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OLG Köln, Urteil vom 06.05.2021 – 18 U 133/20

Donnerstag, 6. Mai 2021

§ 241 Nr 3 AktG, § 241 Nr 4 AktG, § 261 Abs 1 Nr 2 AktG

1. Zur Verpflichtung des einzelnen Aktionärs, der Auflösung einer Gesellschaft zuzustimmen bzw. sie nicht durch Ablehnung zu verhindern, wenn die Erreichung des Gesellschaftszwecks dauerhaft unmöglich geworden ist.

2. Stellt sich die Lage einer Gesellschaft in Ermangelung einer realistischen Fortführungs- und Ertragsprognose bei Beschlussfassung so dar, dass etwaig vorhandene Vermögenswerte bei einer Verzögerung der Auflösung und Liquidation weiter abschmelzen und sinnlos aufgezehrt würden, kann sich wegen der damit letztlich drohenden Verschlechterung der Zerschlagungswerte die Stimmrechtsausübung durch einen ablehnenden Aktionär als rechtsmissbräuchlich erweisen.

Tenor

I.  Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

II.  Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.

III.  Das angefochtene Urteil und dieses Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

IV.  Die Revision wird nicht zugelassen.

V.  Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 50.000 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

1.  Die Parteien streiten über die Frage, ob ein in der Hauptversammlung vom 3. September 2019 gefasster Beschluss über die Auflösung der Beklagten wirksam und rechtmäßig ist.

Die Klägerin ist eine von insgesamt drei Aktionären der Beklagten, deren Grundkapital (75.000 EUR) in 75.000 Stückaktien zu einem Nennwert von jeweils 1 EUR eingeteilt ist und deren satzungsmäßiger Unternehmensgegenstand die Beratung von „Banken und Grundpfandrechtsgläubigern bei der Umsetzung und Sanierung von Krediten“ ist. Die Aktionäre halten jeweils 25.000 Aktien.

In der am 3. September 2019 abgehaltenen ordentlichen Hauptversammlung der Beklagten, bei der alle Aktionäre vertreten waren, wurde mit den Stimmen der beiden Aktionäre A und der B GmbH zum Tagesordnungspunkt 4 ein Liquidationsbeschluss mit folgendem Wortlaut gefasst:

„TOP 4  Auflösung der GesellschaftBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Auflösung
Auflösung der Gesellschaft
Gesellschaft

1.  Die Aktiengesellschaft ist mit Ablauf des 30.9.2019 aufgelöst.

2.  Das Geschäftsjahr während der Abwicklung ist das Kalenderjahr. Das erste (Abwicklungs-)Geschäftsjahr ist ein Rumpfgeschäftsjahr und endet am 31.12.2019.

3.  Der Beschluss über die Erhöhung des Kapitals der Gesellschaft vom 30.8.2016 und die Durchführung dieser Kapitalerhöhung bleiben unberührt. Die Durchführung der Kapitalerhöhung ist jedoch einzustellen, wenn diese nicht spätestens am 30.11.2020 im Handelsregister eingetragen ist.“

Im Anschluss an die Abstimmung stellte der Versammlungsleiter trotz der Ablehnung der Klägerin den Beschluss als angenommen fest und führte zur Begründung aus, er habe die Gegenstimmen der Klägerin als treuwidrig bewertet und daher bei der Stimmauszählung nicht berücksichtigt.

Die Klägerin, die ihren Widerspruch gegen den vorgenannten Beschluss zur Versammlungsniederschrift erklärt hat und wegen des Verfehlens der erforderlichen qualifizierten Mehrheit einen Verstoß gegen § 262 Abs. 1 Nr. 2 AktG annimmt, hat in erster Instanz beantragt,

1.  den Beschluss der Hauptversammlung der Beklagten vom 3. September 2019 zum Tagesordnungspunkt 4, durch welchen die Auflösung der Beklagten mit Ablauf des 30. September 2019 beschlossen wurde, für nichtig zu erklären;

2.  hilfsweise, festzustellen, dass der Beschluss der Hauptversammlung der Beklagten vom 3. September 2019 zum Tagesordnungspunkt 4, durch welchen die Auflösung der Beklagten mit Ablauf des 30. September 2019 beschlossen wurde, nichtig ist.

Die Erhebung der Klage erfolgte am 27. September 2019 beim Landgericht Düsseldorf, das den Rechtsstreit durch Beschluss vom 14. Januar 2020 an das Landgericht Köln verwiesen hat.

2.  Mit dem von der Berufung angegriffenen Urteil vom 24. Juli 2020 (GA 138 ff.), auf dessen Feststellungen wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 ZPO Bezug genommen wird, hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Seine Entscheidung hat es – soweit für die Berufung von Interesse – im Wesentlichen wie folgt begründet.

a)  Die Klage sei zwar zulässig. Die Anfechtungsfrist des § 246 AktG sei gewahrt, obwohl die Klage zunächst beim unzuständigen Landgericht Düsseldorf eingereicht worden sei. Etwas anderes gelte dann, wenn der Kläger bei Einreichung der Klage um die Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts wisse und dieses nur als Postweiterleitungsstelle missbrauche. Dies sei hier jedoch nicht der Fall. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass die Klägerin ihre Klage bewusst und missbräuchlich beim Landgericht Düsseldorf eingereicht habe. Die Klägerin sei aufgrund der unter dem 7. November 2018 erfolgten Verlegung ihres tatsächlichen Verwaltungssitzes fälschlicherweise von einer Sitzverlegung ausgegangen, ohne dass ihr Vorsatz oder missbrauch unterstellt werden könne.

b)  Indes sei die Anfechtungs- bzw. Nichtigkeitsklage unbegründet. Der angegriffene Hauptversammlungsbeschluss sei weder anfechtbar noch nichtig.

aa)  Der Beschluss verstoße nicht gegen die guten Sitten im Sinne von § 241 Nr. 4 AktG. Der Umstand, dass bei Beschlussfassung der Bericht des Sonderprüfers noch nicht vorgelegen habe, begründe keine Sittenwidrigkeit des Auflösungsbeschlusses. Etwaige sich aus dem Bericht ergebende Ansprüche gegen Gesellschaftsorgane könnten im Rahmen der Liquidation der Beklagten ohne Weiteres berücksichtigt werden; der Beschluss stehe der Verfolgung von Schadensersatzansprüchen nicht entgegen.

bb)  Des Weiteren verletze der Beschluss auch nicht im öffentlichen Interesse liegende Vorschriften gemäß § 241 Nr. 3 AktG. Der von der Klägerin erhobene Vorwurf, der Beschluss habe darauf abgezielt, den Bericht des Sonderprüfers obsolet werden zu lassen und die Klägerin in ihren Kontrollrechten zu beschneiden, sei unbegründet. Tatsächlich sei der Sonderprüfungsbericht vom 31. Dezember 2019, den die Beklagte auch im Rahmen des vorliegenden Rechtsstreits vollständig vorgelegt habe, ordnungsgemäß nach § 145 Abs. 6 Satz 3 AktG beim Handelsregister eingereicht worden.

cc)  Schließlich sei der in Rede stehende Beschluss auch nicht wegen Verstoßes gegen § 262 Abs. 1 Nr. 2 AktG anfechtbar. Der Beschluss sei mit der nach dem Gesetz erforderlichen Stimmmehrheit gefasst worden, weil die Stimmabgabe der Klägerin treuwidrig und daher nicht zu berücksichtigen gewesen sei.

(1)  Zwar könnten sich für Gesellschafter positive Stimmpflichten aus der gesellschaftsrechtlichen Treupflicht nur ausnahmsweise ergeben, wenn das Abstimmungsermessen der Aktionäre aus Rechtsgründen auf Null reduziert und eine Beschlussablehnung pflichtwidrig sei. Die Treuepflicht begründe für den einzelnen Aktionär eine Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen der GesellschaftBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Gesellschaft
Interessen der Gesellschaft
und der Mitaktionäre, ohne dass damit eine gerichtliche Inhaltskontrolle einhergehe. Vielmehr sei der Aktionär bei der Abstimmung grundsätzlich frei und könne er sein Stimmverhalten an unternehmerischen Interessen orientieren, die regelmäßig nicht nur eine bestimmte Entscheidung als richtig erscheinen ließen. Zu einer Einschränkung bei der Stimmrechtsausübung könne die Treupflicht nur führen, wenn einzig und allein eine bestimmte Entscheidung dem Wohl der gesamten Gesellschaft diene und jede andere Entscheidung ihr schweren Schaden zufüge. Dabei habe auch eine Aktionärsminderheit unter Berücksichtigung des Gesellschaftszwecks auf die gesellschaftsbezogenen Belange der Mehrheit der Gesellschafter angemessen Rücksicht zu nehmen, wobei dies unter dem Vorbehalt der Verhältnismäßigkeit und Erforderlichkeit stehe. Für den Fall, dass eine Gesellschaft sanierungsbedürftig sei, werde daraus der Schluss gezogen, dass die Treuepflicht dem einzelnen Gesellschafter verbiete, eine sinnvolle und mehrheitlich angestrebte Sanierung aus eigennützigen Gründen zu verhindern. Seien jedoch eine Änderung des satzungsmäßigen Gegenstandes und eine Sanierung aussichtslos, könne die Treuepflicht des Gesellschafters auch gebieten, einer alternativlosen Auflösung der GesellschaftBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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Auflösung der Gesellschaft
Gesellschaft
zuzustimmen.

(2)  Vor diesem Hintergrund sei hier der gefasste Auflösungsbeschluss zur Erhaltung wesentlicher Werte der Beklagten bzw. zur Vermeidung erheblicher Verluste der Gesellschafter oder der Gesellschaft objektiv unabweisbar erforderlich. Für die Klägerin habe es keinen vertretbaren Grund für die Verweigerung ihrer Zustimmung gegeben. Die Beklagte habe keine wirtschaftliche Perspektive und erwirtschafte dauerhaft nur Verluste. Bisherige Sanierungsversuche seien gescheitert und weitere Sanierungskonzepte seien nicht in Sicht.

Dass die Ertrags-, Finanz- und Vermögenslage der Beklagten dauerhaft negativ sei, bestreite auch die Klägerin nicht. Die Fortführungsprognose der Beklagten sei negativ; sie werde zudem wegen der zwischen den Parteien regelmäßig geführten Rechtsstreite mit Kosten belastet. Versuche der Beklagten, den satzungsmäßigen Geschäftsgegenstand zu ändern bzw. zu erweitern, seien ebenso gescheitert wie Bemühungen, neue Kunden zu gewinnen und Aufträge zu generieren.

Die von der Beklagten dargelegten Gründe seien nachvollziehbar. Auch die Klägerin habe auf vorgerichtliche und gerichtliche Aufforderung nicht darlegen können, wie die Beklagte in der Lage sein solle, künftig Erträge zu erwirtschaften und weitere Verluste zu vermeiden.

Die als Alternative in Betracht kommende Durchführung eines geordneten Insolvenzverfahrens bringe gegenüber der beschlossenen Auflösung keine Vorteile. Die Klägerin verkenne hierbei, dass auch die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens bzw. die Verweigerung der Eröffnung eines solchen mangels Masse gesetzlich Auflösungsgründe darstellten.

Die hier gegebene Stimmpflicht der Klägerin werde auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass zum Zeitpunkt der Hauptversammlung der Sonderprüfungsbericht noch nicht vorgelegen habe. Der Bericht sei für die Frage der Auflösung ohne Belang, da er ausschließlich die Prüfung etwaiger Pflichtverletzungen einzelner Vorstandsmitglieder und etwaiger damit verbundener Schadensersatzansprüche der Gesellschaft zum Gegenstand gehabt habe. Solche Ansprüche seien auch nach Auflösung der Beklagten durch den Abwickler zu verfolgen.

Unabhängig davon habe außer Frage gestanden, dass die Vermögenslage der Beklagten seit fünf Jahren dauerhaft negativ sei und seit 2018 keine Erträge erzielt würden. Auch sich aus dem Sonderprüfungsbericht ergebene mögliche Forderungen der Beklagten gegen ihre Vorstände seien nicht geeignet, die negative Fortführungsprognose zu beseitigen. Durch Ansprüche gegen Vorstandsmitglieder hätte sich allenfalls das Aktivvermögen der Beklagten erhöht, das bei deren Fortführung jedoch wegen dauerhaft fehlender Umsätze kurzfristig abschmelzen werde. Langfristig sei der Eintritt weiterer Verluste bis hin zur Vermögenslosigkeit der Beklagten selbst dann nicht zu vermeiden, wenn erhebliche Schadensersatzansprüche gegen die Vorstandsmitglieder unterstellt würden; es habe sich allenfalls die Insolvenzantragspflicht der Beklagten hinauszögern lassen. Das nutzlose Aufzehren liquider Mittel begründe indes kein beachtenswertes Interesse der Klägerin. Der Hinweis auf ein Bankkonto, das Barvermögen in Höhe von knapp 630.000 EUR aufweise, verfange nicht. Denn unabhängig von der temporären Erhöhung des Barvermögens bleibe die Auflösung der Beklagten wegen der negativen Fortführungsprognose zur Vermeidung weiterer Verluste alternativlos.

Auch die zwischen dem Mitaktionär A und der Beklagten getroffene Liquidationsvereinbarung stehe der Auflösung bzw. der Annahme einer entsprechenden Stimmpflicht der Klägerin nicht entgegen. Dieser Vereinbarung komme im Verhältnis der Aktionäre zueinander keine Verbindlichkeit zu, so dass die Klägerin hieraus keine Rechte herleiten könne.

Schließlich gehe auch der Einwand der Klägerin, dass die Aufsichtsratsmitglieder nach dem für sie ungünstigen Ergebnis des Sonderprüfungsberichts als Abwickler nicht in Betracht kämen, ins Leere. Denn die Bestellung von Liquidatoren sei nicht Gegenstand des angegriffenen Hauptversammlungsbeschlusses.

3.  Hiergegen wendet sich die Berufung der Klägerin (Bl. 41 ff. eA), mit der sie ihr erstinstanzliches Begehren weiter verfolgt. Sie wendet sich gegen die landgerichtliche Annahme eines treuwidrigen Stimmverhaltens.

Sie rügt, dass allein der Umstand, dass die Ertrags-, Finanz- und Vermögenslage seit Jahren negativ gewesen sei und keine Umsätze erwirtschaftet worden seien, die Annahme einer Ermessensreduzierung auf Null nicht rechtfertige. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs genüge es für den Vorwurf der Treuwidrigkeit nicht, dass der Gesellschafter eine Maßnahme ablehne, die im Interesse der GesellschaftBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Gesellschaft
im Interesse der Gesellschaft
liege, ihre Zwecke fördere oder die Zustimmung zumutbar sei. Vielmehr sei erforderlich, dass die zu beschließende Maßnahme zur Vermeidung erheblicher Verluste notwendig sei und es keinen vertretbaren Grund gebe, die Entscheidung abzulehnen.

Konkrete Verluste von erheblichem Gewicht, die den Beklagten oder Gesellschaftern aus dem ablehnenden Stimmverhalten der Klägerin drohten, habe das Landgericht nicht festgestellt, sondern sich auf Vermutung und Spekulation gestützt. Unstreitig seien der Beklagten aufgrund des Sonderprüfungsberichts weitere Barmittel zugeflossen.

Darüber hinaus habe das Landgericht verkannt, dass sich das Ermessen trotz erheblicher Verluste im Fall der Ablehnung einer Maßnahme auch dann nicht auf Null reduziere, wenn dem Gesellschafter für sein Stimmverhalten ein vertretbarer Grund zur Seite stehe. So liege der Fall hier. Denn zum Zeitpunkt der Hauptversammlung habe der Bericht des Sonderprüfers noch nicht vorgelegen. Es sei vertretbar, die Entscheidung der Liquidation vom Vorliegen des Sonderprüfungsberichts abhängig zu machen; insoweit habe das Landgericht übersehen, dass ausweislich der zwischen ihr und dem Mitaktionär A getroffenen Liquidationsvereinbarung auch die Beklagte die Entscheidung über die Liquidation erst nach dem Vorliegen des Sonderprüfungsberichts habe treffen wollen.

Schließlich habe das Landgericht keine Feststellung getroffen, dass eine Beschlussfassung über die Liquidation in der Hauptversammlung am 3. September 2019 unabweisbar erforderlich gewesen sei, sondern habe es sich darauf beschränkt, die von der Beklagten für die Liquidation angeführten Gründe als nachvollziehbar zu werten, was für eine Ermessensreduzierung auf Null nicht ausreiche.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Köln vom 29. Juli 2020 den Beschluss der Hauptversammlung der Beklagten vom 3. September 2019 zum Tagesordnungspunkt 4, durch welchen die Auflösung der Beklagten mit Ablauf des 30. September 2019 beschlossen wurde, für nichtig zu erklären;

hilfsweise,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Köln vom 29. Juli 2020 festzustellen, dass der Beschluss der Hauptversammlung der Beklagten vom 3. September 2019 zum Tagesordnungspunkt 4, durch welchen die Auflösung der Beklagten mit Ablauf des 30. September 2019 beschlossen wurde, nichtig ist.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angegriffene Urteil (Bl. 62 ff. eA).

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die wechselseitig zu der Verfahrensakte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen und auf den übrigen Inhalt der Verfahrensakte verwiesen.

II.

1.  Die zulässige Berufung der Beklagten bleibt ohne Erfolg, weshalb sie zurückzuweisen ist. Das Landgericht hat die Klage mit Recht als unbegründet abgewiesen.

a)  Das Landgericht hat zutreffend angenommen, dass die materiell-rechtliche Ausschlussfrist des § 246 Abs. 1 AktG gewahrt ist. Der Umstand, dass die Klägerin die Klage innerhalb der Monatsfrist beim unzuständigen Landgericht Düsseldorf eingereicht hat, steht dem nicht entgegen und stellt sich insbesondere nicht als rechtsmissbräuchlich dar. Der Senat tritt den zugrunde liegenden Erwägungen des angegriffenen Urteils inhaltlich bei. Die der Klageerhebung vor dem Landgericht Düsseldorf zugrunde liegende Annahme der Klägerin, mit der unter dem 7. November 2018 erfolgten Verlegung des tatsächlichen Verwaltungssitzes der Beklagten nach Düsseldorf sei eine Änderung der örtlichen Zuständigkeit einher gegangen, trifft zwar nicht zu, doch begründet die unzutreffende Rechtsauffassung der Klägerin noch kein rechtsmissbräuchliches Verhalten. Es ist nicht ersichtlich, welchen Vorteil die Klägerin mit der Anrufung des Landgerichts Düsseldorf erstrebt haben soll.

b)  Die Klage ist jedoch unbegründet. Der in der Hauptversammlung der Beklagten zu TOP 4 gefasste Auflösungsbeschluss ist weder nichtig (dazu aa) noch anfechtbar (dazu bb).

aa)  Der Beschluss ist nicht nichtig. Gegen diese zutreffende rechtliche Bewertung des Landgerichts bringt die Berufung, die insoweit lediglich auf das erstinstanzliche Klagevorbringen verweist, auch nichts vor.

(1)  Der Beschluss verstößt nicht durch seinen Inhalt gegen die guten Sitten gemäß § 241 Nr. 4 AktG. Die Erwägung der Klägerin, es verstoße gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden, wenn der als Hauptversammlungsleiter agierende Aufsichtsrat einen Treuverstoß der Klägerin bei der Ausübung ihres Stimmrechts zu einem Zeitpunkt feststelle, zu dem der Sonderprüfungsbericht noch nicht vorgelegen habe, weshalb nicht festgestanden habe, ob der Aufsichtsrat seine Aufsichtspflichten verletzt habe und der Beklagten daraus Schadensersatzansprüche gegen ihre Organe erwachsen seien, trägt den von der Klägerin erhobenen Vorwurf nicht. Der Vorwurf stützt sich schon nicht auf den Inhalt des Hauptversammlungsbeschlusses als solches, sondern vielmehr auf das zur Feststellung des Beschlusses führende Verhalten des gemäß § 17 Nr. 1 der Satzung zum Hauptversammlungsleiter berufenen Aufsichtsratsvorsitzenden. Der in § 241 Nr. 4 AktG festgeschriebene Nichtigkeitsgrund setzt jedoch voraus, dass der Beschluss für sich allein genommen, d. h. wegen seines Inhalts, Sittenwidrig sein muss (vgl. nur Drescher, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, 5. Aufl., AktG § 241 Rn. 38; Ehemann, in: Grigoleit, AktG, 2. Aufl., § 241 Rn. 19; Koch, in: Hüffer/Koch, AktG, 15. Aufl., § 241 Rn. 21; jeweils m.w.N.). Daran fehlt es hier.

(2)  Der Beschluss ist auch nicht nach § 241 Nr. 3 Var. 3 AktG nichtig. Denn er verstößt durch seinen Inhalt nicht gegen Vorschriften, die sonst im öffentlichen Interesse gegeben sind. Der durch die Klägerin erhobene Vorwurf, der Beschluss habe gerade darauf abgezielt, den Bericht des Sonderprüfers obsolet werden zu lassen und damit die Klägerin in ihren Kontrollrechten zu beschneiden, lässt sich dem Beschluss nicht entnehmen und entbehrt auch sonst jeder Grundlage. Vielmehr ergibt sich aus dem als Anlage B 9 vorgelegten Anschreiben der Beklagten an die Klägerin vom 18. Juni 2019 (AnlH 201 ff.), dass im Zusammenhang mit dem seinerzeit für Juli 2019 angekündigten Sonderprüfungsbericht der – zutreffende – Hinweis darauf erfolgte, dass die Geltendmachung etwaiger darin angelegter Ansprüche von einer Liquidation der Beklagten unberührt bliebe, was gegen die Annahme der Klägerin spricht.

Abgesehen davon lässt der Vorwurf unberücksichtigt, dass die Veröffentlichung des Prüfberichts und dessen Einreichung zum Handelsregister dem bestellten Sonderprüfer obliegt (vgl. § 145 Abs. 6 Satz 3 AktG) und nicht der Entscheidung der Hauptversammlung überantwortet ist. Es fügt sich in das Gesamtbild, dass auch vorliegend der Sonderprüfungsbericht vom 31. Dezember 2019 (Anlage B 16, AnlH 256 ff.) durch den Sonderprüfer zeitnah beim Handelsregister eingereicht worden ist und die Beklagte den ihr in der 2. KW 2020 zur Verfügung gestellten Bericht mit Schriftsatz vom 10. Januar 2020 (GA 63 ff.) umgehend zur Verfahrensakte gereicht und damit auch der Klägerin zugänglich gemacht hat.

bb)  Der zu TOP 4 festgestellte Auflösungsbeschluss ist auch nicht wegen eines angeblichen Verstoßes gegen § 262 Abs. 1 Nr. 2 AktG anfechtbar. Der Auflösungsbeschluss ist mit der erforderlichen Stimmenmehrheit von drei Vierteln des vertretenen Grundkapitals gefasst worden. Der zugrunde liegende Standpunkt des Landgerichts, die Klägerin habe bei ihrer Stimmabgabe treuwidrig gehandelt, so dass das von ihr vertretene Grundkapital und ihre Stimmen bei der Feststellung des zu TOP 4 gefassten Auflösungsbeschlusses nicht zu berücksichtigen gewesen seien, ist zutreffend.

(1)  (a)  Im Ausgangspunkt ist der Klägerin dahin beizupflichten, dass Aktionäre in ihrem Abstimmungsverhalten grundsätzlich frei sind und sie sich an unternehmerischen Interessen orientieren können, die in der Regel nicht nur eine bestimmte Entscheidung als richtig erscheinen lassen. Eine Beschränkung der Stimmrechtsausübungsfreiheit bleibt auf Ausnahmefälle beschränkt. Sie kann sich aus der gesellschafterlichen Treuepflicht ergeben, wenn das Abstimmungsermessen der Aktionäre aus Rechtsgründen auf Null reduziert und eine Beschlussablehnung pflichtwidrig ist (vgl. BGH, Urteil vom 20. März 1995 – II ZR 205/94 -, BGHZ 129, 136 ff.; OLG Stuttgart, Urteil vom 23. Juli 2003 – 20 U 5/03 -, NZG 2003, 1025, 1027; vgl. auch Götze, in: MünchKommAktG, 5. Aufl., vor § 53a Rn. 45). Die an eine solche Beschränkung der Stimmrechtsausübungsfreiheit zu stellenden Anforderungen hat der Bundesgerichtshof in einer zum GmbH-Recht ergangenen Entscheidung konkretisiert, deren Grundsätze auch auf Aktiengesellschaften übertragbar sind (vgl. Götze, in: MünchKommAktG, 5. Aufl., vor § 53a Rn. 51; Paefgen, ZIP 2016, 2293, 2300). Danach muss aufgrund der Treuepflicht nur dann in einem bestimmten Sinn abgestimmt werden, wenn die zu beschließende Maßnahme zur Erhaltung wesentlicher Werte, die die Gesellschafter geschaffen haben, oder zur Vermeidung erheblicher Verluste, die die Gesellschaft bzw. die Gesellschafter erleiden könnten, objektiv unabweisbar erforderlich und den Gesellschaftern unter Berücksichtigung ihrer eigenen schutzwürdigen Belange zumutbar ist, also wenn der Gesellschaftszweck und das Interesse der Gesellschaft gerade diese Maßnahme zwingend gebieten und der Gesellschafter seine Zustimmung ohne vertretbaren Grund verweigert (BGH, Urteil vom 12. April 2016 – II ZR 275/14 -, WM 2016, 1124 Rn. 13 m.w.N.). Es kommt mithin eine Beschränkung nur im Ausnahmefall in Betracht, wenn der Gesellschaftszweck objektiv eine bestimmte Maßnahme zwingend gebietet, also die zu beschließende Maßnahme zur Erhaltung des Geschaffenen oder zur Vermeidung von Verlusten dringend geboten ist, und dem Gesellschafter die Zustimmung zumutbar ist (BGH a.a.O. Rn. 16).

(b)  (aa)  Dabei ist allerdings zu beachten, dass die vorstehend skizzierten Vorgaben des Bundesgerichtshofs vornehmlich auf Geschäftsführungsmaßnahmen und Satzungsänderungen in Gesellschaften zugeschnitten sind, deren Fortsetzung sinnvoll und beabsichtigt ist. Anders liegt der Fall, wenn – wie hier – die Auflösung und Liquidation einer Gesellschaft in Rede steht. Mit einer solchen Maßnahme sind, was auch die Klägerin auf Seite 2 ihres Schriftsatzes vom 23. März 2020 (GA 99) zutreffend anmerkt, die durch den Bundesgerichtshof aufgestellten Anforderungen denklogisch schwerlich in Einklang zu bringen sind, führt doch eine Liquidation im Ergebnis dazu, dass die Gesellschaft – gegebenenfalls nach Verteilung aller Vermögenswerte – aufhört zu existieren. Damit werden streng genommen weder von den Gesellschaftern geschaffene Werte erhalten noch Verluste für die Gesellschaft oder die Gesellschafter vermieden.

Allerdings scheidet eine (von der Berufung der Sache nach vertretene) unbesehene Übertragung der durch den Bundesgerichtshof aufgestellten Leitlinien auf den – hier gegebenen – Fall der Auflösung einer Gesellschaft aus, andernfalls eine aus der gesellschafterlichen Treuepflicht hergeleitete Beschränkung der Stimmrechtsausübungsfreiheit im Zusammenhang mit einer Gesellschaftsauflösung durch Hauptversammlungsbeschluss praktisch nicht in Betracht käme. Es erscheint nicht sachgerecht, die Treuepflicht der Gesellschafter gerade in einer Krise der Gesellschaft, aus der die Notwendigkeit einer Auflösung erwächst, nur eingeschränkt zur Anwendung zu bringen.

(bb)  Dem entspricht es, dass der Bundesgerichtshof gerade für den Fall einer unhaltbar gewordenen wirtschaftlichen Lage der Gesellschaft und die sich bei objektiver Beurteilung daraus ergebende Notwendigkeit einer Aufgabe des Geschäftsbetriebs eine aus seiner gesellschafterlichen Treupflicht herrührende Rechtspflicht des einzelnen Gesellschafters zur Ergreifung der insoweit notwendigen Maßnahmen angenommen hat (vgl. BGH, Urteil vom 17. Dezember 1959 – II ZR 81/59 -, NJW 1960, 434 f. [zur KG]).

Dieser zur Kommanditgesellschaft eingenommene Standpunkt wird auch im Schrifttum und in der obergerichtlichen Rechtsprechung für das Recht der Kapitalgesellschaften geteilt (vgl. Bachmann, in: BeckOGK-AktG, Stand 1. Februar 2021, § 262 Rn. 33 f.; Drescher, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, 5. Aufl., AktG § 262 Rn. 4; K. Schmidt, in: GroßKommAktG, 5. Aufl., § 262 Rn. 2, 25; Riesenhuber, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, 4. Aufl., § 262 Rn. 11; Servatius, in: Grigoleit, AktG, 2. Aufl., § 262 Rn. 11; ebenso für die GmbH: OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG München
, Beschluss vom 15. Januar 2015 – 23 U 2469/14 -, BeckRS 2016, 5420 Rn. 8 f.; Berner, in: MünchKommGmbHG, 3. Aufl., § 60 Rn. 98 f.; Casper, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, GmbHG, 2. Aufl., § 60 Rn. 44; Lorscheider, in: BeckOK-GmbHG, 47. Ed. [Stand: 1. Februar 2021], § 60 Rn. 7a.1; Scheller, in: Scholz, GmbHG, 12. Aufl., § 60 Rn. 24; Seibt, in: Scholz, GmbHG, 12. Aufl., § 14 Rn. 109; Verse, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, 5. Aufl., GmbHG § 14 Rn. 106). Danach soll sich ausnahmsweise aus der Treuepflicht eines jeden Gesellschafters die Verpflichtung ergeben, der Auflösung der GesellschaftBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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Auflösung der Gesellschaft
Gesellschaft
zuzustimmen bzw. sie nicht durch Ablehnung zu verhindern. Das sei anzunehmen, wenn die Erreichung des Gesellschaftszwecks offensichtlich unmöglich geworden sei (vgl. Casper, Verse; Scheller; jeweils a.a.O.), insbesondere wenn der dauerhafte Misserfolg der Geschäftsidee evident sei (vgl. Bachmann a.a.O. Rn. 33; K. Schmidt a.a.O. Rn. 2; Servatius a.a.O. [keine dauerhafte Erwirtschaftung einer positiven Eigenkapitalrendite möglich]; Berner a.a.O. Rn. 99) und dementsprechend Substanzverzehr drohe (Seibt a.a.O.), und wenn die Ablehnung der Auflösung rechts missbräuchlich erscheine, etwa weil der Gesellschafter nur versuche, den Mitgesellschaftern zu Schaden (vgl. Bachmann a.a.O. Rn. 33), was zu anzunehmen sei, wenn sich durch ein Zuwarten mit der Liquidation die Zerschlagungswerte zu verschlechtern drohten (vgl. OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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a.a.O. Rn. 9; Casper a.a.O.). Vereinzelt wird bei der Würdigung unter dem Gesichtspunkt der Subsidiarität auch darauf abgestellt, dass das Desinvestitionsinteresse der Gesellschafter nicht über den Kapitalmarkt verwirklicht werden könne, weil es etwa keine fungiblen Märkte mehr für die Aktien gebe (vgl. Servatius a.a.O.).

Der Senat teilt diese Auffassung. Danach ist die Annahme einer Verpflichtung des einzelnen Gesellschafters, der Auflösung der GesellschaftBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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zuzustimmen bzw. sie nicht durch Ablehnung zu verhindern, dann möglich, wenn die Erreichung des Gesellschaftszwecks dauerhaft unmöglich geworden ist und die Ablehnung der Auflösung durch den Gesellschafter rechtsmissbräuchlich erscheint. Dies lässt sich durchaus mit den strengen Kriterien, die der Bundesgerichtshof in seiner vorzitierten Entscheidung vom 12. April 2016 (WM 2016, 1124) aufgestellt hat, in Einklang bringen. So kann man eine Erhaltung geschaffener Vermögenswerte darin sehen, dass mit der Entscheidung zugunsten der Auflösung etwaige verbliebene Barmittel der Gesellschaft zum Zwecke der Liquidation genutzt werden sollen, während sie ohne Liquidation bei einer Gesellschaft ohne positive Fortführungs- oder Ertragsprognose nach und nach abschmelzen und sinnlos vernichtet werden würden. Mit der angestrebten Erhaltung von Vermögenswerten einher geht zugleich eine Vermeidung von Verlusten jedenfalls dann, wenn zum Zeitpunkt der Beschlussfassung (noch) eine Auskehrung im Sinne des § 271 Abs. 1 AktG in Betracht kommt und ein Zuwarten den Auskehrungserlös verringern oder einen Anspruch gänzlich vereiteln würde (vgl. Berner a.a.O. Rn. 99).

Der von der Klägerin unter Verweis auf eine Publikation (Reichert, NZG 2018, 134, 142) mit Schriftsatz vom 26. April 2021 eingenommene Standpunkt, die Erreichung des Quorums durch Verwerfung ihrer Gegenstimmen als treuwidrig verkenne die Intention des § 262 AktG, verfängt nicht. Die in Bezug genommenen Ausführungen Reicherts befassen sich mit einer Konstellation, die von dem Sachverhalt, der dem Senat zur Entscheidung unterbreitet ist, abweicht. Es geht dort gerade um den umgekehrten Fall eines zwar mit qualifizierter Mehrheit, aber ohne beachtenswerten Grund gefassten Liquidationsbeschlusses.

(2)  Nach dieser Maßgabe stellt sich die Ablehnung der zur Abstimmung gestellten Auflösung der Beklagten durch die Klägerin als treuwidrig dar, weshalb sie bei der Feststellung des Auflösungsbeschlusses nicht zu berücksichtigen war. Die dieser Annahme zugrunde liegenden Tatsachen hat das Landgericht als unstreitig festgestellt, weshalb der Senat an diese gebunden ist und sie bei seiner Entscheidung zugrunde zu legen hat (§ 529 Nr. 1 ZPO).

(a)  Danach ist davon auszugehen, dass die Fortführung des Unternehmensgegenstandes und damit die Erreichung des Gesellschaftszwecks schon bei Beschlussfassung offensichtlich unmöglich war (und immer noch ist).

Die Finanz-, Vermögens- und Ertragslage ist aus den durch das Landgericht zutreffend festgestellten Gründen seit mehr als fünf Jahren dauerhaft negativ; dies stellt auch die Berufung nicht Abrede, weshalb insoweit auf die diesbezüglichen Feststellungen des angegriffenen Urteils verwiesen wird.

Hinzu kommt, dass nach den weiter gehenden – jedoch von der Berufung unkommentiert gebliebenen – Feststellungen des Landgerichts die Fortführungs- und Ertragsprognose der Beklagten negativ ist und noch vorhandene Vermögenswerte unweigerlich abschmelzen werden. Die Beklagte, deren Auftragslage seit dem Jahr 2012 stark rückläufig ist und die trotz entsprechender Bemühungen in ihrem satzungsmäßigen Geschäftsfeld seit mehreren Jahren keine Neugeschäfte mehr hat generieren können, hat ihren Betrieb faktisch eingestellt. Dies hat zur Folge, dass der Wert der Aktien nachhaltig negativ ist und ein Markt, auf dem die Aktionäre ihr Desinvestitionsinteresse realisieren könnten, nicht existiert. Die Ausführungen der Klägerin unter Ziffer 2 des Schriftsatzes vom 24. März 2021 (Bl. 155 ff. eA) stehen dem nicht entgegen, denn sie ändern nichts an dem tatsächlich zu verzeichnenden Umsatzrückgang. Auch der damit verbundene Hinweis darauf, die Beklagte habe auf dem einträglichen Geschäftsfeld des „Asset-Management“ Leistungen für Privatpersonen erbringen können und müssen, verfängt nicht. Diese Leistungen werden nicht vom satzungsmäßigen Gegenstand erfasst, weshalb sie einer Satzungsänderung bedürfen, die von der Aktionärsmehrheit nicht gewollt ist und auf die die Klägerin keinen Anspruch hat.

Die negative Ertragsprognose fällt auch unter Berücksichtigung etwaiger Sanierungsmöglichkeiten nicht besser aus. Ein im Jahr 2016 unternommener Versuch einer Kapitalerhöhung ist an der mit der fehlenden Geschäftstätigkeit der Beklagten begründeten Ablehnung der Beklagten gescheitert. Entsprechend verhält es sich für den Versuch der Beklagten, den satzungsmäßigen Unternehmensgegenstand durch Satzungsänderung auf das Geschäftsfeld „Mezzanine-Kapital“ zu erweitern. Andere Sanierungsmöglichkeiten kommen aus Sicht der Beklagten nicht in Betracht.

Die Klägerin hat weder vorgerichtlich noch im Verfahren erster Instanz konkrete Sanierungsvorschläge bzw. Vorschläge zur Unternehmensfortführung gemacht. Daran hat sich auch in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Senat nichts geändert. Denn die Klägerin ist auch dort eine Darstellung oder zumindest Skizzierung eines konkreten und in absehbarer Zeit umsetzbaren Konzeptes für die Fortführung der Gesellschaft schuldig geblieben; die von der Klägerin im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 26. April 2021 behauptete ausführliche und detaillierte Darstellung der aus ihrer Sicht für die Fortführung der Gesellschaft sprechenden Gründe deckt sich nicht mit der Wahrnehmung des Senats. Vielmehr hat sich die Vertreterin der Klägerin auf ganz allgemeine Ausführungen zu möglichen künftigen Geschäftsfeldern beschränkt. Auf die Nachfrage nach konkreten Umsetzungsmöglichkeiten ergab sich, dass diese auch von der Klägerin nicht gesehen werden, weil diese jeweils die Mitwirkung der beiden weiteren Aktionäre erfordert, mit denen allerdings bislang keinerlei konkrete Gespräche geführt wurden. Angesichts des gegenläufigen Interesses dieser Aktionäre, das dahin geht, die Beklagte nicht weiterzuentwickeln, sondern zu liquidieren, ist dies auch in Zukunft nicht ansatzweise zu erwarten.

Auch der Umstand, dass die Klägerin in diesem Schriftsatz unter Hinweis auf den ihr seit Januar 2020 vorliegenden und in einer ordentlichen Hauptversammlung vom 11. November 2020 bestätigten Sonderprüfungsbericht vom 31. Dezember 2019 und die darin festgestellten Pflichtverletzungen von Vorstandsmitgliedern angekündigt hat, nunmehr die Einberufung einer außerordentlichen Hauptversammlung zu beantragen, um den Vorstandsmitgliedern das Vertrauen zu entziehen, verhilft der Berufung nicht zum Erfolg. Abgesehen davon, dass der seit Erhalt des Sonderprüfungsberichts verstrichene Zeitraum von mehr als fünfzehn Monaten das Fehlen eines Fortführungskonzeptes indiziert, gibt auch der von der Klägerin angestrebte bloße Austausch der Vorstandsmitglieder keinen Anlass zu der Annahme, die Beklagte könnte – anders als in den zurückliegenden Jahren – auf ihrem satzungsmäßigen Geschäftsfeld Fuß fassen.

Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass die Vielzahl der in der Vergangenheit zwischen der Klägerin auf der einen Seite und der Beklagten oder ihren Organen auf der anderen Seite geführten Rechtsstreitigkeiten dazu geführt hat, dass das Verhältnis zwischen der Klägerin zu den beiden Mitaktionären als zerrüttet angesehen werden muss und die Beklagte neben den laufenden Verwaltungskosten mit erheblichen Rechtsverfolgungskosten belastet ist, was insgesamt eine einvernehmliche Unternehmensführung nicht erwarten lässt.

An der fehlenden unternehmerischen Perspektive der Beklagten ändert auch der von der Berufung auf Seite 5 ihrer Begründung angesprochene Zufluss von 500.000 EUR, von denen bis zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht rund 320.000 EUR an die Beklagte gezahlt waren, nichts. Dieser Zufluss, der aus einer gegenüber den Vorstandsmitgliedern geltend gemachten und von diesen anerkannten Schadensersatzforderung der Beklagten herrührt, führt allenfalls zu einer vorübergehenden Verbesserung der Liquidität der Beklagten, deren insolvenzrechtliche Überschuldung nur durch qualifizierte Rangrücktrittserklärungen in Höhe von insgesamt 795.000 EUR vermieden wird. Als einmalige Einnahme eröffnet dieser Betrag für die Beklagte jedoch kein neues Geschäftsfeld, worauf das Landgericht in seinem Urteil (bei Rn. 43 f.) zutreffend hingewiesen hat.

Auch ist nicht ersichtlich, dass die Beklagte aufgrund dieses einmaligen Betrages auf dem satzungsmäßigen Geschäftsfeld konkurrenzfähig werden kann. Ihre Vermögens- und Finanzlage hat sich seit dem (gescheiterten) Versuch einer Kapitalerhöhung aus dem Jahr 2016 deutlich verschlechtert. Neben einem Jahresfehlbetrag, der sich nach dem unbestritten gebliebenen Vorbringen auf den Seiten 5 f. der Klageerwiderung seit 2016 vervielfacht hat, ist die Beklagte zur Rückzahlung der auf die (gescheiterte) Kapitalerhöhung geleisteten Einlagen in Höhe von insgesamt 800.000 EUR verpflichtet, die jedoch durch die mit der Klägerin geführten Rechtsstreitigkeiten bereits zu einem großen Teil aufgezehrt sind.

Vor diesem Hintergrund stellte sich die Lage der Beklagten in Ermangelung einer realistischen Fortführungs- und Ertragsprognose bereits im maßgeblichen Zeitpunkt der Beschlussfassung so dar, dass etwaig vorhandene Vermögenswerte der Beklagten bei einer Verzögerung einer Auflösung und Liquidation weiter abschmelzen und sinnlos aufgezehrt würden. Aufgrund der damit letztlich drohenden Verschlechterung der Zerschlagungswerte stellt sich die Stimmrechtsausübung der Klägerin auch als rechtsmissbräuchlich dar (vgl. OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG München
, Beschluss vom 15. Januar 2015 – 23 U 2469/14 -, BeckRS 2016, 5420 Rn. 9; Casper, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, GmbHG, 2. Aufl., § 60 Rn. 44).

(b)  Ein Grund, der das Stimmrechtsverhalten der Klägerin unter den gegebenen Umständen als vertretbar und damit nicht treuwidrig erscheinen lassen könnte, ist nicht gegeben.

(aa)  Soweit die Klägerin einwendet, sie habe die zur Abstimmung gestellte Auflösung der Beklagten ablehnen dürfen, weil zum Zeitpunkt der Beschlussfassung der Sonderprüfungsbericht noch nicht vorgelegen habe, vermag sie daraus keinen vertretbaren Grund für die Verhinderung der Auflösung und Liquidation der Beklagten herzuleiten.

Zwar ist der Klägerin zuzugeben, dass ein vertretbarer Grund der zu beschließenden Maßnahme nicht zwingend entgegenstehen muss. Allerdings genügt es für die Annahme eines vertretbaren Grundes nicht, wenn der Gesellschafter, der eine zur Abstimmung gestellte Maßnahme ablehnt und hierfür einen Grund anführt, der den Beschlussgegenstand nicht oder nur unwesentlich betrifft.

So liegt der Fall auch hier, denn es fehlt – wie das Landgericht zutreffend ausführt – an einem hinreichenden Bezug zum Beschlussgegenstand. Der dem Sonderprüfer erteilte Auftrag umfasste ausweislich der als Anlage K 4 vorgelegten Niederschrift der außerordentlichen Hauptversammlung vom 2. Februar 2015 (AnlH I Bl. 13 ff.) lediglich die Prüfung etwaiger Pflichtverstöße von Vorstandsmitgliedern. Eine Rettung oder Änderung des Geschäftsmodells oder Pläne für eine Sanierung waren demgegenüber weder unmittelbar noch mittelbar vom Prüfungsgegenstand erfasst, so dass die Klägerin nicht in vertretbarer Weise davon ausgehen konnte, der Bericht könne als Grundlage für die Fortführungsprognose der Beklagten dienen. An dieser Bewertung ändert sich auch dann nichts, wenn man im Sinne der Klägerin unterstellt, dass sie sich ein Bild über die Höhe etwaiger Ersatzansprüche machen wollte und auf Ansprüche in erheblicher Höhe gehofft hat. Denn ihr musste im Hinblick auf die seinerzeit gegebene Finanz-, Vermögens- und Ertragslage (vgl. oben unter [a]) wie den übrigen Aktionären klar sein, dass eine einmalige „Finanzspritze“ keine nennenswerten Auswirkungen auf die schlechte Fortführungsprognose der Beklagten haben werde. Dass eine Realisierung hoher Ersatzansprüche aus der ex ante-Sicht Sanierungs- oder Umstrukturierungsmöglichkeiten eröffnet hätte, hat auch die Klägerin bis heute nicht dargetan. Es fügt sich in das Gesamtbild, dass die Klägerin weder im Vorfeld der Hauptversammlung vom 3. September 2019 noch in dieser selbst noch im vorliegenden Verfahren Alternativen zu einer Liquidation vorgebracht oder erläutert hat, was sie sich von einem Abwarten des Prüfungsberichts erhofft hatte. Dazu gab es jedoch hinreichend Anlass, war ihr doch schon mit Vorstandsschreiben vom 18. Juni 2019 (Anlage  B 9, AnlH II Bl. 201 ff.) kommuniziert worden, dass und aus welchen Gründen auch mögliche Ersatzansprüche gegen ihre Vorstandsmitglieder die Beklagte wirtschaftlich nicht retten könnten, sondern lediglich eine positive Auswirkung auf eine Liquidation hätten.

(bb)  Auch der – zuletzt mit nicht nachgelassenem Schriftsatz vom 26. April 2021 wiederholte – Einwand der Beklagten, das Abwarten des Sonderprüfungsberichts sei vertretbar, weil der Mitaktionär A und die Beklagte unter Ziffer 1.1 der zwischen ihnen getroffenen Liquidationsvereinbarung vom 18. Juni 2019 (Anlage B 5, AnlH I Bl. 167 ff.) festgelegt hätten, dass die Liquidation der Beklagten erst nach Vorlage des Sonderprüfungsberichts beschlossen werden solle, greift nicht durch.

Indem die Klägerin eine Vereinbarung des vorstehenden Inhalts suggeriert, gibt sie den Inhalt der Vereinbarung verkürzt und unzutreffend wieder. Zwar trifft es zu, dass nach Ziffer 1.1 die „unverzüglich nach der Vorlage des Berichts des Sonderprüfers eine Hauptversammlung …, die spätestens im Oktober 2019 stattfindet“ einberufen werden sollte. Doch lässt sich daraus nicht der Schluss ziehen, die Einberufung der HauptversammlungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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Hauptversammlung
(auch) zum Zwecke der Beschlussfassung über die Auflösung habe ausnahmslos nach Vorlage des Prüfberichts erfolgen sollen. Im Gegenteil ist unter Buchstabe (C) der Vertragspräambel dokumentiert, dass es den Parteien der Liquidationsvereinbarung in erster Linie darum ging, zum Schutz vorhandener liquider Mittel vor einer nutzlosen Aufzehrung „schnellstmöglich eine Auflösung der GesellschaftBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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Auflösung der Gesellschaft
Gesellschaft
zu beschließen und sie abzuwickeln.“ Dieses Anliegen hat sich auch in den unter Ziffer 3 der Liquidationsvereinbarung festgelegten auflösenden Bedingungen niedergeschlagen, die auf die Gewährleistung einer einfachen, zügigen und kostengünstigen Abwicklung der Beklagten abzielen. Darüber hinaus ergibt sich aus dem an die Klägerin gerichteten Vorstandsschreiben vom 18. Juni 2019 (Anlage B 9, AnlH II 201 ff.), dem die Liquidationsvereinbarung als Anlage beigefügt war, dass der Liquidationsvereinbarung die Annahme der Vertragsparteien zugrunde lag, der Sonderprüfer werde seinen Bericht zeitnah (im Juli 2019) vorlegen, weshalb ein Abwarten für noch vertretbar erachtet wurde. Das Primat einer zügigen Abwicklung kommt letztlich darin zum Ausdruck, dass wegen der nachfolgend erfolgten Verschiebung des Termins für die Fertigstellung des Berichts und des nicht absehbaren Vorlagezeitpunkts die Anberaumung der Hauptversammlung mit dem Auflösungsbeschluss unter TOP 4 ohne weiteres Zuwarten erfolgt ist, um das vorrangige Ziel einer zügigen Abwicklung nicht zu gefährden.

Vor diesem Hintergrund stellt sich die von der Klägerin auf Seite 5 des nicht nachgelassenen Schriftsatzes vom 26. April 2021 formulierte Rechtsfrage nicht, weshalb sie durch den Senat auch nicht zu entscheiden ist.

(cc)  Sonstige Gründe, die das Abstimmungsverhalten der Klägerin als vertretbar erscheinen lassen könnten, sind weder dargetan noch ersichtlich.

Vielmehr ist der Klägerin die Förderung der Auflösung und der Liquidation auch zumutbar gewesen, weil eine Liquidation für sie nicht nachteiliger wäre als die Fortführung der Beklagten, die nach den getroffenen Feststellungen in deren Insolvenz münden würde, die – nicht zuletzt mit Blick auf die Kosten für den Insolvenzverwalter – teurer wäre als eine Liquidation.

2.  Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

3.  Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

4.  Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht gegeben sind.

III.

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 247 Abs. 1 AktG. Den Streitwert für aktienrechtliche Anfechtungsklagen bemisst das Prozessgericht nach billigem Ermessen. Maßgeblich ist die Bedeutung der Sache für beide Parteien sowie für die anderen Aktionäre, die von einer Urteilswirkung nach § 248 Abs. 1 AktG mitbetroffen sind (Koch, in: Hüffer/Koch, AktG, 15. Aufl., § 247 Rn. 6). Die Bedeutung der Anfechtung des Auflösungsbeschlusses orientiert sich einerseits am Interesse der Klägerin, die mit einem Drittel am Grundkapital der Beklagten von insgesamt 75.000 EUR beteiligt ist, andererseits an dem Interesse der Beklagten und der übrigen Aktionäre an der Aufrechterhaltung des Beschlusses. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Geschäftsbetrieb praktisch eingestellt ist. Vor diesem Hintergrund ist die Bedeutung der Sache für beide Parteien nicht über zu bewerten und erweist sich deren Bewertung mit je 25.000 EUR als sachgerecht.

Löffler I www.K1.de I www.gesellschaftsrechtskanzlei.com I Gesellschaftsrecht I Auflösung I Aktiengesellschaft I Stimmrechtsmissbrauch I Erfurt I Thüringen I Sachsen I Sachsen-Anhalt I Hessen I Deutschland 2022

Schlagworte: Auflösung der Gesellschaft, Rechtsmissbrauch, Stimmrechtsmissbrauch

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OLG Köln, Beschluss vom 04. Januar 2021 – 19 SchH 37/20

Montag, 4. Januar 2021

§ 138 Abs 1 BGB, § 139 BGB

1. Bezieht eine Schiedsklausel Beschlussmängelstreitigkeiten ein, so ist sie insoweit gemäß § 138 Abs. 1 BGB nichtig, wenn sie nicht die Mindestanforderungen erfüllt, die der Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 6. April 2009, II ZR 255/08, für die Schiedsfähigkeit von BeschlussmängelstreitigkeitenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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Schiedsfähigkeit
Schiedsfähigkeit von Beschlussmängelstreitigkeiten
klargestellt hat.

2. § 139 BGB ist nach seinem Sinngehalt grundsätzlich auch dann anwendbar, wenn die Parteien anstelle der nichtigen Regelung, hätten sie die Nichtigkeit gekannt, eine andere, auf das zulässige Maß beschränkte vereinbart hätten.(Rn.34)Für die Bestimmung dessen, was die Parteien bei Kenntnis von der Nichtigkeit gewollt hätten, ist eine objektive Auslegung vorzunehmen.

3. Eine Schiedsklausel ist insgesamt nichtig, wenn der Wortlaut, wonach „alle“ Streitigkeiten aus dem Gesellschaftsverhältnis einer Entscheidung durch das Schiedsgericht zugeführt werden sollen, Aufschluss darüber gibt, dass vor allem eine einheitliche Regelung für sämtliche Streitigkeiten bezweckt war. Dies legt nahe, dass für den Fall, dass eine der „Streitigkeiten“ der Schiedsgerichtsbarkeit nicht zugänglich, sondern von einem ordentlichen Gericht zu entscheiden ist, dies auch für die übrigen Streitigkeiten gelten soll.

Tenor

Der von dem Schiedsgericht (bestehend aus den Schiedsrichtern A (Obmann), B und Herrn C) erlassene Zwischenentscheid vom 25.08.2020 wird aufgehoben.

Es wird festgestellt, dass das Schiedsgericht zur Entscheidung über die in der Schiedsklage vom 16.04.2019 angekündigten Anträge unzuständig ist.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

I.

Herr D und Herr E gründeten die Antragsgegnerin mit Gesellschaftsvertrag vom 15.07.1997 (K1 zu HLW1). Unternehmensgegenstand der Antragsgegnerin ist die Beteiligung als persönlich haftende Gesellschafterin an der E Handelsgesellschaft mbH und Co. KG (nachfolgend KG). Sowohl Herr D als auch Herr E waren an der KG jeweils paritätisch als Kommanditisten beteiligt. An der neu gegründeten Antragsgegnerin hielten sie einen Geschäftsanteil in Höhe von jeweils 25.000 DM. § 14 des Gesellschaftsvertrages regelt die Möglichkeit eines Ausschlusses von Gesellschaftern im Beschlusswege. Unter § 19 des Gesellschaftsvertrages ist folgende Regelung enthalten:Randnummer2

„SchiedsgerichtRandnummer3

Alle Streitigkeiten aus dem Gesellschaftsverhältnis zwischen den Gesellschaftern untereinander oder zwischen den Gesellschaftern und der Gesellschaft werden unter Ausschluß des ordentlichen Rechtsweges durch ein Schiedsgericht entschieden. Dies gilt auch für Meinungsverschiedenheiten über die Wirksamkeit des Gesellschaftsvertrages und einzelner seiner Bestimmungen und für Gestaltungsklagen […] sowie für Meinungsverschiedenheiten über die Wirksamkeit und Auslegung dieser Schiedsgerichtsvereinbarung.“Randnummer4

In § 20 „Nebenbestimmungen“ heißt es unter Abs. 2:Randnummer5

„Sollten einzelne Bestimmungen dieses Vertrages oder Teile von Bestimmungen nichtig oder unwirksam sein oder werden, so wird die Wirksamkeit der übrigen Bestimmungen dadurch nicht berührt. Die betreffende Bestimmung ist jedoch durch eine solche zu ersetzen, durch die der erstrebte wirtschaftliche und rechtliche Zweck weitgehend erreicht wird.“Randnummer6

Unter dem 23.09.1997 schlossen die Antragsgegnerin sowie die Herren D und E unter Bezugnahme auf § 19 des Gesellschaftsvertrages einen Schiedsvertrag (K2 zu HLW1). Dieser enthält unter § 1 eine mit § 19 des Gesellschaftsvertrages gleichlautende Regelung.Randnummer7

Nachdem Herr E seinen Geschäftsanteil Nr. 1 an der Antragsgegnerin auf seine Ehefrau F E-Dirting übertragen hatte, übertrug Herr D seinen Geschäftsanteil Nr. 2 im Jahr 2010 auf seine Kinder, die hiesigen Antragsteller, als gemeinschaftliche Inhaber zu je 1/3 Anteil. Im selben Jahr übertrug er ferner seine Kommanditistenstellung zu gleichen Teilen auf diese. Im Jahr 2013 übertrug auch E seine Kommanditistenstellung, und zwar auf seinen Sohn, Herrn G E.Randnummer8

Aufgrund von seit Jahren bestehender Differenzen zwischen den Gesellschafterfamilien begehrt die Antragsgegnerin den Ausschluss der Antragsteller aus der Antragsgegnerin.Randnummer9

Mit Schiedsklage vom 16.04.2019 (HLW1) leitete die Antragsgegnerin vor dem Schiedsgericht ein Schiedsverfahren ein mit dem Antrag, die Antragsteller als gemeinschaftliche Inhaber des Geschäftsanteils Nr. 2 aus der Antragsgegnerin auszuschließen. Die Antragsteller erwiderten unter dem 29.01.2020 (HLW1) mit dem Antrag, die Schiedsklage abzuweisen, wobei sie insbesondere die Unzuständigkeit des Schiedsgerichts rügten. Auf Seite 11 ihrer Erwiderung führten die Antragsteller unter anderem aus, dass die Parteien nach § 19 des Gesellschaftsvertrages bzw. § 1 des Schiedsvertrages ausdrücklich sämtliche gesellschaftsrechtlichen Auseinandersetzungen unter die Entscheidungsgewalt eines Schiedsgerichts hätten stellen wollen. Eine gesplittete Zuständigkeit zwischen ordentlicher Gerichtsbarkeit und Schiedsgerichtsbarkeit sei ersichtlich nicht gewollt gewesen. Dem trat die Antragsgegnerin nicht entgegen.Randnummer10

Mit Zwischenentscheid vom 25.08.2020 (HLW2) hat sich das Schiedsgericht für zuständig erklärt, über den angekündigten Sachantrag zu entscheiden. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass sich seine Zuständigkeit aus § 19 der Satzung ergäbe. Diese Regelung sei zumindest insoweit wirksam, als darin solche Streitigkeiten der schiedsgerichtlichen Zuständigkeit unterworfen würden, die nicht Beschlussmängelstreitigkeiten seien. Da es sich um eine außervertragliche Schiedsklausel handele, seien die für selbstständige Schiedsabrede geltenden Formvorschriften nicht anzuwenden. Zwar sei die Klausel gemessen an den vom Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 06.04.2009 – II ZR 255/08Schiedsfähigkeit IIBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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Schiedsfähigkeit II
“) aufgestellten Anforderungen für die Wirksamkeit nichtig. Aus entsprechender Anwendung des § 139 BGB bliebe die Klausel jedoch gleichwohl wirksam, soweit sie Streitigkeiten, die keine Beschlussmängelstreitigkeiten sind, erfasst und der Zuständigkeit des Schiedsgerichts unterwirft. Einer unmittelbaren Anwendung von § 139 BGB stehe ihre Unteilbarkeit entgegen. Die Voraussetzung für eine analoge Anwendung lägen jedoch vor, denn die in der Klausel bezeichnete Gesamtmenge der Streitigkeiten lasse sich in die eindeutig abzugrenzenden Beschlussmängelstreitigkeiten einerseits und alle übrigen Binnenstreitigkeiten andererseits aufteilen, wobei von der Sittenwidrigkeit nur die zuerst genannte Teilmenge erfasst sei, wohingegen die andere Teilmenge unverdächtig sei. Es sei davon auszugehen, dass die Parteien bei Kenntnis der hier gegebenen (Teil-) Nichtigkeit das sonstige Rechtsgeschäft auch ohne den nichtigen Teil vorgenommen hätten. Bei der Feststellung dessen, was die Parteien bei Kenntnis der Nichtigkeit gewollt hätten, sei das Gebot rein objektiver Auslegung von Satzungen zu beachten. Es komme nicht auf den Willen des Satzungsgebers an, sondern auf die für alle weiteren Betr offenen außer den Gründern erkennbaren objektiven Umstände. Wortlaut und Gesamtzusammenhang der Schiedsklausel sprächen dafür, dass der Zweck dieser Regelung und die Interessen der Betroffenen nicht beeinträchtigt, sondern eher gefördert seien, wenn die schiedsgerichtliche Zuständigkeit für alle Nicht-Beschlussmängelstreitigkeiten wirksam begründet sei. Dadurch würde das Ziel einer Schiedsklausel erreicht, nämlich eine nicht öffentliche, zügige, in einer Instanz erledigte und im Vergleich zum Rechtszug vor den staatlichen Gerichten regelmäßig kostengünstigere Entscheidung oder einvernehmliche Erledigung der Streitfragen. Das Risiko einer gespaltenen Zuständigkeit für die gesellschaftsinternen Streitigkeiten stelle kein zwingendes Hindernis für die Annahme, dies entspreche dem erkennbaren Willen der Satzungsgeber, dar. Denn auch im Falle einer Gesamtnichtigkeit könne es dazu kommen, dass verschiedene Verfahren beider Gattungen zu verschiedenen staatlichen Gerichten und/oder deren Spruchkörper gelangten. Die bei Teilunwirksamkeit auch partiell erreichbaren Vorteile der schiedsgerichtlichen Zuständigkeit überwögen die Nachteile, weshalb die Teilwirksamkeit den Interessen der potentiell Betroffenen entgegenkomme. Zudem komme das Interesse am Fortbestand der von Unwirksamkeit nicht betroffenen Teile der Satzung in der Erhaltungsklausel in § 20 zum Ausdruck. Mit ihr solle gerade die möglichst weitgehende Verwirklichung des von den Gründern erklärten Willens gefördert werden. Auch wenn angenommene würde, die Klausel bewirke lediglich eine Verlagerung der Beweislast zu demjenigen, der die Gesamtnichtigkeit geltend macht, sei doch die Zielrichtung der Klausel und der darin zum Ausdruck kommende Parteiwillen nicht zu übersehen.Randnummer11

Die Antragsteller sind der Ansicht, dass der ihnen am 03.09.2020 zugestellte Zwischenentscheid fehlerhaft sei, weil das Schiedsgericht seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen habe. § 19 des Gesellschaftsvertrages sei insgesamt unwirksam. Eine Teilwirksamkeit nach § 139 BGB analog komme weder bei einer Auslegung nach subjektiven noch nach einer solchen aufgrund von objektiven Gesichtspunkten in Betracht. Es sei eindeutig die Zuständigkeit ein und derselben Gerichtsbarkeit für alle Streitigkeiten gewollt gewesen. Dies ergäbe sich aus dem Wortlaut, zudem widerspräche eine Aufspaltung der Zuständigkeiten den Interessen der Betroffenen und damit Sinn und Zweck von § 19 und des Gesellschaftsvertrages im Gesamten. Eine einheitliche Zuständigkeit sei auch unter dem Gesichtspunkt der prozessualen Waffengleichheit geboten. § 20 Abs. 2 Satz 1 des Gesellschaftsvertrages stehe dem nicht entgegen, da hierin nur eine Regelung für die Wirksamkeit der übrigen Bestimmungen enthalten sei.Randnummer12

Die Antragsteller beantragen,Randnummer13

1. den von dem Schiedsgericht (bestehend aus den Schiedsrichtern A (Obmann), B und Herrn C) erlassenen Zwischenentscheid vom 25.08.2020 aufzuheben;Randnummer14

2. festzustellen, dass das Schiedsgericht zur Entscheidung über die in der Schiedsklage vom 16.04.2019 angekündigten Anträge unzuständig ist.Randnummer15

Die Antragsgegnerin beantragt,Randnummer16

die Anträge zurückzuweisen.Randnummer17

Sie verteidigt den Zwischenentscheid und ist der Ansicht, dass § 19 des Gesellschaftsvertrages in Beschlussmängelstreitigkeiten einerseits und sonstige Streitigkeiten andererseits aufgeteilt werden könne. Dem Gesellschaftsvertrag sei nämlich ohne Weiteres zu entnehmen, welche Rechtshandlungen und Maßnahmen Gegenstand einer Beschlussfassung der GesellschafterversammlungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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Gesellschafterversammlung
sind und welche nicht. Maßgeblich sei eine objektive Auslegung, die die Ansicht des Schiedsgerichts bestätige. Aus Wortlaut sowie Sinn und Zweck der Klausel ergäbe sich, dass gesellschaftsinterne Streitigkeiten, gleich welcher Art, soweit als möglich der staatlichen Gerichtsbarkeit entzogen werden sollten. Mit Rücksicht auf § 20 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrages sei davon auszugehen, dass die Klausel zumindest insoweit als weiterhin wirksam zu erachten sei, als diese gerade nicht Beschlussmängelstreitigkeiten beträfe. Die Begründung unterschiedlicher Zuständigkeiten stehe dieser Auslegung nicht entgegen, da die Beteiligten ohne Weiteres zwischen Beschlussmängelstreitigkeiten und sonstigen gesellschaftsrechtlichen Binnenstreitigkeiten unterscheiden und dementsprechend den richtigen Rechtsweg wählen könnten. Zudem stehe der jeweils beklagten Partei in beiden Verfahren die Möglichkeit offen, die Einrede des Schiedsvertrages gemäß § 1032 Abs. 1 ZPO bzw. die Rüge der Unzuständigkeit des Schiedsgerichts gemäß § 1040 Abs. 2 S. 1 ZPO zu erheben, in beiden Fällen würde das Verfahren durch die Erhebung der Einrede gleichermaßen verzögert. Die prozessuale Waffengleichheit sei kein Argument gegen die vom Schiedsgericht vorgenommene Auslegung. Die Gründungsgesellschafter hätten sich bei der Errichtung der Antragsgegnerin einvernehmlich darauf geeinigt, nach Möglichkeit sämtliche gesellschaftsinterne Streitigkeiten ohne Anrufung der staatlichen Gerichte entscheiden zu lassen. Den Ver lust zweier Rechtsmittelinstanzen seien sie ersichtlich bewusst eingegangen, weil sie die Vorteile des Schiedsverfahrens als vorteilhafter gegenüber den mehrinstanzlichen Verfahren vor staatlichen Gerichten angesehen hätten. Zudem könne die vorgeblich unzumutbare Aufspaltung der Rechtswegzuständigkeit durch eine entsprechende Neufassung von § 19 des Gesellschaftsvertrages behoben werden, die Antragsteller hätten, so die Behauptung der Antragsgegnerin, die Neufassung bislang aber durchweg abgelehnt. Sie ist weiter der Ansicht, dass die getroffene Auslegung Bestätigung auch durch Verwendung einer gleichlautenden Klausel im Schiedsvertrag fände.

II.

A)

Der statthafte und auch im Übrigen zulässige Antrag zu 1 auf Aufhebung des Zwischenentscheids des Schiedsgerichts vom 25.08.2020 ist begründet.

I)Randnummer19

Der Antrag ist statthaft gemäß § 1040 Abs. 3 Satz 1 ZPO.Randnummer20

Ferner ist der Antrag zulässig, denn er ist innerhalb eines Monates nach der schriftlichen Mitteilung des Zwischenentscheides eingereicht (§§ 1040 Abs. 3 Satz 1, 222 Abs. 2 ZPO, § 188 Abs. 2 BGB).Randnummer21

Die örtliche und sachliche Zuständigkeit des Oberlandesgerichts Köln folgt gemäß § 281 Abs. 2 Satz 2 ZPO aus der Bindungswirkung des Verweisungsbeschlusses des Oberlandesgerichts Hamm vom 02.11.2020 (Bl. 78 ff GA), sie ergibt sich im Übrigen aus § 1062 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 5 ZPO, § 1 SchiedsRGerEKonzV NW.

II)

Der Antrag ist begründet.Randnummer23

Der Zwischenentscheid des Schiedsgerichts vom 25.08.2020 ist aufzuheben, weil das Schiedsgericht seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen hat. Es ist für die von der Antragsgegnerin beabsichtigte Klage nicht zuständig, denn die mit § 19 des Gesellschaftsvertrages vereinbarte Schiedsklausel ist aufgrund der Einbeziehung auch von Beschlussmängelstreitigkeiten gemäß § 138 Abs. 1 BGB nichtig.

1.

Die Schiedsklausel ist gemäß § 138 Abs. 1 BGB insoweit nichtig, als sie Beschlussmängelstreitigkeiten einbezieht. Diesbezüglich sichert sie die Belange der von der Rechtskraftwirkung analog §§ 248 Abs. 1 Satz 1, 249 Abs. 1 Satz 1 AktG potentiell berührten Gesellschafter nicht in einer den Geboten des Rechtsstaatsprinzips genügenden Weise (vgl. BGH, Urteil vom 06.04.2009 – II ZR 255/08 -, BGHZ 180, 221-235, Rn. 23, juris – „Schiedsfähigkeit IIBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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“).Randnummer25

Nach § 138 Abs. 1 BGB sind Schiedsvereinbarungen nichtig, wenn sie eine übermäßige Einschränkung des Rechtsschutzes zum Gegenstand haben. Ihre Wirksamkeit setzt deshalb die Erfüllung von Mindestanforderungen voraus, die der Bundesgerichtshof in seinem vorzitierten Urteil (a. a. O., Rn. 20) für die Schiedsfähigkeit von BeschlussmängelstreitigkeitenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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klargestellt hat:Randnummer26

(1) Die Schiedsabrede muss grundsätzlich mit Zustimmung sämtlicher Gesellschafter in der Satzung verankert sein; alternativ reicht eine außerhalb der Satzung unter Mitwirkung sämtlicher Gesellschafter und der Gesellschaft getroffene Absprache aus.Randnummer27

(2) Jeder Gesellschafter muss – neben den Gesellschaftsorganen – über die Einleitung und den Verlauf des Schiedsverfahrens informiert und dadurch in die Lage versetzt werden, dem Verfahren zumindest als Nebenintervenient beizutreten.Randnummer28

(3) Sämtliche Gesellschafter müssen an der Auswahl und Bestellung der Schiedsrichter mitwirken können, sofern nicht die Auswahl durch eine neutrale Stelle erfolgt; im Rahmen der Beteiligung mehrerer Gesellschafter auf einer Seite des Streitverhältnisses kann dabei grundsätzlich das Mehrheitsprinzip zur Anwendung gebracht werden.Randnummer29

(4) Schließlich muss gewährleistet sein, dass alle denselben Streitgegenstand betreffenden Beschlussmängelstreitigkeiten bei einem Schiedsgericht konzentriert werden.Randnummer30

Diesen Anforderungen genügt die hiesige Klausel nicht, was auch keine der Parteien in Zweifel zieht.

2.

Zu Recht hat das Schiedsgericht eine bloße Teilnichtigkeit der Klausel gemäß den Anforderungen des § 139 BGB in direkter Anwendung verneint.Randnummer32

Der Klausel fehlt es mangels Zerlegbarkeit an der erforderlichen eindeutigen Abgrenzbarkeit des sittenwidrigen Teils (Beschlussmängelstreitigkeiten) von dem von der Sittenwidrigkeit nicht berührten Teil (alle weiteren Streitigkeiten) (vgl. Ellenberger in Palandt, BGB, 78. Aufl., § 139 Rn. 10; MüKoBGB/Busche, 8. Aufl. 2018, BGB § 139 Rn. 24).

3.

Auch bei entsprechender Anwendung von § 139 BGB ist die Schiedsklausel insgesamt nichtig.Randnummer34

Nach der auch vom Schiedsgericht in Bezug genommenen Rechtsprechung des Bundesgerichtshof ist § 139 BGB nach seinem Sinngehalt grundsätzlich auch dann anwendbar, wenn die Parteien anstelle der nichtigen Regelung, hätten sie die Nichtigkeit gekannt, eine andere, auf das zulässige Maß beschränkte vereinbart hätten. Grund ist, dass es vielfach nur eine Frage der Formulierung der Vertragsbestimmung ist, ob der nichtige Teil ohne weiteren Eingriff beseitigt werden kann oder ob sie zu dessen Eliminierung neu gefasst werden muss (vgl. BGH, Urteil vom 05.06.1989 – II ZR 227/88 -, Rn. 16; BGH, Urteil vom 19.09.1988 – II ZR 329/87 -, BGHZ 105, 213-222, Rn. 19, jeweils juris). Unabdingbar nötig ist aber, dass sich der Vertragsinhalt in eindeutig abgrenzbarer Weise in den nichtigen Teil und den von der Nichtigkeit nicht berührten Rest aufteilen lässt. Der von § 139 BGB geregelte Bereich ist überschritten, wenn an die Stelle der nichtigen Bestimmung eine von mehreren denkbaren wirksamen Regelungen gesetzt werden müsste (vgl. BGH, Urteil vom 05.06.1989 – II ZR 227/88 -, Rn. 16).Randnummer35

Ob diese Rechtsprechung auf den vorliegenden Sachverhalt Anwendung finden kann, ist zweifelhaft. Der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 05.06.1989 (a. a. O.) lag eine Klausel zugrunde, die ihrem Wortlaut nach durch „Herausstreichen“ der fraglichen Formulierung in einen nichtigen und in einen wirksamen Teil gespalten werden konnte. Das ist hier, wie dargestellt, zumindest dem Wortlaut nach nicht der Fall.Randnummer36

Ob die Möglichkeit einer Aufspaltung der vorbezeichneten Art gleichwohl anzunehmen ist, wenn wie hier vom Schiedsgericht im Ergebnis vertreten, eine solche ohnehin nur in die von der Nichtigkeit betroffenen Beschlussmängelstreitigkeiten einerseits und alle übrigen Binnenstreitigkeiten anderseits möglich wäre, bedarf keiner Entscheidung. Denn auch unter dieser Vorgabe bleibt es bei der Gesamtnichtigkeit der Klausel.Randnummer37

a) Zu Recht hat das Schiedsgericht für die Bestimmung dessen, was die Parteien bei Kenntnis von der Nichtigkeit gewollt hätten, eine objektive Auslegung vorgenommen.Randnummer38

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes sind körperschaftliche Satzungsbestimmungen mit Rücksicht auf ihre einheitliche und gleichmäßige Geltung für alle gegenwärtigen und zukünftigen Gesellschafter und für alle Gläubiger einer normenähnlichen, d.h. objektiven Auslegung zu unterziehen. Ausgangspunkt der Auslegung von Bestimmungen mit körperschaftlichem Charakter ist deren Wortlaut. Dieser ist jedoch nicht allein maßgebend; vielmehr müssen ergänzend der Sinnzusammenhang des Vertrages und der erkennbare Zweck der Regelung berücksichtigt werden. Auch eine ergänzende Vertragsauslegung zur Schließung von Lücken im Gesellschaftsvertrag ist möglich, sofern damit nur der Zweck verfolgt wird, die schon in der Vertragsurkunde selbst angelegte Regelung zu einem sinnvollen Ganzen zu ergänzen. Entgegen der Ansicht der Antragsteller ausgeschlossen ist ein Rückgriff auf nicht allgemein erkennbare Umstände wie die Entstehungsgeschichte der Satzung, etwaige Vorentwürfe sowie Vorstellungen und Äußerungen von Personen, die an der Abfassung des Gesellschaftsvertrages mitgewirkt haben (vgl. Senat, Urteil vom 26.03.1999 – 19 U 108/96 -, Rn. 58 m. w. N., juris).Randnummer39

b) Dem Schiedsgericht mag zu seinen Ausführungen zu Wortlaut und Gesamtzusammenhang der Klausel zuzugeben sein, dass Ziel einer Schiedsklausel in der Regel eine nicht-öffentliche, zügige, in einer Instanz erledigte und im Vergleich zum Rechtszug vor den staatlichen Gerichten regelmäßig kostengünstigere Entscheidung oder einvernehmliche Erledigung der Streitfragen ist.Randnummer40

Dies ist jedoch ein genereller Zweck einer solchen Klausel. Welche Bedeutung er für die hiesige Regelung hat, lässt sich daraus nicht ableiten.Randnummer41

Vielmehr gibt der Wortlaut, wonach „alle“ Streitigkeiten aus dem Gesellschaftsverhältnis einer Entscheidung durch das Schiedsgericht zugeführt werden sollen, Aufschluss darüber, dass vor allem eine einheitliche Regelung für sämtliche Streitigkeiten bezweckt war. Dies legt nahe, dass für den Fall, dass eine der „Streitigkeiten“ der Schiedsgerichtsbarkeit nicht zugänglich, sondern von einem ordentlichen Gericht zu entscheiden ist, dies auch für die übrigen Streitigkeiten gelten soll.Randnummer42

c) Für eine seinem Wortlaut nach als Ziel zum Ausdruck kommende Gleichbehandlung sämtlicher Streitigkeiten spricht auch die damit als Zweck einhergehende Erleichterung bei der Prüfung, an welche Stelle sich eine Partei im Falle des Auftretens einer Streitigkeit zu wenden hat. Es mag, wie von der Antragsgegnerin dargestellt, Fälle geben, bei denen die Zuständigkeitsprüfung überschaubar scheint, wie §§ 10 Abs. 8, 14 Abs. 1 und Abs. 3 des Gesellschaftsvertrages. Zweifelsfälle sind gleichwohl nicht auszuschließen, gerade auch, wenn es zu Änderungen des Vertrages mit weiteren Regelungen kommen sollte.Randnummer43

Ferner ist es entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin gerade ein Argument für die vorgenommene Auslegung, dass bei einer gespaltenen Zuständigkeit in eingeleiteten Verfahren der Gegner entweder die Einrede des Schiedsvertrages (§ 1032 Abs. 1 ZPO) oder die Rüge der Unzuständigkeit (§ 1040 Abs. 2 S. 1 ZPO) erheben kann. Dies führt nicht nur zu einer Unsicherheit bei der wahl des Verfahrens, die es durch die Klausel zu vermeiden galt, sondern birgt aufgrund der abzuwartenden Rechtsauffassung des zur Entscheidung berufenen Spruchkörpers zugleich auch ein Kosten- und Zeitrisiko. Dass, wie vom Schiedsgericht ausgeführt, bei einer Gesamtnichtigkeit der Klausel verschiedene Verfahren beider Gattungen zu verschiedenen staatlichen Gerichten und/oder deren Spruchkörpern gelangen können, steht der Auslegung nicht entgegen. Denn hiermit geht, anders als bei einer Teilnichtigkeit, keine unterschiedliche Verfahrensweise bzw. Zuständigkeit des staatlichen Gerichts oder des Schiedsgerichts einher.Randnummer44

d) Die mit § 20 Abs. 2 Satz 1 des Gesellschaftsvertrages aufgenommene salvatorische Klausel führt nicht zu einer abweichenden Beurteilung. Denn darin kommt lediglich der Wille zum Ausdruck, dass die Wirksamkeit der „übrigen“ Bestimmungen von der Unwirksamkeit einer von ihnen nicht berührt werden soll. Hierdurch soll die Wirksamkeit der weiteren Vertragsbestimmungen in ihrer Gesamtheit gewährleistet werden, nicht jedoch die Wirksamkeit eines Teils einer einzelnen Klausel. Dafür spricht auch, dass Satz 2 der Klausel eine Regelung für die betreffende Bestimmung enthält und damit eine Differenzierung zwischen den weiteren Klauseln und der betroffenen vorgenommen wird.Randnummer45

e) Auch wenn die Parteien, wie von der Antragsgegnerin angeführt, durch die wahl des Schiedsverfahrens den Verlust zweier Rechtsmittelinstanzen bewusst in Kauf genommen haben sollten, geschah dies vor dem Hintergrund, eine einheitliche Regelung für sämtliche Streitigkeiten zu treffen, was hier aber nicht mehr erreicht werden kann.Randnummer46

f) Eine Neufassung der Schiedsklausel mag, wie von der Antragsgegnerin argumentiert, möglich sein, zu beurteilen ist jedoch die derzeit geltende Klausel. Ob die Antragsteller sich einer Änderung verweigern, kann dahinstehen, zumal mit dem hiesigen Verfahren erstmals eine Klärung der Wirksamkeit der Klausel und damit (ggf.) der Notwendigkeit einer Neufassung herbeigeführt wird.Randnummer47

g) Schließlich verleitet auch der Umstand, dass die Klausel ebenfalls in anderen Verträgen Verwendung gefunden hat, nicht zu einer abweichenden Beurteilung. Denn diese sind derselben Auslegung zu unterziehen.Randnummer48

h) Im Übrigen bedurfte es keiner (weiteren) Anhaltspunkte für eine Gesamtnichtigkeit. Nach § 139 BGB ist diese der Regelfall.

