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OLG München, Urteil vom 22.02.2023 – 7 U 6026/21

Mittwoch, 22. Februar 2023

§§ 134, 138, 653 Abs. 1 BGB, § 354 HGB – Tätigkeit eines Rechtsanwalts als Makler

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 30.7.2021 (Az.: 31 O 3460/21) wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Dieses Urteil und das angegriffene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des gegen ihn vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

Entscheidungsgründe

A.

Der Kläger macht gegen die Beklagte im Wege der Stufenklage einen Anspruch auf Maklerhonorar für den Nachweis eines von der Beklagten bestellten Geschäftsführers geltend.

Der Kläger ist zugelassener Rechtsanwalt und daneben als Unternehmensberater im Bereich der Vermittlung von Kapitalgebern und der Beratung von Firmen im Automotive-Bereich tätig. Über einen Bekannten, den benannten Zeugen M., der als freiberuflicher Berater für die Beklagte tätig war, wurde er auf die Beklagte (ein Start-up-Unternehmen im Automotive-Bereich) aufmerksam und beabsichtigte, selbst für die Beklagte im Rahmen seiner Beratungstätigkeit tätig zu werden. Über Herrn M. erfuhr der Kläger auch, dass die Beklagte einen neuen Geschäftsführer suchte. Für diese Aufgabe erschien ihm ein weiterer Bekannter, der benannte Zeuge B. geeignet.

Am 6.3.2019 kam es auf Vermittlung des Zeugen M. zu einem Gespräch in einer M. Anwaltskanzlei, an welchem der Kläger, der vom Kläger mitgebrachte Zeuge B., der Zeuge M. und der damalige Geschäftsführer der Beklagten K. teilnahmen. Die Details des Gesprächsinhaltes sind streitig; jedenfalls erhielten aber Herr B. die Möglichkeit, sich als potentieller Geschäftsführer der Beklagten vorzustellen, und der Kläger die Möglichkeit, sein Geschäftsmodell vorzustellen.

Am 14./15.5.2019 kam es zu einem Email-Verkehr zwischen dem Kläger und Herrn B. (Anlage K 4). Am 3.6.2019 kam es zum Austausch von Emails zwischen dem Kläger und dem Geschäftsführer K. (Anlagen K 5, K 6). Am 4.2.2020 richtete Herr B., der seit 1.11.2019 in Teilzeit und seit 1.2.2020 in Vollzeit als Geschäftsführer für die Beklagte tätig war, das Schreiben gemäß Anlage K 9 an den Kläger. Hinsichtlich des Inhalts des vorgenannten Schriftverkehrs wird auf die zitierten Anlagen Bezug genommen.

Der Kläger ist der Meinung, aufgrund der Anstellung des Herrn B. als Geschäftsführer der Beklagten ein Maklerhonorar in Höhe von vier Brutto-Monatsgehältern des Herrn B. verdient zu haben. Die Beklagte bestreitet den Abschluss eines Maklervertrages und hält im übrigen die Tätigkeit eines Rechtsanwalts als Makler für verbots- und standeswidrig (§§ 134, 138 BGB).

Der Kläger hat beantragt,

1. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger Auskunft über die Höhe der monatlichen Bruttobezüge inklusive aller Nebenleistungen wie Dienstwagen, Tantieme etc., die ihr Geschäftsführer Herr H. B., am 01.02.2020 erhielt, zu erteilen.

2. Die Beklagte wird erforderlichenfalls verurteilt, durch ihren Geschäftsführer die Richtigkeit und Vollständigkeit der nach Ziff. 1 zu erteilende Auskünfte eidesstattlich zu versichern.

3. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger eine Courtage aus der Vermittlung eines Geschäftsführeranstellungsverhältnisses in Höhe von 4 Brutto-Monatsgehältern, deren Höhe sich aus der erfolgten Auskunft nach Ziff. [ergibt,] nebst 19% Umsatzsteuer sowie Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 19. September 2020 hieraus zu bezahlen.

4. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe einer 1,3 Geschäftsgebühr nach Ziff. 2300 VV RVG aus dem Gegenstandswert, der sich nach erteilter Auskunft in Höhe der aus Ziff. 3 der Klageanträge ergibt, nebst einer Gebühr nach Ziff. 7002 VV RVG sowie 19% MWSt. nebst Zinsen aus der Gesamtsumme in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 19. September 2020 hieraus zu bezahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angegriffenen Urteils wird Bezug genommen. Mit seiner zulässigen, insbesondere form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung verfolgt der Kläger sein erstinstanzliches Begehren weiter.

Der Kläger beantragt,

1. Das Urteil des Landgerichts München [I] vom 03.08.2021, Az. 31 O 3460/21) wird aufgehoben.

2. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger Auskunft über die Höhe der monatlichen Bruttobezüge inklusive aller Nebenleistungen wie Dienstwagen, Tantieme etc., die ihr Geschäftsführer, Herr H. B. seit dem 01.02.2020 erhielt, zu erteilen.

3. Die Beklagte wird erforderlichenfalls verurteilt, durch ihren Geschäftsführer die Richtigkeit und Vollständigkeit der nach Ziff. 2 zu erteilenden Auskünfte eidesstattlich zu versichern.

4. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger eine Courtage aus der Vermittlung eines Geschäftsführeranstellungsverhältnisses in Höhe von 4 Brutto-Monatsgehältern, deren Höhe sich aus der erfolgten Auskunft nach Ziff. 2 [ergibt,] nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 19. September 2020 hieraus zu bezahlen.

5. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe einer 1,3 Geschäftsgebühr nach Ziff. 2300 VV RVG aus dem Gegenstandswert, der sich nach erteilter Auskunft in Höhe der aus Ziff. 4 der Klageanträge ergibt, nebst einer Gebühr nach Ziff. 7002 VV RVG sowie 19% MWSt. nebst Zinsen aus der Gesamtsumme in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 19. September 2020 hieraus zu bezahlen.

Hilfsweise beantragt der Kläger,

das angefochtene Urteil aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen.

Die Beklagte beantragt

die Zurückweisung der Berufung.

Der Senat hat den Kläger im Termin vom 30.11.2022 persönlich angehört. Hinsichtlich der Angaben des Klägers bei seiner Anhörung wird auf die Sitzungsniederschrift (Bl. 152/156 der Akten) Bezug genommen.

B.

Die Berufung erweist sich als unbegründet. Der Senat teilt im Ergebnis die Einschätzung des Landgerichts, dass (schon nach dem Vortrag des Klägers) ein Maklervertrag zwischen den Parteien nicht zustande kam, so dass weder ein Anspruch auf Maklerlohn (einschließlich der vorbereitenden Ansprüche im Rahmen der Stufenklage) noch ein Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Kosten bestehen.

14

I. Vor dem Gespräch zwischen den Parteien (die Beklagte dabei in der Person ihres damaligen Geschäftsführers K.) in Anwesenheit der Herren M. und B. am 6.3. 2019 ist ein Maklervertrag zwischen den Parteien nicht zustande gekommen.

15

Vor dem genannten Termin sind Organe der Beklagten gegenüber dem Kläger nicht in Erscheinung getreten, die Kontakte liefen vielmehr über den benannten Zeugen M. Dieser war unstreitig als freiberuflicher Berater für die Beklagte tätig. Der Kläger behauptet nicht, dass Herr M., der damit weder Organ noch Arbeitnehmer der Beklagten war, von der Beklagten für den Abschluss von Maklerverträgen bevollmächtigt war. Auch aus den Umständen ergibt sich der Anschein einer solchen Bevollmächtigung nicht; vielmehr erscheint eher fernliegend und darf vom Rechtsverkehr nicht ohne weiteres unterstellt werden, dass ein freiberuflicher Berater rechtsgeschäftlich für den Beratenen handeln kann. Damit scheidet ein Vertragsschluss vor dem 6.3.2019 aus.

16

II. Auch bei dem genannten Gespräch vom 6.3.2019 ist ein Maklervertrag zwischen den Parteien nicht zustande gekommen. Dies ergibt sich schon auf der Basis des schriftlichen Vortrages der Klagepartei und der Einlassung des Klägers zum Ablauf des Gesprächs bei seiner Anhörung durch den Senat, so dass eine Beweisaufnahme zu dem genannten Gespräch nicht erforderlich war.

17

1. Allein durch das Mitbringen des Herrn B. zu dem Gesprächstermin und der von der Beklagten dem Herrn B. eingeräumten Möglichkeit, sich als möglicher Geschäftsführer vorzustellen, ist ein konkludenter Maklervertrag zwischen den Parteien auch unter Berücksichtigung der Wertungen des § 653 Abs. 1 BGB nicht zustande gekommen. Denn unter den konkreten Umständen, wie sie der Beklagten zu Beginn des Gespräches bekannt waren, musste sie, als sie Herrn B. gestattete, sich vorzustellen (sich also den Nachweis der Abschlussgelegenheit mit diesem gefallen ließ), nicht davon ausgehen, dass der Kläger die Nachweisleistung (Präsentierung des Herrn B. als potentiellen Geschäftsführer) nur gegen Vergütung erbringen wollte.

18

Der Kläger hat bei seiner persönlichen Anhörung geschildert, dass es im Vorfeld der Besprechung zum Abschluss einer Geheimhaltungsvereinbarung mit Herrn M., bezogen auf eine mögliche Zusammenarbeit mit der Beklagten, gekommen sei; ferner habe er Herrn M. einen Lebenslauf des Herrn B. übermittelt. Auf dieser Basis konnte die Beklagte, sofern Herr M. diese Unterlagen an sie weitergeleitet hat, vor Beginn des Gespräches nur wissen, dass der Kläger im Hinblick auf eine von ihm erwogene Tätigkeit als Unternehmensberater vorsprechen würde und dass bei dem Gespräch auch ein möglicher Geschäftsführer präsentiert werden sollte. Ein innerer Zusammenhang zwischen der beabsichtigten Tätigkeit als Unternehmensberater, die naturgemäß nur gegen Vergütung zu erwarten war, und der Vorstellung eines Geschäftsführers war aus diesen Befunden nicht ersichtlich. Auf dieser Basis hatte die Beklagte keine sicheren Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger gewerbsmäßig im Bereich der Personalvermittlung tätig werden wollte, was dafür gesprochen hätte, dass er eine Vergütung für die Präsentation des Herrn B. erwartete. Damit kann – aus der maßgeblichen Sicht der Beklagten – nicht festgestellt werden, dass die Präsentation des Herrn B. nur gegen Vergütung zu erwarten war.

19

Auf § 354 HGB kann sich der Kläger ohnehin nicht berufen, da er kein Handelsgewerbe betreibt. Soweit er als Rechtsanwalt tätig ist, übt er einen freien Beruf und kein Gewerbe aus. Soweit er als Unternehmensberater tätig ist, ist nicht ersichtlich (und auch fernliegend), dass er hierfür einer kaufmännischen Einrichtung im Sinne von § 1 Abs. 2 HGB bedarf.

20

2. Auch im weiteren Verlauf des Gespräches lassen sich zwei übereinstimmende, auf den Abschluss eines Maklervertrags gerichtete Willenserklärungen der Parteien schon nach dem Vortrag des Klägers nicht feststellen. Zwar ist der Berufung darin zuzustimmen, dass ein Maklervertrag über die Vergütung der Nachweisleistung auch nach Erbringung der Nachweisleistung (hier: Vorstellung des Biedermann) geschlossen werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 3.7.2014 – III ZR 530/13, Rz. 14). Erforderlich hierfür sind aber wie bei jedem Vertragsschluss zwei diesbezüglich übereinstimmende Willenserklärungen der Vertragsparteien. Solche lassen sich dem Vortrag des Klägers nicht entnehmen.

21

a) Ein Angebot zum Abschluss eines Maklervertrages könnte allenfalls in der vom Kläger geschilderten, im Laufe des Gespräches gefallenen Äußerung gesehen werden, dass seine Tätigkeit, und zwar alles, was er mache, durch Provision zu vergüten sei. Nach Auffassung des Senats ergibt die Auslegung dieser Erklärung aber, dass sie nicht auf Abschluss eines Maklervertrages gerichtet war.

22

Nach allgemeinen Grundsätzen ist eine Willenserklärung so auszulegen, wie sie der Erklärungsempfänger nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte verstehen durfte (Lehre vom objektiven Empfängerhorizont). Maßgeblich ist also der Verständnishorizont der Beklagten, wie er sich aus dem Gesamtkontext der vorangegangenen Besprechung ergab bzw. ergeben durfte.

23

Dazu hat der Kläger bei seiner Anhörung geschildert, dass zunächst Herr B. die Gelegenheit erhalten habe, sich vorzustellen, was etwa eine halbe Stunde gedauert habe. Im Anschluss daran habe der Kläger sein Geschäftsmodell vorgestellt; dabei habe er darauf hingewiesen, dass alle seine Tätigkeiten provisionspflichtig seien. Angesichts dieses Gesprächsverlaufs liegt aus der Sicht der Beklagten (Empfängerhorizont) ein Verständnis dieser Erklärung dahin nahe, dass sie sich auf den zweiten Abschnitt der Besprechung, also die beabsichtigte Tätigkeit als Unternehmensberater und nicht (auch) auf den vorangegangenen Gesprächsabschnitt, also die Präsentation des Herrn B. bezog. Dafür, dass die Beklagte diese Sichtweise haben durfte, spricht auch, dass der Kläger bei seiner Anhörung ehrlicherweise einräumte, im Verlauf des Gesprächs nicht ausdrücklich auch eine Provision für die Vermittlung des Herrn B. verlangt zu haben. Damit liegt schon kein Angebot zum Abschluss eines Maklervertrages betreffend die Geschäftsführertätigkeit des Herrn B. vor.

24

b) Selbst wenn man dies anders sähe, hätte die Beklagte ein solches Angebot nicht angenommen. Bloßem Schweigen der Beklagten auf das (unterstellte) Angebot käme kein Erklärungswert zu. In der (bestrittenen) Äußerung des Geschäftsführers K., der Kläger möge einen Vertragsentwurf vorlegen, läge jedenfalls keine Annahme des (unterstellten) Angebots (so dass eine Beweisaufnahme hierzu nicht erforderlich war).

25

Zwar hat der Senat erhebliche Zweifel an der Auffassung des Landgerichts, dass auf der Basis dieser Äußerung ein konkludentes Schriftformerfordernis zwischen den Parteien vereinbart wurde. Durch seine Bitte um einen Vertragsentwurf hat der Geschäftsführer K. (nach den Umständen namens der Beklagten) aber eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass er die Beklagte derzeit gerade noch nicht rechtsgeschäftlich binden, sondern auf der Basis des zu erstellenden Vertragsentwurfs weiter verhandeln wollte. Der Kläger durfte daher die genannte Äußerung nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte nicht als Annahme eines vorherigen Angebots verstehen. Vielmehr handelt es sich eindeutig um eine bloße invitatio ad offerendum.

26

III. Schließlich ist auch im Nachgang des genannten Gesprächs vom 6.3.2019 ein Maklervertrag zwischen den Parteien (der abstrakt noch möglich gewesen wäre, vgl. oben II.2. am Anfang) nicht zustande gekommen.

27

1. Die aus Anlage K 4 ersichtliche Email-Korrespondenz zwischen dem Kläger und Herrn B. von 14./15.5.2019 ist für die Frage eines Vertragsschlusses zwischen den Parteien unerheblich. Denn im Mai 2019 war Herr B. noch nicht als Geschäftsführer für die Beklagte bestellt und konnte daher keine wirksamen Willenserklärungen in ihrem Namen abgeben.

28

2. Durch die Email-Korrespondenz zwischen dem Kläger und dem damaligen Geschäftsführer K. der Beklagten vom 3.6.2019 (Anlagen K 5, K 6) kam ein Maklervertrag zwischen den Parteien nicht zustande. Zwar kann die Mail des Klägers gemäß Anlage K 5, wonach er eine Courtage von vier Bruttomonatsgehältern für „den von mir vermittelten Herrn B. als GF“ fordert, auf der Basis der Tatsache, dass zuvor noch kein Maklervertrag zwischen den Parteien bestand, als Angebot auf nunmehrigen Abschluss eines solchen gewertet werden. Die Antwort des Geschäftsführers K. (Anlage K 6), wonach man einer Honorierung der Bemühungen, Herrn B. vorzustellen, nachkommen würde, die „vorbereitenden Vorstellungen“ des Klägers allerdings nicht zuträfen, durfte der Kläger nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte allerdings nicht als Annahme dieses (auf einen Vertrag zu vier Monatsgehältern gerichteten) Angebots verstehen. Vielmehr brachte der Geschäftsführer K. damit eindeutig zum Ausdruck, dass eine Vergütung in Höhe von vier Monatsgehältern nicht in Betracht komme. Damit hat er das konkrete Angebot des Klägers abgelehnt (§ 146 BGB). Folglich kam durch die geschilderten Erklärungen der Parteien nicht etwa ein Maklervertrag zu den üblichen Konditionen (§ 653 Abs. 2 BGB), sondern mangels zweier übereinstimmender Willenserklärungen kein Maklervertrag zustande.

29

3. Der Erklärung des Herrn B. gemäß Email vom 4.2.2020 (Anlage K 9) kann nach Auffassung des Senats schon nicht als rechtsgeschäftliches Angebot auf Abschluss eines Maklervertrages gewertet werden. Zwar war Herr B. zwischenzeitlich als Geschäftsführer der Beklagten bestellt worden und konnte damit Willenserklärungen wirksam für die Beklagte abgeben. Das Schreiben ist aber nach seinem ganzen Inhalt nicht auf einen konkreten Vertragsschluss gerichtet, sondern soll eine irgendwie geartete, aber nicht näher umrissene gütliche Einigung zwischen den Parteien fördern. Zwar wird die Bereitschaft der Beklagten, eine angemessene Provision zu bezahlen, wiederholt. Das ganze Schreiben steht aber unter dem Obersatz, dass damit versucht werden soll, „beim Thema Provisionsvermittlung … Transparenz zu schaffen“ (erster Absatz). Es wird betont, dass keine finale Vereinbarung und keine konkrete Absprache zur Provisionshöhe vorlägen (zweiter Absatz). Das Schreiben schließt mit der Bitte an den Kläger, seinen Kenntnisstand „zur Leistungsvereinbarung mitzuteilen“, und gibt der Hoffnung Ausdruck, hierbei eine gütliche Einigung zu erzielen (letzter Absatz).

30

Diesem Schreiben vermag der Senat daher weder ein konkretes Angebot auf Abschluss eines Maklervertrages zu den üblichen Konditionen noch gar das Anerkenntnis eines Anspruches aus einem bereits abgeschlossenen Maklervertrag zu den üblichen Konditionen zu entnehmen. Vielmehr durfte es der Kläger nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte nur dahin verstehen, dass der Geschäftsführer B. auf der Basis der erbetenen Mitteilung / Rückantwort des Klägers versuchen wollte, eine für alle Beteiligten annehmbare Lösung zu finden, ohne bereits jetzt eine verbindliche Zusage zu machen.

31

IV. Da somit ein Maklervertrag zwischen den Parteien nicht zustande gekommen ist, kommt es auf die von der Beklagten aufgeworfene (eher zu verneinende) Frage, ob ein solcher Vertrag wegen Verstoßes gegen anwaltliches Standesrecht nichtig wäre, nicht mehr an.

C.

32

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

33

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

34

Die Revision war nicht zuzulassen, da Zulassungsgründe (§ 543 Abs. 2 ZPO) nicht vorliegen. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Zu würdigen waren vielmehr die Umstände des Einzelfalles.

Löffler I www.K1.de I Gesellschaftsrecht I Gesellschafterversammlung I M&A I Unternehmenskauf I Erfurt I Thüringen I Sachsen I Sachsen-Anhalt I Hessen I Deutschland 2023

Schlagworte: Maklervertrag, Treu und Glauben

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OLG München, Urteil vom 01.02.2023 – 7 U 4346/21

Mittwoch, 1. Februar 2023

Einziehung Geschäftsanteil

GmbHG § 34

Eine Zwangseinziehung des GeschäftsanteilsBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Geschäftsanteils
Zwangseinziehung
Zwangseinziehung des Geschäftsanteils
scheidet aus, wenn die übrigen Gesellschafter durch längere Fortsetzung der Zusammenarbeit zu erkennen gegeben haben, dass sie dem Einziehungsgrund keine Bedeutung mehr beimessen.

Tenor

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Endurteil des Landgerichts München I vom 10.06.2021, Az. 8 HK O 7552/20, in seiner Ziffer 1 dahingehend abgeändert, dass die in der außerordentlichen Gesellschafterversammlung der Beklagten vom 20.05.2020 gefasste Beschlüsse zu TOP 1 über die Einziehung der Geschäftsanteile der Klägerin an der Beklagten mit den laufenden Nrn. … bis … aus wichtigem Grund gemäß § 11 Abs. 2 lit. d) der Satzung der Gesellschaft gegen Zahlung eines Verkehrswertes dieser Geschäftsanteile und zu TOP 3 über die verhältniswahrende nominelle Aufstockung der Geschäftsanteile der weiteren Gesellschafter für nichtig erklärt werden.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

3. Dieses Urteil ist ohne Sicherheitsleitung vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

Gründe

A.

1

Die Parteien streiten um die Gesellschafterstellung der Klägerin in der Beklagten.

2

Die Beklagte ist eine GmbH mit Sitz in …, die sich seit Mitte 2022 in Liquidation befindet. Ihr Geschäftsgegenstand war laut § 2 Abs. 2 ihres Gesellschaftsvertrages (Anl. K 3, im Folgenden mit GV abgekürzt) „die Tätigkeit einer verwaltenden Holding-Gesellschaft, insbesondere der Erwerb, das Halten und die Verwaltung von Beteiligungen an anderen Unternehmen, sowie die Durchführung sämtlicher Maßnahmen und Erledigung sämtlicher Geschäfte, die mittelbar oder unmittelbar dem vorgenannten Unternehmensgegenstand dienen oder diesen zu fördern geeignet und bestimmt sind mit Ausnahme solcher Tätigkeiten, die eine gesetzliche Genehmigung oder eine besondere Gewerbeerlaubnis erfordern.“

3

Das 25.000 € betragende Stammkapital der Beklagten ist in 25.000 Geschäftsanteile mit einem Nennbetrag von jeweils 1,00 € eingeteilt. Jedenfalls bis zum 20.05.2020 waren Inhaber der Geschäftsanteile Nrn … bis … Herr …, der Geschäftsanteile Nrn … bis … Herr … und der Geschäftsanteile Nrn … bis … die Klägerin.

4

Geschäftsführer der Beklagten ist Herr … .

5

Der Gesellschaftsvertrag lautet auszugsweise wie folgt:

㤠11

Einziehung von GeschäftsanteilenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Einziehung
Einziehung von Geschäftsanteilen

1. (…)

2. Die Einziehung des GeschäftsanteilsBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Einziehung
Einziehung des Geschäftsanteils
Geschäftsanteils
eines Gesellschafters ohne dessen Zustimmung ist zulässig, wenn:

a. von Seiten eines Gläubigers eines Gesellschafters Zwangsvollstreckungsmaßnahmen in dessen Geschäftsanteil vorgenommen werden und es dem Inhaber des Geschäftsanteils nicht binnen 3 Monaten seit Beginn dieser Maßnahme gelungen ist, ihre Aufhebung zu erreichen;

b. über das Vermögen des Gesellschafters das Insolvenzverfahren eröffnet wurde und nicht innerhalb von 24 Wochen wieder aufgehoben wird;

c. die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Gesellschafters mangels Masse abgelehnt wird;

d. in der Person des Gesellschafters ein seine Ausschließung rechtfertigender Grund vorliegt. Ein solcher Grund ist insbesondere gegeben, wenn der Gesellschafter eine Verpflichtung, die ihm nach dem Gesellschaftsvertrag oder einer anderen zwischen den Gesellschaftern mit Rücksicht auf die Gesellschaft getroffenen Vereinbarung obliegt, vorsätzlich oder grob fahrlässig verletzt hat.

(…)

6. Die Einziehung oder Abtretung von Geschäftsanteilen kann von der Gesellschafterversammlung nur mit einer Mehrheit von 3/4 der abgegebenen Stimmen beschlossen werden. Bei der Beschlussfassung steht dem betroffenen Gesellschafter kein Stimmrecht zu, seine Stimmen bleiben bei der Berechnung der Mehrheit außer Betracht.“

Alleingesellschafter der Klägerin ist Herr … .

6

Am 25.10.2018 fand eine außerordentliche Gesellschafterversammlung der Beklagten statt, auf deren Tagesordnung laut Anl. K 10 die Einziehung der Geschäftsanteile der Klägerin wegen eines gegen den Alleingesellschafter der Klägerin laufenden Ermittlungsverfahrens stand, in dessen Verlauf die gesamten Vermögenswerte des Herrn … arrestiert wurden. Eine Einziehung der Geschäftsanteile der Klägerin wurde in der außerordentlichen Gesellschafterversammlung vom 25.10.2018 nicht beschlossen.

7

Mit Bescheid vom 19.09.2019 (Anl. BK 5) untersagte die Stadt … Herrn … „(d) ie Ausübung der Gewerbetätigkeiten: Beratungsdienstleistungen, Unternehmensberatung, Beratungsdienstleistungen im In- und Ausland im Bereich der koordinierenden Unterstützung bei der Strukturierung von Produkten, Unternehmensberatung von fremden und gruppennahen Unternehmen sowie Beratung bei der regelmäßigen fachlichen und personellen Unterstützung von Preisberechnungen, administrative Dienstleistungen bei der Kundenbetreuung von fremden und gruppennahen Unternehmen sowie im Bereich der Koordination von Marketingmaßnahmen.“ Gleichzeitig wurde die Gewerbeuntersagung auf die Tätigkeit als Vertretungsberechtigter eines Gewerbetreibenden und als mit der Leistung eines Gewerbebetriebes beauftragte Person sowie auf alle Gewerbe erstreckt. Der Untersagungsbescheid vom 19.09.2019 wurde am 22.10.2019 bestandskräftig.

8

Am 14.01.2020 wurde die Eintragung des Herrn … als Geschäftsführer der Klägerin im Handelsregister von Amtswegen gelöscht (vgl. den Handelsregisterauszug).

9

Die Gesellschafter der Beklagten beabsichtigten bereits im Jahr 2020 deren Liquidation. Diese konnte jedoch im Jahr 2020 wegen eines ungelösten Steuerproblems bei der … Immobilien Holding GmbH, einer hundertprozentigen Tochtergesellschaft der Beklagten, noch nicht durchgeführt werden. Hinsichtlich dieses Steuerproblems war nämlich noch ein Verfahren beim BFH anhängig.

10

Mit Einladungsschreiben vom 08.05.2020 laut Anl. K 1, das an „… Capital Consulting GmbH vertreten durch den Gesellschafter Herrn …“ gerichtet war und am 11.05.2020 an die Geschäftsadresse der Klägerin zugestellt wurde, lud Herr … als Geschäftsführer der Beklagten zu einer außerordentlichen Gesellschafterversammlung am 20.05.2020 in den Räumlichkeiten der Beklagten ein. In der Einladung war (soweit für das Verfahren relevant) folgende Tagesordnung enthalten:

„TOP 1:

Beratung und Beschlussfassung über die Einziehung der Geschäftsanteile der … Capital Consulting GmbH (nachfolgend „… GmbH“) an der Gesellschaft mit den lfd. Nrn. … bis … aus wichtigem Grund gemäß § 11 Abs. 2 lit. d) der Satzung der Gesellschaft gegen Zahlung des Verkehrswertes dieser Geschäftsanteile.

(…)

TOP 3:

Beratung und Beschlussfassung über die verhältniswahrende nominelle Aufstockung des Geschäftsanteils des Gesellschafters … um EUR 9.205 auf EUR 20.455 und des Gesellschafters … um EUR 2.045 auf EUR 4.545.“

11

An der außerordentlichen Gesellschafterversammlung vom 20.05.2020 nahm ein Vertreter der Klägerin nicht teil. Von den beiden weiteren Gesellschaftern der Beklagten wurden die Beschlüsse zu TOP 1 und 3 einstimmig gefasst.

12

Mit Beschluss der Gesellschafterversammlung der Klägerin vom 12.08.2020 wurde Herr … zum Geschäftsführer der Klägerin bestellt und am 07.09.2020 in das Handelsregister eingetragen (Anl. K 4). Nach dem Tod des Herrn … wurde am 04.01.2023 Herr … als Geschäftsführer der Klägerin in das Handelsregister eingetragen.

13

Mit Schreiben vom 09.12.2020 (Anl. K 5) teilte der damalige Geschäftsführer der Klägerin, Herr …, mit, dass mit der Klageeinreichung Einverständnis bestehe und die Klageerhebung vorsorglich genehmigt werde.

14

Die Klägerin trug vor, dass sie von der Einladung zur Gesellschafterversammlung vom 20.05.2020 erst nach dem 20.05.2020 Kenntnis erlangt habe. Auf die schriftliche Bitte des Klägervertreters vom 10.06.2020 sowie auf dessen telefonische Nachfrage am 17.06.2020, ob am 20.05.2020 tatsächlich eine Gesellschafterversammlung stattgefunden habe und ob der Beschluss zu TOP 1 gefasst worden sei, habe die Beklagte nicht reagiert. Die Klägerin habe erst durch Einsicht in die Gesellschafterliste am 17.06.2020 festgestellt, dass die Beschlüsse zu TOP 1 und 3 wohl gefasst worden seien. Ein Beschlussprotokoll läge der Klägerin nicht vor. Auch sei ihr die Einziehung nicht bekanntgemacht worden.

15

Im Übrigen lägen die satzungsmäßigen Voraussetzungen für eine Einziehung der Geschäftsanteile der Klägerin gegen deren Willen nicht vor. Ein die Ausschließung rechtfertigender Grund in der Person der Klägerin bestehe nicht. Die Klägerin sei für die Beklagte weder untragbar noch läge in ihrem Verhalten ein wichtiger Grund vor. Dass die Klägerin derzeit (18.06.2020) keinen Geschäftsführer habe, stelle keinen Einziehungsgrund dar, da die Klägerin damit gegen keine Gesellschaftsrechte verstoße und auch bis heute keine wichtigen Beschlussfassungen blockiert habe. Das gegen den Alleingesellschafter der Klägerin geführte Ermittlungsverfahren stehe kurz vor der Einstellung. Im Übrigen seien bereits in der außerordentlichen Gesellschafterversammlung vom 25.10.2018 das Ermittlungsverfahren und die in dessen Verlauf erfolgte Arrestierung des Vermögens des Herrn … erörtert worden. Die schon damals beabsichtigte Einziehung sei aber gerade nicht beschlossen worden (was unstreitig ist), sodass das Ermittlungsverfahren und die Arrestierung nunmehr nicht mehr erneut als Grund für eine Einziehung der Geschäftsanteile der Klägerin herangezogen werden könnten.

16

Ein wichtiger Grund für die Einziehung sei auch schon deswegen ausgeschlossen, da die verbleibenden Gesellschafter selbst ein gesellschaftswidriges Verhalten an den Tag gelegt hätten. Denn der Klägervertreter habe bereits im August 2019 gegenüber dem Geschäftsführer und Gesellschafter der Beklagten, Herrn …, Auskunfts- und Einsichtsrechte gemäß § 51a GmbHG geltend gemacht. Hierauf habe die Beklagte zwar eine Stellungnahme bis November 2019 zugesagt. Weiter sei aber nichts passiert.

17

Es sei zu bestreiten, dass die an die Klägerin zu zahlende Abfindung aus ungebundenem Vermögen der Beklagten geleistet werden könne. Die zu erwartende hohe Abfindungszahlung würde zu einer Unterbilanz der Beklagten führen.

18

Die Klageschrift, in der eine Streitwertangabe enthalten war, ging am 18.06.2020 beim Landgericht München I ein. Mit Verfügung vom 22.06.2020 (Bl. 11 d.A.), der Klägerin zugestellt am 29.06.2020 (Bl. zu 11 d.A.), wurde der Klägerin vom Landgericht zum Zwecke der Streitwertfestsetzung aufgegeben, innerhalb von zwei Wochen zum Wert der streitgegenständlichen Geschäftsanteile vorzutragen. Nach antragsgemäßer Verlängerung der Stellungnahmefrist um zwei Wochen trug der Klägervertreter mit Schriftsatz vom 27.07.2020 (Bl. 14 d.A.), eingegangen beim Landgericht am selben Tag, zum Wert der Anteile vor, woraufhin das Landgericht mit Beschluss vom 28.07.2020 (Bl. 15/16 d.A.) den Streitwert festsetzte und die Landesjustizkasse Bamberg mit Schreiben vom 29.07.2020, das beim Klägervertreter am 05.08.2020 einging (vgl. Anl. K 8), den Kostenvorschuss bei der Klägerin anforderte. Der Kostenvorschuss ging am 07.08.2020 auf dem Konto der Landesjustizkasse ein. Da eine Mitteilung der Landesjustizkasse über den Zahlungseingang zunächst nicht einging, wurde die Klage der Beklagten erst am 06.10.2020 zugestellt.

19

Die Klägerin kündigte in der Klageschrift an, den folgenden Antrag stellen zu wollen:

20

Es wird festgestellt, dass die in der außerordentlichen Gesellschafterversammlung der Beklagten vom 20. Mai 2020 gefassten Beschlüsse, mit welchen zu TOP 1 die Geschäftsanteile der Klägerin an der Beklagten mit den laufenden Nrn. … bis … aus wichtigem Grund gemäß § 11 Abs. 2 lit. d) der Satzung der Gesellschaft gegen Zahlung eines Verkehrswertes dieser Geschäftsanteile eingezogen worden sind und zu TOP 3 nach beschlossener Einziehung die verhältniswahrende nominelle Aufstockung der Geschäftsanteile der weiteren Gesellschafter beschlossen wurde, nichtig sind.

Alternativ:

21

Die in der außerordentlichen Gesellschafterversammlung der Beklagten vom 20. Mai 2020 gefassten Beschlüsse, mit welchen zu TOP 1 die Geschäftsanteile der Klägerin an der Beklagten mit den laufenden Nrn. … bis … aus wichtigem Grund gemäß § 11 Abs. 2 lit. d) der Satzung der Gesellschaft gegen Zahlung eines Verkehrswertes dieser Geschäftsanteile eingezogen worden sind und mit Beschluss zu TOP 3 nach beschlossener Einziehung die verhältniswahrende nominelle Aufstockung der Geschäftsanteile der weiteren Gesellschafter beschlossen wurde, werden für nichtig erklärt.

22

Die Beklagte kündigte mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 16.10.2020 an, den folgenden Antrag stellen zu wollen:

23

Die Klage wird abgewiesen.

24

Die Beklagte erwiderte, dass die Klage unzulässig sei, da die Klägerin zum Zeitpunkt der Klageerhebung in Ermangelung eines Geschäftsführers nicht prozessfähig gewesen sei.

25

Die Anfechtungsklage sei auch nicht innerhalb eines Monats nach BeschlussfassungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Beschlussfassung
nach Beschlussfassung
erhoben worden (§ 246 AktG). Das Protokoll der Gesellschafterversammlung vom 20.05.2020 einschließlich des Beschlusses der Gesellschafterversammlung sei der Klägerin am 23.05.2020 per Einwurf-Einschreiben zugestellt worden.

26

Ausschließungsgrund sei die Unzuverlässigkeit des Alleingesellschafters der Klägerin gewesen, dem sämtliche Gewerbetätigkeiten untersagt worden seien. Die Beklagte müsse auch bis zur Vornahme der Liquidation handlungsfähig bleiben. Eine Auszahlung des Abfindungsguthabens an die Klägerin sei zum Zeitpunkt der Beschlussfassung selbstverständlich möglich gewesen.

27

Der diesbezügliche Vortag der Klägerin sei unsubstanziiert.

28

Das Landgericht München I hat am 05.05.2021 mündlich verhandelt. In der mündlichen Verhandlung wurde der Geschäftsführer der Beklagten informatorisch angehört. Die Stellung von Anträgen in der mündlichen Verhandlung unterblieb versehentlich.

29

Mit Endurteil vom 10.06.2021, Az. 8 HK O 7552/20, wies das Landgericht München I die Klage ab. Zur Begründung seiner Entscheidung führte es aus, dass die Klage wirksam erhoben sei, da der nunmehrige Geschäftsführer der Klägerin die Klageerhebung rückwirkend genehmigt habe (LGU S. 6).

30

Die Klägerin sei infolge der zwischenzeitlichen Bestellung eines Geschäftsführers auch prozessfähig. Der bislang bestehende Vollmachtsmangel sei durch die Genehmigung der Prozessführung durch den nunmehrigen Geschäftsführer nach § 89 ZPO geheilt worden (LGU S. 6 letzter Absatz und S. 7 erster Absatz).

31

Die angefochtenen Beschlüsse seien weder nichtig noch anfechtbar.

32

Eine Nichtigkeit sei nicht ersichtlich. Es liege kein Einberufungsmangel vor, da die Einladungsfrist nach § 9 Ziffer 4 GV eingehalten sei. Dass der Geschäftsführer der Klägerin keine Kenntnis von der Einladung gehabt habe, stelle keinen Einberufungsmangel dar (LGU S. 7 dritter Absatz). Ob die Beklagte zum Zeitpunkt der Fassung des Einziehungsbeschlusses über genügend freies Kapital verfügt habe, um das Abfindungsguthaben der Klägerin auszuzahlen, sei unerheblich, da dies nach der neueren Rechtsprechung, derzufolge die anderen Gesellschafter, die die Einziehung herbeigeführt hätten, anteilig für die Abfindung haften würden, keine Rolle mehr spiele. Im Übrigen habe die insoweit darlegungs- und beweispflichtige Klägerin nicht ausreichend vorgetragen.

33

Die Beschlüsse seien aber auch nicht für nichtig zu erklären. Die Anfechtungsfrist dürfte gewahrt sein, da die Klageeinreichung innerhalb eines Monats ab Beschlussfassung erfolgt sei. Die Zustellung der Klage sei eine alsbaldige iSd. § 167 ZPO gewesen, da die Verzögerung der Zustellung dadurch bedingt gewesen sei, dass die Landesjustizkasse die Einzahlung des Kostenvorschusses durch die Klägerin verspätet an das Landgericht mitgeteilt habe (LGU S. 8 oben).

34

Letztendlich könne dies aber dahinstehen, da jedenfalls ein wichtiger Grund für die Einziehung vorgelegen habe. Zwar könne das gegen den Alleingesellschafter der Klägerin gerichtete Ermittlungsverfahren nicht als Einziehungsgrund herangezogen werden, da das Ermittlungsverfahren bereits auf der Tagesordnung der außerordentlichen Gesellschafterversammlung 2018 gestanden habe und damals eine Einziehung von den Gesellschaftern nicht beschlossen worden sei. Dass sich zwischenzeitlich in diesem Ermittlungsverfahren neue, alles verändernde Umstände ergeben hätten, habe die Beklagte nicht substanziiert dargetan (LGU S. 8 letzter Absatz).

35

Ein wichtiger Grund für eine Einziehung sei aber in der Gewerbeuntersagung zu erblicken, da dadurch das Vertrauen in die Klägerin weiter beschädigt worden sei (LGU S. 9 zweiter Absatz). Erschwerend komme hinzu, dass die Klägerin infolge der Gewerbeuntersagung ihr Vertretungsorgan verloren habe und wegen unterlassener Neubestellung eines Geschäftsführers bis zur Zeit der Beschlussfassung führungslos gewesen sei. Da ein führungsloser Gesellschafter handlungsunfähig sei, sei die Zusammenarbeit mit ihm unzumutbar (LGU S. 9 dritter Absatz). Schließlich habe es die Klägerin nicht einmal für notwendig erachtet, ihre Mitgesellschafter vom Verlust ihres Vertretungsorgans zu informieren (LGU S. 9 vierter Absatz).

36

Selbst unter Berücksichtigung, dass die Liquidation der Beklagten beabsichtigt sei, müsse jedenfalls bis dahin die weitere Handlungsfähigkeit der Beklagten sichergestellt sein, weshalb auch bei einer Gesamtabwägung von einer Unzumutbarkeit eines weiteren Verbleibs der Klägerin in der Beklagten auszugehen sei (LGU S. 9 vorletzter Absatz).

37

Schließlich stünden auch die von der Klägerin erhobenen Vorwürfe gesellschaftswidrigen Verhaltens der Gesellschafter einer Einziehung nicht entgegen, da sich diese lediglich auf die Tätigkeit des Geschäftsführers der Beklagten bezögen und auch nur von untergeordneter Bedeutung seien (LGU S. 10 erster Absatz).

38

Im Übrigen wird gemäß § 540 Abs. 1 ZPO auf den Tatbestand und die Entscheidungsgründe des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen.

39

Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin unter Wiederholung und Vertiefung ihres bisherigen Vortrags nur ihren erstinstanzlichen „Alternativ“antrag und diesen nur insoweit weiter, als das Landgericht einen Grund für die Einziehung der klägerischen Geschäftsanteile an der Beklagten bejaht hat. Die Verneinung eines Einladungsmangels sowie die Annahme hinreichenden freien Kapitals bei der Beklagten zur Zahlung einer Abfindung und die damit einhergehende Abweisung ihres Feststellungsantrags, die Beschlüsse zu TOP 1 und 3 vom 20.05.2020 seien nichtig, nimmt die Klägerin dagegen hin.

40

Die Klägerin rügt daher nur noch, dass das Landgericht bei der Beurteilung, ob ein Einziehungsgrund vorliege, nicht berücksichtigt habe, dass die Gewerbeuntersagung auf der Nichtbegleichung von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen durch Herrn … beruhe, diese wiederum aber auf die Arrestierung des Vermögens des Herrn … zurückzuführen sei. Nicht berücksichtigt habe das Landgericht auch, dass nach der Einlassung des Geschäftsführers der Beklagten nicht die Gewerbeuntersagung, sondern vielmehr das Bestreben, die beabsichtigte Liquidation der Beklagten in Ruhe abwickeln zu können, Grund für die Einziehung gewesen sei. Die Beklagte habe auch nicht darlegen könne, warum die Beklagte nicht handlungsfähig sei, wenn die Klägerin weiterhin Gesellschafterin bleibe. Ferner habe die Beklagte nichts zu den nachteiligen Folgen des Ermittlungsverfahrens vorgetragen. Nachdem die Beklagte lediglich noch in Ruhe abgewickelt werden solle, könne auch die Gefahr eines weiteren Reputationsverlustes durch die Gewerbeuntersagung nicht als Einziehungsgrund herangezogen werden. Schließlich gebe es keine Forderungen von Behörden, insbesondere der BAFIN, die Gesellschafterstellung der Klägerin zu beenden. Übergangen habe das Landgericht (auch) den Vortrag der Klägerin zu den Pflichtverletzungen der übrigen Gesellschafter.

41

Das Landgericht habe auch nicht Beweis erhoben zur Behauptung der Klägerin, zum Zeitpunkt der Beschlussfassung habe das Ermittlungsverfahren gegen Herrn … kurz vor der Einstellung gestanden.

42

Die Klägerin beantragt daher, unter Abänderung des am 10. Juni 2021 verkündeten Urteils des Landgerichts München I, Az. 8 HKO 7552/20 die in der außerordentlichen Gesellschafterversammlung der Beklagten vom 20. Mai 2020 gefassten Beschlüsse, wonach zu TOP 1 die Geschäftsanteile der Klägerin an der Beklagten mit den laufenden Nrn. … bis … aus wichtigem Grund gemäß § 11 Abs. 2 lit. d) der Satzung der Gesellschaft gegen Zahlung eines Verkehrswertes dieser Geschäftsanteile eingezogen worden sind und mit Beschluss zu TOP 3 nach beschlossener Einziehung die verhältniswahrende nominelle Aufstockung der Geschäftsanteile der weiteren Gesellschafter beschlossen wurde, für nichtig zu erklären.

43

Hilfsweise beantragt die Klägerin:

44

Das Urteil des Landgerichts München I, Az. 8 HKO 7552/20 wird aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht München I zurückverwiesen.

45

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen und die Klage abzuweisen.

46

Die Beklagte verteidigt das landgerichtliche Urteil.

47

Der Senat hat am 01.02.2023 mündlich verhandelt. Auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung, die zwischen den Prozessbevollmächtigten gewechselten Schriftsätze und den übrigen Akteninhalt wird Bezug genommen.

B.

