klage ist.

Im konkreten:

Bei der Gesellschaft handelte es sich um eine Reiseveranstalterin.

Am 13.10.2015 kündigte einer der Vertragspartner der Gesellschaft (die B AG), die verschiedene Dienstleistungen für die Gesellschaft in den Zielankunftsländern wie etwa die Organisation von Hotels, Flughafentransfers und sonstige Angelegenheiten übernahm, an, dass sie ihre Leistungen einstellen werde, wenn nicht die Gesellschaft bis zum 15.10.2015 offene Verbindlichkeiten von etwa 118.000 € begleiche.

Am 15.10.2015 wurde der Gesellschaft der Zugang zu – von der ehemaligen C GmbH verwalteten – Internetportalen, die für diese den hauptsächlichen Vertriebsweg ihrer Leistungen darstellten, gesperrt, wobei der Kläger den konkreten Grund für diese Sperrung nicht mitteilt.

Noch am 15.10.2015 wandte sich daher der damalige Geschäftsführer der Gesellschaft, Herr D,  an die Beklagtenseite, die die Gesellschaft auch bereits zuvor in anderen Angelegenheiten anwaltlich vertreten hatte. Dabei erklärte er gegenüber dem Beklagten zu 2 jedenfalls, dass 80 % des Umsatzes der Gesellschaft über diese Internetportale generiert würden; die Existenz der Gesellschaft sei nachhaltig gefährdet, wenn die Gesellschaft nicht sofort wieder Zugang bekomme. In dem Gespräch beauftragte er die Beklagten damit, Schadensersatzforderungen u.a. gegenüber den Firmen E AG, F GmbH, G GmbH und B AG als Geschäftspartnern der Schuldnerin geltend zu machen. Im Anschluss an das Gespräch übersandte der Geschäftsführer der Beklagten zu 2 noch am gleichen Tag die Verträge mit den Geschäftspartnern.

Der Kläger hat behauptet, Herr D habe in dieser Besprechung auch von „Gerüchten“ in der Branche berichtet, dass der Gesellschaft die Insolvenz zumindest drohe.

Der damalige Geschäftsführer zahlte die gegenüber der B AG offene Forderung, die diese jedoch wegen geringfügiger Überschreitung der gesetzten Frist gemäß Schreiben vom 16.10.2015 nicht akzeptieren wollte.

In der unmittelbaren Folgezeit erbrachte die Beklagtenseite, dabei handelnd durch den Beklagten zu 2, verschiedene – von dem Kläger im Kern nicht näher beschriebene – Tätigkeiten wie etwa die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen gegenüber Vertragspartnern der Gesellschaft, welche als unterschiedliche Angelegenheiten abgerechnet wurden (Rechnungen vom 16.10.2015 über 5.226,36 € (Anl. K5, AnlO),  16.10.2015 über 2.348,94 € (Anl. K10 AnlO), 19.10.2015 über 9.171,21 € (Anl. K12 AnlO), 28.10.2015 über 7.541,27 € (Anl. K 13 AnlO), 25.11.2015 über 4.495,23 € (Anl. K7 AnlO),  vom 25.11.2019 über 4.383,31 € (Anl. K9 AnlO), 25.11.2015 über 3.332,65 € (Anl. K11 AnlO), 18.12.2015 über 8.032,50 € (Anl. K 14 AnlO) und 17.12.2015 über 1.838,55 € (Anl. K6, AnlO)). Unter anderem forderte der Beklagte zu 2 unter dem 21.10.2015 die B AG in Hinblick auf die geleistete Zahlung zur eigenen Vertragserfüllung auf. Mit weiterem Schreiben vom 21.10.2015 (Anl. K8  AnlO) forderte der Beklagte zu 2 die B AG im Kern auf, das Streuen von Gerüchten über eine Insolvenz oder drohende Insolvenz der Gesellschaft zu Unterlassen.

Parallel entwickelte der Beklagte zu 2 ein Konzept für die Liquidation der Gesellschaft. Grundlage der Überlegungen war der Umstand, dass Reiseveranstalter verpflichtet sind, eine Pflichtversicherung für Pauschalreisen abzuschließen. Die Gesellschaft unterhielt eine solche bei der H AG und hatte bei dieser eine Bardeckung von 1,1 Mio. € hinterlegt. Ziel sollte sein, dass der hinterlegte Betrag freigegeben werde, um mit diesen Geldmitteln die Liquidation durchzuführen.

Am 27.10.2015 fand ein weiterer Besprechungstermin zwischen dem damaligen Geschäftsführer und dem Beklagten zu 2 statt, wobei der Inhalt des Gespräches streitig ist.

Der Kläger hat behauptet, dass der Beklagte zu 2 bei dieser Besprechung die Liquidationspläne konkretisiert habe und dabei Herrn D darauf hingewiesen habe, dass diejenigen Gläubiger, die den höchsten Druck auf die Gesellschaft ausübten, unbedingt befriedigt werden müssten, notfalls mit Drittmitteln. Ansonsten bestehe die Gefahr, dass diese Gläubiger die Insolvenz der Gesellschaft beantragen würden.

Am 28.10.2015 stellte die Gesellschaft aufgrund der geplanten Liquidation und andauernder Vertriebsschwierigkeiten den Geschäftsbetrieb ein.

Mit E-Mail vom 03.11.2015 (Anl. B6, Bl. 240 GA) bat Herr D den Beklagten zu 2, an einem Termin mit der Versicherung wegen der hinterlegten Sicherheiten teilzunehmen.

Mit E-Mail vom 04.11.2015 (Anl. B4, Bl. 234 GA) übersandte Herr D  dem Beklagten zu 2 eine Vereinbarung über eine Liquidatorenbeauftragung mit der Bitte um Überprüfung.

Am 09.11.2015 fand – im Beisein des Beklagten zu 2 – der Termin mit der H AG statt. Es wurde erörtert, ob diese die im Rahmen der mit ihr bestehenden Pflichtversicherung für Pauschalreisen hinterlegte Bardeckung in Höhe von mehr als 1 Mio. € zugunsten der Gesellschaft freigebe, damit diese zweckgebunden verwendet würde. Eine Freigabe stellte die H AG nur für den Fall in Aussicht, dass die Schuldnerin einen Insolvenzantrag stelle.

Der Kläger hat behauptet, dass der Beklagte zu 2 am 10.11.2015 Herrn D erneut darauf hingewiesen habe, dass unbedingt eine Liquidation durchgeführt werden müsse und eine Insolvenz ausdrücklich zu vermeiden sei; in diesem Zusammenhang habe er auf diverse Straftatbestände, wie z.B. Insolvenzverschleppung und Haftungstatbestände gegenüber den Geschäftsführern hingewiesen.

Mit E-Mail vom 11.11.2015 (Anlage K 20 AnlO) übersandte der Beklagte zu 2 dem Geschäftsführer der Gesellschaft den Entwurf eines Gesellschafterbeschlusses zur Auflösung der GesellschaftBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Auflösung
Auflösung der Gesellschaft
Gesellschaft
.

Mit E-Mail vom 16.11.2015 (Anl. B5, Bl. 239 GA) nahm der Beklagte zu 2 zu der angedachten Liquidatorenbestellung und legte dabei auch dar, dass für eine Liquidation eine Eröffnungsbilanz zu erstellen sei. Der Geschäftsführer solle bitte vorher mit dem Steuerberater alles klären. Die Bewertungsfragen könne er, der Beklagte zu 2, nicht beurteilen, dazu solle schnellstmöglich eine umfassende steuerliche Beratung erfolgen, die der Geschäftsführer veranlassen solle.

Mit Schreiben vom 17.11.2015 kündigte die H AG den Versicherungsvertrag und erbat einen Finanzstatus der Schuldnerin.

Am 21.11.2015 wurde der Gesellschafterbeschluss zur Auflösung der GesellschaftBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Auflösung
Auflösung der Gesellschaft
Gesellschaft
gefasst.

In der Folgezeit stellte die H AG am 08.03.2016 einen Insolvenzantrag und ebenfalls die Gesellschaft selbst am 23.03.2016. Am 22.04.2016 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet.

Der damalige Geschäftsführer der Gesellschaft hatte zu keinem Zeitpunkt eine insolvenzspezifische Beratung bei den Beklagten gesucht. Der Beklagte zu 2 hatte zu keinem Zeitpunkt Einblick in die relevanten finanziellen Unterlagen und Unternehmenszahlen der Gesellschaft.

Mit Schreiben vom 05.06.2019 an den Beklagten zu 2 forderte der Vorgänger des Klägers zur Zahlung des nunmehr klageweise geltend gemachten Betrages auf. Nach Zurückweisung der Forderung wiederholte der Kläger mit anwaltlichem Schreiben – erneut ergebnislos – die Zahlungsaufforderung.

Der Vorgänger des Klägers hat die Auffassung vertreten, dass die Beklagten wegen anwaltlicher Falschberatung der Zedenten die Beträge zu ersetzen hätten, die im Zeitraum 20.10.2015 bis 20.11.2015 für die Gesellschaft geleistet worden seien. Es seien sämtliche Haftungsvoraussetzungen nach Maßgabe des § 64 GmbH für die Zahlungen im Zeitraum 20.10.2015 bis 20.11.2015 zulasten der Zedenten gegeben. Die drohende Insolvenz ab dem 15.10.2015 sei in mehreren Gesprächen zwischen dem Geschäftsführer und dem Beklagten zu 2 thematisiert worden. Bereits am 15.10.2015 „habe es nicht nur Spurenelemente einer existenzbedrohenden Krise gegeben, es wäre ganz im Gegenteil für jeden Laien erkennbar gewesen, dass die Schuldnerin schlicht am wirtschaftlichen Abgrund gestanden habe ohne Aussicht darauf, diesen Abgrund durch ihre eigene Wirtschaftskraft zu überwinden“. Im weiteren Verlauf habe der Beklagte zu 2 stetig auf den Geschäftsführer eingewirkt, dass er auf keinen Fall Insolvenzantrag stellen, sondern ein Liquidationsverfahren durchführen solle. Selbst wenn dem Beklagten zu 2 von vorneherein und ohne Beratungswunsch lediglich Einzelaufträge betreffend die Geschäftspartner der Gesellschaft erteilt worden wären, hätte der Beklagte zu 2 den Geschäftsführer auf die mögliche Insolvenzreife der Gesellschaft hinweisen müssen. Er hätte sofort den Rat erteilen müssen, Insolvenzantrag zu stellen oder einen solchen prüfen zu lassen. Der Geschäftsführer der Gesellschaft sei insoweit in den Schutzbereich des bestehenden Anwaltsvertrages, aus dem sich zumindest die Nebenpflicht zur Aufklärung über die Insolvenzantragspflicht und der daraus resultierenden  rechtlichen Konsequenzen ergeben habe, einbezogen gewesen.

Der Vorgänger des Klägers hat beantragt,

die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 1.343.695,23 € nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz jährlich seit dem 14.06.2016 zu zahlen und ihn von der Entrichtung vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten i.H.v. 4.481,48 € freizustellen.

Die Beklagten haben beantragt,

              die Klage abzuweisen.

Die Beklagten haben die Einrede der Verjährung erhoben. Der Verjährungslauf habe bereits mit der Tätigung der jeweiligen Zahlungen im Jahr 2015 begonnen. Den Zedenten seien die gegenständlichen getätigten Zahlungen bekannt gewesen, die diese angeblich in Unkenntnis der Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft vorgenommen hatten. Ihnen sei auch die Beratungstätigkeit der Beklagten bekannt gewesen. Somit hätten die Kläger auch ohne eine Inanspruchnahme durch den Insolvenzverwalter Feststellungsklage erheben können.

Ferner haben die Beklagten die Aktivlegitimation bestritten, die Abtretung sei unwirksam. Der mit den Zedenten geschlossene Anwaltsvertrag enthalte ein vertragliches Abtretungsverbot, die Abtretungserklärungen seien unbestimmt und letztendlich sei die Abtretung wegen Masseunzulänglichkeit sittenwidrig.

Die Beklagten haben bestritten, dass es Anhaltspunkte für einen Insolvenz gegeben habe. Vielmehr habe der damalige Geschäftsführer Herr D dem Beklagten zu 2 sowie dessen Partnern in zahlreichen Gesprächen im Zeitraum August 2015 bis November 2015 stets mitgeteilt, dass es keine Zahlungsschwierigkeiten gebe und er beschlossen habe, die Schuldnerin unter keinen Umständen in Insolvenz gehen zu lassen. Er habe ausreichend Reserven, sein Vorhaben umzusetzen.

Ferner haben die Beklagten sich hinsichtlich der Schadensentstehung auf ein Mitverschulden der damaligen Geschäftsführer bzw. Liquidatoren berufen. Bei diesen habe es sich um erfahrene Geschäftsleute gehandelt.

Mit dem von der Berufung angegriffenen Urteil vom 26.10.2020 (Bl. 272 ff. GA), auf dessen Feststellungen wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes gemäß § 540 Abs. 1 S. 1 ZPO Bezug genommen wird, hat das Landgericht die Klage abgewiesen.