B)

Aufgrund vorstehender Ausführungen war ferner festzustellen, dass das Schiedsgericht zur Entscheidung über die in der Schiedsklage der Antragsgegnerin angekündigten Anträge unzuständig ist (Antrag zu 2).

C)

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.Randnummer51

Streitwert: 6.000 EUR (§ 48 Abs. 1 GKG i. V. m. § 3 ZPO: 1/5 des Hauptsachewertes von 30.000 EUR)

Löffler I www.K1.de I www.gesellschaftsrechtskanzlei.com I Gesellschaftsrecht I Schiedsfähigkeit I Erfurt I Thüringen I Sachsen I Sachsen-Anhalt I Hessen I Deutschland 2022

Schlagworte: Beschlussmängelstreitigkeit, Beschlussmängelstreitigkeiten, Schiedsfähigkeit, Schiedsfähigkeit I, Schiedsfähigkeit II, Schiedsfähigkeit III, Schiedsfähigkeit IV, Schiedsfähigkeit von Beschlussmängelstreitigkeiten

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OLG Köln, Beschluss vom 15. Oktober 2020 – 4 U 82/19

Donnerstag, 15. Oktober 2020

§ 708 BGB, § 522 Abs 2 Nr 4 ZPO

1. Es kann einen Verstoß gegen die Pflichten eines Geschäftsführers darstellen, dass er es versäumt hat, hinsichtlich der Enwicklung und Produktion eines Erfrischungsgetränks wenigstens die dem Prokuristen zugeleiteten Unterlagen eines hinzugezogenen Instituts und des Landesamts für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen (LANUV) betreffend die lebensmittelrechtliche Zulässigkeit des Produkts selbst auf ihre Plausibilität hin zu überprüfen.

2. Dass ein Gesellschafter sich durch eine schadenbegründende Handlung zugleich selbst schädigt, reicht zum Nachweis der nicht auf den konkreten Schädigungsfall, sondern auf das generelle Verhalten des Schädigers in dem entsprechenden Pflichtenkreis abstellenden Entlastungsvoraussetzungen des § 708 BGB nicht aus (vgl. BGH, Urteil vom 24. September 2013, II ZR 391/12).

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 3. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln vom 28. März 2019 – 83 O 64/17 wird zurückgewiesen.

2. Die Berufungsrücknahme des Klägers hat den Verlust des eingelegten Rechtsmittels zur Folge.

3. Die Kosten der Berufungsverfahren tragen der Kläger zu 43% und die Beklagten zu 57%.

4. Das angefochtene Urteil und dieser Beschluss sind vorläufig vollstreckbar. Dem jeweiligen Vollstreckungsschuldner bleibt vorbehalten, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger zuvor Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

5. Der Streitwert für das Berufungsverfahren des Klägers und der Beklagten wird auf jeweils 50.000 EUR festgesetzt. Der Gesamtstreitwert wird für die Zeit bis zum 6. August 2020 auf 100.000 EUR und für die Zeit danach auf 50.000 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Die Kläger, ein Onkel der Beklagten, ist mit einem Anteil von 38% Gesellschafter der Privatbrauerei A B & Co. oHG (im Folgenden: A oder oHG) und wendet sich gegen Beschlüsse über die Verwendung des 2016 erwirtschafteten Gewinns sowie die dem Beklagten zu 1) für jenes Geschäftsjahr erteilte Entlastung als Geschäftsführer. Die Beschlüsse der Gesellschafterversammlung, an der – anders als in den Entscheidungsgründen des landgerichtlichen Urteils (LU, Seite 14) ausgeführt ist – anstelle der Beklagten zu 2) und 3) unstreitig nicht der Beklagte zu 1), sondern Rechtsanwalt Dr. C als deren Vertreter teilgenommen hat, sind mehrheitlich am 16. Oktober 2017 gefasst, und zwar derjenige über die Entlastung des Beklagten zu 1) als Geschäftsführer (TOP5) mit den Stimmen der Beklagten zu 2) und 3), die als Erben ihres am 17. Januar 2017 verstorbenen Vaters D B, eines Bruders des Klägers, jeweils Anteile von rund 20,67% an der A halten, und derjenige über die Gewinnverwendung (TOP4) zusätzlich mit den Stimmen des Beklagten zu 1), der bereits vor dem Tod von D B mit 15% beteiligt war, nunmehr gleichfalls rund 20,67% der Anteile an der A hält (Anlage K2, 7 ff.) und das Amt des Geschäftsführers der A bereits seit mehr als 10 Jahren bekleidet.

1. Die A betreibt eine Brauerei. Ihr ursprünglich mit Fremdmitteln im unteren zweistelligen Millionenbereich finanzierter Produktionsstandort befindet sich seit 2016 im E Stadtteil F. Gegenstand des Unternehmens der A ist die Herstellung und der Vertrieb von Bier und bierähnlichen Erzeugnissen (§ 2 (1) des Gesellschaftsvertrages (im Folgenden: GV)). § 9 GV befasst sich mit der Verwendung des jährlichen Reingewinns der Gesellschaft. § 14 (2) GV schreibt vor, dass grundsätzlich nur männliche Nachkommen des Gründungsgesellschafters zu geschäftsführenden Gesellschaftern bestellt werden sollen, diese jedoch die fachlichen und persönlichen Voraussetzungen für die Leitung des Unternehmens haben müssen. Der Gesellschaftsvertrag enthält in § 16 Zustimmungsvorbehalte. Unter anderem bedarf die Geschäftsführung zur Vornahme von über den gewöhnlichen Geschäftsbetrieb hinausgehenden Geschäften der Zustimmung der GesellschafterversammlungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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(§ 16 Abs. 1 GV). Als ungewöhnlich eingestuft sind insbesondere die Aufnahme von Krediten und die Übernahme von Bürgschaften (§ 16 Abs. 2 d GV) sowie die Vornahme von Investitionen, die im Einzelfall den Betrag von 20.000,00 DM übersteigen (§ 16 Abs. 2 f GV), wobei dieser Schwellenwert durch Beschluss der Gesellschaftersammlung vom 15. Januar 1973 auf 100.000,00 DM erhöht worden ist. Nach § 19 (2) GV werden Beschlüsse der Gesellschafterversammlung mit einfacher Mehrheit gefasst, soweit nicht Gesetz oder Gesellschaftsvertrag etwas anderes vorschreiben. § 20 (1) GV fordert für Beschlüsse, die eine Änderung des Gesellschaftsvertrages zum Gegenstand haben, eine Mehrheit von 75% aller berechtigten Stimmen.

2. Der Kläger hat dem Beklagten zu 1) vorgeworfen, er habe seine Pflichten als Geschäftsführer der A verletzt und sei gegenüber der Gesellschaft zum Schadensersatz verpflichtet, weil er zum einen ohne Herbeiführung von Gesellschafterbeschlüssen 2015 unter Verstoß gegen lebensmittelrechtliche Vorschriften ein Erfrischungsgetränk habe entwickeln und 2016 produzieren sowie vertreiben lassen und – was unstreitig ist – er zum anderen in der Zeit vom 2. Februar bis zum 21. November 2016 zur Stützung der Liquidität der A G GmbH (im Folgenden: A G), eines verbundenen Unternehmens (wie aus der Übersicht in der Klageschrift vom 19. Dezember 2017 (GA I 7 f.) ersichtlich)  ohne Herbeiführung von Gesellschafterbeschlüssen in Teilbeträgen zwischen 20.000,00 EUR und 200.000,00 EUR vierzehn als Darlehen gebuchte Zahlungen der A in Höhe von insgesamt 1.075.000,00 EUR veranlasst habe. Beides sei dem Beklagten zu 1) als Geschäftsführer der A anzulasten. Ihm sei in treuwidriger Weise Entlastung erteilt worden. Den Vorwürfen liegen folgende Vorgänge zugrunde:

a) Der Beklagte zu 1) erwog ab Anfang 2015, unter dem Namen „H“ ein durch Aufguss aus den Schalen der Kaffeekirsche gewonnenes teeartiges Erfrischungsgetränk herzustellen. Im Frühjahr 2015 ließ die A prüfen, ob es sich hierbei um ein neuartiges Lebensmittel im Sinne von Art. 1 Abs. 2 der Verordnung (EG) 258/97 über neuartige Lebensmittel und neuartige Lebensmittelzutaten vom 27. Januar 1997 (ABl. Nr. L 43 vom 14. Februar 1997, S. 1) (im Folgenden: Novel-Food-Verordnung) handelt. Mit Schreiben vom 2. März 2015 (Anlage K8, AH I 58 ff.) teilte die zwecks Beratung hinzugezogene SGS Institut Fresenius GmbH (im Folgenden: Fresenius) der A zu Händen ihres innerhalb der Geschäftsleitung u.a. für das Brauereiwesen zuständigen Prokuristen I mit, dass das Produkt ihrer Auffassung nach keiner Zulassung nach der Novel-Food-Verordnung bedürfe, empfahl jedoch, eine gegebenenfalls durch eine Einschätzung des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (im Folgenden: BVL) zu ergänzende Bestätigung der für die Lebensmittelüberwachung zuständigen Landesbehörde  einzuholen. Das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen (im Folgenden: LANUV) teilte auf Anfrage der A durch gleichfalls an deren Braumeister und Prokuristen I adressiertes Schreiben vom 3. Juni 2015 (Anlage K9, AH I 63 f.) mit, ihm lägen derzeit keine Belege darüber vor, dass der beschriebene Extrakt als „nicht neuartig“ im Sinne der Novel-Food-Verordnung anzusehen sei. Auch die Stellungnahme von Fresenius könne dies nach dortiger Ansicht nicht belegen, weil darin in erster Linie darauf verwiesen werde, dass in der Vergangenheit die KaffeeVO unterschiedliche Gehalte an Fremdbestandteilen (u.a. Schalenanteilen) toleriere. Die von Fresenius gezogene Schlussfolgerung, dass daraus unmittelbar die unbeschränkte Verkehrsfähigkeit von Schalen der Kaffeekirsche wie auch von Extrakten folge, werde nicht geteilt. Letztlich sei eine Verkehrshistorie in der EU vor dem 15. Mai 1997 nachzuweisen. Den Ausführungen von Fresenius, wonach ein aus den Schalen der Kaffeekirsche gewonnenes Erzeugnis im Jemen und Arabien den Status eines Nationalgetränks besäße, komme insoweit keine Bedeutung zu. Das Schreiben des LANUV schließt mit der Mitteilung, eine Kopie des Schreibens werde an die für die A zuständige Lebensmittelüberwachungsbehörde der Stadt E weitergeleitet. Auf eine Bitte um Stellungnahme teilte Fresenius dem Mitarbeiter der A I mit E-Mail vom 25. Januar 2016 (Anlage K10, AH I 66) u.a. Folgendes mit:

Die vom LANUV (…) geforderte Verzehrhistorie in der EU vor dem 15. Mai 1997 wird eindrucksvoll durch die lebensmittelrechtliche und analytische Begleitentwicklung in Deutschland über einen Zeitraum von mehr als 130 Jahren belegt. In direkter Folge ist auch unmittelbar abzuleiten, dass die Verzehrmenge entsprechender Extrakte durch den menschlichen Verbraucher zumindest seit Mitte des 19. Jahrhunderts und bis heute im gesamten deutschen Rechtsraum in signifikanten Umfängen und Mengen erfolgt. Details hierzu bitten wir unserem Abschlussbericht vom 12. März 2015 zu entnehmen.

Angesichts der weitverbreiteten und zeitlich sehr langen Verwendung sind Extrakte aus getrockneten Schalen der Kaffeekirsche nicht als „neuartig“ im Sinne der Novel Food VO (EG) Nr. 258/97 einzustufen. Dies wird nach unserer Bewertung auch durch den Novel Food Katalog der Europäischen Kommission bestätigt.

Diese E-Mail wurde von der A an die mit Fragen des gewerblichen Rechtsschutzes befasste Rechtsanwältin Dr. J mit der Bemerkung „Wir belassen es dabei“ weitergeleitet, welche kurz mit „Gute Entscheidung“ antwortete und ein „Daumenhoch“-Zeichen hinzusetzte.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 19. November 2015 (Anlage K21, AH II 230 f.) hatte der Kläger gegenüber den früheren anwaltlichen Beratern des Beklagten zu 1) beanstandet, dass die Herstellung und der Vertrieb von H nicht vom Unternehmensgegenstand der A gedeckt sei, und forderte den Beklagten zu 1) auf, dadurch verursachte Kosten zu ersetzen. Der 2016 vorgenommenen Markteinführung unter dem Namen „H K“ mit durch Beimischung von 5% alkoholfreiem Bier geringfügig veränderter Rezeptur folgte die Entscheidung des Beklagten zu 1) zur Produkteinstellung im Juni 2017, nachdem in einem sogenannten Memo seiner Prozessbevollmächtigten vom 14. jenes Monats (Anlage K12, AH I 70 ff.) auf Bedenken gegen die lebensmittelrechtliche Beurteilung des Sachverhalts durch Fresenius hingewiesen worden war.

Der Kläger, der die Produktentwicklung und Markteinführung für pflichtwidrig hält, hatte bereits 2016 für die A in dem durch Beschluss des 18. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 1. Oktober 2018 bis zur Erledigung der vorliegenden Sache gemäß § 148 ZPO ausgesetzten Rechtsstreit 87 O 26/16 LG Köln = 18 U 89/17 OLG KölnBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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im Wege der actio pro socio Ersatzforderungen in Höhe von 38.726,95 EUR geltend gemacht und um die Feststellung der Ersatzpflicht für weitere Schäden nachgesucht. In dem Anhang zur Bilanz der A zum 31. Dezember 2016 wird darauf hingewiesen, dass mit Rücksicht auf die vorübergehende Einstellung des Vertriebs von „H K“ bilanzierte Aufwendungen für Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe außerplanmäßig in Höhe eines Betrages von 330.000,00 EUR abgeschrieben worden seien (Anlage K13, AH I 76 ff.). Mit einer beim Landgericht Wiesbaden (Az. 12 O 33/18) eingereichten Klage vom 27. Dezember 2017 hat die oHG von Fresenius Ersatz des ihr aus einer angeblichen Fehlberatung entstandenen Schadens verlangt. Diesen hat sie zunächst auf 319.852,52 EUR beziffert (GA II 493) und nach einer Klageerweiterung gemäß Schriftsatz vom 27. Dezember 2018 (Anlage K36, Anlagenband 1) zuletzt mit 537.946,87 EUR geltend gemacht.

b) Die oHG steht an der Spitze der A-Gruppe. Sie hält 100% der Anteile der A L GmbH (im Folgenden: A L). Diese betreibt im M in E ein Brauhaus. Zur Firmengruppe gehörte ferner die A G GmbH (im Folgenden: A G). Diese hat mit eigenem Inventar ein Brauhaus in N betrieben und war über die A L, die 100 % der Anteile hielt, mit der A verbunden. Zwischen der A L und der A G bestand ein „Organschaftsvertrag“ (Beherrschungs- und Ergebnisabführungsvertrag). Der Geschäftsbetrieb der A G, deren Gründung durch die A L in der Gesellschafterversammlung der A vom 25. Juni 2015 (Anlage B15, AH I 208 f.) bei Stimmenthaltung durch den Kläger einstimmig beschlossen wurde, führte zu Verlusten von 843.000 EUR (2016) und 224.000 EUR (2017), die aufgrund des Ergebnisabführungsvertrags die A L trug. Im Mai 2017 verkaufte die A G ihr Inventar an die A. Den Gesamtpreis haben die Beklagten in erster Instanz auf 1.160.285,71 EUR beziffert (GA I 141, II 237) und im Berufungsrechtszug lediglich noch mit 1.097.980,99 EUR angegeben, was dem Buchwert abzüglich eines „Sicherheitsabschlags“ von 20% entsprochen haben soll (GA II 384). Ferner haben sie die Verrechnung der Kaufpreisschuld mit der Darlehensforderung der A vorgetragen (GA I 141, II 237), wobei der Kläger im ersten Rechtszug mit nachgelassenem Schriftsatz vom 7. März 2019 (GA II 282) geltend gemacht hat, dass diese der Beschlussfassung vom 16. Oktober 2017 nachgefolgt sei. Nach Aufgabe ihres Geschäftsbetriebs im April 2017 ist die A G im Januar 2018 auf die A L verschmolzen worden (GA II 284). Die A hat die Geschäftsräume in N zwischenzeitlich neu verpachtet. Darüber hinaus war die A an zwei Getränkefachgroßhändlern, der O P GmbH & Co. KGBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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KG
(im Folgenden: P) und der Q & R Getränke GmbH (im Folgenden: Q&R) beteiligt. Letzterer hatte die Geschäftsführung der A zum Zwecke des Ausgleichs von Verlusten Darlehen gewährt, ohne um die Zustimmung der GesellschafterversammlungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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nachzusuchen (GA I 140 f.), wobei zwischen den Parteien streitig ist, ob es sich um jährlich wiederkehrende, sich auf einen Gesamtdarlehensbetrag von rund 3,89 Mio. EUR summierende Liquiditätszuschüsse (GA I 140 f.) oder um einen einmaligen Vorgang mit einer Darlehenssumme von 125.000,00 EUR (GA I 212) gehandelt hat. Einigkeit besteht darüber, dass von der A sogenannte Brauereidarlehen an einzelne Gastwirte, die im Gegenzug eine Bierbezugsverpflichtung eingingen, nur nach im Umlaufverfahren gefassten Gesellschafterbeschlüssen ausgereicht wurden, sobald die Darlehenssumme 50.000,00 EUR überstieg.

3. Nach dem zu TOP4 gefassten Gewinnverwendungsbeschluss für 2016 sind von dem Jahresergebnis von 4.800.864,70 EUR dem Kläger mit Rücksicht auf § 9 (1) a) GV 81.014,41 EUR und mit Rücksicht auf § 9 (1) c) GV weitere 350.954,31 EUR zugewiesen worden (Anlage K3, AH I 15).

Der Kläger ist der Ansicht, dies verstoße gegen § 9 (1) c GV, weil mehr thesauriert worden sei, als es der ihn treffenden Steuerbelastung entsprochen habe. Tatsächlich stünde ihm eine höhere Steuerentnahme zu. Nachdem er seine auf Einkünfte aus der A entfallende anteilige Steuerbelastung in erster Instanz zunächst auf 454.714,42 EUR (Anlage K5, AH I), alsdann auf 474.877,13 EUR (Anlage K19, AH II) und mit nachgelassenem Schriftsatz vom 7. März 2019 (GA II 273) schließlich auf 496.632,95 EUR beziffert hat, hat der Kläger seine anteilige Steuerbelastung, welche in allen Fällen ohne Berücksichtigung steuermindernder Sonderbetriebsausgaben ermittelt ist, im Berufungsrechtszug mit lediglich 447.313,40 EUR angegeben (Anlage K32, GA II 399 f.).

Diesem Vorbringen sind die Beklagten bereits in erster Instanz unter anderem dahingehend entgegengetreten, dass die Steuerbelastung des Klägers unter Berücksichtigung seiner sich auf rund 750.000 EUR belaufenden und im Wesentlichen auf Anwaltskosten für die Rechtsberatung und Vertretung seiner Interessen im Rahmen gesellschaftsrechtlicher Auseinandersetzungen mit dem Beklagten zu 1) und dem früheren Mitgesellschafter D B beruhenden Sonderbetriebsausgaben die beschlossene Steuerentnahme nicht übersteige.

4. Das Landgericht hat die Nichtigkeit des Entlastungsbeschlusses festgestellt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Es hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: Der Beschluss über die Entlastung sei nichtig. Allerdings könne von einer eindeutigen und schwerwiegenden Pflichtverletzung nicht ausgegangen werde, soweit der Beklagte zu 1) die Entwicklung des teeartigen Erfrischungsgetränks aus dem Extrakt der Kaffeekirsche vorangetrieben haben. Dieses Projekt sei jedenfalls mit später veränderter Rezeptur vom Unternehmensgegenstand gedeckt und nach der eingeholten Expertise von Fresenius jedenfalls nicht eindeutig gesetzeswidrig gewesen. Da derzeit frustrierte Aufwendungen lediglich in Höhe von 37.582,25 EUR belegt seien, könne insoweit auch nicht von einem Verstoß des Beklagten zu 1) gegen § 16 GV ausgegangen werden (LU, Seite 12 f.). Demgegenüber habe der Beklagte zu 1) gegen die innergesellschaftliche Kompetenzordnung verstoßen, indem er die Liquiditätshilfen für die A G bewilligt habe, ohne eine Entscheidung der Gesellschafterversammlung einzuholen. Die Satzung der A sei dahin auszulegen, dass zu Vermögensabflüssen von mehr als rund 50.000 EUR  führende Geschäfte zustimmungspflichtig seien. Bereits aufgrund dieses eindeutigen Satzungsverstoßes durch den Beklagten zu 1) sei dessen Entlastung treuwidrig gewesen. Darauf, ob der A ein Schaden entstanden sei, komme es ebenso wenig an wie auf die Frage, ob der Beklagte zu 1) die ihm von dem Beklagten zu 2) und 3) erteilten Vollmachten missbräuchlich genutzt habe, um einen entsprechenden Beschluss herbeizuführen (LU, Seite 13 f.). Der Gewinnverwendungsbeschluss sei nicht zu beanstanden. Die auf die Gesellschaftsbeteiligung entfallende anteilige Steuerbelastung des Klägers sei nach den konkreten steuerlichen Verhältnissen unter Einschluss etwaiger Sonderbetriebsausgaben zu ermitteln. Daran gemessen habe der Kläger, auf dessen Steuerbelastung es als dem Gesellschafter mit dem höchsten Anteil ankomme, nicht hinreichend dargelegt, dass die konkrete Steuerbelastung die beschlossene Steuerentnahme übersteige (LU, Seite 14 ff.).

5. Der Kläger hat seine form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung, mit welcher er sein auf Feststellung der Unwirksamkeit des Gewinnverwendungs-beschlusses gerichtetes Begehren weiterverfolgt hat, auf die gemäß Senatsbeschluss vom 9. Juli 2020 erteilten Hinweise (GA III 555 ff.) mit dem am 6. August 2020 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz vom 4. August 2020 (GA III 612) zurückgenommen.

6. Mit ihren form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufungen verfolgen die Beklagten ihren Klageabweisungsantrag, soweit diesem durch das Landgericht nicht entsprochen worden ist, unter Wiederholung, Vertiefung und Ergänzung ihres erstinstanzlichen Vorbringens weiter. Sie halten die vom Landgericht vorgenommene Auslegung des § 16 (2) GV für inhaltlich falsch. Die Frage, ob eine Geschäftsführungsmaßnahme ungewöhnlich sei, beurteile sich nur für Investitionen, denen in der A üblicherweise ohne Einschaltung der Gesellschafterversammlung gewährte Liquiditätshilfen für verbundene Unternehmen allerdings nicht zuzurechnen seien, nicht aber allgemein nach dem in lit. f) in der Fassung des Beschlusses der Gesellschaftersammlung vom 15. Januar 1973 bestimmten Schwellenwert von 100.000,00 DM. Die beanstandete Verletzung der innergesellschaftlichen Kompetenzordnung durch den Beklagten zu 1) könne im Übrigen auch deshalb nicht zur Nichtigkeit des von den Beklagten zu 2) und 3) gefassten Entlastungsbeschlusses führen, weil darin kein eindeutiger und schwerwiegender Gesetzes- oder Satzungsverstoß liege und es überdies an einem daraus erwachsenen Schaden fehle.

Die Beklagten beantragen,

das Urteil des Landgerichts Köln vom 28. März 2019 – 83 O 64/17 – teilweise abzuändern und die Klage vollumfänglich abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

  die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Er verteidigt die angefochtene Entscheidung, soweit diese den von der Gesellschafterversammlung der A gefassten Beschluss über die Entlastung des Beklagten zu 1) für das Geschäftsjahr 2016 zum Gegenstand hat.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die wechselseitig nebst Anlagen zu der Verfahrensakte gereichten Schriftsätze und auf den übrigen Inhalt der Verfahrensakte verwiesen.

II.

1. Die Berufungen der Beklagten sind gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil der Senat einstimmig der Überzeugung ist, dass deren Rechtsmittel offensichtlich unbegründet ist und eine Entscheidung darüber durch Urteil aufgrund mündlicher Verhandlung nicht geboten ist. Zur Begründung wird zunächst auf den Senatsbeschluss vom 9. Juli 2020 (GA III 555 ff.) Bezug genommen. Die Ausführungen der Beklagten gemäß Schriftsatz vom 3. August 2020 (GA III 594 ff.), auf dessen Inhalt Bezug genommen wird, rechtfertigen keine andere Beurteilung. Sie geben lediglich zu folgenden Ergänzungen Anlass:

a) Der Senat hat mit Beschluss vom 9 Juli 2020 (dort Seite 8 ff., GA III 562 ff.) ausgeführt, weshalb der Beklagte zu 1) für die Schäden ersatzpflichtig ist, die dadurch entstanden sind, dass er den Vertrieb des Erfrischungsgetränks wegen eines befürchteten Verstoßes gegen § 3 Abs. 1 und 2 der Verordnung zur Durchführung gemeinschaftsrechtlicher Vorschriften über neuartige Lebensmittel und Lebensmittelzutaten (in der Fassung der Bekanntmachung vom 27. Mai 2008, BGBl. I S. 919 (im Folgenden: NLV) in Verbindung mit Art. 3 Abs. 2 und 4 Novel-Food-Verordnung im Juni 2020 eingestellt hat. Mit der von den Beklagten angestellten Erwägung, dem Beklagten zu 1) könne wegen der Entwicklung und Produktion sowie dem Vertrieb von „H K“ schon deswegen nicht der Vorwurf einer schuldhaften Pflichtverletzung gemacht werden, weil er die Angelegenheit an den Braumeister und Prokuristen I delegiert habe, welcher ihm nach sachverständiger Beratung die lebensmittelrechtliche Zulässigkeit des Produkts bestätigt habe, lässt sich eine Schadenersatzpflicht des geschäftsführenden Gesellschafters der A auch mit Blick auf die Vorschrift des § 708 BGB nicht verneinen.

aa) Es stellt einen Verstoß des Beklagten zu 1) gegen seine Geschäftsführerpflichten dar, dass er es versäumt hat, die Entwicklung und die Produktion des unter den Namen „H K“ auf den Markt gebrachten teeartigen Erfrischungsgetränks, bevor damit erhebliche Kosten für das Unternehmen verursacht wurden, wenigstens die dem Prokuristen I von Fresenius und dem LANUV zugeleiteten Unterlagen betreffend die lebensmittelrechtliche Zulässigkeit des Produkts, selbst auf ihre Plausibilität zu überprüfen. Dann wäre ihm, wie der Senat mit Beschluss vom vom 9 Juli 2020 (dort Seite 11 f., GA III 565 f.)  sogleich, und ohne dass er sich um alle Einzelheiten zu kümmern brauchte, aufgefallen, dass die von dem LANUV geäußerten Bedenken gegen die tatsächliche und rechtliche Einschätzung des von dem Prokuristen I hinzugezogenen Lebensmittelinstituts durch dessen ergänzende Stellungnahme nicht ausgeräumt waren. Wie die zwischenzeitlich gegen Fresenius angestrengte Schadensersatzklage über 537.946,87 EUR zeigt, war die Änderung in der Produktpalette, zumal für ein Unternehmen, das, wie die A, zum Zwecke der Verlagerung seines Produktionsstandorts erhebliche Fremdmittel aufgenommen hatte, ein Vorgang von nicht unerheblichem wirtschaftlichen Gewicht. Als einziges Geschäftsleitungsmitglied der A durfte sich der Beklagte zu 1) nicht auf die im Betrieb der A möglicherweise sonst geübte Arbeitsteilung berufen oder allein auf den ihm rechtlich unterstellten Braumeister und Prokuristen I verlassen. Vielmehr trug er die volle, auch kaufmännische, Verantwortung für eine Veränderung der Produktpalette von solcher wirtschaftlicher Bedeutung. Entgegen der Ansicht der Beklagten (GA III 600) durfte er daher nicht einfach, wie er es getan haben will, die ihm von dem Prokuristen I mündlich bestätigte lebensmittelrechtliche Zulässigkeit des geplanten neuen Erfrischungsgetränks ungeprüft übernehmen. Anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass die mit Fragen des gewerblichen Rechtsschutzes befasste Rechtsanwältin Dr. J den Entschluss von Mitarbeitern der Geschäftsleitung der A, die Prüfung der lebensmittelrechtlichen Zulässigkeit des teeartigen Erfrischungsgetränks nicht weiter vertiefen zu wollen, guthieß. Denn auch diese Zustimmungsbekundung war (für den Beklagten zu 1) ersichtlich einer Plausibilitätsprüfung nicht zugänglich.

bb) Der Beklagte zu 1) hat auch schuldhaft gehandelt.

(1) Es kann dahinstehen, ob als Sorgfaltsmaßstab entgegen der Ansicht der Beklagten nicht die Vorschrift des § 708 BGB, der die Haftung der Gesellschafter für vertragswidriges Verhalten einschränkt, indem sie an die Stelle der nach § 276 Abs. 2 BGB maßgebenden verkehrserforderlichen Sorgfalt den Maßstab der Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten setzt, sondern gemäß § 14 (2) GV die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns maßgeblich ist, der über die fachlichen und persönlichen Voraussetzungen für die Leitung des Unternehmens der A verfügt. Selbst wenn den Beklagten darin zuzustimmen wäre, dass § 708 BGB nicht (stillschweigend) durch den Gesellschaftsvertrag abbedungen worden wäre, träfe die Beklagten, die sich auf den milderen Haftungsmaßstab berufen, die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der zu 1) beklagte geschäftsführende Gesellschafter in eigenen Angelegenheiten eine geringere als die im Verkehr erforderliche Sorgfalt anzuwenden pflegt. An diesen Beweis sind strenge Anforderungen zu stellen. Der Umstand, dass der Gesellschafter sich durch die schadensbegründende Handlung zugleich selbst geschädigt hat, reicht zum Nachweis der nicht auf den konkreten Schädigungsfall, sondern auf das generelle Verhalten des Schädigers in dem entsprechenden Pflichtenkreis abstellenden Entlastungsvoraussetzungen des § 708 BGB nicht aus (BGH, Urteil vom 24. September 2013 – II ZR 391/12 -, juris Rn. 14 mit weiteren Nachweisen). Die Darstellung der Beklagten, der Beklagte zu 1) gehe in eigenen Angelegenheiten nicht so vor, dass er zu jeder denkbaren Rechtsfrage einen Anwalt hinzuziehe, zumal, wenn die Angelegenheit durch einen Experten begutachtet worden sei, ist nicht geeignet Beweis dafür, dass er in eigenen Angelegenheiten eine geringere als die im Verkehr erforderliche Sorgfalt anzuwenden pflegt. Dass die Beklagten Vortrag dahin gehalten hätten, der Beklagte zu 1) komme ihm obliegenden Überwachungs- und Prüfungspflichten, wie sie nach Maßgabe der Ausführungen des Senats gemäß Beschluss vom 9. Juli 2020 (dort Seite 9 bis 12, GA III 578-581) im konkreten Fall erforderlich waren, immer leicht fahrlässig nicht nach und dies sei für die übrigen Gesellschafter erkennbar gewesen, ist nicht ersichtlich. Derartigen Vortrag zeigt auch die Erwiderung auf den Senatsbeschluss vom 9. Juli 2020 nicht auf. Ohne einen derartigen Vortrag ist davon auszugehen, dass der in Anspruch genommene Gesellschafter in eigenen Angelegenheiten die verkehrsübliche Sorgfalt anwendet (BGH, Urteil vom 26. Juni 1989 – II ZR 128/88, WM 1989, 1850, 1852 mwN).

(2) Auch kann der Beklagte zu 1) sich – anders, als die Erwiderung auf den Senatsbeschluss vom 9. Juli 2020 meint (GA III 602 ff.) – nicht auf einen das Verschulden ausschließenden entschuldbaren Rechtsirrtum berufen. Das bloße Vertrauen auf die eigene fehlerhafte Rechtsansicht, pflichtgemäß zu handeln, begründet noch keinen beachtlichen Rechtsirrtum (BGH, Urteil vom 11. Januar 1988 – II ZR 192/87 -, juris Rn. 19). Anderes ergibt sich auch nicht aus dem von den Beklagten angeführten Umstand, dass die Rechtslage in Bezug auf die lebensmittelrechtliche Zulässigkeit bzgl. der Produktentwicklung und Markteinführung von „H K“ nicht eindeutig (gewesen) sei. Der Senat muss nicht entscheiden, ob im Zeitpunkt der Entscheidungsfindung des Beklagten zu 1) eine unklare Rechtslage bestand oder ob es sich bei der Einschätzung von Fresenius um einen unzutreffenden und unplausiblen Rat bei eindeutiger Rechtslage gehandelt hat. Denn einem Geschäftsleiter könnte allenfalls dann zugebilligt werden, bei unklarer Rechtslage in bestimmten Grenzen auch das Risiko eines Rechtsverstoßes eingehen zu können, wenn er seiner Rechtsermittlungspflicht ordnungsgemäß nachgekommen wäre und dabei einen vertrauenswürdigen Rat erhalten hätte, der die Rechtmäßigkeit der beabsichtigten Maßnahme als ungewiss identifizierte, da die Rechtslage nicht abschließend geklärt sei (ausführlich dazu Verse, ZGR 2017, 174, 176 ff.). Gerade das war hier aber nicht der Fall. Nach dem Inhalt der Stellungnahme des LANUV zu der Einschätzung von FRESENIUS bestanden erkennbare Zweifel an der lebensmittelrechtlichen Zulässigkeit der geplanten Produkteinführung, welche, wie der Senat mit Beschluss vom 9. Juli 2020 (dort Seite 11 f., GA III 565 f.) erläutert hat, durch die ergänzenden Ausführungen des Lebensmittelinstituts ersichtlich nicht ausgeräumt waren. Dementsprechend wäre der Beklagte zu 1) als Geschäftsleiter zunächst einmal verpflichtet gewesen, die Rechtslage abschließend zu prüfen und bei fehlender eigener Sachkunde gezielt weiteren Rechtsrat einzuholen. Bereits dagegen hat er verstoßen.

b) Der Senat hat bereits in seinem Beschluss vom 9. Juli 2020 (dort Seite 14 f., GA III 568 f.) im Einzelnen ausgeführt, dass bei Fassung des Entlastungsbeschlusses zugunsten des Beklagten zu 1) für 2016 völlig ungewiss war, ob und in welchem Umfang die A Fresenius wegen eines unzutreffenden und unplausiblen Rats in Bezug auf die unter dem Produktnamen „H K“ geplante Markteinführung eines teeartigen Erfrischungsgetränks  würde mit Erfolg auf Schadenersatz in Anspruch nehmen können. Die Beklagten haben in ihrer Erwiderung keine neuen Gesichtspunkte aufgezeigt, die eine abweichende Beurteilung rechtfertigen würden. Die genaue Schadenshöhe war, wie die Beklagten selbst einräumen (GA III 608), überdies unklar. Bei dieser Sachlage war es zwingend geboten und den Beklagten zu 2) und 3) auch zumutbar, in der Gesellschafterversammlung vom 16. Oktober 2017 die Entlastung des Beklagten zu 1) als Geschäftsführer für das Geschäftsjahre 2016 abzulehnen und der A damit Schadensersatzansprüche zumindest offen zu halten. Indem sie ohne zuverlässige Kenntnis über den Ausgang einer möglichen Schadenersatzklage gegen Fresenius darauf verzichteten, eine abschließende Schadensermittlung abzuwarten, haben die Beklagten zu 2) und 3) die Interessen der oHG in einem Maße hintangestellt, das den Schluss nahelegt, dass sie um ihrer persönlichen Beziehungen zu dem Beklagten zu 1) willen, allein in der Absicht, die Ausschlusswirkung der Entlastung für erkennbare Schadensersatzansprüche gegen den Beklagten zu 1) herbeizuführen, für die Entlastung gestimmt haben. Damit haben sie ihre gesellschaftliche Treuepflicht verletzt.

c) Ungeachtet der von den Beklagten erhobenen Einwände (GA III 594 ff.) sieht sich der Senat nicht gehindert, nach § 522 Abs. 2 ZPO durch Beschluss zu entscheiden.

aa) Die Beurteilung, die Berufung sei offensichtlich unbegründet, setzt nicht voraus, dass ihre Unbegründetheit auf der Hand liegt; sie kann auch das Ergebnis einer vorangegangenen gründlichen Prüfung sein (BT-Drucksache 17/6406, Seite 9). Das Erfordernis der Einstimmigkeit ist insoweit hinlänglicher Schutz der Interessen eines Berufungsklägers (vgl. zu den vergleichbaren Anforderungen des § 24 BVerfGG BVerfG, Beschluss vom 18. September 1990 – 2 BVE 2/90 -, juris Rn. 8 zu BVerfGE 60, 175; 61, 82).

bb) Entgegen der Ansicht der Beklagten (GA III 595) ist die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht im Sinne von § 522 Abs. 2 Nr. 4 ZPO geboten. Dass sich das erstinstanzliche Urteil mit anderer Begründung als richtig erweist, steht nicht entgegen (wie hier OLG FrankfurtBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG Frankfurt
, Beschluss vom 25. November 2013 – 18 U 1/13 -, juris Rn. 24; OLG KoblenzBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG Koblenz
, Beschluss vom 27. Februar 2012 – 10 U 556/11 -, juris Rn. 41; OLG RostockBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG Rostock
, Beschluss vom 11. März 2003 – 3 U 28/03 -, juris Rn. 14; OLG HamburgBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG Hamburg
, Beschluss vom 10. Mai 2005 – 14 U 154/04, juris; Heßler in: Zöller, ZPO, 33. Auflage 2020, § 522 Rn. 36; Rimmelspacher in: Münchener Kommentar zur ZPO, 6. Auflage 2020, § 522 Rn. 25; Wöstmann in: Saenger, ZPO, 8. Auflage 2019, § 522 Rn. 11). Nach den Gesetzesmaterialien soll zwar über eine eingelegte Berufung, auch wenn diese letztlich ohne Aussicht auf Erfolg ist, mündlich verhandelt werden, wenn dies aus anderen Gründen angebracht erscheint, insbesondere wenn das Urteil erster Instanz zwar im Ergebnis richtig, aber unzutreffend begründet ist (Ball in: Musielak/Voit, ZPO, 17. Auflage 2020, § 522 Rn. 23a; Görtz in: B/L/H/A/G, ZPO, 78. Auflage 2020, § 522 Rn. 15). Für diesen Fall ist die Durchführung einer mündlichen Verhandlung indes nicht zwingend geboten. Anders mag es sich verhalten, wenn das schriftlichen Verfahren bei Veränderung der entscheidungstragenden Erwägungen das Fairnessgebot verletzen würde, weil es eine angemessene Erörterung gewährleisten würde (OLG FrankfurtBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG Frankfurt
, Beschluss vom 25. November 2013 – 18 U 1/13 -, juris Rn. 24). Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben.

cc) Entgegen der Auffassung der Beklagten (GA III 595) kommt der Sache weder grundsätzliche Bedeutung zu noch besteht die Notwendigkeit der Rechtsfortbildung oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 522 Abs. 2 Nr. 2 und 3 ZPO).