48

Die zulässige Berufung der Klägerin ist begründet, da das Landgericht zwar zutreffend von einer Zulässigkeit der Beschlussmängelklage ausging (I.), aber zu Unrecht annahm, es lägen hinreichende Gründe für eine Einziehung der Geschäftsanteile der Klägerin an der Beklagten vor (II.).

49

Dass in der ersten Instanz von den Parteien (versehentlich) keine Anträge gestellt wurden, hindert den Senat nicht an einer Entscheidung. Denn dadurch, dass die Klägerin nunmehr in der Berufung die Nichtigerklärung der Beschlüsse beantragt, liegt eine auch in der zweiten Instanz mögliche Klageänderung bzw. -erweiterung vor.

I.

50

Die Klage ist zulässig.

51

Zwar wurde die Klägerin mit Bestandskraft der gegen ihren damaligen Alleingeschäftsführer Herrn … gerichteten Gewerbeuntersagung vom 19.09.2019 laut Anl. BK 5 am 22.10.2019 führungslos iSd. § 35 Abs. 1 S. 2 GmbHG, da in der Person des damaligen Geschäftsführers … ein Ausschlusstatbestand nach § 6 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 GmbHG vorlag. Infolge dieser Führungslosigkeit war die Klägerin bis zur Bestellung des Herrn … als neuem Geschäftsführer am 12.08.2020 nicht prozessfähig. Da der neue Geschäftsführer aber mit Schreiben vom 09.12.2020 laut Anl. K 5 die Klageeinreichung genehmigte, wurde die Klage wirksam erhoben.

II.

52

Die Klage ist auch begründet.

53

1. Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass die Klage rechtzeitig erhoben wurde und nicht schon deshalb unbegründet ist.

54

In der Satzung der Beklagten ist eine Frist, binnen derer Beschlüsse der Gesellschafterversammlung anzufechten sind, nicht enthalten, sodass die Klage innerhalb einer angemessenen Frist zu erheben ist. Da die Klage binnen eines Monats erhoben wurde und eine kürzere Anfechtungsfrist als die in § 246 Abs. 1 AktG statuierte jedenfalls nicht in Betracht kommt, kann dahinstehen, wie lange eine angemessene Anfechtungsfrist ist.

55

Zwischen der Fassung der angefochtenen Beschlüsse am 20.05.2020 und der Klageeinreichung am 18.06.2020 lag weniger als ein Monat. Zwar wurde die Klage der Beklagten erst am 06.10.2020 zugestellt, jedoch war dies immer noch „demnächst“ iSd. § 167 ZPO, sodass die Zustellung auf den Zeitpunkt der Einreichung zurückwirkte.

56

Eine Zustellung „demnächst“ nach Eingang des Antrags oder der Erklärung bedeutet eine Zustellung innerhalb einer nach den Umständen angemessenen, selbst längeren Frist, wenn die Partei oder ihr Prozessbevollmächtigter unter Berücksichtigung der Gesamtsituation alles Zumutbare für die alsbaldige Zustellung getan hat. Die Zustellung ist dagegen nicht mehr „demnächst“ erfolgt, wenn die Partei, der die Fristwahrung obliegt, oder ihr Prozessbevollmächtigter durch nachlässiges – auch leicht fahrlässiges – Verhalten zu einer nicht bloß geringfügigen Zustellungsverzögerung beigetragen hat. Hat der Veranlasser die Zustellung nicht vorwerfbar verzögert oder fällt ihm nur eine geringfügige Verzögerung zur Last, überwiegen regelmäßig seine interessen gegenüber den Belangen des Zustellungsadressaten. Bei der Bemessung einer Verzögerung ist auf die Zeitspanne abzustellen, um die sich der ohnehin erforderliche Zeitraum für die Zustellung der Klage als Folge der Nachlässigkeit des Klägers verzögert. Dem Zustellungsveranlasser zuzurechnende Verzögerungen von bis zu 14 Tagen gelten regelmäßig als geringfügig und sind deshalb hinzunehmen (BGH, Urteil vom 10.12.2019 – II ZR 281/18, Rdnr. 8).

57

Nachdem ein Kläger den Gerichtskostenvorschuss nicht von sich aus mit der Klage einzureichen braucht, sondern vielmehr die Anforderung des Gerichts abwarten kann, und die Klägerin überdies in ihre Klageschrift auch bereits eine Streitwertangabe aufgenommen hatte (was im Rahmen des § 167 ZPO nach § 253 Abs. 3 Nr. 2 ZPO noch nicht einmal erforderlich gewesen wäre), stellt die Ausnutzung der ihr mit Verfügung vom 22.06.2020 vom Landgericht gesetzten Frist von zwei Wochen ab Zustellung der Verfügung, weitere Ausführungen zum Streitwert zu machen, keine der Klägerin zuzurechnende Verzögerung der Zustellung dar. Es kann insoweit auch dahinstehen, ob die mit Schriftsatz des Klägervertreters vom 13.07.2020 (Bl. 12/13 d.A.), eingegangen beim Landgericht per beA am selben Tag, beantragte und vom Landgericht gewährte Fristverlängerung um zwei Wochen eine der Klägerin zuzurechnende Verzögerung bewirkt hat. Denn selbst wenn man diesbezüglich von einer der Klägerin zuzurechnenden Verzögerung ausgehen sollte, hätte diese jedenfalls nur vierzehn Tage und damit nicht mehr als vierzehn Tage betragen und wäre deshalb für eine Rückwirkung nach § 167 ZPO noch unschädlich gewesen. Eine weitere Verzögerung ist der Klägerin nämlich nicht mehr zuzurechnen, da der Kostenvorschuss am 07.08.2020 auf dem Konto der Landesjustizkasse eingegangen war, nachdem das Landgericht den Streitwert mit Beschluss vom 28.07.2020 festgesetzt und die Landesjustizkasse den Vorschuss mit Schreiben vom 29.07.2020, das beim Klägervertreter am 05.08.2020 eingegangen war, angefordert hatte. Die nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs BGH (vgl. Urteil vom 10.12.2019 – II ZR 281/18, Rdnrn 10 und 11) einem Kläger zuzubilligenden Handlungszeiträume sind damit ohne weiteres eingehalten. Dass sich nach Einzahlung des Vorschusses durch die Klägerin am 07.08.2020 die Zustellung der Klage noch bis 06.10.2020 hinzog, ist nicht der Klägerin zuzurechnen, sondern allein darauf zurückzuführen, dass die Landesjustizkasse dem Landgericht den Zahlungseingang verspätet meldete. Mangels einer der Klägerin zuzurechnenden Verzögerung der Zustellung um mehr als vierzehn Tage, ist deshalb für die Rückwirkung nach § 167 ZPO ohne Bedeutung, dass zwischen der Beschlussfassung am 20.05.2020 und der Zustellung am 06.10.2020 insgesamt mehr als viereinhalb Monate lagen.

58

2. Entgegen der Ansicht des Landgerichts liegt ein Einziehungsgrund iSd. § 11 Abs. 2 GV nicht vor, sodass der Beschluss der Gesellschafterversammlung der Beklagten vom 20.05.2020 zu TOP 1 anfechtbar ist.

59

Nachdem in die Geschäftsanteile der Klägerin an der Beklagten unstreitig keine Zwangsvollstreckung erfolgte (§ 11 Abs. 2 lit a GV), kommt von den in § 11 Abs. 2 GV aufgeführten Einziehungstatbeständen allein § 11 Abs. 2 lit d S. 1 GV in Betracht, wonach für eine Einziehung ein „in der Person des Gesellschafters ein seine Ausschließung rechtfertigender Grund“ vorliegen muss. § 11 Abs. 2 lit d S. 2 GV nennt als Beispiel für einen solchen Grund (“insbesondere“) die vorsätzliche oder grob fahrlässige Verletzung einer Verpflichtung, die dem Gesellschafter, dessen Geschäftsanteil eingezogen werden soll, nach dem Gesellschaftsvertrag oder einer anderen zwischen den Gesellschaftern mit Rücksicht auf die Gesellschaft getroffenen Vereinbarung obliegt.

60

Nach der Rechtsprechung des BGH ist die Ausschließung eines Gesellschafters, auf die § 11 Abs. 2 lit d S. 1 GV Bezug nimmt, nur zulässig, wenn ein wichtiger Grund vorliegt, was wiederum dann der Fall ist, wenn ein Verbleiben des Gesellschafters in der Gesellschaft die gedeihliche Fortführung des Unternehmens in Frage stellen würde oder wenn aus sonstigen Gründen die Fortsetzung des Gesellschaftsverhältnisses mit ihm für die übrigen Gesellschafter unzumutbar ist (vgl. die Nachweise aus der höchstrichterlichen Rechtsprechung bei Strohn in Münchener Kommentar zum gmbhg, 4. Auflage, München 2022, Rdnr. 134 zu § 34 GmbHG).

61

Ein solcher wichtiger Grund liegt jedoch nicht vor.

62

a. Das gegen den Alleingesellschafter und Geschäftsführer zum Zeitpunkt der Beschlussfassung noch laufende Ermittlungsverfahren sowie die Arrestierung aller seiner Vermögenswerte einschließlich seiner Anteile an der Klägerin im Zuge dieses Ermittlungsverfahrens können einen Einziehungsgrund nicht (mehr) begründen. Zwar gilt für die Zwangseinziehung § 626 Abs. 2 BGB nicht analog; sie scheidet aber aus, wenn die übrigen Gesellschafter durch längere Fortsetzung der Zusammenarbeit zu erkennen gegeben haben, dass sie dem Einziehungsgrund keine Bedeutung mehr beimessen (vgl. Görner in Rowedder/Pentz, gmbhg, 7. Auflage, München 2022, Rdnr. 30 zu § 34 GmbHG). Sowohl das Ermittlungsverfahren gegen Herrn … als auch die Arrestierung aller seiner Vermögenswerte war – wie sich der Tagesordnung der außerordentlichen Gesellschafterversammlung der Beklagten vom 25.10.2018 laut Anl. K 10 entnehmen lässt – bereits im Jahr 2018 Grund für die anderen Gesellschafter, die Einziehung der Geschäftsanteile der Klägerin auf die Tagesordnung zu setzen. In dem damaligen Beschlussvorschlag wurde auch der durch das Ermittlungsverfahren gegen Herrn … der Beklagten drohende Verlust ihres Geschäfts angeführt. Die Beklagte sei nämlich als Holdinggesellschaft tätig gewesen und habe ihre Erlöse über ihre Tochtergesellschaften generiert, die bestimmte Funktionen in verschiedenen Fondsstrukturen ausübten, die durch die … AG (…AG) als externe Kapitalverwaltungsgesellschaft aufgesetzt und verwaltet würden. Zu diesen von der …AG aufgesetzten Investmentfonds gehöre auch der „…“-Fonds. Infolge des Ermittlungsverfahrens gegen Herrn … hätten zwei Großinvestoren des …-Fonds angedroht, ihre Beteiligungen an dem Fonds zu kündigen, wenn nicht die Beteiligung des Herrn … an der Beklagten bis Ende 2018 beendet würde. Aufgrund der mittelbaren Beteiligung des Herrn … an der Beklagten hätte auch die BAFIN angekündigt, dass die …AG keine Erlaubnis zum Geschäftsbetrieb als … erhalten würde. Durch die Betrugsvorwürfe gegen Herrn … hätte die Beklagte auch einen „erheblichen, irreparablen Reputationsverlust“ erlitten, sodass die Beklagte kein Neugeschäft mehr akquirieren könne. Auch hätten potentielle Fremdkapitalgeber der Beklagten mitgeteilt, dass aufgrund der Beteiligung von Herrn … die Gesellschaften der …-Gruppe zukünftig kein weiteres Fremdkapital erhalten würden.

63

Da die Gesellschafter in der außerordentlichen Gesellschafterversammlung vom 25.10.2018 zwar eine Neustrukturierung des …-Fonds und der an dessen „Administration beteiligten Einheiten“ beschlossen, von der Einziehung der Geschäftsanteile des Herrn … an der Beklagten, die TOP 2 der Tagesordnung vom 25.10.2018 bildete, jedoch absahen, waren die Gesellschafter der Beklagten schon im Oktober 2018 der Ansicht, dass das Ermittlungsverfahren, die Arrestierung der Vermögenswerte des Herrn … und die Auswirkungen dieser Umstände auf das Geschäft der Beklagten keinen hinreichenden Grund für eine Einziehung bildeten.

64

Zwar hat die Beklagte in erster Instanz vortragen lassen, dass das Strafverfahren gegen Herrn … „weder von Ausmaß und Dauer noch vom Inhalt her im Jahr 2018 vollumfänglich bekannt“ gewesen sei (Schriftsatz des Beklagtenvertreters vom 27.04.2021, S. 2 letzter Absatz, Bl. 46 d.A.). Es ist jedoch nicht ersichtlich, inwiefern dies eine Unzumutbarkeit des Verbleibens der Klägerin in der Beklagten für die anderen Gesellschafter begründen soll, nachdem der Geschäftsführer der Beklagten in der mündlichen Verhandlung selbst eingeräumt hat, dass im Jahr 2018 die Anteile der Klägerin nicht eingezogen worden seien, weil Herr … sich damit einverstanden erklärt habe, dass das Immobiliengeschäft abgespalten werde und die Motivation für die Beschlüsse im Mai 2020 vielmehr gewesen sei, dass die Beklagte keine Zukunft mehr habe und deshalb in Ruhe abgewickelt werden solle (vgl. S. 3 Mitte des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 05.05.2021, B. 58 d.A.). Durch die aufgrund der Gesellschafterbeschlüsse zu TOP 1 und 3 in der Versammlung vom 25.10.2018 erfolgte Umstrukturierung der Unternehmensgruppe war demnach die Gefährdung der Geschäftsinteressen der Gesellschafter infolge des Ermittlungsverfahrens gegen Herrn … behoben. Dass diese Gefahrausräumung auch endgültig war, folgt daraus, dass die Beklagte nach den Angaben ihres Geschäftsführers … in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht am 05.05.2021 zumindest seit dem Jahr 2020 gar kein nennenswertes Geschäft mehr hatte und deshalb schon seinerzeit liquidiert werden sollte (was zwischenzeitlich auch tatsächlich erfolgte).

65

b. Die Gewerbeuntersagung vom 19.09.2019, die zum Zeitpunkt der Gesellschafterversammlung vom 25.10.2018 noch nicht ergangen war und deshalb auch nicht berücksichtigt werden konnte, bildet ebenfalls keinen wichtigen Grund für eine Ausschließung der Klägerin.

66

aa. Die gegenüber Herrn … ausgesprochene Gewerbeuntersagung vom 19.09.2019 stützt sich nämlich ausweislich des Untersagungsbescheids laut Anl. BK 5 ausschließlich auf die Nichtbegleichung von Verbindlichkeiten der … (DE) GmbH, deren Geschäftsführer Herr … war, gegenüber u.a dem Steuerfiskus und Sozialversicherungsträgern. Diese Nichtbegleichung wiederum stand unstreitig in unmittelbarem Zusammenhang mit der Arrestierung des Vermögens im Zuge des gegen Herrn … gerichteten Ermittlungsverfahrens. Diese führte nämlich dazu, dass Herr … gegen ihn sowie gegen Gesellschaften, an denen er beteiligt war, gerichtete Forderungen nicht mehr bedienen konnte (den diesbezüglichen Vortrag der Klägerin im Schriftsatz des Klägervertreters vom 07.01.2021, S. 11 dritter Absatz, Bl. 40 d.A. und in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht, vgl. S. 2, vorletzter Absatz des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 05.05.2021, Bl. 57 d.A., hat die Beklagte nicht bestritten). Die Arrestierung war den anderen Gesellschaftern jedoch bereits seit 2018 bekannt und auch Gegenstand der außerordentlichen Gesellschafterversammlung vom 25.10.2018, ohne dass die anderen Gesellschafter deswegen eine Einziehung der Geschäftsanteile der Klägerin für notwendig erachtet hätten, sodass der der Gewerbeuntersagung zugrunde liegenden Sachverhalt jedenfalls bei Fassung der streitgegenständlichen Beschlüsse aus den oben dargelegten Gründen nicht mehr als Einziehungsgrund dienen konnte.

67

bb. Auch aus der Wirkung der Gewerbeuntersagung für Herrn …, nämlich dem Verbot gemäß § 35 Abs. 1 GewO, Beratungsdienstleistungen auszuüben und gemäß § 35 Abs. 1 und 7 a GewO als Vertretungsberechtigter eines Gewerbetreibenden tätig zu werden, folgt im Verhältnis zu den anderen Gesellschaftern der Beklagten kein Grund für die Einziehung der Anteile der Klägerin an der Beklagten. Denn Herr … war für die Beklagte nicht als Geschäftsführer tätig und sollte dies bis zum Beschlussfassungszeitpunkt auch nicht werden.

68

cc. Der Senat verkennt nicht, dass es sich bei der Klägerin um eine Einpersonengesellschaft mit Herrn … als Alleingesellschafter handelt, sodass die Willensbildung in der Klägerin ausschließlich durch Entschluss des Herrn … erfolgt und deshalb – auch wenn mittlerweile ein neuer Geschäftsführer der Klägerin bestellt ist – Herr … weiter allein die Geschäfte der Klägerin bestimmen kann. Gegen die Klägerin, die als juristische Person selbst Gewerbetreibende iSd. § 35 Abs. 1 GewO ist (vgl. Ennuschat in ders./Wank/Winkler, Gewerbeordnung, 9. Auflage, München 2020, Rdnr. 94 zu § 35 GewO), wurde jedoch – anders als gegen die … (DE) GmbH – keine Gewerbeuntersagung angeordnet, sodass die Klägerin unbeschadet der Gewerbeuntersagungen gegen die … (DE) GmbH und gegen Herrn … weiterhin ihr Gewerbe betreiben kann. Da der Gesellschafter einer GmbH aber nicht aufgrund seiner Gesellschafterstellung zum Gewerbetreibenden wird (dies ist nur der Fall, wenn die GmbH dem Gesellschafter als Strohmannn dient, vgl. Ennuschat, aaO, wofür es streitgegenständlich jedoch keine Anhaltspunkte gibt), ist Herrn … die Verwaltung seiner Anteile an der Klägerin als Ausfluss seiner Gesellschafterstellung nicht untersagt. Da die Klägerin selbst gewerberechtlich nicht als unzuverlässig gilt, ist den anderen Gesellschaftern der Beklagten die Zusammenarbeit mit ihr weiterhin zumutbar.

69

c. Die Einziehung der Geschäftsanteile der Klägerin lässt sich auch nicht auf die seit 22.10.2019 eingetretene und bis zur Beschlussfassung am 20.05.2020 fortbestehende Führungslosigkeit der Klägerin stützen. Denn es ist nicht ersichtlich, inwiefern dadurch die interessen der anderen Gesellschafter der Beklagten beeinträchtigt worden sein sollen. Die Beklagte hat insoweit nicht einmal behauptet, dass die Führungslosigkeit der Klägerin die Fassung von Beschlüssen in der Beklagten gehindert hätte. Im Übrigen hat die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht vom 05.05.2021 selbst vorgetragen, dass die Beklagte abgewickelt werden solle (vgl. S. 3 Mitte des Protokolls der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht, Bl. 58 d.A.).

70

d. Schließlich begründet auch der in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht gehaltene Vortrag der Beklagten (vgl. S. 3 Mitte des Protokolls der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht, Bl. 58 d.A.), wonach die BAFIN gefordert habe, alle gesellschaftsrechtlichen Beziehungen zu Herrn … zu beenden, keine Einziehung. Denn diese Forderung betraf nicht die Beklagte, sondern die … AG, bei der Herr … die Hälfte der Aktien hält und die mit der Beklagten „unmittelbar nichts zu tun hat“.

71

Auch in der Gesamtschau und -abwägung der Umstände gibt es daher keinen wichtigen Grund, der eine Ausschließung der Klägerin und damit gemäß § 11 Abs. 2 lit d GV eine Einziehung der Geschäftsanteile der Klägerin ohne deren Zustimmung rechtfertigen würde.

72

3. Da der Beschluss der Gesellschafterversammlung der Beklagten vom 20.05.2020 zu TOP 3 unmittelbare Folge der unter TOP 1 beschlossenen Einziehung der Geschäftsanteile der Klägerin an der Beklagten ist, diese Einziehung aber rechtswidrig war, kann auch die unter TOP 3 erfolgte Beschlussfassung keinen Bestand haben.

73

Nach alledem waren daher auf die Berufung der Klägerin unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils die Beschlüsse der Gesellschafterversammlung vom 20.05.2020 zu TOP 1 und 3 für nichtig zu erklären.

C.

74

Der Ausspruch zu den Kosten beruht auf 91 § ZPO, da die Beklagte zur Gänze unterlag.

75

Die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

76

Die Revision war nicht zuzulassen, da ein Zulassungsgrund nicht besteht.

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OLG München, Urteil vom 12.01.2023 – 8 U 2672/17

Donnerstag, 12. Januar 2023

KapMuG § 16 Abs. 2, § 20 Abs. 4, § 22 Abs. 1

1. Da Entscheidungen des Bundesgerichtshofs mit ordentlichen Rechtsmitteln nicht mehr anfechtbar sind, bedarf es in diesem Falle zur Aufnahme des Verfahrens gem. § 20 Abs. 4 KapMuG keines Rechtskraftvermerks.

2. Die Bindungswirkung des Musterentscheids gem. § 22 Abs. 1 KapMuG erfasst in objektiver Hinsicht nicht nur die Beantwortung des Feststellungsziels im Tenor der Entscheidung, sondern auch die diesen Entscheidungssatz tragenden tatsächlichen und rechtlichen Begründungselemente; sie reicht jedoch nicht über die Feststellungsziele des Musterverfahrens hinaus (Anschluss an BGH, Beschluss vom 19.09.2017 – XI ZB 17/15, Rn. 54; hier bejaht für die Haftung der Beklagten als Gründungsgesellschafter aus Prospekthaftung im weiteren Sinne).

3. Trotz § 16 Abs. 2 KapMuG ist nach den Vorstellungen des Gesetzgebers ein gesonderter Ausspruch des Prozessgerichts über die anteilige Kostentragungspflicht der Parteien für die im Musterverfahren erster Instanz angefallenen Kosten grundsätzlich nicht erforderlich.

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Erledigung der Hauptsache im Umfang der Verurteilung durch das Landgericht festgestellt wird.

II. Die Beklagten tragen gesamtschuldnerisch die Kosten des Berufungsverfahrens. Die Streithelferin trägt ihre Kosten im Berufungsverfahren selbst.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Tatsächliche Feststellungen:

Den Feststellungen des Landgerichts zufolge macht die Klagepartei gegen die Beklagten Schadensersatzansprüche im Zusammenhang mit dem Erwerb einer Beteiligung an der .. Wachstumswerte E. I. GmbH & Co KG geltend („Cloche d’Or“, im Folgenden: „der Fonds“) Der Kläger beteiligte sich mit Beitrittsvereinbarung vom 14.01.2009 (Anlage K 1) in Hohe von 15.000,00 EUR nebst Agio in Höhe von 750,00 EUR mittelbar über die Beklagte zu 3) an dem Fonds. Die Einlage wurde vom Kläger geleistet. Er hat bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz Ausschüttungen in Hohe von 5.177,80 Euro erhalten.

Die Beklagte zu 1) ist danach geschäftsführende Kommanditistin des Fonds mit einer Kapitaleinlage von 10.000,00 EUR und Gründungsgesellschafterin der Fondsgesellschaft. Die Beklagte zu 2) ist als Komplementärin persönlich haftende Gesellschafterin des Fonds und zudem Gründungsgesellschafterin der Fondsgesellschaft. Die Beklagte zu 3) ist (Treuhand-)Kommanditistin des Fonds mit einer Kapitaleinlage von 500,00 EUR und ebenfalls Gründungsgesellschafterin der Fondsgesellschaft.

Das Landgericht hat der Klage nach Parteivernehmung des Klägers zur Kausalität der Parkplatzproblematik mit der Begründung weitgehend stattgegeben, dass hinsichtlich der Darstellung der Parkplatzsituation im Prospekt ein aufklärungspflichtiger kausaler Prospektfehler vorliege, für den alle drei Beklagten aus Prospekthaftung im weiteren Sinne haften würden; Verjährung sei nicht eingetreten. Auf die tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts in dem angefochtenen Urteil wird ergänzend Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO). Im Übrigen wird von der Darstellung des Tatbestands abgesehen, §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 Satz 1 ZPO.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten.

Das Landgericht München I hat am 16.10.2017 (Gz. 35 OH 1608/17; veröffentlicht im elektronischen Bundesanzeiger) auf Antrag u.a. der hiesigen Beklagten einen Musterverfahrensantrag betreffend den Emissionsprospekt über die Beteiligung an der Europa III GmbH & Co.KG im elektronischen Bundesanzeiger veröffentlicht, und am 15.11.2017 beschlossen, dem Oberlandesgericht München die dort näher bezeichneten Feststellungsziele zum Zwecke der Herbeiführung eines Musterentscheids vorzulegen (Az. Musterverfahren OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG München
: 5 Kap 3/17). Die hiesigen Beklagten waren als Musterbeklagte zu 1) bis 3) an diesem Verfahren beteiligt.

Mit Beschluss vom 05.03.2018 hat der Senat den vorliegenden Rechtsstreit bis zur rechtskräftigen Entscheidung über das Kapitalanleger-Musterverfahren 5 Kap 3/17 des Oberlandesgerichts München ausgesetzt.

Der 5. Zivilsenat des OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG München
hat mit Musterentscheid vom 26. März 2019, Gz. 5 Kap 3/17 (scheinbar nicht veröffentlicht, auch nicht im elektronischen Bundesanzeiger) die Anträge der Musterbeklagten zu den Feststellungszielen 1 bis 4 und 6 „verworfen“, den Antrag der Musterbeklagten zum Feststellungsziel 7 zurückgewiesen und den Antrag der Musterbeklagten zum Feststellungsziel 5 als gegenstandslos erklärt. Auf den Antrag des Musterklägers hat der 5. Zivilsenat u.a. die Feststellung getroffen, dass der Prospekt fehlerhaft sei, weil dieser an keiner Stelle darüber aufkläre, dass zum Zeitpunkt seiner Erstellung am 28. November 2008 nur 566 Innenstellplätze der Fondsimmobilie baurechtlich genehmigt gewesen seien und dass für die weiter geplanten 634 Innenstellplätze und 78 Außenstellplätze des Fondsobjekts weder eine baurechtliche Genehmigung noch ein Rechtsanspruch auf Erteilung einer solchen bestanden habe, während 1.200 Innen- und 75 Außenstellplätze bereits vermietet gewesen seien (Feststellungsziel 8a; vgl. BGH, Beschluss vom, 06.10.2020, Az. XI ZB 28/19, Rz. 10).

Mit Schriftsatz vom 31.01.2019 hat der Kläger mitgeteilt, dass er die streitgegenständliche Fondsbeteiligung verkauft habe und entsprechend geänderte Anträge angekündigt.

Mit Beschluss vom 06.10.2020, Az. XI ZB 28/19, hat der BGH den Musterentscheid des Oberlandesgerichts München vom 26. März 2019, Gz. 5 Kap 3/17, unter Ziffer I. und unter Ziffer II. jeweils teilweise aufgehoben und zur Klarstellung insgesamt neu gefasst.

Mit Schriftsatz vom 11.10.2022 haben die Beklagten unter Vorlage der Entscheidung des BGH vom 06.10.2020 den Rechtsstreit wieder aufgenommen.

Mit Schriftsatz vom 15.11.2022 hat der neue Prozessbevollmächtigte des Klägers den Rechtsstreit in der Hauptsache insgesamt für erledigt erklärt und beantragt, den Beklagten die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen. Im Hinblick auf die durch den Kläger vereinnahmten weiteren Ausschüttungen sei die Hauptsache nunmehr durch Erfüllung insgesamt erledigt. Die Beklagten würden trotz der neueren Rspr. des XI. Zivilsenats des BGH zum Vorrang der spezialgesetzlichen Prospekthaftung auch aus Prospekthaftung im weiteren Sinne, die nicht verjährt sei, haften. Die Beklagtenvertreter haben sich hierzu nicht schriftsätzlich geäußert, aber im Termin die Auffassung vertreten, dass eine Prospekthaftung im weiteren Sinne hier nach der neueren Rspr. des XI. Zivilsenats des BGH nicht mehr in Betracht komme. Der Senatsvorsitzende hat hierzu im Termin darauf hingewiesen, dass dem schon die Bindungswirkung des Musterentscheids entgegenstehen könnte.

Die Beklagten und die Streithelferin beantragen, das Urteil des Landgerichts abzuändern und die Klage abzuweisen. Der Kläger beantragt zuletzt, dass die Erledigung der Hauptsache festgestellt werden möge gemäß Schriftsatz vom 15.11.2022.

Entscheidungsgründe

I.

Das Verfahren war gem. § 20 Abs. 4 KapMuG auf Antrag der Beklagten wieder aufzunehmen. Danach wird das Ausgangsverfahren mit der Einreichung des rechtskräftigen Musterentscheids durch einen Beteiligten des Musterverfahrens wieder aufgenommen. Das ist hier durch den Schriftsatz der Beklagten vom 11.10.2022 geschehen.

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Entgegen der Auffassung des Klägers musste dazu im vorliegenden Falle auch kein Rechtskraftvermerk (§ 706 ZPO) vorgelegt werden (so aber wohl z.B. Vorwerk/Wolf, KapMuG, 2. Aufl. 2020, § 22 Rn. 16). Entscheidungen des BGH sind mit ordentlichen Rechtsmitteln nicht mehr anfechtbar, sodass eine Verpflichtung zur Vorlage eines Rechtskraftvermerks hier als bloße Förmelei erschiene. Ob gegen die Entscheidung des BGH vom 06.10.2020, Az. XI ZB 28/19, Verfassungsbeschwerde eingelegt wurde, kann dabei dahinstehen, denn dieser außerordentliche Rechtsbehelf würde die Aufnahme des Verfahrens nicht hindern können.

II.

Die zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet. Allerdings war auf Antrag des Klägers die Erledigung der Hauptsache festzustellen, da die Klage zum Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses im Umfang der Verurteilung durch das Landgericht zulässig und begründet war:

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1. Das Landgericht hat zutreffend gesehen, dass hinsichtlich der Darstellung der Parkplatzsituation ein aufklärungspflichtiger Prospektfehler vorliegt. Das entspricht der einhelligen Rspr. aller damit bisher befassten Zivilsenate des Oberlandesgerichts München (vgl. z.B. Urteil vom 04.09.2017, Gz. 19 U 108/17, Juris; Urteil vom 03.05.2016, Gz. 5 U 4854/15, Nichtzulassungsbeschwerde vom BGH zurückgewiesen mit Beschluss vom 23.05.2017, Gz. II ZR 149/16; Beschluss vom 06.07.2016, Gz. 23 U 3656/15, Nichtzulassungsbeschwerde vom BGH zurückgewiesen mit Beschluss vom 27.06.2017, Gz. II ZR 225/16) und wurde hier im Übrigen im Musterverfahren bindend festgestellt (vgl. BGH vom 06.10.2020, Az. XI ZB 28/19, Rz. 23 ff., s.o.)

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2. Auch dass die hiesigen Beklagten als Gründungsgesellschafter für diesen Prospektfehler aus Prospekthaftung im weiteren Sinne haften, entspricht der – zumindest bisherigen – einhelligen Rspr. aller damit bisher befassten Zivilsenate des Oberlandesgerichts München (s.o.).

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a) Dabei kann dahinstehen, ob der neueren Rspr. des XI. Zivilsenats des BGH zu folgen wäre, wonach die – hier gem. § 45 BörsG a.F. verjährte (vgl. Nobbe, WM 2016, 292; BGH, Beschluss vom 6. Oktober 2020 – XI ZB 28/19, Rz. 50) – spezialgesetzliche Prospekthaftung gemäß den § 13 VerkProspG, §§ 44 ff. BörsG in der bis zum 31. Mai 2012 geltenden Fassung in ihrem Anwendungsbereich eine Haftung der Gründungsgesellschafter als Prospektveranlasser unter dem Aspekt einer vorvertraglichen Pflichtverletzung aufgrund der Verwendung eines unrichtigen, unvollständigen oder irreführenden Prospekts als Mittel der schriftlichen Aufklärung gemäß § 280 Abs. 1 BGB i.V.m. § 311 Abs. 2 BGB ausschließt, und dies sogar für die Haftung eines Gründungsgesellschafters als Treuhandkommanditist gelten soll (Beschluss vom 20. September 2022 – XI ZB 34/19 mwN), oder ob mit dem II. Zivilsenat des BGH davon auszugehen wäre, dass die spezialgesetzliche Prospekthaftung gemäß den § 13 VerkProspG, §§ 44 ff BörsG in der bis zum 31. Mai 2012 geltenden Fassung in ihrem Anwendungsbereich eine gesellschaftsrechtliche Haftung der Gründungs- bzw. Altgesellschafter wegen einer vorvertraglichen Pflichtverletzung aufgrund der Verwendung eines unrichtigen, unvollständigen oder irreführenden Prospekts als Mittel der schriftlichen Aufklärung gemäß § 311 Abs. 2, § 241 Abs. 2, § 280 Abs. 1 BGB (sogenannte Prospekthaftung im weiteren SinnBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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Prospekthaftung im weiteren Sinn
) nicht ausschließt (so mit guten Gründen Beschluss vom 25. Oktober 2022 – II ZR 22/22 – dort nicht entscheidungserheblich, deshalb wurde der Große Senat für Zivilsachen nicht angerufen, vgl. Rz. 65).

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b) Denn für den vorliegenden Rechtsstreit steht die Haftung der Beklagten aus Prospekthaftung im weiteren Sinne gem. § 22 Abs. 1 KapMuG bindend fest. Danach bindet der Musterentscheid die Prozessgerichte in allen – wie hier – nach § 8 Abs. 1 KapMuG ausgesetzten Verfahren.

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(1) Hier hat der 5. Zivilsenat in seinem Musterentscheid vom 26. März 2019, Gz. 5 Kap 3/17, den dortigen (auf Antrag der Beklagten und deshalb negativ formulierten) Antrag zum Feststellungsziel 7 zurückgewiesen. Zur Begründung hat der 5. Zivilsenat unter 7. (ab Umbruch S. 42 unten) folgendes ausgeführt:

„Feststellungsziel 7: Für die Gründungsgesellschafter der … Wachstumswerte Europa III GmbH & Co. KGBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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GmbH & Co. KG
KG
bestand kein Anlass zu eigenen Nachforschungen über den Stand der baurechtlichen Genehmigungen für Stellplätze, welcher sich allein aus dem Inhalt des Emmissionsprospektes zur Beteiligung an der … Wachstumswerte Europa III GmbH & Co. KGBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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GmbH & Co. KG
KG
ergab. … Die Feststellung kann nicht getroffen werden, weil die Musterbeklagten zu 1 – 3) als Gründungsgesellschafterinnen des Fonds die Pflicht hatten, den Beitrittsinteressenten für ihre Beitrittsentscheidung ein zutreffendes Bild über das Beteiligungsobjekt zu vermitteln und sie über alle Umstände, die für ihre Anlageentscheidung von wesentlicher Bedeutung waren oder sein konnten, verständlich und vollständig aufzuklären hatten. Die Prospekthaftung im weiteren Sinne ist ein Anwendungsfall der Haftung für Verschulden bei Vertragsschluss nach § 280 Abs. 1, 3, §§ 282, 241 Abs. 2, § 311 Abs. 2 BGB. Danach obliegen dem, der selbst oder durch einen Verhandlungsgehilfen einen Vertragsschluss anbahnt, Schutz- und Aufklärungspflichten gegenüber seinem Verhandlungspartner, bei deren Verletzung er auf Schadensersatz haftet. Abgesehen etwa von dem Sonderfall des § 311 Abs. 3 BGB, in dem auch ein Dritter haften kann, wenn er in besonderem Maße Vertrauen für sich in Anspruch genommen hat, trifft die Haftung aus Verschulden bei Vertragsschluss denjenigen, der den Vertrag im eigenen Namen abschließen will.

Das sind bei einem Beitritt zu einer Kommanditgesellschaft grundsätzlich die schon zuvor beigetretenen Gesellschafter. Denn der Aufnahmevertrag wird bei einer Personengesellschaft zwischen dem neu eintretenden Gesellschafter und den Altgesellschaftern geschlossen. Die Gründungsgesellschafter haften auch dem über einen Treuhänder beitretenden Anleger auf Schadensersatz aus Prospekthaftung im weiteren Sinne, wenn der Treugeber wie hier nach dem Gesellschaftsvertrag wie ein unmittelbar beitretender Gesellschafter behandelt werden soll (BGH, Urt. v. 04.07.2017, II ZR 358/16 Rn.8/9). Dabei kommt auch die Haftung für Prospektfehler in Betracht, wenn der Prospekt bei den Beitrittsverhandlungen verwendet wurde (BGH, Urt. v. 01.03.2011, II ZR 16/10 Rn.7 mwN). Der Gründungsgesellschafter, der sich zu den vertraglichen Verhandlungen über einen Beitritt eines Prospekts bedient und sich auf die durch diesen geleistete Aufklärung verlässt, haftet über § 278 BGB für unrichtige oder unzureichende Angaben im Prospekt. Deshalb kommt es nicht darauf an, ob die Musterbeklagten zu 1 – 3) selbst Nachforschungen zum Prospektinhalt veranlasst sahen oder nicht. Denn hinsichtlich der festgestellten Prospektfehler wird das Verschulden der aufklärungspflichtigen Personen nach § 280 Abs. 1 S.2 BGB vermutet, den Entlastungsbeweis haben die Musterbeklagten zu 1 – 3) jedoch nicht angetreten.“

21

(2) Der BGH hat diese Zurückweisung des Feststellungsziels 7 bestätigt (Beschluss vom 06.10.2020, Az. XI ZB 28/19, Tenor Ziff. I.) und dazu in Rz. 67 ff. folgendes ausgeführt:

„Keinen Erfolg haben die Rechtsbeschwerden schließlich, soweit sie beantragen, das Feststellungsziel 7 … für gegenstandslos zu erklären, hilfsweise den Antrag zum Feststellungsziel 7 als unzulässig zurückzuweisen.

Der Vorlagebeschluss des Landgerichts ist hinsichtlich des Feststellungsziels 7 nicht gegenstandslos geworden. … Denn die vorausgegangene Prüfung hat zur Feststellung von Prospektfehlern geführt, so dass die Frage, ob für die Gründungsgesellschafterinnen Anlass zu Nachforschungen bestand, jedenfalls nicht aufgrund der bisherigen Ergebnisse im Musterverfahren ihre Entscheidungserheblichkeit verloren hat.

Entgegen der Meinung der Rechtsbeschwerden trifft es auch nicht zu, das Oberlandesgericht habe keine Sachentscheidung über das Feststellungsziel 7 getroffen. Das Oberlandesgericht hat den Antrag zum Feststellungsziel 7 im Tenor zu I. seines Beschlusses „zurückgewiesen“ und damit anders als die Anträge zu den Feststellungszielen 1 bis 4 und 6 nicht „verworfen“ (richtig: als unzulässig zurückgewiesen). Zudem hat es in den Entscheidungsgründen ausgeführt, dass die Feststellung zum Feststellungziel 7 nicht getroffen werden könne, weil die Gründungsgesellschafterinnen verpflichtet seien, den Beitrittsinteressenten ein zutreffendes Bild über das Beteiligungsangebot zu vermitteln. Damit hat es das Feststellungsziel aus in der Sache liegenden Gründen zurückgewiesen. Soweit die Rechtsbeschwerden monieren, das Oberlandesgericht habe darüber hinaus ausgeführt, es komme nicht darauf an, „ob die Musterbeklagten zu 1 bis 3 selbst Nachforschungen zum Prospektinhalt veranlasst sahen oder nicht“, folgt daraus nicht, dass es keine Sachentscheidung über das Feststellungsziel getroffen hat, sondern lediglich, dass es die mit dem Feststellungsziel verbundene Frage aus Gründen, die nicht Gegenstand des Musterverfahrens waren, als nicht entscheidungserheblich angesehen hat.“

22

(3) Daraus ergibt sich für den vorliegenden Fall folgendes:

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(a) Die Bindungswirkung des Musterentscheids erfasst nach der Rspr. des BGH in objektiver Hinsicht nicht nur die Beantwortung des Feststellungsziels im Tenor der Entscheidung, sondern auch die diesen Entscheidungssatz tragenden tatsächlichen und rechtlichen Begründungselemente. Sie reicht jedoch nicht über die Feststellungsziele des Musterverfahrens hinaus (BGH, Beschluss vom 19.9.2017 – XI ZB 17/15, Rn. 54).

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Ein Urteil, das einer negativen Feststellungsklage aus sachlichen Gründen nicht stattgibt, hat grundsätzlich dieselbe Bedeutung wie ein Urteil, das das logische Gegenteil dessen, was mit der negativen Feststellungsklage begehrt wird, positiv feststellt (vgl. BGH NJW 1988, 806; NJW 1975, 1320). Da die Urteilsformel – wie bei jedem klageabweisenden Urteil – regelmäßig nicht ausreicht, um den Rechtskraftgehalt der Entscheidung zu erfassen, müssen Tatbestand und Entscheidungsgründe ergänzend herangezogen werden (vgl. BGH NJW 1986, 2508; NJW 1975, 1320).

25

(b) Da es sich hier um ein „negatives Feststellungziel“ gehandelt hat, muss – wie sonst auch bei negativen Feststellungsklagen – für die Beurteilung der Bindungswirkung auch die Entscheidungsbegründung ergänzend herangezogen werden. Bei einem „negativen Feststellungziel“ muss auch umso mehr gelten, dass zur Beurteilung der Bindungswirkung des Musterentscheids auch die den Entscheidungssatz tragenden tatsächlichen und rechtlichen Begründungselemente herangezogen werden.

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(c) Hier hat der 5. Zivilsenat in seiner Entscheidungsbegründung eine Haftung der Beklagten aus Prospekthaftung im weiteren Sinne klar bejaht, und gemeint, deshalb komme es nicht darauf an, ob die Beklagten selbst nachträgliche Nachforschungen zum Prospektinhalt veranlasst sahen. Diese Feststellung zur Haftung der Beklagten aus Prospekthaftung im weiteren Sinne nimmt somit als zentrales rechtliches Begründungselement an der Bindungswirkung teil.

27

Diese Feststellung reicht – entgegen der von den Beklagtenvertretern im Termin vertretenen Auffassung – auch nicht über die Feststellungsziele des Musterverfahrens hinaus. Die Klagen gegen die Beklagten wurden gerichtsbekannt und auch hier in erster Linie auf Prospekthaftung im weiteren Sinne gestützt. Nach zahlreichen entsprechenden Verurteilungen durch verschiedene Senate des Oberlandesgerichts München (s.o.) hatten die Beklagten sodann die „Flucht in das Musterverfahren“ angetreten und hierfür negative Feststellungsziele formuliert.

28

Schon diese Vorgeschichte lässt es fernliegend erscheinen, dass die Prospekthaftung der Beklagten im weiteren Sinne nicht zu den Feststellungszielen gehörten sollte. Vielmehr handelt es sich dabei mindestens um eine im Rahmen des (negativen) Feststellungszieles 7 bindend zu klärende Vorfrage. Denn die Frage, ob die Beklagten zu Nachforschungen zum Prospektinhalt hinsichtlich der Parkplätze verpflichtet waren, stellt sich nicht, wenn sie bereits vorher bei der Prospekterstellung diesbezüglich für zutreffende und vollständige Angaben hätten sorgen müssen, wie es der 5. Zivilsenat hier zutreffend festgestellt hat.

29

Daraus, dass der BGH auch ausgeführt hat, das Feststellungsziel 7 sei vom 5. Zivilsenat aus Gründen, die nicht Gegenstand des Musterverfahrens gewesen seien, als nicht entscheidungserheblich angesehen worden, ergibt sich nichts anderes. Denn das bedeutet nach Auffassung des Senats nur, das die Frage der Haftung der Beklagten aus Prospekthaftung im weiteren Sinne nicht selbst unmittelbares Feststellungsziel des Musterverfahrens war, und nicht, dass diese im Rahmen des Feststellungszieles 7 inzident zu treffende Feststellung über das Feststellungsziel 7 des Musterverfahrens hinausgereicht hätte.

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3. Zutreffend ist die Entscheidung des Landgerichts auch, soweit es Verjährung gem. § 199 I BGB verneint hat, weil der Kläger aus Rechenschaftsberichten etc. keine hinreichende Kenntnis von dem Prospektfehler gehabt habe (LGU S. 13 ff.).