Weder ein unterlassener Hinweis des Beklagten zu 2 auf eine etwaige Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrages noch ein ausdrücklicher Rat das Beklagten zu 2, einen Insolvenzantrag nicht zu stellen und stattdessen eine Liquidation vorzunehmen, könnten einen Schadensersatzanspruch des Klägers gemäß §§ 675, 280 Abs. 1 BGB, 64 GmbHG, 398 BGB i.V.m. den Grundsätzen des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter zu begründen. Es fehle an einer Pflichtverletzung.

Eine ausdrückliche insolvenzrechtliche Beratung habe der Geschäftsführer unstreitig nicht erbeten. Es gebe keine generelle Pflicht eines Rechtsanwaltes, einen Mandanten stets von sich aus auf das Vorliegen einer möglichen Insolvenzreife hinzuweisen. Aus der eigenen Behauptung des Klägers, dass er dem Beklagten zu 2 von Gerüchten in der Branche einer Insolvenz der Gesellschaft berichtet habe und außerdem bereits am 15.10.2015 für jeden Laien objektiv erkennbar gewesen sei – also auch für den Geschäftsführer der Gesellschaft –, dass die Gesellschaft schlicht am wirtschaftlichen Abgrund gestanden habe ohne Aussicht darauf, diesen Abgrund durch ihre eigene Wirtschaftskraft zu überwinden, ergebe sich, dass der Geschäftsführer der Schuldnerin bezüglich des Themas einer Insolvenz bereits selbst sensibilisiert gewesen sei. Der Beklagte zu 2 habe davon ausgehen dürfen, dass dem Geschäftsführer der Schuldnerin die mit seinem Amt verbundenen gesetzlichen Pflichten bekannt gewesen seien, es sei die eigene Aufgabe eines Geschäftsführers einer GmbH, selbst zu prüfen, ob Insolvenzreife vorliege und einen Insolvenzantrag gestellt werden müsse. Aus den Angaben des Geschäftsführers, dass die Einnahmequellen der Schuldnerin fast vollständig versiegt seien, folge ohne nähere Prüfung der Bücher der Schuldnerin auch nicht ohne weiteres das Vorliegen einer Zahlungsunfähigkeit.

Da der Geschäftsführer der Schuldnerin damit schon am 15.10.2015 selbst zur Prüfung der Insolvenzreife oder der Einholung einer insolvenzrechtlichen Beratung verpflichtet gewesen sei, komme es auf einen unterlassenen Hinweis des Beklagten zu 2 bei weiteren, späteren Gelegenheiten nicht an.

Selbst wenn der Beklagte zu 2 den Geschäftsführern der Schuldnerin den ausdrücklichen Rat erteilt haben sollte, keinen Insolvenzantrag zu stellen und stattdessen eine Liquidation vorzunehmen, würde dies einen Schadensersatzanspruch des Klägers nicht begründen. Denn wären die Geschäftsführer der Schuldnerin einem solchen Rat gefolgt, treffe sie ein so überwiegendes Mitverschulden an der Schadensentstehung, dass ein etwaiges Verschulden des Beklagten zu 2 vollständig dahinter zurücktrete. Sie hätten dann nämlich gewusst, dass der Beklagte zu 2 seinen Rat ohne Prüfung der tatsächlichen Umstände erteilt habe, weil er – wie der Kläger selbst hervorhebe – vor seinem Ratschlag nicht zuvor die Bücher der Schuldnerin gesichtet und bewertet habe. Es wäre damit für die Geschäftsführer der Schuldnerin offensichtlich gewesen, dass sie diesem Ratschlag keinen Glauben hätten schenken und ihm nicht folgen dürfen.

Ein Mitverschulden der Geschäftsführer der Schuldnerin würde auch nicht gemildert oder ausgeschlossen, wenn der Beklagte zu 2 die grundsätzlichen wirtschaftlichen Parameter der Schuldnerin aus einer längerfristigen Vertragsbeziehung gekannt hätte. Für die Geschäftsführer der Schuldnerin habe es auf der Hand gelegen, dass es für die Beurteilung der Frage der Insolvenzreife auf die ganz aktuellen Zahlen und eine aktuelle Prognose zum Zeitpunkt der Prüfung ankomme.

Dagegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung des Klägers, der unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrages sein Begehren weiterverfolgt.

Der Beklagte zu 2 habe seine anwaltlichen Pflichten verletzt, als er infolge des Gesprächs am 15.10.2015 und den dem Beklagten zu 2 mitgeteilten Tatsachen nicht auf eine mögliche Insolvenzreife der Gesellschaft hingewiesen habe; dabei sei unerheblich, ob den Beklagten ggf. nur konkrete Einzelaufträge erteilt worden seien.

Der Kläger behauptet, dass in dem Gespräch am 15.10.2015 sowohl die zu befürchtenden Umsatzrückgänge als auch sämtliche Streitigkeiten mit sonstigen wichtigen Vertragspartnern erörtert worden seien. Hierbei habe das Landgericht zutreffend erkannt, dass dem Beklagten zu 2 bekannt gemacht worden sei, dass die Einnahmequellen der Gesellschaft fast vollständig versiegt seien. Ein Rechtsanwalt müsse bei der ihm bekannt gewordenen Sachlage auf eine hinreichende Aufklärung des Sachverhalts hinwirken, um einen zutreffenden Rechtsrat erteilen zu können. Im Zuge dieser Nachforschungen hätte der Beklagte zu 2 die Insolvenzreife der Gesellschaft erkennen müssen. Auch innerhalb eines eingeschränkten Mandates habe der Anwalt den Mandanten vor Gefahren zu bewahren, die sich bei ordnungsgemäßer Bearbeitung aufdrängten, wenn er Grund zu der Annahme habe, dass sein Auftraggeber sich dieser Gefahr nicht bewusst sei. So sei etwa ein mit der Erstellung eines Jahresabschlusses beauftragter Steuerberater verpflichtet zu prüfen, ob sich auf der Grundlage der ihm zur Verfügung stehenden Unterlagen und der ihm sonst bekannten Umstände tatsächliche oder rechtliche Gegebenheiten ergäben, die einer Fortführungsfähigkeit entgegenstehen könnten. Eine Pflicht des Steuerberaters, auf eine mögliche Insolvenzreife hinzuweisen, bestehe dann auch außerhalb des beschränkten Mandatsgegenstandes, soweit die Gefahren dem Steuerberater bekannt oder für ihn offenkundig sein oder sich ihm bei ordnungsgemäßer Bearbeitung aufdrängten und wenn er Grund zu der Annahme habe, dass sein Auftraggeber sich der Gefahr nicht bewusst sei. Exemplarisch seien solche Anhaltspunkte nach der Rechtsprechung des BGH dann offenkundig, wenn Jahresabschlüsse der Mandantin in aufeinanderfolgenden Jahren wiederholt nicht durch Eigenkapital gedeckte Fehlbeträge aufwiesen bzw. die bilanziell überschuldete Gesellschaft über keine stillen Reserven verfüge (BGH, Urteil vom 26.01.2017 – IX ZR 285/14). Würden diese Pflichten auf den Insolvenzgrund der Zahlungsunfähigkeit übertragen, so werde ein entsprechender Hinweis- und Warnpflicht schon dann ausgelöst, wenn zu befürchten sei, dass die Schuldnerin nicht in der Lage sei, ihre fälligen Verbindlichkeiten zu bezahlen, § 17 Abs. 2 InsO.

Ein Schadensersatzanspruch könne auch nicht wegen überwiegenden Mitverschuldens der Geschäftsführer abgelehnt werden. Der Beratungsmaßstab eines Rechtsanwaltes werde selbst dann nicht verändert, wenn der Auftraggeber oder sein vertretungsberechtigtes Organ selbst Rechtsanwalt oder rechtskundig sei (BGH, Urteil vom 10.05.2012 – IX ZR 125/10). Abzustellen sei grundsätzlich auf eine rechtlich unkundige Person, die sich auf die rechtliche Beurteilung des Rechtsanwalts verlassen dürfe. Vor diesem Hintergrund trage die Begründung des erstinstanzlichen Gerichts nicht, dass der Geschäftsführer der Gesellschaft selbst hinsichtlich einer möglichen Insolvenz sensibilisiert gewesen sei. Umso mehr bringe dies zum Ausdruck, dass der Geschäftsführer nicht die zutreffenden rechtlichen Schlüsse gezogen haben.

Die von den Beklagten der Gesellschaft nach dem 15.10.2015 in Rechnung gestellten Honorare seien nicht von ihr, sondern von einer anderen Gesellschaft gezahlt worden.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Köln vom 26.10.2020 – 24 O 165/20 – die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 1.343.695,23 € nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz jährlich seit dem 14.06.2019 zu zahlen und ihn von der Entrichtung vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten von 4.481,48 € freizustellen.

Die Beklagten beantragen,

              die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigen unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrages das angefochtene Urteil.

II.

Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet.

1.

Ob die von den damaligen Geschäftsführern bzw. Liquidatoren der Gesellschaft erklärte Abtretung wirksam ist oder bereits Verjährung eingetreten ist, bedarf keiner Entscheidung, da ein Anspruch der Zedenten gegen die Beklagten auf Zahlung i.H.v. 1.343.695,23 € als Schadensersatz wegen anwaltlicher Falschberatung nach der als einzig in Betracht kommenden Anspruchsgrundlage gemäß §§ 280 Abs. 1, 675 BGB i.V.m. den Grundsätzen des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter nicht besteht. 56

Der aus abgetretenem Recht vorgehende Kläger macht als Schaden geltend, dass die Zedenten nach § 64 GmbHG (in der damals geltend Fassung) – nach seiner Darstellung – persönlich für die Zahlungen hafteten, die im Zeitraum vom 20.10.2015 bis 20.11.2015 von dem damaligen Geschäftsführer der Gesellschaft für diese in Höhe von insgesamt 1.343.695,23 € geleistet worden sind. Nach § 64 S. 1 und 2 GmbHG a.F. sind Geschäftsführer der Gesellschaft zum Ersatz von Zahlungen verpflichtet, die nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft oder nach Feststellung ihrer Überschuldung geleistet worden sind, wobei dies nicht für Zahlungen gilt, die auch nach diesem Zeitpunkt mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns vereinbar sind. Die Beklagten haben weder gegen ihre Pflichten aus dem Anwaltsvertrag mit der Gesellschaft verstoßen (nachfolgend a)), noch würde eine etwaige Pflichtverletzung zu einem Anspruch des Geschäftsführers geführt haben, weil dieser nicht in den Schutzbereich des Vertrages einbezogen war (dazu nachfolgend b)). 57

a) 58

Eine Verletzung von Pflichten der Beklagtenseite, die ihr im Rahmen des mit der Gesellschaft geschlossenen Anwaltsvertrages in Hinblick auf deren Geschäftsführer oblegen hätten, und die dazu geführt hätte, dass die Zedenten der vorgenannten persönlichen Haftung nach § 64 GmbHG unterliegen, kann nicht festgestellt werden. Dass der damalige Geschäftsführer Herr D im Zeitraum 20.10.2015 bis 20.11.2015 in Höhe von insgesamt 1.343.695,23 € für die Gesellschaft erbracht hat, beruht nicht auf einer Pflichtverletzung der Beklagten: 59

aa) 60

Dass die Beklagtenseite dem damaligen Geschäftsführer in dem erstmaligen Gespräch am 15.10.2015 explizit erklärt habe, dass er ohne Risiko weiterhin Zahlungen für die Gesellschaft leisten könne, oder gar dazu geraten habe, Verbindlichkeiten der Gesellschaft weiterhin zu begleichen, trägt der Kläger selbst nicht vor. Unstreitig hat Herr D danach – und auch nicht zu einem späteren Zeitpunkt – auch nicht gefragt. 61

bb) 62

Auch eine sonstige Pflichtverletzung in Form eines Unterlassen, dass die Beklagtenseite Herrn D nicht – weder am 15.10.2015 noch in der folgenden Zeit – explizit darauf hingewiesen hat, dass er bei Vornahme weiterer Zahlungen für die Gesellschaft Gefahr laufe, für diese persönlich zu haften, und Herr D in diesem Fall umgehend von Zahlungen Abstand genommen hätte, kann im Ergebnis nicht festgestellt werden: 63

Nach der auch vom Kläger zitierten höchstrichterlichen Rechtsprechung soll für einen Steuerberater, der mit der mit der Erstellung eines Jahresabschlusses beauftragt ist, auch außerhalb des beschränkten Mandatsgegenstandes eine (Neben-)Pflicht, auf eine mögliche Insolvenzreife hinzuweisen und zu warnen, dann bestehen, soweit die Gefahren dem Steuerberater bekannt oder für ihn offenkundig sind oder sich ihm bei ordnungsgemäßer Bearbeitung aufdrängen und wenn er Grund zu der Annahme hat, dass sein Auftraggeber sich der Gefahr nicht bewusst ist (BGH, Urteil vom 26.01.2017 – IX ZR 285/14, Rn. 44 nach juris mwN). Dies entspricht nunmehr auch der gesetzlichen Regelung in § 102 StaRUG, auf die der Prozessbevollmächtigte des Klägers in der mündlichen Verhandlung hingewiesen hat. Voraussetzung ist allerdings, dass es hierfür hinreichend konkrete Anhaltspunkte gegeben hat. Solche Anhaltspunkte ergeben sich insbesondere aus dem Jahresabschluss, weshalb § 102 StaRUG gerade den Auftrag zur Erstellung des Jahresabschlusses als Anknüpfungspunkt für die Aufklärungspflicht heranzieht – und das auch nur dann, wenn entsprechende Anhaltspunkte „offenkundig“ sind. Wann derart hinreichende Anhaltspunkte gegeben sind, hängt naturgemäß vom konkreten Einzelfall ab. Als solche offensichtliche Anhaltspunkte führt der BGH – bezogen auch die vorgenannte Haftung des Steuerberaters – exemplarisch an, wenn die Jahresabschlüsse der Gesellschaft in aufeinanderfolgenden Jahren wiederholt nicht durch Eigenkapital gedeckte Fehlbeträge aufweisen oder wenn für den Steuerberater offenkundig ist, dass die bilanziell überschuldete Gesellschaft über keine stillen Reserven verfügt. 64