(1) Im Zusammenhang mit der schuldhaften Pflichtverletzung des Beklagten zu 1) wollen die Beklagten der Frage rechtsgrundsätzliche Bedeutung beilegen, ob sich ein rechtlich beratener Geschäftsführer bei unklarer Rechtslage auf einen das Verschulden ausschließenden Rechtsirrtum berufen kann. Sie übersehen indes, dass diese Frage nicht klärungsbedürftig ist, weil der Beklagte zu 1) bereits seiner Rechtsermittlungspflicht nicht ordnungsgemäß nachgekommen ist (dazu oben 1. a) bb) (2)).

(2) Ebenso wenig kommt der vorliegenden Rechtssache grundsätzliche Bedeutung im Hinblick auf die Frage zu, inwieweit ein nach § 93 AktG unbeachtlicher Rechtsirrtum bei Anwendung des Haftungsmaßstabs des § 708 BGB als beachtlich einzustufen wäre. Die grundsätzliche Bedeutung dieser Frage scheitert – wie ausgeführt (oben 1. a) bb) (1)) – an der fehlenden Entscheidungserheblichkeit.

(3) Dass der Streitfall Veranlassung gäbe, zum Zwecke der Fortbildung des Rechts Leitsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen des materiellen oder formellen Rechts aufzustellen oder Gesetzeslücken auszufüllen, ist weder erkennbar  noch dargetan. Mit seiner Entscheidung weicht der Senat nicht von Entscheidungen anderer Oberlandesgerichte oder des Bundesgerichtshofs ab.

2. Mit Rücksicht auf die Berufungsrücknahme des Klägers war gemäß § 516 Abs. 2 Satz 2 ZPO auszusprechen, dass hiermit der Verlust des eingelegten Rechtsmittels verbunden ist (§ 516 Abs. 2 Satz 1 ZPO).

3. Da nur der Kläger die Berufung zurückgenommen hat, war auch über die Kosten dieser Berufung in dem Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO, und zwar einheitlich unter Anwendung des § 92 ZPO, zu entscheiden (vgl. Heßler in: Zöller, ZPO, 33. Auflage 2020, § 516 Rn. 22; Lemke in: Prütting/Gehrlein, ZPO, 13. Auflage 2020, § 516 Rn. 12). Dementsprechend beruht die Kostentscheidung auf §§ 516 Abs. 3, 97 Abs. 1, 92 Abs. 1 ZPO. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Schlagworte: Aufklärungspflichtverletzung, grobe Pflichtverletzung, objektive Pflichtverletzung, Pflichtverletzung, Pflichtverletzung nach § 43 Abs. 2 GmbHG, Pflichtverletzung nach § 43 Abs. 3 GmbHG, Pflichtverletzung und Kausalität, Schwer wiegende grob fahrlässige Pflichtverletzung, Schwere der Pflichtverletzungen und ihre Folgen für das Unternehmen, Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns, Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten, Sorgfaltspflichten

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OLG Köln, Beschluss vom 10.02.2020 – I-2 Wx 28/20

Montag, 10. Februar 2020

§ 17 Abs 2 UmwG, § 22 UmwG, §§ 22ff UmwG, § 99 UmwG

Eine Verschmelzung zweier Vereinen kann nur im Register eingetragen werden, wenn eine den Anforderungen des § 17 Abs. 2 UmwG entsprechende Schlussbilanz vorgelegt wird.

Tenor

folgt

Schlagworte: Schlussbilanz, Schlussrechnung, Verschmelzung, Verschmelzungsbericht

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OLG Köln, Beschluss vom 22.01.2020 – 18 Wx 22/19

Mittwoch, 22. Januar 2020

UmwG § 54

Eine Anteilsgewährungspflicht besteht grundsätzlich auch bei einer Verschmelzung beteiligungsidentischer Schwestergesellschaften eines einzelnen Gesellschafters. Für den Verzicht auf die Anteilsgewährung nach § 54 Abs. 1 S. 3 UmwG reicht es in diesem Fall jedoch aus, wenn dieser sich konkludent aus dem Verschmelzungsvertrag ergibt.

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1. wird der Beschluss des Amtsgerichts Köln – Registergericht – vom 9. Oktober 2019, Az. HR B 62710, aufgehoben.

2. Das Registergericht wird angewiesen, die Eintragung gemäß der Anmeldung vom 21. August 2019 des Notars Dr. A – UR Nr. 2xx9/2019 – vorzunehmen.

Gründe

I.

Am 21.08.2019 schloss die Beteiligte zu 1. als übertragende Gesellschaft einen Verschmelzungsvertrag mit ihrer Schwestergesellschaft, der Beteiligten zu 3., als übernehmender Gesellschaft auf Grundlage der Bilanz zum 31.12.2018. Alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer beider Gesellschaften ist der Beteiligte zu 2. Unter „III.“ heißt es im Verschmelzungsvertrag:

„Die Verschmelzung erfolgt, ohne dass neue Geschäftsanteile an der übernehmenden Gesellschaft gebildet und dem Gesellschafter der übertragenden Gesellschaft gewährt werden.“

Auch eine weitere Anteilsgewährung sieht der Vertrag nicht vor.

Am 27.08.2019 ging die Anmeldung der Verschmelzung bei Gericht ein. Am 05.09.2019 erstellte der anmeldende Notar eine notarielle Eigenurkunde, wonach die Nichtgewährung von Anteilen im Verschmelzungsvertrag als Verzicht auf Anteilsgewährung durch den Gesellschafter der übertragenden Gesellschaft zu verstehen sei.

Mit Beschluss vom 09.10.2019 (Bl. 41 d. A.) hat das Amtsgericht Köln den Antrag auf Eintragung der Verschmelzung kostenpflichtig zurückgewiesen. Die angemeldete Verschmelzung sei nicht eintragungsfähig, da der Verschmelzungsvertrag wegen eines Verstoßes gegen die Anteilsgewährungspflicht nichtig sei. Der Vertrag enthalte auch weder ausdrücklich noch konkludent eine Verzichtserklärung des Gesellschafters der übertragenden Gesellschaft. Dieser Mangel des Vertrages führe zu dessen Nichtigkeit und nicht bloß zur Anfechtbarkeit und sei deshalb nicht heilbar. Auch eine Neuvornahme des Vertrages sei wegen Versäumnis der Frist aus § 17 Abs. 2 S. 4 UmwG nicht mehr möglich.

Hiergegen hat die Antragstellerin am 22.10.2019 Beschwerde eingelegt (Bl. 47 d. A). Bei beteiligungsidentischen Schwestergesellschaften bestehe bereits von vorneherein keine Pflicht zur Anteilsgewährung. Durch die Erklärung unter „III.“ im Verschmelzungsvertrag habe der Gesellschafter der übertragenden Gesellschaft auf die Anteilsgewährung außerdem wirksam verzichtet. Wegen der Personenidentität könne es trotz fehlender ausdrückliche Erklärung nicht zu Unsicherheiten für den Rechtsverkehr kommen, sodass eine ausdrückliche Erklärung jedenfalls hier nicht erforderlich sei. Selbst wenn eine ausdrückliche Verzichtserklärung erforderlich sei, führe deren Fehlen nicht zur Nichtigkeit, sondern allenfalls zur Anfechtbarkeit des Verschmelzungsvertrags. Die Anteilsgewährung sei kein unverzichtbarer Vertragsbestandteil, insoweit sei § 5 Abs. 2 UmwG analog anzuwenden, wenn von § 54 Abs. 1 S. 3 UmwG Gebrauch gemacht worden ist. Somit könne die Erklärung formgerecht nachgeholt werden, die fristgerechte Anmeldung der Verschmelzung sei insoweit ausreichend zur Wahrung der Acht-Monats-Frist nach § 17 Abs. 2 S. 4 UmwG.

Am 07.11.2019 hat das Amtsgericht Köln beschlossen, der Beschwerde nicht abzuhelfen und die Sache dem Oberlandesgericht Köln zur Entscheidung vorzulegen (Bl. 71 d. A.). Die Beschwerde führe nicht zu einer anderen Beurteilung, da sie insbesondere nicht zwischen den Erklärungen der Anteilsinhaber und der Gesellschaften als Parteien des Verschmelzungsvertrages unterscheide. Die Formulierung unter „III.“ des Verschmelzungsvertrages lasse offen, aus welchem Grund keine Anteilsgewährung erfolgt und könne daher nicht als konkludenter Verzicht ausgelegt werden. Die Anteilsgewährung sei sehr wohl unverzichtbarer Vertragsbestandteil, sodass deren Fehlen bzw. das Fehlen einer Verzichtserklärung zur Nichtigkeit und nicht bloß zur Anfechtbarkeit des Vertrages führe. Dabei könne insbesondere nicht danach unterschieden werden, ob eine Gesellschaft mehrere oder nur einen Anteilseigner hat.

II.

Die zulässige Beschwerde ist begründet.

Die Verschmelzung ist eintragungsfähig. Der notarielle Verschmelzungsvertrag vom 21.08.2019 ist wirksam und weder nichtig noch anfechtbar. Insbesondere ist der Vertrag nicht wegen fehlender Angaben zur Anteilsgewährung nichtig, § 5 Abs. 1 Nr. 2-5 UmwG. Angaben zur Anteilsgewährung sind nicht erforderlich, wenn der Gesellschafter der übertragenden Gesellschaft wirksam auf die Anteilsgewährung verzichtet hat, § 54 Abs. 1 S. 3 UmwG (vgl. Heidinger, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, 4. Auflage 2019, UmwG § 5 Rn. 36). Dies ist entgegen der vom Handelsgericht vertretenen Auffassung hier der Fall.

1. Es besteht grundsätzlich eine Anteilsgewährungspflicht. Bei der Verschmelzung durch Aufnahme sind den bisherigen Anteilsinhabern des übertragenden Rechtsträgers in der Regel Geschäftsanteile am übernehmenden Rechtsträger zu gewähren (vgl. §§ 2, 5 Abs. 1 Nr. 2, 20 Abs. 1 Nr. 3 UmwG; Kleindiek, in: Böttcher/Habighorst/Schulte, Umwandlungsrecht, 2. Auflage 2019, UmwG § 55 Rn. 1). Dies gilt grundsätzlich auch für Schwestergesellschaften (vgl. KG v. 22.09.1998 – 1 W 4387/97, OLG HammBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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v. 03.08.2004 – 15 W 236/04, OLG FrankfurtBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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 v. 10.03.1998 – 20 W 60/98, jeweils bei juris abrufbar).

2. Auf diese Anteilsgewährung hat der Beteiligte zu 2. als alleiniger Gesellschafter der übertragenden Gesellschaft jedoch wirksam verzichtet, § 54 Abs. 1 S. 3 UmwG.

a) Ein ausdrücklicher Verzicht liegt allerdings nicht vor. In Abschnitt „III.“ des Verschmelzungsvertrags heißt es lediglich beschreibend, dass neue Geschäftsanteile an der übernehmenden Gesellschaft nicht gebildet und dem Gesellschafter der übertragenden Gesellschaft solche Anteile nicht gewährt werden.

b) Der Beteiligte zu 2. hat jedoch als alleiniger Gesellschafter der übertragenden Gesellschaft konkludent auf die Anteilsgewährung verzichtet.

aa) Ein konkludenter Verzicht ist – wie bei jeder Willenserklärung – zunächst möglich. Er kann beispielsweise in der positiven Stimmabgabe zum Verschmelzungsbeschluss oder darin gesehen werden, dass der Verschmelzungsvertrag keine Anteilsgewährung vorsieht oder den Beteiligungsumfang an der übernehmenden GmbH abweichend vom (angemessenen) Umtauschverhältnis festsetzt (vgl. Kocher, in: Kallmeyer, Umwandlungsgesetz, § 54 UmwG Rn. 19, 21; Simon/Nießen, in: Kölner Kommentar UmwG, § 54 UmwG Rn. 56). Wegen der besonderen Bedeutung der Verzichtserklärung, die sich auch in dem Formerfordernis des § 54 Abs. 1 S. 3, 2. Halbsatz UmwG niederschlägt, ist bei der Auslegung jedoch grundsätzlich Zurückhaltung geboten; eine ausdrückliche Erklärung wird deshalb in der Literatur für empfehlenswert gehalten, schon um Schwierigkeiten beim Registervollzug zu vermeiden (vgl. Kleindiek, in: Böttcher/Habighorst/Schulte, Umwandlungsrecht, 2. Auflage 2019, UmwG § 54 Rn. 32; M. Winter/J. Vetter, in: Lutter, Umwandlungsgesetz, 6. Auflage 2019, § 54 Rn. 88; Mayer, in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, Stand: 178. EGL, § 54 Rn. 51.1). Aus dieser – zutreffenden – Zweckmäßigkeitsüberlegung folgt aber nicht, dass nur eine ausdrückliche Erklärung den Anforderungen des § 54 Abs. 1 S. 3 UmwG genügt, sondern lediglich, dass bei verbleibenden Zweifeln davon auszugehen ist, dass die Erklärung nicht abgegeben worden ist.

bb) Solche Zweifel ergeben sich bei der Auslegung der in der Urkunde vom 21.08.2019 u. a. auch vom Beteiligten zu 2. abgegeben Erklärungen jedoch nicht. Vorliegend ist bei der Auslegung der abgegebenen Erklärungen besonders zu berücksichtigen, dass es sich um zwei Schwestergesellschaften handelt, deren alleiniger Geschäftsführer und Gesellschafter jeweils der Beteiligte zu 3. ist. Ein Verzicht auf die Anteilsgewährung hat somit auf die Zusammensetzung der Gesellschafter und die Anteilsverteilung keine Auswirkungen jenseits der Zahl der Anteile und der Höhe des Stammkapitals.

Der Beteiligte zu 3., der nicht nur alleiniger Gesellschafter, sondern auch alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer beider beteiligten Gesellschaften ist, hat erkennbar weder eine Kapitalerhöhung noch eine Veränderung der Anteilsverteilung gewollt. Das kann der Regelung in „III.“ des Verschmelzungsvertrags, nach der „[d]ie Verschmelzung erfolgt, ohne dass neue Geschäftsanteile an der übernehmenden Gesellschaft gebildet und dem Gesellschafter der übertragenden Gesellschaft gewährt werden“, entnommen werden. Im Gesellschaftsvertrag wird zwar nicht trennscharf zwischen der Bildung neuer Anteile und der Gewährung dieser Anteile differenziert. Auch eine klare Darstellung, in welcher Funktion die Erklärung abgegeben wird, fehlt. Nachdem Herr B jedoch die einzige beteiligte natürliche Person ist, wäre es reiner Formalismus, erhöhte Anforderungen an die jeweiligen Erklärungen zu stellen; es ist völlig fernliegend, annehmen zu wollen, der Beteiligte zu 3. habe als Geschäftsführer der beteiligten Gesellschaften Erklärungen abgegeben, die sich nicht völlig mit seinem Willen als Geschäftsführer deckten.

Auch Sinn und Zweck der Anteilsgewährungspflicht rechtfertigen ein anderes Verständnis nicht. Dieser liegt darin, die Gesellschafter der übertragenden Gesellschaft nach der Verschmelzung an der übernehmenden Gesellschaft zu beteiligen (vgl. § 2 UmwG). Sinn und Zweck der Forderung einer Verzichtserklärung ist, die Gesellschafter vor einem leichtfertigen Verlust dieser Rechtspositionen zu warnen und ihnen die Tragweite ihrer Entscheidung bewusst zu machen. Insbesondere soll verhindert werden, dass durch die Verschmelzung Minderheitsgesellschafter ohne Kompensation ihre Mitgliedschaftsrechte verlieren können. Beide Funktionen laufen jedoch leer, wenn – wie hier – eine einzelne natürliche Person alleiniger Gesellschafter und alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer der beteiligten Gesellschaften ist. Da der alleinige Beteiligte sowohl ohne als auch mit Verzicht auf die Anteilsgewährung nach der Verschmelzung alleiniger Gesellschafter der übernehmenden Gesellschaft ist, droht ihm nicht der Verlust von Rechtspositionen. Er muss deshalb weder gesondert an der aufnehmenden Gesellschaft beteiligt werden, noch muss er gewarnt werden, um ihm die Tragweite seiner Entscheidung bewusst zu machen. In keinem Fall steht er durch den Verzicht schlechter, als er bei einer Anteilsgewährung gestanden hätte. Weitere (Minderheits-)Gesellschafter, deren Rechte besonders geschützt werden müssen, sind vorliegend nicht beteiligt.

Es kann deshalb auch dahinstehen, ob die Parteien des Verschmelzungsvertrags fälschlicherweise von einem Kapitalerhöhungsverbot ausgegangen sind. Zum einen fehlen hierfür bereits Anhaltspunkte in der Formulierung der Regelung unter „III.“ im Verschmelzungsvertrag. Zum anderen besteht jedenfalls auch hier kein Schutzbedürfnis des Gesellschafters der übertragenden Gesellschaft. Als alleiniger Gesellschafter der übernehmenden Gesellschaft steht ihm jedenfalls nach der Verschmelzung frei, eine Kapitalerhöhung durchzuführen, wenn er bei der Verschmelzung fälschlicherweise von einem Verbot ausgegangen sein sollte.

cc) Dies widerspricht auch nicht dem Formerfordernis des § 54 Abs. 1 S. 3, 2. Halbsatz UmwG. Wie bereits dargestellt, besteht das Formerfordernis im Wesentlichen zur Warnung der Gesellschafter der übertragenden Gesellschaft vor dem gegebenenfalls kompensationslosen Verlust ihrer Mitgliedschaftsrechte. Im speziellen Fall zweier Schwestergesellschaften, die – wie hier – einen personenidentischen Alleingesellschafter haben, läuft diese Funktion jedoch ins Leere, sodass wie bereits bei der Auslegung keine erhöhten Anforderungen an die Erklärungen zu stellen sind. Daher reicht im Ergebnis aus, dass sowohl die Erklärung der Nichtgewährung von Anteilen als auch die Zustimmungserklärungen und damit die dem konkludenten Verzicht zugrundeliegenden Erklärungen notariell beurkundet sind (vgl. auch Illert/König, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Band 8, 5. Auflage 2018, § 15 Rn. 229).

III.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.

Schlagworte: Anteilsgewährungspflicht, Anteilsverzicht, Verschmelzung

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OLG Köln, Urteil vom 05. November 2019 – 4 U 153/18

Dienstag, 5. November 2019

§ 780 ZPO

1. Der erstmals im Berufungsrechtszug erhobene Vorbehalt der beschränkten Erbenhaftung ist unabhängig von § 531 Abs. 2 ZPO zuzulassen, wenn die Voraussetzungen für seine Aufnahme unstreitig gegeben sind (BGH, 2. Februar 2010, VI ZR 82/09).

2. Das Prozessgericht ist zwar befugt, sachlich über die Haftungsbeschränkung zu entscheiden, wenn es diese Frage für spruchreif hält, nicht aber dazu verpflichtet. Vielmehr kann es sich nach seinem Ermessen auch auf die Aufnahme des Vorbehalts beschränken.

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil der 7. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 04.10.2018 – 7 O 415/17 – teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Der Beklagte wird verurteilt, an die A GbR mit Sitz in B einen Betrag i.H.v. 1.000.000 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13.01.2018 zu zahlen.

Dem Beklagten wird als Erbe die Beschränkung seiner Haftung auf den Nachlass seines am 08.06.2016 verstorbenen Vaters C D vorbehalten. Dieser Vorbehalt betrifft nicht die vorgenannte Zinsforderung.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin vorprozessuale Kosten i.H.v. 7.314,81 EUR zzgl. Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13.01.2018 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

  Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die im ersten Rechtszug entstanden Kosten tragen die Klägerin zu 5 % und der Beklagte zu 95 %. Die in der Berufungsinstanz entstandenen Kosten trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Den Parteien wird jeweils nachgelassen, die Vollstreckung durch die jeweilige Gegenpartei durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung eines Betrages in der Höhe von 110 % des auf Grund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages zu leisten, wenn nicht die jeweilige Gegenpartei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Klägerin hat im Wege der actio pro socio für die A (im Folgenden: GbR) von dem Beklagten, ihrem Bruder, nach dem Tod des gemeinsamen Vaters, Herrn C, die Rückübertragung diverser Grundstücke, die Feststellung der Schadensersatzpflicht sowie im Wege der Stufenklage Auskunft, Versicherung der Richtigkeit der Angaben an Eides statt und Zahlung von Schadensersatz verlangt, ferner die Erstattung der ihr entstandenen vorprozessualen Kosten i.H.v. 7.314,81 EUR sowie schließlich hilfsweise die Zahlung von 1 Mio. EUR an die GbR.Randnummer2

Die Klägerin ist mit einer Beteiligung von 49 % Mitgesellschafterin der GbR. Weitere Gesellschafter waren ursprünglich der Vater der Klägerin, der am 08.06.2016 verstorbene Herr C D (im Folgenden: Erblasser) zu 1 %, dessen Ehefrau Frau E D zu 1 % und die Schwester der Klägerin, Frau F D, zu 49 %. Ende 2006 übernahm der Erblasser zusätzlich den Geschäftsanteil von Frau F D zu einem Kaufpreis von 1 Mio. EUR. Im Jahr 2008 veräußerte der Erblasser den gesamten Grundbesitz der GbR zu einem Kaufpreis von 1 Mio. EUR an den Beklagten, den Bruder der Klägerin. Den Verkaufserlös von 1 Mio. EUR entnahm der Erblasser sodann ohne vorherigen Gewinnverteilungsbeschluss aus der Gesellschaft und zahlte ihn in Erfüllung seiner Zahlungsverpflichtung aus dem Anteilskauf an Frau F D. Der Beklagte ist der Alleinerbe des Erblassers und im Wege der Erbfolge nunmehr mit einem Anteil von 50 % neben der Klägerin und Frau E D Gesellschafter der GbR.Randnummer3

Wegen der getroffenen Feststellungen und der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes sowie der erstinstanzlich gestellten Anträge wird auf das landgerichtliche Urteil Bezug genommen.Randnummer4

Das Landgericht hat mit dem angegriffenen Urteil vom 04.10.2018 (Bl. 143 ff. GA) den Beklagten auf den Hilfsantrag zu 5. verurteilt, an die A GbR 1 Mio. EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13.01.2018 sowie auf den Klageantrag zu 3. an die Klägerin vorprozessuale Kosten i.H.v. 7.314,81 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13.01.2018 zu zahlen und die Klage im Übrigen abgewiesen.Randnummer5

Mit weiterem Urteil vom 20.12.2018 (Bl. 206 ff. GA) hat das Landgericht den Antrag des Beklagten auf Urteilsergänzung im Hinblick auf den angeblich übergangenen Ausspruch des Vorbehalts der beschränkten Erbenhaftung gemäß § 780 ZPO zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung habe sich der Beklagte nicht auf die Dürftigkeit des Nachlasses berufen. Dass er die Erschöpfungseinrede habe geltend machen wollen, habe sich aus seinem Vortrag nicht ergeben. Dieser habe seine Verteidigung auch an keiner Stelle darauf gestützt, dass er mit seinem übrigen Vermögen nicht hafte. Der Urteilsergänzung nach § 321 ZPO stehe auch entgegen, dass es an einer Entscheidungslücke im Tatbestand fehle, da sich ein Antrag nach § 780 ZPO weder direkt noch indirekt aus dem Tatbestand der angegriffenen Entscheidung ergebe.Randnummer6

Mit der form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung begehrt der Beklagte ausschließlich den Ausspruch des Vorbehalts der beschränkten Erbenhaftung gemäß § 780 ZPO hinsichtlich seiner Verurteilung zur Zahlung von 1 Mio. EUR nebst Zinsen.Randnummer7

Er macht geltend, der Nachlass des Erblassers sei dürftig und voraussichtlich auch überschuldet. Er erhebe – wie schon im Urteilsergänzungsverfahren – nochmals ausdrücklich die Einrede der Dürftigkeit und wende sich gegen die Befriedigung der Forderung aus seinem Privatvermögen. Auf die Dürftigkeit des Nachlasses und eine möglicherweise bestehende Nachlassinsolvenz sei bereits in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht Köln hingewiesen worden, so dass die Aufnahme des Vorbehalts bereits im erstinstanzlichen Urteil bzw. im Rahmen der beantragten Urteilsergänzung geboten gewesen wäre. Ein besonderer Antrag oder eine Begründung sei nicht erforderlich gewesen. Ungeachtet dessen könne der Vorbehalt der beschränkten Erbenhaftung unabhängig von den Voraussetzungen des § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 – 3 ZPO auch erstmals im Berufungsrechtszug geltend gemacht werden. Zum Nachweis der Dürftigkeit verweise er auf den Erbschaftssteuerbescheid vom 10.08.2018 (Anlage 1, Bl. 198 ff. GA), aus dem sich der negative Wert des durch Erbanfall erworbenen Vermögens ergebe. Bei der von der Klägerin geltend gemachten Forderung handele es sich um eine Nachlassverbindlichkeit, nämlich eine Forderung gegen ihn als Alleinerben seines verstorbenen Vaters.Randnummer8

Der Beklagte beantragt,Randnummer9

1. unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Köln vom 04.10.2018 (Az. 7 O 415/17) ihn zu verurteilen, an die A GbR mit Sitz in B einen Betrag i.H.v. 1.000.000 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 13.01.2018 zu zahlen und ihm die Beschränkung seiner Haftung auf den Nachlass seines am 08.05.2016 verstorbenen Vaters C D vorzubehalten.Randnummer10

2. für den Fall des Unterliegens, die Revision zuzulassen.Randnummer11

Die Klägerin beantragt,Randnummer12

  die Berufung zurückzuweisen.Randnummer13

Sie macht geltend, ein Vorbehalt der beschränkten Erbenhaftung nach § 780 ZPO komme nicht in Betracht, weil der Beklagte die ausdrücklich zu erhebende Einrede erstinstanzlich nicht geltend gemacht habe. Ob der Vorbehalt der beschränkten Erbenhaftung noch in der Berufung geltend gemacht werden könne, sei umstritten. Nach Ansicht des OLG DüsseldorfBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG Düsseldorf
(Beschluss vom 20.10.2003 – 24 U 115/03) stelle eine solche Einrede ein Verteidigungsmittel i.S.d. § 531 Abs. 2 ZPO dar. Demnach wäre das Vorbringen in der Berufungsinstanz nicht zu berücksichtigen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sei der Vorbehalt in zweiter Instanz zuzulassen, wenn ihre Erhebung in erster Instanz noch nicht möglich gewesen sei (BGH NJW 1970, 1742) oder die Voraussetzungen in zweiter Instanz unstreitig seien (BGH, NJW-RR 2010, 664). Beides sei vorliegend nicht der Fall. Die Voraussetzungen für die Aufnahme des Vorbehalts seien nicht unstreitig. Bereits erstinstanzlich habe sie bestritten und bestreite auch weiterhin mit Nichtwissen, dass der Nachlass tatsächlich überschuldet sei und keine liquiden Mittel bereithalte, um die Verbindlichkeiten zu begleichen. Die vorgelegten Erbschaftssteuerbescheide sagten nichts über eine etwaige Überschuldung des Nachlasses aus.Randnummer14

Ein Vorbehalt nach § 780 ZPO komme auch deswegen nicht in Betracht, weil es sich bei dem ausgeurteilten Betrag nicht um eine „reine“ Nachlassverbindlichkeit handele. Der Beklagte könne die streitgegenständlichen Grundstücke und seinen GbR-Anteil nutzen, so dass ihm auch die Erstattung des abredewidrig entnommenen Kaufpreises entsprechend der Entscheidung des Bundesgerichtshofs zu nach dem Erbfall fällig werdenden oder durch Beschluss der Wohnungseigentümergemeinschaft begründeten Hausgeldschulden als ein Handeln bei der Verwaltung des Nachlasses zugerechnet werden könne. Hinzu komme, dass die Gesellschaftsverbindlichkeiten des Erblassers aufgrund der rechtsgeschäftlichen Übertragung des Gesellschaftsanteils des Erblassers durch Testament auf den Beklagten übergegangen seien. Durch die Übertragung sei der Beklagte im Verhältnis zu den übrigen Gesellschaftern als Rechtsnachfolger voll in die Rechtsstellung des Erblassers als Gesellschafter im Innenverhältnis eingetreten. Jedenfalls habe der Beklagte den Rückzahlungsanspruch als unstreitig angesehen und gemäß §§ 779, 780 BGB selbst anerkannt, so dass auch insoweit eine Eigenverbindlichkeit vorliege.Randnummer15

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die wechselseitig zur Gerichtsakte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung hat überwiegend Erfolg.Randnummer17

1. Die Berufung ist zulässig, insbesondere bestehen gegen die Beschränkung des Rechtsmittels auf die Aufnahme des Vorbehalts der beschränkten Erbenhaftung nach § 780 ZPO keine Bedenken (vgl. BGH, Urteil vom 02.02.2010 – VI ZR 82/09 -, NJW-RR 2010, 664 Rn. 5; OLG Rostock, Urteil vom 25.06.2008 – 1 U 53/08 -, BeckRS 2008, 24033; Schmidt/Brinkmann in: MünchKommZPO, 5. Auflage, ZPO § 780 Rn. 19; Herzog in: BeckOGK BGB, § 1990 BGB Rn. 91). Durch die uneingeschränkte Verurteilung des Beklagten ist dieser beschwert, wobei der Wert der Beschwer über 600 EUR liegt (§ 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO). Maßgeblich ist insoweit der Betrag, den der Beklagte bei Erfolg seines Rechtsmittels mit dem Begehr der beschränkten Haftung auf den Nachlass weniger zu zahlen hat (Noethen/Monschau in: Schneider /Herget, Streitwert-Kommentar, 14. Aufl., Rn. 2921). Diesbezüglich macht der Beklagte unter Verweis auf den Erbschaftssteuerbescheid vom 10.08.2018 (Anlage 1, Bl. 198 ff. GA) geltend, dass er bei einer Beschränkung seiner Haftung auf den Nachlass nach derzeitiger Berechnung nur eine Quote von 15-20% der Klageforderung im Falle der Nachlassinsolvenz zu zahlen hätte, weswegen von einer Beschwer von 800.000 EUR (80 % von 1 Mio. EUR) auszugehen ist.Randnummer18

2. Die Berufung ist überwiegend begründet.Randnummer19

Dem Beklagten ist bezüglich der Verurteilung zur Zahlung von 1 Mio. EUR gemäß § 780 ZPO die Beschränkung seiner Haftung auf den Nachlass seines verstorbenen Vaters vorzubehalten. Soweit der Beklagte die Anordnung des Vorbehalts auch hinsichtlich der der Klägerin im landgerichtlichen Urteil aus dem Betrag von 1 Mio. EUR zugesprochenen Zinsen seit Rechtshängigkeit begehrt, hat die Berufung jedoch keinen Erfolg.Randnummer20

a) Nach § 780 ZPO kann ein als Erbe verurteilter Beklagte die Beschränkung der Haftung nur dann in einer gegen ihn gerichteten Zwangsvollstreckung geltend machen, wenn sie ihm auf seine Einrede im Urteil vorbehalten worden ist. Die Einrede ist spätestens vor Schluss der mündlichen Verhandlung in der letzten Tatsacheninstanz zu erheben, ein besonderer Antrag ist nicht erforderlich (BGH, Urteil vom 09.03.1983 – IVa ZR 211/81 -, NJW 1983, 2378, 2379; Geimer in: Zöller, ZPO, 32. Aufl. § 780 Rn. 10; Schmidt/Brinkmann in: MünchKommZPO, 5. Aufl., § 780 Rn. 15 m. w. N.). Vorliegend hat der Beklagte in der Berufungsinstanz ausdrücklich die Aufnahme des Vorbehalts der beschränkten Erbenhaftung in Bezug auf seine Verurteilung zur Zahlung von 1 Mio. EUR nebst Zinsen in den Tenor beantragt und im Rahmen der Berufungsbegründung ausdrücklich die Einrede der Dürftigkeit erhoben und sich gegen die Befriedigung der Forderung aus seinem Privatvermögen gewandt.Randnummer21

b) Entgegen der Ansicht der Klägerin ist der Beklagte mit der Geltendmachung des Vorbehaltes in der Berufungsinstanz nicht ausgeschlossen. Der erstmals im Berufungsrechtszug erhobene Vorbehalt der beschränkten Erbenhaftung ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs unabhängig von § 531 Abs. 2 ZPO zuzulassen, wenn die Voraussetzungen für seine Aufnahme unstreitig gegeben sind. Die für ihre Gegenansicht von der Klägerin angeführte Entscheidung des OLG DüsseldorfBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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(Beschluss vom 20.10.2003 – 24 U 115/03 -) ist damit überholt (BGH, Urteil vom 02.02.2010 – VI ZR 82/09 -, NJW-RR 2010, 664 Rn. 7). Voraussetzung für die Aufnahme des Vorbehalts in den Entscheidungstenor ist zum einen die Berufung des Erben im Erkenntnisverfahren darauf, ohne dass es weiteren Sachvortrags dazu bedarf, sowie zum anderen die Verurteilung des Beklagten als Erbe des Schuldners, wie sie hier durch das Landgericht erfolgt ist. Beide Voraussetzungen liegen demnach unstreitig vor, weshalb der Vorbehalt des Beklagten vorliegend zu berücksichtigen ist. Dem steht nicht entgegen, dass die Klägerin in Abrede stellt, dass es sich bei der titulierten Forderung um eine reine Nachlassverbindlichkeit handelt. Insoweit handelt es sich nicht um streitigen Tatsachenvortrag, sondern geht es um die rechtliche Einordnung unstreitiger Tatsachen und damit um eine Rechtsfrage.Randnummer22

Schließlich kommt es diesbezüglich auch nicht darauf an, dass zwischen den Parteien im Streit steht, ob die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für eine Haftungsbeschränkung gemäß § 1990 BGB gegeben sind. Diese Frage ist vorliegend nicht entscheidungserheblich. Das Prozessgericht ist zwar befugt, sachlich über die Haftungsbeschränkung zu entscheiden, wenn es diese Frage für spruchreif hält, nicht aber dazu verpflichtet. Vielmehr kann es sich nach seinem Ermessen auch auf die Aufnahme des Vorbehalts beschränken (BGH, Urteil vom 02.02.2010 – VI ZR 82/09 -, NJW-RR 2010, 664 Rn. 8; Schmidt/Brinkmann in: MünchKommZPO, 5. Aufl., § 780 Rn. 17 m.w.N.). Dies ist hier vorliegend insbesondere schon deshalb angezeigt, weil ein Nachlassverzeichnis bislang nicht erstellt worden ist und selbst nach dem Vortrag des Beklagten noch nicht abschließend feststeht, in welchem Umfang der Nachlass dürftig ist. Daher bedarf es zu den materiell-rechtlichen Voraussetzungen der Haftungsbeschränkung keiner tatrichterlichen Feststellungen.Randnummer23

c) Bei der von der Klägerin wegen der unberechtigten Entnahme des Erblassers geltend gemachten und vom Landgericht titulierten Forderung von 1 Mio. EUR handelt es sich auch um eine reine Nachlassverbindlichkeit. Der Anspruch der Klägerin ergibt sich nach den zutreffenden Feststellungen des Landgerichts wegen treuwidrigen Verhaltens des Erblassers aus § 280 Abs. 1 BGB i.V.m. der gesellschaftlichen Treuepflicht. Bei dieser Forderung handelt es sich daher um eine in der Person des Erblassers begründete Verbindlichkeit i.S.v. § 1967 Abs. 1, Abs. 2 Alt. 1 BGB, die als Nachlassverbindlichkeit gemäß § 1922 BGB auf den Beklagten als Erben übergegangen ist.Randnummer24