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a) Zwar wurde dies im Musterverfahren nicht bindend festgestellt. Denn das entsprechenden Feststellungsziel, dass bestimmte Anlegerinformationen inhaltlich geeignet sind, den Beginn der Verjährung von Ansprüchen wegen fehlender oder unzutreffender Informationen über den Stand der baurechtlichen Genehmigungen im Prospekt zu begründen, hat der 5. Zivilsenat als unzulässig zurückgewiesen, weil die mit diesem Feststellungsziel verbundene Frage nicht verallgemeinerungsfähig sei (BGH, Beschluss vom 06.10.2020, Az. XI ZB 28/19, Rz. 49).

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b) Das entspricht jedoch ebenfalls der einhelligen Rspr. der Zivilsenate des OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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, auf die ergänzend verwiesen wird. Denn angesichts der Rechtsprechung des III. Zivilsenats des BGH, wonach ein Anleger grundsätzlich nicht verpflichtet ist, den Prospekt nachträglich durchzulesen (Urteil vom 22. Juli 2010, Gz. III ZR 203/09, ZIP 2010, 1760), müsste sich die verjährungsrechtlich relevante Kenntnis eines Prospektfehlers unmittelbar aus einem Rechenschaftsbericht selbst ergeben, ohne dass es noch des Rückgriffs auf den Prospekt bedürfte (vgl. z.B. Urteil vom 04.09.2017, Gz. 19 U 108/17, Juris). Dafür ist hier weiterhin nichts ersichtlich.

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4. Eine Erschütterung bzw. Widerlegung der Kausalitätsvermutung hat das Landgericht nach Parteieinvernahme der Klägers überzeugend verneint (vgl. LGU S. 10).

34

5. Die Beklagten haben den Kläger daher so zu stellen, als sei er die Beteiligung nicht eingegangen (z.B. BGH, Beschluss vom 14.07.2008, II ZR 222/07), wie das Landgericht ebenfalls zutreffend erkannt hat. Gegen die entsprechenden Ausführungen des Landgerichts zur den einzelnen Ansprüchen (LGU S. 11) erhebt die Berufungsbegründung keine Einwände, sodass die Klage seinerzeit in dem vom Landgericht entschiedenen Umfang begründet war.

35

Der Behauptung des Klägers im Schriftsatz vom 15.11.2022, dass im Hinblick auf die durch den Kläger vereinnahmten weiteren Ausschüttungen die geltend gemachten Ansprüche nunmehr insgesamt erfüllt seien, sind die Beklagten nicht entgegen getreten. Daher war nunmehr antragsgemäß die Erledigung der Hauptsache festzustellen und die Berufung mit dieser Maßgabe zurückzuweisen.

III.

1. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97 I, 100 III, 101 ZPO, die über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

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Ein gesonderter Ausspruch über die anteilige Kostentragungspflicht der Beklagten für die im Musterverfahren erster Instanz angefallenen Kosten war hier nicht erforderlich.

38

Zwar entscheidet über die im Musterverfahren erster Instanz angefallenen Kosten gem. § 16 Abs. 2 KapMuG „das Prozessgericht“. Das wäre im vorliegenden Falle, in dem der Senat selbst das Verfahren gem. § 8 KapMuG ausgesetzt hat, der Senat (vgl. dazu schon BT-Drs. 15/5091 S. 24/25; OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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, Beschluss vom 27.8.2013 – 19 U 5140/12, BeckRS 2013, 15338, ebenso z.B. Vorwerk/Wolf, KapMuG, 2. Aufl. 2020, KapMuG § 8 Rn. 6 mwN, beckonline). Die im erstinstanzlichen Musterverfahren entstandenen Kosten gelten aber gem. § 24 KapMuG als Teil der Kosten (§§ 91 ff. ZPO) des jeweils zugrunde liegenden Prozessverfahrens (Schneider/Volpert/Fölsch, Gesamtes Kostenrecht, Teil 1: Gerichtskostengesetz (GKG) Anlage 1 (zu § 3 Abs. 2) Kostenverzeichnis Teil 9 KV GKG Nr.9018 Rn. 4, beck-online).

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Nach den Vorstellungen des Gesetzgebers soll sich die Kostenentscheidung für den ersten Rechtszug des Hauptsacheverfahrens „ohne weiteres“ auch auf die Kosten des erstinstanzlichen Musterverfahrens beziehen, soweit das Gericht nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt (BT-Drs. 15/5091 S. 31 f. zur Vorläuferregelung des § 17 KapMuG a.F.). Für Letzteres ist ein Anlass weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Daher ist ein gesonderter Ausspruch über Kosten des erstinstanzlichen Musterverfahrens durch den Senat nicht erforderlich.

40

Die konkrete Berechnung der erstattbaren anteiligen Kosten für das erstinstanzliche Musterverfahren nach GKG und KV soll nach dem Willen des Gesetzgebers somit offensichtlich dem Kostenfestsetzungsverfahren gem. § 104 ZPO vorbehalten bleiben. Hierzu wird vorsorglich darauf hingewiesen, dass der 5. Zivilsenat am Ende seines Musterentscheids vom 26. März 2019, Gz. 5 Kap 3/17, ausgeführt hat, dass auf den Antrag der Musterklägervertreter nach § 41a RVG auszusprechen sei, dass diese wegen ihres nach Aktenlage ohne weiteres gegebenen hohen Aufwands für das Betreiben des Musterverfahrens Anspruch auf die Höchstgebühr von 0,3 aus dem Wert sämtlicher ausgesetzter Verfahren (13.087.347,92 €) inklusive Mehrwertsteuer (insgesamt also 14.641,64 €) hätten. Ausgehend von dem hier im Termin festgesetzten Streitwert von bis zu 13.000.- € ergäbe sich hieraus wohl eine Haftungsquote der hiesigen Beklagten für die anteiligen Kosten des Musterverfahrens von ca. 0,1%.

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2. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung mehr. Die Zulassung der Revision ist auch nicht zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich, da die wesentlichen Rechtsfragen bereits vom Bundesgerichtshof entschieden worden sind und vorliegend nur noch auf den Einzelfall anzuwenden waren.

Löffler I www.K1.de I www.gesellschaftsrechtskanzlei.com I Gesellschaftsrecht I GmbHRecht I Erfurt I Thüringen I Sachsen I Sachsen-Anhalt I Hessen I Deutschland 2023

Schlagworte: Haftung Gründungsgesellschafter, Prospekthaftung im engeren und weiteren Sinn

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OLG München, Beschluss vom 19.12.2022 – 7 U 7198/21

Montag, 19. Dezember 2022

Tenor

1. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

2. Der Streitwert wird auf 50.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Parteien stritten über die Wirksamkeit von drei Gesellschafterbeschlüssen der Beklagten vom 30.12.2020.

Die Beklagte ist ein geschlossener ImmobilienfondsBitte wählen Sie ein Schlagwort:
geschlossener Immobilienfonds
Immobilienfonds
in M., der vier Objekte verwaltet.

An der Beklagten beteiligen sich sowohl Direktkommanditisten als auch Treugeber über die Klägerin als Treuhandkommanditist. Die Klägerin ist im Handelsregister des Amtsgerichts München als Treuhandkommanditistin mit einer Hafteinlage von 1.984.016,97 € eingetragen (Anlage K 1). Sie hält keinen eigenen Kapitalanteil und firmierte bis 2007 unter B.F.S. Beteiligungs-Treuhand für Sachwerte GmbH (Anlage K 3).

Mit Schreiben vom 03.07.2019 übersandte die Geschäftsführerin der Beklagten Unterlagen zur schriftlichen Abstimmung an die Anleger. Die Gesellschafter der Beklagten wurden darin zur Abstimmung über u.a. folgende Tagesordnungspunkte im Zeitraum vom 03.07.2019 bis 26.07.2019 aufgerufen:

TOP 2 a: Abberufung/Ausschluss der Klägerin als Treuhandkommanditist TOP 2 b: Bestellung der SA. Treuhand und Verwaltung GmbH zum neuen Treuhandkommanditisten und Änderung des Gesellschaftsvertrages TOP 2 d: Änderungen des Gesellschaftsvertrages Mit Schreiben der Beklagten vom 29.07.2019 übermittelte diese der Klägerin das Protokoll über die schriftliche Beschlussfassung mit den Abstimmungsergebnissen, wonach die Beschlussvorschläge zu TOP 2 a, 2 b und 2 d von der Gesellschafterversammlung angenommen worden seien, sowie eine Ausschlusserklärung.

Die Klägerin focht die in der Abstimmung vom 03.07.2019 bis 26.07.2019 gefassten Beschlüsse zu TOP 2 a, 2 b und 2 d vor dem Landgericht München I, Az. 12 HK O 11736/19, an.

Mit Schreiben vom 18.12.2020 (Anlage K 13) forderte die Beklagte ihre Gesellschafter zu einer weiteren außerordentlichen Gesellschafterversammlung im schriftlichen Verfahren auf und setzte den Gesellschaftern hierzu eine Rücksendefrist bis 29.12.2020. Mit Protokoll vom 30.12.2020 laut Anl. K 13 wurden u.a. folgende Beschlussgegenstände festgestellt:

TOP 2a: Für den Fall, dass der in der Abstimmung vom 03.07.2019 bis 26.07.2019 gefasste Beschluss über die Abberufung/den Ausschluss der Klägerin durch ein rechtskräftiges Urteil für unwirksam erklärt werden sollte, wird der Beschluss wiederholt und erweitert wie folgt (…).

TOP 2b: Für den Fall, dass der in der Abstimmung vom 03.07.2019 bis 26.07.2019 gefasste Beschluss über die Bestellung der SA. Treuhand und Verwaltung GmbH zum neuen Treuhandkommanditisten durch ein rechtskräftiges Urteil für unwirksam erklärt werden sollte, wird der Beschluss wiederholt.

TOP 2c: § 3 (2) des Gesellschaftsvertrages wird wie beantragt geändert.

Mit der streitgegenständlichen Klage focht die Klägerin diese drei Beschlüsse an. Das Landgericht München I gab der Klage mit Endurteil vom 14.09.2021, Az. 13 HK O 807/21, vollumfänglich statt. Dagegen richtete sich die Berufung der Beklagten.

Der Senat hat mit Endurteil vom 06.10.2021, Az. 7 U 2562/20, die Klage der Klägerin gegen die in der Abstimmung vom 03.07.2019 bis 26.07.2019 gefassten Beschlüsse abgewiesen, da sie nicht innerhalb der einmonatigen Anfechtungsfrist des § 17 Abs. 9 GV erhoben wurde. Die dagegen von der Klägerin erhobene Nichtzulassungsbeschwerde hat der Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 26.04.2022 – II ZR 178/21 zurückgewiesen.

Nachdem mit der Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde gegen das Senatsurteil vom 06.10.2021 durch den Bundesgerichtshof nunmehr rechtskräftig feststeht, dass die Klägerin aus der Beklagten ausgeschieden ist, erklärte die Klägerin mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 22.11.2022 (Bl. 119/121 d.A.) den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt und beantragte, der Beklagten die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen. Der Schriftsatz des Klägervertreters vom 22.11.2022 wurde dem Beklagtenvertreter zusammen mit einem Hinweis nach § 91 a Abs. 1 S. 2 ZPO am 28.11.2022 zugestellt. Die Beklagte hat der Erledigungserklärung nicht widersprochen.

II.

Da die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt haben, war gemäß § 91 a Abs. 1 S. 1 ZPO unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands nach billigem Ermessen nur noch über die Kosten zu entscheiden. Ausschlaggebend ist hierbei in der Regel der ohne die Erledigung zu erwartende Verfahrensausgang, sodass in der Regel derjenige die Kosten zu tragen haben wird, dem sie auch nach den allgemeinen kostenrechtlichen Bestimmungen der ZPO aufzuerlegen gewesen wären (vgl. Vollkommer in Zöller, ZPO, 34. Auflage, Köln 2022, Rdnr. 24 zu § 91 a ZPO). Dies ist die Beklagte, da die Klage der Klägerin ursprünglich zulässig und begründet war, die Klägerin damit voraussichtlich zur Gänze obsiegt und folglich die Beklagte die Kosten des Rechtsstreits zu tragen gehabt hätte.

1. Entgegen der Ansicht der Beklagten war die Klage nicht schon deshalb unzulässig, weil die Klägerin zum Zeitpunkt der Beschlussfassung in der Abstimmung vom 18.12.2020 bis 29.12.2020 aufgrund des in der Abstimmung vom 03.07.2019 bis 26.07.2019 gefassten Beschlusses über ihren Ausschluss aus der Gesellschaft nicht mehr Gesellschafterin der Beklagten gewesen sei und deshalb hinsichtlich des Bestätigungsbeschlusses kein Feststellungsinteresse iSd. § 256 ZPO mehr gehabt habe (vgl. Berufungsbegründung S. 2 und 3, Bl. 107 und 108 d.A.). Zwar ist grundsätzlich richtig, dass aufgrund der im Gesellschaftsvertrag der Beklagten vorgesehenen Möglichkeit, abweichend von §§ 140 Abs. 1 S. 1, 161 Abs. 2 HGB einen Gesellschafter bei Vorliegen eines wichtigen Grundes durch Beschluss der Gesellschafter aus der Beklagten auszuschließen (§ 27 Abs. 1 S. 1 Abs. 3 GV), die Klägerin nach BeschlussfassungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Beschlussfassung
nach Beschlussfassung
und Zugang der Ausschließungserklärung bei ihr aus der Beklagten ausschied und damit ihre Gesellschafterstellung verlor (vgl. zum Wirksamwerden eines Ausschließungsbeschlusses bei einer KG BGH, Urteil vom 21.06.2011 – II ZR 262/09, Rdnr. 15). Jedoch ist in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs für den Fall eines in der Satzung vorgesehenen Ausschlusses eines Gesellschafters bei Vorliegen eines wichtigen Grundes durch Beschluss aus einer GmbH anerkannt, dass in solchen Fällen dem Gesellschafter die Anfechtungsbefugnis für die Klage gegen seinen Ausschluss trotz sofortiger Wirksamkeit erhalten bleibt, um der verfassungsrechtlich gebotenen Rechtsschutzmöglichkeit Geltung zu verschaffen (vgl. BGH, Urteil vom 02.07.2019 – II ZR 406/17, Rdnr. 41). Für den Ausschluss aus einer Publikums KG wie der Beklagten gilt aufgrund der vergleichbaren Interessenlage und Schutzbedürftigkeit der Gesellschafter nichts anderes.

Dies kann auch nicht dadurch umgangen werden, dass nach dem Ausscheiden eines GesellschaftersBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Ausscheiden
Ausscheiden eines Gesellschafters
aufgrund der (zumindest vorläufigen) Wirksamkeit des ursprünglichen Ausschließungsbeschlusses ein diese Ausschließung bestätigender Beschluss gefasst wird, der sodann wegen der zum Zeitpunkt der Fassung des Bestätigungsbeschlusses nicht mehr bestehenden Gesellschafterstellung mangels Anfechtungsbefugnis des ausgeschlossenen Gesellschafters nicht mehr durch diesen einer gerichtlichen Kontrolle zugeführt werden könnte. Dies wäre mit der einem ausgeschlossenen Gesellschafter kraft Verfassungsrechts zu gewährenden Rechtsschutzmöglichkeit nicht zu vereinbaren. Solange also nicht rechtskräftig feststeht, dass der ursprüngliche Ausschließungsbeschluss wirksam war, hat der ausgeschlossene Gesellschafter auch ein Interesse iSd. § 256 Abs. 1 ZPO feststellen zu lassen, dass ein Beschluss, mit dem ein früherer Ausschließungsbeschluss bestätigt wurde, unwirksam ist.

Dies gilt im streitgegenständlichen Fall auch für die Beschlussgegenstände zu TOP 2 b und TOP c, da diese inhaltlich einem Ausschluss der Klägerin gleichstehen (Ersetzung der Klägerin durch die SABIV im Gesellschaftsvertrag und Streichung der Klägerin als Treuhandkommanditist in § 3 Abs. 2 GV).

2. Die Klage wäre nach bisherigem Sachstand auch begründet gewesen.

a. Es kann insoweit dahinstehen, ob – wie das Landgericht meint (LGU S. 7) – bei einer außerordentlichen Gesellschafterversammlung die für den Fall einer schriftlichen Abstimmung, durch die eine ordentliche Präsenzgesellschafterversammlung ersetzt werden soll, vorgesehene Zweiwochenfrist für die Erhebung eines Widerspruchs gegen die Durchführung einer schriftlichen Abstimmung durch mindestens 30% der Gesellschafter (§ 15 Abs. 1 S. 2 GV) auch für die Durchführung einer außerordentlichen Gesellschafterversammlung mit schriftlicher Abstimmung gilt und deshalb die in § 15 Abs. 4 S. 2 GV für außerordentliche Gesellschafterversammlungen vorgesehene Abkürzung der Einberufungsfrist auf 10 Tage bei schriftlichen Abstimmungen nicht zum Tragen kommt.

b. Denn jedenfalls war die Klage schon deshalb begründet, weil der Ausschluss der Klägerin einen wichtigen Grund voraussetzte und ein solcher nicht vorlag. Insoweit kann vollumfänglich auf die Ausführungen des Landgerichts im angegriffenen Urteil (LGU S. 8- 10) Bezug genommen werden, die der Senat teilt.

Die dagegen in der Berufung erhobenen Einwände der Beklagten hätten keinen Erfolg gehabt. Entgegen der Ansicht der Beklagten handelt es sich beim Treuhandkommanditisten nach den Regelungen des Gesellschaftsvertrages nicht um einen Gesellschafter minderen Rechts, der jederzeit ausgeschlossen werden könnte.

§ 27 GV, der in seinen Absätzen 1 und 3 die Möglichkeit des Ausschlusses eines Gesellschafters bei Vorliegen eines wichtigen Grundes durch Beschluss der Gesellschafterversammlung vorsieht, unterscheidet nämlich nicht zwischen dem Treuhandkommanditisten einerseits und anderen Gesellschaftern andererseits, sondern spricht nur einheitlich von Gesellschaftern. Dass der Treuhandkommanditist Gesellschafter ist, ergibt sich aus § 3 GV, der mit „Gesellschafter“ überschrieben ist und in seinem Abs. 2 lit b die Klägerin (wenn auch unter ihrer früheren Firma) ausdrücklich als Treuhandkommanditisten bezeichnet.

Die Regelung des Ausscheidens ohne die Notwendigkeit eines Gesellschafterbeschlusses in § 27 Abs. 2 S. 1 GV bezieht sich ausdrücklich nur auf die Komplementärin der Gesellschaft, nicht aber auch auf den Treuhandkommanditisten. Dass eine solche Differenzierung in den Ausschlussvoraussetzungen im Gesellschaftsvertrag gerade nicht vorgenommen werden soll, ergibt sich auch aus der von der Beklagten zu Unrecht zur Stützung ihrer Rechtsansicht herangezogenen Vorschrift des § 27 Abs. 5 GV. Denn dort wird stipuliert, dass § 27 Abs. 1, 3 und 4 GV entsprechend gelten sollen, „wenn der wichtige Grund nicht bei dem Treuhandkommanditisten, aber bei seinem Treugeber vorliegt“. Der Gesellschaftsvertrag geht somit ausdrücklich von der Notwendigkeit des Vorliegens eines wichtigen Grundes in der Person des Treuhandkommanditisten aus und stellt klar, dass auch ein Treugeber und damit ein nur mittelbar an der Gesellschaft Beteiligter bei Vorliegen eines wichtigen Grundes in seiner Person ausgeschlossen werden kann (womit der in § 5 Abs. 2 S. 2 GV erfolgten Gleichstellung von (Direkt) Kommanditisten und Treugebern Rechnung getragen wird).

Auch aus § 28 GV lässt sich eine Gleichbehandlung aller Gesellschafter hinsichtlich der Ausschlussvoraussetzungen entnehmen. Denn dort ist in Abs. 1 lit b geregelt, dass ein Gesellschafter aus der Gesellschaft ausscheidet, wenn „ihm das Gesellschaftsverhältnis aus wichtigem Grund gekündigt worden ist“. Von einer gesonderten Behandlung des Treuhandkommanditisten ist in § 28 GV nicht die Rede. Dort werden in Abs. 2 und 3 vielmehr nur (u.a.) die Folgen des Ausscheidens des Treuhandkommanditisten geregelt.

Aus der Gleichstellung der Treugeber mit den (Direkt) Kommanditisten in § 5 Abs. 2 S. 2 GV lässt sich nicht ableiten, dass der Treuhandkommanditist – was seinen Ausschluss anbelangt – einen geringeren Schutz genießt als alle anderen Gesellschafter.

Nach alldem waren die Kosten des Rechtsstreits der Beklagten aufzuerlegen, da sie voraussichtlich zur Gänze unterlegen wäre.

Löffler I www.K1.de I www.gesellschaftsrechtskanzlei.com I Gesellschaftsrecht I GmbHRecht I Erfurt I Thüringen I Sachsen I Sachsen-Anhalt I Hessen I Deutschland 2022

Schlagworte: Ausschluss des Gesellschafters, Ausschluss Kommanditist, Ausschluss- oder Einziehungsbeschluss, Rechtsfolgen des Ausschlusses, Wichtige Gründe für Ausschluss

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OLG München, Beschluss vom 01.12.2022 – 8 U 2112/22

Donnerstag, 1. Dezember 2022

§ 119a Abs. 1 Nr. 1 GVG, § 32 Abs. 1 KWG

1. Für die Frage, ob eine Streitigkeit aus Bank- und Finanzgeschäften gem. § 119a Abs. 1 Nr. 1 GVG vorliegt, kommt es nicht darauf an, ob das beteiligte Kredit- oder Finanzinstitut über eine Erlaubnis nach § 32 Abs. 1 KWG verfügt (Abweichung von KG, Beschluss vom 10.12.2018, Gz. 2 AR 58/18; Anschluss an BFH, Urteil vom 29.9.2020 – VIII R 17/17, Rn. 34).

2. Im Hinblick auf die Entscheidung des BGH vom 26. Juli 2022 (Gz. X ARZ 3/22), wonach gerichtsinterne Verweisungen an einen anderen Spruchkörper desselben Gerichts entsprechend § 281 II 4 ZPO für den anderen Spruchkörper bindend sind, dürfte eine Zuständigkeitsbestimmung in analoger Anwendung von § 36 I Nr. 6 ZPO zukünftig grundsätzlich nicht mehr in Betracht kommen.

Tenor

Der 8. Zivilsenat verneint seine Zuständigkeit als Kapitalanlagesenat und legt die Sache dem 5. Zivilsenat als Banksenat zur Übernahme vor.

Tatbestand

Begründung:

1

a) Den Feststellungen des Landgerichts zufolge macht die Klägerin hier gegen die Beklagte Ansprüche aus Darlehensvertrag geltend.

2

Die Parteien haben am 20./24.07.2018 den „Nachrangdarlehensvertrag zum Private Placement Mezzanine – Darlehen – Angebot der T. GmbH (K 1) über ein Nachrangdarlehen in Höhe von 50.000,- € geschlossen. Im Zusammenhang mit der Finanzierung einer Grundstücksbebauung in G. hatte die Firma T. am 17.04.2018 ein Kreditvertrag mit der V. Bank in Höhe von 9,7 Mio. Euro abgeschlossen. Zur Besicherung dieses Kreditvertrages wurde u.a. ein Bardepot in Höhe von 1 Mio. Euro vereinbart. Zur Finanzierung dieses Bardepots hat die Beklagte als Emittentin und Darlehensnehmerin 1 Mio. Euro Mezzanine-Kapital in Form von nachrangigen Darlehen u.a. von der Klägerin als Darlehensgeberin aufgenommen, um sie sodann einem Gesellschafter der T. GmbH für die Erbringung des Bardepots wiederum als Darlehen zur Verfügung zu stellen.

3

Die Klägerin verlangt mit ihrer Klage von der Beklagten nach Fristablauf Rückzahlung des Darlehens und weitere Zinsen, was die Beklagte unter Berufung auf die Nachrangvereinbarung verweigert. Das Landgericht hat den Nachrang für unwirksam gehalten (vgl. LGU S. 6) und der Klage deshalb stattgegeben. Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten.

4

b) Das Verfahren wurde dem 8. Zivilsenat von der Einlaufstelle des OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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als Kapitalanlagesache zugewiesen (Bl. 141 d.A.).

5

(1) Mit Verfügung vom 19.05.2022 leitete der Vorsitzende des 8. Zivilsenats die Akte der Einlaufstelle zu, mit der Bitte um Zuteilung des Verfahrens im Bankturnus und Übernahme durch den Vorsitzenden des zu bestimmenden Banksenats, weil es sich nicht um eine Kapitalanlagesache handele, sondern um eine Banksache. Es liege ein Einlagengeschäft i.S.v. § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 KWG vor. Das Vorliegen gewerbsmäßigen Handelns ergebe sich schon aus dem Finanzierungszweck und aus dem Umfang. Eine Erlaubnis nach § 32 KWG sei nach der Entscheidung des Präsidiums vom 16.03.2020, Az. 8 U 4518/19, nicht Voraussetzung dafür, dass eine Banksache i.S.d. Geschäftsverteilungsplans vorliege.

6

(2) Die Einlaufstelle leitete sodann das Verfahren im Sonderturnus für Banksachen dem 5. Zivilsenat zu. Mit Verfügung vom 01.06.2022 lehnte der Vorsitzende des 5. Zivilsenats die Übernahme des Verfahrens als Banksache ab, da keine Streitigkeit aus Bank- und Finanzgeschäften nach § 119a Abs. 1 Nr. 1 GVG vorliege. Die Auslegung des § 119a Abs. 1 Nr. 1 GVG obliege nicht länger dem Präsidium, sondern der Rechtsprechung, weshalb eine Vorlage nach § 36 ZPO geboten sei.

7

(3) Im Hinblick auf die entsprechende Änderung der Spruchpraxis des Präsidiums in der Entscheidung vom 05.08.2022 vertrat der Vorsitzende des 8. Zivilsenats in der Verfügung vom 22.08.2022 nunmehr die Auffassung, dass jedenfalls keine Kapitalanlagesache im Sinne des Geschäftsverteilungsplans vorliege, weshalb die Sache daher in den allgemeinen Turnus abzugeben sei. Die Einlaufstelle leitete sodann das Verfahren im allgemeinen Turnus dem 15. Zivilsenat zu. Dieser lehnte mit Beschluss vom 11.10.2022 die Übernahme des Verfahrens ab. Es sei Sache des 8. Zivilsenats, eine Entscheidung des BayObLG nach § 36 ZPO zur Frage herbeizuführen, ob eine Streitigkeit aus Bank- und Finanzgeschäften nach § 119a Abs. 1 Nr. 1 GVG vorliegt.

8

(4) Mit Verfügung vom 17.10.2022 leitete der Vorsitzende des 8. Zivilsenats die Akten dem Präsidium zu mit der Bitte, den gerichtsintern für die Zuständigkeitsbestimmung und ggf. Verweisung gem. § 119a GVG zuständigen Senat zu bestimmen. Es handele sich letztlich um einen Zuständigkeitskonflikt zwischen dem 5. Zivilsenat als Banksenat und dem 15. Zivilsenat als Turnussenat. Der 8. Zivilsenat sehe sich als sicher nicht zuständiger Kapitalanlagesenat nicht berufen, diesen Streit durch bindende Verweisung gem. § 119a GVG i.V.m. § 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO (vgl. BGH, Beschluss vom 26. Juli 2022, Gz. X ARZ 3/22) zu entscheiden.

9

(5) Das Präsidium hat mit Beschluss vom 27.10.2022 entschieden, dass es dem 8. Zivilsenat obliege, ein die Zuständigkeit bestimmendes Verfahren in Gang zu setzen.

10

(6) Im Hinblick darauf hat der Vorsitzende des 8. Zivilsenats die Beteiligten mit Verfügung vom 08.11.2022 zu einer beabsichtigten Verneinung seiner Zuständigkeit als Kapitalanlagesenat und Vorlage der Sache an den 5. Zivilsenat als Banksache angehört und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Die Klägerin hat sich der Auffassung des Senats angeschlossen, die übrigen Beteiligten haben sich nicht geäußert.

11

c) Um eine Kapitalanlagesache gem. Ziff. II.A.9 GVP OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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2022 handelt es sich jedenfalls nicht, da die Klägerin weitere Zahlungen aus dem Darlehensvertrag verlangt und sie nicht Ansprüche anlässlich des Abschlusses dieses Darlehensvertrags (also nicht “Ansprüche im Zusammenhang mit dem Erwerb“, wie in der Geschäftsverteilung vorgesehen) verfolgt.

12

d) Nach Auffassung des 8. Zivilsenats handelt es sich vielmehr um eine vorrangige (vgl. Ziff. II.A.9 GVP OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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2022) Banksache gem. § 119a Abs. 1 Nr. 1 GVG:

13

Gem. § 119a Abs. 1 Nr. 1 GVG sind für Streitigkeiten aus Bank- und Finanzgeschäften die bei den Oberlandesgerichten gebildeten sog. „Banksenate“ zuständig. Diese gesetzliche Zuweisung soll nach dem Willen des Gesetzgebers die unter § 72a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GVG-E genannten Streitigkeiten aus Bank- und Finanzgeschäften umfassen, an denen eine Bank, eine Sparkasse, ein Kredit- oder ein Finanzinstitut beteiligt ist“ (BT-Drs. 18/11437 S. 45; vgl. BeckOK GVG/Feldmann, 16. Ed. 15.8.2022, GVG § 72a Rn. 13).

14

(1) Vorliegend hat die Beklagte Bankgeschäfte in Form von Einlagegeschäften gem. §1 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 KWG getätigt.

15

Kennzeichen eines Einlagengeschäfts gem. § 1 I S. 2 Nr. 1 KWG ist die unbedingte Rückzahlbarkeit der Gelder. Unbedingt ist die Rückzahlung aber nur dann, wenn die Verlustteilnahme ausgeschlossen ist. Nimmt die Einlage am Verlust teil, handelt es sich um eine bedingte Rückzahlbarkeit. Es liegt dann keine Einlage iSd Nr. 1 vor. Das gilt entsprechend für partiarische Darlehen, Genussrechte und Nachrangdarlehen, wenn die Rückzahlung vom Erfolg des Unternehmens abhängt. Selbstverständlich begründen nur wirksame Nachrangklauseln eine bedingte Rückzahlbarkeit der Gelder. Häufig sind Nachrangklauseln jedoch wegen Verstößen gegen §§ 305 ff. BGB nicht wirksam einbezogen oder nichtig oder intransparent iSv § 307 Abs. 1 S. 2 BGB (Boos/Fischer/Schulte-Mattler/Schäfer, 5. Aufl. 2016, KWG § 1 Rz. 46).

16

Das hat das Landgericht hier angenommen, indem es den Nachrang für unwirksam gehalten (LGU S. 6) und der Klage deshalb stattgegeben hat. Die Annahme der fremden Gelder stellte somit ein Einlagengeschäft i.S.d. KWG und somit auch ein Bankgeschäft i.S.v. § 119a Abs. 1 Nr. 1 GVG dar. Jedenfalls kommt dies ernsthaft in Betracht, was zur Zuständigkeitsbegründung ausreichend wäre (vgl. Entscheidungen des Präsidiums des OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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vom 12.5.2015 zu 19 U 4743/14 und vom 16. März 2020 zu 8 U 4518/19).

17

(2) Dabei ist die Beklagte gem. § 1 Abs. 1 S. 1 KWG als „Kreditinstitut“ tätig geworden.

18

Kreditinstitute sind gem. § 1 Abs. 1 S. 1 KWG Unternehmen, die Bankgeschäfte gewerbsmäßig oder in einem Umfang betreiben, der einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert. Dass die Beklagte hier bei der Einwerbung der Darlehen gewerbsmäßig gehandelt hat, ergibt sich schon aus dem Finanzierungszweck, den zahlreichen Darlehensnehmern und aus deren Umfang.

19

(3) Darauf, ob die Beklagte über die nach § 32 Abs. 1 KWG notwendige Erlaubnis verfügte, kommt es nach dem Gesetzeswortlaut und dem Willen des Gesetzgebers für die Zuständigkeitsbestimmung nicht an:

20

Nach § 32 Abs. 1 KWG bedarf der schriftlichen Erlaubnis der Aufsichtsbehörde, wer im Inland gewerbsmäßig oder in einem Umfang, der einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert, Bankgeschäfte betreiben oder Finanzdienstleistungen erbringen will. Nach dem klaren Gesetzeswortlaut und der Gesetzessystematik ist das Erfordernis einer sog. „Bankerlaubnis“ somit nicht Tatbestandsvoraussetzung für ein Bankgeschäft, sondern dessen Rechtsfolge. Das Fehlen der aufsichtsrechtlichen Genehmigung nach § 32 KWG steht der Qualifikation eines Unternehmens als Finanzdienstleistungsinstitut somit nicht entgegen. Denn das Vorliegen einer derartigen Erlaubnis begründet nicht die Eigenschaft als Finanzdienstleistungsinstitut. Hierfür ist allein die Erfüllung der Merkmale des § 1 I a KWG maßgebend (BFH, Urteil vom 29.9.2020 – VIII R 17/17, Rn. 34).

21

Mit der Auslegung des § 119a GVG a. F. wird eine Entscheidung über den gesetzlichen Richter getroffen. Die Auslegung hat sich daher möglichst nah am Wortlaut und am Willen des Gesetzgebers zu orientieren (BayObLG Beschluss vom 21.3.2022 – 102 AR 196/21, NJW 2022, 2849, beck-online; BayObLG, Beschluss vom 15. September 2020, 101 AR 99/20, juris Rn. 32; vgl. Fischer in BeckOK ZPO, § 348 Rn. 16).

22

Das verkennt z.B. das Kammergericht, wenn es annimmt, dass nach der gebotenen formalen Abgrenzung ausschlaggebend sei, ob die betreffende Partei über eine nach § 32 Abs. 1 KWG notwendige Erlaubnis verfüge (Beschluss vom 10.12.2018, Gz. 2 AR 58/18, Rz. 10, BeckRS 2018, 41035). Es mag sein, dass sich i.d.R durch Einsicht in das von der BaFin gem. § 32 Abs. 5 KWG zu führende Institutsregister einfach und schnell feststellen lässt, ob einem Beteiligten eine Bankerlaubnis erteilt wurde. Das ändert allerdings nichts daran, dass nach dem KWG dieses Erlaubnis gerade nicht konstitutiv für das Vorliegen eines Kreditinstituts ist (s.o.) und nach dem Willen des Gesetzgebers auch nicht sein sollte (vgl. BT-Drs. 18/11437, 45, wonach „Die unter §72a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GVG-E genannten Streitigkeiten aus Bank- und Finanzgeschäften Streitigkeiten umfassen, an denen eine Bank, eine Sparkasse, ein Kredit- oder ein Finanzinstitut beteiligt ist“, und nicht etwa eine Bank etc., der auch eine entsprechende Erlaubnis erteilt wurde).

23

e) Damit wäre bisher – falls der 5. Zivilsenat weiterhin anderer Ansicht sein sollte und sich ebenfalls förmlich für unzuständig erklären sollte – eine Zuständigkeitsbestimmung durch das BayObLG gem. § 36 ZPO erforderlich geworden.

24

Denn § 36 ZPO gilt nicht nur für die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit, sondern ist entsprechend auf die Bestimmung der gesetzlich festgelegten funktionellen Zuständigkeit anzuwenden. Dies gilt insbesondere für die Fälle, in denen zwei Spruchkörper eines Gerichts unterschiedlicher Auffassung darüber sind, ob die Voraussetzungen des § 72a GVG oder des § 119a GVG vorliegen (z.B. BayObLG, Beschluss vom 24.10.2019 – 1 AR 118/19).

25

Dieser Weg dürfte aber nach neuester Rspr. des BGH nunmehr versperrt sein: Bei einem negativen Kompetenzkonflikt zwischen Spruchkörpern desselben Gerichts ist der zuständige Spruchkörper in analoger Anwendung von § 36 I Nr. 6 ZPO zu bestimmen, wenn die Zuständigkeit zumindest eines an einem Kompetenzkonflikt beteiligten Spruchkörpers auf einer gesetzlichen Zuständigkeitsregelung (hier: § 119a I GVG) beruht und die Entscheidung des Konflikts von deren Reichweite und nicht von der Auslegung des Geschäftsverteilungsplans abhängt. Hat ein Spruchkörper in einer solchen Konstellation seine Zuständigkeit durch einen den Parteien bekanntgegebenen Beschluss verneint und die Sache dem nach seiner Auffassung zuständigen Spruchkörper zur Übernahme vorgelegt, ist diese Entscheidung entsprechend § 281 II 4 ZPO für den anderen Spruchkörper bindend (BGH, Beschluss vom 26. Juli 2022, Gz. X ARZ 3/22, NJW 2022, 2936 m. – zu Recht – abl. Anm. Vossler). Eine Zuständigkeitsbestimmung durch das übergeordnete Gericht dürfte dann aufgrund dieser Bindungswirkung wohl nicht mehr in Betracht kommen.

26

Daher musste der Senat nunmehr den vom BGH vorgezeichneten Weg einschlagen, seine Zuständigkeit als Kapitalanlagesenat durch förmlichen Beschluss nach Anhörung der Parteien verneinen und die Sache dem 5. Zivilsenat als Banksenat zur Übernahme vorlegen.

Löffler I www.K1.de I Gesellschaftsrecht I Gesellschafterversammlung I M&A I Unternehmenskauf I Erfurt I Thüringen I Sachsen I Sachsen-Anhalt I Hessen I Deutschland 2022

Schlagworte: Bank, Erlaubnispflicht § 32 Abs. 1 KWG

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OLG München, Urteil vom 30.11.2022 – 7 U 4270/20

Mittwoch, 30. November 2022

1. Es isz zwar grundsätzlich richtig, dass eine Abrede regelmäßig erst mit einer Einigung über alle offenen Punkte getroffen wird (vg. § 154 f. BGB. Dies ist jedoch nicht zwingend, denn es steht den Parteien frei, auch ohne abschließende Regelung aller Details eine Abrede rechtsverbindlich zu treffen. Dies ist namentlich dann anzunehmen, wenn die Parteien eine Vereinbarung in Vollzug setzen.

2. Kern einer jeder (fremdnützigen) Treuhandabrede ist Vertrauen; anderenfalls würde man den Treunehmer nicht die Rechtsstellung des Verfügungsberechtigten anvertrauen. Vertrauen sprich daher nicht gegen die Annahme eines Rechtsbindungswillens. Ob ein Rechtsgeschäft begründet wurde oder nicht, bestimmt sich (gerade im Bereich einer unentgeltlichen Treuhand) danach, welche Bedeutung ein Geschäft für die Parteien hatte.

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen, soweit das Landgericht München I in seinem Urteil vom 23.06.2020, Az. 13 HK O 16853/18, die Klage in Ziff. 1 der Anträge abgewiesen hat.

2. Im Übrigen wird das Urteil des Landgerichts München I vom 23.06.2020, Az. 13 HK O 16853/18, auf die Berufung der Klägerin aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Berufung, an das Landgericht zurückverwiesen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

Entscheidungsgründe

A.

1

Die Klägerin macht Ansprüche aus einem behaupteten Treuhandvertrag auf Herausgabe von Geschäftsanteilen an der Firma A. T.C. GmbH sowie im Wege der Stufenklage Ansprüche auf Auskunft und Herausgabe des aus der Treuhänderstellung Erlangten geltend.

2

Die jeweiligen Geschäftsführer und Alleingesellschafter der Klägerin (A. M.) und der Beklagten (Ph. We.) sind gemeinsam mit P. Wi. zu jeweils einem Drittel an der im Januar 2015 gegründeten Firma E. C. P. GmbH (im Folgenden: E. beteiligt. Mit Vertrag vom 29.08.2016 übernahm diese Firma 100% der Geschäftsanteile an der V.Holding GmbH, der 100%-igen Muttergesellschaft der V.-Gruppe. Von den insgesamt 25.000 Geschäftsanteilen an der Holding verkaufte und übertrug die E. mit Vertrag vom 11.10.2016 16.750 Geschäftsanteile an fünf externe Investoren. Gleichzeitig war entsprechend Ziffer 6 der Gesellschaftervereinbarung vom 11.10.2016 (Anlage K2) beabsichtigt, dass die E. die ihr verbliebenen Geschäftsanteile an der Holding auf eine andere Gesellschaft übertrage, an der die derzeitigen Gesellschafter der E. mittelbar über ihnen zu 100% gehörende Gesellschaften beteiligt sein sollten.

3

Im November 2016 planten die Parteien gemeinsam mit P. Wi. die Gründung dieser neuen Gesellschaft, deren Gründungsgesellschafter die Parteien (als vermögensverwaltende Gesellschaften von Herrn Mü. und von Herrn We.) sowie die GmbH von Herrn Wi. (MJP GmbH) jeweils zu gleichen Anteilen sein sollten. Von der ursprünglich geplanten unmittelbaren Beteiligung der Klägerin an der A. T.C. GmbH wurde sodann auf Anraten der Anwälte der E. wegen der bevorstehenden Ehescheidung des Geschäftsführers der Klägerin abgesehen. Stattdessen sollte die Klägerin eine (Call-)Option auf Übertragung jeweils eines Sechstels der Geschäftsanteile von der Beklagten und der MJP GmbH erhalten. Im Anschluss fragte Herr W. den anwaltlichen Berater, ob die Ausgestaltung als Call Option aufwändig sei (Anlage K7); dieser antwortete, dass eine Call Option der notariellen Beurkundung bedürfe (Anlage K8).

4

Am 25.11.2016 übersandte der Geschäftsführer der Klägerin an Ph. We. und P. Wi. eine Mail (Anlage K9) mit folgendem Wortlaut: „Für mich so ok. Philipp kann mein Drittel bis zum Ende des anderen Problems wie besprochen halten. Die Details dazu regeln wir intern.“ Mit Mail vom 28.11.2016 (Anlage K10) schrieb Philipp We.: „Liebe alle, aus technischen Gründen haben wir beschlossen, dass ich zunächst 2/3 nehme.“ Ebenfalls am 28.11.2016 (Anlage K10) schrieb er an den anwaltlichen Vertreter sowie an den Geschäftsführer der Klägerin: „Wir sparen uns das ganze Call Option Gedöns. A. ist so leichtsinnig und vertraut mir jetzt …“.

5

Mit notariellem Vertrag vom 05.12.2016 (Anlage K3a) wurde sodann die Firma A. T.C. GmbH gegründet, an welcher die Beklagte 18.000 der Geschäftsanteile mit einem Nennbetrag in Höhe von jeweils 1,00 € übernahm und die Firma MJP GmbH 9.000 Geschäftsanteile.

6

Mit notariellem Vertrag vom 27.12.2016 (Anlage K3b) trat die E. die ihr verbliebenen 8.250 Geschäftsanteile an der Holding an die Firma A. T.C. GmbH gegen Zahlung eines marktgerechten Kaufpreises in Höhe von 59.400 € ab. Der Verkauf unterlag auf Seiten der E. dem Erfordernis eines einstimmigen Gesellschafterbeschlusses.

7

Mit Schreiben vom 17.09.2017 (Anlage K15) forderte der Geschäftsführer der Klägerin den Geschäftsführer der Beklagten auf, die für ihn treuhänderisch gehaltenen Geschäftsanteile der A. T.C. GmbH auf ihn zu übertragen. Mit anwaltlichen Schreiben vom 26.10.2017 (Anlage K16) kündigte die Klägerin das Treuhandverhältnis gegenüber der Beklagten.

8

Mit notariellem Vertrag vom 15.12.2017 übertrug die Beklagte ihre Geschäftsanteile Nummer 9.001-18.000 an der Firma A. T.C. GmbH auf die Firma O.T. A. GmbH. Wohl im Mai 2022 hat die A. T.C. GmbH ihre verbliebenen Geschäftsanteile an der Holding auf die INOS …58 GmbH, eine Gesellschaft der G.-Gruppe, verkauft.

9

Die Klägerin behauptet, sie habe mit der Beklagten am 25.11.2016 einen mündlichen Treuhandvertrag abgeschlossen. Statt der zunächst geplanten Call Option sei zur Vermeidung des Aufwandes und der Kosten bei dieser Option zwischen den Parteien ein Treuhandvertrag über 1/3 der Anteile an der A. T.C. GmbH geschlossen worden. Dieses Treuhandverhältnis sei Dritten gegenüber bestätigt worden; der Geschäftsführer der Klägerin sei wie ein Gesellschafter behandelt worden.