Die Beklagten waren nicht mit der Aufstellung des Jahresabschlusses beauftragt. Ihnen lagen auch die früheren Jahresabschlüsse der Gesellschaft, aus denen sich möglicherweise Hinweise auf eine Insolvenzgefahr ergeben konnten, nicht vor. Die Frage, ob auch Erkenntnisse, die sich nicht aus einem Jahresabschluss ergeben, schon hinreichend konkret und offenkundig sein können, um eine Aufklärungspflicht auszulösen, bedarf keiner Entscheidung, denn die den Beklagten bekannten Umstände reichen hierfür jedenfalls nicht aus. 65

Der damalige Geschäftsführer der GmbH Herr D wandte sich erstmals fünf Tage vor Beginn des relevanten Haftungszeitraums (20.10.2015 bis 20.11.2015) am 15.10.2015 an die Beklagtenseite, wobei Anlass die an diesem Tag erfolgte Sperrung der Internetportale war. Den Grund der Sperre hat der Kläger im hiesigen Rechtsstreit nicht mitgeteilt, so dass auch nicht festgestellt werden kann, ob sich daraus Anhaltspunkte einer ernsthaft drohenden Insolvenzreife ergeben mussten. Allein aus der Aussage des damaligen Geschäftsführers gegenüber dem Beklagten zu 2, dass aufgrund der Sperre die Existenz der Gesellschaft nachhaltig gefährdet sei, weil sie rund 80 % ihres Umsatzes darüber generiere, folgt nicht, dass sich dem Beklagten zu 2 unmittelbar der dringende Verdacht einer drohenden Insolvenzreife hätte aufdrängen müssen. Allein der Hinweis auf die drohende Existenzgefährdung unterstreicht allenfalls, dass die Gesellschaft auf diesen Vertriebsweg dringend angewiesen war und dieser daher unverzüglich wiederhergestellt werden müsse. Soweit der Kläger vorträgt, der damalige Geschäftsführer Herr D habe auch von „Gerüchten in der Branche zur drohenden Insolvenz der Gesellschaft“ berichtet, hat dieser aber selbst offensichtlich eine solche konkrete Befürchtung indes nicht geäußert, zumal – unstreitig – auch keine insolvenzrechtliche Beratung begehrt wurde. Vielmehr ging es dem Geschäftsführer offensichtlich darum, dass der Beklagte zu 2 Schritte unternehmen solle, dass das Verbreiten solcher Gerüchte unterbunden werden solle, wie sich aus dem Schreiben der Beklagtenseite vom  21.10.2015 an die diese Gerüchte verbreitende Vertragspartnerin B AG (Anl. K8 AnlO) ergibt, in dem die Gerüchte als „falsche Information“ bezeichnet, die Insolvenzreife der Gesellschaft also ausdrücklich negiert wird. Unzutreffend stellt es der Kläger in der Berufungsbegründung dar, dass das Landgericht angenommen habe, dass dem Beklagten zu 2 bekannt gemacht worden sei, dass die Einnahmequellen der Gesellschaft fast vollständig versiegt seien. Solche Feststellungen hat das Landgericht nicht getroffen. In der Urteilsbegründung heißt es lediglich, dass aus solchen Angaben des Geschäftsführers der Gesellschaft ohne nähere Prüfung der Bücher nicht ohne weiteres das Vorliegen einer Zahlungsfähigkeit folge. Eine Feststellung, dass diese Angaben tatsächlich dem Beklagten zu 2 bekannt gemacht worden seien, folgt daraus indes nicht. 66

Auch soweit der Beklagtenseite bekannt war, dass die B AG die Begleichung fälliger Verbindlichkeiten von rund 118.000 € durch die Gesellschaft wegen Überschreitung der gesetzten Zahlungsfrist um einen Tag zurückgewiesen hatte, musste sich für die Beklagtenseite vor dem Hintergrund, dass eine Zahlung aber dennoch erfolgt war, ebenfalls nicht per se der dringende Verdacht einer Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung der Gesellschaft aufdrängen. 67

Der Umstand, dass die Gesellschaft am 28.10.2015 den Geschäftsbetrieb einstellte, begründet ebenfalls keine Anhaltspunkte für eine bereits eingetretene oder ernsthaft drohende ZahlungsunfähigkeitBitte wählen Sie ein Schlagwort:
drohende Zahlungsunfähigkeit
Zahlungsunfähigkeit
oder Überschuldung, da dies bereits in Zusammenhang mit dem zu diesem Zeitpunkt bereits eingeleiteten Liquidationsvorhaben stand. 68

Die der Gesellschaft laufend gestellten Kostenrechnungen der Beklagten wurden regelmäßig ausgeglichen. Auch insoweit ergaben sich für die Beklagten keine Anhaltspunkte für eine Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit. Soweit der Kläger mit der Berufungsbegründung vorbringt, dass diese Zahlungen indes nicht von der Gesellschaft, sondern von einer anderen Gesellschaft getätigt worden seien, ist dies unerheblich. Denn jedenfalls ist nicht dargetan, dass der Beklagtenseite dies auch bekannt gewesen wäre. 69

Ferner ist auch zu berücksichtigen, dass es dem damaligen Geschäftsführer der Gesellschaft auch möglich war, im Zeitraum vom 20.10.2015 bis 20.11.2015 Zahlungen in Höhe von insgesamt 1.343.695,23 € zu erbringen. Aufgrund welcher konkreten Umstände sich für die Beklagtenseite die Gefahr einer ernsthaften oder zumindest drohenden Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft hätte ergeben sollen, erklärte der Kläger letztendlich selbst nicht. Noch zuletzt in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat der Kläger darauf abgestellt, dass dies der Beklagtenseite hätte erkennbar sein müssen, nachdem sie „alle Unterlagen“ erhalten habe. Welche aussagekräftigen Unterlagen dies gewesen sein sollen, erschließt sich indes weiterhin nicht. 70

Allein die Kenntnis von der Besprechung mit der H AG am 09.11.2015 zur Freigabe der hinterlegten Bardeckung für einen zweckgebundene Verwendung genügt ebenfalls nicht, dass sich der Beklagtenseite die Insolvenzreife ernsthaft hätte aufdrängen müssen. An dieser Stelle ist dabei überdies zu berücksichtigen, inwieweit sich die Kenntnisse von der Besprechung am 09.11.2015 hinsichtlich des geltend gemachten Schadens auswirken könnten. Der gegenständliche Haftung nach § 64 GmbHG a.F. erstreckt sich auf den Zeitraum 20.10.2015 bis 20.11.2015. Selbst wenn sich nunmehr anlässlich dieser Besprechung deutlichere Anhaltspunkte hätten aufdrängen müssen, dass auch die Gefahr einer Insolvenz im Raum stehen könnte, hätte dies auf die zuvor bereits getätigten Zahlungen keinen Einfluss mehr. Selbst wenn der Beklagte zu 2 aufgrund dieser Besprechung Anlass gehabt hätte, den Geschäftsführer der Gesellschaft auf eine drohende Insolvenzgefahr hinzuweisen, hätte sich dieser Rat darauf beschränken dürfen, die Insolvenzreife der Gesellschaft durch einen sachkundigen Berater prüfen zu lassen und mit diesem die sich daraus ergebenden Konsequenzen zu besprechen, denn zu einer insolvenzrechtlichen Beratung selbst waren die Beklagten in Ermangelung eines entsprechenden Auftrages, den diese nach ihrem unwidersprochen gebliebenen Vortrag auch nicht angenommen hätten, nicht verpflichtet. Ein Vorwurf, den damaligen Geschäftsführer nicht, und überdies ungefragt, auf die insolvenzspezifischen Risiken der Haftung von Geschäftsführern nach § 64 GmbHG – die dem Beklagten zu 2 als Fachanwalt für Transport- und Speditionsrecht möglicherweise aufgrund fehlender Kompetenz auch gar nicht bekannt waren – hingewiesen zu haben, ginge zu weit. Selbst wenn man entsprechend der Vermutung des beratungsgerechten Verhaltens davon ausgeht, dass dann nach dem 09.11.2015 eine entsprechende insolvenzrechtliche Beratung nachgesucht worden wäre, kann nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass schon ab diesem Zeitpunkt keine weitere Zahlungen mehr erfolgt wären; entsprechendes wird auch vom Kläger nicht behauptet. In der Situation, in der sich die Gesellschaft damals befand, barg nämlich auch die nur vorübergehende Einstellung von Zahlungen erhebliche Risiken, sodass es zumindest nicht fernliegend ist, anzunehmen, dass der Geschäftsführer erst auf den entsprechenden Rat eines Insolvenzfachmannes regiert hätte. Eine solche Beratung hätte jedoch zumindest einige Tage in Anspruch genommen. 71

Sonstige im weiteren Verlaufe des gegenständlichen Haftungszeitraums auftretende Umstände, die sich als deutliche Anhaltspunkte für eine ernsthaft zu befürchtende Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung für die Beklagtenseite hätten darstellen müssen, legt der Kläger im Konkreten nicht dar. 72

Soweit der Kläger – nach dem vorgenannten wenig substantiiert und offensichtlich rein plakativ – pauschal vorträgt, bereits am 15.10.2015 „habe es nicht nur Spurenelemente einer existenzbedrohenden Krise gegeben, es wäre ganz im Gegenteil für jeden Laien erkennbar gewesen, dass die Schuldnerin schlicht am wirtschaftlichen Abgrund gestanden habe ohne Aussicht darauf, diesen Abgrund durch ihre eigene Wirtschaftskraft zu überwinden“, erklärt er auch nicht, warum dies aber gerade dem damaligen Geschäftsführer Herrn D verborgen geblieben sein solle. Ebenso wenig zeigt der Kläger Gründe auf, warum der Beklagte zu 2 etwa hätte davon ausgehen müssen, dass – ausnahmsweise – dieser nicht hinreichend befähigt gewesen sei, eine solche Gefahr zu erkennen. Denn letzteres, dass Grund zu der Annahme besteht, dass der Mandant sich des Problems nicht bewusst ist, ist nach der oben aufgeführten Rechtsprechung ebenfalls Voraussetzung für die Annahme einer Hinweis- und Warnpflicht. 73

cc) 74

Vor diesem Hintergrund lässt sich auch auf die Behauptung des Klägers, der Beklagte zu 2 habe bei der Besprechung am 27.10.2015 Herrn D darauf hingewiesen, dass die Liquidation durchgeführt werden müsse und eine Insolvenz unbedingt zu vermeiden und die Gläubiger, die den höchsten Druck auf die Gesellschaft ausübten, unbedingt befriedigt werden müssten, da ansonsten die Gefahr bestünde, dass diese Insolvenzantrag stellen würden, eine Pflichtverletzung der Beklagtenseite nicht stützen. Denn dieser Rat wäre angesichts dessen, dass nach dem Vorgenannten für die Beklagtenseite keine Anhaltspunkte für eine tatsächliche Insolvenzreife bestünden, nicht pflichtwidrig. Es ist vielmehr gerade sachgerecht, eine Gesellschaft, die in Zukunft keine kostendeckenden Einnahmen mehr generieren kann, rechtzeitig zu liquidieren, bevor Insolvenzreife eintritt. 75

b) 76

Selbst wenn man aber eine Pflichtverletzung der Beklagten gegenüber der Gesellschaft bejahen würde, fehlte es in der hiesigen Fallkonstellation auch an den Voraussetzungen einer Einbeziehung des Zedenten – der mit den Beklagten nicht durch einen eigenen Vertrag verbunden war – in den Schutzbereich des zwischen der Gesellschaft und den Beklagten bestehenden Schuldverhältnisses nach den Grundsätzen des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter, so dass es auch deshalb die Voraussetzungen der einzig in Betracht kommenden Anspruchsgrundlage nach §§ 675, 280 BGB nicht erfüllt sind. 77