Dass der Beklagte die Möglichkeit hat, die streitgegenständlichen Grundstücke und seinen GbR-Anteil zu nutzen, führt entgegen der Ansicht der Klägerin nicht zu einer Qualifizierung der geltend gemachten Forderung als Eigenverbindlichkeit des Beklagten. Das von der Klägerin zur Stützung ihrer gegenteiligen Rechtsauffassung angeführte Urteil des BGH zu nach dem Erbfall fällig werdenden oder durch Beschluss neu begründeten Wohngeldschulden bei einer Verwaltung des Nachlasses durch den Erben, die nach Auffassung des BGH im Regelfall (jedenfalls auch) Eigenverbindlichkeiten des Erben sind und bei denen er seine Haftung daher nicht auf den Nachlass beschränken kann (BGH, Urteil vom 05.07.2013 – V ZR 81/12 -, NJW 2013, 3446 Rn. 12 ff.), ist hier nicht einschlägig. In dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall ging es um die Frage, ob das Halten der Wohnung durch den Erben diesem als ein Handeln bei der Verwaltung des Nachlasses zugerechnet werden kann, mit der Folge, dass er für die damit verbundenen Verbindlichkeiten, zu denen das laufende Hausgeld gehört, (auch) mit seinem eigenen Vermögen haftet. Denn durch ein Handeln des Erben bei der Verwaltung des Nachlasses entsteht eine Eigenschuld oder Nachlasserbenschuld des Erben (vgl. BGH, Urteil vom 23.01.2013 – VIII ZR 68/12 -, NJW 2013, 933 Rn. 16), für die er mit seinem Vermögen und nicht nur beschränkt auf den Nachlass haftet. Entscheidend ist stets, ob ein eigenes Verhalten des Erben Haftungsgrundlage ist (BGH, Urteil vom 05.07.2013 – V ZR 81/12 -, NJW 2013, 3446 Rn. 14.). Der BGH hat im konkreten Fall ein Verwaltungshandeln des Erben spätestens mit Annahme der Erbschaft oder Ablauf der Ausschlagungsfrist angenommen, weil dem Erben dann faktisch die Möglichkeit zustehe, die Wohnung zu nutzen bzw. zu entscheiden, wie er mit der Wohnung verfahre (BGH, Urteil vom 05.07.2013 – V ZR 81/12 -, NJW 2013, 3446 Rn. 16). An einer vergleichbaren Situation fehlt es vorliegend jedoch. Denn die unberechtigte Entnahme der 1 Mio. EUR durch den Erblasser hat nichts mit der Verwaltung des vom Erblasser auf den Beklagten übertragenen Grundvermögens oder mit dem im Rahmen der Erbfolge auf ihn übergegangenen Gesellschaftsanteils zu tun. Daher kann auch nicht auf ein eigenes oder zurechenbares Verhalten des Erben bei der Verwaltung des Nachlasses als Haftungsgrundlage abgestellt werden.Randnummer25

Bei der von der Klägerin geltend gemachten Forderung von 1 Mio. EUR handelt es sich entgegen deren Annahme auch nicht um eine Gesellschaftsverbindlichkeit, in die der Beklagte als neuer Gesellschafter entsprechend §§ 128 ff. HGB kraft Gesetzes eingetreten ist. Eine Gesellschaftsverbindlichkeit besteht nur, wenn die Gesellschaft als solche gleich aus welchem Rechtsgrund verpflichtet ist (vgl. Baumbach/Hopt, HGB, 36. Aufl., § 128 Rn. 2). Vorliegend besteht nur eine persönliche Schadensersatzverpflichtung des Erblassers als Gesellschafter, die nicht auf den Beklagten als neuen Gesellschafter, sondern als Nachlassverbindlichkeit auf ihn als Erben übergegangen ist. Denn Schulden des Erblassers wegen unzulässiger Entnahmen als Gesellschafter aus dem Gesellschaftsvermögen sind Erblasserschulden (Weidlich in: Palandt, BGB, 78. Aufl., § 1967 Rn. 4)Randnummer26

Schließlich folgt auch aus dem Umstand, dass der Beklagte den Anspruch vorgerichtlich in seinen Schreiben vom 20.01.2017 (Bl. 95 GA) und 31.08.2017 (Bl. 96 GA) dem Grunde nach als berechtigt angesehen hat, nicht ein Anerkenntnis als Eigenverbindlichkeit. Denn er hat gleichzeitig deutlich gemacht und auch ausdrücklich klargestellt, dass sich der Anspruch gegen den Nachlass richtet.Randnummer27

d) Weiterer Voraussetzungen für die Aufnahme des Vorbehaltes bedarf es nicht. Vielmehr genügt die ohne Darlegung der Voraussetzungen der Beschränkung erfolgte Erklärung des Erben, sich die Beschränkung seiner Haftung vorzubehalten (vgl. BGH, Urteil vom 11.07.1991, – IX ZR 180/90 – juris Rn. 11; BGH, Urteil vom 09.03.1983 – IVa ZR 211/81 -, NJW 1983, 2378, 2379; Schmidt/Brinkmann in: MünchKommZPO, 5. Aufl., § 780 Rn. 15, 17). Einer Prüfung der Frage, ob eine Haftungsbeschränkung überhaupt noch möglich ist, bedarf es demgemäß nicht (OLG Köln Urteil vom 30.01.2009 – 19 U 154/07 -, juris Rn. 82; Geimer in: Zöller, ZPO, 32. Aufl., § 780 Rn. 11; a.A.: OLG RostockBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG Rostock
, Urteil vom 25.06.2008 – 1 U 53/08 -, BeckRS 2008, 24033; KG Urteil vom 21.11.2002 – 12 U 32/02 -, NJW-RR 2003, 941, 942; .). Im Übrigen ist vorliegend nichts dazu vorgetragen oder sonst ersichtlich, dass und auf welche Weise ein Fall einer unbeschränkbaren Erbenhaftung bereits eingetreten wäre. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, dass der Beklagte mit Teilversäumnisurteil des Landgerichts Köln vom 27.11.2018 – 16 I 251/18 – (Anlage BE 1, Bl. 244 ff. GA) zur Errichtung eines notariellen Nachlassverzeichnisses verurteilt worden ist und ein solches bislang nicht vorgelegt hat. Denn die Beschränkung der Haftung wäre nur dann ausgeschlossen, wenn der Beklagte auf Antrag der Klägerin für die GbR als Gläubigerin durch das Nachlassgericht eine Frist zur Erstellung eines Inventarverzeichnisses gesetzt worden wäre und der Beklagte diese nicht gewahrt (§ 1994 Abs. 1 Satz 2 BGB) oder ein unrichtiges Inventar erstellt oder seine für die Inventarerstellung erforderlichen Auskünfte verweigert oder verzögert hätte (§ 2005 Abs. 1 BGB). So liegt der Fall hier aber nicht.Randnummer28

e) Die Berufung ist jedoch nicht begründet, soweit der Beklagte die Aufnahme des Vorbehalts der beschränkten Erbenhaftung auch hinsichtlich der zuerkannten Rechtshängigkeitszinsen auf die Hauptforderung von 1 Mio. EUR begehrt, denn insoweit handelt es sich um eine eigene Verbindlichkeit des Beklagten (vgl. OLG Rostock, Urteil vom 25.06.2008 – 1 U 53/08 -, BeckRS 2008, 24033). Diese sind nicht in der Person des Erblassers angefallen, sondern in der des Beklagten im Rahmen des gegen ihn geführten Prozesses. Ein Vorbehalt kann diesbezüglich daher nicht aufgenommen werden, was im Tenor deutlich gemacht wurde.

III.

1. Die Kostenentscheidung beruht bezogen auf den ersten Rechtszug auf § 92 Abs. 1 ZPO und bezogen auf den zweiten Rechtszug auf §§ 92 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, 97 Abs. 1 ZPO. Die Mehrforderung des Beklagten im Hinblick auf den Vorbehalt für die Zinsen war relativ geringfügig und hat keine Mehrkosten verursacht. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.Randnummer30

2. Die Revision ist nicht zuzulassen, da die gesetzlichen Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 S. 1 ZPO nicht vorliegen.Randnummer31

3. Der Gebührenstreitwert für die Berufungsinstanz wird auf 800.000 EUR festgesetzt.

Löffler I www.K1.de I www.gesellschaftsrechtskanzlei.com I Gesellschaftsrecht I unberechtigte Entnahmen I Betriebsausgaben I Erfurt I Thüringen I Sachsen I Sachsen-Anhalt I Hessen I Deutschland 2022

Schlagworte: actio pro socio, Eigenmächtige Privatentnahme, unbefugte Entnahme aus dem Gesellschaftsvermögen, unbefugte Entnahmen, unberechtigte Entnahmen, ungerechtfertigte Entnahme

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OLG Köln, Beschluss vom 23.10.2019 – I-18 Wx 16/19

Mittwoch, 23. Oktober 2019

§ 294 Abs 1 AktG

1. Grundsätzlich sind in das Handelsregister nur solche Tatsachen einzutragen, deren Eintragung gesetzlich vorgesehen ist. Darüber hinaus sind nach der Rechtsprechung des BGH auch gesetzlich nicht geregelte Eintragungen zulässig, „wenn ein erhebliches Interesse des Rechtsverkehrs an der entsprechenden Information besteht“.

2. Beide Voraussetzungen liegen in Bezug auf den hier in Rede stehenden Betriebspachtvertrag nicht vor.

Tenor

Die Beschwerde der Beteiligten zu 1) bis 3) gegen den am 27.05.2019 erlassenen Beschluss des Amtsgerichts Köln wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens haben die Beteiligten zu 1) bis 3) zu tragen.

Der Wert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Die Gesellschaft wurde im Jahre 2008 gegründet. Am 22.03.2019 schloss die ordnungsgemäß vertretene Beteiligte zu 1) mit drei weiteren Personen einen Betriebspachtvertrag. Gegenstand dieses Vertrages ist die Verpachtung des gesamten Betriebs der Beteiligten zu 1) nebst allen dem Betrieb zuzuordnenden Vermögensgegenständen und Rechten. In § 19 des Vertrages bringen die Vertragschließenden zum Ausdruck, dass sie meinen, die Wirksamkeit des Vertrages hänge von dessen Eintragung in das HandelsregisterBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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ab. Dementsprechend haben die Beteiligten zu 2) und 3) am 05.04.2019 einen Beschluss gefasst, mit dem sie dem Betriebspachtvertrag zugestimmt haben, und haben dessen Eintragung in das HandelsregisterBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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Handelsregister
beantragt. Diesen Antrag hat das Handelsregister durch einen am 27.05.2019 erlassenen Beschluss (Bl. 14 d. A.) zurückgewiesen, weil es hierfür keine Grundlage im Gesetz gebe.

Die Beteiligten zu 1) bis 3) haben hiergegen am 27.06.2019 Beschwerde eingelegt (Bl. 20 d. A.). Sie vertreten darin die Auffassung, dass sich die Verpflichtung zur Eintragung aus einer entsprechenden Anwendung des § 294 Abs. 2 AktG ergebe. Das Handelsregister hat der Beschwerde durch einen am 04.07.2019 erlassenen Beschluss (Bl. 38f. d. A.) nicht abgeholfen und sie dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die Beschwerde ist zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg, weil sich der angefochtene Beschluss als zutreffend erweist.

Grundsätzlich sind in das Handelsregister nur solche Tatsachen einzutragen, deren Eintragung gesetzlich vorgesehen ist. Darüber hinaus sind nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch gesetzlich nicht geregelte Eintragungen zulässig, „wenn ein erhebliches Interesse des Rechtsverkehrs an der entsprechenden Information besteht“ (BGH, Beschluss vom 14.02.2012 – II ZB 15/11 -, NJW-RR 2012, 730 Rn. 16). Beide Voraussetzungen liegen in Bezug auf den hier in Rede stehenden Betriebspachtvertrag nicht vor.

1. Schon im Hinblick auf das gänzliche Fehlen gesetzlicher Bestimmungen zu Unternehmensverträgen von Personenhandelsgesellschaften gibt es keine gesetzliche Regelung, die die Eintragung derartiger Betriebspachtverträge für eine GmbH & Co. KGBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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GmbH & Co. KG
GmbH & Co. KG
KG
ausdrücklich vorsieht. Eine solche Regelung ergibt sich auch nicht aus einer analogen Anwendung des § 294 Abs. 1 AktG, wonach Unternehmensverträge, zu denen gemäß § 292 Abs. 1 Nr. 3 AktG auch Betriebspachtverträge gehören, in das Handelsregister der beherrschten Aktiengesellschaft einzutragen sind.

a) Die Frage, ob die Regelung des § 294 Abs. 1 AktG auf andere Gesellschaften entsprechend anzuwenden ist, wird in Rechtsprechung und Schrifttum nicht einheitlich beantwortet. Abgelehnt wird eine Eintragung im Wesentlichen mit der Begründung, dass bei Personenhandelsgesellschaften weder die Satzung noch der Unternehmenszweck in das Handelsregister eingetragen werden, beide könnten formlos verändert werden und deshalb bestehe auch kein Bedürfnis zur Eintragung von Unternehmensverträgen (OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG München
, Beschluss vom 08.02.2011 – 31 Wx 2/11 -, ZIP 2011, 526; Mülbert in MüKoHGB, 4. Aufl. 2019, KonzernR der Personengesellschaften, Rn. 158; Haas in Röhricht/Graf von Westphalen/Haas, HGB, 5. Aufl. 2019, § 106 Rn. 24). Dem steht im Schrifttum die verbreitete Auffassung gegenüber, dass Unternehmensverträge eintragungsfähig seien, wobei allerdings durchweg auf Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge i. S. des § 291 AktG und nicht auf andere Unternehmensverträge i. S. des § 292 AktG abgestellt wird. Als Begründung wird teilweise auf die Verlustübernahme gemäß § 302 AktG und die Ausgleichszahlung gemäß § 304 AktG als Folge der in § 291 AktG genannten Unternehmensverträge abgestellt (Schall in Heidel/Schall, HGB, 3. Aufl. 2020, Anh. zu § 108 Rn. 86; Lieder in Oetker, HGB, 6. Aufl. 2019, § 105 Rn. 152). Teilweise wird mit dem  Informationsbedürfnis Dritter argumentiert (Wertenbruch/Nagel in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 3. Aufl. 2014, Anh. § 105 Rn. 51). Schließlich wird die Eintragungsfähigkeit auch aus § 162 HGB abgeleitet (Schäfer in Staub, HGB, 5. Aufl. 2009, Anh. § 105 Rn. 51). Aber auch die Autoren, die die Eintragungsfähigkeit des Unternehmensvertrages bejahen, gehen mit Ausnahme von Schall (a. a. O.) entgegen der in dem hier in Rede stehenden Vertrag vertretenen Auffassung davon aus, dass der Eintragung lediglich deklaratorische Bedeutung zukomme, die Wirksamkeit des Unternehmensvertrages hiervon aber nicht abhängt.

b) Jedenfalls für Betriebspachtverträge von Personenhandelsgesellschaften ist eine analoge Anwendung des § 294 Abs. 1 AktG nach Auffassung des Senats abzulehnen. Für diese Verträge wird die Eintragungsfähigkeit, soweit ersichtlich, von niemandem vertreten. Die von der Auffassung, dass Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge eintragungsfähig seien, angeführten Erwägungen betreffen letztlich nur diese Verträge, nicht aber die anderen Unternehmensverträge i. S. des § 292 AktG, zu denen auch die Betriebspachtverträge gehören. Deshalb haben jedenfalls für diese Verträge die von der Gegenauffassung angeführten Argumente den Vorrang, dass es der Eintragung von Unternehmensverträgen im Hinblick auf ihre Bedeutung für die Struktur der GesellschaftBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Gesellschaft
Struktur der Gesellschaft
nicht bedarf, weil schon die Satzung und der Unternehmenszweck nicht in das Handelsregister eingetragen werden.

2. Auch eine Eintragungsfähigkeit des Betriebspachtvertrages wegen eines besonderen Informationsbedürfnisses Dritter besteht nicht. Aus dem Handelsregister ergeben sich bei Kommanditgesellschaften lediglich die aus §§ 106 Abs. 2, 162 Abs. 1 HGB ersichtlichen Angaben. Daran ändert sich aber durch den Betriebspachtvertrag nichts. Von daher ist auch ein besonderes Informationsbedürfnis Dritter nicht erkennbar. Dies mag bei Unternehmensverträgen i. S. des § 291 AktG aufgrund der damit verbundenen Konsequenzen für die Haftungsmassen anders zu beurteilen sein, was der Senat an dieser Stelle jedoch nicht zu entscheiden braucht.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG; die Festsetzung des Wertes folgt aus § 36 Abs. 3 GNotKG.

IV.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde gemäß § 70 Abs. 2 FamFG liegen nicht vor. Soweit Streit über die Eintragungsfähigkeit von Unternehmensverträgen von Personenhandelsgesellschaften besteht, bezieht sich dieser lediglich auf Unternehmensverträge i. S. des § 291 AktG. Weiteren Bedarf an höchstrichterlicher Klärung erkennt der Senat nicht.

Schlagworte: Betriebspacht, Unternehmensvertrag

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OLG Köln, Urteil vom 01.10.2019 – I-18 U 34/18

Dienstag, 1. Oktober 2019

AktG § 93Bitte wählen Sie ein Schlagwort:
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AktG § 93
Abs. 1

Grundsätzlich trägt der Vorstand bei einer Inanspruchnahme gem. § 93 Abs. 1 AktG die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass er nicht pflichtwidrig gehandelt hat. Die Frage, ob dies auch noch gilt, wenn der Erbe des Vorstands in Anspruch genommen wird, bedarf jedenfalls dann keiner Entscheidung, wenn dieser sich zur Verteidigung auf nicht näher substantiierte Negativtatsachen beruft, weil ihm hierfür bereits nach allgemeinen Regeln eine sekundäre Darlegungslast obliegt.

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil der 2. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Aachen vom 9. Februar 2018 teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.000.000,00 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. August 2015 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Berufung des Beklagten wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des ersten Rechtszuges hat der Kläger 57% und der Beklagte 43% zu tragen. Die Kosten des zweiten Rechtszuges hat der Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Beiden Parteien bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Gegner vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

1. Die Parteien streiten um die Haftung des Landes NRW als Erbe eines zwischenzeitlich verstorbenen Allein-Vorstands der Klägerin wegen einer ganzen Reihe von Pflichtverletzungen. Zum einen geht es dabei um Aufwendungen der Klägerin im Zusammenhang mit einem gescheiterten Joint Venture, zum anderen um die Hinzuziehung einer Vielzahl von Beratern, deren Leistungen jedenfalls teilweise mit dem Joint Venture bzw. dem entsprechenden Geschäftsfeld im Zusammenhang stehen.

Joint Venture

Der am 29. September 2013 verstorbene Herrn A (Erblasser) war in der Zeit vom 4. Juni 2010 bis zum 31. August 2012 Allein-Vorstand der Klägerin. Die Einzelheiten der Satzung der Klägerin und der für die Vorstandstätigkeit geltenden Geschäftsordnung sind den Anlagen K 3 und K 4 zu entnehmen. Bedeutsam ist hierbei insbesondere ein in § 8 der Satzung und § 4 der Geschäftsordnung geregelter Zustimmungsvorbehalt zugunsten des Aufsichtsrates. In den Jahren 2008 bis 2012 befand sich die Klägerin in einer wirtschaftlich schwierigen Situation und entschloss sich, durch Erschließung neuer Geschäftsfelder die Abhängigkeit von der Automobilindustrie zu reduzieren.

Nachdem bereits im Jahr 2009 eine schließlich nicht erfolgreiche Neuausrichtung der Geschäftstätigkeit der bis dahin in den Bereichen Präzisionsmechanik und Maschinenbau (2008/2009 veräußert an SMS B) tätigen Klägerin eingeleitet worden war, deren Umstände sich den Anlagen K 51 bis 54 entnehmen lassen („Geschäftslinie Russland“), präsentierte der Erblasser anlässlich einer Aufsichtsratssitzung vom 8. September 2010 ein weiteres neues Geschäftsfeld. Er schlug vor, eine Vereinbarung mit der C AG (C AG) zu treffen, nach der die Klägerin gegen Vergütung die für Photovoltaik-Anlagen erforderlichen Wechselrichter (Geräte zur Umwandlung von Gleich- in Wechselstrom) designen sowie auf Funktion und Sicherheit testen sollte. Dazu bedürfe es nur der Anschaffung zweier Test-Anlagen und Aufwendungen von maximal 500.000,- EUR. Der Aufsichtsrat nahm das zur Kenntnis, befürwortete den Aufbau dieses neuen Geschäftsfeldes und fasste eine entsprechende Beschlussfassung im Umlaufverfahren ins Auge. Die weiteren Einzelheiten des vom Erblasser vorgestellten Vorhabens lassen sich dem als Anlage K 55 vorgelegten Protokoll der Aufsichtsratssitzung vom 8. September 2010 nebst anliegender Präsentation entnehmen.

Allerdings kam es nicht zu der beabsichtigten Beschlussfassung im Umlaufverfahren und auch nicht zum Abschluss einer Vereinbarung mit der C im vorgenannten Sinne, sondern der Erblasser stellte dem Aufsichtsrat der Klägerin anlässlich einer Sitzung vom 9. Februar 2011 ein anderes Vorhaben mit der C vor. Danach sollte mit der C eine Joint-Venture-Vereinbarung geschlossen und eine gemeinsame Gesellschaft gegründet werden. Die C sollte als Mehrheitsgesellschafterin näher bezeichnete Photovoltaik-Projekte durch Übertragung von Beteiligungen an den betreffenden Projekt-Gesellschaften einbringen und die Klägerin sollte als Minderheitsgesellschafterin insbesondere durch Eintragung einer Grundschuld auf ihrem Betriebsgrundstück über 8.000.000,- EUR und Abtretung der Sicherheit an die Joint-Venture-Gesellschaft die Finanzierung der Geschäftstätigkeit der Joint-Venture-Gesellschaft ermöglichen. Anlässlich der Aufsichtsratssitzung wurden sowohl der Joint-Venture-Vertrag als auch der Gesellschaftsvertrag jeweils im Entwurf vorgestellt. Dabei sah § 6 Ziff. 1 des Joint-Venture-Vertrages u.a. eine rechtliche und wirtschaftliche Unbedenklichkeitsbescheinigung einer Wirtschaftsprüfungs-Gesellschaft wegen der einzelnen Photovoltaik-Projekte vor. Das wurde dahingehend erörtert, dass u.a. eine wirtschaftliche Due-Diligence-Prüfung einer Wirtschaftsprüfungs-Gesellschaft Voraussetzung des Vollzuges des Joint-Venture-Vertrages sein solle. Der Aufsichtsrat der Klägerin stimmte dem Vorhaben zwar zu, aber mit der Maßgabe einer Optimierung der rechtlichen Garantiebedingungen hinsichtlich der einzelnen, von C einzubringenden Photovoltaik-Projekte seitens der anwaltlichen Vertreter der Gesellschaft und der Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat. Es solle gewährleistet sein, dass die einzelnen Projekte auch tatsächlich für die neu zu gründende Gesellschaft abwicklungsfähig seien. Lasse sich ein Konsens der Rechtsanwälte nicht finden, soll das Vorhaben erneut dem Aufsichtsrat zur Beschlussfassung vorgelegt werden. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Anlagen B 7 sowie K 56 und 57 Bezug genommen.

Im Vorfeld einer weiteren Aufsichtsratssitzung am 11. April 2011 wurden den Mitgliedern des Aufsichtsrates die verhandelten Entwürfe eines Joint-Venture-Vertrages und eines Gesellschaftsvertrages zur Gründung der Joint-Venture-Gesellschaft zur Verfügung gestellt. Der nunmehr überreichte Entwurf eines Joint-Venture-Vertrages wich zum einen durch den Austausch des Vertragspartners (neu: D GmbH & Co-Vertriebs KG), zum anderen durch das Fehlen einer Regelung über eine Prüfung und/oder Wertermittlung betreffend die einzubringenden Photovoltaik-Projekte bzw. Projekt-Gesellschaften und schließlich durch die Ausweitung der Verwendungsmöglichkeiten der von der Klägerin einzubringenden Grundschuld ab. Anlässlich der Aufsichtsratssitzung erläuterten der anwesende Rechtsberater der Klägerin D2 und der Erblasser, dass die Werthaltigkeit der einzubringenden Projekte dadurch nachgewiesen werden könne, dass die Projekte bereits bei Banken zur Finanzierung vorgestellt worden seien. Dazu bedürfe es einer Vielzahl von Voraussetzungen. Der Rechtsberater der Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat merkte dazu an, dass eine Bankenprüfung eine Due-Diligence-Prüfung aus der Sicht der Gesellschaft nicht ersetzen könne. Dennoch stimmte der Aufsichtsrat dem Vorhaben allerdings einstimmig zu und forderte lediglich einige Ergänzungen. Diese betraf insbesondere die Verwendung der von der Klägerin bereitzustellenden Grundschuld nicht nur für die von der Vertragspartnerin einzubringenden Projekte. Hier wollte sich der Aufsichtsrat der Klägerin eine Zustimmung vorbehalten. Wegen der weiteren Details wird auf die Anlagen B 8 und K 58 verwiesen.

Bereits an dem folgenden Tag unterzeichnete der Erblasser sowohl den Joint-Venture- als auch den zugehörigen Gesellschaftsvertrag. Dabei wurde die Vertragspartnerin der Klägerin erneut ausgetauscht. In der unterzeichneten Fassung beider Verträge ist die D & E Kraftfahrzeuge-Landmaschinen GmbH in F als Vertragspartnerin der Klägerin vorgesehen und nicht – wie zuletzt – die D GmbH und Co-Vertriebs-KG in G. Ferner enthielt der unterzeichnete Joint-Venture-Vertrag nicht die vom Aufsichtsrat der Klägerin gewünschte Begrenzung der Verwendung der von der Klägerin bereitzustellenden Grundschuld, sondern einer Zustimmung des Aufsichtsrates sollte es nur für eine Verwendung der Grundschuld außerhalb des Gesellschaftsgegenstandes des Gemeinschaftsunternehmens (Joint-Venture-Gesellschaft) bedürfen, nicht aber schon bei einer Verwendung außerhalb der eingebrachten Projekte. Schließlich hatte vor der Vertragsunterzeichnung eine Due-Diligence-Prüfung der Projekte bzw. der Projekt-Gesellschaften seitens der Klägerin bzw. in ihrem Auftrag nicht stattgefunden.

In der folgenden Zeit kam es nicht zu der im Joint-Venture-Vertrag vorgesehenen Bestellung und Abtretung der Grundschuld auf dem Betriebsgrundstück der Klägerin an die gegründete Joint-Venture-Gesellschaft. Mit Schreiben vom 28. November 2011 erklärte die D & E Kraftfahrzeuge-Landmaschinen GmbH unter Hinweis auf diesen Umstand den Rücktritt vom Vertrag. Demgegenüber wies der Erblasser in Vertretung der Klägerin darauf hin, dass es sich um eine Bedingung gehandelt habe und der Vertrag deshalb nicht wirksam geworden sei. Letztendlich schlossen die Klägerin und die Joint-Venture-Vertragspartnerin eine Auseinandersetzungsvereinbarung.

Im Zusammenhang mit dem gescheiterten Joint-Venture unternahm die Klägerin verschiedene Aufwendungen: Im Februar 2011 zahlte die Klägerin auf Weisung des Erblassers für einen geplanten Messeauftritt in Shanghai an die C einen Betrag in Höhe von 75.000,- EUR. Tatsächlich fand dieser Messeauftritt aber zu keinem Zeitpunkt statt.

Darüber hinaus hatte der Erblasser mit einem für C tätigen Herrn H Geschäftsreisen unternommen und die Klägerin kam u.a. für Flugkosten des Herrn H in Höhe von 11.161,77 EUR auf. Zwar wurden die Flugkosten – wie zuvor schon – der C weiterbelastet, jedoch wurde die Forderung der Klägerin nicht beglichen.

Ohne entsprechende vertragliche Regelung übernahm die Klägerin auf Veranlassung des Erblassers darüber hinaus den Einkauf von Kabeln und weiterem Zubehör im Gesamtwert von 32.825,99 EUR für den Bau einer Photovoltaikanlage durch die C.

Über das Vermögen der C wurde am 12. August 2011 das Insolvenzverfahren eröffnet.

Die Klägerin hatte für die Joint-Venture-Gesellschaft Solarmodule im Wert von 168.920,64 EUR erworben. Die Joint-Venture-Gesellschaft erstattete hiervon aber nur einen Betrag von 32.884,45 EUR.

Für ein weiteres Projekt („I“) der Joint-Venture-Gesellschaft trat die Klägerin mit der Beschaffung von Solarmodulen im Gesamtwert von 248.688,72 EUR in Vorleistung. Beide Forderungen wurden vom Erblasser im Zuge der Auseinandersetzung über das Vermögen der Joint-Venture-Gesellschaft im Rahmen der Vereinbarung vom 13. /14. Juni 2012, auf die wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird (Anlage K 40), nicht mehr geltend gemacht.

Die Klägerin hatte für die Joint-Venture-Gesellschaft ohne vertragliche Grundlage weitere Lieferungen und Leistungen in Höhe von 414.508,72 EUR vorfinanziert, auf die eine (Gegen-)Forderung von 222.534,52 EUR verrechnet wurde. Auf den Ausgleich des danach noch bestehenden Saldos in Höhe von 191.974,20 EUR verzichtete der Erblasser für die Klägerin im Rahmen der vorgenannten Auseinandersetzungsvereinbarung.

Berater

Am 1. Juni 2011 schloss der Erblasser mit Herrn J einen Vertrag über die „Erstellung einer Studie zur Entwicklung des Photovoltaikmarktes“ und am 8. August 2011 vereinbarten beide Seiten außerdem die „Erstellung einer Marktanalyse“. Die Klägerin zahlte an Herrn J einen Betrag in Höhe von insgesamt 164.189,37 EUR. Wegen der Einzelheiten wird auf die beiden Verträge nebst Rechnungsübersicht Bezug genommen (vgl. Anlagen K 13 – 15).

Der Erblasser schloss mit K am 13. Oktober 2010 und am 25./28. August 2011 zwei Beraterverträge zur „Betreuung der Corporate Identity, des Marketings sowie der Vornahme von vertriebsunterstützenden Maßnahmen“ ab. Die Verträge sahen eine monatliche Vergütung von 17.500,- EUR bzw. 6.500,- EUR vor. Insgesamt zahlte die Klägerin an K Honorare in Höhe von 208.473,37 EUR. Wegen der Einzelheiten wird auf die Verträge nebst Zahlungsübersicht (Anlagen K 17 – 19) Bezug genommen.

Der Erblasser schloss am 29. Juli 2011 einen Beratervertrag mit der L Beratungsgesellschaft mbH zur „Erschließung des osteuropäischen Marktes“. Hierfür zahlte die Klägerin ein Honorar von 259.781,81 EUR, nachdem es dem Amtsnachfolger des Erblassers gelungen war, die monatliche Vergütung auf 5.000,- EUR zu reduzieren. Außerdem zahlte die Klägerin 45.000,- EUR nach einem diesbezüglichen Vergleich.

Am 20. Juli 2011 schloss der Erblasser mit der dem Senat aus dem Verfahren 18 U 24/17 (treuwidrige Geltendmachung von Pensionsansprüchen) bekannten Lebensgefährtin des Erblassers, Frau M, einen Beratervertrag im Bereich „Erneuerbare Energien und Photovoltaik-Kraftwerke“ ab. Es wurde eine monatliche Vergütung von 5.000,- EUR vereinbart. Die Klägerin zahlte an Frau M insgesamt einen Betrag von 50.000,- EUR.

Am 1. August 2011 schloss der Erblasser mit der N GmbH einen Vertrag über die Durchführung einer Energiesparanalyse am Standort Q. Hierfür zahlte die Klägerin insgesamt einen Betrag von 91.710,- EUR.

Am 10. August 2011 und am 8. März 2012 wurden zwei weitere Rahmenverträge über „Researchleistungen und Produktentwicklungen“ mit der N GmbH und der O Energy GmbH abgeschlossen. Die Klägerin zahlte an die Beraterfirmen insgesamt 48.403,- EUR.

Einen weiteren Beratervertrag über technische Dienstleistungen für Energiecontrolling, -management und -beschaffung schloss der Erblasser mit der Firma O am 8. März 2012. Aufgrund dieses Vertrages zahlte die Klägerin an die Beratungsfirma insgesamt 20.400,- EUR.

Mit der O Sustainable Invest GmbH schloss der Erblasser am 18. Oktober 2011 einen Vertrag über die Lizenzierung des Produktkonzepts HK 30 für die Gebiete der P-Bezirke Q und R. Die Lizenzgebühr, die ursprünglich 85.000,- EUR betragen sollte, wurde gegen eine Ausweitung des Lizenzgebietes auf das Land Nordrhein-Westfalen durch Vereinbarung vom 24. November 2011 um 60.000,- EUR erhöht. Die Klägerin zahlte insgesamt 145.000,- EUR an die O Sustainable Invest GmbH.

Unter dem 30. Mai 2011 schloss der Erblasser mit Herrn S, der zuvor Werksleiter bei T gewesen war, einen Beratervertrag für die Bereiche „Effizienzsteigerung“ und „Erstellung einer Outsourcing-Studie sowie die Führung der aktiven Umsetzung vor Ort“. Herr S sollte einen Tagessatz von 2.500,- EUR erhalten. Insgesamt zahlte die Klägerin an den Berater über einen Zeitraum von elf Monaten einen Betrag von 222.500,- EUR.

Der Erblasser schloss mit Herrn U einen Vertrag zur Unterstützung bei der Umsetzung des Projekts „V“. Es wurde ein Stundenlohn von 150,- EUR vereinbart. Insgesamt zahlte die Klägerin an Herrn U 36.657,35 EUR.

Am 12. April 2011 schloss der Erblasser mit der W Strategieberatung einen Beratervertrag zu Fragen der „wirtschaftlichen Stabilisierung“, „Strategieentwicklungen“ und „eigenen Expansionen“. Der Vertrag sah ein Tageshonorar von 1.550,- EUR für den Berater, Herrn X, und 425,- EUR für dessen Mitarbeiter vor. Insgesamt wurden Zahlungen in Höhe von 33.600,- EUR geleistet.

Am 4. August 2011 schlossen der Erblasser für die Klägerin einerseits und die Y Equipment Europe GmbH andererseits einen Kooperations- und Vergütungsvertrag ab. Gegenstand des Vertrages war die Vermittlung und Zurverfügungstellung von Dach- und Freiflächen durch die jeweiligen Eigentümer zur Errichtung von Photovoltaikanlagen sowie die Vermittlung von Investoren. Wegen der Einzelheiten wird auf den betreffenden Vertrag (Anlage K 38) verwiesen. Für das Projekt „Photovoltaik-Anlage Z“ zahlte die Klägerin an die Y Equipment Europe GmbH insgesamt 21.070,- EUR.

Am 25. August 2011 schlossen der Erblasser und Herr Dr. A2 einen Vertrag über die freie Mitarbeit des Herrn Dr. A2, der über Spezialwissen den italienischen Markt betreffend verfügen sollte. Die Vergütung betrug 10.000 EUR/Monat, und die Klägerin zahlte insgesamt 170.384,71 EUR an Dr. A2.

Am 25. Januar 2011 schlossen der Erblasser für die Klägerin einerseits und die B2 GmbH andererseits einen Geschäftsbesorgungsvertrag, dessen Gegenstand die Unterstützung der Klägerin bei der Ansprache und der Auswahl von Investoren war. Die monatliche Vergütung betrug 10.000,- EUR. Insgesamt zahlte die Klägerin an die Beraterin einen Betrag von 277.500,- EUR.

Die Klägerin hat behauptet, der Erblasser habe es versäumt, vor Freigabe der Zahlungen an die C die tatsächliche Durchführung des Messeauftritts in Shanghai zu überprüfen. Es habe auch keine Gründe gegeben, die Reisekosten des Herrn H zu übernehmen sowie die Kosten für Kabel nebst Zubehör vorzustrecken.

Der Berater J sei fachlich nicht hinreichend qualifiziert gewesen und habe der Gesellschaft keinen Nutzen gebracht. Der Erblasser habe es versäumt, dessen Tätigkeit zu kontrollieren und den Vertrag zu kündigen. Auch habe kein Bedarf für den Abschluss des Beratervertrages bestanden. Wegen der Mangelhaftigkeit einer im Jahr 2010 erstellten Studie hätte der Erblasser diesen Berater nicht erneut beauftragen dürfen.

Auch die K Werbeagentur GmbH & Co. KGBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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GmbH & Co. KG
KG
sei nicht qualifiziert gewesen. Es lägen ferner keine Tätigkeitsnachweise vor, und es habe kein Beratungsbedarf bestanden. Die Agentur habe auch keine Leistungen bezüglich der Homepage der Klägerin erbracht.

Gleiches gelte auch für die L Beratungsgesellschaft mbH, Frau M, die Firma N GmbH, die O, die Herren S und U sowie die Firma W Strategieberatung.

Insgesamt habe der Erblasser durch die Beauftragung unqualifizierter Berater mit der Erbringung nicht erforderlicher Beratungsleistungen einen Schaden in Höhe von 1.280.714,90 EUR verursacht.

Der an die Firma Y gezahlte Betrag von 21.070,- EUR sei im Rahmen der Auseinandersetzung nicht berücksichtigt worden.

Nachdem im Januar 2012 festgestanden habe, dass sich die Klägerin von dem Joint Venture Partner trennen werde, hätte der Vertrag mit Herrn Dr. A2 zum 30. April 2012 gekündigt werden müssen. Hierdurch wäre jedenfalls die weitere Honorarzahlung in Höhe von 48.967,38 EUR erspart worden.

Die Firma B2 hätte mangels Eignung bereits nicht beauftragt werden dürfen.

Im Zuge der Auseinandersetzung des Vermögens der Joint-Venture-Gesellschaft hätten Forderungen gegen diese in Höhe von insgesamt 976.749,24 EUR bestanden. Dem habe eine Verbindlichkeit der Klägerin gegenüber dem Joint-Venture-Partner in Höhe von 222.534,52 EUR gegenüber gestanden. Dessen angekündigte Gegenforderung sei völlig unspezifiziert gewesen und hätte keinesfalls berücksichtigt werden dürfen.

Der Joint Venture Vertrag habe bereits nicht abgeschlossen werden dürfen. Dies gelte vor allem deshalb, weil der den zuständigen Gremien in Aussicht gestellt Vertragspartner einen Tag nach der Aufsichtsratssitzung vom 11. April 2011 durch die D & E Kraftfahrzeuge-Landmaschinen GmbH ersetzt worden sei. Der Erblasse habe auch die nach dem Vertrag ins Auge gefasste Due-Diligence-Prüfung betreffend die einzubringenden Photovoltaik-Projekte nicht unterlassen dürfen. Bereits der Strategiewechsel zu Gunsten des Geschäftsfeldes „erneuerbare Energien“ sei unzulässig gewesen. Durch die Eingehung des Joint Ventures sei der Klägerin ein Schaden in Höhe von 1.039.902,18 EUR entstanden. Die weiteren Einzelheiten ergeben sich insbesondere aus der Anlage K 96.

Auch die unterlassene Eintragung der vertraglich vorgesehenen Grundschuld sei pflichtwidrig gewesen. Zudem habe es der Erblasser unterlassen, den gemäß § 7 des Joint-Venture-Vertrages vorgesehenen Dienstvertrag zwischen der Klägerin und der Joint-Venture-Gesellschaft abzuschließen, so dass keine Rechtsgrundlage dafür bestanden habe, die seitens der Klägerin erbrachten Leistungen der der Joint-Venture-Gesellschaft in Rechnung zu stellen. Das habe auch für die Auseinandersetzung Konsequenzen gehabt. Im Zusammenhang mit Pflichtverletzungen während der Laufzeit des Vertrages und im Kontext mit der Beendigung des Vertrages sei der Klägerin ein weiterer Schaden in Höhe von 722.997,02 EUR entstanden.