10

Die Klägerin ist der Auffassung, dass ihr nach Kündigung des Treuhandverhältnisses einerseits bezüglich der treuhänderisch gehaltenen Anteile an der T.C. GmbH ein Herausgabeanspruch gemäß § 667 BGB und ihr andererseits aufgrund des Treuhandverhältnisses die geltend gemachten Auskunftsansprüche gemäß § 666 BGB in Verbindung mit § 51a GmbHG und entsprechende Zahlungsansprüche zustünden.

11

Die Klägerin beantragte in erster Instanz zuletzt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin die Geschäftsanteile Nr. 1 bis 9000 im Nennbetrag von jeweils EUR 1,00 und insgesamt zu nominal EUR 9.000,00 an der A. T.C. GmbH, C.straße 2a, … München, AG München, HRB …20, herauszugeben sowie alle weiteren von der Beklagten gehaltenen Geschäftsanteile an der A. T.C. GmbH insoweit, dass die damit herauszugebenden Geschäftsanteile bis zu, aber nicht mehr als einem Drittel der gesamten Geschäftsanteile an der A. T.C. GmbH betragen, und die entsprechende Abtretung zu erklären und zwar Zug um Zug gegen Erstattung bzw. Zahlung von EUR 19.800,00.

2. Hilfsweise für den Fall, dass der Antrag gemäß Ziffer 1. keinen Erfolg hat: Der Beklagten wird geboten, ein Drittel der Geschäftsanteile an der A. T.C. GmbH mit dem Sitz in M. zu bestimmen und die bestimmten Geschäftsanteile an die Klägerin abzutreten und zwar Zug um Zug gegen Erstattung bzw. Zahlung von EUR 19.800,00.

3. Die Beklagte wird verurteilt, über die an die Klägerin zu übertragenden, also die treuhänderisch gehaltenen Geschäftsanteile für den Zeitraum seit Gründung der A. T.C. GmbH am 05.12.2016 abzurechnen und alle der Abrechnung zugrunde liegenden oder die zu übertragenden Geschäftsanteile betreffenden Informationen und Unterlagen offenzulegen und zugänglich zu machen und insbesondere:

Auskunft zu erteilen über die Jahresabschlüsse 2016 und 2017 der A. T.C. GmbH und diese vorzulegen;

Auskunft zu erteilen über Gegenstand und Inhalt der seit Gesellschaftsgründung der A. T.C. GmbH am 05.12.2016 gefassten Gesellschafterbeschlüsse, insbesondere die Gewinnverwendungsbeschlüsse, sowie alle Protokolle von Gesellschafterversammlungen und -beschlüssen seit dem 05.12.2016 vorzulegen;

Auskunft zu erteilen über alle Geschäftsführungsmaßnahmen auf Ebene der A. T.C. GmbH seit dem 05.12.2016 sowie alle seitdem erfolgten (offenen und/oder verdeckten) Gewinnausschüttungen;

Auskunft zu erteilen über die wirtschaftliche Lage der A. T.C. GmbH, insbesondere mit Blick auf die Liquidität und den Erhalt des Stammkapitals;

Auskunft zu erteilen über die wirtschaftliche Lage der V.T.Holding GmbH mit Sitz in M., AG München …75, als Beteiligungsgesellschaft der A. T.C. GmbH und alle bei dieser seit dem 27.12.2016 erfolgten (verdeckten und/oder offenen) Gewinnausschüttungen;

Auskunft zu erteilen über alle auf Ebene der V. Holding GmbH erfolgten Gesellschafterbeschlüsse und relevanten Geschäftsführungsmaßnahmen seit dem 27.12.2016;

Auskunft zu erteilen über die Übertragung der Geschäftsanteile Nummer 1 bis 2347 im Nennbetrag von jeweils EUR 1,00 und insgesamt zu nominal EUR 2.347,00 an der V. Holding GmbH, die ursprünglich von der A. T.C. GmbH gehalten wurde, auf die B.F.H1 UG (haftungsbeschränkt), E.straße 106, … P…, AG Köln, HRB …81, und die diesbezüglichen Übertragungsdokumente und zugehörigen Unterlagen vorzulegen.

4. Die Beklagte wird verurteilt, erforderlichenfalls die Richtigkeit und Vollständigkeit ihrer Angaben nach dieser Ziffer 2. [sic] an Eides statt zu versichern.

5. Die Beklagte wird verurteilt, alles herauszugeben, was sie, insbesondere nach der Auskunft nach Ziffer 2. [sic], aus der Treuhänderstellung an den Geschäftsanteilen an der A. T.C. GmbH seit dem 05.12.2016 erlangt hat.

12

Die Beklagte beantragte,

die Klage abzuweisen.

13

Die Beklagte behauptet, zwischen den Parteien sei kein Treuhandverhältnis zustande gekommen. Grund dafür, dass die Klägerin und ihr Geschäftsführer letztlich nicht an der A. T.C.GmbH beteiligt worden seien, seien finanzielle Schwierigkeiten des Geschäftsführers der Klägerin gewesen. Der Geschäftsführer der Beklagten habe dem Geschäftsführer der Klägerin bereits mehrfach Darlehen zur Verfügung gestellt, welche dieser trotz Kündigung nicht zurückbezahlt habe. Der Klägerin sei deshalb nur in Aussicht gestellt worden, dass eine zukünftige Beteiligung zu Einstandskonditionen möglich sei, wenn deren Geschäftsführer als Geschäftsführer einer der V.-Gesellschaften performe. Die Klägerin habe sich finanziell auch nicht beteiligt; die Finanzlücke sei durch die finanzstärkere Beklagte ausgefüllt worden. Zu der in Aussicht gestellten Beteiligung der Klägerin sei es unter anderem wegen schwerwiegender Pflichtverletzungen des Geschäftsführers der Klägerin in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer einer der Gesellschaften der V.-Gruppe nicht mehr gekommen.

14

Die Beklagte hält die klägerseits behauptete Vereinbarung eines Treuhandverhältnisses, um einen Zugriff der Ehefrau des Geschäftsführers der Klägerin auf die V.-Beteiligung zu verhindern, für Sittenwidrig und damit nichtig.

15

Das Landgericht hat die Klage mit Urteil vom 23.06.2020, auf dessen Tatbestand und Entscheidungsgründe ergänzend Bezug genommen wird (§ 540 ZPO), abgewiesen. Bereits nach dem eigenen Vortrag der Klägerin könne nicht davon ausgegangen werden, dass bei der Besprechung am 25.11.2016 ein Treuhandvertrag zwischen den Parteien zustande gekommen sei. Insbesondere ergebe sich aus der E-Mail des Herrn M. vom 25.11.2016 (Anlage K9), dass es noch der Regelung von Details bedurft habe. Wesentliche Regelungen für die behauptete Treuhandabrede fehlten in der Tat. Die Voraussetzung für eine Parteieinvernahme des Geschäftsführers der Klägerin gemäß §§ 447f. ZPO lägen mangels einer Anfangswahrscheinlichkeit nicht vor. Auch habe die Einvernahme der Zeugen Rie, Rin. und W. unterbleiben dürfen, da es sich lediglich um Zeugen vom Hörensagen handele, die bestätigen sollten, der Geschäftsführer der Beklagten habe auf einer Feier bzw. einem Meeting ihnen gegenüber bestätigt, dass er 11% der Anteile an der V.T. Holding GmbH von Herrn M. treuhänderisch übernommen habe. Diese Angaben könnten als wahr unterstellt werden, änderten aber nichts daran, dass wesentliche Absprachen zu dem behaupteten Treuhandverhältnis bezüglich der Anteile an der neu zu gründenden Firma A. T.C. GmbH nicht getroffen worden seien.

16

Gegen dieses ihr am 26.06.2020 zugestellte Urteil richtet sich die mit elektronischem Schriftsatz vom 22.07.2020 eingelegte und mit elektronischem Schriftsatz vom 20.08.2020 begründete Berufung der Klägerin. Mit ihr verfolgt sie ihr erstinstanzliches Begehren bei Erweiterung der verlangten Auskünfte und Stellung zusätzlicher Feststellungsanträge unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags weiter.

17

Die Klägerin beantragt zuletzt (Schriftsätze vom 20.08.2020, Bl. 185f. d.A., und vom 23.09.2022, Bl. 248f. d.A., sowie Protokoll vom 05.10.2022, Bl. 289 d.A), die Beklagte unter Abänderung des Urteils des Landgerichts München I von 26.06. 2020 wie folgt zu verurteilen:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin die Geschäftsanteile Nummer 1 bis 9000 im Nennbetrag von jeweils EUR 1,00 und insgesamt zu nominal EUR 9.000,00 an der A.T.C. GmbH, C.straße 2a, … M., AG München, HRB …20, herauszugeben sowie alle weiteren von der Beklagten gehaltenen Geschäftsanteile an der A. T.C. GmbH insoweit, dass die damit herauszugebenden Geschäftsanteile bis zu, aber nicht mehr als einem Drittel der gesamten Geschäftsanteile an der A. T.C. GmbH betragen, und die entsprechende Abtretung zu erklären und zwar Zug um Zug gegen Erstattung bzw. Zahlung von EUR 19.800,00.

2. Hilfsweise für den Fall, dass der Antrag gemäß Ziffer 1. keinen Erfolg hat: Der Beklagten wird geboten, ein Drittel der Geschäftsanteile an der A. T.C. GmbH mit dem Sitz in M. zu bestimmen und die bestimmten Geschäftsanteile an die Klägerin abzutreten und zwar Zug um Zug gegen Erstattung bzw. Zahlung von EUR 19.800,00.

3. Die Beklagte wird verurteilt, über die an die Klägerin zu übertragenden, also die treuhänderisch gehaltenen Geschäftsanteile für den Zeitraum seit Gründung der A.T.C.GmbH am 05.12.2016 abzurechnen und alle der Abrechnung zugrunde liegenden oder die zu übertragenden Geschäftsanteile betreffenden Informationen und Unterlagen offenzulegen und zugänglich zu machen und insbesondere:

Auskunft zu erteilen über die Jahresabschlüsse 2016, 2017, 2018, 2019, 2020 und 2021 der A. T.C. GmbH und diese vorzulegen;

Auskunft zu erteilen über Gegenstand und Inhalt der seit Gesellschaftsgründung der A. T.C. GmbH am 05.12.2016 gefassten Gesellschafterbeschlüsse, insbesondere die Gewinnverwendungsbeschlüsse, sowie alle Protokolle von Gesellschafterversammlungen und -beschlüssen seit dem 05.12.2016 vorzulegen;

Auskunft zu erteilen über alle Geschäftsführungsmaßnahmen auf Ebene der A.T.C. GmbH seit dem 05.12.2016 sowie alle seitdem erfolgten (offenen und/oder verdeckten) Gewinnausschüttungen;

Auskunft zu erteilen über die wirtschaftliche Lage der A. T.C. GmbH, insbesondere mit Blick auf die Liquidität und den Erhalt des Stammkapitals;

Auskunft zu erteilen über die wirtschaftliche Lage der V. Holding GmbH mit Sitz in M., AG München HRB …75, als Beteiligungsgesellschaft der A. T.C. GmbH und alle bei dieser seit dem 27.12.2016 erfolgten (verdeckten und/oder offenen) Gewinnausschüttungen;

Auskunft zu erteilen über alle auf Ebene der V. Holding GmbH erfolgten Gesellschafterbeschlüsse und relevanten Geschäftsführungsmaßnahmen seit dem 27.12.2016;

Auskunft zu erteilen über die Übertragung der Geschäftsanteile Nummer 1 bis 2347 im Nennbetrag von jeweils EUR 1,00 und insgesamt zu nominal EUR 2.347,00 an der V. Holding GmbH, die ursprünglich von der A. T.C. GmbH gehalten wurde, auf die B. F. H1 UG (haftungsbeschränkt), E.straße 106, … P., AG Köln, HRB …81, und die diesbezüglichen Übertragungsdokumente und zugehörigen Unterlagen vorzulegen;

Auskunft zu erteilen über den Verkauf und die Übertragung der Geschäftsanteile Nr. …48 bis …50 und Nr. 12.526 bis 13.664 im Nennbetrag von jeweils EUR 1,00 und insgesamt zu nominal EUR 7.040,00 an der V… Holding GmbH, die bisher von der A.T.C. GmbH gehalten wurden, und zwar insbesondere an bzw. auf die INOS …58 GmbH sowie die Dokumente, die den Verkauf (einschließlich Kaufpreis) und die Übertragung beinhalten, vollständig vorzulegen.

4. Die Beklagte wird verurteilt, erforderlichenfalls die Richtigkeit und Vollständigkeit ihrer Angaben nach Ziffer 3. an Eides statt zu versichern.

5. Die Beklagte wird verurteilt alles herauszugeben, was sie, insbesondere nach der Auskunft nach Ziffer 3., aus der Treuhänderstellung an den Geschäftsanteilen an der A. T.C.GmbH seit dem 05.12.2016 erlangt hat.

6. Es wird festgestellt, dass seit der Errichtung der A. T.C. GmbH zwischen der Beklagten als Treuhänderin und der Klägerin als Treugeberin ein Treuhandverhältnis besteht und aufgrund dieses Treuhandverhältnisses die Beklagte Geschäftsanteile im Umfang von einem Drittel des Stammkapitals an der A. T.C. GmbH treuhänderisch für die Klägerin hält.

7. Hilfsweise für den Fall, dass der Antrag nach Ziffer 6. keinen Erfolg hat: Es wird festgestellt, dass seit der Errichtung der A. T.C. GmbH zwischen der Beklagten als Treuhänderin und Herrn M. als Treugeber ein Treuhandverhältnis besteht und aufgrund dieses Treuhandverhältnisses die Beklagte Geschäftsanteile im Umfang von einem Drittel des Stammkapitals an der A. T.C. GmbH treuhänderisch für Herrn M. hält.

18

Die Klägerin beantragt ferner die Zurückverweisung des Verfahrens an das Landgericht.

19

Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat klargestellt, dass der Antrag Ziffer 2 auch eine Verurteilung zu Übertragung eines Drittels der Geschäftsanteile an der A.T.C.GmbH Zug um Zug gegen Zahlung von EUR 19.800,00 umfasst.

20

Die Beklagte beantragt die Zurückweisung der Berufung.

21

Sie verteidigt das landgerichtliche Urteil. Der erweiterten Antragstellung in der Berufungsinstanz stimmt sie nicht zu.

22

Der Senat hat über die Berufung am 05.10.2022 mündlich verhandelt. Auf die Sitzungsniederschrift und die gewechselten Schriftsätze einschließlich des der Beklagten nachgelassenen Schriftsatzes vom 15.11.2022 wird ergänzend Bezug genommen.

B.

23

Die zulässige Berufung der Klägerin hat weitgehend Erfolg und führt insoweit zur Aufhebung des landgerichtlichen Urteils und zur Zurückverweisung an das Landgericht (dazu unter II.). Lediglich die Abweisung von Ziff. 1 der Klage hat Bestand (dazu unter I.).

I.

24

Keinen Erfolg hat die Berufung gegen die Abweisung von Ziff. 1 der Klage. Selbst die von der Klageseite behauptete Treuhandabrede unterstellt, hat die Klageseite allenfalls Anspruch auf Herausgabe eines Drittels der Geschäftsanteile an der A. T.C. GmbH, in keinem Fall aber Anspruch auf konkret benannte Geschäftsanteile. Der Umstand, dass die Beklagte zur Zeit selbst nur die konkret benannten Anteile innehat, ändert daran nichts. Auch insoweit stünde es der Beklagten frei, andere Anteile zu beschaffen und zu übertragen.

II.

25

Im Übrigen hat die Berufung Erfolg und führt zur Aufhebung und zur Zurückverweisung des Verfahrens. Mit der vom Landgericht gegebenen Begründung durfte es die Klage nicht abweisen; es hätte vielmehr die beantragte umfangreiche Beweisaufnahme zum Vorliegen einer Treuhandabrede durchführen müssen.

26

Das Landgericht hat angenommen, es könne nicht davon ausgegangen werden, dass die behauptete Treuhandabrede zustande gekommen sei. Dabei bleibt unklar, ob das Landgericht meint, auf der Basis des klägerischen Vortrags (und damit auf der Darlegungsebene) könne – abschließend – ein Treuhandverhältnis verneint werden, oder ob es, wie die Ausführungen zur unterbliebenen Beweisaufnahme nahelegen, die Klage deshalb abweist, weil es die Voraussetzungen der Beweisaufnahme für die einzelnen angebotenen Beweise (Parteieinvernahme bzw. Zeugeneinvernahme) verneint. Beide Sichtweisen tragen vorliegend nicht. Erstgenannte Sichtweise würde auf einer gehörswidrigen (Art. 103 Abs. 1 GG) und damit verfahrensfehlerhaften Verengung des klägerischen Parteivortrags beruhen; letztgenannte Sichtweise fasst ebenfalls verfahrensfehlerhaft die Voraussetzungen für eine Beweisaufnahme zu eng. Im Einzelnen:

27

1. Die Klagepartei behauptet eine verbindliche Abrede eines Treuhandverhältnis im Rahmen einer Besprechung zwischen den Geschäftsführern der hiesigen Parteien am 25.11.2016 und stellt diese – unmittelbar und mittelbar – unter Beweis.

28

2. Das Landgericht bringt Zweifel an, ob die Klagepartei mit diesem Vortrag überhaupt eine Abrede über sämtliche wesentlichen Elemente – die essentialia negotii – eines Treuhandverhältnisses behauptet hat. Unbeschadet der Frage, ob es insoweit nicht eines Hinweises des Landgerichts gemäß § 139 ZPO bedurft hätte, nimmt das Landgericht bei dieser Annahme gehörswidrig nicht hinreichend den Gesamtvortrag der Klagepartei in den Blick, wenn auch dem Landgericht zuzugeben ist, dass die Abrede für eine wirtschaftlich bedeutende Transaktion außergewöhnlich „dünn“ ist. Andererseits ist nicht zu verkennen, dass es sich um ein Geschäft unter langjährigen Geschäftspartnern und Freunden handelt, bei denen keine vergleichbare Regelungsdichte vor Abschluss einer Vereinbarung zu erwarten ist wie bei Verträgen zwischen fremden Dritten.

29

2.1. Konkret ergibt sich aus den Gesamtumständen, namentlich aus der Ziff. 6 der Gesellschaftervereinbarung (Anlage K2), aber auch aus der sonstigen Kommunikation (Anlage K5) und aus der tatsächlichen Beteiligung der vermögensverwaltenden Gesellschaften der Herren We. und Wi. an der A. T.C. GmbH, dass eine Beteiligung der vermögensverwaltenden Gesellschaften und nicht der Gesellschafter M., Wi. und We. angedacht war, somit als etwaiger Treuhänder die vermögensverwaltende Gesellschaft des Herrn We. und als Treugeber die vermögensverwaltende Gesellschaft des Herrn M., mithin die Klägerin, auftreten würden. Dass in der Außenkommunikation zwischen Gesellschaften und natürlichen Personen nicht scharf differenziert wurde, ändert daran nichts, ist vielmehr zwischen juristischen Laien üblich, erst recht wenn es sich um Gesellschaften im 100%-igen Eigentum des Gesellschafters handelt und dieser die Geschäftsführerstellung innehat (vgl. die Mail des Herrn W. vom 28.11.2016, 18:58 Uhr, Anlage K10: „dass ich zunächst 2/3 nehme“; gleichzeitig wird mitgeteilt, dass die Beklagte diese Anteile übernimmt).

30

2.2. Ebenso ergibt sich aus dem Gesamtkontext und der intendierten Gleichbehandlung aller Gesellschafterinnen, dass eine Beteiligung zu denselben Konditionen wie bei den übrigen Gesellschafterinnen angedacht war. Selbst die Beklagte trägt vor, es sei – wenn auch freiwillig – überlegt worden, die Klägerin bzw. Herrn M. zu einem späteren Zeitpunkt „zu Einstiegskonditionen“ zu beteiligen (Klageerwiderung, S. 12f., Bl. 32f. d.A.). Es ist im Übrigen auffällig, dass sie gegen die Höhe der Zug-um-Zug-Leistung, einem Drittel des von der A. T.C. GmbH zu erbringenden Kaufpreises für die Anteile an der V., keine Einwände erhoben hat. Dem entspricht die Kommunikation im Rahmen der Vorbereitung der Transaktion in der Anlage K8, dort unter 2a.

31

2.3. Schließlich fehlt es nicht an der Behauptung einer Abrede darüber, wann die Anteile herauszugeben sein sollten. Aus der Mail vom 25.11.2016 (Anlage K9) ist ersichtlich, dass eine formelle Beteiligung der Klägerin (spätestens) nach Abschluss des Scheidungsverfahrens – dem „Ende des anderen Problems“, wie es in der Mail formuliert ist – angedacht war. Gleiches ergibt sich aus den Planungen zur Call-Option (vgl. Mail des anwaltlichen Beraters vom 02.11.2016, K6: „um keine schlafenden Hunde – äh Ehefrauen – zu wecken“).

32

2.4. Das formelle Verfügungsrecht eines Treuhänders nach außen steht außer Frage.

33

2.5. Selbst die Frage, wann die „Einlage“ der Klägerin fällig werden sollte, hindert den Abschluss eines Treuhandvertrages nicht von vornherein, zumal als Auffangnorm § 670 BGB zur Verfügung steht. In der Berufungsinstanz hat die Klägerin konkret behauptet, die Beklagte habe die Vorfinanzierung übernommen. Dies mag im Vergleich zu einem klassischen Treuhandkommanditisten ungewöhnlich erscheinen, angesichts der konkreten, bereits erstinstanzlich vorgetragenen Umstände (Vereinnahmung des Kaufpreises für die Übertragung der Anteile an der V.-Gruppe durch die E., Rückzahlung von Darlehen durch diese; Mail des anwaltlichen Beraters vom 22.11.2016, K8 unter 2a mit der plakativen Beschreibung: „rechte Tasche, linke Tasche“), insbesondere auch angesichts des Umstandes, dass ursprünglich eine bloße Call-Option angedacht war, bei dem eine Einlage ebenfalls nicht sofort geflossen wäre, keineswegs fernliegend.

34

3. Die Annahme einer rechtsverbindlichen Vereinbarung hat die Klageseite auch nicht durch die vorgelegten Unterlagen selbst widerlegt.

35

3.1. Der Geschäftsführer der Klägerin hat in seiner Mail vom 25.11.2016 (Anlage K9) zwar erklärt, es sei für ihn in Ordnung, wenn Philipp sein Drittel bis zum Ende des anderen Problems wie besprochen halte; Details dazu würden intern geregelt.

36

Damit aber entwertet die Klagepartei nicht ihren Vortrag, bereits am 25.11.2016 sei eine verbindliche Abrede über ein Treuhandverhältnis getroffen worden, insbesondere dass die Klägerin grundsätzlich Anspruch auf Herausgabe von Anteilen an der T.C. GmbH habe. Eine Einigung ohne abschließende Regelung aller „Details“ ist rechtlich ohne Weiteres möglich; der Vortrag ist somit weder in tatsächlicher noch in rechtlicher Hinsicht widersprüchlich. Den Vortrag einer verbindlichen Treuhandabrede hätte das Landgericht nicht ohne Beweisaufnahme übergehen dürfen.

37

Zwar ist grundsätzlich richtig, dass eine Abrede regelmäßig erst mit einer Einigung über alle offenen Punkte getroffen wird (vgl. §§ 154f. BGB). Dies ist jedoch nicht zwingend. Den Parteien steht es frei, auch ohne abschließende Regelung aller Details eine Abrede rechtsverbindlich zu treffen. Dies ist namentlich dann anzunehmen, wenn die Parteien eine Vereinbarung in Vollzug setzen. Dies ist nach der Behauptung der Klagepartei mit der Gründung der A. T.C. GmbH und der Übertragung der Anteile an der V. von der EOS auf die Alpha T.C. geschehen. Dass nach der Behauptung der Klägerin essentilia negotii offen geblieben seien, trifft, wie bereits gezeigt, nicht zu.

38

3.2. Ebenso wenig kann ein Rechtsbindungswille ohne Beweisaufnahme unter Hinweis auf die Mail des Geschäftsführers der Beklagten vom 28.11.2016 (Anlage K10) verneint werden, der Geschäftsführer der Klägerin sei so leichtsinnig und vertraue ihm jetzt.

39

Für den Verfahrensfehler genügt, dass – in der Sichtweise des Landgerichts – bloßes Vertrauen ein Indiz gegen den fehlenden Rechtsbindungswillen bilden mag; eine abschließende Bewertung ist jedoch erst nach Durchführung der Beweisaufnahme möglich. Dies gilt erst recht, wenn die Formulierung vom Geschäftsführer der Beklagten stammt, die Aussage nicht originär von der Klageseite geäußert wurde.

40

In der Sache teilt der Senat das Argument nicht. Kern einer jeden (fremdnützigen) Treuhandabrede ist Vertrauen; anderenfalls würde man dem Treunehmer nicht die Rechtsstellung des Verfügungsberechtigten anvertrauen. Vertrauen spricht daher nicht gegen die Annahme eines Rechtsbindungswillens. Ob ein Rechtsgeschäft begründet wurde oder nicht, bestimmt sich (gerade im Bereich einer unentgeltlichen Treuhand) danach, welche Bedeutung ein Geschäft für die Parteien hatte. Hier handelt es sich um ein Geschäft der beruflichen Sphäre von nicht unerheblicher Bedeutung (nach dem Verständnis des Senats handelte es sich bei der V. um das einzige bedeutende Investitionsgut der E. mit Potential, mag es sich auch um ein spekulatives Wagnisgesschäft handeln). Schon diese Aspekte sprechen gegen die Annahme eines bloßen Gefälligkeitsverhältnisses ohne rechtsverbindlichen Anspruch auf Erfüllung. Der Umstand, dass kein schriftlicher Vertrag abgeschlossen wurde, mag ein Indiz begründen, das gegen eine rechtsverbindliche Absprache spricht; zwingend ist es nicht, zumal die Parteien im Rahmen von Darlehen (auch solchen, bei denen als Verwendungszweck auf den Überweisungen lediglich „bekannt“ angegeben war, vgl. B12) aufgrund des persönlichen Näheverhältnisses auf schriftliche Abreden verzichtet haben.

41

4. Eine Beweisaufnahme konnte auch nicht unter Berufung auf die beweisrechtlichen Vorschriften der Zivilprozessordnung unterbleiben:

42

4.1. Die Zeugen vom Hörensagen Rie., Rin. und Wei. (gegenbeweislich ggf. Herr We. als Partei) wären zu vernehmen gewesen. Dass es sich bei ihnen um Zeugen vom Hörensagen handelt, steht einer Beweisaufnahme nicht entgegen. Sie sollen eine eigene Wahrnehmung bekunden. Allein das macht den Zeugenbeweis statthaft.

43

Im Übrigen kann aus Sicht des Senats eine Abrede, wonach Herr We. die streitgegenständlichen Anteile an der T.C. GmbH teilweise treuhänderisch für die Klägerin hält, dann schwerlich verneint werden, sollte das Landgericht die Überzeugung gewinnen, die angebotenen Zeugen bekunden wahrheitsgemäß eine solche Angabe. Damit hätte der Geschäftsführer der Beklagten selbst eine entsprechende Verpflichtung eingeräumt. Zur Aktivlegitimation der Klägerin wurde bereits ausgeführt.

44

Der Zeugin Wi. kommt ein Beweiswert freilich nur zu, wenn entweder der Geschäftsführer der Beklagten selbst oder aber der Geschäftsführer der Klägerin unwidersprochen in Gegenwart des Geschäftsführers der Beklagten gegenüber der Zeugin gesagt haben sollte, dass die Klägerin bzw. ihr Alleingesellschafter mittelbar Beteiligter an der T.C. GmbH gewesen sei.

45

Soweit die Beklagte geltend macht, die Zeugen Rie und Rin. seien von der Klagepartei beeinflusst, ist dies eine Frage der Glaubwürdigkeit der Zeugen, die das Landgericht zu würdigen haben wird. Die Schreiben in den Anlagen K12 und K13 erfolgten, wie den Schreiben unmittelbar zu entnehmen ist, auf Bitte der Klagepartei. Dieser Umstand allein entwertet allerdings die Glaubhaftigkeit der Zeugen nicht. Vielmehr wird sich das Landgericht einen Eindruck aufgrund des Aussageverhaltens (und etwaiger sonstiger Interessen) verschaffen müssen.

46

4.2. Ebenso wenig konnte die Einvernahme des Geschäftsführers der Klägerin unterbleiben. Eine solche war – sogar unabhängig von Aussagen der genannten Zeugen – gemäß § 448 ZPO geboten. Dabei kann dahinstehen, ob schon der Umstand, dass es sich um eine 4-Augen-Situation handelte, das Landgericht zu einer Parteieinvernahme hätte veranlassen müssen. Jedenfalls kann eine Anfangswahrscheinlichkeit im Lichte sämtlicher Umstände nicht verneint werden:

47

4.2.1. Eine Anfangswahrscheinlichkeit ergibt sich bereits aus der Chronologie der Ereignisse. Der Allein-Gesellschafter und Geschäftsführer der Klägerin war neben dem Geschäftsführer der Beklagten und dem dritten Gesellschafter Wi. zu einem Drittel Gesellschafter der E. Diese wiederum hatte im August 2016 als Asset die Anteile der V. GmbH erworben und 2/3 der Anteile hieran an fünf Investoren verkauft. Hinsichtlich des verbleibenden Drittels war ausweislich der Gesellschaftervereinbarung vom 11.10.2016 geplant, diese Anteile an eine neu zu gründende Gesellschaft (die spätere T.C. GmbH) zu verkaufen, an denen die bisherigen Gesellschafter wiederum zu je einem Drittel, allerdings nunmehr mittelbar über vermögensverwaltende Gesellschaften beteiligt sein sollten. Mit Blick auf das Scheidungsverfahren des Geschäftsführers der Klägerin wurde der Plan sodann abgeändert. Nunmehr sollten die vermögensverwaltenden Gesellschaften der übrigen Gesellschafter die Anteile an der neuen Gesellschaft zu je ½ erhalten und der Klägerin eine Call-Option von je 1/6 gegen beide Gesellschafterinnen eingeräumt werden. Auch diese Konstruktion hätte der Klägerin die Möglichkeit einer Beteiligung eingeräumt. Dabei kann dahinstehen, ob die Abrede schon verbindlich getroffen war. Aus dem E-Mail-Verkehr ergibt sich zumindest eine Anfangswahrscheinlichkeit, dass die Planung bis zum 22.11.2016 (Anlage K7) fortbestand. An diesem Tag fragte der Geschäftsführer der Beklagten nach, ob die Call Option aufwändig sei. Der anwaltliche Vertreter wies auf die Formbedürftigkeit hin. In der Folge soll das streitgegenständliche Gespräch vom 25.11.2016 stattgefunden haben, bei dem nach dem Klägervortrag eine Treuhand vereinbart worden sein soll. Für ein solches Gespräch spricht, dass der Geschäftsführer am Folgetag mitteilte, dass es für ihn „ok“ sei, wenn Philipp (also – untechnisch gesprochen – die Beklagte) „sein“ Drittel „halte“. Die Diktion passt zu einem Treuhandverhältnis. Selbst nach Beklagtenvortrag hat der anwaltliche Vertreter zuvor mit den Parteien über eine Treuhandlösung gesprochen, wenngleich er hiervon abgeraten habe. Die Treuhand lag somit jedenfalls als Möglichkeit auf dem Tisch. Der Geschäftsführer der Beklagten widersprach schriftlich nicht. Vielmehr teilte er dem anwaltlichen Vertreter in seiner Mail vom 28.11.2016 (Anlage K10) mit, dass „aus technischen Gründen“ die Beteiligten beschlossen hätten, dass der Geschäftsführer der Beklagten „zunächst 2/3 nehme“. Es folgt die Mitteilung der zu beteiligenden Gesellschaften. Etwas später am selben Tag schreibt er an den Rechtsanwalt und auch an den Geschäftsführer der Klägerin: „Wir sparen uns das ganze Call Option Gedöns. Arvid ist so leichtsinnig und vertraut mir jetzt…“.

48

All das spricht indiziell für die klägerische Version, dass die Call Option durch eine andere Konstruktion ersetzt wurde. Diese Konstruktion ist zwanglos mit dem Vortrag der Klageseite zu einer Treuhandabrede in Einklang zu bringen (“halten“; „aus technischen Gründen“ übernehme die Beklagte „zunächst“ 2/3).

49

Ebenso spricht für eine Treuhandabrede die nunmehrige disquotale Verteilung von 2/3 für die Beklagte und 1/3 für die vermögensverwaltende Gesellschaft des Peter Wi. Es mag zutreffen, dass auch in der Vergangenheit disquotale Verteilungen vereinbart worden waren; im streitgegenständlichen Projekt war dies jedoch – auch im Rahmen der zunächst angedachten Call-Option – gerade nicht der Fall. Wie bereits oben dargelegt, kommt dem Umstand, dass die Klägerin ihr „Einlage“ (zunächst) nicht erbrachte, vorliegend kein entscheidendes Gewicht zu, der die Annahme dieser Konstruktion unplausibel machen würde, denn auch bei der Call-Option hätte die Klägerin zunächst die Einlage nicht erbringen müssen. Indiziell gegen die Beklagte spricht auch, dass noch am 22.11.2016 (Anlage K7), wohl sogar noch am 28.11.2016 (Anlage K10) – mithin nur wenige Tage vor der Gründung der A.T.C. GmbH am 05.12.2016 – nach den schriftlichen Unterlagen Einvernehmen über die Möglichkeit einer Beteiligung der Klägerin bestand. Eine mangelnde Liquidität der Klägerin oder ihres Geschäftsführers spielte offenbar keine Rolle.

50

4.2.2. Hinzu tritt folgende Überlegung, die ein gewichtiges Indiz für die Richtigkeit des klägerischen Vortrags bilden dürfte.

51

Der Geschäftsführer der Klägerin war zu einem Drittel an der E. beteiligt. Diese Beteiligung und damit seine mittelbare Beteiligung an der V.-Gruppe konnte ihm nicht genommen werden. Es ist nicht ersichtlich, warum er die Beteiligung hätte aus der Hand geben sollen. Insoweit wurde nicht bestritten, dass der Verkauf der Anteile an der V. GmbH durch die E. an die T.C. GmbH aufgrund des dort geltenden Einstimmigkeitserfordernisses gesellschaftsrechtlich der Zustimmung des Herrn von M. bedurft hätte. Die Gesellschaftervereinbarung vom 11.10.2016 (Anlage K2) enthält insoweit eine bloße Absichtserklärung der E., keine für sie verbindliche Regelung, überspielt damit auch nicht das gesellschaftsrechtliche Einstimmigkeitserfordernis. Verbindlich geregelt ist in der Gesellschaftervereinbarung die Zustimmung der übrigen Investoren zu einer Transaktion. Die Gesellschafter der E. sind als solche auch nicht Partei der Vereinbarung.

52

Bestätigt sich dies, würde zugleich das Argument der Beklagten zusammenbrechen, die Klageseite sei nicht hinreichend liquide gewesen. Denn auch ohne hinreichende Liquidität hätte die Klageseite einen Verkauf verhindern können.

53

Auch erschließt sich jedenfalls in dieser Konstellation nicht recht, warum sich die Klägerin bzw. ihr Geschäftsführer auf die vage, rechtlich unverbindliche Möglichkeit verweisen lassen sollte, sich zu beteiligen, falls er als Geschäftsführer bei der V. „performte“, zumal die Kriterien äußert vage bleiben.

54

4.3. Damit kommt es auf die Durchführung der Beweisaufnahme an. Die aufgezeigten Indizien sprechen zwar für die Klagepartei, begründen auch mehr als eine bloße Anfangswahrscheinlichkeit, einen Vollbeweis begründen sie nicht.

55

Im Rahmen der Prüfung der Glaubhaftigkeit der Aussagen der Zeugen und Parteien wird das Landgericht allerdings auch die Vereinbarkeit der Aussagen mit den schriftlichen Unterlagen in den Blick zu nehmen haben.

56

5. Die Beweisaufnahme kann nicht deshalb unterbleiben, weil die behauptete Abrede nichtig wäre.

57

5.1. Das Landgericht hat zutreffend unter Heranziehung der Entscheidung des BGH vom 12.12.2005 – II ZR 330/04 herausgearbeitet, dass ein – im Rahmen der hiesigen Prüfung zu unterstellender – Treuhandvertrag vor notarieller Gründung der Gesellschaft, hier der A. T.C. GmbH, keinen Formvorschriften unterliegt. Dies ziehen auch die Parteien nicht in Zweifel.

58

5.2. Die Vereinbarung wäre auch nicht Sittenwidrig, § 138 Abs. 1 BGB. Zwar ist denkbar, dass bewusste Vermögensverschiebungen zum Nachteil dritter Personen die Sittenwidrigkeit eines Vertrages grundsätzlich begründen können. So liegt der Fall aber nicht, so dass auch nicht näher beleuchtet werden muss, ob und inwieweit dem Procedere nach dem Anfechtungsgesetz Vorrang vor der Annahme einer Sittenwidrigkeit nach dem BGB zukäme.

59

Nach übereinstimmendem Vortrag der Parteien wurden die Anteile an der V. GmbH von der E. zu einem marktgerechten Preis von 59.000 € an die A. T.C. GmbH verkauft. Damit liegt in dieser Transaktion keine unlautere, die Ehefrau des Geschäftsführers der Klägerin (mittelbar) benachteiligende Vermögensverschiebung vor. Dann aber stand dem Geschäftsführer der Klägerin frei, sich unmittelbar, mittelbar über eine andere Gesellschaft oder auch nur in Form einer Treuhandvereinbarung an der T.C. GmbH zu beteiligen oder eine solche Beteiligung gänzlich zu unterlassen. Nach eigenem Bekunden hat er sich für die Treuhandbeteiligung entschieden. Das ist objektiv nicht zu beanstanden. In der Beteiligung liegt kein Nachteil für die Ehefrau, sondern sogar ein Vorteil, denn ohne eine Beteiligung ist dieser Vermögenswert von vornherein einer Berücksichtigung im Rahmen eines Zugewinnausgleichs entzogen. Schon dieser Umstand verbietet die Annahme einer Nichtigkeit wegen Sittenwidrigkeit. Irrelevant ist, ob der Geschäftsführer der Klägerin beabsichtigte, die Treuhandvereinbarung im Scheidungsverfahren seiner Ehefrau zu offenbaren oder nicht. Eine geplante spätere (möglicherweise strafbare) Nicht-Offenbarung eines Vermögensgeschäfts inkriminiert nicht den Erwerb als solchen.

60

Lediglich ergänzend sei darauf hingewiesen, dass eine Sittenwidrigkeit und damit Nichtigkeit das Treuhandverhältnis, das seiner Rechtsnatur nach ein Auftragsverhältnis darstellt, zu einer Geschäftsführung ohne Auftrag machen würde. Selbst bei einer unberechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag bestünden jedoch Herausgabeansprüche aus § 681 Satz 2 BGB iVm § 667 BGB (Sprau in Grüneberg, BGB, 81. Aufl., § 681 Rn. 1). Diese Ansprüche wären auch nicht nach § 817 Satz 2 BGB gesperrt, da die Vorschrift eng auszulegen ist (BGH, Urteil vom 31.01.1963 – VII ZR 284/61, juris-Rn. 23ff.)

61

6. Der Senat führt die Beweisaufnahme nicht selbst durch, sondern verweist die Sache unter Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils an das Landgericht zurück, wie von Klageseite in der mündlichen Verhandlung beantragt. Die Voraussetzungen des § 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO liegen vor.

62

6.1. Anders als die Beklagte meint, ist eine Zurückverweisung nicht deshalb ausgeschlossen, weil die Klagepartei ihre Anträge in der Berufungsinstanz erweitert hat. Zutreffend ist, dass sie in der Berufung – über den erstinstanzlichen Antrag hinaus – die Vorlage weiterer Jahresabschlüsse (Antrag Ziff. 3, 1. Spiegelstrich), ferner Auskunft zu einer (weiteren) Veräußerung von Anteilen an der V.-Gruppe (nicht mehr nur an die B. F. H1., sondern auch an die Gimv; Antrag Ziff. 3 letzter Spiegelstrich) sowie die Feststellung eines Treuhandverhältnisses (Antrag Ziff. 6) verlangt. Dies hindert die Zurückverweisung vorliegend jedoch nicht.

63

6.1.1. Im Grundsatz gilt, dass über erstmals in der Berufung gestellte Anträge das Berufungsgericht zu befinden hat und insoweit eine Zurückverweisung nicht in Betracht kommt, zumal die Parteien mit einer Antragstellung erst in der Berufung zu erkennen geben, dass sie auf die Durchführung eines erstinstanzlichen Verfahrens insoweit verzichten. Erst recht kommt nicht in Betracht, die Berufung gegen ein Urteil, soweit es in die Berufungsinstanz gelangt ist, in der Sache zu entscheiden und eine Zurückverweisung mit Blick auf einen erst im Rahmen der Antragserweiterung in der Berufung geltend gemachten Anspruch auszusprechen; denn hinsichtlich der eigentlichen Berufung – nur für sie gilt § 538 ZPO – liegt dann in Wahrheit überhaupt kein Zurückverweisungsgrund vor (vgl. BGH, Urteil vom 20.01.2015 – VI ZR 209/14).

64

Nach der – allerdings zum Berufungsrecht vor der Reform 2001 – ergangenen Rechtsprechung (BGH, Urteil vom 30.03.1983 – VIII ZR 3/82, juris-Rn. 56) soll das Berufungsgericht vielmehr befugt sein, die Sachdienlichkeit einer Klageerweiterung in der zweiten Instanz zu verneinen, wenn anderenfalls die Zurückverweisung ausscheide. Ob an dieser Rechtsprechung unter der Geltung des neuen Berufungsrechts festgehalten werden kann und ob diese im Einklang mit der neueren Rechtsprechung zum Tatbestandsmerkmals der Sachdienlichkeit im Sinne von § 533 Nr. 1 ZPO steht, insbesondere ob die Sachdienlichkeit einer Antragstellung tatsächlich daran geknüpft werden kann, ob dem Berufungsgericht die Zurückverweisungsmöglichkeit genommen wird, bedarf vorliegend keiner Entscheidung.

65

Im vorliegenden Fall handelt es sich nämlich weder der Sache nach um echte neue Anträge noch überhaupt um eine Klageänderung (hier in Form der Klageerweiterung) im Sinne der Zivilprozessordnung, die den Voraussetzungen des § 533 ZPO unterliegen würde. Vielmehr handelt es sich um Antragsänderungen, die aufgrund der Fiktion des § 264 Nr. 2 ZPO gerade nicht als Klageänderungen anzusehen sind (mit der Folge, dass es auf eine Sachdienlichkeit der Änderung für die Bejahung der Zulässigkeit im Sinne von § 533 Nr. 1 ZPO nicht ankommt, vgl. dazu BGH, Urteil vom 22.04.2010 – IX ZR 160/09, juris-Rn. 6). Jedenfalls in einem solchen Fall bleibt eine Zurückverweisung zulässig, denn das Landgericht befasst sich rechtlich und auch der Sache nach mit demselben Streitgegenstand, über den es bereits einmal entschieden hat, mag dieser nunmehr um zusätzliche Aspekte angereichert sein. Darin liegt der Grund für die Privilegierung des § 264 Nr. 2 ZPO gegenüber „normalen“ Klageänderungen im Sinne von § 263 ZPO und die Ratio der Fiktion der Zivilprozessordnung, solche Antragsänderungen überhaupt nicht als Klageänderungen zu qualifizieren, mithin als dieselbe Sache anzusehen. Es geht somit nicht darum, dass das Berufungsgericht über einen ihm originär unterbreiteten Sachverhalt nicht entscheidet. Im Einzelnen:

66

6.1.2. Der Antrag, ein Treuhandverhältnis zwischen den Parteien festzustellen, stellt rechtsdogmatisch eine (privilegierte) Zwischenfeststellungsklage nach § 256 Abs. 2 ZPO dar, da die Frage des Bestehens des Rechtsverhältnisses nach der Behauptung der Klägerin eine bloße Vorfrage der geltend gemachten Leistungsansprüche darstellt. Damit liegt – bei Aufrechterhaltung des Leistungsantrags – eine Erweiterung um einen Aspekt desselben Antrags vor, der unmittelbar unter § 264 Nr. 2 ZPO subsumiert werden kann (Klageantrag wird in der Hauptsache erweitert), jedenfalls dem Rechtsgedanken des § 264 Nr. 2 ZPO unterliegt. An der Zulässigkeit des Antrags erst in der Berufungsinstanz bestehen schon deshalb keine Zweifel.