Ein Anwaltsvertrag hat auch ohne ausdrückliche Regelung Schutzwirkungen zu Gunsten eines Dritten, sofern sich dies aus einer maßgeblich durch das Prinzip von Treu und Glauben geprägten ergänzenden Auslegung des Beratervertrags ergibt (BGH, Urteil vom 10.12.2015 – IX ZR 56/15, Rn. 26 mwN nach beck-online). Hierzu müssen nach ständiger Rechtsprechung folgende Kriterien erfüllt sein: Der Dritte muss mit der Hauptleistung des Rechtsanwalts bestimmungsgemäß in Berührung kommen Der Gläubiger muss ein schutzwürdiges Interesse an der Einbeziehung des Dritten in den Schutzbereich des Beratungsvertrags haben. Die Einbeziehung Dritter muss dem schutzpflichtigen Berater bekannt oder für ihn zumindest erkennbar sein. Ausgeschlossen ist ein zusätzlicher Drittschutz regelmäßig dann, wenn der Dritte wegen des verfahrensgegenständlichen Sachverhalts bereits über einen inhaltsgleichen vertraglichen Anspruch verfügt. Voraussetzung für die Einbeziehung eines Dritten in den Schutzbereich des Anwaltsvertrages ist deshalb, dass der Anwalt, in dem Zeitpunkt, in dem er sich vertraglich bindet, das Haftungsrisiko übersehen, berechnen und versichern kann. Nur dann kann der vertragliche Schutz eines Dritten auch auf den Vertragswillen des Schuldners zurückgeführt werden (G. Fischer in D. Fischer/Vill/G. Fischer/Pape/Czub, Hdb. der Anwaltshaftung, 5. Aufl. 2020, §10 Rn. 10). Für die Bejahung des Einbeziehung eines Geschäftsführers in den Schutzbereich des Vertrages wird deshalb darauf abgestellt, dass ein Vertrag bestehen muss, „in dessen Rahmen es um die Warnung vor einer möglichen Insolvenzreife und die damit verbundene Prüfung der Zahlungsfähigkeit und Schuldendeckung der Gesellschaft geht“ (Pape, NZI 2019, 260, 265). 78

Eine generelle Haftung des Anwalts für Vermögensschäden von Vertretungsorganen des vom Anwalt beratenen Mandanten, die auf die rechtliche Beratung zurückzuführen sind, ist mit dem engen Anwendungsbereich des Vertrags mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter nicht vereinbar ist. Vielmehr müssen, wenn Dritte in die Schutzwirkungen eines Vertrags einbezogen werden sollen, diese bestimmungsgemäß mit der Hauptleistung in Berührung kommen, der Gläubiger muss an deren Schutz ein besonderes Interesse haben und Inhalt und Zweck des Vertrags müssen erkennen lassen, dass diesen interessen Rechnung getragen werden soll (s. BGH, Urteil vom 21.07.2016 – IX ZR 252/15, Rn. 19 mwN nach beck-online). Für die vorliegende Fallkonstellation ist dabei zu berücksichtigen, dass die Verhinderung einer Haftung des GeschäftsführersBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Haftung
Haftung des Geschäftsführers
nach § 64 GmbH formal als reine Binnenhaftung gegenüber der Gesellschaft das Interesse der Gesellschaft (als Gläubigerin im Vertragsverhältnis mit dem Berater) primär gar nicht tangiert, sondern es sich materiell um eine Haftung im Interesse der Gesamtheit der Gläubiger der Gesellschaft handelt, um die verteilungsfähige Vermögensmasse der insolvenzreifen Gesellschaft zu erhalten. Dennoch aber ist die drittschützende Wirkung zu bejahen, wenn etwa der Auftrag auf ein Gutachten zur Insolvenzreife der GmbH gerichtet ist (s. BGH, ebd., Rn. 23 mwN). In diesem Fall ist nach der Rechtsprechung des BGH auch der Geschäftsführer einer GmbH für eine Haftungserstreckung schutzwürdig, da das Risiko der Inanspruchnahme des Geschäftsführers einer GmbH eine typische Begleiterscheinung ist. Denn ist der Auftrag auf die Prüfung des Vorliegens etwaiger Insolvenzreife gerichtet, ist das Ergebnis – wie der damit Beauftragte weiß – nicht zuletzt für den Gebrauch des Geschäftsführers bestimmt. Die Stellungnahme des insolvenzspezifischen Beraters wird zur Grundlage einer Entscheidung über Vermögensdispositionen gemacht (s. BGH, Urteil vom 14.06.2012 – IX ZR 145/11, Rn. 28 ff. nach beck-online). 79

Die vorgenannten Erwägungen betreffen jedoch die Konstellation, dass die vertraglich geschuldete Hauptleistung auf eine insolvenzspezifische Beratung gerichtet ist, die im vorliegenden Fall jedoch gerade nicht Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit der Beklagtenseite war. Beauftragt war allenfalls eine allgemeine Beratung der Gesellschaft, weil – nach dem wenig konkreten Vortrag des Klägers – sich der Geschäftsführer Herr D am 15.10.2015 mit „zahlreichen klärungsbedürftigen Sachverhalten konfrontiert gesehen und, da er nicht gewusst habe, wie er sich zu verhalten hätte, Rechtsrat bei den Beklagten gesucht habe“. Wie oben dargestellt besteht dann im Rahmen des anwaltlichen Vertragsverhältnisses allenfalls eine nebenvertragliche Hinweis- und Warnpflicht, wenn sich im Zusammenhang mit der anwaltlichen Tätigkeit entsprechende Anhaltspunkte für die Gefahr einer Insolvenz des Mandanten ergeben. Es führt dann aber zu weit, auch den Geschäftsführer in den haftungsrechtlich relevanten Schutzbereich des Vertrages zwischen der Gesellschaft und dem Rechtsanwalt auch hinsichtlich der Verletzung solcher bloßer nebenvertraglicher Pflichten einzubeziehen. Denn grundsätzlich ist ein enger Anwendungsbereich des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter geboten, da ansonsten die Grenze zwischen deliktischer und vertraglicher Haftung zu verwischen droht. Die Haftung des Schuldners – dessen interessen im Rahmen einer Haftungserweiterung nach den Grundsätzen dieses Rechtskonstrukts genauso zu berücksichtigen sind – wird letztendlich ohne vertragliche oder gesetzliche Grundlage erweitert. Daher muss der Kreis der geschützten Dritten für den Schuldner subjektiv erkennbar und vorhersehbar sein und das Vertrags- und Haftungsrisiko muss für den Schuldner bei Abschluss des Vertrages übersehbar, kalkulierbar und ggf. versicherbar sein (s. auch MüKoBGB/Gottwald, 8. Aufl. 2019, BGB § 328 Rn. 190 mwN). Nur dann kann ein vertragliches Haftungsrisiko zugemutet werden. 80

Zu Unrecht beruft sich der Kläger für seine abweichende Auffassung auf das Urteil des Oberlandesgerichts Hamm vom 18.03.2021 – 28 U 279/19 -, ZInsO 2021, 962. Dort war der Auftrag gerade auf die insolvenzrechtliche Beratung gerichtet. Dies ergibt sich aus dem Tatbestand der Entscheidung, wo es heißt: 81

„Gegenstand der Gespräche waren u. a. die wirtschaftliche Lage der Insolvenzschuldnerin, eine mögliche Insolvenzreife und deren Konsequenzen … Auf die Frage nach den Rechtsfolgen der Erfüllung der Verbindlichkeit im Falle bestehender Insolvenzreife wies der Beklagte auf die Möglichkeit der Insolvenzanfechtung durch den Insolvenzverwalter hin. Ein Hinweis auf eine mögliche Ersatzpflicht des Zeugen aus § 64 S. 1 GmbHG erfolgte nicht.“ (a. a. O., S. 962f.) 82

So lag der Fall hier aber gerade nicht. Die Beklagten wurden am 15.10.2015 von der Gesellschaft beauftragt, dafür Sorge zu tragen, dass diese wieder Zugang zum dem Vertriebsportal im Internet erhalte. Mit welchen weiteren „zahlreichen Sachverhalten“ der damalige Geschäftsführer an die Beklagten herangetreten und mit deren Bearbeitung die Beklagten beauftragt worden seien, legt der Kläger nicht näher dar. Für die Beklagten stand offensichtlich das Interesse der Gesellschaft im Vordergrund, das vertragswidrige Verhalten ihrer Geschäftspartner abzustellen bzw. im Nachgang dafür Sorge zu tragen, dass ihre Rechte bzw. Forderungen durchgesetzt wurden. Diese interessen wahrzunehmen waren die Beklagten bereit, dieses Haftungsrisiko konnten sie überblicken. Für dieses Mandat würden sie im Gegenzug von der Gesellschaft entsprechend der beauftragten Leistungen – auch in Relation zum Haftungsrisiko – vergütet werden. Anhaltspunkte, dass dabei in irgendeiner Weise auch eigene Vermögensinteressen des gesetzlichen Vertreters zu dessen Nachteil betroffen sein könnten, waren für die Beklagten nicht ersichtlich. Unwiderlegt wären sich auch nicht bereit gewesen, eine insolvenzspezifische Beratung vorzunehmen, die neben dem Erfordernis besonderer Spezialkenntnisse auch ein potentielles sogar erhebliches Haftungsrisiko mit sich bringen könnte. Insoweit dann auch den gesetzlichen Vertreter des Mandanten in den Vorteil einer  für die Beklagten hinsichtlich eines etwaigen Risikos gar nicht abschätzbaren vertraglichen Haftungsgrundlage für dessen eigene interessen, deren Wahrung er indes weder beauftragt noch vergütet hat, kommen zu lassen, ist mit der als Ausnahmekonstrukt geschaffenen Rechtsfigur einer vertraglichen Haftungsgrundlage über die Einbeziehung Dritter in Verträge nicht mehr vereinbar. 83

2. 84

Mangels Begründetheit der Hauptforderung besteht auch kein Anspruch auf Freistellung von vorgerichtlich entstandenen Anwaltskosten. 85

III. 86

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1 S. 1,  708 Nr. 10, 711 ZPO. 87

IV. 88

Die Revision gegen dieses Urteil ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Es handelt es sich vorliegend um eine von den Umständen des konkreten Falles abhängige Einzelfallentscheidung ohne grundsätzliche Bedeutung. Die allenfalls noch klärungsbedürftige Rechtsfrage, ob der Geschäftsführer der Gesellschaft auch dann mit in den Schutzbereich des Anwaltsvertrages einbezogen ist, wenn dieser nicht auf eine insolvenzrechtliche Beratung oder die Erstellung eines Jahresabschlusses gerichtet war und deshalb lediglich die Verletzung einer Hinweispflicht in Betracht kommt, hat keine entscheidungserhebliche Bedeutung. Aus den unter II.1.a) dargelegten Gründen hätte die Klage auch dann keinen Erfolg gehabt, wenn man diese Frage bejahen würde. 89

Streitwert für beide Instanzen: 1.343.695,23 €

Löffler I www.K1.de I www.gesellschaftsrechtskanzlei.com I Gesellschaftsrecht I Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter Anwaltsvertrag I Erfurt I Thüringen I Sachsen I Sachsen-Anhalt I Hessen I Deutschland 2022

Schlagworte: Anwaltsvertrag, Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte

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OLG Köln, Urteil vom 14.05.2021 – 1 U 9/21

Freitag, 14. Mai 2021

Müssen vor Ausbruch der Covid19-Pandemie gebuchte Hotelzimmer pandemiebedingt storniert werden, kann dies eine hälftige Teilung der Buchungskosten rechtfertigen. Das hat der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln mit Urteil vom 14.05.2021 – 1 U 9/21 – entschieden.

Klägerin im Streitfall war die deutsche Vertriebsgesellschaft eines taiwanesischen Fitnesskonzerns. Sie wollte mit ihren aus Taiwan stammenden Mitarbeitern an der für April 2020 in Köln geplanten Messe FiBo teilnehmen. Hierzu hatte sie bei der beklagten Hotelkette mehrere Zimmer gebucht und die hierfür anfallenden Kosten vollständig im Voraus bezahlt. Als die FiBo Ende Februar 2020 pandemiebedingt abgesagt wurde, stornierte die Klägerin Anfang März alle gebuchten Zimmer. Entsprechend der mit der Buchung getroffenen vertraglichen Vereinbarung erstattete die Hotelkette lediglich zehn Prozent der Anzahlung und behielt den restlichen Betrag als Servicegebühr ein. Mit ihrer Klage hat die Klägerin die Rückzahlung auch dieses Betrages begehrt. Mit Urteil vom 29.10.2020 hat das Landgericht Köln die Klage in erster Instanz abgewiesen (Az. 86 O 21/20).