Die Klägerin hat – anknüpfend an ihre vorgerichtliche Zahlungsaufforderung mit Frist zum 31. Juli 2015 – ursprünglich beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an sie 2.327.661,97 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. August 2015 zu zahlen. Der Beklagte hat indessen die Dürftigkeitseinrede gemäß § 1999 BGB erhoben; die Aktiva des Nachlasses bestehen lediglich aus den Ansprüchen gegen die zugunsten des Erblassers abgeschlossene D & O Versicherung. Diese Ansprüche sind vertraglich auf 1.000.000,- EUR begrenzt. Dementsprechend hat die Klägerin im Wege der Teilklage Zahlung nur noch in Höhe von 1.000.000,- EUR nebst Zinsen verlangt und den Rechtsstreit im Übrigen für erledigt erklärt. Der Beklagte hat der Erledigung widersprochen. Wegen der Einzelheiten der Berechnung der Klageforderung wird auf den Schriftsatz der Klägerin vom 23. März 2017 (vgl. Bl. 271 f GA) und auf die Anlage K 96 Bezug genommen.

Die Klägerin hat beantragt,

1. den Beklagten zu verurteilen, an sie 1.000.000,- EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. August 2015 zu zahlen;

2. festzustellen, dass der Rechtsstreit im Übrigen in der Hauptsache erledigt ist.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat behauptet, der Erblasser habe in Absprache mit dem Aufsichtsrat die Erschließung neuer Geschäftsfelder vorangetrieben. Hierzu sei es notwendig gewesen, die Hilfe von mit der Sache befasster Berater in Anspruch zu nehmen. Die von der Klägerin genannten Berater seinen sämtlich sehr wohl hinreichend qualifiziert gewesen und hätten die vertraglich vereinbarten Leistungen ordnungsgemäß erbracht. Das ergebe sich zum einen aus den seitens des Beklagten eingeholten Auskünften der betreffenden Berater, zum anderen aus dem Inhalt der zwischen den Beratern und der Klägerin geführten Rechtsstreitigkeiten.

In Bezug auf den Messeauftritt in Shanghai sei der Erblasser einem Betrüger aufgesessen. Die in diesem Zusammenhang erbrachten Vorleistungen entsprächen im Übrigen dem üblichen Geschäftsgang. Das gelte auch für die Übernahme von Reisekosten. Die Weiterbelastung vorverauslagter Kosten an C sei zuvor schon über einen längeren Zeitraum erfolgreich praktiziert worden. Der Ausfall sei Teil des geschäftlichen Risikos.

Die Begründung des Projektes mit der D & E Kraftfahrzeuge-Landmaschinen GmbH sei nicht pflichtwidrig gewesen, sondern habe insbesondere auch der Beschlusslage im Aufsichtsrat entsprochen.

Der Erblasser habe im Zuge der Auseinandersetzung mit der D & E Kraftfahrzeuge-Landmaschinen GmbH zur Auflösung der Joint-Venture-Gesellschaft alle bestehenden Forderungen der Klägerin in vollem Umfang berücksichtigen lassen. Um mit dem Joint-Venture-Partner zu einer Einigung zu kommen, sei es jedoch erforderlich gewesen, bestimmte Ansprüche aufzugeben.

Das Landgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen C2. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 10.11.2017 (Bl. 387 ff d.A.) Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes im ersten Rechtszug einschließlich der gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (vgl. Bl. 467 ff. GA) sowie auf den Berichtigungsbeschluss vom 20. März 2018 (vgl. Bl. 524 f. GA) Bezug genommen.

2. Mit dem beiderseits angefochtenen, den Parteien jeweils am 13. Februar 2018 zugestellten (vgl. Bl. 506 f. GA) Urteil vom 9. Februar 2018 (vgl. Bl. 465, 466 ff. GA) in der Fassung des Berichtigungsbeschluss vom 20. März 2018 (vgl. Bl. 524 f. GA) hat das Landgericht der Klage lediglich in Höhe von insgesamt 203.655,14 EUR nebst Zinsen bzw. wegen der Aufwendungen der Klägerin im Zusammenhang mit Reisekosten des Herrn H (11.161,77 EUR), mit Kosten für einen tatsächlich nicht erfolgten Messeauftritt in Shanghai (75.000,- EUR), wegen der Vergütung des Beraters J (35.700,- EUR), wegen Vorleistungen im Zusammenhang mit dem Erwerb von Kabeln und anderem Material für C (32.825,99 EUR) sowie wegen eines Teils der Vergütung für den Berater Dr. A2 (48.967,38 EUR) stattgegeben.

Im Rahmen der Begründung hat sich das Landgericht dabei zunächst mit der Verteilung der Darlegungs- und Beweislast in den Fällen einer auf § 93 Abs. 2 S. 1 AktG gestützten Inanspruchnahme des Gesamtrechtsnachfolgers (Erben) eines Vorstandsmitgliedes auseinandergesetzt und sich der insofern überwiegenden Auffassung in der Literatur angeschlossen, dass hier – abweichend vom Wortlaut des § 93 Abs. 2 S. 2 AktG – die anspruchstellende Gesellschaft die Darlegungs- und Beweislast treffe. Ausgehend hiervon hat das Landgericht sodann die einzelnen Aufwendungen der Klägerin geprüft und die Klageabweisung vor allem auf nicht hinreichende Darlegungen der Klägerin zur Pflichtwidrigkeit des Vorgehens des Erblassers gestützt.

Hinsichtlich der Behauptung, dass der Kläger den Joint-Venture-Vertrag und den Gesellschaftsvertrag schon nicht habe unterzeichnen dürfen, hat das Landgericht außerdem erläutert, dass es einen darauf beruhenden Schaden nicht feststellen könne, weil das Joint Venture letztlich daran gescheitert sei, dass die notwendige Grundschuld nicht bestellt worden sei. Der Pflichtwidrigkeit der Hinzuziehung von Beratern stünden zum einen deren aus anderen Verfahren bekannte Leistungen, zum anderen die Notwendigkeit der Hinzuziehung externen Sachverstandes bei der Erschließung neuer Geschäftsfelder entgegen.

Die für Reisekosten von Herrn H getätigten Aufwendungen seien aber nicht erforderlich gewesen. Hierzu habe für die Klägerin keine Veranlassung bestanden. Es könne offen bleiben, ob der Erblasser Aufwendungen für den Messeauftritt erst nach Stattfinden der Messe habe anweisen dürfen. Jedenfalls aber habe er den Betrag umgehend zurückfordern müssen. Die Einwendung des Beklagten im Hinblick auf die kurz danach eingetretene Insolvenz der C sei nicht hinreichend substantiiert, die gezahlte Vergütung rechtfertigende Leistungen des Beraters J habe der Beklagte mangels erreichbaren Zeugens nicht bewiesen, für den Erwerb von Kabeln und anderen Materialien habe kein Anlass bestanden, und der Vertrag mit Herrn Dr. A2 habe nach dem Klarwerden des Scheiterns des Joint Venture umgehend gekündigt werden müssen.

Wegen der weiteren Einzelheiten der rechtlichen und tatsächlichen Würdigung des Landgerichts wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen (vgl. Bl. 475 ff. GA).

3. a) Die Klägerin hat mit einem am 13. März 2018 hier eingegangenen Schriftsatz Berufung gegen das vorgenannte Urteil eingelegt (vgl. Bl. 533 f. GA) und ihr Rechtsmittel – nach entsprechender Fristverlängerung (vgl. Bl. 536 GA) – mit einem am 11. Mai 2018 eingegangenen Schriftsatz begründet (vgl. Bl. 574 ff. GA).

Dabei stellt sie das angefochtene Urteil zur Überprüfung, soweit das Landgericht die Zahlungsklage abgewiesen hat (796.344,86 EUR nebst Zinsen). Hinsichtlich der Abweisung des Feststellungsantrages wird dagegen kein Antrag gestellt.

Die Klägerin wendet sich zunächst gegen die vom Landgericht im Anschluss an die überwiegende Auffassung der Literatur befürwortete, vom Wortlaut des § 93 Abs. 2 S. 2 AktG abweichende Verteilung der Darlegungs- und Beweislast. Sodann erläutert sie die Bedeutung von vom Vorstand zu verantwortenden Verstößen gegen Dokumentationspflichten und die Reichweite der Dokumentationspflicht. Zu Unrecht habe das Landgericht die Klägerin für darlegungspflichtig gehalten und ferner die Dokumentationspflicht auf die Geschäftsvorgänge als solche beschränkt.

Im Anschluss hieran erörtert die Klägerin ihre Auffassung, dass die Angaben der vom Beklagten befragten Berater nicht verwertet werden dürften, weil die Berater mit den Angaben gegen die sie treffende, berufliche Verschwiegenheitspflicht verstoßen hätten.

Konkret vertritt die Klägerin weiter die Auffassung, dass der Erblasser den Joint-Venture-Vertrag und den Gesellschaftsvertrag nicht habe unterzeichnen dürfen, weil noch nach dem Aufsichtsratsbeschluss der Vertragspartner ausgewechselt worden sei. Außerdem sei eine neuerliche Neuausrichtung der Klägerin in der prekären Lage bereits pflichtwidrig gewesen. Pflichtwidrig sei ferner die Eingehung des Joint Venture ohne Due-Diligence-Prüfung gewesen. Der Erblasser habe den Vertragspartner, die geplanten Umsätze und Gewinne sowie die einzubringenden Photovoltaik-Projekte bzw. die Projekt-Gesellschaften eingehend prüfen lassen müssen. Dem Landgericht sei auch nicht etwa dahingehend zu folgen, dass aus den entsprechenden Pflichtverletzungen kein Schaden entstanden sei. Vielmehr sei bereits fraglich, ob sich der Beklagte als Rechtsnachfolger des Erblassers bei den hier vorliegenden Kompetenzüberschreitungen überhaupt auf ein rechtmäßiges Alternativverhalten berufen könne. Die Klägerin müsse entsprechende Darlegungen jedenfalls nicht unternehmen.

Auch im Zusammenhang mit der Hinzuziehung der Berater hält die Klägerin an ihrem erstinstanzlichen Vorbringen fest und führt diese lediglich erneut und eingehender aus.

Die Klägerin beantragt,

das angefochtene Urteil des Landgerichts Aachen vom 9. Februar 2018 – 42 O 139/15 – teilweise abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, an sie weitere 796.344,86 EUR nebst Zinsen hierauf in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1.August 2015 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen,

und hält ebenfalls an seinem erstinstanzlichen Vorbringen fest. Soweit die Klage abgewiesen worden ist, verteidigt er im Übrigen die angefochtene Entscheidung.

b) Der Beklagte hat mit einem hier am 12. März 2018 eingegangenen Schriftsatz gegen das vorgenannte Urteil Berufung erhoben (vgl. Bl. 529 f. GA) und sein Rechtsmittel – nach entsprechender Fristverlängerung (vgl. Bl. 536 GA) – mit einem am 11. Mai 2018 eingegangenen Schriftsatz begründet (vgl. Bl. 548 ff. GA).

Der Beklagte stellt das angefochtene Urteil zur Überprüfung, soweit das Landgericht der Klage stattgegeben hat (203.655,14 EUR nebst Zinsen).

Die Vorverauslagung von Reisekosten des für C tätigen Herrn H sei schon deshalb nicht pflichtwidrig gewesen, weil zuvor erheblich höhere Beträge seitens der C anstandslos bezahlt worden seien. Ferner seien die Geschäftsbesuche in China wegen des neuen Geschäftsfeldes sinnvoll gewesen. Auch mit Rücksicht auf die vergleichsweise geringe Höhe des Betrages habe sich der Erblasser hier im Rahmen eines ihm zustehenden Ermessens bewegt.

Der Erblasser sei auch wegen des unternehmerischen Ermessens keineswegs verpflichtet gewesen, die Aufwendungen für einen Messestand in Shanghai zurückzufordern, denn er habe davon ausgehen dürfen, dass dies der Bereitwilligkeit des künftigen Joint-Venture-Partners abträglich sein würde. Hinzu komme, dass nur wenig später das Insolvenzverfahren über das Vermögen der C eröffnet worden sei. Deshalb sei eine Forderung auf Rückzahlung uneinbringlich gewesen.

Ebenso habe der Erblasser die Vorverauslagung von Aufwendungen für Kabel und anderes Material seitens der Klägerin für die C veranlassen dürfen. Denn es habe sich um eine kurzfristige Kreditgewährung von sehr begrenzter Höhe gehandelt, und die C habe zuvor wesentlich höhere Beträge anstandslos erstattet.

Soweit das Landgericht eine Leistungserbringung des Beraters J als nicht bewiesen angesehen habe, habe es die Beklagte zu Unrecht als beweispflichtig angesehen und sich damit zu seinen rechtlichen Ausführungen in Widerspruch gesetzt. Tatsächlich wirke die Unerreichbarkeit des Beraters als Zeuge zu Lasten der Klägerin.

Soweit das Landgericht dem Erblasser die unterlassene Kündigung des Beratervertrages mit Dr. A2 vorgeworfen habe, könne das keinen Bestand haben, weil die Klägerin die Italien-Projekte habe übernehmen sollen. Das sei erst im Zuge der Auseinandersetzung anders entschieden worden. Deshalb habe eine Fortsetzung des Beratungsverhältnisses im Ermessen des Erblassers gestanden und habe er nicht beim ersten Anzeichen für Schwierigkeiten des Joint Venture die Kündigung des für den italienischen Markt notwendigen Beraters aussprechen müssen.

Der Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil des Landgerichts Aachen vom 9. Februar 2018 – 42 O 139/15 – teilweise abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen,

und hält an ihrem erstinstanzlichen Vorbringen fest. Soweit der Klage stattgegeben worden ist, verteidigt sie die angefochtene Entscheidung.

c) Nach einem Hinweis des Senats vom 15. Mai 2019 (vgl. Bl. 910 f. GA) hat die Klägerin ihr Vorbringen insbesondere hinsichtlich der Reihenfolge der im Wege der Teilklage geltend gemachten Schadenspositionen ergänzt. Sie hat dieses Vorbringen im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 25. Juli 2019 erläutert und die Reihenfolge nochmals geändert. Die Einzelheiten ergeben sich aus dem Schriftsatz der Klägerin vom 4. Juli 2018 (vgl. Bl. 915 ff. GA) und aus dem Protokoll der Sitzung vom 25. Juli 2019 (vgl. Bl. 969 ff. GA).

II.

1. Das Rechtsmittel der Klägerin ist nach den insofern maßgebenden §§ 511 ff. ZPO nicht nur statthaft und im Übrigen zulässig, sondern auch begründet. Denn das angefochtene Urteil leidet insofern unter einem Rechtsfehler im Sinne des § 513 Abs. 1 ZPO als das Landgericht die Darlegungslast in entscheidungserheblicher Art und Weise verkannt hat. Bei zutreffender Verteilung der Darlegungslast und entsprechender Würdigung des Vorbringens der Parteien hätte der Klage stattgegeben werden müssen.

Dabei kann allerdings offen bleiben, ob § 93 Abs. 2 S. 2 AktG für den Fall einer Gesamtrechtsnachfolge auf der Seite des in Anspruch genommenen Vorstandsmitglieds durch Erbfall dahingehend teleologisch zu reduzieren ist, dass hier ausnahmsweise und abweichend vom Gesetzeswortlaut die Gesellschaft darlegungs- und beweispflichtig ist (vgl. etwa Fleischer, in: Spindler/Stilz, Aktiengesetz, 4. Aufl. 2019, § 93 Rn. 224 a.E. m.w.N.) oder es auch für die Frage der Darlegungs- und Beweislast nach § 93 Abs. 2 S. 2 AktG bei der sonst geltenden Regel bleiben muss, dass der Rechtsnachfolger die Haftungssituation so zu übernehmen hat, wie sie in der Person des Rechtsvorgängers begründet worden ist, und dass Schwierigkeiten mithilfe der Grundsätze sekundärer Darlegungslast sowie Auskunfts- und Einsichtsansprüchen ohne weiteres gelöst werden können (so insbesondere Born, in: Krieger/Schneider, Handbuch Managerhaftung, 3. Aufl. 2017, § 14 Rn. 21). Denn auch unter Rückgriff auf allgemeine Grundsätze der Darlegungs- und Beweislast ist im vorliegenden Fall der Beklagte darlegungspflichtig.

Im Einzelnen:

a) Verteilung der Darlegungs- und Beweislast

Das Landgericht hat die Klage hinsichtlich einer ganzen Reihe von Pflichtverletzungen mit der Begründung abgewiesen, die Klägerin sei ihrer Darlegungslast im Zusammenhang mit der Pflichtwidrigkeit des Verhaltens des Erblassers nicht hinreichend nachgekommen. Das trifft selbst dann nicht zu, wenn man von einer vom Wortlaut des § 93 Abs. 2 S. 2 AktG abweichenden Verteilung der Darlegungslast in den Fällen der Gesamtrechtsnachfolge auf der Seite des Vorstands durch Erbfall ausgeht. Denn die Verteilung der Darlegungslast hängt darüber hinaus nach allgemeinen Grundsätzen stets davon ab, ob es bei den darzulegenden Umständen um positive oder um negative Tatsachen geht. Hat eine primär darlegungspflichtige Partei nämlich eine negative Tatsache zu behaupten, so wechselt die Darlegungslast zum Gegner und diese nunmehr sekundär behauptungspflichtige Partei hat die entsprechenden konkreten Umstände näher darzulegen (vgl. etwa BGH, Urt. v. 14. Juli 2003 – II ZR 335/00 -, NJW-RR 2004, S. 556 zum Bereicherungsrecht). Wendet man nun diese allgemeinen Grundsätze auf den vorliegenden Fall an, so müsste es selbst bei Bejahung einer teleologischen Reduktion des § 93 Abs. 2 S. 2 AktG in den Fällen der Gesamtrechtsnachfolge jedenfalls in gewissem Umfang bei der Darlegungslast des Beklagten als Erbe des verstorbenen Vorstands der Klägerin bleiben, soweit sich nämlich aus dem unstreitigen Sachverhalt ohne weitere rechtfertigende Umstände eine Pflichtverletzung des Erblassers ergäbe und die Klägerin sinngemäß vorträgt, dass es keine Umstände gegeben habe, welche die Maßnahmen des Erblassers zu rechtfertigen vermögen.

Das ist auch vor dem Hintergrund gewisser Schwierigkeiten des Beklagten als (subsidiärer) Erbe im Zusammenhang mit den erforderlichen Darlegungen zwingend. Denn zum einen ist in den entsprechenden Fällen ein anderer, weiter und tiefer reichender Vortrag der klagenden Gesellschaft bezogen auf die entscheidungserhebliche Tatsache immer dann nicht denkbar, wenn ihre Behauptungen der Wahrheit entsprechen. Zum anderen kann der Beklagte als Rechtsnachfolger des verstorbenen Vorstandsmitgliedes von der Klägerin als Gesellschaft gestützt auf nachwirkende Treupflichten aus dem beendeten Organverhältnis und/oder unter Berufung auf § 810 BGB Einsicht in alle in diesem Zusammenhang stehenden Geschäftsunterlagen verlangen, um so seiner Darlegungspflicht nachzukommen (vgl. dazu BGH, Urt. v. 4. November 2002 – II ZR 224/00 -, NJW 2003, S. 358 [359] zur GmbH). Eines weiterreichenden Schutzes durch Absenkung der ihn treffenden sekundären Darlegungslast bedarf der Gesamtrechtsnachfolger schließlich auch im Hinblick auf die Möglichkeit der Begrenzung seiner Haftung auf den Nachlass etwa gemäß § 1990 BGB nicht. Ganz im Gegenteil: Jede andere Betrachtung ließe den Erben hinsichtlich der zur Erbmasse gehörenden Schadensersatzverpflichtungen zu Lasten der Gläubiger besser dastehen als den Erblasser, obwohl insofern keine über die Grenze insbesondere des § 1990 BGB hinausreichende, schutzwürdigen Interessen des Erben erkennbar sind. Ohne nachvollziehbaren Grund erhielte der Erbe die ungeschmälerte Erbmasse, während die Gläubiger den Zugriff auf das noch vorhandene Vermögen des Erblassers verlören.

Der Unterschied der beiden oben genannten Rechtsauffassungen zur Bedeutung des § 93 Abs. 2 S. 2 AktG in den Fällen der Gesamtrechtsnachfolge kommt demnach zum einen unter Hinzuziehung der allgemeinen Grundsätze zur Darlegung negativer Tatsachen, zum anderen unter Berücksichtigung der oben erwähnten Möglichkeiten des Rechtsnachfolgers, die für die gebotenen konkreten Darlegungen notwendigen Informationen von der Gesellschaft zu erlangen, erst dann zum Tragen, wenn im Anschluss an hinreichend konkrete Darlegungen beider Seiten die Frage nach der Beweislast zu beantworten sein wird. Das ist hier aber nicht der Fall.

b) Eingehung des Joint Venture als schuldhafte Pflichtverletzung

Denn schon nach dem unstreitigen Sachverhalt steht fest, dass ohne weiteres sowohl der Abschluss des Joint-Venture-Vertrages als auch derjenige des Gesellschaftsvertrages als auch die vorangegangenen Verhandlungen auf dem Erblasser vorzuwerfenden Pflichtverletzungen beruhen und dass dies zu Schäden bei der Klägerin geführt hat.

aa) Grundlage jeder unternehmerischen, nicht pflichtwidrigen Entscheidung können nach § 93 Abs. 1 S. 2 AktG nur angemessene Informationen sein. Umgekehrt folgt daraus, dass eine Entscheidung des Vorstands, die nicht auf einer angemessenen Informationsgrundlage beruht, pflichtwidrig ist.

In diesem Rahmen muss der Vorstand zunächst eine ausreichende Tatsachengrundlage für die zu treffende Entscheidung schaffen. Maßgeblich insbesondere für den Umfang der erforderlichen Maßnahmen ist, ob der handelnde Vorstand die Informationsgrundlage als angemessen ansehen durfte. Der Vorstand ist zwar grundsätzlich verpflichtet, alle ihm zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen auszuschöpfen. Jedoch darf und muss er auch zwischen Kosten und Nutzen einer ausgiebigen Tatsachenermittlung abwägen. Gerade in der geschäftlichen Praxis ist keine Situation vorstellbar, in der alle Erkenntnismöglichkeiten ausgeschöpft werden können, sondern es bedarf stets einer gewissen Auswahl und Beschränkung. Die Schaffung einer „Grundlage angemessener Information“ bedingt demgemäß wiederum eine der hauptsächlich erforderlichen unternehmerischen Entscheidung vergleichbare, wenn auch vorgelagerte Beurteilung von Kosten und Nutzen der weiteren Informationsbeschaffung. Dabei kann vor allem die Eilbedürftigkeit einer Entscheidung eine erhebliche Rolle spielen, so dass sich der Vorstand unter bestimmten Umständen auf eine summarische Prüfung beschränken kann. Auch wenn die angemessene Informationsgrundlage ein unbestimmter Rechtsbegriff ist und daher auf den ersten Blick in vollem Umfang der richterlichen Kontrolle unterliegt, muss berücksichtigt werden, dass die Angemessenheit sich immer nach dem konkreten Einzelfall richtet und darüber hinaus eine ex-ante Beurteilung erfordert, insbesondere bei der Prüfung, was der Vorstand vernünftigerweise im Sinne eines ordentlichen Geschäftsleiters annehmen durfte. Die Forderung nach der Ausschöpfung aller verfügbaren Informationsquellen ist deshalb nicht so zu interpretieren, dass alle nach einer abstrakten ex-post-Betrachtung erhältlichen Informationen verwendet werden müssen. Dies führte zu für den Geschäftsverkehr allzu starren, mit Rücksicht auf die Umstände des konkreten Einzelfalles nicht praktikablen Vorgaben. Demnach besteht auch hinsichtlich des Umfangs der Informationseinholung ein am konkreten Einzelfall und der Praktikabilität orientierter Spielraum. An ein sachkundiges „professionelles“ Vorstandsmitglied sind entsprechend der allgemeinen zivilrechtlichen Dogmatik höhere Anforderungen zu stellen als an nicht mit dem jeweiligen Fachgebiet vertraute Vorstandsmitglieder. Bei erkennbar fehlendem eigenem Sachverstand muss das betroffene Vorstandsmitglied sich gegebenenfalls mündlich die Informationen erläutern lassen, um selbst zu einer Einschätzung zu gelangen. Eine routinemäßige Anforderung von Sachverständigengutachten oder Marktanalysen ist daher keineswegs erforderlich; vielmehr greift auch hier der Grundgedanke der Business Judgement Rule hinsichtlich der Beurteilung ein, welche Informationen sinnvollerweise für eine Entscheidung nötig sind. Der Gesetzgeber hat hier einen bewussten Perspektivwechsel zum Vorstand aus seiner damaligen Sicht vollziehen wollen. Je nach Bedeutung der Entscheidung wird daher eine mehr oder weniger breite Informationsbasis rechtlich gefordert sein, die zudem auch danach differieren kann, ob es sich um eine Entscheidung des Gesamtvorstands oder nur im einzelnen Ressort handelt. So wird bei strategischen Entscheidungen grundsätzlich eine breite Informationsgrundlage zu fordern sein. Die Informationsbeschaffung kann nach den allgemeinen Grundsätzen delegiert werden, sodass sich die ursprüngliche Pflicht in eine Überwachungspflicht der nachgeordneten Ebenen wandelt. Externe Ratings können hier hilfreich und müssen auch eingeholt werden, wenn es sich um risikoreiche Investitionsentscheidungen handelt. Allerdings darf ein Vorstand auf derart externe Bewertungen nicht ohne weiteres vertrauen. Insbesondere muss sichergestellt werden, dass hier nicht abstrakte, schematische Bewertungen übernommen werden, sondern dass der konkrete Einzelfall eingehend und sorgfältig geprüft wird. Je nach Risikogröße kann es daher sogar erforderlich sein, eine eigene interne Abteilung mit der Plausibilitätskontrolle einer eingeholten externen Bewertung zu beauftragen. Diese Kriterien gelten sinngemäß allgemein für die Notwendigkeit der Einschaltung Dritter und die Verlässlichkeit von Auskünften interner Abteilungen (vgl. Spindler, in: MünchKomm-AktG, 5. Aufl. 2019, § 93 Rn. 55 ff. m.w.N. auch zur Rspr.).

bb) Unter Berücksichtigung dieser aus abgeleiteten Maßstäbe durfte der Erblasser für die Klägerin im vorliegenden Fall weder einer Kooperation mit C (ursprüngliches Vorhaben) noch einem Joint-Venture und einer gesellschaftsrechtlichen Beteiligung an einer Joint-Venture-Gesellschaft nähertreten, ohne zum einen eingehende Informationen über die jeweiligen Vertragspartner eingeholt zu haben, ohne zum anderen zuvor die Aussichten auf dem für die (weitere) strategische Neuausrichtung der Klägerin vorgesehenen Geschäftsfeld aufgeklärt zu haben (externe Aufklärung) und schließlich ohne vorher die diesbezüglichen Möglichkeiten der Klägerin auch angesichts ihrer finanziell angespannten Lage eingehend geprüft zu haben (interne Aufklärung). Ausschlaggebend für den hier zu fordernden Umfang der Informationsbeschaffung ist dabei vor allem die wirtschaftliche Bedeutung der beabsichtigten Neuausrichtung für die Klägerin. Denn hier sollte es nach den Planungen des Vorstands und des Aufsichtsrats der Klägerin nicht bloß um ein einzelnes Geschäft mit einem begrenzten, ohne weiteres gut überschaubaren finanziellen Risiko gehen, sondern geplant war eine Neuausrichtung im Sinne eines weiteren wirtschaftlichen Standbeins der in der Krise befindlichen Klägerin. Hinzu kommt, dass die Klägerin auf dem ins Auge gefassten Geschäftsfeld über keinerlei eigene Expertise verfügte, so dass nicht nur erheblicher Informationsbedarf bestand, sondern auch absehbar war, dass der Marktzugang nicht ohne Aufbringung erheblicher finanzieller Mittel zu erlangen sein würde. Schließlich tritt die unstreitig prekäre finanzielle Lage der Klägerin hinzu, die ohne Existenzgefährdung nur gewisse Maßnahmen gestattete und zwar nicht das Risiko für den Eintritt eines Schadens im Falle eines Scheiterns erhöhte, aber den Umfang des drohenden Schadens für das Unternehmen wesentlich erhöhte.

Unstreitig ist indessen, dass der Erblasser weder den geplanten Vertragspartner C noch die Gesellschaften der D & E-Unternehmensgruppe als nachfolgenden Vertragspartner einer umfassenden und eingehenden Due-Diligence-Prüfung oder einer anderen Prüfung unterziehen ließ. Ebenso wenig ließ der Erblasser die von der Gegenseite in die Joint-Venture-Gesellschaft einzubringenden Projekte bzw. Projekt-Gesellschaften einer umfassenden und eingehenden Due-Diligence-Prüfung unterziehen – die Projekt-Gesellschaften wurden lediglich in rechtlicher Hinsicht überprüft. Nach dem unstreitigen Sachverhalt hat nicht einmal die vom Erblasser anlässlich der letzten Aufsichtsratssitzung vor dem Abschuss des Joint-Venture-Vertrages und des Gesellschaftsvertrages in Aussicht gestellte Überprüfung der bei Banken zur Finanzierung von Projekten eingereichten Unterlagen stattgefunden. So enthält das Protokoll lediglich den schon wegen der unterschiedlichen Prüfungszwecke und hinter der Prüfung stehenden Interessen unzutreffenden Hinweis, dass eine solche Prüfung durch finanzierende Banken die eigene Prüfung ersetzen könne (vgl. Anlagen B 8 und K 58).

Gründe, die ein Absehen des Erblassers von solchen eigenen Prüfungen auch unter Berücksichtigung der geschilderten sehr großen Bedeutung der hier in Rede stehenden geschäftlichen Neuausrichtung für die Klägerin gerechtfertigt erscheinen lassen könnten, sind dem Parteivorbringen nicht einmal in Ansätzen zu entnehmen. Insbesondere lässt sich dem beiderseitigen Vorbringen nicht entnehmen, dass die Klägerin in der Krise nicht über die Mittel verfügte, die gebotenen Prüfungen vornehmen zu lassen, dass der zeitliche Rahmen die gebotenen Prüfungen nicht mehr zuließ oder dass die geplante Kooperation bzw. das schließlich eingegangenen Joint Venture alternativlos waren sowie im Interesse der Fortexistenz der Klägerin unter allen Umständen und ohne Rücksicht auf etwaige Prüfungsergebnisse vollzogen werden mussten. Dies geht nach den obigen Ausführungen zur Darlegungslast zu Lasten des Beklagten.

cc) Für die Haftung des Beklagten als Rechtsnachfolger und für die Fragen nach der Pflichtwidrigkeit des Verhaltens des Erblassers kommt es nach der hier festgestellten Pflichtverletzung nicht darauf an, ob und mit welcher Maßgabe der Aufsichtsrat der Klägerin dem Vorgehen des Erblassers zugestimmt hat. Denn pflichtwidrig ist ein Handeln des Vorstandes unter dem Gesichtspunkt der Zustimmung des Aufsichtsrates nur dann nicht, wenn es entweder auf einem gesetzmäßigen Beschluss der Hauptversammlung beruht oder aber die Hauptversammlung die entsprechende Kompetenz zulässig auf den Aufsichtsrat übertragen hat und der Aufsichtsrat auf Verlangen des Vorstandes einen zustimmenden Beschluss gefasst hat (vgl. zu Zustimmungsfragen: U. Schmidt, in: Heidel, Aktien- und Kapitalmarktrecht, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 126 ff.). Im vorliegenden Fall liegt indessen weder ein zustimmender Hauptversammlungsbeschluss vor, noch ist erkennbar, dass die betreffende Kompetenz auf den Aufsichtsrat übertragen worden war, noch stimmte der Aufsichtsrat hier einer ungeprüften Eingehung der Kooperation bzw. des Joint Venture zu. Vielmehr durfte der Aufsichtsrat jedenfalls bis zu seiner Sitzung am Tag vor dem Abschluss des Joint-Venture-Vertrages und des Gesellschaftsvertrages davon ausgehen, dass der Erblasser die notwendigen Prüfungen veranlasst hatte. Und selbst mit Rücksicht auf den einschränkenden Inhalt der Erläuterung anlässlich der letzten maßgebenden Aufsichtsratssitzung (Bankunterlagen statt Due-Diligence-Prüfung) konnte der Aufsichtsrat keineswegs davon ausgehen, dass der Erblasser die gebotenen Prüfungen insgesamt unterlassen hatte, sondern er durfte davon ausgehen, dass diese jedenfalls aufgrund der bei Banken zur Finanzierung eingereichten Unterlagen entweder bereits stattgefunden hatten oder noch stattfinden würden und dass der Erblasser das Vorhaben nicht verbindlich beginnen wü rde ohne positives Prüfungsergebnis, zumal der Erblasser den Aufsichtsrat auch nicht gebeten hatte, der Aufnahme des Vorhabens ohne eingehende Prüfungen zuzustimmen.

Das Verhalten des Aufsichtsrats hat demnach für den hier erörterten Schadenersatzanspruch nicht wegen einer bloßen Kompetenzüberschreitung des Erblassers, sondern wegen der Verletzung einer dem Erblasser als Vorstand obliegenden kaufmännischen Pflicht eine Bedeutung nur für eine Haftung auch der Aufsichtsratsmitglieder als Gesamtschuldner, und diese Frage braucht der Senat nicht zu beantworten.

c) Schäden bis zu 1.000.000,- EUR

Wege der vorgenannten schuldhaften Pflichtverletzungen des Erblassers im Zusammenhang mit der Neuausrichtung kann die Klägerin von dem Beklagten als Rechtsnachfolger des Erblassers Schadensersatz in einer den verlangten Betrag von 1.000.000,- EUR übersteigenden Höhe verlangen.

aa) Bereits vom Landgericht zuerkannte Schadensersatzbeträge (Positionen 1a) bis e) der Anlage KB 10; Bl. 925 d. A.)

(1.) Aufwendungen für C: Da der Erblasser die soeben erläuterten Maßnahmen zur Sachverhaltsaufklärung schon vor Beginn der Neuausrichtung hätte unternehmen und vor Abschluss dieser Maßnahmen die mit der geplanten Neuausrichtung unvermeidbar einhergehenden wirtschaftlichen Risiken im Interesse der in der Krise befindlichen Klägerin nicht, jedenfalls aber nur in einem sehr geringen und zur Aufrechterhaltung der zu prüfenden Geschäftsbeziehung notwendigen Umfang hätte begründen dürfen, durfte der Erblasser die Klägerin weder zur vorläufigen Übernahme von letztlich von C zu tragenden Reisekosten für Herrn H (11.161,77 EUR, vgl. dazu Anlagen K 11 und 12, 96) noch zur einstweiligen Übernahme von ebenfalls von C zu tragenden Aufwendungen für Kabel und anderes Material (32.825,99 EUR, vgl. dazu Anlagen 12 und 74) veranlassen. Eine derartige Übernahme des Insolvenzrisikos der C setzte zum einen eine nachvollziehbare Beurteilung der Solvenz der C, zum anderen eine gewisse Sicherheit hinsichtlich des Erfolgs des Vorhabens voraus und dafür fehlte jeweils eine Grundlage.

Allein der Umstand, dass C in der Zeit unmittelbar vor den hier in Rede stehenden Aufwendungen der Klägerin höhere Beträge erstattet hatte, vermag die Vorgehensweise des Erblassers schon deshalb nicht zu rechtfertigen, weil einer Insolvenz gewöhnlich ein gewisser Zeitraum vorauszugehen pflegt, in dem die spätere Insolvenzschuldnerin noch gewisse Zahlungen leistet. Das kann auch auf Pflichtverletzungen und Straftaten der verantwortlichen Geschäftsführer oder Vorstände beruhen, und die tatsächliche Lage des Unternehmens muss für einen außenstehenden Zahlungsempfänger nicht zu erkennen sein. Vorangegangene Zahlungen eines Schuldners rechtfertigen demnach ohne weiteres nicht das Vertrauen des Vorstandes und ein entsprechendes Vertrauen kann eine notwendige Prüfung der Solvenz der Schuldnerin nicht ersetzen.

Hinsichtlich der seitens der C abgerechneten Kosten eines tatsächlich nicht ausgeführten Messeauftritts in Shanghai (75.000,- EUR, vgl. dazu Anlagen K 9 und 10, 96) hat es der Erblasser pflichtwidrig unterlassen, die Rechnung der C zu prüfen. So waren der betreffenden Rechnung nach dem unstreitigen Sachverhalt keine Unterlagen über die Erteilung eines Auftrages zum Bau des konfigurierten Messestandes beigefügt. Ebenso wenig waren Unterlagen über die Anmietung einer Standfläche in Shanghai zur Verfügung gestellt worden. Dementsprechend veranlasste der Erblasser, als er die Rechnung zur Zahlung freigab, eine ungesicherte Vorleistung auf einer Grundlage, deren nähere Prüfung nicht möglich war, und an eine Vertragspartnerin, die keiner näheren Prüfung unterzogen worden war.

(2.) Aufwendungen für Berater: Auch die vom Erblasser veranlassten Ausgaben der Klägerin für Berater sind als Schaden zu ersetzen, soweit sie mit der pflichtwidrig eingeleiteten Neuausrichtung durch Kooperation mit C bzw. durch Eingehung eines Joint Venture in einem Zusammenhang stehen.

Schon nach den Gegenständen der Berater-Verträge – „Erstellung einer Studie zur Entwicklung des Photovoltaikmarktes“, „Erstellung einer Marktanalyse“ – beziehen sich die Aufwendungen der Klägerin für Leistungen des Beraters J (vgl. dazu Anlagen K 13 bis 16, 75 und 76) auf die pflichtwidrig eingeleitete Kooperation der Klägerin mit C bzw. das pflichtwidrig vereinbarte Joint Venture und sind deshalb als Schaden zu ersetzen. Dazu gehören auch die vom Landgericht zugesprochenen 35.700,- EUR wegen des Vertrages vom 1. Juli 2011.

Auch die Ausgaben für den Berater Dr. A2 und erst recht die bereits vom Landgericht aufgrund des Hilfsvorbringens der Klägerin zuerkannten 48.967,38 EUR sind vom Beklagten zu ersetzen. Denn die von Herrn Dr. A2 zu erbringenden Beratungsleistungen bezogen sich auf die Tätigkeit der Joint-Venture-Gesellschaft in Italien (vgl. dazu Anlagen K 41 und 42).

bb) Weitere Schadenspositionen (Schriftsatz vom 4. Juli 2019 nach Maßgabe der mündlichen Verhandlung)

(1.) Auch die Aufwendungen der Klägerin für die Joint-Venture-Gesellschaft nach Verrechnung im Rahmen der Auseinandersetzung der Joint-Venture-Gesellschaft in Höhe von noch 191.974,20 EUR (Position 2b) der Anlage KB 10; Bl. 925 d. A.; vgl. Anlagen K 48 und 96) gehen auf die oben erläuterte Pflichtverletzung des Erblassers zurück. Insofern ist der Zurechnungszusammenhang schon deshalb nicht durch die Auseinandersetzung der Joint-Venture-Gesellschaft unterbrochen worden, weil sich hier das bereits bei der Zahlung seitens der Klägerin naheliegende Risiko verwirklicht hat, die Aufwendungen gleich aus welchen Gründen nicht oder nicht vollständig erstattet zu bekommen.