67

Ob dasselbe für den Hilfsantrag unter Ziff. 7, festzustellen, ein Treuhandverhältnis bestehe zwischen dem Geschäftsführer der Klägerin und der Beklagten, gelten würde, bedarf keiner Entscheidung, da über den Hilfsantrag – auch über seine Zulässigkeit – erst zu entscheiden ist, wenn der Antrag unter Ziff. 6 (Treuhandverhältnis zwischen den Parteien) abgewiesen wird und damit die Bedingung für den Hilfsantrag eingetreten ist.

68

6.1.3. Die Erweiterung der Auskunftsklage auf Vorlage der Jahresabschlüsse über die Jahre 2016 und 2017 hinaus (um die Jahresabschlüsse 2018-2021) ist der klassische Fall einer Klageänderung nach § 264 Nr. 2 ZPO.

69

6.1.4. Nichts anderes gilt für die zusätzliche Auskunft über den (im nachgelassenen Schriftsatz nicht bestrittenen) Verkauf von Anteilen an der V. durch die A. T.C. GmbH an die INOS. Die „Auskunftsklage“ zielt auf eine umfassende Rechnungslegung (“abzurechnen“ in Ziff. 3) im Rahmen einer einheitlichen Stufenklage gemäß § 254 ZPO (vgl. den Zahlanspruch unter Ziff. 5). Sowohl die Abrechnung als auch ein sich ergebender Zahlanspruch umfassen denknotwendig die Gesamtheit der Geschäftsvorfälle. Die enumerativ aufgeführten Einzelaspekte, hinsichtlich derer Auskunft begehrt wird, konkretisieren diesen grundsätzlich einheitlichen Anspruch auf Rechnungslegung. Selbst bei isolierter Betrachtung der einzelnen Auskunftselemente gelangt man zur Anwendung von § 264 Nr. 2 ZPO, denn die Veräußerung von Anteilen der A. T.C. GmbH an der V. war bereits Gegenstand der erstinstanzlichen Auskunftsklage (dort an die B. F. H1 UG); hier wird lediglich ein weiterer Veräußerungsvorgang einbezogen. Das stellt eine Erweiterung der Hauptsache im Sinne von § 264 Nr. 2 ZPO dar, bei der sich auch keinerlei andere Rechtsfragen stellen als bei dem erstgenannten Punkt.

70

6.2. Erforderlich ist eine umfangreiche Beweisaufnahme im Sinne von § 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.

71

Aufzuklären sind der Inhalt des Gesprächs zwischen den Gesellschaftern der Parteien (Herren Mü. und We.) und die Kenntnis des dritten Gesellschafters (und Zeugen) Wi., ferner – zur Beurteilung der Stimmigkeit der Aussagen hierzu – der Inhalt der Besprechung mit dem Rechtsanwalt Dr. L. sowie – als mögliches Indiz gegen eine Treuhand – der Inhalt des Gesprächs beim „Gansessen“ am 01.12.2016 (vgl. Schriftsatz der Beklagten vom 27.02.2019, S. 13f., Bl. 33 d.A.), unter anderem durch die Zeugin H., ggf. auch durch die Zeugin (Mirjam) Wi.. Nur vorsorglich sei darauf hingewiesen, dass allein der Umstand, dass Herr M. das Thema Call Option erneut aufgebracht haben soll, noch nicht gegen eine bereits getroffene Treuhandabrede spricht. Denkbar ist etwa, dass Herr M. eine förmlichere Absicherung über eine (notarielle) Call-Option vorgezogen hätte.

72

Schließlich ist der Behauptung nachzugehen, Herr We. habe gegenüber den Zeugen Rie und Rin. erklärt, er halte die Anteile teilweise treuhänderisch für die Klägerin bzw. Herrn M. Diese sind somit zu vernehmen (ggf. gegenbeweislich der Geschäftsführer der Beklagten). Gleiches gilt, wie oben bereits ausgeführt, für die Zeugin Wi.

73

Nach gegenwärtigem Stand nicht nachzukommen ist den Beweisangeboten auf S. 11f. der Klageschrift. Es fehlt an jedwedem substantiierten Vorbringen dazu, was die angebotenen Zeugen aus eigener Wahrnehmung bekunden sollen. Im Übrigen genügt es nicht, dass sie möglicherweise bekunden können, dass der Gesellschafter der Klägerin als Gesellschafter der A. T.C. GmbH oder mittelbar der V. -Gesellschaften behandelt wurde. Aussagekräftig ist allein eine konkrete Wahrnehmung, die belegt, dass Herr M. rechtlich als Treugeber für seinen (behaupteten) Drittelanteil an der A.T.C. GmbH angesehen wurde.

74

6.3. Der Senat übt sein – eingeschränktes – Ermessen dahin aus, dass er die unterbliebene Beweisaufnahme trotz des Zeitablaufs seit Klageerhebung nicht selbst durchführt. Angesichts der extremen Belastung des Senats mit einer Vielzahl offener Verfahren, die eine Durchführung der Beweisaufnahme vor Herbst 2023 in keinem Fall zulässt, steht eine schnellere Entscheidung durch den Senat nicht zu erwarten, als wenn die Beweisaufnahme durch die – von Dieselverfahren nicht betroffene – Handelskammer des Landgerichts erfolgt.

III.

75

Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:

76

1. Dem Senat erschließt sich nicht, warum die Klägerin im Klageantrag Ziff. 2 Bestimmung und Auskehrung der so bestimmten Anteile beantragt und nicht schlicht die Verurteilung zur Übertragung eines Drittels der Anteile an der T.C. GmbH. Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung auf Nachfrage des Senats ausdrücklich klargestellt, dass ihr Antrag eine schlichte Verurteilung zur Übertragung eines Drittels der Anteile (Zug-um-Zug gegen Zahlung eines Drittels des Kaufpreises für die Anteile an der V.-Gruppe, die die A. T.C. GmbH der E. schuldete) umfasst, so dass eine Abweisung nicht in Betracht kam.

77

2. Es erscheint dem Senat nicht ausgeschlossen, dass sich das Landgericht im Rahmen der Beweisaufnahme davon überzeugen kann, dass der Klägerin zwar ein Anspruch auf Übertragung eines Drittels der Anteile an der A. T.C. GmbH zustand, nicht aber dass die Klägerin in der Zeit bis zu einem Beitritt (und zur Zahlung einer Einlage) wie eine echte Treuhandgesellschafterin behandelt werden und ihr etwa Gewinnbeteiligungsrechte zustehen sollten; dies gilt umso mehr, als die Abrede an die Stelle einer ursprünglich beabsichtigten Call-Option treten sollte, bei der die Klägerin ebenfalls bis zur Ausübung nicht wie eine Gesellschafterin behandelt worden wäre.

78

Vorsorglich ist darauf hinzuweisen, dass ein solches Beweisergebnis nicht ohne Weiteres eine Gesamtnichtigkeit der behaupteten Vereinbarung nach sich zöge; entgegen der Regelvermutung nach § 139 BGB spräche viel dafür, dass selbst bei einem Dissens über diesen Punkt – angesichts des Umstandes, dass der Alleingesellschafter der Klägerin bereits vor den Transaktionen (mittelbar) über die E. an der V.-Gruppe beteiligt war – der Herausgabeanspruch aufrecht zu halten wäre.

79

3. Sollte sich ein Treuhandverhältnis erweisen, ergeben sich aus diesem Ansprüche auf Auskunft und Rechnungslegung gemäß § 666 BGB und auf Auskehrung des Erlangten nach § 667 BGB, so dass die Klägerin grundsätzlich Auskunft verlangen und ggf. Zahlungsansprüche mit der Stufenklage geltend machen kann. Die Anträge wird die Klägerin teilweise im Hinblick auf Bestimmtheit und Vollstreckbarkeit nachschärfen müssen. So dürfte ein Antrag auf Auskünfte über alle Geschäftsführungsmaßnahmen nicht zulässig sein.

80

Sollte sich dagegen eine optionsähnliche Gestaltung erweisen (bloße Herausgabe gegen Zahlung wie bei einer Call-Option), bestehen Ansprüche aus dem Gesellschaftsverhältnis grundsätzlich erst mit Vollzug der Option (und dann regelmäßig gegenüber der Gesellschaft). Ob insoweit gleichwohl ausnahmsweise wegen der Vereinbarung oder aber wegen Verzugs der Beklagten mit der Übertragung der Anteile Ansprüche in Betracht kommen könnten, wäre gegebenenfalls gesondert zu prüfen.

81

4. Der Senat hegt, wie bereits ausgeführt, keine Bedenken gegen die beantragte Klage auf Feststellung eines Treuhandverhältnisses zwischen den Parteien – eine Zwischenfeststellungsklage nach § 256 Abs. 2 ZPO. Für die Entscheidung wird das Landgericht allerdings zu beachten haben, dass eine Tenorierung als Treuhandverhältnis nur dann in Betracht kommt, wenn sich tatsächlich ein echtes Treuhandverhältnis und nicht eine optionsähnliche Gestaltung des Rechtsverhältnisses in der Beweisaufnahme zur Überzeugung des Gerichts ergibt.

82

Der Hilfsantrag auf Feststellung eines Treuhandverhältnisses zwischen der Beklagten und dem Geschäftsführer der Klägerin steht, wie ebenfalls bereits ausgeführt, nur dann zur Entscheidung an, wenn die soeben angeführte Zwischenfeststellungsantrag mit Blick auf die Aktivlegitimation scheiterte. Nur höchst vorsorglich sei angemerkt, dass der Vortrag zur Abtretung völlig unsubstantiiert ist. Es fehlt jeder Vortrag, wann zwischen wem welche konkrete Abrede getroffen wurde.

IV.

83

Eine Kostenentscheidung war nicht veranlasst, ebenso wenig die Zulassung der Revision, da es sich um eine Einzelfallentscheidung ohne grundsätzliche Bedeutung handelt (§ 543 Abs. 2 ZPO).

Löffler I www.K1.de I www.gesellschaftsrechtskanzlei.com I Gesellschaftsrecht I GmbH-RechtGesellschafterstreit I Erfurt I Thüringen I Sachsen I Sachsen-Anhalt I Hessen I Deutschland 2022

Schlagworte: Erwerbstreuhand, Inhalt des Treuhandvertrags, Treuhand, Treuhandvereinbarung, Treuhandverhältnis

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OLG München, Urteil vom 20.10.2022 – 7 U 1785/18

Donnerstag, 20. Oktober 2022

Vorstandshaftung §§ 93 Abs. 3 Nr. 6, 92 Abs. 2 AktG

Das Vorstandsmitglied einer Aktiengesellschaft haftet der Gesellschaft für Schäden, die aus der Verletzung von Vorstandspflichten resultieren (§ 93 Abs. 2 AktG). Eine solche Pflichtverletzung liegt in der Leistung von Zahlungen entgegen § 92 Abs. 2 AktG93 Abs. 3 Nr. 6 AktG), also von Zahlungen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung der Gesellschaft, sofern die Zahlung nicht mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsleiters vereinbar ist.

Zahlungsunfähigkeit ist in der Regel anzunehmen, wenn der Schuldner seine Zahlungen eingestellt hat (§ 17 Abs. 2 S. 2 InsO). Die Zahlungseinstellung begründet also eine Vermutung für das Vorliegen von Zahlungsunfähigkeit (die gegebenenfalls von der Beklagten zu widerlegen wäre). Allerdings greift diese Vermutung vorliegend aus Rechtsgründen nicht.

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts München I vom 30.4.2018 (Az.: 5 HK O 21625/16) aufgehoben.

2. Die Klage wird unter Aufhebung des Versäumnisurteils des Landgerichts München I vom 19.5.2017 (Az.: 5 HK O 21625/16) abgewiesen.

3. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des gegen sie vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

5. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

Gründe

A.

Die Klägerin macht als Insolvenzverwalterin der I. I. AG [im folgenden: Schuldnerin] Ansprüche gemäß §§ 93 Abs. 3 Nr. 6, 92 Abs. 2 AktG wegen Zahlungen nach InsolvenzreifeBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Insolvenzreife
Zahlungen
Zahlungen nach Insolvenzreife
der Schuldnerin geltend. Die Beklagte ist die Alleinerbin des am 1.3.2019 verstorbenen Herrn K. T.-T. [im folgenden: Erblasser], der im streitgegenständlichen Zeitraum Vorstand der Schuldnerin war. Die Klage richtete sich ursprünglich gegen den Erblasser. Nach Unterbrechung des gegenständlichen Berufungsverfahrens durch Tod des Erblassers hat es die Beklagte anstelle des die Berufung führenden Erblassers aufgenommen.

Der Erblasser gehörte dem Vorstand der Schuldnerin bis August 2008 und wiederum seit dem 22.12.2008 an. Einen ersten Insolvenzantrag der Schuldnerin vom August 2008 nahm er nach seiner Neubestellung zurück. Am 19.8.2009 stellte die Schuldnerin erneut Insolvenzantrag, welcher zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens mit Beschluss vom 2.2.2010 (Anlage K 1) führte.

Im Zeitraum vom 26.2.2009 bis zum 14.5.2009 veranlasste der Erblasser Zahlungen in Höhe der Klageforderung von Konten der Schuldnerin an Dritte; hinsichtlich der einzelnen Zahlungen wird auf S. 5 des angegriffenen Urteils Bezug genommen. Die Klägerin ist der Auffassung, dass die Schuldnerin ab dem 22.12.2008 durchgängig bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens zahlungsunfähig war.

Die (ebenfalls insolvente) I. F. GmbH [im folgenden: I. GmbH] ist eine hundertprozentige Tochtergesellschaft der Schuldnerin. Geschäftsführer der I. GmbH war seit November 2007 der Erblasser. Zwischen der Schuldnerin und der I. GmbH bestand der (mit der Rechtsvorgängerin der Schuldnerin geschlossene) Ergebnisabführungsvertrag gemäß Anlage K 7. Hiernach war die Schuldnerin zum Ausgleich des Jahresfehlbetrags der I. GmbH verpflichtet. Der Anspruch wurde fällig jeweils mit Feststellung des JahresabschlussesBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Feststellung
Feststellung des Jahresabschlusses
der I. GmbH. Hinsichtlich der Einzelheiten des Ergebnisübernahmevertrages wird auf Anlage K 7 Bezug genommen.

Am 31.12.2007 schlossen die Schuldnerin und die I. GmbH (jeweils vertreten durch den Erblasser) den als Loan Agreement bezeichneten Vertrag gemäß Anlage B 1. Hiernach gewährte die I. GmbH der Schuldnerin im Hinblick auf die bis dahin aufgelaufenen Verbindlichkeiten aus dem Ergebnisübernahmevertrag ein Darlehen über rund 11,7 Mio. €, welches binnen zwei Wochen nach Kündigung zum Quartalsende zur Rückzahlung fällig sein sollte. Hinsichtlich der Einzelheiten des Loan Agreements wird auf Anlage B 1 Bezug genommen. Eine Kündigung des Darlehens erfolgte bis zur Insolvenzeröffnung nicht.

Der Insolvenzverwalter der I. GmbH hat im Insolvenzverfahren der Schuldnerin eine Forderung aus dem Ergebnisübernahmevertrag bzw. Loan Agreement in Höhe von rund 9,3 Mio. € nebst Zinsen zur Tabelle angemeldet. Ferner erfolgten Anmeldungen der Gläubiger H. über eine Hauptforderung von 40.000,- €, K. über eine Hauptforderung von 30.000,- €, N. LLP über eine Hauptforderung von 39.288,55 € und N. C. AG über eine Hauptforderung von 2.975,- € zur Insolvenztabelle. Alle vorgenannten Anmeldungen wurden zur Insolvenztabelle der Schuldnerin festgestellt.

Die Klägerin hat in der Klageschrift beantragt, den Erblasser zu verurteilen, an die Klägerin 71.705,12 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen. Mit Beschluss vom 17.3.2017 hat das Landgericht auf Antrag der Klägerin die öffentliche ZustellungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
öffentliche Zustellung
Zustellung
der Klage nebst Verfügung betreffend die Anordnung des schriftlichen Vorverfahrens angeordnet. In der Folge wurde die Klage nebst Verfügung öffentlich zugestellt. Mit Versäumnisurteil vom 19.5.2017 hat das Landgericht den Erblasser verurteilt, an die Klägerin 71.705,12 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 21.4.2017 zu zahlen. Hiergegen hat der Erblasser form- und fristgerecht Einspruch eingelegt.

Die Klägerin hat beantragt,

das Versäumnisurteil des Landgerichts München I vom 19.5.2017 aufrecht zu erhalten.

Der Erblasser hat beantragt,

das Versäumnisurteil des Landgerichts München I vom 19.5.2017 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Das Landgericht hat das Versäumnisurteil mit der Maßgabe aufrecht erhalten, dass dem Erblasser vorbehalten wurde, nach Erstattung des Verurteilungsbetrages an die Masse seine Gegenansprüche, die sich nach Rang und Höhe mit den Beträgen decken, welche die durch die verbotswidrigen Zahlungen begünstigten Gesellschaftsgläubiger im Insolvenzverfahren erhalten hätten, gegen die Klägerin als Insolvenzverwalterin zu verfolgen. Es hat ferner dem Erblasser die Kosten seiner säumnis auferlegt und die übrigen Kosten des Rechtsstreits im Verhältnis von 1/20 zu 19/20 zu Lasten des Erblassers verteilt. Auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angegriffenen Urteils wird Bezug genommen.

Gegen dieses Urteil richtete sich die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung des Erblassers, welche nunmehr von der Beklagten weiterverfolgt wird.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des am 30.4.2018 verkündeten Endurteils des Landgerichts München I, Az.: 5 HK O 21625/16 und unter Aufhebung des Versäumnisurteils des Landgerichts München I vom 19.5.2017 die Klage abzuweisen,

hilfsweise ihr die beschränkte Erbenhaftung vorzubehalten.

Die Klägerin beantragt

die Zurückweisung der Berufung.

Der Senat hat mit Beschluss vom 19.5.2021 seine vorläufige Einschätzung der Rechtslage dargelegt und auf die von den Parteien noch vorzutragenden tatsächlichen Umstände hingewiesen.

B.

Die Berufung erweist sich als begründet. Die Klägerin konnte das Vorliegen von Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin zum Zeitpunkt der streitgegenständlichen Zahlungen nicht dartun.

I.

Das Vorstandsmitglied einer Aktiengesellschaft haftet der Gesellschaft für Schäden, die aus der Verletzung von Vorstandspflichten resultieren (§ 93 Abs. 2 AktG). Eine solche Pflichtverletzung liegt in der Leistung von Zahlungen entgegen § 92 Abs. 2 AktG93 Abs. 3 Nr. 6 AktG), also von Zahlungen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung der Gesellschaft, sofern die Zahlung nicht mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsleiters vereinbar ist.

Eine (auf die Beklagte nach § 1922 BGB übergegangene) Schadensersatzpflicht des Erblassers nach diesen Grundsätzen würde also zunächst die Insolvenzreife der Schuldnerin im Zeitpunkt der gegenständlichen Zahlungen voraussetzen. Hierfür ist die Klägerin darlegungs- und beweispflichtig. Eine Überschuldung der Schuldnerin behauptet sie nicht. Für die behauptete Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin streitet weder die Vermutung des § 17 Abs. 2 S. 2 InsO (unten II.) noch ergibt sich eine solche positiv aus dem Vortrag der Klägerin (unten III.).

II.

Zahlungsunfähigkeit ist in der Regel anzunehmen, wenn der Schuldner seine Zahlungen eingestellt hat (§ 17 Abs. 2 S. 2 InsO). Die Zahlungseinstellung begründet also eine Vermutung für das Vorliegen von Zahlungsunfähigkeit (die gegebenenfalls von der Beklagten zu widerlegen wäre). Allerdings greift diese Vermutung vorliegend aus Rechtsgründen nicht.

Zahlungseinstellung ist dasjenige nach außen hervortretende Verhalten des Schuldners, in dem sich typischerweise ausdrückt, dass er nicht in der Lage ist, seine fälligen Verbindlichkeiten zu erfüllen. Es muss sich mindestens für die beteiligten Verkehrskreise der berechtigte Eindruck aufdrängen, dass der Schuldner außerstande ist, seinen fälligen Zahlungspflichten zu genügen (BGH, Urteil vom 20.12.2007 – IX ZR 93/06, Rz. 21; Urteil vom 8.1.2015 – IX ZR 20/12, Rz. 15; Urteil vom 17.11.20216 – IX ZR 65/15, Rz. 18). Die tatsächliche Nichtzahlung eines erheblichen Teils der fälligen Verbindlichkeiten reicht für eine Zahlungseinstellung aus. Haben im fraglichen Zeitpunkt fällige Verbindlichkeiten erheblichen Umfangs bestanden, die bis zur Insolvenzeröffnung nicht mehr beglichen worden sind, ist regelmäßig von einer Zahlungseinstellung auszugehen (BGH, Urteil vom 8.1.2015, a.a.O. Rz. 156; Urteil vom 17.11.2016, a.a.O. Rz. 19). Allerdings kann die Vermutung nicht auf eine Verbindlichkeit gestützt werden, die der Schuldner nicht beglichen hatte, weil er sie für unberechtigt hielt (BGH, Urteil vom 26.1.2016 – II ZR 394/13, Rz. 21 m.w.Nachw.).

Die von der Klägerin zur Begründung der Zahlungseinstellung der Schuldnerin ab dem 22.12.2008 herangezogenen Verbindlichkeiten der Schuldnerin gegenüber den Gläubigern I.GmbH, H., K., N. LLP und N. C. AG waren auf der Basis des Sach- und Streitstandes im fraglichen Zeitraum zum größten Teil (nicht existent bzw. jedenfalls) nicht fällig; insoweit scheiden sie als Anknüpfungspunkt für die Vermutung der Zahlungsunfähigkeit aus. Soweit sich die Klägerin dem gegenüber auf die Wirkung der FeststellungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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Wirkung der Feststellung
der Forderungen zur Insolvenztabelle178 Abs. 3 InsO) beruft, rechtfertigt dies kein anderes Ergebnis. Die Rechtskraftwirkung der Feststellung zur Insolvenztabelle erstreckt sich nämlich nicht auf Dritte wie den Vorstand oder Geschäftsführer der Schuldnerin, so dass die festgestellten Forderungen im Rahmen des Haftungsprozesses gegen die genannten Organe im einzelnen zu prüfen sind (vgl. BGH, Urteil vom 26.1.2016, a.a.O. Rz. 19), was naturgemäß entsprechenden Vortrag der Klagepartei voraussetzt. Abgesehen davon betrifft die Feststellung zur Tabelle, auch soweit ihre Wirkung reicht, nur die Lage bei Insolvenzeröffnung und besagt nichts über Existenz und Fälligkeit der festgestellten Forderung im davor liegenden Zeitraum der streitgegenständlichen Zahlungen.

Im übrigen erfolgte die Nichtbegleichung der genannten Forderungen auf der Basis des Streitstandes größtenteils deshalb, weil sie der Erblasser für unberechtigt hielt, so dass auch hierwegen die Vermutung nicht auf die Nichtzahlung gestützt werden kann. Was allenfalls verbleibt (Forderung von N. LLP bzw. N. Consulting), stellt keinen wesentlichen Teil der Verbindlichkeiten der Schuldnerin dar.

Im einzelnen:

1. Der Anspruch der I. GmbH aus dem Ergebnisabführungsvertrag war durch das Loan Agreement mit der Schuldnerin wirksam in einen Anspruch auf Darlehensrückzahlung umgewandelt worden, welcher bis zur Insolvenzeröffnung mangels Kündigung nicht fällig wurde. Entgegen der Auffassung des Landgerichts hält der Senat das Loan Agreement für wirksam. Doch selbst auf der Basis der Rechtsauffassung des Landgerichts würde die Vermutung der Zahlungseinstellung daran scheitern, dass der Schuldner das Loan Agreement für wirksam hielt und auf dieser Basis mangels Kündigung des Darlehens keine Zahlungen auf den Anspruch der I. GmbH erbrachte.

a) Richtig ist zunächst der rechtliche Ausgangspunkt des Landgerichts, wonach das Loan Agreement an § 302 Abs. 3 AktG zu messen ist und im Falle eines Verstoßes gegen diese Vorschrift nach § 134 BGB nichtig wäre.

Die Vorschrift verbietet der beherrschten Gesellschaft, binnen drei Jahren ab Beendigung des Beherrschungsvertrages (und damit erst recht vor dessen Beendigung) auf den Verlustausgleichsanspruch zu verzichten oder sich über ihn zu vergleichen (S. 1), sofern nicht die beherrschende Gesellschaft zahlungsunfähig ist und sich zur Abwendung des Insolvenzverfahrens mit ihren Gläubigern vergleicht (S. 2).

Die Vorschrift gilt aufgrund ihres Standortes im Gesetz unmittelbar nur für beherrschte Aktiengesellschaften, wohingegen vorliegend die von der Schuldnerin beherrschte I. eine GmbH ist. Allerdings gilt das Konzernrecht der AktG entsprechend, wenn die beherrschte Gesellschaft eine GmbH ist (BGH, Urteil vom 9.1.1985 – II ZR 275/84, Rz. 14; Urteil vom 11.11.1991 – II ZR 282/90, Rz. 5; Urteil vom 10.7.2006 – II ZR 238/04, Rz. 6).

Ein hiernach grundsätzlich verbotener Vergleich über den Verlustausgleichsanspruch ist auch dessen Stundung (vgl. Koch, AktG, 16. Aufl., § 302 Rz. 25; MünchKomm AktG / Altmeppen, 5. Aufl., § 302 Rz. 75; Krieger, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, 5. Aufl., § 71 Rz. 77; Emmerich, in: Emmerich / Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 10. Aufl., § 302 AktG Rz. 50). Verboten in diesem Sinne sind auch stundungsgleiche Rechtsgeschäfte wie die Umwandlung eines fälligen Anspruchs auf Verlustausgleich in ein mangels Kündigung nicht fälliges Darlehen (vgl. Emmerich, a.a.O.).

Damit wäre das Loan Agreement, das vorliegend die über die Jahre aufgelaufenen, mit Feststellung der Jahresabschlüsse der I. GmbH fällig gewordenen Verlustausgleichsansprüche in ein von einer Kündigung abhängiges Darlehen der I. GmbH gegenüber der Schuldnerin umgewandelt hat, nach § 134 BGB nichtig, sofern nicht die Ausnahmevorschrift nach § 302 Abs. 3 S. 2 AktG greift.

b) Dem Landgericht kann allerdings nicht darin gefolgt werden, dass die Ausnahmevorschrift des § 302 Abs. 2 S. 3 AktG schon daran scheitere, dass es an einem Sonderbeschluss der außenstehenden Aktionäre nach S. 3 der Vorschrift fehle.

Zwar stellt ein derartiger Sonderbeschluss der außenstehenden Aktionäre der beherrschten Gesellschaft (bzw. bei der GmbH: der außenstehenden Gesellschafter) eine Wirksamkeitsvoraussetzung für einen Vergleich zur Abwendung der Insolvenz der beherrschenden Gesellschaft im Sinne des Satzes 2 der Vorschrift dar. Vorliegend ist die Schuldnerin jedoch Alleingesellschafterin der über den Beherrschungsvertrag mit ihr verbundenen I. GmbH, so dass „außenstehende“ (= nicht am Beherrschungsvertrag beteiligte) Gesellschafter der beherrschten Gesellschaft nicht existieren und ein Sonderbeschluss der außenstehenden Gesellschafter damit nicht erforderlich sein kann.

c) Damit scheitert das Loan Agreement nicht an § 302 Abs. 3 S. 1 AktG, wenn es zur Abwendung des Insolvenzverfahrens der Schuldnerin im Sinne von § 302 Abs. 3 S. 2 AktG erfolgte. Hiervon ist nach dem Sach- und Streitstand auszugehen.

aa) Genügend ist insoweit der Vergleich der Obergesellschaft (also hier der Schuldnerin) mit einem Gläubiger, etwa der abhängigen Gesellschaft (vgl. Schmidt / Lutter / Stephan, AktG, 4. Aufl., § 302 Rz. 73; BeckOGK AktG / Veil, § 302 Rz. 47), sofern die Vereinbarung nur „zur Abwendung des Insolvenzverfahrens“ erfolgt.

Wie letztere Voraussetzung zu verstehen ist, ist in der Rechtsprechung und Literatur noch nicht abschließend geklärt. Die Formulierung legt aber die Annahme nahe, dass durch die fragliche Vereinbarung ein tatsächlich bestehender Insolvenzgrund entfallen muss (BeckOGK / Veil, a.a.O. Rz. 49; Schmidt / Lutter / Stephan, a.a.O. Rz. 73), dass also konkret die Schuldnerin am Tag des Abschlusses des Loan Agreements (31.12.2007) zahlungsunfähig war und diese Zahlungsunfähigkeit durch das Loan Agreement entfiel. Ferner wird man der Insolvenzabwendung im Sinne der Vorschrift ein gewisses Element der Nachhaltigkeit bzw. Dauerhaftigkeit beilegen müssen (Koch, a.a.O. Rz. 26; Schmidt / Lutter / Stephan, a.a.O. Rz. 72). Von beiden Voraussetzungen ist auf der Basis des Parteivortrages auszugehen.

bb) Die Schuldnerin war am 31.12.2007 vor Abschluss des Loan Agreements zahlungsunfähig. Zu den fälligen / binnen drei Wochen fällig werdenden Verbindlichkeiten der Schuldnerin am 31.12.2007 bringt die Klägerin nur die fällige Verbindlichkeit aus dem Verlustübernahmevertrag in Höhe von rund 9,3 Mio. € vor; an liquiden Mitteln seien am Stichtag nur 50.582,- € und am 28.1.2008 7.717,99 € vorhanden gewesen (vgl. Schriftsatz vom 18.8.2021, Bl. 198 ff. der Akten). Die Beklagte äußert sich zu den Aktiva I /II und Passiva I/II zum 31.12.2007 nicht. Auf der Basis dieses Streitstandes ergibt sich zum 31.12.2007 eine deutliche Unterdeckung von wesentlich mehr als 10% der fälligen und zeitnah fällig werdenden Forderungen und damit Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin.

cc) Diese Zahlungsunfähigkeit ist durch das Loan Agreement entfallen. Die Verbindlichkeit über 9,3 Mio. € war hierdurch nunmehr von einer Kündigung abhängig und damit nicht mehr fällig. Weitere zum Stichtag fällige bzw. binnen drei Wochen danach fällig werdende Verbindlichkeiten der Schuldnerin trägt keine Partei vor. Damit kann eine zur Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin führende Unterdeckung auf der Basis des Loan Agreements nach dessen Abschluss nicht mehr festgestellt werden.

dd) Auf der Basis des dargestellten Parteivortrags war diese Insolvenzabwendung durch das Loan Agreement auch von hinreichender Nachhaltigkeit. Denn wenn keine sonstigen fälligen oder kurzfristig fällig werdenden Verbindlichkeiten bestanden (jedenfalls werden solche nicht vorgetragen), war aus der Sicht bei Abschluss des Loan Agreements mit dem baldigen Eintritt der Insolvenz der Schuldnerin nicht zu rechnen.

Entgegen der noch im Hinweisbeschluss vom 23.6.2021 geäußerten Auffassung können keine gegenteiligen Schlüsse aus der Tatsache gezogen werden, dass die Insolvenz über das Vermögen der Schuldnerin auf einen etwa ein Jahr und acht Monate nach dem Abschluss des Loan Agreements gestellten Eigenantrag tatsächlich eröffnet wurde. Nach nochmaliger Erwägung ist der Senat der Auffassung, dass für die Nachhaltigkeit der Insolvenzabwendung auf die Sicht bei Abschluss der Loan Agreements abzustellen ist. Denn hiervon hängt die Wirksamkeit des Agreements ab, und diese muss für die Vertragsparteien bei Vertragsschluss beurteilbar bleiben.

d) Lediglich ergänzend ist darauf zu verweisen, dass selbst bei Unwirksamkeit des L. Agreements die Vermutung der Zahlungseinstellung nicht auf den (dann fälligen) Anspruch der I. GmbH gestützt werden könnte. Denn jedenfalls ging der Erblasser, der das Loan Agreement als Vertreter beider Vertragsparteien durch Insichgeschäft zustande brachte, von der Wirksamkeit des Loan Agreements aus; er meinte daher jedenfalls, dass die Ansprüche der I. GmbH als Darlehensansprüche mangels Kündigung nicht fällig waren und erbrachte daher als Vertreter der Schuldnerin keine Zahlungen auf diese Ansprüche. Die Nichtzahlung auf nach Meinung der Schuldnerseite nicht bestehende oder nicht fällige Ansprüche begründet die Vermutung der Zahlungseinstellung nicht (vgl. oben).

Irrelevant ist insoweit entgegen der Auffassung der Klägerin, ob der Erblasser das Loan Agreement ohne Fahrlässigkeit für wirksam halten durfte bzw. ob er diesbezüglich nicht hätte Rechtsrat einholen müssen. Diese Fragestellung betrifft im Rahmen eines Anspruches nach § 64 GmbHG bzw. § 93 Abs. 2, 3 Nr. 6 AktG die Kategorie des Verschuldens, wohingegen die Frage der Vermutung der Zahlungseinstellung auf der Ebene der (objektiv zu beurteilenden) vorgelagerten Kategorie des Vorliegens eines Insolvenzgrundes im Zeitpunkt der Zahlungen angesiedelt ist. Die Vermutung des § 17 Abs. 2 S. 2 InsO beruht auf dem Erfahrungssatz, dass derjenige, der nicht zahlt, auch nicht zahlen kann. Dieser Erfahrungssatz kann keine Geltung beanspruchen, wenn der Nichtzahlende – aus welchen Gründen auch immer, also in den Grenzen des Rechtsmissbrauchs auch irrig – meint, nicht zahlen zu müssen.

2. Die Vermutung der Zahlungseinstellung kann auch nicht auf den zur Tabelle festgestellten Anspruch des Gläubigers H. gestützt werden. Die Feststellung wirkt nicht zu Lasten des Erblassers und der Beklagten (vgl. oben). Vortrag zu Voraussetzungen und Fälligkeit des Anspruchs von Klägerseite erfolgt nicht. Dem Beklagtenvortrag kann immerhin entnommen werden, dass sich der Anspruch des Gläubigers H. auf die Rückzahlung des Guthabens einer Optionsanleihe nach ordentlicher Kündigung bezieht; der Anspruch sei aber nicht fällig gewesen, weil er bei einem Telefonat zwischen dem Erblasser und dem Gläubiger gestundet worden sei. Diesem unter Beweis des Zeugen H. gestellten Beklagtenvortrag ist die für Existenz und Fälligkeit des Anspruchs darlegungspflichtige Klägerin nicht entgegengetreten.

Auf der Basis dieses Streitstandes ist davon auszugehen, dass im streitgegenständlichen Zeitraum ein Anspruch des Gläubigers H. zwar bestand, aber nicht fällig, da (tatsächlich und nicht nur faktisch) gestundet, war. Abgesehen davon scheitert die Vermutung auch hier daran, dass aus der Nichtzahlung einer Forderung, die aus Sicht der Schuldnerin gestundet war, keine Rückschlüsse auf die Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin gezogen werden können.

3. Die Vermutung kann ferner nicht auf den zur Tabelle festgestellten Anspruch des Gläubigers K. gestützt werden. Zur Wirkung der FeststellungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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und zu fehlenden Darlegungen der Klägerin kann auf die vorstehenden Ausführungen verwiesen werden. Dem Beklagtenvortrag kann entnommen werden, dass der Gläubiger K. als ehemaliger Vorstand der Schuldnerin einen Anspruch auf Zahlung eines Restbonus unter der Bedingung hatte, dass er bis zum 30.4.2008 bestimmte Aufgaben erledige; diese Bedingung sei nicht eingetreten. Diesem Beklagtenvortrag ist die darlegungspflichtige Klägerin nicht entgegengetreten.

Auf der Basis dieses Streitstandes bestand der Anspruch des Gläubigers K. mangels Bedingungseintritts nicht. Auch hier würde die Vermutung im übrigen daran scheitern, dass aus der Nichtzahlung einer Forderung, die aus Sicht der Schuldnerin nicht bestand, keine Rückschlüsse auf die Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin gezogen werden können.

4. Die Vermutung kann im Ergebnis auch nicht auf die zur Tabelle festgestellten Ansprüche der Gläubiger N. LLP und N. C. AG (zusammen in der Hauptsache 42.263,55 €) gestützt werden. Zur Wirkung der FeststellungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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und zu fehlenden Darlegungen der Klägerin kann wiederum auf die vorstehenden Ausführungen verwiesen werden. Hier ergibt sich aus dem Beklagtenvortrag jedoch, dass die Anwälte und Wirtschaftsprüfer von N. durch die Schuldnerin mit der Erstellung eines Sanierungskonzepts beauftragt worden waren, welches mangelhaft gewesen sei, weil es längst abgetretene Vermögenspositionen berücksichtigt habe.

Auf der Basis dieses Vortrages bestanden zwischen der Schuldnerin und den Gesellschaften von N. Dienstverträge, so dass mit Erbringung der Dienste die vereinbarte Vergütung (deren Höhe die Beklagtenseite nicht entgegengetreten ist) geschuldet war. Der Einwand der Schlechterfüllung kann dem Anspruch auf Dienstvergütung nicht entgegen gesetzt werden; allenfalls wäre eine Aufrechnung mit gegenläufigen Schadensersatzansprüchen denkbar, wozu vorliegend nichts vorgetragen ist. Damit bestanden die diesbezüglich festgestellten Ansprüche auch materiell; fällig wurden sie mit Rechnungstellung im Dezember 2008 bzw. Januar 2009 (vgl. Anlage K 12). Grundsätzlich können diese Ansprüche daher Anknüpfungspunkte für die Vermutung der Zahlungseinstellung sein. Auch die schlichte Behauptung der Beklagtenseite, dass hinsichtlich dieser Forderung lediglich Zahlungsunwilligkeit (wegen des aus Sicht des Erblassers unbefriedigenden Sanierungskonzepts) vorgelegen habe, würde die Vermutung der Zahlungseinstellung nicht ausschließen (vgl. BGH, Beschluss vom 10.7.2014 – IX ZR 287/13, Rz. 6).

Allerdings scheitert die Vermutung der Zahlungseinstellung insoweit daran, dass die damit geschuldeten, fälligen und bis zur Insolvenzeröffnung nicht beglichenen 42.263,55 € keinen erheblichen Teil der Verbindlichkeiten der Schuldnerin ausmacht. Zwar kann die Nichtzahlung gegenüber einem einzigen Gläubiger für die Vermutung der Zahlungsunfähigkeit ausreichen, wenn dessen Forderungen insgesamt von nicht unbeträchtlicher Höhe sind (BGH, Urteil vom 17.11.2016 – IX ZR 65/15, Rz. 19 m.w.Nachw.). Die Frage, ob eine Forderung in nicht unbeträchtlicher Höhe vorliegt bzw. einen erheblichen Teil der fälligen Verbindlichkeiten ausmacht, kann aber nicht absolut, sondern nur mit Blick auf die gesamten kurzfristigen Verbindlichkeiten der jeweiligen Schuldnerin beurteilt werden. Insoweit ergibt sich aus den vorgelegten Lageberichten der Schuldnerin zum 31.12.2006 bzw. 31.12.2007 (Anlage Z 2 sowie eine weitere Anlage ohne Nummer im Anlageheft der Beklagten), dass die Schuldnerin kurzfristige (also absehbar fällig werdende) Verbindlichkeiten im deutlich zweistelligen Millionenbereich (56,3 Mio. € bzw. 34,6 Mio. €) aufwies. Bei der gebotenen Gesamtwürdigung bietet daher allein die Nichtzahlung eines Betrages von rund 42 T€ für Dienstleistungen, deren ordnungsgemäße Erbringung aus Sicht der Schuldnerin zumindest diskutabel erschien, keine hinreichende Basis für die Vermutung der Zahlungseinstellung.

III. Nachdem eine Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin ab dem 22.12.2008 durchgängig über den Zeitraum der streitgegenständlichen Zahlungen (Februar bis Mai 2009) hinaus somit nicht mit der Vermutung des § 17 Abs. 2 S. 2 InsO begründet werden kann, hätte die Klägerin das Bestehen von Zahlungsunfähigkeit ab dem 22.12.2008 konkret darlegen müssen. Dies ist ihr nicht gelungen.

1. Zahlungsunfähigkeit liegt jedenfalls vor, wenn sich bei einer geordneten Gegenüberstellung der fälligen Verbindlichkeiten und liquiden Mittel der Schuldnerin eine Deckungslücke von mindestens 10% ergibt (vgl. zuletzt BGH, Urteil vom 28.4.2022 – IX ZR 48/21, Rz. 24; Urteil vom 28.6.2022 – II ZR 112/21, Rz. 14). Die Deckungslücke errechnet sich aus einer Gegenüberstellung der Aktiva I (am Stichtag vorhandene liquide Mittel) und Aktiva II (binnen drei Wochen zu beschaffende Mittel) einerseits und der Passiva II (am Stichtag fällige Verbindlichkeiten) und Passiva II (binnen drei Wochen fällig werdende Verbindlichkeiten) andererseits. Ergibt sich auf dieser Basis eine Deckungslücke von weniger als 10%, geht dies zu Lasten der für das Vorliegen von Zahlungsunfähigkeit darlegungspflichtigen Klägerin.

Der Senat folgt im Hinblick hierauf nicht der Auffassung der Beklagten, dass die Klägerin ihrer Darlegungslast schon deshalb nicht nachgekommen sei, weil es an einer geordneten Darstellung der anzusetzenden Aktiva und Passiva im Sinne einer Liquiditätsbilanz fehle. In der Rechtsprechung des BGH ist mittlerweile anerkannt, dass die schlüssige Darlegung von Liquiditätslücke und Liquiditätsdeckungsgrad auch auf andere Weise als durch eine Liquiditätsbilanz erfolgen kann (vgl. zuletzt BGH, Urteil vom 28.6.2022, a.a.O. Rz. 14). Daraus folgt aber auch umgekehrt, dass der darlegungspflichtigen Klägerin die entsprechende Darlegung nicht gelungen ist, wenn sie auf die Erstellung einer Liquiditätsbilanz verzichtet und sich auf der Basis ihres Vortrages eine Deckungslücke von weniger als 10% ergibt.

2. Bei Unterstellung des Klägervortrags (insbesondere im Schriftsatz vom 18.8.2021, Bl. 198 ff. der Akten) als zutreffend ergibt sich vorliegend zum 22.12.2008 eine Deckungslücke von nur 6,21%.

Aktiva I: Nach dem Vortrag der Klägerin betrug der Kontostand auf zwei Girokonten am Stichtag jeweils 0,- €. Weiterer Vortrag erfolgt nicht. Die Aktiva I werden daher mit 0,- € angesetzt.

Aktiva II: Nach dem Vortrag der Klägerin sind auf einem dieser Konten binnen der folgenden drei Wochen Gutschriften von 600.000,- €, 302,86 € und 749,76 €, zusammen also 601.052,62 € erfolgt. Diese binnen drei Wochen nach dem Stichtag eingegangen liquiden Mittel werden mangels anderweitigen Vortrages als Aktiva II angesetzt.

Passiva I: Als am Stichtag fällige Verbindlichkeiten können die Ansprüche der Gläubiger I. GmbH, H. und K. aus den oben unter II. dargelegten Gründen nicht angesetzt werden. Vom Anspruch der Gläubiger N. LLP / N. Consulting können 36.228,54 € angesetzt werden; der Teilbetrag von 6.035,01 € gemäß Rechnung vom 9.1.2009 (bei Anlage K 12) war am Stichtag noch nicht fällig. Selbst wenn man die von der Klägerin trotz (von Beklagtenseite zu Recht monierter) fehlender Substantiierung behaupteten weiteren fälligen Verbindlichkeiten in Höhe von 585.417,60 € ansetzt, ergeben sich damit Passiva I von zusammen (36.228,54 € + 585.417,60 € =) 621.646,14 €.