Die seitens der Klägerin eingelegte Berufung hatte teilweise Erfolg. Nach Auffassung des Senats hat die Klägerin Anspruch auf eine hälftige Teilung der Buchungskosten. Mit der pandemiebedingten Absage der Messe FiBo sei der Klägerin ein unverändertes Festhalten am Vertrag einschließlich des mit der Ausübung des vertraglichen Stornierungsrechtes entstandenen Rückabwicklungsschuldverhältnisses unzumutbar geworden. Zur Geschäftsgrundlage der Parteien bei Abschluss des Beherbergungsvertrages habe die Vorstellung gehört, dass es nicht zu einer weltweiten Pandemie mit weitgehender Stilllegung des öffentlichen Lebens kommen werde. Das Auftreten der Pandemie mit weitreichenden staatlichen Eingriffen in das wirtschaftliche und soziale Leben bedeute daher eine schwerwiegende Änderung der für die Vertragsabwicklung vorgestellten Umstände. Sowohl die Absage der Messe FiBo als auch die späteren behördlichen Beherbergungsverbote beruhten auf derselben tatsächlichen Grundlage des Ausbruchs einer Pandemie. Es erscheine daher auch unbillig, die Kostentragung von dem zufälligen Umstand abhängig zu machen, dass die Klägerin den Vertrag bereits storniert hatte, bevor die Leistung für die Beklagte durch den zwischenzeitlichen Ausspruch eines Beherbergungsverbots in Köln unmöglich werden konnte. Das durch die Corona-Pandemie verwirklichte Risiko der Absage der Messe FiBo gehe über das gewöhnliche Verwendungsrisiko des Nachfragers deutlich hinaus. Überdies stehe es in gleichem Maß außerhalb des Risikobereichs von Anbieter und Nachfrager. Es sei der Klägerin daher auch nicht zuzumuten, dieses Risiko alleine zu tragen. Bei dieser Sachlage erscheine eine hälftige Teilung des Risikos und mithin eine hälftige Teilung der Buchungskosten sachgerecht.

Der Senat hat die Revision nicht zugelassen. Die Anwendbarkeit der für die Entscheidung maßgeblichen Grundsätze der Störung der GeschäftsgrundlageBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Geschäftsgrundlage
Störung der Geschäftsgrundlage
beruhe auf anerkannten Regeln.

Löffler I www.K1.de I www.gesellschaftsrechtskanzlei.com I Gesellschaftsrecht I Covid-19-Pandemie I Stornierung gebuchter Hotelzimmer I Erfurt I Thüringen I Sachsen I Sachsen-Anhalt I Hessen I Deutschland 2022

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OLG Köln, Urteil vom 06.05.2021 – I-18 U 133/20

Donnerstag, 6. Mai 2021

§ 241 Nr 3 AktG, § 241 Nr 4 AktG, § 261 Abs 1 Nr 2 AktG

1. Zur Verpflichtung des einzelnen Aktionärs, der Auflösung einer Gesellschaft zuzustimmen bzw. sie nicht durch Ablehnung zu verhindern, wenn die Erreichung des Gesellschaftszwecks dauerhaft unmöglich geworden ist.

2. Stellt sich die Lage einer Gesellschaft in Ermangelung einer realistischen Fortführungs- und Ertragsprognose bei Beschlussfassung so dar, dass etwaig vorhandene Vermögenswerte bei einer Verzögerung der Auflösung und Liquidation weiter abschmelzen und sinnlos aufgezehrt würden, kann sich wegen der damit letztlich drohenden Verschlechterung der Zerschlagungswerte die Stimmrechtsausübung durch einen ablehnenden Aktionär als rechtsmissbräuchlich erweisen.

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

II. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.

III. Das angefochtene Urteil und dieses Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

V. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 50.000 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

1.  Die Parteien streiten über die Frage, ob ein in der Hauptversammlung vom 3. September 2019 gefasster Beschluss über die Auflösung der Beklagten wirksam und rechtmäßig ist.

Die Klägerin ist eine von insgesamt drei Aktionären der Beklagten, deren Grundkapital (75.000 EUR) in 75.000 Stückaktien zu einem Nennwert von jeweils 1 EUR eingeteilt ist und deren satzungsmäßiger Unternehmensgegenstand die Beratung von „Banken und Grundpfandrechtsgläubigern bei der Umsetzung und Sanierung von Krediten“ ist. Die Aktionäre halten jeweils 25.000 Aktien.

In der am 3. September 2019 abgehaltenen ordentlichen Hauptversammlung der Beklagten, bei der alle Aktionäre vertreten waren, wurde mit den Stimmen der beiden Aktionäre A und der B GmbH zum Tagesordnungspunkt 4 ein Liquidationsbeschluss mit folgendem Wortlaut gefasst:

„TOP 4  Auflösung der GesellschaftBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Auflösung
Auflösung der Gesellschaft
Gesellschaft

1.  Die Aktiengesellschaft ist mit Ablauf des 30.9.2019 aufgelöst.

2.  Das Geschäftsjahr während der Abwicklung ist das Kalenderjahr. Das erste (Abwicklungs-)Geschäftsjahr ist ein Rumpfgeschäftsjahr und endet am 31.12.2019.

3.  Der Beschluss über die Erhöhung des Kapitals der Gesellschaft vom 30.8.2016 und die Durchführung dieser Kapitalerhöhung bleiben unberührt. Die Durchführung der Kapitalerhöhung ist jedoch einzustellen, wenn diese nicht spätestens am 30.11.2020 im Handelsregister eingetragen ist.“

Im Anschluss an die Abstimmung stellte der Versammlungsleiter trotz der Ablehnung der Klägerin den Beschluss als angenommen fest und führte zur Begründung aus, er habe die Gegenstimmen der Klägerin als treuwidrig bewertet und daher bei der Stimmauszählung nicht berücksichtigt.

Die Klägerin, die ihren Widerspruch gegen den vorgenannten Beschluss zur Versammlungsniederschrift erklärt hat und wegen des Verfehlens der erforderlichen qualifizierten Mehrheit einen Verstoß gegen § 262 Abs. 1 Nr. 2 AktG annimmt, hat in erster Instanz beantragt,

1.  den Beschluss der Hauptversammlung der Beklagten vom 3. September 2019 zum Tagesordnungspunkt 4, durch welchen die Auflösung der Beklagten mit Ablauf des 30. September 2019 beschlossen wurde, für nichtig zu erklären;

2.  hilfsweise, festzustellen, dass der Beschluss der Hauptversammlung der Beklagten vom 3. September 2019 zum Tagesordnungspunkt 4, durch welchen die Auflösung der Beklagten mit Ablauf des 30. September 2019 beschlossen wurde, nichtig ist.

Die Erhebung der Klage erfolgte am 27. September 2019 beim Landgericht Düsseldorf, das den Rechtsstreit durch Beschluss vom 14. Januar 2020 an das Landgericht Köln verwiesen hat.

2.  Mit dem von der Berufung angegriffenen Urteil vom 24. Juli 2020 (GA 138 ff.), auf dessen Feststellungen wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 ZPO Bezug genommen wird, hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Seine Entscheidung hat es – soweit für die Berufung von Interesse – im Wesentlichen wie folgt begründet.

a)  Die Klage sei zwar zulässig. Die Anfechtungsfrist des § 246 AktG sei gewahrt, obwohl die Klage zunächst beim unzuständigen Landgericht Düsseldorf eingereicht worden sei. Etwas anderes gelte dann, wenn der Kläger bei Einreichung der Klage um die Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts wisse und dieses nur als Postweiterleitungsstelle missbrauche. Dies sei hier jedoch nicht der Fall. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass die Klägerin ihre Klage bewusst und missbräuchlich beim Landgericht Düsseldorf eingereicht habe. Die Klägerin sei aufgrund der unter dem 7. November 2018 erfolgten Verlegung ihres tatsächlichen Verwaltungssitzes fälschlicherweise von einer Sitzverlegung ausgegangen, ohne dass ihr Vorsatz oder missbrauch unterstellt werden könne.

b)  Indes sei die Anfechtungs- bzw. Nichtigkeitsklage unbegründet. Der angegriffene Hauptversammlungsbeschluss sei weder anfechtbar noch nichtig.

aa)  Der Beschluss verstoße nicht gegen die guten Sitten im Sinne von § 241 Nr. 4 AktG. Der Umstand, dass bei Beschlussfassung der Bericht des Sonderprüfers noch nicht vorgelegen habe, begründe keine Sittenwidrigkeit des Auflösungsbeschlusses. Etwaige sich aus dem Bericht ergebende Ansprüche gegen Gesellschaftsorgane könnten im Rahmen der Liquidation der Beklagten ohne Weiteres berücksichtigt werden; der Beschluss stehe der Verfolgung von Schadensersatzansprüchen nicht entgegen.

bb)  Des Weiteren verletze der Beschluss auch nicht im öffentlichen Interesse liegende Vorschriften gemäß § 241 Nr. 3 AktG. Der von der Klägerin erhobene Vorwurf, der Beschluss habe darauf abgezielt, den Bericht des Sonderprüfers obsolet werden zu lassen und die Klägerin in ihren Kontrollrechten zu beschneiden, sei unbegründet. Tatsächlich sei der Sonderprüfungsbericht vom 31. Dezember 2019, den die Beklagte auch im Rahmen des vorliegenden Rechtsstreits vollständig vorgelegt habe, ordnungsgemäß nach § 145 Abs. 6 Satz 3 AktG beim Handelsregister eingereicht worden.

cc)  Schließlich sei der in Rede stehende Beschluss auch nicht wegen Verstoßes gegen § 262 Abs. 1 Nr. 2 AktG anfechtbar. Der Beschluss sei mit der nach dem Gesetz erforderlichen Stimmmehrheit gefasst worden, weil die Stimmabgabe der Klägerin treuwidrig und daher nicht zu berücksichtigen gewesen sei.

(1)  Zwar könnten sich für Gesellschafter positive Stimmpflichten aus der gesellschaftsrechtlichen Treupflicht nur ausnahmsweise ergeben, wenn das Abstimmungsermessen der Aktionäre aus Rechtsgründen auf Null reduziert und eine Beschlussablehnung pflichtwidrig sei. Die Treuepflicht begründe für den einzelnen Aktionär eine Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen der GesellschaftBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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und der Mitaktionäre, ohne dass damit eine gerichtliche Inhaltskontrolle einhergehe. Vielmehr sei der Aktionär bei der Abstimmung grundsätzlich frei und könne er sein Stimmverhalten an unternehmerischen Interessen orientieren, die regelmäßig nicht nur eine bestimmte Entscheidung als richtig erscheinen ließen. Zu einer Einschränkung bei der Stimmrechtsausübung könne die Treupflicht nur führen, wenn einzig und allein eine bestimmte Entscheidung dem Wohl der gesamten Gesellschaft diene und jede andere Entscheidung ihr schweren Schaden zufüge. Dabei habe auch eine Aktionärsminderheit unter Berücksichtigung des Gesellschaftszwecks auf die gesellschaftsbezogenen Belange der Mehrheit der Gesellschafter angemessen Rücksicht zu nehmen, wobei dies unter dem Vorbehalt der Verhältnismäßigkeit und Erforderlichkeit stehe. Für den Fall, dass eine Gesellschaft sanierungsbedürftig sei, werde daraus der Schluss gezogen, dass die Treuepflicht dem einzelnen Gesellschafter verbiete, eine sinnvolle und mehrheitlich angestrebte Sanierung aus eigennützigen Gründen zu verhindern. Seien jedoch eine Änderung des satzungsmäßigen Gegenstandes und eine Sanierung aussichtslos, könne die Treuepflicht des Gesellschafters auch gebieten, einer alternativlosen Auflösung der GesellschaftBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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zuzustimmen.

(2)  Vor diesem Hintergrund sei hier der gefasste Auflösungsbeschluss zur Erhaltung wesentlicher Werte der Beklagten bzw. zur Vermeidung erheblicher Verluste der Gesellschafter oder der Gesellschaft objektiv unabweisbar erforderlich. Für die Klägerin habe es keinen vertretbaren Grund für die Verweigerung ihrer Zustimmung gegeben. Die Beklagte habe keine wirtschaftliche Perspektive und erwirtschafte dauerhaft nur Verluste. Bisherige Sanierungsversuche seien gescheitert und weitere Sanierungskonzepte seien nicht in Sicht.

Dass die Ertrags-, Finanz- und Vermögenslage der Beklagten dauerhaft negativ sei, bestreite auch die Klägerin nicht. Die Fortführungsprognose der Beklagten sei negativ; sie werde zudem wegen der zwischen den Parteien regelmäßig geführten Rechtsstreite mit Kosten belastet. Versuche der Beklagten, den satzungsmäßigen Geschäftsgegenstand zu ändern bzw. zu erweitern, seien ebenso gescheitert wie Bemühungen, neue Kunden zu gewinnen und Aufträge zu generieren.

Die von der Beklagten dargelegten Gründe seien nachvollziehbar. Auch die Klägerin habe auf vorgerichtliche und gerichtliche Aufforderung nicht darlegen können, wie die Beklagte in der Lage sein solle, künftig Erträge zu erwirtschaften und weitere Verluste zu vermeiden.

Die als Alternative in Betracht kommende Durchführung eines geordneten Insolvenzverfahrens bringe gegenüber der beschlossenen Auflösung keine Vorteile. Die Klägerin verkenne hierbei, dass auch die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens bzw. die Verweigerung der Eröffnung eines solchen mangels Masse gesetzlich Auflösungsgründe darstellten.

Die hier gegebene Stimmpflicht der Klägerin werde auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass zum Zeitpunkt der Hauptversammlung der Sonderprüfungsbericht noch nicht vorgelegen habe. Der Bericht sei für die Frage der Auflösung ohne Belang, da er ausschließlich die Prüfung etwaiger Pflichtverletzungen einzelner Vorstandsmitglieder und etwaiger damit verbundener Schadensersatzansprüche der Gesellschaft zum Gegenstand gehabt habe. Solche Ansprüche seien auch nach Auflösung der Beklagten durch den Abwickler zu verfolgen.