(2.) Die Aufwendungen der Klägerin für Leistungen des Beraters J (Position 2e) und f) der Anlage KB 10; Bl. 925 d. A.; vgl. dazu Anlagen K 13 bis 16) sowohl wegen Reisekosten im Zusammenhang mit der Neuausrichtung auf den Geschäftsbereich der erneuerbaren Energien (9.522,55 EUR – Summe der Nettobeträge nach Rechnungen vom 29.05.11 und vom 29.06.11 gemäß Anlage K 15) als auch für eine Windenergie betreffende Studie (70.000,- EUR) beziehen auf die pflichtwidrig eingeleitete Kooperation der Klägerin mit C bzw. das pflichtwidrig vereinbarte Joint Venture und sind deshalb als Schaden zu ersetzen.

(3.) Da sich auch die weiteren Leistungen des Beraters Dr. A2 auf die pflichtwidrig eingeleitete Kooperation bzw. das pflichtwidrig begründete Joint Venture beziehen sind die über den bereits zuerkannten Betrag von 48.967,38 EUR hinausgehenden Aufwendungen der Klägerin von 121.417,33 EUR (Position 2g) der Anlage KB 10; Bl. 925 d. A.) ebenfalls als Schaden zu ersetzen. Dasselbe gilt für die auf einen Rechtsstreit mit Dr. A2 zurückgehenden Kosten von 20.461,28 EUR (Position 2h) der Anlage KB 10; Bl. 925 d. A.). Auch hierzu wäre es nicht gekommen, wenn der Erblasser seinen Pflichten entsprechend von der Kooperation bzw. dem Joint Venture ohne die gebotenen Prüfungen abgesehen hätte.

(4.) Aus dem bereits erläuterten Grund mangelnder Darlegungen zur Begründung und Rechtfertigung der betreffenden Aufträge und Ausgaben haftet der Beklagte ebenfalls für Zahlungen an den Berater U in Höhe von 36.657,35 EUR (Position 2i) der Anlage KB 10; Bl. 925 d. A.;). Denn hier ist ohne weitere Darlegungen des Beklagten nicht ersichtlich, inwiefern die Klägerin einen von der Neuausrichtung unabhängigen Nutzen von dem den Bereich erneuerbare Energien/Photovoltaik betreffenden Projekt „V“ (vgl. dazu Anlagen K 33 und 34) haben konnte.

(5.) Da sich die Leistungen der als Beraterin engagierten Lebensgefährtin des Erblassers und die entsprechenden Aufwendungen der Klägerin auf die pflichtwidrig eingeleitete Kooperation bzw. das pflichtwidrig begründete Joint Venture beziehen – die Beraterin sollte Beratungsleistungen im Bereich „Erneuerbare Energien und Photovoltaik-Kraftwerke“ erbringen(vgl. Anlagen K 22 und 23), und die Klägerin versuchte diese der Joint-Venture-Gesellschaft in Rechnung zu stellen -, sind die an Frau M gezahlten 50.000,- EUR (Position 2j) der Anlage KB 10; Bl. 925 d. A.) zu ersetzen, ohne dass es hier darauf ankommt, ob in dem entsprechenden Vertragsschluss nicht darüber hinaus ein Verstoß gegen die Regeln der Geschäftsordnung über den Abschluss von Verträgen mit nahestehenden Personen liegt.

(6.) Ebenso zu ersetzen sind im Hinblick auf die vom Senat bejahte schuldhafte Pflichtverletzung die aufgrund der Hinzuziehung der Rechtsanwaltskanzlei D2 im Zusammenhang mit der Anbahnung und Abwicklung des Joint Venture entstandenen Kosten von 152.384,51 EUR (Position 2k) der Anlage KB 10; Bl. 925 d. A.; vgl. Anlage KB 14, Bl. 953 f. GA).

(7.) Nach dem Ergebnis der im ersten Rechtszug unternommenen Beweiserhebung steht fest, dass sich auch das hier streitige Beratungsverhältnis und die hier streitigen Beratungsleistungen der K (Position 3a) der Anlage KB 10; Bl. 925 d. A.; vgl. dazu Anlagen 17 bis 19) auf die pflichtwidrig eingeleitete Neuausrichtung bezogen.

Zwar ergibt sich aus der seitens der E2-Versicherung eingeholten Stellungnahme der Klägerin selbst, dass die Berater der K Leistungen erbracht haben im Zusammenhang mit der Betreuung von Websites (vgl. Anlage B 22, S. 8), und diese können sowohl nach dem Gegenstand der erbrachten Leistungen als auch nach dem Vertragsgegenstand durchaus einen nicht (allein) auf die pflichtwidrige Neuausrichtung bezogenen Sinn gehabt haben. Der dazu vernommene Zeuge C2 – Leiter des Rechnungswesens der Klägerin – hat allerdings glaubhaft bekundet, die betreffenden Leistungen der Beraterin hätten sich nicht auf das hier streitige Vertragsverhältnis, sondern auf einen davon zu unterscheidenden, weiter zurückliegenden Auftrag bezogen. Das hier fragliche Verhältnis und die entsprechenden, streitgegenständlichen Aufwendungen beträfen indessen Arbeiten im Zusammenhang mit dem Bereich der regenerativen Energien (vgl. Bl. 398 GA). Damit steht auch insofern ein zwingender Zusammenhang mit der Pflichtverletzung fest, und der Betrag von 208.473,37 EUR ist ersatzfähig.

cc) Ergebnis: Nach den vorstehenden Erwägungen sind jedenfalls 1.064.545,73 EUR zu ersetzen, also ein Betrag, der der Höhe nach den Betrag der mit der erhobenen Teilklage in der Hauptsache geforderten Zahlung übersteigt.

d) Weitere Positionen: Darüber hinaus sind auch einige der weiteren von der Klägerin geltend gemachten Schadenspositionen gerechtfertigt, ohne dass es hierauf für die Entscheidung des Senats über die Teilklage noch entscheidend ankommt.

aa) Der Beklagte haftet für Zahlung an die Beraterin O Sustainable Invest GmbH in Höhe von 145.000,- EUR (Position 3b) der Anlage KB 10; Bl. 925 d. A.). Denn hier ist ohne weitere Darlegungen des Beklagten nicht ersichtlich, inwiefern die Klägerin das in diesem Zusammenhang vertragsgegenständliche Produktkonzept HK 30 unabhängig von der pflichtwidrig eingeleiteten Neuausrichtung nutzen konnte (vgl. Anlagen K 25, 29 und 30).

bb) Wegen des schon erwähnten zwingenden Zusammenhangs der beauftragten Tätigkeit des Beraters J (Position 3c) der Anlage KB 10; Bl. 925 d. A.; vgl. dazu Anlagen K 13 bis 16) mit der pflichtwidrig eingeleiteten Neuausrichtung haftet der Beklagte auch für die Zahlungen an den genannten Berater zwecks Ausbau des Kundenstamms in Höhe von 52.866,82 EUR.

cc) Ebenso stehen die Zahlungen an die O aufgrund eines Vertrages vom 8. März 2012 über Energiecontrolling, -management und -beschaffung in Höhe 20.400,- EUR im Zusammenhang mit der pflichtwidrig eingeleiteten Neuausrichtung (Position 3d) der Anlage KB 10; Bl. 925 d. A.; vgl. Anlagen K 25 und 28).

dd) Hinsichtlich der Kosten einer Energiesparanalyse der N GmbH (91.710,00 EUR, Position 3e) der Anlage KB 10; Bl. 925 d. A.; vgl. dazu Anlagen K 24 und 25) gilt zum einen deshalb anderes, weil eine Energiesparanalyse als solche nicht in einem zwingenden Zusammenhang mit der hier bejahten Pflichtverletzung steht. Zum anderen hat der Beklagte eine Auskunft der Beraterin beigebracht (vgl. Anlage B 27), deren Verwertung keine Bedenken entgegenstehen. Daraus ergibt sich, dass hier sehr wohl Leistungen für den Standort Q erfolgten, die sämtlich auch umgesetzt wurden. Dementsprechend hätte die Klägerin zu den einzelnen Leistungen der Beraterin weiter und eingehender vortragen müssen.

ee) L Beratungsgesellschaft mbH: Zwar muss sich die mit der vorgenannten Beratungs-Gesellschaft vereinbarte Unterstützung bei der Erschließung des osteuropäischen Marktes (Position 3f) der Anlage KB 10; Bl. 925 d. A.; vgl. Anlage K 20 und 21) nicht notwendig und gegebenenfalls ausschließlich auf die mit der pflichtwidrigen Kooperation bzw. dem pflichtwidrigen Joint Venture verbundene Neuausrichtung der Klägerin beziehen, sondern es könnte auch ein Zusammenhang mit Produkten der Klägerin aus dem schon vorhandenen Geschäftsbereich der Präzisionsmechanik bestanden haben. Jedoch ist die mit nicht unerheblichen Kosten verbundene Hinzuziehung eines externen Beraters gerade in der wirtschaftlich angespannten Situation der Klägerin nach den oben in Bezug auf eine Neuausrichtung erläuterten Sorgfaltsmaßstäben nicht ohne weiteres und unter allen Umständen zulässig, sondern ungeachtet eines insofern bestehenden mehr oder weniger weitreichenden Ermessens des Vorstandes bedarf eine solche Maßnahme doch der Rechtfertigung. Solange der nach den obigen Ausführungen zur Darlegungslast darlegungspflichtige Beklagte aber nicht eine von der pflichtwidrigen Kooperation bzw. dem pflichtwidrigen Joint Venture unabhängige Rechtfertigung für Beratungsleistungen im Sinne der erwähnten Sorgfaltsmaßstäbe konkret vorträgt, sind sowohl der Abschluss des entsprechenden Beratervertrages am 29. Juli 2011 als auch die darauf beruhenden Aufwendungen der Klägerin pflichtwidrig. Dementsprechend hat der Beklagte im Zusammenhang mit der Beauftragung der L Beratungsgesellschaft mbH weitere 304.781,81 EUR zu ersetzen. Dieser Betrag setzt sich zusammen zum einen aus der Summe der gezahlten Vergütungen von 259.781,81 EUR sowie einer weiteren, in einem Vergleich vereinbarten und daraufhin erbrachten Zahlung von 45.000,- EUR (vgl. S. 55 des Schriftsatzes v. 14. September 201 6 Bl. 187 GA). Beide Zahlungen beruhen auf der nach dem für die Entscheidung maßgebenden Sach- und Streitstand pflichtwidrigen Beauftragung der Beratungsgesellschaft L Beratungsgesellschaft mbH.

ff) Auch die Aufwendungen für Forschungs- und Entwicklungsleistungen der N GmbH bzw. der O Energy GmbH in Höhe von 48.403,- EUR (Position 3g) der Anlage KB 10; Bl. 925 d. A.) stehen erkennbar mit der Kooperation bzw. dem Joint Venture in einem untrennbaren Zusammenhang (vgl. Anlagen K 25, 26 und 27) und sind zu ersetzen.

gg) Die Zahlungen an die Beraterin W Strategieberatung sind nicht bereits nach dem unstreitigen Vertrags- und Leistungsgegenstand (Position 3h) der Anlage KB 10; Bl. 925 d. A.; vgl. Anlage K 35 und 36) pflichtwidrig. Denn dass ein Vorstand eines seit Jahren krisengeschüttelten Unternehmens sich zwecks Stabilisierung und Neuausrichtung beraten lässt, erscheint – ganz im Gegenteil – naheliegend, wenn nicht nach den oben angestellten Erwägungen gar geboten.

Nachdem der Beklagte zur Person der Beraterin W Strategieberatung bzw. dem dahinter stehenden Berater  X sowie zu seiner Tätigkeit die Anlagen B 30 bis 33 vorgelegt hat, kann sich die Klägerin auch nicht darauf beschränken, die Qualifikation und die entsprechenden Leistungen des Beraters ohne weiteres in Abrede zu stellen.

Die betreffenden Anlagen und Auskünfte des Beraters sind auch nicht etwa wegen eines Verstoßes gegen eine Verschwiegenheitspflicht unverwertbar. Vielmehr hat der Beklagte als Gesamtrechtsnachfolger des verstorbenen Vorstands einen Anspruch auf entsprechende Maßnahmen der Klägerin und auf eine Weitergabe hieraus resultierenden Informationen aus dem nachwirkenden Organverhältnis bzw. der zugehörigen Treupflicht. Danach erscheint schon die Rechtswidrigkeit des Vorgehens des Beklagten zweifelhaft. Viel eher ist anzunehmen, dass die Klägerin vergeblich versucht hat, den Beklagten auch unter Vorenthalten der maßgebenden Informationen zu Leistungen zu veranlassen. Das kann letztlich offen bleiben. Jedenfalls kann die Klägerin aufgrund ihrer Darlegungen vom Beklagten nicht Schadensersatz verlangen.

hh) Dasselbe gilt für Zahlungen an die Berater S (Position 3i) der Anlage KB 10; Bl. 925 d. A.; vgl. Anlage K. 32), weil seine Leistungen sich schon nach dem als Anlage K 31 vorgelegten Vertrag ohne weiteres erkennbar nicht nur auf die Neuausrichtung der Klägerin bezogen, sondern allgemein der Steigerung der Effizienz der Klägerin sowie der Untersuchung von Möglichkeiten des Outsourcing dienten.

Ferner hat die Klägerin in ihrer, als Anlage B 22 seitens des Beklagten vorgelegten Stellungnahme zu einem Auskunftsersuchen des E2-Versicherers eingeräumt, einen Rechtsstreit mit dem Berater S wegen Rückforderung von Zahlungen geführt zu haben. Das betreffende Verfahren endete mit dem als Anlage B 60 vorgelegten Urteil und führte zur Rückzahlung von nur 58.125,- EUR nebst Zinsen als Schadensersatz wegen eines nur teilweisen Zurückbleibens der Leistung hinter dem vertraglichen vereinbarten Soll. Das Landgericht hat seine Ausführungen dabei u.a. auf die Angaben einer ganzen Reihe von Zeugen gestützt. Danach kann die Klägerin nicht ohne weiteres Leistungen des Beraters S in Abrede stellen.

Soweit sich die Klägerin auf eine mangelnde Qualifikation des Beraters beruft und ausführt, er habe nicht über Kenntnisse der maßgebenden Branche verfügt, ist das mit Rücksicht zum einen auf die unstreitige berufliche Vergangenheit des Beraters S als Werksleiter von T und die Verbindung der Klägerin mit der Automobil- und Automobil-Zuliefer-Branche nicht ohne weiteres nachvollziehbar. Zum anderen macht die Klägerin nicht einmal in Ansätzen deutlich, über welche speziellen Kenntnisse der Berater nach den Umständen der Produktion der Klägerin hätte verfügen müssen, um seine Leistung ordnungsgemäß zu erbringen.

ii) Aus dem bereits erläuterten Grund der mangelnden Darlegung einer Begründung bzw. Rechtfertigung der betreffenden Aufträge und Ausgaben haftet der Beklagte ebenfalls für Zahlungen an die Beraterin B2 GmbH (277.500,- EUR, Position 3j) der Anlage KB 10; Bl. 925 d. A.; vgl. dazu Anlagen K 43 und 44). Denn hier ist ohne weitere Darlegungen des Beklagten nicht ersichtlich, inwiefern der Klägerin neu zu werbende Investoren unabhängig von der pflichtwidrigen Neuausrichtung von Nutzen sein konnten und inwiefern es nicht nur um die Werbung von Investoren für Projekte im Zusammenhang mit erneuerbaren Energien, also im Hinblick auf die Neuausrichtung, gehen sollte.Randnummer132

jj) Ersatzfähig sind hingegen wiederum die für ein zwecks Erwerbs von Solarpaneelen gewährtes Darlehen gezahlten Zinsen von 9.768,18 EUR (Position 2l) der Anlage KB 10; Bl. 925 d. A.; vgl. Anlage K 110). Denn die Klägerin hat mit einer ergänzenden Erklärung ihres Prozessbevollmächtigten den Bezug zur Pflichtverletzung hergestellt (vgl. S. 3 Prot., Bl. 971 GA).

kk) Hinsichtlich der hier noch nicht erörterten, nach der Reihenfolge der Geltendmachung vorrangigen Positionen „Handelsgeschäfte erneuerbare Energien“ (Position 2a) der Anlage KB 10; Bl. 925 d. A.), „Rechnungen F2 an G2“ (Position 2c) der Anlage KB 10; Bl. 925 d. A.) und „Rechnungen F2 an G2 (sonstige Kosten inkl. Y)“ (Position 2d) der Anlage KB 10; Bl. 925 d. A.) bleibt es bei den vom Senat anlässlich der mündlichen Verhandlung erörterten Bedenken (vgl. S. 3 Prot., Bl. 971 GA).

2. a) Die Nebenforderung beruht auf § 286 Abs. 1, § 288 Abs. 1 BGB.R

b) Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf § 92 Abs. 1 S. 1, § 708 Nr. 10, § 711 und § 543 Abs. 2 ZPO.

Die Kostenquote für den ersten Rechtszug beruht auch darauf, dass das Landgericht den Streitwert ohne Rücksicht auf die zwischenzeitliche Klageänderung einheitlich festgesetzt hat und dementsprechend auch die Anwaltskosten sämtlich zum ursprünglichen Streitwert angefallen sind.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision lagen insofern nicht vor, als der Senat zum einen hinreichend geklärte Rechtssätze herangezogen und nicht auf die oben erwähnte Frage der Darlegungs- und Beweislast in den Fällen der Rechtsnachfolge abgestellt hat sowie zum anderen die besonderen Umstände des vorliegenden Einzelfalles maßgebend sind.

Streitwert für den zweiten Rechtszug: 1.000.000,- EUR (Berufung der Klägerin: 796.344,86 EUR, Berufung des Beklagten: 203.655,14 EUR).

Löffler I www.K1.de I www.gesellschaftsrechtskanzlei.com I Gesellschaftsrecht I Aufklärungspflichtverletzung I Erfurt I Thüringen I Sachsen I Sachsen-Anhalt I Hessen I Deutschland 2022

Schlagworte: AktG § 93, AktG § 93 Abs. 3 Nr. 6, AktG §§ 93 Abs. 1 S. 2 AktG, Aufklärungspflichtverletzung, Ausgeschiedene Vorstandsmitglieder, Beweis innere Tatsachen, Beweiserleichterungen, Beweislasterleichterung, Beweislastumkehr, Beweismaßerleichterung, Beweiswürdigung, Darlegung, Darlegungs- und Beweislast, Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen eines wichtigen Grundes, Ermessensentscheidung des Vorstands, früheres Vorstandsmitglied, grobe Pflichtverletzung, Haftung des Vorstands, Haftung Geschäftsführer und Haftung Vorstand, Haftung nach § 93 Abs. 2 AktG, Haftung nach § 93 AktG, Haftung Vorstand, mehrere Pflichtverletzungen, Neutralitätspflicht des Vorstands, objektive Beweislast, objektive Pflichtverletzung, Pflichtverletzung, Pflichtverletzung nach § 43 Abs. 2 GmbHG, Pflichtverletzung und Kausalität, Rechtsmissbrauch und Treuepflichtverletzung, Schadensersatzverzicht gegenüber Vorstand, Schwer wiegende grob fahrlässige Pflichtverletzung, Schwere der Pflichtverletzungen und ihre Folgen für das Unternehmen, Schwerwiegende Pflichtverletzung, sekundäre Beweislast, sekundäre Darlegungslast, Vertrauensentzug Vorstand, vorsätzliche Pflichtverletzung, Vorstand, Vorstandshaftung, Wer kann Ansprüche gegen den Vorstand aus dessen Innenhaftung geltend machen?

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OLG Köln, Beschluss vom 29.08.2019 – 18 Wx 9/19

Donnerstag, 29. August 2019

§ 103 Abs 3 S 1 AktG, § 142 Abs 2 AktG, § 142 Abs 5 S 1 AktG

Tenor

Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den am 22.03.2019 erlassenen Beschluss des Amtsgerichts Köln wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Beschwerde hat der Antragsgegner zu tragen.

Der Wert für das Beschwerdeverfahren wird auf 60.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Mit dem angefochtenen Beschluss … ist der Antragsgegner auf den Antrag des Antragstellers gemäß § 103 Abs. 3 S. 1 AktG als Aufsichtsrat der Gesellschaft abberufen worden. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf den angefochtenen Beschluss Bezug genommen.

Hiergegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde des Beschwerdeführers. Er meint, dass er durch die Abgabe einer Stellungnahme in dem Verfahren 82 O 16/18 LG Köln nicht gegen seine Pflichten als Aufsichtsrat verstoßen habe, so dass schon deswegen die Abberufung nicht gerechtfertigt sei. Im Hinblick darauf, dass ihm vom Landgericht in seiner Funktion als Aufsichtsrat Unterlagen zur Stellungnahme – anders als bei einer vorhergehenden Übersendung – ohne einen Hinweis auf § 142 Abs. 5 AktG übersandt worden waren, habe er den Eindruck gehabt, zur Stellungnahme verpflichtet zu sein. Im Übrigen habe seine Stellungnahme keine vertraulichen Angaben enthalten.

Das Landgericht hat der Beschwerde durch Beschluss vom 30.04.2019 nicht abgeholfen, sondern diese dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg, weil sich die angefochtene Entscheidung auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens als zutreffend erweist.

Die Abgabe der Stellungnahme durch den Beschwerdeführer in dem Verfahren 82 O 16/18, in dem es um einen Antrag auf Bestellung eines Sonderprüfers gemäß § 142 Abs. 2 AktG gegangen ist, stellt einen wichtigen, die Abberufung rechtfertigenden Grund i. S. des § 103 Abs. 3 S. 1 AktG dar. Aus dem Gesetz ergibt sich eindeutig, dass der Aufsichtsrat zu hören ist (§ 142 Abs. 5 S. 1 AktG), und das bedeutet das Gesellschaftsorgan in seiner Gesamtheit und nicht die einzelnen Mitglieder. Der Aufsichtsrat hatte in diesem Verfahren aber von der Abgabe einer Stellungnahme abgesehen, was dem Antragsgegner zumindest auch deswegen bekannt war, weil anderenfalls vorher eine Beschlussfassung im Aufsichtsrat unter seiner Beteiligung hätte erfolgt sein müssen. Durch die Abgabe einer eigenen Stellungnahme in dem Verfahren hat sich der Antragsgegner willkürlich über die Haltung des Aufsichtsrates, in dem Verfahren von einer Stellungnahme abzusehen, hinweggesetzt. Dadurch ist – ganz unabhängig vom Inhalt der Stellungnahme – allein schon durch diese Vorgehensweise das Vertrauensverhältnis innerhalb des Aufsichtsrates in so schwerwiegender Weise berührt, dass dies zur Aufrechterhaltung der vertrauensvollen Zusammenarbeit im Aufsichtsrat die sofortige Abberufung des Antragsgegners rechtfertigt.

Diesen entlastet auch nicht, dass das Schreiben des Landgerichts vom 01.10.2010 … lediglich den Text enthielt:

„… anliegende Durchschriften erhalten Sie zur Stellungnahme binnen vier Wochen.“,

während das vorangegangene Schreiben vom 05.07.2018 … noch den Zusatz

„… gem. § 142 Abs. 5 S. 1 AktG.“

enthalten hatte.

Abgesehen davon, dass dem Antragsgegner als Mitglied des Aufsichtsrates ohnehin die für seine Tätigkeit maßgeblichen Bestimmungen vertraut sein müssen, hatte er jedenfalls auch durch das erste der beiden Schreiben einen Hinweis auf die hier maßgebliche Bestimmung des § 142 Abs. 5 AktG erhalten. Es hätte sich ihm deshalb aufdrängen müssen, dass er nicht als einzelnes Aufsichtsratsmitglied, sondern der Aufsichtsrat als Organ Gelegenheit zur Stellungnahme bekommen sollte. Wenn ihm dies nicht ohnehin klar war, hätte er wenigstens nachfragen müssen. Dies gilt umso mehr, als sich dem Schreiben des Landgerichts eine irgendwie geartete Verpflichtung zur Abgabe einer Stellungnahme – entgegen seinem Vortrag in der Beschwerdebegründung – nicht ansatzweise entnehmen lässt. Zwar wird darin eine Frist zur Stellungnahme gesetzt, es werden aber keinerlei Rechtsnachteile für den Fall angekündigt, dass eine Stellungnahme nicht abgegeben wird. Von daher ist auch für einen Nichtjuristen klar, dass damit nur eine Möglichkeit zu einer Stellungnahme eröffnet wird, zu deren Abgabe aber keine Verpflichtung besteht. Soweit der Antragsgegner diesbezüglich gleichwohl Zweifel gehabt haben sollte, hätte er ohne weiteres Erkundigungen einziehen können und müssen.

Im Übrigen wird auf die zutreffenden Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG; die Festsetzung des Wertes folgt aus § 67 Abs. 1 Nr. 1 GNotKG.

Schlagworte: Abberufung Aufsichtsrat, Aufsichtsrat

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OLG Köln, Beschluss vom 11. Juli 2019 – I-18 U 37/18

Donnerstag, 11. Juli 2019

Aufsichtsrat der AG

§ 113 AktG, § 114 Abs 1 AktG, § 134 BGB, § 611 BGB, § 812 Abs 1 BGB, § 818 Abs 2 BGB, § 522 Abs 2 ZPO

1. Die Heranziehung der §§ 113, 114 AktG ist schon dann geboten, wenn die Aktiengesellschaft mit einem Unternehmen, an welchem das Mitglied des Aufsichtsrats – nicht notwendig beherrschend – beteiligt ist, einen (Beratungs-) Vertrag schließt und wenn dem Aufsichtsratsmitglied auf diesem Wege mittelbar Leistungen der Aktiengesellschaft zufließen, die geeignet sind, in Widerspruch zu den mit den §§ 113, 114 AktG verfolgten Zielen die unabhängige Wahrnehmung der Überwachungstätigkeit eines Aufsichtsratsmitglieds zu gefährden.

2. Zur Meidung von Umgehungen des § 114 AktG muss der Beratungsvertrag eindeutige Feststellungen darüber ermöglichen, ob die zu erbringende Leistung außer- oder innerhalb des organschaftlichen Pflichtenkreises des Aufsichtsratsmitglieds liegt und ob der Vertrag darüber hinaus keine verdeckten Sonderzuwendungen – etwa in Form einer überhöhten Vergütung – enthält.

3. Dem Aufsichtsratsmitglied, das aufgrund eines nach den §§ 113, 114 AktG iVm § 134 BGB unwirksamen Dienstvertrags Leistungen an die Gesellschaft erbringt, kann ein Bereicherungsanspruch oder ein Anspruch auf Aufwendungsersatz aus Geschäftsführung ohne Auftrag erwachsen.

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 10. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln vom 06.02.2018 – 90 O 24/17 – wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das angefochtene Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin bleibt vorbehalten, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 Prozent des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 120 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 366.520 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Bis zum 30.11.2016 war der Dipl.-Kaufmann Prof. Dr. A Mitglied des dreiköpfigen Aufsichtsrats der beklagten Aktiengesellschaft. Prof. Dr. A war zugleich über eine Zwischenholdung mit einer Beteiligung von 28,34% mittelbar Gesellschafter der klagenden Aktiengesellschaft und gehört deren Vorstand an.

Die Klägerin erbrachte für die Beklagte aufgrund eines angeblich von deren damaligen Vorstandsvorsitzenden B am 14.06.2016 mündlich erteilten Auftrags … im Zusammenhang mit dem beabsichtigten Verkauf des sogenannten Unternehmensteils „C“ Beratungs- und andere Dienstleistungen.

Am 26.10.2016 unterzeichneten die Vorstände der Beklagten B und D sowie der Vorstand der Klägerin Prof. Dr. A eine Vereinbarung …, die auszugsweise wie folgt lautet:

1. E hat für eine Zahlung als Vorschuss an die Firma F Capital in Höhe von 250.000,00 Euro einen Schuldbeitritt erklärt. Die Parteien vereinbaren, dass die Rückzahlung der 250.000,00 Euro, die offen sind, durch E erfolgt.

2. Die Zahlung der 250.000,00 Euro erfolgt zunächst in folgender Art und Weise: E ist in verschiedenen Bereichen für Bastei G tätig. Zum einen geht es hier um die Vermittlung von Finanzierungen, zum anderen aber auch um die Unterstützung von Zukäufen, Verkäufen, etc. Im Einzelfall werden hier Verträge zwischen Bastei G und E abgeschlossen, die im Erfolgsfall zu Zahlungsverpflichtungen von Bastei G führen. Mögliche Ansprüche der E AG aus dieser Tätigkeit werden zukünftig wie folgt beglichen. 1/3 der Zahlungsverpflichtung wird von Bastei G in bar gezahlt, 2/3 werden gegen die Forderung in Höhe von 250.000,00 Euro verrechnet. Dieser Verrechnung stimmt die E AG ausdrücklich zu.

3. …

4. Ab dem 01.01.2017 wird der dann offene Betrag mit 2,5% p.a. verzinst.

5. Sollte der Betrag in Höhe von 250.000,00 Euro durch Verrechnung nicht bis zum 30.09.2017 bezahlt sein, ist er dann inklusive der aufgelaufenen Zinsen in einer Summe am 15.10.2017 zu zahlen.

Am 15.11.2016 erläuterte der damalige Vorstandsvorsitzende der Klägerin B dem vollständig versammelten Aufsichtsrat die Tätigkeit der Klägerin im Zusammenhang mit dem Verkauf der Geschäftssparte „C“. Hierzu heißt es in der Niederschrift der Sitzung …:

„Die E AG hat der Bastei G AG einen potentiellen Käufer für die Marke C etc. vermittelt. Zudem ist die E AG beauftragt worden, im Zusammenhang mit dem Verkauf diverse Dienstleistungen, wie eine Bewertung der Marke C inklusive Kundenstamm, Anlagevermögen und Vorräte zu machen.

Nach dieser nach Inhalt und Umfang zwischen den Parteien streitigen Erläuterung fasste der Aufsichtsrat der Beklagten mit den Stimmen von Dr. H und Prof. Dr. I und unter Enthaltung von Prof. Dr. A folgenden Beschluss:

„Bei erfolgreichem Abschluss des Kaufvertrages, das heißt Unterschrift aller Parteien und Zustimmung der Beklagten erhält die Firma E für ihre Dienstleistungen bezogen auf die Kaufpreissumme für 100 % der Beteiligung eine Einmalfee in Höhe von 1,75 % des Transaktionsvolumens bezogen auf 100 %. Die Fee wird fällig mit Wirksamkeit des Kaufvertrages.“

Am 24.11.2016 übernahmen die Beklagte und die J  GmbH die Geschäftsanteile einer GmbH zum Zwecke der Ausgliederung der zu veräußernden Geschäftssparte „C“. Gesellschafter der C GmbH waren die Beklagte mit Geschäftsanteilen von 20% und die Erwerberin mit Geschäftsanteilen von 80%. Die C GmbH erwarb mit Vertrag vom selben Tag von der Beklagten zum Preis von 14,1 Mio. Euro dem auszugliedernden Betriebsteil zugehöriges materielles und immaterielles Vermögen.

Mit ihrer Klage hat die Klägerin die Beklagte auf Zahlung von nach einem per Dreisatz in Relation zum tatsächlichen Kaufpreis von 14,1 Mio. Euro ermittelten fiktiven Transaktionsvolumen von 17,6 Mio. Euro bemessenes Beratungshonorar von 1,75%, mithin 308.000 Euro, nebst Mehrwertsteuer, mithin insgesamt 366.520 Euro in Anspruch genommen. Sie hat unter Beweisantritt behauptet, der damalige Vorstandsvorsitzende B habe den Aufsichtsrat in dessen Sitzung vom 15.11.2016 umfassend über den Gegenstand des mit der Klägerin geschlossenen Vertrages unterrichtet, welcher – wie die Klägerin gemäß Schriftsatz vom 19.12.2017 mit näherer Begründung und Antritt von Zeugenbeweis geltend gemacht hat … – zum Gegentand gehabt habe die Suche eines Käufers für die Geschäftssparte sowie (1.) die Beschaffung relevanter Unterlagen, (2.) deren Sichtung, (3.) die Analyse des (die Geschäftssparte betreffenden) vergangenen und künftigen Nettoumlaufvermögens (working capital), (4.) eine Erstellung einer Unternehmensplanung für die Geschäftssparte, (5.) im Bedarfsfall deren Anpassung in Absprache mit der Beklagten, (6.) die Erstellung einer Präsentation der Finanzzahlen und Analyseergebnisse, (7.) die Ermittlung des Unternehmenswertes der Geschäftssparte „C“, (8.) die Interessentensuche und die Kontaktaufnahme mit Interessenten, (9.) die Begleitung von Kaufpreis- und Transaktionsverhandlungen, (10.) die Sichtung diverser Verträge im Zusammenhang mit der Transaktion, (11.) die Erstellung von Dokumenten zum Zwecke der Erläuterung der Transaktion gegenüber der Hauptversammlung und (12.) die Kommunikation mit allen an der Transaktion beteiligten Parteien. Außerdem habe B erläutert, dass das für die Bemessung des Honorars maßgebliche Transaktionsvolumen mit Rücksicht auf die Beteiligung der Klägerin an dem neu gegründeten Gemeinschaftsunternehmen mit 17,6 Mio. Euro anzusetzen sei …. Insgesamt habe sie – wie die Klägerin gemäß Schriftsatz vom 19.12.2017 mit näherer Begründung und Antritt von Zeugen- und Sachverständigenbeweis geltend gemacht hat … – Leistungen im Wert von netto 247.500 Euro erbracht.

Nachdem sie durch ihren damaligen Vorstandsvorsitzenden B am 20.12.2016 zunächst nur die Rechnungshöhe gerügt hatte …, hat die Beklagte das Zahlungsbegehren der Klägerin am 30.01.2017 auch dem Grunde nach als unberechtigt zurückgewiesen …. Der angeblich von dem damaligen Vorstandsvorsitzenden erteilte Auftrag sei gemäß § 134 BGB nichtig gewesen, weil ihm eine nach § 113 AktG unzulässige Vergütungsvereinbarung zugrunde gelegen habe. Für einen Beratungsvertrag mit einer Gesellschaft, deren mittelbarer Gesellschafter ein Aufsichtsratsmitglied gewesen sei, habe es überdies einer Genehmigung seitens des Aufsichtsrates gemäß § 114 Abs. 1 AktG bedurft, die nicht wirksam erteilt worden sei. Die Erläuterungen von B hätten sich auf die in der Sitzungsniederschrift vom 15.11.2016 festgehaltene Information beschränkt. Mit einem am 17.01.2018 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz hat die Beklagte den Sachvortrag der Klägerin gemäß Schriftsatz vom 19.12.2017 als verspätet beanstandet und unter Bezugnahme auf die Vereinbarung vom 26.10.2017 (Anlage B1, AH 16) hilfsweise die Aufrechnung mit einen Gegenanspruch in Höhe von 210.500 Euro nebst Zinsen in Höhe von 2,5% seit dem 01.01.2017 ….

Das Landgericht hat die Klage im schriftlichen Verfahren mit einer bis zum 17.01.2017 verlängerten Schriftsatzfrist … durch Urteil vom 06.02.2018 …, auf das wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivortrags, der in erster Instanz gestellten Anträge sowie der Begründung Bezug genommen wird, abgewiesen.

Hiergegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung. Mit ihr verfolgt die Klägerin ihr Zahlungsbegehren unter Wiederholung, Vertiefung und Ergänzung ihres erstinstanzlichen Vorbringens in vollem Umfang weiter.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Köln vom 08.06.2018 – 90 O 24/17 – die Beklagte zu verurteilen, an sie 366.520 Euro nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.12.2016 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen,

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und die zu den Akten gereichten Unterlagen Bezug genommen.

II.

Die Berufung der Klägerin war gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil der Senat einstimmig der Überzeugung ist, dass deren Rechtsmittel offensichtlich unbegründet ist und eine Entscheidung darüber durch Urteil nicht geboten ist. Zur Begründung wird auf den Beschluss des Senats vom 27.02.2019 Bezug genommen. Darin ist folgendes ausgeführt:

„Das Landgericht hat gemeint, der Klägerin stehe ein Honoraranspruch nicht zu, weil der vorliegende Dienstvertrag (§ 611 BGB) wegen Verstoßes gegen § 113 AktG bereits nicht genehmigungsfähig und damit gemäß § 134 BGB nichtig gewesen sei. Ausgleich der empfangenen Bereicherung (§ 812 Abs. 1 BGB) müsse die Beklagte nicht leisten, weil die Klägerin den von ihr betriebenen Aufwand nicht hinreichend dargetan habe …. Im Ergebnis hält diese Beurteilung den Angriffen der Berufung stand.

1.