Passiva II: Hierzu findet sich praktisch kein Klägervortrag. Erschließbar ist aber immerhin, dass das Konto, auf welchem die vorgenannten Zahlungen eingingen, am Ende des Betrachtungszeitraums einen Stand von 2.431,19 € bei einem Ausgangsbestand von 0,- € aufwies. Im Betrachtungszeitraum gingen auf dem Konto die oben genannten Gutschriften von 601.052,62 € ein und wurden Abverfügungen von 585.417,60 € vorgenommen. Also muss es im Betrachtungszeitraum weitere Abverfügungen von (601.052,62 € – 585.417,60 € – 2.431,19 € =) 13.203,82 € gegeben haben. Unterstellt man zugunsten der Klagepartei, dass diese Abverfügungen auf gerade fällig gewordene Verbindlichkeiten erfolgten, kommt man zu Passiva II in Höhe dieser Abverfügungen (13.203, 82 €) zuzüglich des am 9.1.2009 fällig gewordenen Restbetrages aus der Forderung N.(6.035,01 €; vgl. oben), also zu 19.238,83 €.

Deckungslücke: Die Summe der Aktiva I + II beträgt (0,- € + 601.052,62 € =) 601.052,62 €. Die Summe der Passiva I + II beträgt (621.646, 14 € + 19.238,83 € =) 640.884,97 €. Die Deckungslücke beträgt damit 39.832,35 €, das sind 6,21%.

Eine größere Deckungslücke ist auf der Basis des rudimentären Vortrags der Klägerin nicht herleitbar. Auf die Einwände der Beklagten gegen die klägerischen Ansätze kommt es damit nicht mehr an.

3. Der Senat verkennt nicht, dass der vorstehend ermittelte Befund einer Deckungslücke zum (von der Klägerin herangezogenen) Stichtag (22.12.2008) von 6,21% die Annahme von Zahlungsunfähigkeit im Zeitraum der gegenständlichen Zahlungen (Ende Februar bis Mitte Mai 2009) nicht ausschließen würde, wenn man im Wege einer (negativen) Fortführungsprognose von einer kontinuierlichen Vergrößerung der Deckungslücke nach dem Stichtag ausgehen könnte (vgl. z.B. Uhlenbruck / Mock, InsO, 15. Aufl., § 17 Rz. 30). Dazu fehlt aber jeder Vortrag der darlegungspflichtigen Klägerin.

C.

1. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

Die Auferlegung der Säumniskosten auf die Beklagte nach § 344 ZPO kam nicht in Betracht. Das Versäumnisurteil des Landgerichts nach § 331 Abs. 3 ZPO ist nicht in gesetzlicher Weise ergangen. Der Erblasser hat die Frist zur Verteidigungsanzeige nicht versäumt; vielmehr hatte diese mangels wirksamer Zustellung der Verfügung über die Anordnung des schriftlichen Vorverfahrens im Zeitpunkt des Versäumnisurteils noch nicht begonnen. Denn die Voraussetzungen einer öffentlichen Zustellung nach § 185 Nr. 1 ZPO waren (und sind) nicht hinreichend dargetan.

Der Aufenthalt einer Partei ist unbekannt im Sinne der genannten Vorschrift, wenn er nicht nur dem Gegner und dem Gericht, sondern allgemein unbekannt ist. Dabei ist es zunächst Sache der Partei, die die öffentliche ZustellungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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beantragt, alle geeigneten und ihr zumutbaren Nachforschungen anzustellen, um den Aufenthalt des Zustellungsempfängers zu ermitteln, und ihre ergebnislosen Bemühungen dem Gericht darzulegen (BGH, Urteil vom 3.5.2016 – II ZR 311/14, Rz. 7 m.w.Nachw.). Die Frage, ob der Aufenthalt des Zustellungsadressaten unbekannt ist, kann nicht ohne Berücksichtigung der einem Kläger zur Verfügung stehenden Erkenntnismöglichkeiten beantwortet werden (a.a.O. Rz. 39). Eine unergiebig gebliebene Anfrage beim Einwohnermeldeamt ist grundsätzlich nicht ausreichend (a.a.O. Rz. 40). Die durch die Zustellung begünstigte Partei kann beispielsweise gehalten sein, durch persönliche Nachfragen beim ehemaligen Arbeitgeber, bei dem letzten Vermieter oder bei Hausgenossen oder Verwandten des Zustellungsadressaten dessen Aufenthalt zu ermitteln (a.a.O. Rz. 41). Insoweit kann sogar die Einschaltung eines Privatdetektivs erforderlich sein (vgl. Thomas / Putzo / Hüßtege, ZPO, 43. Aufl., § 185 Rz.7).

Die Klägerin hat in ihrem Antrag auf öffentliche ZustellungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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(Bl. 12 der Akten) nur (in zwei Zeilen) dargelegt, dass eine EMA-Anfrage ergebnislos verlaufen sei und die der Klägerin bekannten Angehörigen (des Erblassers) keine Auskunft gegeben hätten. Auf der Basis dieser nach den vorstehenden Ausführungen zu knappen Darlegungen der Klägerin hätte die öffentliche ZustellungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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nicht angeordnet werden dürfen.

Aber auch die nachträglichen Darlegungen der Klägerin in erster Instanz hätten nicht ausgereicht. Die EMA-Anfrage, die nicht direkt beim Einwohnermeldeamt, sondern über das Portal Regis24 erholt wurde, brachte das Ergebnis (Anlage 3 nach Bl. 25 der Akten): „Nicht zu ermitteln. Eine Auskunft kann aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht oder derzeit nicht erteilt werden.“ Mit einer derart vagen Stellungnahme eines nichtstaatlichen Onlinedienstes hätte sich die Klägerin nicht begnügen dürfen.

2. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

3. Die Revision war nicht zuzulassen, da Zulassungsgründe (§ 543 Abs. 2 ZPO) nicht vorliegen. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Allein die Tatsache des Fehlens einer höchstrichterlichen Rechtsprechung zu § 302 Abs. 3 S. 2 AktG begründet keine grundsätzliche Bedeutung, zumal vorliegend die tatsächliche Würdigung der Umstände des Einzelfalles inmitten stand.

Löffler I www.K1.de I www.gesellschaftsrechtskanzlei.com I Gesellschaftsrecht I Gesellschafterversammlung I M&A I Unternehmenskauf I Erfurt I Thüringen I Sachsen I Sachsen-Anhalt I Hessen I Deutschland 2022

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OLG München, Urteil vom 28.09.2022 – 7 U 3068/21

Mittwoch, 28. September 2022

§ 726 Var. 2 BGB

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Landgerichts München I vom 20.04.2021, Az. 41 O 3994/17, wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Dieses Urteil sowie das in Ziffer 1 bezeichnete Endurteil des Landgerichts München I sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

4. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

Entscheidungsgründe

A.

Die Parteien streiten um Ansprüche des Klägers aus einer Abwicklungsvereinbarung auf disquotale Verteilung des Erlöses aus der Veräußerung von Grundstücken.

Die Beklagten sind die Kinder und Erben des am 25.07.2013 verstorbenen R. Sch. . R. Sch. und der Kläger (im Folgenden als Altgesellschafter bezeichnet) erwarben 1989 in O. ein unbebautes Grundstück mit einer Größe von ca. 20.000 m². Die Altgesellschafter wurden Miteigentümer des Grundstücks je zur Hälfte.

Zum Zwecke der Bebauung des Grundstücks und zur Verwaltung der darauf zu errichtenden Gebäude gründeten die Altgesellschafter mit Vertrag vom 01.02.1991 die „EST A. Private Terrain- und Vermögensverwaltung GbR“ (im Folgenden als EST GbR bezeichnet), an der die Altgesellschafter je zur Hälfte beteiligt waren.

Bis 1991 wurden auf dem Grundstück insgesamt fünf Bürogebäude errichtet, von denen zum Jahresende 1992 drei an Dritte verkauft wurden. Die beiden weiteren Bürohäuser R. 14 und K. 5 (im Folgenden zusammenfassend als EST I bezeichnet) verblieben im hälftigen Miteigentum der Altgesellschafter und unter der Verwaltung der EST GbR. Diese beiden verbleibenden Grundstücke waren mit einer Grundschuld in Höhe von 9.203.253,86 € zu Gunsten der EST GbR belastet (vgl. Abschnitt I Ziffer 1 b des Kaufvertrags vom 16.01.2016 laut Anl. K 2) .

Ende 1993 erwarben die Altgesellschafter wiederum zu jeweils hälftigem Miteigentum ein weiteres Grundstück in O., auf dem in den Jahren 1997 und 1998 vier Bürogebäude (K. 11, 13, 15 und 17, im Folgenden zusammenfassend als EST II bezeichnet) errichtet wurden.

Sowohl die Grundstücke EST I als auch die Grundstücke EST II waren mit Grundpfandrechten zu Gunsten der D. Bank AG belastet, die der Sicherung von Darlehensrückzahlungsansprüchen der D. Bank AG gegen die EST GbR dienten. Die D. Bank AG wurde im Mai 2009 auf die C.Bank AG verschmolzen.

Am 21.03.1997 schlossen die Altgesellschafter eine notarielle Abwicklungsvereinbarung (URNr. …78/97 des Notars Dr. W. in M.) laut Anl. K 1. Diese lautete auszugsweise wie folgt:

„1. (…)

Die nachfolgenden Regelungen erfassen den Zeitraum nach Auflösung der BGB-Gesellschaft und sollen eine wirtschaftlich sinnvolle Abwicklung der Bruchteils-Eigentümergemeinschaft bewirken.

2. Die Gemeinschafter verpflichten sich, auf eine Dauer von eineinhalb Jahren ab Beendigung der BGB-Gesellschaft keinen Antrag auf Teilungsversteigerung gem. § 180 ZVG zu stellen. § 749 Abs. 2 BGB bleibt unberührt.

Jeder dieser Vereinbarung zuwiderhandelnde Gemeinschafter verpflichtet sich zur Zahlung einer angemessenen Vertragsstrafe:

3. Im durch Ziff. 2 geschaffenen Karenzzeitraum wird versucht, die vorhandenen Immobilien freihändig und einvernehmlich zu veräußern.

Ist eine solche Veräußerung nicht nach dem Ablauf von einem Jahr erzielt, kann jeder der Gemeinschafter die Anfertigung eines Wertgutachtens durch einen amtlich vereidigten Sachverständigen verlangen. Können sich die Gemeinschafter nicht auf einen bestimmten Gutachter einigen, wird dieser durch den Präsidenten der IHK M. bestimmt.

Der vom Gutachter ermittelte Wert ist einem freihändigen Verkauf zu Grunde zu legen. Die Gemeinschafter haben einem freihändigen Verkauf zu diesem Wert zuzustimmen. Für den Fall des Ausscheidens eines Gemeinschafters ist für die Durchführung des Verkaufs aufgrund des Gutachterergebnisses derjenige Gemeinschafter ermächtigt, der Gründungsgesellschafter der EST-BGB-Gesellschaft war. Ist ein solcher nicht mehr vorhanden, ist der älteste vorhandene Gemeinschafter ermächtigt.

Wird das Verfahren mit Erstellung eines Sachverständigengutachtens durchgeführt, verlängert sich der Karenzzeitraum aus Ziff. 2 um ein weiteres halbes Jahr.

4. Die Verteilung des Veräußerungserlöses erfolgt für die Grundstücke Flur-Nr. …51, …57/3 (“EST I“) entsprechend den Miteigentumsbruchteilen.

Für die Flur-Nummern …32/4, …32/5, …32/6, …32/7 und …38/8 (“EST II“) erhält A. E. abweichend von der Eigentumslage einen Erlösanteil von 60%, während R. Sch. 40% des Erlöses bekommt.

5. Die Vertragsteile verpflichten sich hiermit gegenseitig, die vorstehenden Vereinbarungen eventuellen Rechtsnachfolgern mit Weiterübertragungsverpflichtung aufzuerlegen.

(…)“

Am 19.01.2000 fassten die Altgesellschafter den die EST GbR betreffenden Gesellschaftsvertrag vom 01.02.1991 in der Fassung vom 05.02.1997 neu. Der Gesellschaftervertrag (Anl. B 1, im Folgenden mit GV abgekürzt) lautete nunmehr auszugsweise wie folgt:

„(…)

§ 2 Gesellschaftszweck

Zweck der Gesellschaft ist die Bewirtschaftung der seit 1992 im wirtschaftlichen Eigentum der Gesellschaft befindlichen gemeinschaftlich erworbenen Grundstücke in O., Gemarkung O. Sämtliche Erträge aus der Bewirtschaftung der Objekte stehen der Gesellschaft zu; dies gilt auch für eventuelle Veräußerungserlöse bei Grundstücksverkäufen.

Flur Nr. Adresse:

…51 K. 5,

…57/3 R. 14,

…32/4 K. 11,

…32/5 K. 13,

…32/6 K. 15,

…32/7 K. 17 und

…32/8 „K.streifen“

(…)

§ 7 Dauer der Gesellschaft

(…)

2. Jeder Gesellschafter kann die Gesellschaft schriftlich unter Einhaltung einer Frist von einem Jahr zum Ende eines Kalenderjahres kündigen. (…) Die Kündigung führt zur Auflösung der GesellschaftBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Auflösung
Auflösung der Gesellschaft
Gesellschaft
.

(…)

§ 14 Ausschluss der Auseinandersetzung

1.) Für die Dauer der Gesellschaft sind die Rechte der Gesellschafter auf Aufhebung der Bruchteilsgemeinschaft gem. § 749 Abs. 1 BGB und auf die Durchführung der Teilungsversteigerung gem. § 180 ZVG ausgeschlossen. Dies gilt nicht bei Vorliegen eines wichtigen Grundes im Sinne des § 749 Abs. 2 BGB.

2.) Jeder Gesellschafter verpflichtet sich, während der Dauer der Gesellschaft nicht über seinen Anteil der Bruchteilsgemeinschaft ges. [sic] § 747 S. 1 BGB zu verfügen.

3.) Betreibt ein Gesellschafter entgegen dieser Vereinbarung die Teilungsversteigerung oder verfügt er entgegen dieser Vereinbarung über seinen Bruchteil, so hat er an die anderen Gesellschafter eine Vertragsstrafe in Höhe von 1 Mio EURO zu zahlen.

§ 15 Fortsetzung der Gesellschaft mit den Erben

Stirbt ein Gesellschafter, wird die Gesellschaft mit dessen Erben fortgesetzt (…).

§ 16 Auflösung der GesellschaftBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Auflösung
Auflösung der Gesellschaft
Gesellschaft

Die Auseinandersetzung der Gesellschaft findet nach den Vorschriften der § 731 ff. BGB statt. (…) Für die Berechnung des Auseinandersetzungsguthabens wird der Wert der Grundstücke, die im Bruchteilseigentum der Gesellschafter stehen, nicht berücksichtigt.

§ 17 Auflösung der Gemeinschaft

1.) Bei Auflösung der GesellschaftBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Auflösung
Auflösung der Gesellschaft
Gesellschaft
gilt der Ausschluss der Aufhebung der Gemeinschaft, das Verfügungsverbot und die Vereinbarung einer Vertragsstrafe gem. § 14 dieses Vertrages für die Dauer von zwölft Monaten fort.

2.) Einigen sich die Gesellschafter nicht über eine Fortsetzung der Bruchteilsgemeinschaft, sind die Gesellschafter verpflichtet, sich während der Jahresfrist aus Ziff. 1 zur Vermeidung einer etwaigen Teilungsversteigerung um eine einvernehmliche Auseinandersetzung der Bruchteilsgemeinschaft zu bemühen.

Kommt eine solche einvernehmliche Auseinandersetzung innerhalb einer Frist von maximal 24 Monaten, gerechnet vom Zeitpunkt der Auflösung der GesellschaftBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Auflösung
Auflösung der Gesellschaft
Gesellschaft
an, nicht zu Stande, wird die Gesellschaft unter Beibehaltung der Regelungen des Gesellschaftsvertrages mit Rückwirkung zum Auflösungszeitpunkt fortgesetzt, ohne dass es eines förmlichen Fortsetzungsbeschlusses bedarf. Nach einer dementsprechenden Fortsetzung kann die Gesellschaft frühestens nach Ablauf von weiteren 12 Monaten entsprechend den Regelungen von § 7 erneut gekündigt werden. § 17 ist auch im Falle einer erneuten Kündigung anzuwenden.

(…)

§ 18 Schriftform/Inkrafttreten

Nebenabreden zu diesem Vertrag bestehen nicht. Änderungen und/oder Ergänzungen bedürfen der Schriftform. Dies gilt auch für einen Verzicht auf das Schriftformerfordernis.

(…)“

Im Jahr 2004 veräußerte der Kläger seine Miteigentumsanteile an den Grundstücken EST I im Einvernehmen mit R. Sch. an die im Eigentum der Familie Eibl stehende Büro F. H. AG, die Drittwiderbeklagte, die in der Folge auch als Miteigentümerin der Grundstücke EST I in das Grundbuch eingetragen wurde.

Mit Vertrag vom 07.07.2008 verkaufte und übertrug der Kläger sodann wiederum mit am 12.07.2007 erteilter Zustimmung des R. Sch., die Teil einer Vereinbarung zwischen den Altgesellschaftern laut Anl. K 19 war, auch seinen 50-prozentigen Gesellschaftsanteil an der EST GbR an die Drittwiderbeklagte. Die Vereinbarung vom 12.07.2007 laut Anl. K 19 enthielt u.a. folgenden Passus:

„(…)

2. Zwischen den Gesellschaftern A.E. und R. Sch. besteht Einigkeit darüber, dass insbesondere die nachstehend aufgeführten Vertragsbeziehungen mit der Gesellschaft bzw. ihren derzeitigen Gesellschaftern auch nach dem Ausscheiden von A. E. aus der Gesellschaft unverändert fortbestehen:

– Abwicklungsvereinbarung (URNr. …78/97 Dr. W.) vom 21.03.1997 (…)“

Kurz vor seinem Tod am 25.07.2013 erteilte R. Sch. am 13.06.2013 eine Vollmacht laut Anl. B 2/6. Unter Gebrauch dieser Vollmacht schloss der Kläger im Namen des R. Sch. sodann am 14.06.2013 einen notariellen Einbringungsvertrag (URNr. …07/2013 des Notars Dr. Sch laut Anl. B 2/12) mit der EST GbR, mit dem die Miteigentumsanteile des R. Sch. an den Immobilien EST I und EST II unentgeltlich (Abschnitt IV. des Einbringungsvertrages) an die EST GbR überlassen wurden. Zur Auflassung kam es in der Folge nicht mehr.

Am 26.01.2016 veräußerten der Kläger und die Drittwiderbeklagte ihre jeweiligen Miteigentumsanteile an den Grundstücken EST I (Drittwiderbeklagte) und II (Kläger) zu einem Kaufpreis von 8,5 Mio Euro an die R./K. Büroimmobilien & Co KG (im Folgenden als R./K. KG bezeichnet, vgl. Abschnitt II § 1 des Kaufvertrags laut Anl. K 2), deren Komplementär der Kläger bis 08.07.2016 war (vgl. die Bekanntmachung im Handelsregister laut Anl. B 2/16). In Höhe von 7.505.000 € sollte der Kaufpreis durch eine Übernahme von bei der C.Bank als Rechtsnachfolgerin der D. Bank bestehenden Verbindlichkeiten der EST GbR durch die R./K. KG erbracht werden (vgl. Abschnitt III § 1 Ziffern 2 und 3 des Kaufvertrags laut Anl. K 2). Der Restkaufpreis von 995.000 € sollte in Höhe von 195.350,47 € an die Drittwiderbeklagte und in Höhe von 799.649,53 € an den Kläger bezahlt werden (vgl. Abschnitt III § 1 Zifffer 4.2 des Kaufvertrags laut Anl. K 2).

Der Kaufvertrag laut Anl. K 2 lautete auszugsweise.

„(…)

VI.

(…)

§ 3 Übernahme von Belastungen

Die Grundschuld ohne Brief in Höhe von 9.203.253,86 € EUR für A. E. (…) und R. Sch. (…) als Gesellschafter bürgerlichen Rechts ist zu löschen (…)

VIII.

Hinweise

Die Vertragsteile wurden vom Notar insbesondere auf folgendes hingewiesen:

(…)

– dass zur Löschung der zugunsten der EST GbR eingetragenen Grundschuld eine Löschungsbewilligung in grundbuchtauglicher Form, erteilt durch das Vertretungsorgan der EST GbR in vertretungsberechtigter Anzahl samt öffentlich-beglaubigtem Vertretungsnachweis erforderlich ist. Gleichwohl wünschen die Beteiligten, dass das Vorliegen der grundbuchtauglichen Löschungsbewilligung Kaufpreisfälligkeitsvoraussetzung für den Restkaufpreis sein soll.

(…)“

Am 07.03.2016 kündigte die C.Bank den Darlehensvertrag mit der EST GbR. Die Darlehensrückzahlungsforderung der C.Bank gegen die EST GbR belief sich am 30.06.2016 auf 15.087.993,09 € (vgl. Abschnitt III § 1 Ziffer 3.1 Abs. 2 des Kaufvertrags laut Anl. K 3).

Am 10.06.2016 veräußerten die Beklagten ihre Miteigentumsanteile an den Grundstücken EST I und II zum Kaufpreis von 9,005 Mio. Euro an die R./K. KG (vgl. den Kaufvertrag laut Anl. K 3). In Höhe von 7.505.000 € sollte der Kaufpreis durch eine Übernahme von bei der C.Bank bestehenden Verbindlichkeiten der EST GbR durch die R./K. KG erbracht werden (vgl. Abschnitt III § 1 Ziffern 2 und 3 des Kaufvertrags laut Anl. K 3). Der Restkaufpreis von 1,5 Mio € sollte in Höhe von jeweils 500.000 € an die Beklagten zu 1) bis 3) bezahlt werden (vgl. Abschnitt III § 1 Ziffer 4.1 des Kaufvertrags laut Anl. K 3).

In der Kaufvertragsurkunde bewilligten und beantragten die Drittwiderbeklagte, der Kläger sowie die Beklagten soweit erforderlich auch als Gesellschafter der EST GbR die Löschung der zu Gunsten der EST GbR bestehenden Grundschuld an den Grundstücken EST I (vgl. Abschnitt I Ziffer 5 des Kaufvertrags vom 10.06.2016 laut Anl. K 3).

Der Kläger beansprucht aus dem Gesamtbruttoverkaufserlös von 17.505.000,00 € für die Grundstücke EST I und II einen Anteil von 1.659.560,82 €. Von dem Bruttoveräußerungserlös der Grundstücke EST I (entsprechend der vom Finanzamt M. angesetzten Erbschaftssteuerwerte für die einzelnen Grundstücke 19,62% des Gesamtbruttoverkaufserlöses) stünden ihm 50%, von dem Bruttoveräußerungserlös der Grundstücke EST II (80,38 ‰ des Gesamtbruttoverkaufserlöses) aufgrund der in der Abwicklungsvereinbarung vorgesehenen disquotalen Erlösverteilung 60% zu. Von dem sich demnach ergebenden Erlösanteil des Klägers in Höhe von insgesamt 10.159.560,82 € (5.226.326,49 € aus dem Verkauf von deren Bruchteilsanteile durch die Beklagten und 4.933.234,33 € aus dem Verkauf der Bruchteilsanteile des Klägers durch ihn) seien die Darlehensverbindlichkeiten von 15.010.000,00 € zur Hälfte und damit in Höhe von 7.505.000,00 € sowie der vom Kläger aus dem Verkauf seiner Miteigentumsanteile bereits erlangte Kaufpreis von 995.000 € zu subtrahieren, woraus die Klageforderung von 1.659.560,82 € folge (zu diesem vom Kläger behaupteten Rechenweg vgl. S. 11 – 17 der Klageschrift).

Der Kläger trägt zur Begründung dieses Anspruchs auf disquotale Erlösverteilung vor, dass die EST GbR durch einen Liquidationsbeschluss vom 20./23.07.2013 laut Anl. B 2/5 aufgelöst worden sei. Der Liquidationsbeschluss habe auszugsweise wie folgt gelautet:

„(…)

1. Die Gesellschaft wird liquidiert.

(…)

3. Herr A. E. wird beauftragt und ermächtigt, den gesamten Grundbesitz der Gesellschaft insgesamt, oder falls dies nicht möglich ist, über Einzelverkäufe bestmöglichst zu verwerten.

4. Die Verwertung des Grundbesitzes soll unter der Maßgabe erfolgen, dass für die Gesellschafterseite R. Sch.nach der Veräußerung, d.h. nach Berücksichtigung der Quoten aus der Abwicklungsvereinbarung vom 21.03.1997, in keinem Fall irgendwelche Kreditverpflichtungen mehr gegenüber der C.Bank AG bestehen.

5. Herr A. E. verpflichtet sich, dafür zu sorgen, dass bis zum 31. Dezember 2014, längstens jedoch bis zur erfolgten Veräußerung des gesamten Grundbesitzes der EST-Grundstücke, keine Grundstücke der B.F. Holding AG oder ihrer Tochtergesellschaften auf den Markt gebracht werden.

6. Eine Veräußerung zu einem niedrigeren Wert als dem, der sich entsprechend Ziffer 4 ergibt, ist in der Zeit bis zum 31. Dezember 2014 nur dann zulässig, wenn hierzu Herr R. Sch. oder im Falle seines Ablebens Frau D. Sch. und Herr WP/StB H. B. die ausdrückliche Zustimmung erteilen. Das Gleiche gilt, wenn Herr A. E. oder eine ihm zuzurechnende Gesellschaft einzelne oder alle Grundstücke übernehmen will.

(…)“.

Ziffern 2 und 3 der Abwicklungsvereinbarung seien durch den Liquidationsbeschluss vom 20./23.07.2013 aufgehoben worden. Dieser sei auch wirksam zustande gekommen. Auf die von R. Sch. dem Kläger erteilte Vollmacht komme es nicht an, da R. Sch. selbst an der Gesellschafterversammlung teilgenommen habe. Auf die Einhaltung von Form- und Fristvorschriften hätten die Gesellschafter verzichtet. § 10 GV diene dem Schutz des jeweils anderen Gesellschafters, sodass dieser jederzeit auf die an eine Bevollmächtigung gestellten Anforderungen verzichten könne, was streitgegenständlich geschehen sei.

Jedenfalls sei der Liquiditätsbeschluss vom 20./23.07.2013 in eine Kündigungserklärung der Drittwiderbeklagten umzudeuten (vgl. Schriftsatz der Klägervertreter vom 15.01.2018, S. 9, Bl. 145 d.A.).

Unabhängig von dem Liquidationsbeschluss vom 20./23.07.2013 sei die Gesellschaft jedoch spätestens nach den Verkäufen der Immobilien am 10.06.2016 gemäß § 726 BGB aufgelöst worden, da nach dem Verkauf der Immobilien der satzungsmäßige Zweck der EST GbR nicht mehr erreicht werden könne.

Im Übrigen sei die Auflösung der EST GbR auch keine Anspruchsvoraussetzung, da Ziffer 4 der Abwicklungsvereinbarung nach dem Willen der Altgesellschafter für jeden Fall der Veräußerung gelten sollte, insbesondere sei der sich aus Ziffer 4 der Abwicklungsvereinbarung ergebende Anspruch unabhängig davon, ob zuvor das Prozedere laut Ziffern 2 und 3 der Abwicklungsvereinbarung eingehalten worden sei.

Bei dem Verkauf des Bruchteilseigentums durch den Kläger und die Drittwiderbeklagte an die R./K. KG habe es sich um eine Gesamtveräußerung gehandelt, da der Verkauf davon abhängig gewesen sei, dass auch die Beklagten ihr Bruchteilseigentum veräußern (Schriftsatz der Klägervertreterin vom 14.04.2020, S. 5, Bl. 379 d.A.).

Die gesellschaftsrechtliche Durchsetzungssperre greife nicht, da der Kläger seit 2008 nicht mehr Gesellschafter der EST GbR sei. Im Übrigen wäre bei Annahme einer Durchsetzungssperre der klägerische Leistungsantrag in einen Feststellungsantrag umzudeuten, dass die Position in die Schlussrechnung einzustellen sei.

Der Kläger sei aktivlegitimiert, da es sich bei dem Erlösauskehranspruch um einen höchstpersönlichen an seine Person geknüpften Provisionsanspruch handle, der nach der Abwicklungsvereinbarung und der Zustimmungserklärung vom 12.07.2007 laut Anl. K 19 ihm unverändert zustehen solle. Hilfsweise habe die Drittwiderbeklagte ihm am 12.01.2018 eine Einziehungsermächtigung erteilt (vgl. Anl. K 21).

Der Kläger und Widerbeklagte beantragten,

Die Beklagten werden verurteilt, an den Kläger als Gesamtschuldner einen Betrag in Höhe von EUR 1.659.560,82 zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 21.02.2017 zu bezahlen.

Die Beklagten beantragten,

Klageabweisung.

Die Beklagte zu 2) und 3) beantragten widerklagend:

Der Kläger wird verurteilt, an die EST GbR, K. 11, … O., einen Betrag von 142.975,00 € nebst Zinsen heraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 04.12.2013 zu bezahlen.

Der Kläger wird verurteilt, an die EST GbR, K. 11, … O., EUR 646.282,02 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

Die Beklagten zu 1) und 3) beantragten widerklagend:

Der Kläger und die Drittwiderbeklagte werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an den Beklagten zu 3) als Gesamtgläubiger EUR 1.000.000,00 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über Basiszinssatz hieraus seit 26.01.2016 zu bezahlen.

Hilfsweise:

Der Kläger und die Drittwiderbeklagte werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an die Beklagten als Gesamtgläubiger EUR 1.000.000,00 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über Basiszinssatz hieraus seit 26.01.2016 zu bezahlen.

Hilfs-hilfsweise:

Der Kläger und die Drittwiderbeklagte werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an den Beklagten zu 1) EUR 330.000,- nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über Basiszinssatz hieraus seit 26.01.2016, an die Beklagte zu 2) EUR 330.000,- nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten hieraus seit 26.01.2016 und an den Beklagten zu 3) EUR 340.000,- nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über Basiszinssatz hieraus seit 26.01.2016 zu bezahlen.

Der Kläger und die Drittwiderbeklagte beantragten,

Abweisung der (Dritt) Widerklage.

Die Beklagten erwiderten, dass der Kläger schon deshalb einen Anspruch aus der Abwicklungsvereinbarung nicht geltend machen könne, da die EST GbR in Ermangelung eines wirksamen Auflösungsbeschlusses nicht aufgelöst sei. An den vom Kläger behaupteten Liquidationsbeschluss vom 20./23.07.2013 laut Anl. B 2/5 habe R. Sch. nicht mitgewirkt. Der Kläger habe insoweit auch nicht in Vertretung von R. Sch. gehandelt, zumal sich die Vollmacht vom 13.06.2013 laut Anl. B 2/6 nicht auf die Fassung eines Liquidationsbeschlusses erstreckt habe. Der Beschluss sei aber unbeschadet dessen allein schon deshalb unwirksam, da die Drittwiderbeklagte bei Beschlussfassung nicht wirksam vertreten gewesen sei. Denn der Kläger sei kein geeigneter Vertreter iSd. § 10 Ziffer 3 GV.

Selbst bei Unterstellung der Wirksamkeit des Liquidationsbeschlusses vom 20./23.07.2013 wäre die EST GbR nicht aufgelöst, da in Ermangelung einer einvernehmlichen Auseinandersetzung der Bruchteilsgemeinschaft sich die EST GbR gemäß § 17 Abs. 2 S. 2 GV fortgesetzt hätte. Es gebe auch keinen konkludenten Liquidationsbeschluss, da es zu keinem Zeitpunkt eine einvernehmliche Entscheidung aller Mitgesellschafter gegeben habe, sämtliche Immobilien zu veräußern.

Sollte man mit dem Kläger von einer Auflösung der EST GbR nach § 726 BGB infolge des Verkaufs der Grundstücke ausgehen, so würde dies an der Nichtanwendbarkeit der Abwicklungsvereinbarung nichts ändern, da zum Zeitpunkt des letzten Verkaufs die EST GbR noch nicht kraft Gesetzes aufgelöst gewesen sei. Der letzte Verkauf sei nämlich Voraussetzung für die Anwendung des § 726 BGB und damit für die Auflösung.

Der Kläger sei auch nicht aktivlegitimiert, da nach Ziffer 5 der Abwicklungsvereinbarung die dort getroffenen Vereinbarungen der Altgesellschafter etwaigen Rechtsnachfolgern aufzuerlegen seien. Mit der Übertragung der Gesellschaftsanteile an der EST GbR auf die Drittwiderbeklagte seien sämtliche Rechte und Pflichten aus der Abwicklungsvereinbarung auf die Drittwiderbeklagte übergegangen.

Im Übrigen habe der Kläger etwaige Ansprüche aus der Abwicklungsvereinbarung verwirkt, da er sich nicht an die Regelungen der Abwicklungsvereinbarung zum Verkauf der Miteigentumsanteile gehalten habe, da er vor dem isolierten Verkauf seines Miteigentumsanteils und des Miteigentumsanteils der R./K. KG keinen freihändigen gemeinsamen Verkauf versucht habe.

Schließlich seien etwaige Ansprüche aus der Abwicklungsvereinbarung derzeit nicht fällig, da einer Geltendmachung der Ansprüche die Grundsätze der Durchsetzungssperre entgegenstünden. Dies bedeute, dass bei einer unterstellten Auflösung der EST GbR die wechselseitigen Ansprüche in eine Schlussabrechnung eingestellt werden müssten.

Jedenfalls müsse bei der Höhe eines etwaigen Anspruchs des Klägers berücksichtigt werden, dass nicht der in den Kaufverträgen vereinbarte Kaufpreis für die Miteigentumsanteile verteilt werden solle, sondern der „Veräußerungserlös“. Da in den Kaufverträgen vereinbart worden sei, dass der Kaufpreisanspruch teilweise durch die Übernahme bestehender Bankverbindlichkeiten der Verkäufer durch die Erwerberin R./K. KG erfüllt worden sei, bestehe der „Veräußerungserlös“ nur aus den an die Verkäufer geflossenen Zahlungen in Höhe von 1,5 Mio € bzw. 995.000 €.

Schließlich erhob die Beklagte zu 2) mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 07.03.2018 (dort S. 2, Bl. 186 d.A.) die Einrede der Verjährung.

Für den Fall, dass das Landgericht der Klage ganz oder teilweise stattgebe, haben die Beklagten gegen die Klageforderung die Aufrechnung mit folgenden Forderungen erklärt:

Die Beklagten zu 1) und 3) haben mit Schriftsätzen ihrer Prozessbevollmächtigten vom 23.10.2017 (Beklagte zu 3), S. 2, Bl. 90 d.A.) und 03.11.2017 (Beklagter zu 1), Bl. 106 d.A.) mit einem ihnen gegen den Kläger behauptetermaßen zustehenden Schadensersatzanspruch in Höhe der Klageforderung aufgerechnet, da der Kläger verpflichtet gewesen sei, etwaige Ansprüche aus der Abwicklungsvereinbarung auf die Drittwiderbeklagte zu übertragen, was er aber pflichtwidrig unterlassen habe.

Die Beklagte zu 2) hat mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 08.05.2017 (S. 16 und 17, Bl. 52 und 53 d.A.) mit einem ihr behauptetermaßen zustehenden Schadensersatzanspruch in Höhe von 500.000 € wegen des unterwertigen Verkaufs der Grundstücksanteile sowie mit einem Vertragsstrafenanspruch in Höhe von 1,0 Mio € nach § 14 Ziffer 3 GV aufgerechnet.

Die Beklagte zu 3) hat darüber hinaus mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 23.10.2017 (dort S. 8, Bl. 96 d.A.) mit einem Schadensersatzanspruch in Höhe von 646.282,02 € aufgerechnet, der ihr zustehe, da sich der Kläger unter Verletzung seiner Vermögensbetreuungspflicht eine Provision in vorbezeichneter Höhe von der EST GbR habe ausbezahlen lassen.

Mit Endurteil vom 20.04.2021, Az. 41 O 3994/17, wies das Landgericht München I die Klage sowie die Widerklagen und die Drittwiderklage ab.

Zur Begründung seiner Entscheidung führte das Landgericht in seinem Urteil aus, dass der Kläger keinen Anspruch auf eine disquotale Verteilung des Verkaufserlöses habe, da bei der vorliegend erfolgten getrennten Veräußerung der Miteigentumsanteile an den Grundstücken die Abwicklungsvereinbarung vom 21.03.1997 laut Anl. K 1 eine solche Erlösverteilung nicht vorsehe.

Sowohl der Wortlaut der Abwicklungsvereinbarung als auch der mit ihr verfolgte Zweck sprächen dafür, dass die Altgesellschafter nur den Fall des gemeinsamen Verkaufs der streitgegenständlichen Immobilien regeln wollten. Dies ergebe sich vor allem aus Ziffer 3 der Vereinbarung, derzufolge „die vorhandenen Immobilien“ (nicht Miteigentumsanteile an den vorhandenen Immobilien) „einvernehmlich“ verkauft werden sollten, da bei einem einheitlichen gemeinsamen Verkauf der Immobilien der Lebenserfahrung nach ein höherer Preis erzielt werden könne als bei der getrennten Veräußerung von Miteigentumsanteilen. Ziffer 4 der Abwicklungsvereinbarung, in der die disquotale Erlösbeteiligung des Klägers stipuliert sei, knüpfe an Ziffer 3 an. Dies folge schon aus der Verwendung des Wortes „Erlös“ im Singular. Darüber hinaus existiere ein Verkaufserlös, der disquotal verteilt werden könne, auch nur bei einem gemeinsamen Verkauf. Auch würde die Auslegung der Abwicklungsvereinbarung entsprechend der klägerischen Vorstellung dazu führen, dass etwa bei einem Verkauf nur der Bruchteilsanteile des Klägers der andere Gesellschafter mit 40% am Kaufpreis zu beteiligen wäre, ohne dass der Kläger den anderen Gesellschafter zum Verkauf von dessen Bruchteilsanteilen zwingen könnte. Ein dahingehender Wille der Altgesellschafter bei Abschluss der Abwicklungsvereinbarung sei – auch nach den Angaben des Zeugen B. – auszuschließen. Auch aus §§ 14 und 17 des Gesellschaftsvertrages vom 19.01.2000 ergebe sich der Willen der Altgesellschafter, keinem von ihnen die Möglichkeit zu eröffnen, über seinen Bruchteilsanteil isoliert zu verfügen. Das Gericht habe sich durch die Vernehmung des Zeugen B. auch nicht die Überzeugung verschaffen können, dass es der übereinstimmende Willen der Altgesellschafter gewesen sei, die disquotale Verteilung des Kaufpreises bei jedem Verkaufsfall zum Tragen kommen zu lassen.

Da der Verkauf der Bruchteilsanteile durch den Kläger und die Beklagten kein einvernehmlicher iSd. Abwicklungsvereinbarung gewesen sei, könne sich der Kläger auf Ziffer 4 der Abwicklungsvereinbarung nicht berufen. Der Verkauf habe nämlich nicht auf einem übereinstimmenden Beschluss der Gemeinschafter beruht. Auch wenn die Beklagten das Veräußerungsgeschäft des Klägers und der Drittwiderbeklagten mit der R./K. KG de facto nachträglich zu Fall hätten bringen können, würde dies keine Einvernehmlichkeit begründen (LGU S. 15 f.). Denn mit einem einvernehmlichen Verkauf hätten die Gemeinschafter ihre Verhandlungsposition gegenüber einem Erwerber verbessern wollen. Die gesonderte Veräußerung der Miteigentumsanteile des Klägers und der Drittwiderbeklagten hätte es der R./K. KG ermöglicht, den Miteigentumsanteil der Beklagten im Wege der Zwangsvollstreckung zu erwerben, ohne dass die Beklagten dies durch einen freihändigen Verkauf der Grundstücke als Ganzes hätten verhindern können. Die Beklagten wären daher zum Verkauf an die R./K. KG gezwungen gewesen, was allerdings keinem einvernehmlichen Verkauf entspreche (LGU S. 17).

Es sei schließlich auch keine ergänzende Vertragsauslegung dahingehend vorzunehmen, dass Ziffer 4 der Abwicklungsvereinbarung auch bei isolierten Verkäufen der Bruchteilsanteile anzuwenden sei. Dies stelle nämlich eine unzulässige Erweiterung des Vertragsgegenstandes dar und widerspräche auch dem hypothetischen Willen der Altgesellschafter. Es sei nämlich nicht anzunehmen, dass der Altgesellschafter Sch. einen nicht gewollten isolierten Verkauf der Bruchteilsanteile auch noch durch eine Mehrbeteiligung des Klägers hätte belohnen wollen.

Da demnach der Klageanspruch nicht bestehe, sei über die Hilfsaufrechnungen nicht mehr zu entscheiden gewesen.

Die Widerklagen sowie die Drittwiderklage wies das Landgericht ab.

Im Übrigen wird gemäß § 540 Abs. 1 ZPO auf den Tatbestand und die Entscheidungsgründe des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen.

Der Kläger verfolgt mit seiner Berufung sein erstinstanzliches Klageziel unter Wiederholung und Vertiefung seines bisherigen Vortrags vollumfänglich weiter.

Der Kläger beantragt daher:

Das Urteil des Landgerichts München vom 20.04.2021 (Aktenzeichen 41 O 3994/17) wird aufgehoben, soweit die Klage des Klägers abgewiesen wurde.

Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an den Kläger einen Betrag in Höhe von EUR 1.659.560,82 zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 21.02.2017 zu bezahlen.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen, und:

Den Beklagten zu 1), 2) und 3) bleibt die Beschränkung ihrer jeweiligen Haftung bezüglich der Hauptsache, den Nebenforderungen und der Kosten des Rechtsstreits auf den Nachlass des am 25.07.2013 verstorbenen R. Sch.gem. § 780 ZPO vorbehalten.

Der Kläger beantragt,

diesen Antrag zurückzuweisen.

Die Beklagten nehmen die Abweisung der Widerklagen sowie der Drittwiderklage hin und verteidigen das landgerichtliche Urteil. Die Aktivlegitimation des Klägers wird nicht mehr bestritten (vgl. Berufungserwiderung S. 28, Bl. 687 d.A.)

Die Beklagten erheben die Dürftigkeitseinrede. Der Nachlass sei so geringfügig, dass er weder für die Kosten der Nachlassverwaltung noch für die Nachlassinsolvenz ausreiche.

Der Senat hat am 28.09.2022 mündlich verhandelt. Auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 28.09.2022, die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und den übrigen Akteninhalt wird Bezug genommen.

B.

Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet, da das Landgericht zutreffend einen Anspruch des Klägers auf disquotale Verteilung des Verkaufserlöses aus Ziffer 4 der Abwicklungsvereinbarung verneint hat.

Ob – wie von den Parteien eingehend erörtert und nunmehr auch von den Beklagten eingeräumt (vgl. Berufungserwiderung S. 28, Bl. 687 d.A.) – der Kläger hinsichtlich des geltend gemachten Zahlungsanspruchs aus Ziffer 4 der Abwicklungsvereinbarung vom 21.03.1997 laut Anl. K 1, aktivlegitimiert ist, kann dahinstehen, da weder der Anwendungsbereich der Abwicklungsvereinbarung, eröffnet ist (I.) noch die Anspruchsvoraussetzungen der Ziffer 4 der Abwicklungsvereinbarung erfüllt sind (II.).

I.

Die Anwendung der Abwicklungsvereinbarung scheitert schon daran, dass die EST GbR zum Zeitpunkt des Verkaufs des Bruchteilseigentums der Beklagten an die R./K. KG am 10.06.2016 noch nicht aufgelöst war und es auch später nicht wurde. Eine Auflösung der EST GbR ist aber nach Ziffer 1 Abs. 3 der Abwicklungsvereinbarung Voraussetzung für die Anwendbarkeit der Abwicklungsvereinbarung. Ob der Zeuge B. dazu eine andere Meinung vertritt (vgl. insoweit die Vernehmung des Zeugen B. durch das Landgericht, in der der Zeuge äußerte: „Dass die Ziff. 4 der Abwicklungsvereinbarung aus dem Jahr 1997 nur für den Fall gelten sollte, dass die Liquidation der Gesellschaft beschlossen worden ist, das sehe ich nicht so“, S. 5 des Protokolls der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht vom 05.02.2021, Bl. 523 d.A.) ist ohne Bedeutung, da es im Rahmen der Auslegung der Abwicklungsvereinbarung nicht auf den Willen des Zeugen B1., der nicht Partei der Vereinbarung ist, ankommt und der Wortlaut von Ziffer 1 Abs. 3 der Abwicklungsvereinbarung eindeutig ist.