Unabhängig davon habe außer Frage gestanden, dass die Vermögenslage der Beklagten seit fünf Jahren dauerhaft negativ sei und seit 2018 keine Erträge erzielt würden. Auch sich aus dem Sonderprüfungsbericht ergebene mögliche Forderungen der Beklagten gegen ihre Vorstände seien nicht geeignet, die negative Fortführungsprognose zu beseitigen. Durch Ansprüche gegen Vorstandsmitglieder hätte sich allenfalls das Aktivvermögen der Beklagten erhöht, das bei deren Fortführung jedoch wegen dauerhaft fehlender Umsätze kurzfristig abschmelzen werde. Langfristig sei der Eintritt weiterer Verluste bis hin zur Vermögenslosigkeit der Beklagten selbst dann nicht zu vermeiden, wenn erhebliche Schadensersatzansprüche gegen die Vorstandsmitglieder unterstellt würden; es habe sich allenfalls die Insolvenzantragspflicht der Beklagten hinauszögern lassen. Das nutzlose Aufzehren liquider Mittel begründe indes kein beachtenswertes Interesse der Klägerin. Der Hinweis auf ein Bankkonto, das Barvermögen in Höhe von knapp 630.000 EUR aufweise, verfange nicht. Denn unabhängig von der temporären Erhöhung des Barvermögens bleibe die Auflösung der Beklagten wegen der negativen Fortführungsprognose zur Vermeidung weiterer Verluste alternativlos.

Auch die zwischen dem Mitaktionär A und der Beklagten getroffene Liquidationsvereinbarung stehe der Auflösung bzw. der Annahme einer entsprechenden Stimmpflicht der Klägerin nicht entgegen. Dieser Vereinbarung komme im Verhältnis der Aktionäre zueinander keine Verbindlichkeit zu, so dass die Klägerin hieraus keine Rechte herleiten könne.

Schließlich gehe auch der Einwand der Klägerin, dass die Aufsichtsratsmitglieder nach dem für sie ungünstigen Ergebnis des Sonderprüfungsberichts als Abwickler nicht in Betracht kämen, ins Leere. Denn die Bestellung von Liquidatoren sei nicht Gegenstand des angegriffenen Hauptversammlungsbeschlusses.

3.  Hiergegen wendet sich die Berufung der Klägerin (Bl. 41 ff. eA), mit der sie ihr erstinstanzliches Begehren weiter verfolgt. Sie wendet sich gegen die landgerichtliche Annahme eines treuwidrigen Stimmverhaltens.

Sie rügt, dass allein der Umstand, dass die Ertrags-, Finanz- und Vermögenslage seit Jahren negativ gewesen sei und keine Umsätze erwirtschaftet worden seien, die Annahme einer Ermessensreduzierung auf Null nicht rechtfertige. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs genüge es für den Vorwurf der Treuwidrigkeit nicht, dass der Gesellschafter eine Maßnahme ablehne, die im Interesse der GesellschaftBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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im Interesse der Gesellschaft
liege, ihre Zwecke fördere oder die Zustimmung zumutbar sei. Vielmehr sei erforderlich, dass die zu beschließende Maßnahme zur Vermeidung erheblicher Verluste notwendig sei und es keinen vertretbaren Grund gebe, die Entscheidung abzulehnen.

Konkrete Verluste von erheblichem Gewicht, die den Beklagten oder Gesellschaftern aus dem ablehnenden Stimmverhalten der Klägerin drohten, habe das Landgericht nicht festgestellt, sondern sich auf Vermutung und Spekulation gestützt. Unstreitig seien der Beklagten aufgrund des Sonderprüfungsberichts weitere Barmittel zugeflossen.

Darüber hinaus habe das Landgericht verkannt, dass sich das Ermessen trotz erheblicher Verluste im Fall der Ablehnung einer Maßnahme auch dann nicht auf Null reduziere, wenn dem Gesellschafter für sein Stimmverhalten ein vertretbarer Grund zur Seite stehe. So liege der Fall hier. Denn zum Zeitpunkt der Hauptversammlung habe der Bericht des Sonderprüfers noch nicht vorgelegen. Es sei vertretbar, die Entscheidung der Liquidation vom Vorliegen des Sonderprüfungsberichts abhängig zu machen; insoweit habe das Landgericht übersehen, dass ausweislich der zwischen ihr und dem Mitaktionär A getroffenen Liquidationsvereinbarung auch die Beklagte die Entscheidung über die Liquidation erst nach dem Vorliegen des Sonderprüfungsberichts habe treffen wollen.

Schließlich habe das Landgericht keine Feststellung getroffen, dass eine Beschlussfassung über die Liquidation in der Hauptversammlung am 3. September 2019 unabweisbar erforderlich gewesen sei, sondern habe es sich darauf beschränkt, die von der Beklagten für die Liquidation angeführten Gründe als nachvollziehbar zu werten, was für eine Ermessensreduzierung auf Null nicht ausreiche.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Köln vom 29. Juli 2020 den Beschluss der Hauptversammlung der Beklagten vom 3. September 2019 zum Tagesordnungspunkt 4, durch welchen die Auflösung der Beklagten mit Ablauf des 30. September 2019 beschlossen wurde, für nichtig zu erklären;

hilfsweise,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Köln vom 29. Juli 2020 festzustellen, dass der Beschluss der Hauptversammlung der Beklagten vom 3. September 2019 zum Tagesordnungspunkt 4, durch welchen die Auflösung der Beklagten mit Ablauf des 30. September 2019 beschlossen wurde, nichtig ist.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angegriffene Urteil (Bl. 62 ff. eA).

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die wechselseitig zu der Verfahrensakte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen und auf den übrigen Inhalt der Verfahrensakte verwiesen.

II.

1.  Die zulässige Berufung der Beklagten bleibt ohne Erfolg, weshalb sie zurückzuweisen ist. Das Landgericht hat die Klage mit Recht als unbegründet abgewiesen.

a)  Das Landgericht hat zutreffend angenommen, dass die materiell-rechtliche Ausschlussfrist des § 246 Abs. 1 AktG gewahrt ist. Der Umstand, dass die Klägerin die Klage innerhalb der Monatsfrist beim unzuständigen Landgericht Düsseldorf eingereicht hat, steht dem nicht entgegen und stellt sich insbesondere nicht als rechtsmissbräuchlich dar. Der Senat tritt den zugrunde liegenden Erwägungen des angegriffenen Urteils inhaltlich bei. Die der Klageerhebung vor dem Landgericht Düsseldorf zugrunde liegende Annahme der Klägerin, mit der unter dem 7. November 2018 erfolgten Verlegung des tatsächlichen Verwaltungssitzes der Beklagten nach Düsseldorf sei eine Änderung der örtlichen Zuständigkeit einher gegangen, trifft zwar nicht zu, doch begründet die unzutreffende Rechtsauffassung der Klägerin noch kein rechtsmissbräuchliches Verhalten. Es ist nicht ersichtlich, welchen Vorteil die Klägerin mit der Anrufung des Landgerichts Düsseldorf erstrebt haben soll.

b)  Die Klage ist jedoch unbegründet. Der in der Hauptversammlung der Beklagten zu TOP 4 gefasste Auflösungsbeschluss ist weder nichtig (dazu aa) noch anfechtbar (dazu bb).

aa)  Der Beschluss ist nicht nichtig. Gegen diese zutreffende rechtliche Bewertung des Landgerichts bringt die Berufung, die insoweit lediglich auf das erstinstanzliche Klagevorbringen verweist, auch nichts vor.

(1)  Der Beschluss verstößt nicht durch seinen Inhalt gegen die guten Sitten gemäß § 241 Nr. 4 AktG. Die Erwägung der Klägerin, es verstoße gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden, wenn der als Hauptversammlungsleiter agierende Aufsichtsrat einen Treuverstoß der Klägerin bei der Ausübung ihres Stimmrechts zu einem Zeitpunkt feststelle, zu dem der Sonderprüfungsbericht noch nicht vorgelegen habe, weshalb nicht festgestanden habe, ob der Aufsichtsrat seine Aufsichtspflichten verletzt habe und der Beklagten daraus Schadensersatzansprüche gegen ihre Organe erwachsen seien, trägt den von der Klägerin erhobenen Vorwurf nicht. Der Vorwurf stützt sich schon nicht auf den Inhalt des Hauptversammlungsbeschlusses als solches, sondern vielmehr auf das zur Feststellung des Beschlusses führende Verhalten des gemäß § 17 Nr. 1 der Satzung zum Hauptversammlungsleiter berufenen Aufsichtsratsvorsitzenden. Der in § 241 Nr. 4 AktG festgeschriebene Nichtigkeitsgrund setzt jedoch voraus, dass der Beschluss für sich allein genommen, d. h. wegen seines Inhalts, Sittenwidrig sein muss (vgl. nur Drescher, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, 5. Aufl., AktG § 241 Rn. 38; Ehemann, in: Grigoleit, AktG, 2. Aufl., § 241 Rn. 19; Koch, in: Hüffer/Koch, AktG, 15. Aufl., § 241 Rn. 21; jeweils m.w.N.). Daran fehlt es hier.

(2)  Der Beschluss ist auch nicht nach § 241 Nr. 3 Var. 3 AktG nichtig. Denn er verstößt durch seinen Inhalt nicht gegen Vorschriften, die sonst im öffentlichen Interesse gegeben sind. Der durch die Klägerin erhobene Vorwurf, der Beschluss habe gerade darauf abgezielt, den Bericht des Sonderprüfers obsolet werden zu lassen und damit die Klägerin in ihren Kontrollrechten zu beschneiden, lässt sich dem Beschluss nicht entnehmen und entbehrt auch sonst jeder Grundlage. Vielmehr ergibt sich aus dem als Anlage B 9 vorgelegten Anschreiben der Beklagten an die Klägerin vom 18. Juni 2019 (AnlH 201 ff.), dass im Zusammenhang mit dem seinerzeit für Juli 2019 angekündigten Sonderprüfungsbericht der – zutreffende – Hinweis darauf erfolgte, dass die Geltendmachung etwaiger darin angelegter Ansprüche von einer Liquidation der Beklagten unberührt bliebe, was gegen die Annahme der Klägerin spricht.

Abgesehen davon lässt der Vorwurf unberücksichtigt, dass die Veröffentlichung des Prüfberichts und dessen Einreichung zum Handelsregister dem bestellten Sonderprüfer obliegt (vgl. § 145 Abs. 6 Satz 3 AktG) und nicht der Entscheidung der Hauptversammlung überantwortet ist. Es fügt sich in das Gesamtbild, dass auch vorliegend der Sonderprüfungsbericht vom 31. Dezember 2019 (Anlage B 16, AnlH 256 ff.) durch den Sonderprüfer zeitnah beim Handelsregister eingereicht worden ist und die Beklagte den ihr in der 2. KW 2020 zur Verfügung gestellten Bericht mit Schriftsatz vom 10. Januar 2020 (GA 63 ff.) umgehend zur Verfahrensakte gereicht und damit auch der Klägerin zugänglich gemacht hat.

bb)  Der zu TOP 4 festgestellte Auflösungsbeschluss ist auch nicht wegen eines angeblichen Verstoßes gegen § 262 Abs. 1 Nr. 2 AktG anfechtbar. Der Auflösungsbeschluss ist mit der erforderlichen Stimmenmehrheit von drei Vierteln des vertretenen Grundkapitals gefasst worden. Der zugrunde liegende Standpunkt des Landgerichts, die Klägerin habe bei ihrer Stimmabgabe treuwidrig gehandelt, so dass das von ihr vertretene Grundkapital und ihre Stimmen bei der Feststellung des zu TOP 4 gefassten Auflösungsbeschlusses nicht zu berücksichtigen gewesen seien, ist zutreffend.

(1)  (a)  Im Ausgangspunkt ist der Klägerin dahin beizupflichten, dass Aktionäre in ihrem Abstimmungsverhalten grundsätzlich frei sind und sie sich an unternehmerischen Interessen orientieren können, die in der Regel nicht nur eine bestimmte Entscheidung als richtig erscheinen lassen. Eine Beschränkung der Stimmrechtsausübungsfreiheit bleibt auf Ausnahmefälle beschränkt. Sie kann sich aus der gesellschafterlichen Treuepflicht ergeben, wenn das Abstimmungsermessen der Aktionäre aus Rechtsgründen auf Null reduziert und eine Beschlussablehnung pflichtwidrig ist (vgl. BGH, Urteil vom 20. März 1995 – II ZR 205/94 -, BGHZ 129, 136 ff.; OLG Stuttgart, Urteil vom 23. Juli 2003 – 20 U 5/03 -, NZG 2003, 1025, 1027; vgl. auch Götze, in: MünchKommAktG, 5. Aufl., vor § 53a Rn. 45). Die an eine solche Beschränkung der Stimmrechtsausübungsfreiheit zu stellenden Anforderungen hat der Bundesgerichtshof in einer zum GmbH-Recht ergangenen Entscheidung konkretisiert, deren Grundsätze auch auf Aktiengesellschaften übertragbar sind (vgl. Götze, in: MünchKommAktG, 5. Aufl., vor § 53a Rn. 51; Paefgen, ZIP 2016, 2293, 2300). Danach muss aufgrund der Treuepflicht nur dann in einem bestimmten Sinn abgestimmt werden, wenn die zu beschließende Maßnahme zur Erhaltung wesentlicher Werte, die die Gesellschafter geschaffen haben, oder zur Vermeidung erheblicher Verluste, die die Gesellschaft bzw. die Gesellschafter erleiden könnten, objektiv unabweisbar erforderlich und den Gesellschaftern unter Berücksichtigung ihrer eigenen schutzwürdigen Belange zumutbar ist, also wenn der Gesellschaftszweck und das Interesse der Gesellschaft gerade diese Maßnahme zwingend gebieten und der Gesellschafter seine Zustimmung ohne vertretbaren Grund verweigert (BGH, Urteil vom 12. April 2016 – II ZR 275/14 -, WM 2016, 1124 Rn. 13 m.w.N.). Es kommt mithin eine Beschränkung nur im Ausnahmefall in Betracht, wenn der Gesellschaftszweck objektiv eine bestimmte Maßnahme zwingend gebietet, also die zu beschließende Maßnahme zur Erhaltung des Geschaffenen oder zur Vermeidung von Verlusten dringend geboten ist, und dem Gesellschafter die Zustimmung zumutbar ist (BGH a.a.O. Rn. 16).