Das Landgericht hat zutreffend angenommen, dass der zwischen der Klägerin und der Beklagten geschlossene Vertrag in den Anwendungsbereich der §§ 113 und 114 AktG fällt.

a) Ihrem Wortlaut nach erfassen diese Bestimmung zwar nur Verträge zwischen der Gesellschaft und Aufsichtsratsmitgliedern. In Anbetracht ihres Normzwecks kann es aber keinen Unterschied machen, ob das Aufsichtsratsmitglied im eigenen Namen oder im Namen einer GmbH abschließt, über die er mittelbar die ausbedungene Vergütung erhält (vgl. dazu BGH, Urteil vom 03.07.2006 – II ZR 151/04, AG 2006, 667-671, zitiert nach juris, Rn.10).

b) Die §§ 113, 114 AktG sind auch nicht etwa deshalb unanwendbar, weil die Zuwendungen die dem früheren Mitglied des Aufsichtsrats der Beklagten Prof. Dr. A zufließen würden, abstrakt betrachtet nur ganz geringfügig oder im Vergleich zu der von der Hauptversammlung festgesetzten Aufsichtsratsvergütung zu vernachlässigen wären (vgl. dazu BGH, Urteil vom 10.07.2012 – II ZR 48/11, MDR 2012, 1175-1176, zitiert nach juris, Rn. 14 – Fresenius; Urteil vom 20.11.2006 – II ZR 279/05, BGHZ 170, 60-67, zitiert nach juris, Rn. 10). Denn nach dem Schutzzweck des § 113 f AktG kommt es auf die Gesamthöhe der gezahlten Vergütungen und nicht auf den Umfang des einzelnen Beratungsauftrags an (BGH, Urteil vom 10.07.2012 – II ZR 48/11, MDR 2012, 1175-1176, zitiert nach juris, Rn. 14 – Fresenius). Daran gemessen mag auf sich beruhen, welcher Honoraranteil dem früheren Mitglied des Aufsichtsrats der Beklagten Prof. Dr. A zu gute kam. Bei einer durch eine Zwischenholding vermittelten Beteiligung an der Klägerin von 28,34% und einem Honorar in einer Gesamthöhe von rund 366.000 Euro kann – bei abstrakter Betrachtung – weder absolut noch im Vergleich zu seiner Aufsichtsratsvergütung in Höhe von 30.000 Euro (Seite 5 des Schriftsatzes vom 15.02.2019) von einer nur unbedeutenden, zu vernachlässigenden Leistung gesprochen werden.

c) Anders als die Berufung meint, beschränkt sich die zum Schutz vor Umgehungen der gesetzlichen Regelungen erforderliche erweiternde Auslegung der §§ 113, 114 AktG nicht auf den Fall, in dem das Aufsichtsratsmitglied mit 50% an dem beratenden Unternehmen beteiligt war …. Vielmehr ist die Heranziehung dieser Vorschriften schon dann geboten, wenn die Aktiengesellschaft mit dem dritten Unternehmen, an welchem das Mitglied des Aufsichtsrats – nicht notwendig beherrschend – beteiligt ist, einen (Beratungs-)Vertrag schließt und wenn dem Aufsichtsratsmitglied auf diesem Wege mittelbar Leistungen der Aktiengesellschaft zufließen, die geeignet sind, in Widerspruch zu den mit den §§ 113, 114 AktG verfolgten Zielen die unabhängige Wahrnehmung der Überwachungstätigkeit eines Aufsichtsratsmitglieds zu gefährden (BGH, Urteil vom 20.11.2006 – II ZR 279/05, BGHZ 170, 60-67, zitiert nach juris, Rn. 8). Eine solche Gefahr kann hier selbst dann nicht vereint werden, wenn – wie die Klägerin im Berufungsrechtszug unwidersprochen vorgetragen hat … – ihr betriebliche Personal- und Sachaufwand im Geschäftsjahr 2016 bei rund 80% gelegen haben sollte.

2.

Dienstverträge mit einem Aufsichtsratsmitglied oder einer Gesellschaft, an der dieser beteiligt ist, über Tätigkeiten, die das Aufsichtsratsmitglied schon aufgrund seiner Organstellung im Rahmen der auch die vorsorgende Beratung einschließenden Überwachung erbringen muss, stellen nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 25.03.1991 – II ZR 188/89, BGHZ 114, 127-137, zitiert nach juris, Rn. 10; 126, 340, 344 f.; Urteil vom 03.07.2006 – II ZR 151/04, BGHZ 168, 188-200, zitiert nach juris, Rn. 16; Urteil vom 20.11.2006 – II ZR 279/05, BGHZ 170, 60-67, zitiert nach juris, Rn. 13) eine nach § 113 AktG unzulässige Vergütungsvereinbarung dar und sind daher – sofern nicht die Hauptversammlung dem Vertrag zugestimmt hat – gemäß § 134 nichtig.

a) Nach § 114 AktG zulässig sind nur Verträge über Dienst- oder Werkleistungen, die nicht in den Aufgabenbereich des Aufsichtsrats fallen. Zur Meidung von Umgehungen muss der Beratungsvertrag eindeutige Feststellungen darüber ermöglichen, ob die zu erbringende Leistung außer- oder innerhalb des organschaftlichen Pflichtenkreises des Aufsichtsratsmitglieds liegt und ob der Vertrag darüber hinaus keine verdeckten Sonderzuwendungen – etwa in Form einer überhöhten Vergütung – enthält. Dazu gehört, dass die speziellen Beratungsgegenstände und das dafür zu entrichtende Entgelt so konkret bezeichnet werden, dass sich der Aufsichtsrat ein eigenständiges Urteil über die Art und den Umfang der Leistung sowie über die Höhe und die Angemessenheit der Vergütung bilden kann. Verträge, die diese Anforderungen nicht erfüllen, sind nicht nach § 114 Abs. 1 AktG genehmigungsfähig, sondern gemäß § 134 BGB in Verbindung mit § 113 AktG nichtig (BGH, Urteil vom 20.11.2006 – II ZR 279/05, BGHZ 170, 60-67, zitiert nach juris, Rn. 13).

b) Gemessen an diesen Grundsätzen war die angeblich am 14.06.2016 mit der Klägerin geschlossene Vereinbarung nichtig.

aa) Dabei kann die vom Bundesgerichtshof (vgl. Urteil vom 03.06.2006 – II ZR 151/04, AG 2006, 667-771, zitiert nach juris, Rn. 17) bislang unbeantwortet gelassene Frage auf sich beruhen, ob der Aufsichtsrat nur dann eigenverantwortlich über die Zulässigkeit eines Beratungsvertrages befinden kann, wenn dieser schriftlich oder zumindest in Textform geschlossen ist (so OLG NürnbergBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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, Urteil vom 08.03.2017 – 12 U 927/15, AG 2018, 166-171, zitiert nach juris, Rn. 86 und Habersack in Münchener Kommentar zum AktG, 5. Auflage 2019, § 114 Rn. 25 mit weiteren Nachweisen auch zur Gegenansicht).

bb) Legt man den Sachvortrag der Klägerin zugrunde, genügte die angeblich am 14.06.2016 geschlossene Vereinbarung den genannten Anforderungen schon deshalb nicht, weil danach neben der Ausarbeitung einer auf einer Auswertung relevanter Geschäftsunterlagen beruhenden Unternehmensplanung für die Geschäftssparte „C“ mitsamt Präsentation der Finanzzahlen, der Ermittlung des Werts dieser Geschäftssparte, der Herstellung und Pflege von Kontakten mit potentiellen Käufern, der Ausarbeitung von für die Hauptversammlung bestimmten Erläuterungen der Transaktion eine „Begleitung“ der „Kaufpreis- und Transaktionsverhandlungen“ und eine Durchsicht und Prüfung der in deren Rahmen erstellten Vertragswerke vereinbart war und bei diesen allgemein gehaltenen Bezeichnungen eine Abgrenzung gegenüber der organschaftlichen Aufgabe des Aufsichtsrats nicht möglich ist. Denn diese umfasst auch die Beratung des Vorstands bei dem Abschluss von Unternehmens- und Beteiligungskaufverträgen (BGH, Urteil vom 20.11.2006 – II ZR 279/05, MDR 2007, 533-535, zitiert nach juris, Rn. 14). Einzelfragen, die Gegenstand eines Dienstvertrages sein können, mögen sich zwar auch in Bereichen finden, die an sich der Überwachung durch den Aufsichtsrat unterfallen (Lutter/Kremer, ZGR 1992, 87, 96). Darauf, ob ein Aufsichtsratsmitglied einzelvertraglich mit Gegenständen betraut werden kann, die der „technischem“ Vorbereitung und Abwicklung eines Unternehmenskaufs zuzurechnen sind (so Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, 6. Auflage 2014, Rn. 860), kommt es indes, worauf das Landgericht richtig hingewiesen hat …, nicht an, weil angesichts der Unbestimmtheit der „Begleitung“ der „Kaufpreis- und Transaktionsverhandlungen“ und der Durchsicht und Prüfung der in deren Rahmen erstellten Vertragswerke unklar blieb, ob und inwieweit es sich um verdeckte Sonderzuwendungen für die Organtätigkeit handelte.

c) Geht man von dem Vortrag der Beklagten aus, die Information des Aufsichtsrats habe sich in der Mitteilung erschöpft, die Klägerin habe der Beklagten einen Käufer für die Geschäftssparte vermittelt und sei mit diversen, beispielhaft aufgezählten Dienstleistungen betraut gewesen …, war die angeblich am 14.06.2016 getroffene Vereinbarung schon deshalb nicht genehmigungsfähig, weil die betroffenen Beratungsgegenstände nicht so konkret bezeichnet waren, dass sich der Aufsichtsrat ein eigenverantwortliches Urteil über Art und Umfang der Leistungen bilden konnte. Die Betrauung der Klägerin mit diversen, nur beispielhaft aufgezählten Dienstleistungen ist so allgemein gefasst, dass sie nicht nur zulässige Beratungsleistungen etwa über Detailfragen umfasst, sondern auch zur Kontroll- und Beratungsfunktion des Aufsichtsrats gehörende Tätigkeiten einschließt. Angesichts des Normzwecks des § 114 AktG muss sich der Aufsichtsrat davon überzeugen können, dass der Vertrag keine verdeckten Sonderzuwendungen an das durch ihn begünstigte Aufsichtsratsmitglied enthält. Dazu gehört, dass die speziellen Einzelfragen, in denen es tätig werden soll, sowie das für diese Leistungen von der Gesellschaft zu entrichtende Entgelt so konkret bezeichnet werden muss, dass sich der Aufsichtsrat ein eigenständiges Bild über die Art der Leistung, ihren Umfang sowie die Höhe und Angemessenheit der Vergütung bilden kann. Verträge, die diese Anforderungen nicht erfüllen, weil sie – wie hier – als Beratungsgegenstand nur generell bezeichnete Einzelfragen auf Gebieten angeben, die grundsätzlich auch zur Organtätigkeit gehören oder gehören können, sind von vornherein nicht von § 114 AktG gedeckt, sondern vielmehr nach § 113 AktG zu beurteilen (BGH, Urteil vom 04.07.1994 – II ZR 197/93, AG 1994, 508-510, zitiert nach juris, Rn. 9). Hier lässt die Art de r Aufgabenbeschreibung nicht mit der erforderlichen Sicherheit erkennen, dass die dem Beklagten übertragenen Aufgaben aufgrund des Ausmaßes und der Intensität der angestrebten Beratungstiefe (vgl. Lutter/Kremer, ZGR 1992, 87, 108) ausschließlich jenseits der organschaftlichen Beratungspflichten des damaligen Aufsichtsratsmitglieds Prof. Dr. A liegen sollte.

4. Die Annahme einer Teilwirksamkeit der in Frage stehenden Vereinbarung hinsichtlich derjenigen Vertragsbestandteile, die Gegenstand eines Dienstvertrages mit dem Geschäftsführer der Klägerin in seiner Eigenschaft als früherem Mitglied des Aufsichtsrats der Beklagten hätten sein können, scheitert jedenfalls daran, dass es für einen derart eingeschränkten Vertrag und die hierauf entfallende Vergütung schon an einer Zustimmung des Aufsichtsrats gemäß § 114 Abs. 1 AktG fehlt (vgl. dazu BGH, Urteil vom 03.07.2006 – II ZR 151/04, BGHZ 168, 188-200, zitiert nach juris, Rn. 18).

5. Nach dem im Berufungsrechtszug zugrunde zu legenden Sachverhalt ist das Klagebegehren weder ganz noch zum Teil aus ungerechtfertigter Bereicherung (§ 812 Abs. 1 i.V.m. § 818 Abs. 2 BGB) oder einer anderen gesetzlichen Grundlage berechtigt.

a) Dem Aufsichtsratsmitglied, das aufgrund eines nach §§ 113, 114 AktG i.V.m. § 134 BGB unwirksamen Dienstvertrages Leistungen an die Gesellschaft erbringt, kann allerdings ein Bereicherungsanspruch gemäß §§ 812 Abs. 1, 818 Abs. 2 BGB bzw. ein Anspruch auf Aufwendungsersatz aus Geschäftsführung ohne Auftrag nach §§ 683, 670 BGB erwachsen. Eine Anwendung des § 817 Satz 2 BGB scheidet aus, weil das gesetzliche Verbot des § 113 AktG sich nicht gegen die Tätigkeit als solche, sondern gegen die Vergütungsvereinbarung richtet (BGH, Urteil vom 02.04.2007 – II ZR 325/05, MDR 2007, 1028-1029, zitiert nach juris, Rn. 20). Derartige Ansprüche stehen auch einer Gesellschaft zu, durch die das Aufsichtsratsmitglied mittelbar Dienstleistungen erbringen ließ (BGH, Beschluss vom 27.04.2009 – II ZR 160/08, AG 2009, 661-662, zitiert nach juris, Rn. 4).

b) Derzeit bedarf es nicht der Klärung, ob es sich bei den zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarungen um einen Maklerdienstvertrag gehandelt hat, weil die Klägerin zu einem Tätigwerden verpflichtet war, ihre Tätigkeit auf die Vermittlung des Verkaufs der Geschäftssparte C abzielte und eine Vergütung nur im Falle ihres Erfolgs geschuldet war. Offenbleiben kann ferner, ob das Bereicherungsrecht dem Makler überhaupt einen Anspruch geben kann (zweifelnd BGH, Urteil vom 07.07.2005 – III ZR 397/04, BGHZ 163, 332-339, zitiert nach juris, Rn. 12 mit Nachweisen zum Meinungsstand). Schließlich kann dahinstehen, ob eine Leistungskondiktion jedenfalls bei einem Maklerdienstvertrag in Betracht zu ziehen ist, wenn der Empfänger durch die rechtsgrundlose Maklerdienstleistung etwas erlangt hat, was sich in einen Wertersatzanspruch umwandeln kann. Denn bei jedem in Betracht zu ziehenden Bereicherungsausgleich wäre zu prüfen, ob und in welchem Umfang die Beklagte an Stelle der Klägerin einen Berater und Vermittler mit der Wahrnehmung ihrer interessen beauftragt hätte. Soweit dies der Fall gewesen wäre, ist sodann zu ermitteln, welche von der Beklagten ersparte Vergütung angefallen wäre (vgl. BGH, Beschluss vom 27.04.2009 – II ZR 160/08, AG 2009, 661-662, zitiert nach juris, Rn. 6).

b) Diese Prüfung scheitert daran, dass die Klägerin ihre Tätigkeit nicht hinreichend aufgeschlüsselt hat, weil sie davon ausgeht, dass die Beklagte ihr Wertersatz für sämtliche erbrachten Leistungen schulde. Tatsächlich kommt ein Bereicherungsanspruch oder ein Anspruch wegen Geschäftsführung ohne Auftrag eines Aufsichtsratsmitglieds bzw. einer mit ihm verbundenen Gesellschaft gegen die AG aber nur für solche Dienstleistungen in Betracht, die außerhalb des Tätigkeitsbereichs des Aufsichtsratsmitglieds im Aufsichtsrat liegen (BGH, Beschluss vom 27.04.2009 – II ZR 160/08, AG 2009, 661-662, zitiert nach juris, Rn. 6).

aa) Entgegen der Ansicht der Berufung ist – von der (angeblich) zu Ziffer (7.) in Auftrag gegebenen Ermittlung des Werts der Geschäftssparte C abgesehen – nicht erkennbar, dass die Klägerin Beratungsleistungen erbracht hat, die außerhalb der Tätigkeiten liegen, die bereits zur Beratungs- und Überwachungsaufgabe des Aufsichtsrats gehören. Da seine Überwachungspflicht angesichts der Bedeutung des Verkaufs der Geschäftssparte intensiviert war, konnte sich der Aufsichtsrat nicht auf die Entgegennahme von Informationen des Vorstands beschränken, sondern hatte den für die Transaktion relevanten Sachverhalt selbständig und vollständig zu erfassen und sich ein eigenes Urteil darüber zu bilden. Dazu gehörte auch die (angeblich) zu Ziffern (1.) und (2.) in Auftrag gegebene Sichtung und Bewertung von Unterlagen ebenso wie die (angeblich) zu Ziffer (10.) in Auftrag gegebene Prüfung und Bewertung relevanter Vertragswerke. Die Analyse von Unternehmensdaten und die Ableitung einer Unternehmensplanung sowie deren Aufbereitung zu Präsentationszwecken, wie sie (angeblich) zu Ziffern (3.), (4.), (5.), (6.) und (11.) beauftragt worden ist, zählen als allgemeine Beratungsleistungen betriebswirtschaftlicher Art zu den Pflichten eines Aufsichtsrats (vgl. BGH, Beschluss vom 27.04.2009 – II ZR 160/08, AG 2009, 661-662, zitiert nach juris, Rn. 7). Dem Vortrag der Klägerin lässt sich eine Tätigkeit, die über diese allgemeinen Beratungsleistungen hinausgeht, nicht entnehmen. Das gilt auch für die Suche von Kaufinteressenten und die Begleitung von Vertragsverhandlungen, wie sie (angeblich) zu Ziffern (8.), (9.) und (12.) beauftragt worden ist.

bb) Die weiteren mit Bezug auf den Auftrag zur Erstellung eines Gutachtens zum Wert der Geschäftssparte „C“ mögen die geltend gemachten Leistungen zwar über die Fachkunde und die zeitlichen und technischen Möglichkeiten der Mitglieder des Aufsichtsrats hinausgehen. Dementsprechend mochte es für Vorstand und Aufsichtsrat angezeigt gewesen sein, diesbezüglich externen Rat einzuholen. Daraus lassen sich indes derzeit Bereicherungsansprüche nicht ableiten, weil die Klägerin die Darlegungs- und Beweislast dafür trägt, welche von der Beklagten ersparte Vergütung angefallen wäre. Bei der Behauptung, der Auftraggeber habe ein Zeithonorar erspart, muss die nahe liegende Gefahr ins Auge gefasst werden, dass diesem der tatsächliche zeitliche Aufwand des Auftragnehmers verborgen bleibt. Deshalb erfordert eine schlüssige Darlegung der angeblich ersparten Stunden, dass über pauschale Angaben hinaus die angeblich während des abgerechneten Zeitintervalls getroffenen Maßnahmen konkret und in nachprüfbarer Weise dargelegt werden. Eine nähere Substantiierung ist – worauf bereits das Landgericht zutreffend hingewiesen hat … – unverzichtbar, weil die für die Unternehmensbewertung aufgewendete Arbeitszeit einer Kontrolle nicht oder allenfalls in geringem Rahmen zugänglich ist (vgl. BGH, Urteil vom 04.02.2010 – IX ZR 18/09, MDR 2010, 529-531, zitiert nach juris, Rn. 77 betreffend anwaltliche Tätigkeit). Dies bedeutet für die Klägerin keinen unzumutbaren Aufwand. Sie kann ohne weiteres stichwortartig in einer auch im Nachhinein verständlichen Weise niederlegen, welche konkrete Tätigkeit sie innerhalb eines bestimmten Zeitraums verrichtet hat. Diesen Anforderungen ist die Klägerin weder im ersten noch im zweiten Rechtszug gerecht geworden. Sie hat lediglich pauschal einen Arbeitsaufwand von 8 „Manntagen“ behauptet …. Hinzu kommt, dass ohne Vorlage von Arbeitsergebnissen die gebotene Prüfung, ob die behaupteten Stunden in einem angemessenen Verhältnis zu Umfang und Schwierigkeit der Sache gestanden haben, nicht möglich ist.

1. Die Ausführungen der Klägerin gemäß Schriftsatz vom 11.04.2019 …, auf dessen Inhalt ebenso Bezug genommen wird wie auf die Erwiderung durch die Beklagte vom 26.06.2019 … rechtfertigen keine andere Beurteilung. Sie geben lediglich zu folgender Ergänzung Anlass:

a) Mit seiner rechtlichen Bewertung hat der Senat maßgeblich darauf abgestellt, dass der zwischen der Klägerin und der Beklagten geschlossene Vertrag nach § 113 AktG nichtig und damit von vornherein nicht von § 114 AktG gedeckt ist, weil die von der Klägerin zu erbringenden Beratungsleistungen nur generell bezeichnete Einzelfragen auf Gebieten zum Gegenstand haben, die grundsätzlich auch zur Tätigkeit des Aufsichtsrats gehören. Im Übrigen vermag sich der Senat der Klägerin aber auch nicht anzuschließen, soweit diese in der Vereinbarung zwischen ihr und der Beklagten einen Vertrag sieht, für den Maklerrecht maßgeblich und der dementsprechend dem Anwendungsbereich der §§ 113, 114 AktG entzogen sei …. Nach dem unstreitigen Sachverhalt, wie er sich insbesondere aus dem eigenen Vortrag der Klägerin ergibt, hat diese gegenüber der Beklagten nicht nur eine Nachweis- oder Vermittlungstätigkeit als Maklerin entfaltet, sondern sie hat zugunsten der Beklagten von der Recherche und Anfertigung notwendiger Dokumente bis zur Erstellung einer Unternehmensplanung und Unternehmensbewertung bestimmungsgemäß beratende Dienstleistungen erbracht. Da sie hierzu vertraglich verpflichtet war, ist der Vertrag zwischen der Klägerin und der Beklagten kein Maklervertrag, sondern ein Maklerdienstvertrag, der die Nachweis- oder Vermittlungstätigkeit der Kläger mitumfasst. In einem solchen Fall unterliegt der Geschäftsbesorgungsvertrag dem Anwendungsbereich der §§ 113, 114 AktG auch dann, wenn Maklertätigkeit, nämlich Nachweis oder Vermittlung zu erbringen ist, die Aktiengesellschaft als Auftraggeberin Entschließungsfreiheit hat und die Vergütung erfolgsabhängig ist. Anders wäre es allenfalls dann, wenn die typische Maklertätigkeit überwiegen und dem Vertrag das Gepräge geben würde, mithin die beratende Tätigkeit gegenüber der Maklertätigkeit zurückträte, unwesentlich erschiene und praktisch keine bedeutende Rolle spielen würde. Davon kann hier aber nach dem eigenen Vortrag der Klägerin nicht die Rede sein. Nennenswerter Aufwand, der mit einer typischen Maklertätigkeit im Zusammenhang stünde, wird auch in dem Schriftsatz der Klägerin vom 11.04.2019 … nicht behauptet. Dieser enthält vielmehr eine umfassende Aufzählung der zugunsten der Beklagten erbrachten Leistungen zur Vorbereitung, Durchführung und Überwachung des beabsichtigten Verkaufs einer Geschäftssparte, von Nachweis oder Vermittlung ist darin allenfalls am Rande die Rede.

b) Entgegen der Ansicht der Klägerin …, ist es mit Rücksicht auf das Regelungsanliegen der §§ 113, 114 AktG unerheblich, ob diese ihr Ergebnis für 2016 in vollem Umfang auf neue Rechnung vorgetragen hat. Die Gefahrenlage ist aus Sicht der beklagten Gesellschaft identisch, weil der Wert der Vergütung vermittelt über Klägerin, an der das frühere Aufsichtsratsmitglied der Beklagten über eine Zwischenholding mit 28,34% beteiligt ist, mittelbar dessen Vermögen mehrt.

c) Weder den Ausführungen der Klägerin gemäß Schriftsatz vom 11.04.2019 … noch den zur Akte ergänzend zur Akte gereichten Unterlagen (Anlagen K5 bis K70, AO I und II) lässt sich entnehmen, dass die Beklagte dieser Bereicherungsausgleich schuldet.

aa) Soweit die Klägerin durch ihre Mitarbeiter K und L jeweils 0,5 Arbeitsstunden aufgewendet haben will, um mit der halbseitigen E-Mail vom 07.10.2016 (Anlage K7) die Übersendung der „Gewinn- und Verlustrechnung, Bilanz und Kapitalflussrechnung des C-Geschäfts per 31.05.2015, 31.03.2016 und 30.09.2016“ und die „Planung des C-Geschäfts (sofern vorhanden) anzufordern, mag es sich ebenso wie weiteren fünf zwischen dem 07.10.2016 und dem 12.10.2016 von Mitarbeitern der Klägerin versandten oder von diesen empfangenen E-Mails (Anlage), die das nämliche Anliegen betrafen und deren Bearbeitung einen Mitarbeiter für die Dauer von 0,5 Arbeitsstunden in Anspruch genommen haben soll, um Tätigkeiten handeln, die der (angeblich) zu Ziffern (1.) und (2.) in Auftrag gegebenen Sichtung und Bewertung von Unterlagen zuzuordnen sind. Gleiches mag auch für die Sichtung einer halbseitigen E-Mail vom 14.10.2016 (Anlage K9) gelten, mit welcher ein Mitarbeiter der Beklagten (verbunden mit einigen Anregungen für die Bearbeitung) die Planung für die Geschäftssparte betreffend das laufende und die beiden folgenden Geschäftsjahre sowie deren Ergebnisse für 2014/2015 und 2015/2016 übersandt hat und für deren Sichtung die Klägerin durch drei Mitarbeiter und ihren Vorstandsvorsitzenden jeweils 1,0 Arbeitsstunden, insgesamt mithin 4,0 Arbeitsstunden, aufgewendet haben will, gelten und für die Bearbeitung einer einzeiligen E-Mail vom 18.10.2016 (Anlage K10), mit welcher eine halbseitige Aufstellung der Vermögenswerte der Geschäftssparte übersandt worden ist und deren Sichtung durch drei Mitarbeiter der Klägerin jeweils 0,5 Arbeitsstunden, insgesamt also 1,5 Arbeitsstunden, in Anspruch genommen haben soll. Nicht anders mag gelten für die Anforderung einer Detaillierung auf Monatsbasis (nicht einmal halbseitige Email eines Mitarbeiters der Klägerin vom 19.10.2017 (Anlage K11) mit einem behaupteten Arbeitsaufwand für zwei Mitarbeiter von jeweils 0,5 Arbeitsstunden, insgesamt also 1,0 Arbeitsstunden), die Lektüre der Mitteilung der Beklagten vom selben Tag, man werde sich der Sache annehmen (zwei zweizeilige E-Mails von Mitarbeitern der Beklagten vom 19.10.2017 (Anlage K12) mit einem behaupteten Sichtungsaufwand für drei Mitarbeiter von jeweils 0,5 Arbeitsstunden, insgesamt also 1,5 Arbeitsstunden), die Kenntnisnahme von einer durch Mitarbeiter der Beklagten übersandten Aufstellung der Vermögenswerte und des EBIT der Geschäftssparte für 2014/2015 und 2015/2016 auf Quartalsbasis bzw. Monatsbasis (ein- bzw. zweizeilige E-Mail vom 24.10.2017 (Anlage K13) und 28.10.2016 (Anlage K14) mit jeweils zwei einseitigen Übersichten und einem behaupteten Sichtungsaufwand für drei Mitarbeiter der Klägerin von jeweils 2,0 Arbeitsstunden und für deren Vorstandsvorsitzenden von 1,0 Arbeitsstunden, insgesamt also 7,0 Arbeitsstunden, bzw. für drei Mitarbeiter der Klägerin von zweimal 3,5 Arbeitsstunden sowie einmal 2,5 Arbeitsstunden und für deren Vorstandsvorsitzenden von 2,0 Arbeitsstunden, insgesamt also 11,5 Arbeitsstunden). Auch dem ergänzenden Sachvortrag der Klägerin ist indes nicht hinreichend zu entnehmen, dass diese Tätigkeiten über die dem damaligen Aufsichtsratsmitglied der Beklagten Prof. Dr. A obliegende Aufgabe, den für die Transaktion relevanten Sachverhalt selbständig und vollständig zu erfassen und sich ein eigenes Urteil darüber zu bilden, hinausging. Da die maßgeblichen Informationen allesamt von der Beklagten selbst stammten und das damalige Aufsichtsratsmitglied der Beklagten Prof. Dr. A über die nötige Sachkunde zur Anforderung und Sichtung der Unternehmensdaten verfügte, ist überdies nach wie vor nicht nachvollziehbar dargelegt, dass die Beklagte an Stelle der Klägerin einen externen Berater mit der Erledigung dieser Aufgabe betraut hätte, für den ein Honorar aufzuwenden gewesen wäre, das die Beklagte erspart hat.

bb) Entsprechendes gilt, soweit die Klägerin im Zusammenhang mit der Transaktion durch ihre Mitarbeiter K und L jeweils zweimal 10 Arbeitsstunden sowie durch ihren damals dem Aufsichtsrat der Beklagten angehörenden Vorstand Prof. Dr. A 5 Arbeitsstunden, insgesamt also 25 Arbeitsstunden, aufgewendet haben will, um eine Gesellschaftervereinbarung (Anlage K56, AO 2), einen Darlehensvertrag (Anlage K57, AO 2), den Entwurf zweier „Asset Deal Vertrages C“ (Anlagen K58 und K59, AO 2) und eines Geschäftsführeranstellungsvertrages (Anlage K60, AO 2) zu sichten. Dabei kann auf sich beruhen, ob, wie die Beklagte annimmt …, die behauptete Tätigkeit, welche der (angeblich) zu Ziffern (10.) Prüfung des im Zuge der Transaktion erstellten Vertragswerks beauftragten Leistung zuzurechnen sein mag, gegen das Rechtsberatungsgesetz (unerlaubte Rechtsbesorgung, Art. 1 § 1 RBerG) verstoßen hat. Dies allein würde nämlich einen Wertersatzanspruch nach § 818 Abs. 2 BGB nicht von vornherein ausschließen (BGH, Urteil vom 19.12.1996 – III ZR 9/95, NJW-RR 1997, 564-565, zitiert nach juris, Rn. 24). Ein solcher entfällt hier deshalb, weil die Sichtung der Verträge zu den Prof. Dr. A als damaligen Mitglied des Aufsichtsrats der Beklagten obliegenden Aufgabe gehörte, die für die Transaktion relevanten Verträge selbständig und vollständig zu erfassen und sich ein eigenes Urteil über deren Inhalt zu bilden. Dass er dazu selbst nicht in der Lage war, ist weder ersichtlich noch vorgetragen. Die Tatsache, dass Prof. Dr. A die betreffenden Leistungen (durch möglicherweise hierzu nicht befugte) dritte Personen hat ausüben lassen, berechtigt nicht zu dem Schluss, dass die Beklagte an Stelle der Klägerin andere (zur Ausübung der Tätigkeit befugte) externe Berater mit der Erledigung dieser Aufgabe betraut hätte.

cc) Soweit die Klägerin durch ihre Mitarbeiter K, L und M 26, 27 und 10 Arbeitsstunden und durch ihren damals dem Aufsichtsrat der Beklagten angehörenden Vorstand Prof. Dr. A 5 Arbeitsstunden aufgewendet haben will, um eine Reihe von Dokumenten zu erstellen, welche die angeblich zu Ziffer (4.) in Auftrag gegebene Unternehmensplanung der zum Verkauf stehenden Geschäftssparte wiedergeben, mag auf sich beruhen, ob diese Einzelfragen betreffen, die zur „technischen“ Vorbereitung und Abwicklung eines Unternehmenskaufs zählen und deshalb ungeachtet der Tatsache, dass sie in Bereichen zuzurechnen sind, die an sich der Überwachung durch den Aufsichtsrat unterfallen, Gegenstand eines Dienstvertrages mit einem externen Berater sein können. Davon, dass die Beklagte statt der Klägerin andere externe Berater mit der Erledigung dieser Aufgabe betraut hätte, kann schon deshalb nicht ausgegangen werden, weil die Unternehmensplanung – wie die von der Klägerin zur Akte gereichten E-Mails eines Mitarbeiters der Beklagten vom 24. und 28.10.2016 nebst den beiden dazugehörigen tabellenförmigen Aufstellungen belegen – im Wesentlichen auf Planzahlen beruht, die von der Beklagten selbst erarbeitet worden sind.

dd) Entsprechendes gilt, soweit die Klägerin für die angeblich zu Ziffer (3.) in Auftrag gegebene Analyse des working capital durch ihre Mitarbeiter K und L 5 und 4 Arbeitsstunden und die angeblich zu Ziffer (5.) in Auftrag gegebene Adjustierung der Planung in Abstimmung mit der Verkäufer- und Käuferseite durch ihre Mitarbeiter K und L 10 und 12 Arbeitsstunden und durch ihren damals dem Aufsichtsrat der Beklagten angehörenden Vorstand Prof. Dr. A 1 Arbeitsstunde aufgewendet haben will, um eine Reihe von Dokumenten (Anlagen K33, K34, K35, K37, K40 und K41, AO 2) zu erstellen und zwischen dem 19.10 und dem 09.11.2016 per E-Mail (Anlagen K15, K16, K17, K18, K19, AO 1 sowie Anlagen K32, K36, K38 und K42, AO 2) mit den künftigen Vertragspartnern zu korrespondieren.

ee) Soweit die Klägerin durch ihre Mitarbeiter K, M und L 18, 12 und 13 Arbeitsstunden und durch ihren damals dem Aufsichtsrat der Beklagten angehörenden Vorstand Prof. Dr. A 8 Arbeitsstunden für die Erstellung einer angeblich von der Beklagten zu Ziffer (7.) in Auftrag gegebenen Unternehmensbewertung (Anlagen K43 bis K48, AO 2) nach dem Multiplikatorverfahren aufgewendet haben will, entfällt ein Wertersatzanspruch hier deshalb, weil bei diesem Verfahren anhand unterschiedlicher Bezugsgrößen (z.B. Jahresüberschluss, Betriebsergebnis vor Steuern oder Umsatz eines Unternehmens) ein Marktpreis geschätzt wird, wobei Vereinfachungsregeln mit einer geringeren Komplexität verwandt werden und die erzielten Ergebnisse wegen ihrer Ungenauigkeit nur zur Beurteilung der Plausibilität anderer Bewertungsverfahren zum Zuge kommen (vgl. OLG DüsseldorfBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG Düsseldorf
, Beschluss vom 06.09.2018 – 26 W 1/18 (AktE), AG 2019, 309-313, zitiert nach juris, Rn. 53). Die Anwendung eines solchen Verfahrens gehörte zu der Prof. Dr. A als damaligem Mitglied des Aufsichtsrats der Beklagten obliegenden Aufgabe, die für die Transaktion relevanten Parameter selbständig und vollständig zu erfassen und sich ein eigenes Urteil über deren Inhalt zu bilden. Dass er dazu selbst nicht in der Lage war, liegt schon deshalb fern, weil er an der Unternehmensbewertung mit 5 Arbeitsstunden beteiligt gewesen sein soll.

ff) Entsprechendes gilt, soweit die Klägerin für die angeblich zu Ziffer (8.) in Auftrag gegebene Herstellung des Kontakts zu Kaufinteressenten einschließlich deren Suche durch ihre Mitarbeiter K und L (1,0 und 0,5 Arbeitsstunden) und durch ihren damals dem Aufsichtsrat der Beklagten angehörenden Vorstand Prof. Dr. A (2,0 Arbeitsstunden), für die angeblich zu Ziffer (9.) in Auftrag gegebene Begleitung der Kaufpreis und Transaktionsverhandlungen Adjustierung der Planung durch letzteren (53 Arbeitsstunden) und für die angeblich zu Ziffer (12.) in Auftrag gegebene Führung der Kommunikation mit allen an der Transaktion beteiligten Parteien durch die Mitarbeiter die Mitarbeiter der Klägerin K und L (1,5 und 3,0 Arbeitsstunden) aufgewendet haben will, um einige E-Mails zu erstellen und/oder zu sichten (Anlagen K49, K50, K51, K52, K53, K64 bis K70) und diverse Termine mit dem Vorstand der Beklagten und dem Kaufinteressenten wahrzunehmen. Ein Wertersatzanspruch entfällt, weil es sich bei diesen Leistungen um Tätigkeiten handelt, die der damals dem Aufsichtsrat der Beklagten angehörenden Vorstand Prof. Dr. A aufgrund seiner Organstellung schuldete. Nichts anderes kann gelten, soweit die Klägerin – ohne nähere inhaltliche Spezifizierung – Wertersatz für den mit diversen Telefonaten verbundenen Aufwand beansprucht, die deren Mitarbeiter K und L (jeweils 8,0 Arbeitsstunden) und der damals dem Aufsichtsrat der Beklagten angehörende Vorstand Prof. Dr. A (12,0 Arbeitsstunden) mit dem damaligen Vorstand der Beklagten sowie Vertretern des Kaufinteressenten geführt haben sollen.

gg) Bereicherungsausgleich kann die Klägerin schließlich nicht für behaupteten Aufwand von 8 Mitarbeiterstunden und einer Vorstandsarbeitsstunde betreffend die angeblich zu Ziffer (11.) beauftragte Erstellung von Dokumenten zur Erläuterung der Transaktion in der Hauptversammlung der Beklagten beanspruchen (Anlagen K61 bis K63, AO 2) beanspruchen. Die Anfertigung derartiger Papiere lag schon deshalb nicht außerhalb des Pflichtenkreises des damals dem Aufsichtsrat der Beklagten angehörenden Vorstands der Klägerin Prof. Dr. A, weil dem Vorstand die Vorbereitung der Hauptversammlung obliegt. Die erstellten Dokumente für die Hauptversammlung dienten vor allem als Orientierungshilfe des Versammlungsleiters. Dieser gehört für gewöhnlich dem Aufsichtsrat an, mit der Folge, dass eine Beschäftigung mit der Präsentation der wesentlichen Parameter des Verkaufs der Geschäftssparte eine Tätigkeit betrifft, welche der Vorbereitung auch des Aufsichtsrats auf die Versammlung diente.

2. Die Berufung der Beklagten ist nach alledem offensichtlich unbegründet. Dementsprechend war sie nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, die Fortbildung des Rechts oder die Einheitlichkeit der Rechtsprechung keine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist. Rechtsfragen, die sich im Zusammenhang mit der Behandlung von Maklerdienstverträgen im Rahmen des § 114 AktG stellen, rechtfertigen entgegen der Ansicht der Klägerin nicht die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung. Denn diese sind nicht entscheidungserheblich. Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 20.11.2006 (II ZR 279/05, BGHZ 170, 60-67, zitiert nach juris, Rn. 15) zwar ausdrücklich offengelassen hat, ob er die im Schrifttum vertretene Meinung (Wissmann/Ost, BB 1998, 1957, 1958; Müller, NZG 2002, 797, 801; Lutter/Drygala, Festschrift Ulmer, 2003, S. 395 f; E. Vetter, AG 2006, 173, 178; Krüger/Thonfeld, EWiR 2006, 385, 386) teilt, wonach ein wegen ungenauer Bezeichnung der Vertragspflichten gegen § 113 f AktG verstoßender Beratungsvertrag nachträglich konkretisiert und dann durch den Aufsichtsrat genehmigt werden kann. Die Rechtsfrage, von der abhängt, ob ein nichtiges Rechtsgeschäft als gültig zu behandeln ist, ist zwar nicht eindeutig zu beantworten, solange sie höchstrichterlich nicht geklärt ist. Hierauf kommt es im Streitfall indes nicht an, weil der der Klägerin von der Beklagten erteilte Auftrag auch nachträglich nicht weiter spezifiziert worden und als konkretisiertes Rechtsgeschäft genehmigt worden ist. Dass die zwischen den Parteien getroffene Vereinbarung – wie oben ausgeführt – dem Anwendungsbereich des § 114 AktG unterfällt, hat der Senat im Übrigen den konkreten Umständen des Einzelfalls entnommen.

3. Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Schlagworte: AktG § 113, AktG § 114, Aufsichtsrat, Aufsichtsratsbeschluss, Aufsichtsratssitzung, Beratungsvertrag, Dienstvertrag, Zustimmung Aufsichtsrat

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