1. Auf das Zustandekommen bzw. die Wirksamkeit des „Gesellschafterbeschlusses“ vom 20./23.07.2013 laut Anl. B2/5, mit dem nach klägerischem Vortrag, die Liquidation der EST GbR erfolgt sein soll, kommt es für die Frage der Anwendbarkeit der Abwicklungsvereinbarung nicht an.

a. Denn selbst wenn – was zwischen den Parteien streitig ist – der Beschluss vom 20./23.07.2013 von den Altgesellschaftern wirksam gefasst worden sein sollte, so hätte dies nicht dazu geführt, dass zum Zeitpunkt des Verkaufs ihres Bruchteilseigentums durch die Beklagten am 10.06.2016 oder danach die EST GbR aufgelöst gewesen wäre. Vielmehr hätte ein (unterstellt) am 20./23.07.2013 gefasster Liquidationsbeschluss der Altgesellschafter nur das Prozedere nach § 17 Ziffer 2 GV in Gang gesetzt. Danach wäre die nach dem (unterstellten) Gesellschafterbeschluss vom 20./23.07.2013 seit dem 23.07.2013 in Liquidation befindliche EST GbR in Ermangelung einer einvernehmlichen Auseinandersetzung der Bruchteilsgemeinschaft der Altgesellschafter an den Grundstücken EST II nach dem Ablauf von zwei Jahren nach dem (unterstellten) Auflösungszeitpunkt mit Ablauf des 23.07.2015 (nach § 17 Ziffer 2 Abs. 2 S. 1 GV „mit Rückwirkung zum Auflösungszeitpunkt“) fortgesetzt worden. Nach § 17 Ziffer 2 Abs. 2 S. 1 GV hätte sich daher auch durch einen (unterstellt) am 20./23.07.2013 gefassten Liquidationsbeschluss in Ermangelung einer einvernehmlichen Auseinandersetzung der Bruchteilsgemeinschaft der Altgesellschafter am Bestand der EST GbR nichts geändert und kann deshalb eine Anwendbarkeit der Abwicklungsvereinbarung, die die alleinige Anspruchsgrundlage für den streitgegenständlichen Zahlungsanspruch des Klägers bildet, nicht auf eine durch den Beschluss vom 20./23.07.2013 herbeigeführte Auflösung der EST GbR gestützt werden.

b. Daran ändert auch nichts, wenn man mit dem Kläger den (unterstellten) Beschluss vom 20./23.07.2013 in eine Kündigung des Gesellschaftsvertrages durch die Drittwiderbeklagte nach § 7 Ziffer 2 S. 1 GV umdeuten wollte. Denn auch eine solche Kündigung, die gemäß § 7 Ziffer 2 S. 3 GV zur Auflösung der GesellschaftBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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führen würde, wäre – wie ein Liquidationsbeschluss – nach § 17 Ziffern 1 und 2 GV zu behandeln gewesen.

2. Eine Auflösung der EST GbR erfolgte auch nicht gemäß § 726 Var. 2 BGB mit der Veräußerung des Bruchteilseigentums der Beklagten an den Grundstücken EST I und EST II durch die Beklagten an die R./K. KG am 10.06.2016, nachdem der Kläger sein Bruchteilseigentum an den Grundstücken EST I und die Drittwiderbeklagte ihr Bruchteilseigentum an den Grundstücken EST II bereits am 26.01.2016 an die R./K. KG veräußert hatte. Zwar waren nunmehr alle Grundstücke, deren Bewirtschaftung nach § 2 S. 1 GV Zweck der EST GbR war, veräußert. Jedoch beschränkte sich der Gesellschaftszweck der EST GbR nicht auf die Bewirtschaftung der in § 2 GV bezeichneten Grundstücke EST I und EST II. Vielmehr standen der EST GbR neben den Erträgen aus der Bewirtschaftung der Grundstücke auch eventuelle Veräußerungserlöse bei Grundstücksverkäufen zu (§ 2 S. 2 2. Hs. GV). Die Vereinnahmung und Verwaltung der Verkaufserlöse aus den Bruchteilseigentumsverkäufen sowohl des Klägers und der Drittwiderbeklagten als auch der Beklagten gehörten damit noch zum Gesellschaftszweck der EST GbR, zumal sich nach § 2 S. 1 GV die Grundstücke im wirtschaftlichen Eigentum der EST GbR befinden sollen. Die Vereinnahmung der Verkaufserlöse, die von der R./K. KG als Erwerberin an den Kläger und die Drittwiderbeklagte sowie die Beklagten entrichtet wurden, ist auch nicht unmöglich iSd. § 275 BGB, da sie vom Kläger und der Drittwiderbeklagten sowie den Beklagten verlangt werden können, sodass ein Fall des § 726 Var. 2 BGB nicht vorliegt.

Eine konkludente Änderung des Gesellschaftsvertrages der EST GbR in § 2 S. 2 2. Hs dadurch, dass alle Gesellschafter der EST GbR die Erlöse aus den Verkäufen ihrer Bruchteilsanteile entgegen § 2 S. 2 2. Hs GV selbst vereinnahmt haben, dahingehend, dass die Vereinnahmung der Erlöse aus den Verkäufen der Bruchteilsanteile nicht mehr Gesellschaftszweck sein soll, ist – unabhängig davon, ob eine solche konkludente Änderung anzunehmen ist – jedenfalls schon aufgrund der doppelten Schriftformklausel des § 18 Abs. 1 GV nicht möglich.

3. In der Vereinbarung sowohl des Klägers als auch der Beklagten mit der RA/KE KG als Erwerberin der Bruchteilsanteile in den mit der R./K. KG geschlossenen Kaufverträgen laut Anl. K 2 und K 3, dass der Verkaufserlös entgegen § 2 S. 2 2. Hs. GV nicht an die EST GbR, sondern an die Gemeinschafter zu zahlen sei, ist auch kein konkludenter Liquidationsbeschluss der Gesellschafter der EST GbR zu sehen. Denn aus dem Abschluss von Verträgen der Gesellschafter mit einer Dritten kann nicht auf einen übereinstimmenden Liquidationswillen der Gesellschafter geschlossen werden, zumal die Abschlüsse der Verträge mit der R./K.KG mehr als vier Monate auseinanderlagen.

II.

Letztendlich kommt es aber auf die Frage der Auflösung der EST GbR entscheidungserheblich gar nicht an, da, selbst wenn – wie der Kläger annimmt – von einer bereits erfolgten Auflösung der EST GbR auszugehen wäre, die in Ziffer 4 vorgesehene disquotale Verteilung des Erlöses aus dem Verkauf der Grundstücke – wie das Landgericht aufgrund seiner zutreffenden Auslegung der Abwicklungsvereinbarung festgestellt hat – nur zum Tragen kommen soll, wenn die in Ziffer 1 der Abwicklungsvereinbarung bezeichneten Grundstücke von den Gemeinschaftern einvernehmlich als Ganzes verkauft werden, nicht aber, wenn nur die Bruchteilsanteile an den Grundstücken veräußert werden (vgl. unten 1 – 6). Da im streitgegenständlichen Fall jedoch nur ein Bruchteilsanteilsverkauf erfolgte (vgl. unten 7), nicht aber ein einvernehmlicher Verkauf als Ganzes, besteht kein Anspruch des Klägers auf eine disquotale Verteilung des Veräußerungserlöses nach Ziffer 4 der Abwicklungsvereinbarung.

1. Der Senat geht dabei – ebenso wie das Landgericht – davon aus, dass die Abwicklungsvereinbarung vom 21.03.1997 laut Anl. K 1 durch den zu einem späteren Zeitpunkt geschlossenen Gesellschaftsvertrag vom 19.01.2000 laut Anl. B 1 nicht aufgehoben wurde, sondern weitergalt. Der vom Kläger behaupteten Novation (Berufungsbegründung S. 30 ff., Bl. 638 ff. d.A.) bedarf es daher insoweit nicht.

Da der Kläger Anspruchssteller ist, obliegt es ihm, die Tatsachen, die für die Begründung seines Anspruchs erforderlich sind, darzulegen und zu beweisen. Für die Auslegung der Abwicklungsvereinbarung sowie der übrigen auslegungsrelevanten Regelungen gibt es entgegen der Rechtsansicht der Berufung (Berufungsbegründung S. 18 f., Bl. 626 f. d.A.) weder eine Behauptungs- noch eine Beweislast besteht. Darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen sind vielmehr nur die für die Auslegung relevanten Tatsachen (vgl. Ellenberger in Grüneberg, BGB, 81. Auflage, München 2022, Rdnr. 29 zu § 133 BGB mit Nachweisen aus der BGH-Rechtsprechung).

a. Der Wortlaut von Ziffer 4 der Abwicklungsvereinbarung, von dem bei der Auslegung auszugehen ist, enthält keine ausdrückliche Verknüpfung der Verteilung des Veräußerungserlöses an die Art der Veräußerung (einvernehmlicher Verkauf als Ganzes oder aber Verkauf nur der Bruchteilsanteile). Denn in Ziffer 4 der Abwicklungsvereinbarung wird die Höhe des den Vertragspartnern zustehenden Anteils am Veräußerungserlös nur von der Zugehörigkeit der veräußerten Grundstücke zu EST I (dann gemäß Ziffer 4 Abs. 1 der Abwicklungsvereinbarung Teilung des Veräußerungserlöses zur Hälfte) bzw. EST II (dann gemäß Ziffer 4 Abs. 2 der Abwicklungsvereinbarung disquotale Erlösverteilung) abhängig gemacht.

Anders als das Landgericht (LGU S. 14 zweiter Absatz) sieht der Senat in der Verwendung des Begriffes „Erlös“ in Ziffer 4 Abs. 1 und Abs. 2 der Abwicklungsvereinbarung im Singular kein aussagekräftiges Indiz für die Notwendigkeit einer einvernehmlichen Veräußerung als Ganzes. Denn die daraus vom Landgericht gezogene, durchaus mögliche Schlussfolgerung, dass die Parteien der Abwicklungsvereinbarung davon ausgegangen seien, dass es nur einen Veräußerungsvorgang mit einem einzigen sich daraus ergebenden Erlös geben sollte und nicht – wie bei einem gesonderten Verkauf der jeweiligen Bruchteilsanteile – mindestens zwei Erlöse, ist im Hinblick auf die Aussage des Zeugen B. und die Vorgehensweise der Altgesellschafter bei der Veräußerung von Grundstücken aus dem Komplex EST I nicht zwingend. Den Altgesellschaftern sei nämlich nach der glaubhaften Aussage des Zeugen B. bei Abschluss der Abwicklungsvereinbarung klar gewesen, dass ein gleichzeitiger Verkauf aller Grundstücke des Komplexes EST II nicht sichergestellt sei und dass deshalb – wie zuvor im Rahmen der Veräußerung von Grundstücken aus dem Komplex EST I – möglicherweise einzelne Grundstücke gesondert verkauft werden müssten (vgl. S. 3 des Protokolls der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht vom 05.02.2021, Bl. 521 d.A.).

b. Für die Notwendigkeit eines einvernehmlichen Verkaufs als Ganzes spricht jedoch die systematische Stellung der Erlösverteilungsregelung laut Ziffer 4 im Gefüge der Abwicklungsvereinbarung.

aa. In den vorgehenden Ziffern 2 und 3 der Abwicklungsvereinbarung ist nämlich geregelt, dass im Falle der Auflösung der EST GbR auf eine Dauer von eineinhalb Jahren kein Antrag auf Teilungsversteigerung gemäß § 180 ZVG gestellt werden dürfe und während dieser Zeit versucht werde, die Grundstücke „freihändig und einvernehmlich zu veräußern“ (Ziffer 3 Abs. 1 der Abwicklungsvereinbarung). Sollte nach einem Jahr ein freihändiger einvernehmlicher Verkauf nicht zustande gekommen sein, so solle ein Wertgutachten erstellt werden, dessen Ergebnis einem freihändigen Verkauf zu Grunde zu legen sei (Ziffer 3 Abs. 2 und 3 der Abwicklungsvereinbarung). Da unmittelbar auf die Regelungen betreffend die beim Verkauf der Immobilien einzuhaltende Vorgehensweise die Erlösverteilungsregelung folgt, kann daraus geschlossen werden, dass diese auch nur für den einvernehmlichen freihändigen Verkauf als Ganzes entsprechend Ziffern 2 und 3 gelten solle.

bb. Dass die Erlösverteilungsregelung als eigene Ziffer (die Ziffer 4) in die Abwicklungsvereinbarung aufgenommen wurde und nicht als Unterabschnitt der Ziffer 3 führt entgegen der Ansicht der Berufung (vgl. Berufungsbegründung S. 25, Bl. 633 d.A.) bei der systematischen Auslegung der Abwicklungsvereinbarung zu keinem anderen Ergebnis. Denn die Aufnahme der Erlösverteilungsregelung in Ziffer 4 ändert an dem inhaltlichen Zusammenhang mit den vorangestellten Ziffern 2 und 3 nichts. Zwar wäre eine Aufnahme der Erlösverteilungsregelung in die Ziffer 3 ohne weiteres ebenso möglich gewesen, um die Verknüpfung der beiden Regelungen zu verdeutlichen, jedoch lässt sich aus der Aufnahme der Erlösverteilungsregelung in eine gesonderte Ziffer nicht entnehmen, dass eine solche Verknüpfung gerade nicht erfolgen sollte.

cc. Mit ihrer gegen eine solche systematische Auslegung erhobenen Rüge (vgl. Berufungsbegründung S. 19, Bl. 627 d.A.), dass dabei der Umstand außer Acht gelassen werde, dass Ziffer 4 der Abwicklungsvereinbarung ursprünglich als Ergänzung des Gesellschaftsvertrages vom 01.02.1991 gedacht gewesen sei, nur aus beurkundungstechnischen Gründen in die Abwicklungsvereinbarung aufgenommen worden und deshalb inhaltlich isoliert von den Ziffern 2 und 3 der Abwicklungsvereinbarung zu sehen sei, was der Zeuge B. in seiner Vernehmung durch das Landgericht auch so bekundet habe, hat die Berufung keinen Erfolg.

(1) Zum einen bleibt dabei unberücksichtigt, dass die Willenserklärungen der Altgesellschafter nun einmal so beurkundet wurden wie es sich aus der Abwicklungsvereinbarung ergibt und deshalb der systematische Kontext dieser Erklärungen zu berücksichtigen ist.

(2) Zum anderen lässt sich auch mit der Aussage des Zeugen B. eine Außerachtlassung der systematischen Stellung der Ziffer 4 im Gefüge der Abwicklungsvereinbarung nicht begründen. Zwar bekundete der Zeuge B1. vor dem Landgericht, dass die Erlösverteilungsregelung „bewusst als Ziffer 4 in den Vertrag aufgenommen (werden sollte) und nicht etwa als Ziff. 3. d), weil dies unabhängig von den Regelungen in Ziff. 3 der Abwicklungsvereinbarung gelten sollte“ und dass „(d) ie Ziffer 4 (…) für jeden Fall sicherstellen (sollte), dass bei der Verwertung der Grundstücke im Verhältnis 60:40 verteilt (werde)“ (vgl. S. 4 des Protokolls der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht vom 05.02.2021, Bl. 522 d.A.). Jedoch bekundete der Zeuge B. gleichzeitig, dass die Gesellschafter der EST GbR „an einen Verkauf von Miteigentumsanteilen nur eines Gesellschafters nicht gedacht (hätten), bzw. dass dies nicht besprochen“ worden sei (vgl. S. 4 des Protokolls der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht vom 05.02.2021, Bl. 522 d.A.), dass „die Altgesellschafter nicht über den Fall gesprochen (hätten), dass nur ein Gesellschafter seine Anteile veräußer(e)“ (vgl. S. 5 des Protokolls der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht vom 05.02.2021, Bl. 523 d.A.) und dass „die Altgesellschafter nicht darüber gesprochen hätten, wie Erlöse zu verteilen seien, wenn nur Grundstücksbruchteile verkauft (würden) von einem Gesellschafter“ (vgl. S. 7 des Protokolls der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht vom 05.02.2021, Bl. 525 d.A.). Damit ist die Aussage des Zeugen B. aber bereits in sich widersprüchlich, da nicht erkennbar ist, wie nach dem Willen der Gesellschafter Ziffer 4 der Abwicklungsvereinbarung für jeden Fall des Verkaufs gelten solle, wenn doch die Gesellschafter bezüglich des gesonderten Verkaufs der Bruchteilsanteile durch einen von ihnen oder durch beide gar keinen Willen manifestiert haben. Dass die Altgesellschafter nur einen einvernehmlichen Verkauf als Ganzes im Auge hatten, ist umso naheliegender, als nach der Aussage des Zeugen B. es auch „de facto praktisch ausgeschlossen (gewesen sei), dass ein Gesellschafter allein verkauft, da einen die Bank nicht aus der Finanzierung gelassen hätte“ (vgl. S. 4 des Protokolls der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht vom 05.02.2021, Bl. 522 d.A.). Ziffer 4 der Abwicklungsvereinbarung mag daher vielleicht nach dem Willen des Zeugen B. für alle Veräußerungsfälle gelten. Darauf kommt es aber nicht an, da entscheidend allein der Wille der Vertragspartner und damit der Altgesellschafter ist, diese sich aber nach der Aussage des Zeugen B. gar keinen Willen dahingehend gebildet hatten, dass die Erlösverteilungsregelung der Ziffer 4 auch für den gesonderten Verkauf von Bruchteilanteilen gelten sollte.

Auch aus den Anlagen K 40 – 44, deren Nichtberücksichtigung im Rahmen der landgerichtlichen Auslegung die Berufung bemängelt (vgl. Berufungsbegründung, S. 22 f. Bl. 630 f. d.A.) lässt sich nicht entnehmen, dass die Erlösverteilungsregelung für jeden Verkauf, gleich ob einvernehmlich als Ganzes oder nicht, gelten solle. Diese Unterlagen belegen nämlich nur die (nach Einschätzung des Landgerichts und auch des Senats ohnehin nicht in Zweifel stehende) inhaltliche Richtigkeit der Aussage des Zeugen B., wonach die nunmehrige Ziffer 4 der Abwicklungsvereinbarung nach der ursprünglichen Intention des Zeugen B. als Ergänzung (wohl von § 7) des damaligen Gesellschaftsvertrags der EST GbR in den damaligen Gesellschaftsvertrag hätte aufgenommen werden sollen. Für eine damit intendierte Erstreckung der Erlösverteilungsklausel auf alle Verkaufskonstellationen lässt sich aus diesen Unterlagen jedoch nichts entnehmen, da zum einen in den Unterlagen laut Anl. K 40 – 44 dazu nichts ausgesagt ist und zum anderen es nach der Aussage des Zeugen – wie oben dargelegt – hierzu gerade keinen Willen der Altgesellschafter gegeben hat.

Auch wenn man der Auslegung von Ziffer 4 der Abwicklungsvereinbarung den Umstand zu Grunde legt, dass die Erlösverteilungsklausel zunächst in den damaligen Gesellschaftsvertrag der EST GbR (d.h. demjenigen vom 01.02.1991) hätte integriert werden sollen, so wäre die Klausel jedenfalls im Kontext des Gesellschaftsvertrags der EST GbR auszulegen. Insoweit liegt zwar nur der Gesellschaftsvertrag des EST GbR vom 19.01.2000 (Anl. B 1) vor, der jedoch entgegen der Ansicht der Berufung (vgl. Berufungsbegründung S. 23, Bl. 631 d.A.) durchaus als ein bei der Auslegung relevanter Umstand berücksichtigen werden kann, auch wenn er zeitlich nach der Abwicklungsvereinbarung vom 21.03.1997 geschlossen wurde. Denn der Gesellschaftsvertrag vom 19.01.2000 lässt Rückschlüsse auf das Verhalten und die Willensrichtung der Parteien bei Abschluss der Abwicklungsvereinbarung zu (zur grundsätzlichen Zulässigkeit der Berücksichtigung nachträglichen Verhaltens bei der Auslegung von Verträgen vgl. Ellenberger in Grüneberg, BGB, 81. Auflage, München 2022, Rdnr. 6 b zu § 133 BGB m.w.N. aus der Rechtsprechung des BGH). Dem Gesellschaftsvertrag vom 19.01.2000 liegt nämlich – wie sich der Regelung des § 17 Ziffern 1 und 2 GV entnehmen lässt – die tragende Vorstellung der Altgesellschafter zu Grunde, dass ausschließlich eine einvernehmliche Auseinandersetzung der Bruchteilsgemeinschaft zu erfolgen habe. Denn ohne eine solche einvernehmliche Auseinandersetzung der Bruchteilsgemeinschaft wäre selbst nach einer Auflösung der EST GbR diese fortzusetzen gewesen. Die einvernehmliche Auseinandersetzung der Bruchteilsgemeinschaft soll daher – außer in den Fällen einer Kündigung der EST GbR aus wichtigem Grund (§ 17 Ziffer 3 GV) – nach § 17 Ziffer 2 Abs. 2 S. 1 GV Voraussetzung für eine Auflösung der EST GbR sein. Die in § 17 Ziffern 1 und 2 GV stipulierte Regelung, die ohne einvernehmliche Auflösung der Bruchteilsgemeinschaft trotz Kündigung durch einen der Gesellschafter der EST GbR (falls nicht aus wichtigem Grund) oder trotz eines Liquidationsbeschlusses der Gesellschafter zu einer endlosen Fortsetzung der EST GbR führt, verdeutlicht den unbedingten Willen der Altgesellschafter ausschließlich eine einvernehmliche Auseinandersetzung der Bruchteilsgemeinschaft zuzulassen. Dass der Wille der Altgesellschafter bei Abschluss der zeitlich früheren (21.03.1997) Abwicklungsvereinbarung davon ein abweichender gewesen sein sollte, ist nicht ersichtlich. Auch in der Berufung, die sich ausdrücklich auf den ursprünglichen Gesellschaftsvertrag als relevanten Auslegungsumstand beruft und die Heranziehung des aktuellen Gesellschaftsvertrages zum Zwecke der Auslegung der Abwicklungsvereinbarung durch das Landgericht rügt (vgl. Berufungsbegründung S. 23, Bl. 631 d.A.), wird klägerseits nicht vorgetragen, dass der ursprüngliche Gesellschaftsvertrag vom 01.02.1991 bezüglich der Auflösung der EST GbR und der Bruchteilsgemeinschaft eine von der grundlegenden Konzeption des § 17 Ziffern 1 und 2 GV abweichende Regelung enthalten hätte, obwohl dem Kläger als Partei auch des ursprünglichen Gesellschaftsvertrages vom 01.02.1991 dessen Inhalt bekannt ist und er deshalb ohne weiteres hierzu hätte vortragen können.

Auch die Tatsache, dass in Ziffern 2 und 3 der Abwicklungsvereinbarung ein Zeitgerüst für die Abwicklung eines einvernehmlichen Verkaufs der Grundstücke EST II als Ganzes vorgesehen ist (Verpflichtung zur Unterlassung der Stellung eines Antrags auf Teilungsversteigerung während eineinhalb Jahren nach „Beendigung“ der EST GbR, Recht eines jeden Gesellschafters auf Anfertigung eines Wertgutachtens nach Ablauf eines Jahres nach der Beendigung der EST GbR und Verlängerung des Karenzzeitraums im Falle einer Gutachtenserholung um sechs auf dann 24 Monate) führt – anders als die Berufung meint (vgl. Berufungsbegründung S. 24, Bl. 632 d.A.) – nicht zur Annahme, dass nach Ablauf des „Karenzzeitraums“ ein gesonderter Verkauf der Bruchteilsanteile zulässig sein soll. Dem steht nämlich die Regelung des § 17 Ziffer 2 GV entgegen, der stipuliert, dass, wenn eine einvernehmliche Auseinandersetzung der Bruchteilsgemeinschaft binnen „einer Frist von maximal 24 Monaten“, die offensichtlich an die Maximalfrist der Ziffer 3 Abs. 4 der Abwicklungsvereinbarung anknüpft, nach Auflösung der EST GbR, nicht erfolgt sein sollte, die EST GbR auch ohne einen Fortsetzungsbeschluss fortgesetzt werden soll. Daraus ist zu entnehmen, dass bei einem Scheitern der einvernehmlichen Verkaufsbemühungen eben gerade kein gesonderter Verkauf der Bruchteilsanteile zulässig sein sollte, sondern vielmehr die Grundstücke bei den Altgesellschaftern der EST GbR verbleiben und weiter durch die fortzusetzenden EST GbR bewirtschaftet werden sollten. Aufgrund dessen ist es auch folgerichtig, dass in Ziffer 3 der Abwicklungsvereinbarung nur von einem Versuch, die Immobilien freihändig zu verkaufen, die Rede ist und spricht dies entgegen der Ansicht der Berufung (vgl. Berufungsbegründung S. 26, Bl. 634 d.A.) ebenfalls nicht gegen die vom Landgericht vorgenommene Auslegung.

c. Die Auslegung, dass nur bei einer einvernehmlichen Veräußerung der Grundstücke aus dem Komplex EST II als Ganzes die disquotale Erlösverteilung laut Ziffer 4 der Abwicklungsvereinbarung zum Tragen komme, ist auch interessengerecht und widerspricht entgegen der Ansicht der Berufung (Berufungsbegründung S. 12 ff., Bl. 620 ff. d.A.) nicht dem Sinn und Zweck der Abwicklungsvereinbarung.

aa. Wie schon das Landgericht (LGU S. 15 dritter Absatz) geht auch der Senat davon aus, dass – wie der Kläger behauptet – die disquotale Erlösverteilung im Verhältnis 60:40 zum Vorteil des Klägers den jedenfalls nach Einschätzung der Altgesellschafter größeren Beitrag des Klägers zur Wertschöpfung der EST GbR abgelten sollte. Dies ergibt sich zum einen aus den diesbezüglichen Aussagen der Zeugen B. (vgl. S. 3 des Protokolls der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht vom 05.02.2021, Bl. 521 d.A.) und Busch (vgl. S. 5 des Protokolls der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht vom 25.09.2020, Bl. 454 d.A.). Zum anderen ist auch nicht ersichtlich, welchen anderen Zweck die disquotale Erlösverteilung haben sollte, wenn man nicht von einer Schenkung des Altgesellschafters R. Sch. zu Gunsten des Klägers ausgehen sollte, die auch die Beklagten nicht behaupten und wofür es auch keine Anhaltspunkte gibt.

bb. Dies führt jedoch nicht dazu, dass nach der Abwicklungsvereinbarung ein Anspruch des Klägers auf disquotale Erlösverteilung in jedem Fall der Veräußerung bestehen solle und die vom Landgericht vorgenommene andere Auslegung der Abwicklungsvereinbarung als nicht interessengerecht anzusehen wäre. Denn geboten ist nicht eine Auslegung, die nur dem Interesse einer Partei entspricht, sondern vielmehr eine nach beiden Seiten interessengerechte Auslegung (vgl. Ellenberger in Grüneberg, BGB, 81. Auflage, München 2022, Rdnr. 18 zu § 133 BGB m.w.N. aus der BGH-Rechtsprechung). Die Abwicklungsvereinbarung schützt aber nach ihrem Sinn und Zweck nicht nur das Interesse des Klägers an der angemessenen Vergütung seines erhöhten Beitrags an der Wertschöpfung der EST GbR, sondern in gleichem Maße das Interesse des R. Sch. (und nunmehr seiner Erben) an einer einvernehmlichen Veräußerung der Grundstücke des Komplexes EST II. Durch die in der Abwicklungsvereinbarung vorgesehene Notwendigkeit der Einvernehmlichkeit sollte nämlich zum einen das Mitentscheidungsrecht beider Altgesellschafter (und damit auch des R. Sch.) garantiert werden und zum anderen ein (wie sich insbesondere aus der Regelung in Ziffer 3 der Abwicklungsvereinbarung zur Wertbestimmung ergibt) marktangemessener Veräußerungserlös sichergestellt werden. Dass die Notwendigkeit einer einvernehmlichen Veräußerung der Grundstücke als Ganzes (wenn möglicherweise auch nicht notwendigerweise aller Grundstücke gleichzeitig) für beide Altgesellschafter von sehr hoher Bedeutung war, zeigen sowohl die Regelung des § 17 Ziffern 1 und 2 GV, der für den Fall des Scheiterns eines einvernehmlichen Grundstücksverkaufs trotz eines etwaigen Liquidationsbeschlusses eine Fortsetzung der EST GbR vorsieht, als auch die in Ziffer 2 Abs. 2 der Abwicklungsvereinbarung enthaltene Regelung über die Zahlung einer Vertragsstrafe für den Fall, dass einer der Gesellschafter binnen 18 Monaten nach Beendigung der Gesellschaft einen Antrag auf Teilungsversteigerung stellen sollte. Sinn und Zwecke der Abwicklungsvereinbarung war also, auch wenn der Kläger dies nunmehr nicht mehr wahrhaben will, keineswegs ausschließlich die Sicherung seines disquotalen Erlösverteilungsanspruchs, sondern mindestens in gleichem Umfang die Garantie einer einvernehmlichen Veräußerung der Grundstücke als Ganzes.

Da somit eine entgegen der Abwicklungsvereinbarung und § 17 GV erfolgte nicht einvernehmliche Veräußerung der Grundstücke einem eminenten Interesse des R. Sch. und seiner Erben zuwiderläuft, gebietet eine interessengerechte Auslegung der Abwicklungsvereinbarung nicht in jedem Fall eine Garantie der disquotalen Erlösverteilung zu Gunsten des Klägers, sondern kann aufgrund der Interessenlage der anderen Gesellschafter auch dazu führen, dass ein Anspruch des Klägers auf disquotale Erlösverteilung nicht besteht. Dabei kommt es auch nicht darauf an, ob – wie von den Parteien eingehend ventiliert – der Anspruch des Klägers auf disquotale Erlösverteilung in einer synallagmatischen Beziehung zur Verpflichtung der Altgesellschafter zur Durchführung eines einvernehmlichen Grundstücksverkaufs steht.

cc. In Anbetracht des eindeutigen Auslegungsergebnisses kommt es auch nicht mehr darauf an, ob – worauf das Landgericht zur Stützung seiner Auslegung ergänzend abstellt (LGU S. 14 vorletzter Absatz) und was die Berufung rügt (vgl. Berufungsbegründung S. 27 ff., Bl. 635 ff. d.A.) – eine disquotale Erlösverteilung im Falle eines gesonderten Verkaufs von Miteigentumsanteilen durch einen der Gesellschafter in der Person des nicht verkaufenden anderen Gesellschafters zu einem unbilligen Ergebnis führen würde.

dd. Die Aussage des Zeugen Bu. vor dem Landgericht, deren Nichteinbeziehung in die Auslegung die Berufung rügt (vgl. Berufungsbegründung S. 29 und 31, Bl. 637 und 639 d.A.), vermag an der vom Senat vorgenommenen Auslegung nichts ändern. Denn auch aus der Aussage des Zeugen Bu. ergibt sich nicht, dass die Altgesellschafter bei Abschluss der Abwicklungsvereinbarung eine disquotale Erlösverteilung auch bei der nicht einvernehmlichen Veräußerung eines Miteigentumsanteils beabsichtigten. In seiner Vernehmung vor dem Landgericht vom 25.09.2020 hat der Zeuge Bu. nämlich angegeben, dass er nichts davon wisse, „dass die Altgesellschafter mal darüber gesprochen (hätten), was passieren soll(e), wenn nur einer der Altgesellschafter seine Miteigentumsanteile verkauft“ (vgl. S. 6 siebter Absatz des Protokolls der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht vom 25.09.2020, Bl. 455 d.A.). Der Zeuge Busch erwähnte dann im Zusammenhang mit Beispielsrechnungen der Altgesellschafter zwar den Fall, „dass aus einer Immobilie der EST II Teileigentum verkauft (werden solle), etwa eine eigenständige Büroeinheit“ (vgl. S. 6 vorletzter Absatz des Protokolls der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht vom 25.09.2020, Bl. 455 d.A.). Dabei hätte es sich aber gerade nicht um den Verkauf des Miteigentumsanteils eines der Altgesellschafter, sondern um den einvernehmlichen Verkauf erst noch zu bildenden Teileigentums gehandelt. Auch aus der von der Berufung in Bezug genommenen Passage der Vernehmung des Zeugen Bu. vom 25.09.2020 (S. 6 zweiter Absatz des Protokolls der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht vom 25.09.2020, Bl. 455 d.A., vgl. Berufungsbegründung S. 31, Bl. 639 d.A.) lässt sich nichts anderes herleiten. Denn auch dort ging es nicht um einen nicht einvernehmlichen Verkauf eines Miteigentumsanteils eines der Gemeinschafter. Vielmehr erfolgte die Übertragung der Miteigentumsanteile des Klägers an die Drittwiderbeklagte, bei denen es sich auch um diejenigen an den Grundstücken des Komplexes EST I handelte, für die die disquotale Erlösverteilung gar nicht gilt, im Einvernehmen zwischen den Altgesellschaftern, sodass daraus für die hier streitgegenständliche Frage der Anwendbarkeit der disquotalen Erlösverteilung auf einen nicht einvernehmlichen Verkauf eines Miteigentumsanteils nichts abgeleitet werden kann. Anderenfalls wäre die Aussage des Zeugen Bu. auch in sich widersprüchlich und schon deshalb nicht beweiskräftig, da er gleichzeitig – wie oben dargelegt – ausführte, dass die Altgesellschafter seines Wissens nach über den gesonderten Verkauf von Miteigentumsanteilen durch einen von ihnen nicht gesprochen hätten.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der früheren Vernehmung des Zeugen Bu. vor dem Landgericht am 10.12.2018, die inhaltlich von seiner späteren Aussage vom 25.09.2020 nicht abweicht (vgl. S. 4 des Protokolls der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht vom 10.12.2018, Bl. 296. d.A.). In seiner erneuten Vernehmung vor dem Landgericht am 05.02.2021 hat sich der Zeuge Bu. zu einem gesonderten Verkauf der Miteigentumsanteile durch einen der Altgesellschafter nicht geäußert (vgl. S. 7 ff. des Protokolls der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht vom 05.02.2021, Bl. 525 ff. d.A.).

2. Ob – wie der Kläger behauptet (vgl. Schriftsatz der Klägvertreterin vom 14.09.2017, S. 7, Bl. 74 d.A.) – die Abwicklungsvereinbarung durch den Liquidationsbeschluss vom 20./23.07.2013 laut Anl. B 2/5 (dessen Zustandekommen durch die Beklagten bestritten wird) dahingehend abgeändert wurde, dass das Veräußerungsprozedere laut Ziffern 2 und 3 der Abwicklungsvereinbarung nicht mehr durchzuführen sei, sondern der Kläger zum Verkauf der Grundstücke ermächtigt worden sei, kann dahinstehen. Denn selbst wenn Ziffern 2 und 3 der Abwicklungsvereinbarung durch den (unterstellten) Liquidationsbeschluss vom 20./23.07.2013 aufgehoben und durch die Verkaufsregelungen in Ziffern 4 bis 6 des Liquidationsbeschlusses ersetzt worden sein sollten, so ergäbe sich hieraus keine Befugnis des Klägers zum Verkauf nur seiner Miteigentumsanteile an den Grundstücken des Komplexes EST II. Denn die Verkaufsermächtigung in Ziffer 3 des Liquidationsbeschlusses bezieht sich ausdrücklich nur auf die Verwertung des „gesamten Grundbesitz(es)“ oder, wenn eine solche nicht möglich sein sollte, auf „Einzelverkäufe“ von Grundstücken. In Ziffer 6 S. 2 des Liquidationsbeschlusses ist deshalb ebenfalls nur von der Übernahme „einzelne(r) oder alle(r) Grundstücke“ die Rede. Nur wenn der Kläger die Grundstücke selbst übernommen hätte, hätte er notwendigerweise lediglich Bruchteilsanteile, nämlich die des R. Sch. bzw. dessen Erben, erwerben müssen. Ein solcher Fall liegt streitgegenständlich jedoch gerade nicht vor. Auch der (unterstellte) Liquidationsbeschluss stellt daher – wie die Abwicklungsvereinbarung in Ziffern 2 und 3 – ausschließlich auf den Verkauf aller oder einzelner Grundstücke ab und erfasst daher gerade nicht den Verkauf von Bruchteilsanteilen durch einen der Gemeinschafter (sofern nicht der Kläger die Grundstücke selbst erwirbt).

Dass an einen gesonderten Verkauf von Miteigentumsanteilen auch bei (unterstellter) Fassung des Liquidationsbeschlusses von Seiten der Altgesellschafter nicht gedacht war, ergibt sich auch aus der Aussage des Zeugen Bu. Dieser bekundete nämlich, dass der Plan der Altgesellschafter gewesen sei, „die Immobilien ganz oder teilweise zu verkaufen, dies jedoch nur zu marktgerechten Konditionen. Es sollte kein Notverkauf werden“ (S. 9 neunter Absatz des Protokolls der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht vom 25.09.2020, Bl. 458 d.A.). „Eine Rechnung, die beinhaltete, dass nur einer der Gesellschafter seine Miteigentumsanteile verkauft“, sei nicht durchgeführt worden. Dies sei wegen der Darlehensverbindlichkeiten auch gar nicht möglich gewesen (S. 10 letzter Absatz des Protokolls der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht vom 25.09.2020, Bl. 459 d.A.).

Sollten also die Regelungen in Ziffern 2 und 3 der Abwicklungsvereinbarung tatsächlich durch den Liquidationsbeschluss ersetzt worden sein, so wären in die Stelle der Ziffern 2 und 3 der Abwicklungsvereinbarung die Ziffern 3 bis 6 des Liquidationsbeschlusses getreten und wäre die Erlösverteilungsklausel in Ziffer 4 der Abwicklungsvereinbarung nunmehr im systematischen Zusammenhang mit Ziffer 3 und 6 des Liquidationsbeschlusses auszulegen. Dies würde aber aufgrund des Abstellens auch des Liquidationsbeschlusses auf den Verkauf einzelner oder aller Grundstücke aus dem Komplex EST II und der fehlenden Ermächtigung zum Verkauf von Bruchteilsanteilen an Dritte durch einen der Gemeinschafter, zu keinem anderen Ergebnis führen, als dass eine disquotale Erlösverteilung einen einvernehmlichen Verkauf der Grundstücke als jeweils Ganzes voraussetzt.

3. Eine Novation der Abwicklungsvereinbarung dergestalt, dass nunmehr eine disquotale Erlösverteilung auch bei einem nicht einvernehmlichen Verkauf von Miteigentumsanteilen durch einen der Gemeinschafter erfolgen sollte, durch eine Absprache der Altgesellschafter anlässlich des Verkaufs der Miteigentumsanteile des Klägers an den Grundstücken des Komplexes EST I im Jahr 2007 konnte der insoweit beweisbelastete Kläger nicht nachweisen. Die Aussagen des Zeugen Bu. belegen – wie oben dargestellt – eine solche Abrede nicht. Vielmehr führt der Zeuge ausdrücklich aus, dass er von Gesprächen der Altgesellschafter über einen nicht einvernehmlichen Verkauf von Miteigentumsanteilen nichts wisse (vgl. S. 6 siebter Absatz des Protokolls der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht vom 25.09.2020, Bl. 455 d.A.).

4. Die von der Berufung beantragten erneuten Vernehmungen der Zeugen B. und Bu. waren nicht durchzuführen. Die Zeugen wurden bereits durch das Landgericht umfänglich (teilweise mehrfach) vernommen.

Nach alledem kommt nach der Abwicklungsvereinbarung eine disquotale Verteilung von Verkaufserlösen aus dem Komplex EST II nur bei einem einvernehmlichen Verkauf der Grundstücke als Ganzes zum Tragen.

5. Einen davon abweichenden tatsächlichen Willen hat der insoweit beweisbelastete Kläger nicht nachgewiesen. Denn sowohl der Zeuge B. als auch der Zeuge Bu. haben übereinstimmend bekundet, dass der Fall einer nicht einvernehmlichen Veräußerung von Miteigentumsanteilen durch einen der Gemeinschafter zwischen den Gemeinschaftern weder bedacht noch besprochen wurde (zum Zeugen B. vgl. S. 4 des Protokolls der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht vom 05.02.2021, Bl. 522 d.A. zum Zeugen Bu. vgl. S. 6 siebter Absatz des Protokolls der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht vom 25.09.2020, Bl. 455 d.A.). Auch aus den vorgelegten Unterlagen (auch nicht den Anlagen K 40 – 44) sowie anderen tatsächlichen Umständen lässt sich ein solcher abweichender tatsächlicher Wille der Altgesellschafter nicht ableiten.

6. Zu Recht ist das Landgericht auch davon ausgegangen, dass eine ergänzende Vertragsauslegung dahingehend, dass nach der Abwicklungsvereinbarung eine disquotale Erlösverteilung auch bei einem Verkauf von Bruchteilsanteilen erfolgen sollte, in Ermangelung einer planwidrigen Unvollständigkeit ausscheidet (LGU S. 17). Eine solche wäre nämlich nur gegeben, wenn die Abwicklungsvereinbarung eine Bestimmung vermissen ließe, die erforderlich ist, um den ihr zugrunde liegenden Regelungsplan zu verwirklichen. Ohne die Vervollständigung des Vertrages müsste also eine angemessene, interessengerechte Lösung nicht zu erzielen sein (zu den Voraussetzungen einer ergänzenden Vertragsauslegung vgl. Ellenberger in Grüneberg, BGB, 81. Auflage, München 2022, Rdnr. 3 zu § 157 BGB m. Nachweisen aus der BGH-Rechtsprechung).

Zwar haben laut den Aussagen der Zeugen B. und Bu. vor dem Landgericht die Altgesellschafter ihres Wissens nach nicht an die Möglichkeit getrennter Verkäufe ihrer Bruchteilsanteile gedacht. Eine planwidrige Regelungslücke liegt jedoch entgegen der Ansicht der Berufung (vgl. Berufungsbegründung S. 42 ff., Bl. 651 ff. d.A.) dennoch nicht vor, da eine Erstreckung der Erlösverteilungsklausel auch auf Fälle des nicht einvernehmlichen Verkaufs von Miteigentumsanteilen nicht erforderlich ist, um den der Abwicklungsvereinbarung zu Grunde liegenden Regelungsplan zu verwirklichen. Dieser ging nämlich – wie oben unter 1 c dargelegt – dahin, dass ein gesonderter Verkauf von Miteigentumsanteilen den Gemeinschaftern sowohl während des Bestehens der EST GbR (§ 14 Ziffer 3 GV) als auch im Abwicklungsstadium (Ziffer 2 der Abwicklungsvereinbarung) grundsätzlich untersagt sein sollte und unter Umständen auch mit einer Vertragsstrafe sanktioniert werden sollte. Auch der Liquidationsbeschluss vom 20./23.07.2013 laut Anl. B 2/5 – unterstellt er ist wirksam zustande gekommen – ermächtigte den Kläger nicht zum gesonderten Verkauf von Miteigentumsanteilen. Soll den Gemeinschaftern aber nach den der Abwicklungsvereinbarung zu Grunde liegenden Vorstellungen der Altgesellschafter der nicht einvernehmliche Verkauf ihrer Bruchteilsanteile untersagt sein, so ist eine Regelung zur Erlösverteilung in diesem Fall nicht erforderlich und stellt deshalb auch keine planwidrige Unvollständigkeit dar. Die in der Abwicklungsvereinbarung von den Altgesellschaftern getroffene Regelung führt – wie ebenfalls oben unter 1 c dargelegt – auch zu einem beidseitig interessengerechten Ergebnis, da dadurch sowohl das Interesse des Klägers an einer Entgeltung seines höheren Anteils an der Wertschöpfung der EST GbR als auch gleichzeitig das Interesse des R. Sch. an der Wahrung seines Mitentscheidungsrechts und der Erzielung eines marktangemessenen Erlöses entsprochen wird.