(b)  (aa)  Dabei ist allerdings zu beachten, dass die vorstehend skizzierten Vorgaben des Bundesgerichtshofs vornehmlich auf Geschäftsführungsmaßnahmen und Satzungsänderungen in Gesellschaften zugeschnitten sind, deren Fortsetzung sinnvoll und beabsichtigt ist. Anders liegt der Fall, wenn – wie hier – die Auflösung und Liquidation einer Gesellschaft in Rede steht. Mit einer solchen Maßnahme sind, was auch die Klägerin auf Seite 2 ihres Schriftsatzes vom 23. März 2020 (GA 99) zutreffend anmerkt, die durch den Bundesgerichtshof aufgestellten Anforderungen denklogisch schwerlich in Einklang zu bringen sind, führt doch eine Liquidation im Ergebnis dazu, dass die Gesellschaft – gegebenenfalls nach Verteilung aller Vermögenswerte – aufhört zu existieren. Damit werden streng genommen weder von den Gesellschaftern geschaffene Werte erhalten noch Verluste für die Gesellschaft oder die Gesellschafter vermieden.

Allerdings scheidet eine (von der Berufung der Sache nach vertretene) unbesehene Übertragung der durch den Bundesgerichtshof aufgestellten Leitlinien auf den – hier gegebenen – Fall der Auflösung einer Gesellschaft aus, andernfalls eine aus der gesellschafterlichen Treuepflicht hergeleitete Beschränkung der Stimmrechtsausübungsfreiheit im Zusammenhang mit einer Gesellschaftsauflösung durch Hauptversammlungsbeschluss praktisch nicht in Betracht käme. Es erscheint nicht sachgerecht, die Treuepflicht der Gesellschafter gerade in einer Krise der Gesellschaft, aus der die Notwendigkeit einer Auflösung erwächst, nur eingeschränkt zur Anwendung zu bringen.

(bb)  Dem entspricht es, dass der Bundesgerichtshof gerade für den Fall einer unhaltbar gewordenen wirtschaftlichen Lage der Gesellschaft und die sich bei objektiver Beurteilung daraus ergebende Notwendigkeit einer Aufgabe des Geschäftsbetriebs eine aus seiner gesellschafterlichen Treupflicht herrührende Rechtspflicht des einzelnen Gesellschafters zur Ergreifung der insoweit notwendigen Maßnahmen angenommen hat (vgl. BGH, Urteil vom 17. Dezember 1959 – II ZR 81/59 -, NJW 1960, 434 f. [zur KG]).

Dieser zur Kommanditgesellschaft eingenommene Standpunkt wird auch im Schrifttum und in der obergerichtlichen Rechtsprechung für das Recht der Kapitalgesellschaften geteilt (vgl. Bachmann, in: BeckOGK-AktG, Stand 1. Februar 2021, § 262 Rn. 33 f.; Drescher, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, 5. Aufl., AktG § 262 Rn. 4; K. Schmidt, in: GroßKommAktG, 5. Aufl., § 262 Rn. 2, 25; Riesenhuber, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, 4. Aufl., § 262 Rn. 11; Servatius, in: Grigoleit, AktG, 2. Aufl., § 262 Rn. 11; ebenso für die GmbH: OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG München
, Beschluss vom 15. Januar 2015 – 23 U 2469/14 -, BeckRS 2016, 5420 Rn. 8 f.; Berner, in: MünchKommGmbHG, 3. Aufl., § 60 Rn. 98 f.; Casper, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, GmbHG, 2. Aufl., § 60 Rn. 44; Lorscheider, in: BeckOK-GmbHG, 47. Ed. [Stand: 1. Februar 2021], § 60 Rn. 7a.1; Scheller, in: Scholz, GmbHG, 12. Aufl., § 60 Rn. 24; Seibt, in: Scholz, GmbHG, 12. Aufl., § 14 Rn. 109; Verse, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, 5. Aufl., GmbHG § 14 Rn. 106). Danach soll sich ausnahmsweise aus der Treuepflicht eines jeden Gesellschafters die Verpflichtung ergeben, der Auflösung der GesellschaftBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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zuzustimmen bzw. sie nicht durch Ablehnung zu verhindern. Das sei anzunehmen, wenn die Erreichung des Gesellschaftszwecks offensichtlich unmöglich geworden sei (vgl. Casper, Verse; Scheller; jeweils a.a.O.), insbesondere wenn der dauerhafte Misserfolg der Geschäftsidee evident sei (vgl. Bachmann a.a.O. Rn. 33; K. Schmidt a.a.O. Rn. 2; Servatius a.a.O. [keine dauerhafte Erwirtschaftung einer positiven Eigenkapitalrendite möglich]; Berner a.a.O. Rn. 99) und dementsprechend Substanzverzehr drohe (Seibt a.a.O.), und wenn die Ablehnung der Auflösung rechts missbräuchlich erscheine, etwa weil der Gesellschafter nur versuche, den Mitgesellschaftern zu Schaden (vgl. Bachmann a.a.O. Rn. 33), was zu anzunehmen sei, wenn sich durch ein Zuwarten mit der Liquidation die Zerschlagungswerte zu verschlechtern drohten (vgl. OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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a.a.O. Rn. 9; Casper a.a.O.). Vereinzelt wird bei der Würdigung unter dem Gesichtspunkt der Subsidiarität auch darauf abgestellt, dass das Desinvestitionsinteresse der Gesellschafter nicht über den Kapitalmarkt verwirklicht werden könne, weil es etwa keine fungiblen Märkte mehr für die Aktien gebe (vgl. Servatius a.a.O.).

Der Senat teilt diese Auffassung. Danach ist die Annahme einer Verpflichtung des einzelnen Gesellschafters, der Auflösung der GesellschaftBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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zuzustimmen bzw. sie nicht durch Ablehnung zu verhindern, dann möglich, wenn die Erreichung des Gesellschaftszwecks dauerhaft unmöglich geworden ist und die Ablehnung der Auflösung durch den Gesellschafter rechtsmissbräuchlich erscheint. Dies lässt sich durchaus mit den strengen Kriterien, die der Bundesgerichtshof in seiner vorzitierten Entscheidung vom 12. April 2016 (WM 2016, 1124) aufgestellt hat, in Einklang bringen. So kann man eine Erhaltung geschaffener Vermögenswerte darin sehen, dass mit der Entscheidung zugunsten der Auflösung etwaige verbliebene Barmittel der Gesellschaft zum Zwecke der Liquidation genutzt werden sollen, während sie ohne Liquidation bei einer Gesellschaft ohne positive Fortführungs- oder Ertragsprognose nach und nach abschmelzen und sinnlos vernichtet werden würden. Mit der angestrebten Erhaltung von Vermögenswerten einher geht zugleich eine Vermeidung von Verlusten jedenfalls dann, wenn zum Zeitpunkt der Beschlussfassung (noch) eine Auskehrung im Sinne des § 271 Abs. 1 AktG in Betracht kommt und ein Zuwarten den Auskehrungserlös verringern oder einen Anspruch gänzlich vereiteln würde (vgl. Berner a.a.O. Rn. 99).

Der von der Klägerin unter Verweis auf eine Publikation (Reichert, NZG 2018, 134, 142) mit Schriftsatz vom 26. April 2021 eingenommene Standpunkt, die Erreichung des Quorums durch Verwerfung ihrer Gegenstimmen als treuwidrig verkenne die Intention des § 262 AktG, verfängt nicht. Die in Bezug genommenen Ausführungen Reicherts befassen sich mit einer Konstellation, die von dem Sachverhalt, der dem Senat zur Entscheidung unterbreitet ist, abweicht. Es geht dort gerade um den umgekehrten Fall eines zwar mit qualifizierter Mehrheit, aber ohne beachtenswerten Grund gefassten Liquidationsbeschlusses.

(2)  Nach dieser Maßgabe stellt sich die Ablehnung der zur Abstimmung gestellten Auflösung der Beklagten durch die Klägerin als treuwidrig dar, weshalb sie bei der Feststellung des Auflösungsbeschlusses nicht zu berücksichtigen war. Die dieser Annahme zugrunde liegenden Tatsachen hat das Landgericht als unstreitig festgestellt, weshalb der Senat an diese gebunden ist und sie bei seiner Entscheidung zugrunde zu legen hat (§ 529 Nr. 1 ZPO).

(a)  Danach ist davon auszugehen, dass die Fortführung des Unternehmensgegenstandes und damit die Erreichung des Gesellschaftszwecks schon bei Beschlussfassung offensichtlich unmöglich war (und immer noch ist).

Die Finanz-, Vermögens- und Ertragslage ist aus den durch das Landgericht zutreffend festgestellten Gründen seit mehr als fünf Jahren dauerhaft negativ; dies stellt auch die Berufung nicht Abrede, weshalb insoweit auf die diesbezüglichen Feststellungen des angegriffenen Urteils verwiesen wird.

Hinzu kommt, dass nach den weiter gehenden – jedoch von der Berufung unkommentiert gebliebenen – Feststellungen des Landgerichts die Fortführungs- und Ertragsprognose der Beklagten negativ ist und noch vorhandene Vermögenswerte unweigerlich abschmelzen werden. Die Beklagte, deren Auftragslage seit dem Jahr 2012 stark rückläufig ist und die trotz entsprechender Bemühungen in ihrem satzungsmäßigen Geschäftsfeld seit mehreren Jahren keine Neugeschäfte mehr hat generieren können, hat ihren Betrieb faktisch eingestellt. Dies hat zur Folge, dass der Wert der Aktien nachhaltig negativ ist und ein Markt, auf dem die Aktionäre ihr Desinvestitionsinteresse realisieren könnten, nicht existiert. Die Ausführungen der Klägerin unter Ziffer 2 des Schriftsatzes vom 24. März 2021 (Bl. 155 ff. eA) stehen dem nicht entgegen, denn sie ändern nichts an dem tatsächlich zu verzeichnenden Umsatzrückgang. Auch der damit verbundene Hinweis darauf, die Beklagte habe auf dem einträglichen Geschäftsfeld des „Asset-Management“ Leistungen für Privatpersonen erbringen können und müssen, verfängt nicht. Diese Leistungen werden nicht vom satzungsmäßigen Gegenstand erfasst, weshalb sie einer Satzungsänderung bedürfen, die von der Aktionärsmehrheit nicht gewollt ist und auf die die Klägerin keinen Anspruch hat.

Die negative Ertragsprognose fällt auch unter Berücksichtigung etwaiger Sanierungsmöglichkeiten nicht besser aus. Ein im Jahr 2016 unternommener Versuch einer Kapitalerhöhung ist an der mit der fehlenden Geschäftstätigkeit der Beklagten begründeten Ablehnung der Beklagten gescheitert. Entsprechend verhält es sich für den Versuch der Beklagten, den satzungsmäßigen Unternehmensgegenstand durch Satzungsänderung auf das Geschäftsfeld „Mezzanine-Kapital“ zu erweitern. Andere Sanierungsmöglichkeiten kommen aus Sicht der Beklagten nicht in Betracht.

Die Klägerin hat weder vorgerichtlich noch im Verfahren erster Instanz konkrete Sanierungsvorschläge bzw. Vorschläge zur Unternehmensfortführung gemacht. Daran hat sich auch in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Senat nichts geändert. Denn die Klägerin ist auch dort eine Darstellung oder zumindest Skizzierung eines konkreten und in absehbarer Zeit umsetzbaren Konzeptes für die Fortführung der Gesellschaft schuldig geblieben; die von der Klägerin im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 26. April 2021 behauptete ausführliche und detaillierte Darstellung der aus ihrer Sicht für die Fortführung der Gesellschaft sprechenden Gründe deckt sich nicht mit der Wahrnehmung des Senats. Vielmehr hat sich die Vertreterin der Klägerin auf ganz allgemeine Ausführungen zu möglichen künftigen Geschäftsfeldern beschränkt. Auf die Nachfrage nach konkreten Umsetzungsmöglichkeiten ergab sich, dass diese auch von der Klägerin nicht gesehen werden, weil diese jeweils die Mitwirkung der beiden weiteren Aktionäre erfordert, mit denen allerdings bislang keinerlei konkrete Gespräche geführt wurden. Angesichts des gegenläufigen Interesses dieser Aktionäre, das dahin geht, die Beklagte nicht weiterzuentwickeln, sondern zu liquidieren, ist dies auch in Zukunft nicht ansatzweise zu erwarten.

Auch der Umstand, dass die Klägerin in diesem Schriftsatz unter Hinweis auf den ihr seit Januar 2020 vorliegenden und in einer ordentlichen Hauptversammlung vom 11. November 2020 bestätigten Sonderprüfungsbericht vom 31. Dezember 2019 und die darin festgestellten Pflichtverletzungen von Vorstandsmitgliedern angekündigt hat, nunmehr die Einberufung einer außerordentlichen Hauptversammlung zu beantragen, um den Vorstandsmitgliedern das Vertrauen zu entziehen, verhilft der Berufung nicht zum Erfolg. Abgesehen davon, dass der seit Erhalt des Sonderprüfungsberichts verstrichene Zeitraum von mehr als fünfzehn Monaten das Fehlen eines Fortführungskonzeptes indiziert, gibt auch der von der Klägerin angestrebte bloße Austausch der Vorstandsmitglieder keinen Anlass zu der Annahme, die Beklagte könnte – anders als in den zurückliegenden Jahren – auf ihrem satzungsmäßigen Geschäftsfeld Fuß fassen.

Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass die Vielzahl der in der Vergangenheit zwischen der Klägerin auf der einen Seite und der Beklagten oder ihren Organen auf der anderen Seite geführten Rechtsstreitigkeiten dazu geführt hat, dass das Verhältnis zwischen der Klägerin zu den beiden Mitaktionären als zerrüttet angesehen werden muss und die Beklagte neben den laufenden Verwaltungskosten mit erheblichen Rechtsverfolgungskosten belastet ist, was insgesamt eine einvernehmliche Unternehmensführung nicht erwarten lässt.

An der fehlenden unternehmerischen Perspektive der Beklagten ändert auch der von der Berufung auf Seite 5 ihrer Begründung angesprochene Zufluss von 500.000 EUR, von denen bis zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht rund 320.000 EUR an die Beklagte gezahlt waren, nichts. Dieser Zufluss, der aus einer gegenüber den Vorstandsmitgliedern geltend gemachten und von diesen anerkannten Schadensersatzforderung der Beklagten herrührt, führt allenfalls zu einer vorübergehenden Verbesserung der Liquidität der Beklagten, deren insolvenzrechtliche Überschuldung nur durch qualifizierte Rangrücktrittserklärungen in Höhe von insgesamt 795.000 EUR vermieden wird. Als einmalige Einnahme eröffnet dieser Betrag für die Beklagte jedoch kein neues Geschäftsfeld, worauf das Landgericht in seinem Urteil (bei Rn. 43 f.) zutreffend hingewiesen hat.

Auch ist nicht ersichtlich, dass die Beklagte aufgrund dieses einmaligen Betrages auf dem satzungsmäßigen Geschäftsfeld konkurrenzfähig werden kann. Ihre Vermögens- und Finanzlage hat sich seit dem (gescheiterten) Versuch einer Kapitalerhöhung aus dem Jahr 2016 deutlich verschlechtert. Neben einem Jahresfehlbetrag, der sich nach dem unbestritten gebliebenen Vorbringen auf den Seiten 5 f. der Klageerwiderung seit 2016 vervielfacht hat, ist die Beklagte zur Rückzahlung der auf die (gescheiterte) Kapitalerhöhung geleisteten Einlagen in Höhe von insgesamt 800.000 EUR verpflichtet, die jedoch durch die mit der Klägerin geführten Rechtsstreitigkeiten bereits zu einem großen Teil aufgezehrt sind.

Vor diesem Hintergrund stellte sich die Lage der Beklagten in Ermangelung einer realistischen Fortführungs- und Ertragsprognose bereits im maßgeblichen Zeitpunkt der Beschlussfassung so dar, dass etwaig vorhandene Vermögenswerte der Beklagten bei einer Verzögerung einer Auflösung und Liquidation weiter abschmelzen und sinnlos aufgezehrt würden. Aufgrund der damit letztlich drohenden Verschlechterung der Zerschlagungswerte stellt sich die Stimmrechtsausübung der Klägerin auch als rechtsmissbräuchlich dar (vgl. OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG München
, Beschluss vom 15. Januar 2015 – 23 U 2469/14 -, BeckRS 2016, 5420 Rn. 9; Casper, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, GmbHG, 2. Aufl., § 60 Rn. 44).

(b)  Ein Grund, der das Stimmrechtsverhalten der Klägerin unter den gegebenen Umständen als vertretbar und damit nicht treuwidrig erscheinen lassen könnte, ist nicht gegeben.

(aa)  Soweit die Klägerin einwendet, sie habe die zur Abstimmung gestellte Auflösung der Beklagten ablehnen dürfen, weil zum Zeitpunkt der Beschlussfassung der Sonderprüfungsbericht noch nicht vorgelegen habe, vermag sie daraus keinen vertretbaren Grund für die Verhinderung der Auflösung und Liquidation der Beklagten herzuleiten.

Zwar ist der Klägerin zuzugeben, dass ein vertretbarer Grund der zu beschließenden Maßnahme nicht zwingend entgegenstehen muss. Allerdings genügt es für die Annahme eines vertretbaren Grundes nicht, wenn der Gesellschafter, der eine zur Abstimmung gestellte Maßnahme ablehnt und hierfür einen Grund anführt, der den Beschlussgegenstand nicht oder nur unwesentlich betrifft.

So liegt der Fall auch hier, denn es fehlt – wie das Landgericht zutreffend ausführt – an einem hinreichenden Bezug zum Beschlussgegenstand. Der dem Sonderprüfer erteilte Auftrag umfasste ausweislich der als Anlage K 4 vorgelegten Niederschrift der außerordentlichen Hauptversammlung vom 2. Februar 2015 (AnlH I Bl. 13 ff.) lediglich die Prüfung etwaiger Pflichtverstöße von Vorstandsmitgliedern. Eine Rettung oder Änderung des Geschäftsmodells oder Pläne für eine Sanierung waren demgegenüber weder unmittelbar noch mittelbar vom Prüfungsgegenstand erfasst, so dass die Klägerin nicht in vertretbarer Weise davon ausgehen konnte, der Bericht könne als Grundlage für die Fortführungsprognose der Beklagten dienen. An dieser Bewertung ändert sich auch dann nichts, wenn man im Sinne der Klägerin unterstellt, dass sie sich ein Bild über die Höhe etwaiger Ersatzansprüche machen wollte und auf Ansprüche in erheblicher Höhe gehofft hat. Denn ihr musste im Hinblick auf die seinerzeit gegebene Finanz-, Vermögens- und Ertragslage (vgl. oben unter [a]) wie den übrigen Aktionären klar sein, dass eine einmalige „Finanzspritze“ keine nennenswerten Auswirkungen auf die schlechte Fortführungsprognose der Beklagten haben werde. Dass eine Realisierung hoher Ersatzansprüche aus der ex ante-Sicht Sanierungs- oder Umstrukturierungsmöglichkeiten eröffnet hätte, hat auch die Klägerin bis heute nicht dargetan. Es fügt sich in das Gesamtbild, dass die Klägerin weder im Vorfeld der Hauptversammlung vom 3. September 2019 noch in dieser selbst noch im vorliegenden Verfahren Alternativen zu einer Liquidation vorgebracht oder erläutert hat, was sie sich von einem Abwarten des Prüfungsberichts erhofft hatte. Dazu gab es jedoch hinreichend Anlass, war ihr doch schon mit Vorstandsschreiben vom 18. Juni 2019 (Anlage  B 9, AnlH II Bl. 201 ff.) kommuniziert worden, dass und aus welchen Gründen auch mögliche Ersatzansprüche gegen ihre Vorstandsmitglieder die Beklagte wirtschaftlich nicht retten könnten, sondern lediglich eine positive Auswirkung auf eine Liquidation hätten.

(bb)  Auch der – zuletzt mit nicht nachgelassenem Schriftsatz vom 26. April 2021 wiederholte – Einwand der Beklagten, das Abwarten des Sonderprüfungsberichts sei vertretbar, weil der Mitaktionär A und die Beklagte unter Ziffer 1.1 der zwischen ihnen getroffenen Liquidationsvereinbarung vom 18. Juni 2019 (Anlage B 5, AnlH I Bl. 167 ff.) festgelegt hätten, dass die Liquidation der Beklagten erst nach Vorlage des Sonderprüfungsberichts beschlossen werden solle, greift nicht durch.

Indem die Klägerin eine Vereinbarung des vorstehenden Inhalts suggeriert, gibt sie den Inhalt der Vereinbarung verkürzt und unzutreffend wieder. Zwar trifft es zu, dass nach Ziffer 1.1 die „unverzüglich nach der Vorlage des Berichts des Sonderprüfers eine Hauptversammlung …, die spätestens im Oktober 2019 stattfindet“ einberufen werden sollte. Doch lässt sich daraus nicht der Schluss ziehen, die Einberufung der HauptversammlungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Einberufung
Einberufung der Hauptversammlung
Hauptversammlung
(auch) zum Zwecke der Beschlussfassung über die Auflösung habe ausnahmslos nach Vorlage des Prüfberichts erfolgen sollen. Im Gegenteil ist unter Buchstabe (C) der Vertragspräambel dokumentiert, dass es den Parteien der Liquidationsvereinbarung in erster Linie darum ging, zum Schutz vorhandener liquider Mittel vor einer nutzlosen Aufzehrung „schnellstmöglich eine Auflösung der GesellschaftBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Auflösung
Auflösung der Gesellschaft
Gesellschaft
zu beschließen und sie abzuwickeln.“ Dieses Anliegen hat sich auch in den unter Ziffer 3 der Liquidationsvereinbarung festgelegten auflösenden Bedingungen niedergeschlagen, die auf die Gewährleistung einer einfachen, zügigen und kostengünstigen Abwicklung der Beklagten abzielen. Darüber hinaus ergibt sich aus dem an die Klägerin gerichteten Vorstandsschreiben vom 18. Juni 2019 (Anlage B 9, AnlH II 201 ff.), dem die Liquidationsvereinbarung als Anlage beigefügt war, dass der Liquidationsvereinbarung die Annahme der Vertragsparteien zugrunde lag, der Sonderprüfer werde seinen Bericht zeitnah (im Juli 2019) vorlegen, weshalb ein Abwarten für noch vertretbar erachtet wurde. Das Primat einer zügigen Abwicklung kommt letztlich darin zum Ausdruck, dass wegen der nachfolgend erfolgten Verschiebung des Termins für die Fertigstellung des Berichts und des nicht absehbaren Vorlagezeitpunkts die Anberaumung der Hauptversammlung mit dem Auflösungsbeschluss unter TOP 4 ohne weiteres Zuwarten erfolgt ist, um das vorrangige Ziel einer zügigen Abwicklung nicht zu gefährden.

Vor diesem Hintergrund stellt sich die von der Klägerin auf Seite 5 des nicht nachgelassenen Schriftsatzes vom 26. April 2021 formulierte Rechtsfrage nicht, weshalb sie durch den Senat auch nicht zu entscheiden ist.

(cc)  Sonstige Gründe, die das Abstimmungsverhalten der Klägerin als vertretbar erscheinen lassen könnten, sind weder dargetan noch ersichtlich.

Vielmehr ist der Klägerin die Förderung der Auflösung und der Liquidation auch zumutbar gewesen, weil eine Liquidation für sie nicht nachteiliger wäre als die Fortführung der Beklagten, die nach den getroffenen Feststellungen in deren Insolvenz münden würde, die – nicht zuletzt mit Blick auf die Kosten für den Insolvenzverwalter – teurer wäre als eine Liquidation.

2.  Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

3.  Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

4.  Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht gegeben sind.

III.

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 247 Abs. 1 AktG. Den Streitwert für aktienrechtliche Anfechtungsklagen bemisst das Prozessgericht nach billigem Ermessen. Maßgeblich ist die Bedeutung der Sache für beide Parteien sowie für die anderen Aktionäre, die von einer Urteilswirkung nach § 248 Abs. 1 AktG mitbetroffen sind (Koch, in: Hüffer/Koch, AktG, 15. Aufl., § 247 Rn. 6). Die Bedeutung der Anfechtung des Auflösungsbeschlusses orientiert sich einerseits am Interesse der Klägerin, die mit einem Drittel am Grundkapital der Beklagten von insgesamt 75.000 EUR beteiligt ist, andererseits an dem Interesse der Beklagten und der übrigen Aktionäre an der Aufrechterhaltung des Beschlusses. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Geschäftsbetrieb praktisch eingestellt ist. Vor diesem Hintergrund ist die Bedeutung der Sache für beide Parteien nicht über zu bewerten und erweist sich deren Bewertung mit je 25.000 EUR als sachgerecht.

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Schlagworte: Auflösung der Gesellschaft, Positive Stimmpflicht, Rechtsmissbrauch und Treuepflichtverletzung, Treuepflicht und Stimmrecht

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