7. Die Veräußerung der Miteigentumsanteile an den Grundstücken des Komplexes EST II durch den Kläger mit Kaufvertrag vom 26.01.2016 laut Anl. K 2 einerseits und die Beklagten mit Kaufvertrag vom 10.06.2016 laut Anl. K 3 andererseits stellt keinen einvernehmlichen Verkauf der Grundstücke als Ganzes dar wie ihn die Abwicklungsvereinbarung für einen Anspruch des Klägers auf eine disquotale Erlösverteilung fordert.

a. aa. Sinn und Zweck des Ausschlusses des gesonderten Verkaufs von Miteigentumsanteilen durch einen der Gemeinschafter und die Notwendigkeit des einvernehmlichen Verkaufs der Grundstücke als jeweils Ganzes sei es in ihrer Gesamtheit sei es als Einzelgrundstücke war es nämlich, einen gegenüber dem Verkauf lediglich eines gesonderten Bruchteilsanteils höheren Verkaufserlös für das jeweilige zum Verkauf stehende Grundstück zu erzielen. Dies ergibt sich insbesondere aus dem in Ziffer 2 und 3 der Abwicklungsvereinbarung vorgesehenen Prozedere für den Verkauf, bei dem, sollte der als erste Wahl vorgesehene Versuch eines freihändigen einvernehmlichen Verkaufs durch die Gemeinschafter scheitern (Ziffer 3 Abs. 1 der Abwicklungsvereinbarung), als zweite Stufe nur der freihändige Verkauf zu einem durch einen Gutachter bestimmten Preis blieb. Sollte auch dies scheitern wäre nach § 17 Ziffer 2 Abs. 2 GV die EST GbR fortzusetzen. Den Altgesellschaftern kam es also ganz entscheidend auf ein konzertiertes Handeln an, um gemeinsam den bestmöglichen Preis zu erzielen. Zwangsmittel, um den einen Gemeinschafter zum Verkauf eines Grundstücks zu einem zwar vom anderen Gemeinschafter als vertretbar von ihm jedoch als nicht angemessen angesehenen Preis zu bewegen, waren nach diesen vertraglichen Vorgaben also ausgeschlossen. Vielmehr sollte Konsequenz eines Dissenses zwischen den Gemeinschaftern nur die Fortsetzung der EST GbR und der Gemeinschaft sein.

bb. Auch bei Unterstellung eines wirksamen Zustandekommens des Liquidationsbeschlusses vom 20./23.07.2013 laut Anl. B 2/5 ändert sich daran nichts. Denn auch in dem (unterstellten) Liquidationsbeschluss wird der Kläger lediglich ermächtigt, „den gesamten Grundbesitz der Gesellschaft insgesamt, oder falls dies nicht möglich ist, über Einzelverkäufe bestmöglichst zu verwerten“. Entsprechend hat sich auch der Zeuge Bu. in seiner Vernehmung vor dem Landgericht vom 05.02.2021 geäußert (vgl. S. 9 erster und zweiter Absatz des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 05.02.2021, Bl. 527 d.A.). Dies entspricht dem mit der Abwicklungsvereinbarung verfolgten Ziel, durch einen Verkauf der Grundstücke einen gegenüber dem Verkauf lediglich eines Miteigentumsanteils höheren Verkaufspreis zu realisieren. Warum der Kläger, der doch nach seinem eigenen Vortrag aufgrund der im Liquidationsbeschluss enthaltenen Ermächtigung zum Verkauf aller Grundstücke berechtigt gewesen sein, dann in der Folge doch nur seinen eigenen Miteigentumsanteil an den Grundstücken des Komplexes EST II, nicht aber die Grundstücke als Ganzes verkauft hat, erschließt sich vor diesem Hintergrund nicht.

b. Mit der vertraglichen Zielvorstellung eines einvernehmlichen Verkaufs der Grundstücke als Ganzes zum Zwecke der Erzielung eines möglichst hohen Preises lässt sich der Verkauf der Miteigentumsanteile an die R./K. KG, wie er tatsächlich durchgeführt wurde, nicht in Übereinstimmung bringen. Weder handelt es sich dabei um „eine wirtschaftlich sinnvolle Abwicklung der Bruchteils-Eigentümergemeinschaft“ iSd. Ziffer 1 Abs. 3 der Abwicklungsvereinbarung noch um eine „bestmögliche“ Verwertung iSd. Ziffer 3 des (unterstellten) Liquidationsbeschlusses vom 20./23.07.2013.

aa. Mit dem Kaufvertrag vom 26.01.2016 laut Anl. K 2 konnte mangels Einbeziehung der Beklagten kein Grundstücksverkauf als Ganzes erfolgen, vielmehr wurden ohne Zustimmung der Beklagten nur die Bruchteilsanteile des Klägers an den Grundstücken aus dem Komplex EST II veräußert, sodass schon das ursprünglich zwischen den Altgesellschaftern vorgesehene gemeinsame Vorgehen betreffend der Grundstücke als Ganzes zur Verbesserung der Verhandlungsposition bei der Aushandlung des Preises nicht erfolgen konnte. Dass die Veräußerung der Grundstücke als Ganzes aber zu einem gegenüber der lediglich gesonderten Veräußerung von Miteigentumsanteilen auch tatsächlich höheren Verkaufserlös geführt hätte, zeigt sich an dem von den Parteien bereits mit der V. Bräu GmbH & Co KG als Käuferin unstreitig ausgehandelten Preis von 19 Mio € für die Grundstücke EST I und II (vgl. Schriftsatz des Beklagtenvertreters zu 2) vom 08.05.2017, S. 13, Bl. 49 d.A. und Schriftsatz der Klägervertreterin vom 14.09.2017, S. 18, Bl. 85 d.A.), der deutlich über dem durch den gesonderten Verkauf der Miteigentumsanteile an die R./K. KG schlussendlich erzielten Gesamterlös von 17.505.000 € lag. Dass und aus welchen Gründen der Verkauf der Grundstücke an die V. Bräu GmbH & Co KG dann in der Folge nicht zustande kam und insbesondere ob der Kläger und/oder die Beklagten dieses Scheitern zu vertreten hatten (was zwischen den Parteien streitig ist), obwohl für Anfang Dezember 2015 bereits ein Notartermin vereinbart worden war, ist unerheblich. Denn – wie bereits oben unter a aa dargelegt – sahen die Altgesellschafter kein Mittel vor, um einen aus welchen Gründen auch immer nicht konsentierenden Gesellschafter zur Zustimmung zu zwingen. Nach der Vorstellung der Altgesellschafter hätten die Gemeinschafter nunmehr entweder einen anderen Käufer suchen oder sich aber intern über die Aufteilung des Veräußerungserlöses einigen müssen. Ein gesonderter Verkauf nur des Bruchteilsanteils eines Gemeinschafters war weiterhin nicht zulässig.

bb. Der letztendlich zustande gekommene Verkauf aller Miteigentumsanteile an den Grundstücken wird auch nicht dadurch zu einem sowohl nach den gesellschaftsvertraglichen Regelungen als auch nach denen der Abwicklungsvereinbarung notwendigen einvernehmlichen Verkauf der Grundstücke als Ganzes, dass alle Gemeinschafter sukzessive ihre Miteigentumsanteile an dieselbe Erwerberin, die R./K. KG veräußerten. So hatten die Beklagten aufgrund des gesonderten Verkaufs seiner Miteigentumsanteile durch den Kläger zum einen keine Möglichkeit mehr, auf den vom Kläger verlangten Kaufpreis Einfluss zu nehmen. Dies führte dazu, dass der Kläger im Januar 2016 seinen Miteigentumsanteil zu einem um 505.000 € niedrigeren Preis, nämlich für 8,5 Mio €, verkaufte als die Beklagten, die einen Preis von 9.005.000,00 € erzielten (was nicht verwundert, da der Kläger bei Abschluss des Kaufvertrages nicht nur als Veräußerer seines Miteigentumsanteile auftrat, sondern gleichzeitig als Komplementär der Erwerberin, deren interessen er somit gleichzeitig zu wahren hatte). Zum anderen war die Beklagte durch den früheren Verkauf der klägerischen Bruchteilsanteile in der Zwangslage, wirtschaftlich sinnvoll ihre Bruchteilsanteile nur an die R./K. KG, die bereits die klägerischen Bruchteilsanteile gekauft hatte, verkaufen zu können.

cc. Die vom Kläger behauptete, von den Beklagten in Abrede gestellte Möglichkeit der Beklagten, den bereits erfolgten Verkauf der klägerischen Bruchteilsanteile dadurch zu Fall zu bringen, dass sie selbst ihre Bruchteilsanteile nicht an die R./K. KG veräußern, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Denn nach den Regelungen in dem vom Kläger und der Drittwiderbeklagten mit der R./K. KG geschlossenen Kaufvertrag laut Anl. K 2 hätte der Nichtabschluss eines Kaufvertrags mit der R./K. KG über die Bruchteilsanteile der Beklagten durch die Beklagten nicht notwendigerweise zu einer Rückgängigmachung des Verkaufs der klägerischen Bruchteilsanteile geführt und zwar weder im Hinblick auf die auf den Grundstücken EST I lastende Grundschuld zu Gunsten der EST GbR noch im Hinblick auf die auf den Grundstücken EST II lastende Grundschuld zu Gunsten der C.Bank AG.

(1) Hinsichtlich der Grundschuld zu Gunsten der EST GbR ist in Abschnitt VI § 3 Abs. 1 des Kaufvertrags laut Anl. K 2 stipuliert, dass diese Grundschuld zu löschen ist. Die Löschung ist nach Abschnitt III § 1 Nr. 4.1 b und Abschnitt VIII 2. Spiegelstrich des Kaufvertrags laut Anl. K 2 Fälligkeitsvoraussetzung für die Zahlung des Restkaufpreises in Höhe von 995.000,00 €, nicht aber für die Schuldübernahme durch die R./K. KG. Die Bewilligung der Eintragung der R./K. KG als Miteigentümerin durch den (insoweit von den Verkäufern bevollmächtigten) Notar darf erst nach Bezahlung des „Kaufpreises“ erfolgen (Abschnitt II § 2 Abs. 3 S. 1 des Kaufvertrags laut Anl. K 2). Daraus ergibt sich jedoch entgegen der Ansicht der Klägerseite noch kein Automatismus dergestalt, dass der Verkauf der Bruchteilsanteile des Klägers an die R./K. KG notwendigerweise gescheitert wäre, wenn die Beklagte ihre Bruchteilsanteile nicht auch an die R./K. KG veräußert hätten. Denn in einem solchen Fall wäre es Sache der R./K. KG gewesen zu entscheiden, wie diese im Hinblick auf den zwischen ihr einerseits und dem Kläger und der Drittwiderbeklagten andererseits geschlossenen Kaufvertrag andererseits weiter verfahren will. Der Verkauf der Grundstücke war daher nicht – wie dies nach der Abwicklungsvereinbarung und auch dem (unterstellten) Liquidationsbeschluss vom 20./23.07.2013 vorausgesetzt wird – allein vom übereinstimmenden Willen des Klägers und der Beklagten abhängig, sondern auch von der Entscheidung der R./K. KG.

Wie die R./K. KG tatsächlich reagiert hätte, wenn die Beklagten ihre Bruchteilsanteile zu einem späteren Zeitpunkt nicht auch an sie verkauft hätten, spielt für die Frage, ob ein nach der Abwicklungsvereinbarung und dem (unterstellten) Liquidationsbeschluss „einvernehmlicher Verkauf der Grundstücke als jeweils Ganzes“ vorlag, keine Rolle. Ausschlaggebend dafür, die disquotale Erlösverteilung nicht zur Anwendung zu bringen, ist allein, dass das Schicksal des Kaufvertrages laut Anl. K 2 nicht allein von den Parteien, sondern zumindest auch von der Entscheidung eines Dritten abhing.

Aus diesem Grund kommt es auch nicht – wie von den Parteien ventiliert – darauf an, ob zur Löschung der Grundschuld zu Gunsten der EST GbR die Mitwirkung der Beklagten erforderlich ist oder ob der Kläger als (auch nach seinem Ausscheiden als Gesellschafter) gemäß § 8 Abs. 4 GV alleiniger Geschäftsführer der EST GbR die Löschung der Grundschuld auch ohne die Beklagten hätte bewirken können.

Ebenso wenig ist deshalb entscheidungserheblich, dass die Beklagten laut Abschnitt I Nr. 5 des von ihnen mit der R./K. KG geschlossenen Kaufvertrags laut Anl. K 3 an der Löschung der Grundschuld zu Gunsten der EST GbR mitwirkten. Denn auch dies ändert nichts daran, dass der Verkauf der Grundstücke, wie er tatsächlich erfolgte, kein einvernehmlicher war.

(2) Hinsichtlich der Grundschuld zu Gunsten der C.Bank AG gilt nichts anderes. Zwar ist die Genehmigung der Schuldübernahme durch die C.Bank AG gemäß Abschnitt III § 1 Nr. 4.1 d des Kaufvertrags laut Anl. K 2 Fälligkeitsvoraussetzung für die Restkaufpreisforderung des Klägers und darf gemäß Abschnitt II § 2 Abs. 3 S. 1 des Kaufvertrags laut Anl. K 2 der insoweit von den Verkäufern bevollmächtigte Notar die Eintragung der RA/KE KG als Miteigentümerin nur bewilligen, wenn die Verkäufer die Bezahlung des Kaufpreises schriftlich bestätigt haben. Jedoch folgt auch insoweit aus den oben unter (1) dargelegten Gründen hieraus kein Automatismus dergestalt, dass der Verkauf der Bruchteilsanteile des Klägers an die R./K. KG gescheitert wäre, wenn die Beklagte ihre Bruchteilsanteile nicht auch an die R./K. KG veräußert hätten. Vielmehr hängt auch hier das Schicksal des zwischen dem Kläger und der Drittwiderbeklagten einerseits und der R./K. KG andererseits geschlossenen Kaufvertrags vom Willen der R./K. KG ab, wie weiter verfahren werden solle.

c. Ein etwaig bestehende Zwangslage der Parteien aufgrund einer Kündigung des Darlehensvertrages durch die C.Bank AG spielt bei der Beurteilung, ob ein einvernehmlicher Verkauf i.S.d. der Abwicklungsvereinbarung bzw. des (unterstellten) Liquidationsbeschlusses vom 20./23.07.2013 vorliegt, keine Rolle. Da weder in der Abwicklungsvereinbarung noch in dem (unterstellten) Liquidationsbeschluss eine Ausnahme vom Erfordernis einer einvernehmlichen Veräußerung der Grundstücke (jeweils) als Ganzem für diesen Fall vorgesehen ist.

d. Ob es sich bei den beiden Kaufverträgen laut Anl. K 2 und 3 um einen einheitlichen Vertrag handelt und/oder ob diese beiden Kaufverträge dergestalt in einem rechtlichen Zusammenhang stehen, dass sie durch den Willen der Beteiligten derart miteinander verbunden sind, dass die Gültigkeit des einen Rechtsgeschäfts vom Bestand des anderen abhängen soll (vgl. Berufungsbegründung S. 34 ff., Bl. 642 ff. d.A.), kann dahinstehen. Denn entscheidungserheblich ist nicht ob, eine solche Vertragsgestaltung vorliegt, sondern ob die Veräußerung der Miteigentumsanteile in ihrer tatsächlich durchgeführten Form eine nach der Abwicklungsvereinbarung erforderliche einvernehmliche Veräußerung der Grundstücke als Ganzes ist. Dies ist aber eine alleine Frage der Auslegung der Abwicklungsvereinbarung bzw. des (unterstellten) Liquidationbeschlusses vom 20./23.07.2013.

Nach alledem war die Berufung des Klägers zurückzuweisen, da ihm ein Anspruch auf disquotale Erlösverteilung nicht zusteht, weil die insoweit sowohl von Ziffer 4 der Abwicklungsvereinbarung als auch von dem (unterstellten) Liquidationsbeschluss vom 20./23.07.2013 vorausgesetzte einvernehmliche Veräußerung der Grundstücke als Ganzes nicht erfolgt ist.

Da ein Zahlungsanspruch des Klägers nicht besteht, war über die Hilfsaufrechnungen der Beklagten nicht mehr zu entscheiden.

Der von den Beklagten beantragten Anordnung eines Vorbehalts nach § 780 ZPO bedarf es nicht, da ein solcher nur in Betracht kommt, wenn eine titulierte Nachlassverbindlichkeit besteht. Da die Klage jedoch abzuweisen ist, ist dies nicht der Fall.

C.

I. Der Ausspruch zu den Kosten folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Der Kläger unterlag zur Gänze.

II. Die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

III. Die Revision war nicht zuzulassen, da ein Zulassungsgrund nicht besteht. Der Senat weicht weder von einer Entscheidung eines anderen Oberlandesgerichts noch von einer Entscheidung des BGH ab (auch nicht vom Urteil des BGH vom 24.11.1983 – VII ZR 34/83). Denn entgegen der Ansicht der Berufung kommt es nicht darauf an, ob es sich bei den Kaufverträgen laut Anl. K 2 und K 3 um „ein einheitliches Geschäft“ iSd. BGH-Rechtsprechung handelt (BGH, aaO, Rdnr. 23). Vielmehr hatte der Senat durch Auslegung der Abwicklungsvereinbarung und des (unterstellten) Liquidationsbeschlusses festzustellen, welche Voraussetzungen für einen Anspruch des Klägers auf eine disquotale Erlösverteilung nach der Abwicklungsvereinbarung und dem (unterstellten) Liquidationsbeschluss bestehen und ob diese durch den Abschluss der Kaufverträge laut Anl. K 2 und K 3 vorliegend erfüllt wurden.

Die BGB-Gesellschaft wird reformiert – Löffler: Gesellschaftsrecht , Handelsrecht und Steuerrecht (gesellschaftsrechtskanzlei.com)

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Schlagworte: Auflösung der Gesellschaft, disquotale Gewinnausschüttung, Liquidation

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OLG München, Beschluss vom 12.09.2022 – 34 Wx 329/22

Montag, 12. September 2022

GmbHG § 2 Abs. 1a, 8 Abs. 2, Abs. 3

1. Dem Zweck des § 2 Abs. 1a GmbHG, die Gründung einer GmbH in Standardfällen zu erleichtern, wird nur dann Rechnung getragen, wenn das Musterprotokoll ohne inhaltliche Änderungen übernommen wird, um dadurch schon die Prüfung, ob sich eine Änderung im konkreten Fall auswirkt, im Interesse einer Vereinfachung und Beschleunigung des Verfahrens zu vermeiden.

2. Eine aktuelle Versicherung nach § 8 Abs. 2 Satz 1, 3 Satz 1 GmbHG kann verlangt werden, wenn das Eintragungsverfahren wegen eines Mangels bei der Anmeldung längere Zeit in Anspruch nimmt.

Tenor

I. Die Beschwerde der Beteiligten gegen den Beschluss des Amtsgerichts Kempten (Allgäu) – Registergericht – vom 11.5.2022 wird zurückgewiesen.

II. Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

Gegenstand des Verfahrens ist die Erstanmeldung der Beteiligten, einer GmbH i. G., zur Eintragung in das HandelsregisterBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Eintragung
Eintragung in das Handelsregister
Handelsregister
.

Die Beteiligte wurde mit notariellem Gesellschaftsvertrag vom 5.11.2021 von K. H. P. B., wohnhaft in Mexiko und vertreten durch A. L., gegründet. Die Urkunde lautet auszugsweise:

1.1. Herr K. H. B. P. errichtet hiermit nach § 2 Abs. 1a GmbHG eine Gesellschaft mit beschränkter HaftungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Gesellschaft
Gesellschaft mit beschränkter Haftung
Haftung
unter der Firma S… I… G. GmbH mit dem Sitz in St.

1.2. Gegenstand des Unternehmens ist die Liegenschafts- und Objektverwaltung der im Eigentum stehenden Objekte, ferner der Erwerb und die Verwaltung von Beteiligungen sowie Übernahme der persönlichen Haftung und Geschäftsführung von Gesellschaften.

1.3. Das Stammkapital der Gesellschaft beträgt 25.000,00 € (i. W. fünfundzwanzigtausend Euro) und wird vollständig von Herrn K. H. P. B. (Geschäftsanteil Nr. 1) übernommen. Die Einlage ist in Geld zu erbringen, und zwar sofort zur Hälfte.

Herr K. H. B. P. übernimmt einen Geschäftsanteil mit einem Nennbetrag in Höhe von 25.000,00 € (in Worten fünfundzwanzigtausend Euro), künftig lfdNr. 1.

1.4. Zum Geschäftsführer der Gesellschaft wird Herr K. H. P. B. bestellt. Der Geschäftsführer ist von den Beschränkungen des § 181 des Bürgerlichen Gesetzbuchs befreit.

Die von K. H. P. B. am 7.12.2021 unterzeichnete Anmeldung der Gesellschaft wurde am 16.2.2022 von der Urkundsnotarin beim Registergericht eingereicht. Die Anmeldung enthielt die Versicherungen des Geschäftsführers, dass keine Umstände vorlägen, aufgrund derer er vom Amt des Geschäftsführers ausgeschlossen wäre, und dass das Stammkapital in voller Höhe an die Gesellschaft bezahlt worden sei.

Mit Schreiben vom 17.2.2022 wies das Registergericht darauf hin, dass die Anmeldung derzeit nicht vollzogen werden könne. Die Liste der GesellschafterBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Gesellschafter
Liste der Gesellschafter
sei nicht beigefügt worden, vgl. § 8 Abs. 1 Nr. 3 GmbHG. Die Privilegierung in § 2 Abs. 1a Satz 4 GmbHG greife nicht. Das Musterprotokoll sei in Ziffer 3 unzulässig abgeändert worden. Es fehle der Zusatz „im Übrigen sobald die Gesellschafterversammlung ihre Einforderung beschließt.“ Der zweite Absatz hingegen sei dem falschen Musterprotokoll für Mehrpersonengesellschaften entnommen. In Ziffer 4 würden die Angaben zum Geschäftsführer (Geburtsdatum, Adresse) fehlen. Es werde entweder der Musterprotokolltext durch Nachtrag wieder herzustellen sein oder es würden die Anlagen für eine normale Gründung (Gesellschafterliste, Satzung) eingereicht werden müssen. Die vorgelegte Versicherung des Geschäftsführers gemäß § 8 Abs. 2 und 3 GmbHG datiere vom 7.12.2021. Sie sei durch Zeitablauf unbrauchbar geworden, da sie erst am 16.2.2022 beim Registergericht eingegangen sei. Sie sei erneut abzugeben und zeitnah einzureichen. Um Behebung binnen zwei Monaten werde gebeten.

Die vom Registergericht gemäß § 380 FamFG i.V.m. § 23 HRV um Stellungnahme gebetene Industrie- und Handelskammer erklärte am 18.2.2022, bei der zu gründenden Gesellschaft ergebe sich ein Bezug zu G. nicht. Daher sei von einer Irreführungsgefahr im Sinne von § 18 Abs. 2 HGB auszugehen. Vorsorglich sei darauf hingewiesen, dass die Kombination einer Sachbezeichnung mit einem Ortszusatz, wie es bei der gewünschten Firma der Fall sein solle, im Allgemeinen als rein beschreibend angesehen werde und somit keine Kennzeichnungskraft nach §§ 18, 30 HGB besitze. Ein sachlich richtiger und nicht irreführender Zusatz könnte allerdings dann zu einer Individualisierung führen, wenn in der betreffenden Branche eine Alleinstellung des Unternehmens am angegebenen Ort bestehe. Dieser Punkt wäre vom Registergericht zu klären.

Mit Schreiben vom 21.2.2022 übersandte das Registergericht der Urkundsnotarin eine Kopie der Stellungnahme der Industrie- und Handelskammer und erklärte, es schließe sich dieser Stellungnahme an. Es sei daher die Klärung des Ortsbezugs zu G. und der Alleinstellung des Unternehmens in G. erforderlich. Hierzu setzte das Registergericht eine Frist von sechs Wochen.

Nachdem das Registergericht in zwei weiteren Schreiben jeweils erfolglos auf die Vollzugshindernisse hingewiesen hatte, wies es mit Beschluss vom 11.5.2022, zugestellt am 14.5.2022, die Anmeldung zurück. Die Eintragungshindernisse seien nicht behoben worden. Bei einem Telefonat mit dem Notariat habe sich ergeben, dass eine schnellere Einreichung der Versicherung des Geschäftsführers wegen der Laufzeiten der Behördenpost aus Mexiko nicht möglich, eine zwischenzeitliche Verurteilung des Geschäftsführers jedoch aufgrund dessen Alters nicht zu erwarten sei. Das Registergericht führt aus, es sei unerheblich, wodurch die Verzögerung eingetreten sei. Auch sei das Alter des Geschäftsführers nicht erheblich. Wegen des Zeitablaufs bestünden Zweifel an der inhaltlichen Richtigkeit der Versicherung zum Zeitpunkt des Eingangs bei Gericht.

Mit Schreiben vom 9.6.2022, beim Registergericht eingegangen am 13.6.2022, hat die Beteiligte Beschwerde gegen den Zurückweisungsbeschluss eingelegt und eine Begründung angekündigt.

Das Registergericht hat hierfür eine Frist bis 4.7.2022 gesetzt und diese auf Antrag bis 18.7.2022 verlängert. Mit Beschluss vom 29.7.2022 hat das Registergericht dann einen nochmaligen Fristverlängerungsantrag abgelehnt und der Beschwerde unter Bezugnahme auf die Begründung der angefochtenen Entscheidung nicht abgeholfen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.

1. Die Beschwerde ist zulässig.

a) Sie ist gemäß §§ 58 Abs. 1, 382 Abs. 3 FamFG statthaft.

b) Die Beschwerde wurde nach §§ 63 Abs. 1, Abs. 3 Satz 1, 64 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Sätze 1 und 3 FamFG fristgerecht beim Ausgangsgericht schriftlich mit dem notwendigen Inhalt eingelegt. Das Fehlen einer Begründung ist unschädlich; bei § 65 Abs. 1 FamFG handelt es sich um eine bloße Soll-Vorschrift, die Begründung des Rechtsmittels ist keine Zulässigkeitsvoraussetzung (BeckOK FamFG/Obermann 43. Ed. § 65 Rn. 2; Keidel/Sternal FamFG 20. Aufl. § 65 Rn. 4; MüKoFamFG/Fischer 3. Aufl. § 65 Rn. 5).

c) Die Beteiligte als Vorgesellschaft ist gemäß § 59 Abs. 1 FamFG beschwerdeberechtigt. Die erstmalige Anmeldung der GmbH durch den Geschäftsführer erfolgt im Namen der Gesellschaft, dieser steht daher auch die Beschwerdeberechtigung zu (Keidel/Meyer-Holz § 59 Rn. 86; MüKoFamFG/Fischer § 59 Rn. 100; Krafka RegisterR 11. Aufl. Rn. 2453).

2. In der Sache bleibt das Rechtsmittel aber ohne Erfolg.

a) Die Anmeldung genügt nicht den Anforderungen des § 8 Abs. 1 Nr. 3 GmbHG.

aa) Nach dieser Bestimmung muss der Anmeldung eine von den Anmeldenden unterschriebene oder mit deren qualifizierten elektronischen Signaturen versehene Liste der GesellschafterBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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nach den Vorgaben des § 40 GmbHG beigefügt sein. Zwar gilt bei der Gründung im vereinfachten Verfahren nach § 2 Abs. 1a Satz 1 GmbHG das gemäß Satz 2 zu verwendende Musterprotokoll nach Satz 4 als Gesellschafterliste. Diese Privilegierung entfällt jedoch bei Abweichungen vom Musterprotokoll (Lutter/Hommelhoff/Bayer GmbHG 20. Aufl. § 2 Rn. 70; Michalski/Heidinger/Leible/Schmidt/Schmidt GmbHG 3. Aufl. § 2 Rn. 104; MüKoGmbHG/Heinze 4. Aufl. § 2 Rn. 283; NK-GmbHG/Pfisterer 4. Aufl. § 2 Rn. 54; Noack/Servatius/Haas/Servatius GmbHG 23. Aufl. § 2 Rn. 59; Rowedder/Pentz/Raff GmbHG 7. Aufl. § 2 Rn. 139). Insoweit unschädlich sind nur völlig unbedeutende Abwandlungen bei Zeichensetzung, Satzstellung und Wortwahl, die keinerlei Auswirkungen auf den Inhalt haben (OLG Stuttgart MittBayNot 2021, 402/403; OLG DüsseldorfBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG Düsseldorf
DStR 2011, 2106; OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG München
DNotZ 2011, 69; Lutter/Hommelhoff/Bayer § 2 Rn. 52; Michalski/Heidinger/Leible/Schmidt/Schmidt § 2 Rn. 103; MüKoGmbHG/Heinze § 2 Rn. 276; NK-GmbHG/Pfisterer 4. Aufl. § 2 Rn. 53; Rowedder/Pentz/Raff § 2 Rn. 138).

bb) Hier liegen mehrere nicht im o.g. Sinne völlig unbedeutende Abwandlungen vor.

(1) In Ziffer 3 Satz 2 der Urkunde fehlt der vorgeschriebene Zusatz „im Übrigen sobald die Gesellschafterversammlung ihre Einforderung beschließt.“ und damit die Bestimmung des Zeitpunkts der Fälligkeit der zweiten Hälfte des Stammkapitals.

(2) Gemäß Ziffer 3 Satz 1 wird das Stammkapital in Höhe von 25.000 € vollständig von K. H. P. B. übernommen. Nach Satz 3 übernimmt dieser jedoch – lediglich – einen Geschäftsanteil in gleicher Höhe. Dieser Satz ist im Musterprotokoll für die Gründung einer Mehrpersonengesellschaft, nicht wie hier einer Einpersonengesellschaft vorgesehen. Im Ergebnis wirkt sich der Mangel zwar nicht aus, weil keine weiteren Geschäftsanteile ausgewiesen sind und der von K. H. P. B. übernommene das gesamte Stammkapital umfasst. Dem Gesetzeszweck, die Gründung einer GmbH in unkomplizierten Standardfällen zu erleichtern (BT-Drs. 16/9737 S. 54; 16/6140 S. 27), wird aber nur dann Rechnung getragen, wenn das vorgesehene Musterprotokoll ohne inhaltliche Änderungen übernommen wird, um dadurch schon die Prüfung, ob sich eine Änderung im konkreten Fall auswirkt, im Interesse einer Vereinfachung und Beschleunigung des Verfahrens zu vermeiden. Wenn inhaltliche Änderungen des Musterprotokolls sich nicht auswirken, besteht auch kein Bedarf, sie überhaupt vorzunehmen (OLG Stuttgart MittBayNot 2021, 402/403).

(3) In Ziffer 4 schließlich fehlen die Angaben zu Geburtsdatum und Anschrift des Geschäftsführers. Diese dienen der sicheren Identifizierung der betreffenden Person und sind daher unerlässlich. Hätte der Gesetzgeber die Angaben gleichwohl für verzichtbar gehalten, so hätte es nahegelegen, sie nicht zum Bestandteil des Musterprotokolls zu machen. Im Hinblick auf den Gesetzeszweck (s. o. (2)) kommt es auch nicht darauf an, ob sich die Angaben an anderer Stelle in den Eintragungsunterlagen finden.

b) Im Ergebnis zutreffend hat das Registergericht eine neue Versicherung des Geschäftsführers nach § 8 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 GmbHG gefordert.

aa) Nach diesen Vorschriften hat der Geschäftsführer u.a. zu versichern, dass die Leistungen auf die Geschäftsanteile bewirkt sind und sich der Gegenstand der Leistung endgültig in der freien Verfügung der GeschäftsführerBitte wählen Sie ein Schlagwort:
endgültig in der freien Verfügung der Geschäftsführer
Geschäftsführer
befindet, sowie dass keine Umstände vorliegen, die seiner Bestellung nach § 6 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 und 3, Sätze 3 und 4 GmbHG entgegenstehen. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Richtigkeit der Erklärung ist nach herrschender Meinung der Eingang der Anmeldung beim Registergericht (OLG HammBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG Hamm
BeckRS 2016, 117126 Rn. 2; Lutter/Hommelhoff/Bayer § 8 Rn. 9; Michalski/Heidinger/Leible/Schmidt/Tebben § 8 Rn. 30; Noack/Servatius/Haas/Servatius § 8 Rn. 11; Rowedder/Pentz/Wöstmann § 8 Rn. 19), nach anderer Ansicht die Abgabe im Sinne eines Inverkehrbringens (MüKoGmbHG/Herrler § 8 Rn. 48). In jedem Fall ist das Registergericht nach herrschender Meinung berechtigt, eine aktuelle Versicherung zu verlangen, wenn das Eintragungsverfahren wegen eines Mangels bei der Anmeldung längere Zeit in Anspruch nimmt (OLG HammBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG Hamm
BeckRS 2016, 117126 Rn. 3; OLG DüsseldorfBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG Düsseldorf
NJW-RR 1998, 898; Lutter/Hommelhoff/Bayer § 8 Rn. 9).

b) Ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen eine neue Versicherung auch dann gefordert werden kann, wenn zwischen dem Zeitpunkt der Unterzeichnung der Versicherung und deren Einreichung beim Registergericht ein längerer Zeitraum vergangen ist, ist umstritten, kann hier allerdings dahinstehen.

1) Das OLG HammBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG Hamm
(BeckRS 2016, 117126 Rn. 3) hält diesen Sachverhalt für vergleichbar mit einer längeren Verzögerung des Eintragungsverfahrens und hat daher eine Beanstandung für berechtigt erachtet. Das KG (Rpfleger 2022, 408) hat dagegen jüngst ausgeführt, eine Versicherung könne nicht allein deswegen beanstandet werden, weil sie bereits mehrere Monate vor der Einreichung beim Registergericht abgegeben wurde. Das Registergericht müsse weitere Ermittlungen gemäß § 26 FamFG nur anstellen, wenn an der Richtigkeit der Versicherung Zweifel bestünden. Dieser Entscheidung lag allerdings nicht – wie hier – ein Antrag auf Ersteintragung anlässlich der Gründung einer GmbH zugrunde, sondern die Bestellung des bisherigen Geschäftsführers zum Liquidator. Veränderungen in Bezug auf dessen Eignung als Geschäftsführer nach § 6 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 und 3, Sätze 3 und 4 GmbHG hätten jedoch unmittelbar zum Wegfall der Organstellung geführt (BGH NJW-RR 2021, 760/761), was seinerseits eintragungs- und damit entsprechend § 39 Abs. 1 GmbHG anmeldepflichtig gewesen wäre (Lutter/Hommelhoff/Bayer § 8 Rn. 18; MüKoGmbHG/Herrler § 8 Rn. 50). Wenn im dortigen Fall eine solche Anmeldung nicht eingegangen war und keine Anhaltspunkte dafür bestanden, dass sie pflichtwidrig unterlassen wurde, mag dies ein hinreichender Anlass gewesen sein, auf eine aktuelle Versicherung zu verzichten. Mit der vorliegenden Konstellation einer Erstanmeldung, bei der noch keinerlei Versicherung gemäß § 8 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 GmbHG eingereicht ist, ist jener Fall indes nicht vergleichbar. Nach Krafka (Rn. 945 a, Rn. 959) kann ein längerer Zeitraum zwischen dem Zeitpunkt der Unterzeichnung und der Abgabe der Erklärung gegenüber dem Registergericht Zweifel an dem bewussten und fortdauernden Willen der Geschäftsführer zur Abgabe der Erklärung begründen und die Anforderung einer erneuten Versicherung rechtfertigen. Es erscheint allerdings fraglich, ob ein solcher längerer Zeitraum bereits dann vorliegt, wenn die Unterzeichnung wie hier zwei Monate vor der Einreichung erfolgt ist.

2) Letztlich kommt es hierauf aber nicht an. Denn das Beschwerdegericht hat das gesamte Sach- und Rechtsverhältnis, wie es sich zur Zeit seiner Entscheidung darstellt, seiner Beurteilung zu unterziehen (BGH FGPrax 2011, 78; BeckOK FamFG/Obermann § 65 Rn. 14). Gegenwärtig sind indes bereits über neun Monate seit Unterzeichnung der Versicherung und nahezu sieben Monate seit Abgabe der Versicherung gegenüber dem Registergericht verstrichen und somit ein Zeitraum, in dem es nicht ausgeschlossen erscheint, dass sich Umstände, die Gegenstand der nach § 8 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 GmbHG abzugebenden Versicherungen sind, geändert haben. Der Senat teilt die Auffassung, dass das Registergericht berechtigt ist, eine aktuelle Versicherung zu verlangen, wenn sich das Eintragungsverfahren wie hier wegen eines Mangels bei der Anmeldung um einen nicht unerheblichen Zeitraum verzögert, weil ansonsten die Richtigkeit der Erklärung auch noch im Zeitpunkt der Eintragung nicht gewährleistet ist. In der Rechtsprechung wird die Grenze bei drei Monaten gezogen (OLG HammBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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BeckRS 2016, 117126 Rn. 3; OLG DüsseldorfBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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NJW-RR 1998, 898); ob dem zu folgen ist, kann hier allerdings offenbleiben. Jedenfalls zum jetzigen Zeitpunkt hält auch der Senat die Abgabe einer neuen Versicherung für erforderlich. Praktische Erschwernisse bei der Beibringung aufgrund der Postlaufzeiten können insoweit keine Rolle spielen und keine Reduzierung der Prüfungsdichte rechtfertigen. Es ist vielmehr Sache des Antragstellers, die zur Eintragung erforderlichen Unterlagen vollständig einzureichen. Auch besteht kein Erfahrungssatz, innerhalb welchen Zeitraums bei einem 78-Jährigen keine Umstände eintreten, die Gegenstand der Versicherung wären.

3) Die Beteiligte kann gemäß § 18 HGB zudem nicht unter der angegebenen Firma eingetragen werden.

a) Abs. 1 dieser Bestimmung, wonach die Firma zur Kennzeichnung geeignet sein und Unterscheidungskraft besitzen muss, steht dem allerdings nicht per se entgegen. Insoweit ist nur erforderlich, dass die gewählte Bezeichnung abstrakt geeignet ist, die Gesellschaft von anderen Unternehmen zu unterscheiden. Hierdurch wird zwar grundsätzlich die Verwendung bloßer Gattungs- oder Branchenbezeichnungen bzw. einer allgemeinen Bezeichnung des Geschäftsbereichs ausgeschlossen (KG FGPrax 2008, 35; OLG FrankfurtBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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a. M. FGPrax 2005, 133; Hopt/Merkt HGB 41. Aufl. § 18 Rn. 6; MüKoHGB/Heidinger 5. Aufl. § 18 Rn. 30; NK-HGB/Lamsa 3. Aufl. § 18 Rn. 20; Krafka Rn. 236). Branchen- oder Gattungsbezeichnungen können aber – wie vorliegend – durch Ortsnamen individualisiert werden (KG a.a.O.; MüKoHGB/Heidinger § 18 Rn. 34; NK-HGB/Lamsa a.a.O.; Krafka a.a.O.).

b) Gemäß § 18 Abs. 2 HGB darf die Firma jedoch keine Angaben enthalten, die geeignet sind, über geschäftliche Verhältnisse, die für die angesprochenen Verkehrskreise wesentlich sind, irrezuführen. Im Verfahren vor dem Registergericht wird die Eignung zur Irreführung berücksichtigt, wenn sie ersichtlich ist.

Nach dieser Maßgabe ist der Zusatz „G.“ hier unzulässig. Geographische Zusätze, insbesondere Ortsnamen, werden zunächst als Hinweis auf den Sitz im Tätigkeitsbereich des betreffenden Unternehmens verstanden (OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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FGPrax 2010, 206/208; BayObLGZ 1992, 234/236; Hopt/Merkt § 18 Rn. 23). Dies ist gemäß Nr. 1 der Gründungsurkunde jedoch St. Auch ein sonstiger Bezug der Beteiligten zu G. ist nicht erkennbar.

III.

1. Eine Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens ist nicht veranlasst, weil die Beteiligte diese gemäß § 22 Abs. 1 GNotKG schon von Gesetzes wegen zu tragen hat.

2. Die Geschäftswertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren ergibt sich aus § 79 Abs. 1 Satz 1, 61 Abs. 1, 36 Abs. 3 GNotKG.

3. Grund zur Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 70 Abs. 2 Satz 1 FamFG besteht nicht.

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OLG München, Urteil vom 29.08.2022 – 33 U 4846/21

Montag, 29. August 2022

UmwG § 20, BGB § 314

1. Zur Kündigung eines Dauerschuldverhältnisses aus wichtigem Grund, wenn auf Seiten des anderen Vertragspartners eine Verschmelzung stattgefunden hat.

2. Die Verschmelzung also solche stellt keinen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung im Sinne von § 314 Abs. 1 BGB dar. Hierfür bedarf es besonderer Umstände, die die weitere Erbringung der Dienste durch den übernehmenden Rechtsträger unzumutbar machen; insoweit sind allerdings keine hohen Anforderungen zu stellen (im Anschluss an BGH, Urteil vom 21.02.2014 – V ZR 164/13, NZM 2014, 312; Urteil vom 02.07.2021 – V ZR 201/20, NZG 2021, 1370).

3. Ob ein wichtiger Grund für die Kündigung vorliegt, ist aus der Sicht des betroffenen Unternehmers zu beurteilen. Seine unternehmerische Entscheidung ist der Überprüfung durch die Gerichte auf ihre sachliche Rechtfertigung und Zweckmäßigkeit grundsätzlich entzogen, solange sich das unternehmerische Handeln nicht als willkürlich darstellt (im Anschluss an BAG, Urteil vom 26.09.2002 – 2 AZR 636/01 NZA 2003, 549).

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts München I vom 23.06.2021, Az. 15 O 1499/20, abgeändert. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aus dem Urteil zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Entscheidungsgründe

I.

Die Parteien streiten über Ansprüche auf Vergütung im Zusammenhang mit einem Beratungsvertrag sowie einer „Interessentenanalyse“ für ein Fitnessstudio.

Die G. M. S. GmbH schloss mit der Beklagten am 16.06.2016 einen Vertrag über eine „Interessenten-Analyse“ (Anlage K1). Vertragsbeginn war der 01.07.2016, als Vergütung waren 299,00 € netto/Jahr vereinbart. Die Vertragslaufzeit betrug 12 Monate und verlängerte sich um jeweils weitere 12 Monate, wenn der Vertrag nicht bis 3 Monate vor Vertragsende schriftlich gekündigt wurde. Am 23.04.2018 schlossen G. M. S. GmbH und die Beklagte einen „Beratungsvertrag – Erfolgspakete“ (Anlage K2). Vertragsbeginn war der 01.05.2018, die Vergütung betrug 1.535,10 € brutto/Monat, die Laufzeit 36 Monate.

Die Regelung über die Vertragslaufzeit sieht unter anderem vor, dass sämtliche Honorare bis zum Vertragsende „automatisch“ fällig werden, wenn der Vertragspartner mit 2 Monatsbeiträgen schuldhaft in Verzug kommt.

Die Beklagte kündigte außerordentlich mit Schreiben vom 05.04.2019 bzw. 08.04.2019 (Anlage B1) und gab dabei an, dass Grundvoraussetzung der Vertragsunterzeichnung der Gebietsschutz vor allem hinsichtlich der konkurrierenden I-GmbH-Studios gewesen sei, sowie, dass keinerlei Berührungspunkte mit der I-GmbH bestehen sollten. Die Beklagte werde nicht mit I-GmbH -Studios, I-GmbH -Kunden oder I-GmbH -Beratern an einem Tisch sitzen. Ab dem 01.05.2019 bezahlte die Beklagte die monatlichen Beiträge aus dem Beratervertrag sowie die Vergütung aus der Interessenten-Analyse nicht mehr.

Mit Mail vom 09.04.2019 (Anlagenkonvolut B 2) bestätigte die G. M. S. GmbH den Eingang der Kündigung sowie mit Schreiben vom 12.04.2019 (Anlagenkonvolut B 2) die Beendigung aller Verträge zum Ende der vereinbarten Laufzeit am 30.04.2021.

Die G. M. S. GmbH wurde mit Verschmelzungsvertrag vom 18.07.2019 mit der G… GROUP GmbH verschmolzen. Die Klägerin wiederum – ursprünglich firmierend als M. F. D. GmbH – wurde mit Beschluss der Gesellschafterversammlung vom 12.02.2019 in A. F. H. GmbH umbenannt. Auf die Klägerin wurde mit Verschmelzungsvertrag vom 05.06.2019 auch die I-GmbH sowie mit weiterem Verschmelzungsvertrag vom 18.07.2019 die G1. G2. GmbH verschmolzen.

Die Klägerin hat vor dem Landgericht vorgetragen, dass sie im Wege der Verschmelzung Rechtsnachfolgerin der G. M. S. GmbH geworden sei. Sie habe Anspruch auf Bezahlung der gesamten bis zum Ende der regulären Vertragslaufzeit anfallenden Vergütung. Die Verträge seien wirksam, ein außerordentlicher Kündigungsgrund nicht gegeben.

Die Beklagte hat die Unwirksamkeit einzelner Vertragsklauseln eingewandt und ein außerordentliches Kündigungsrecht behauptet.

Auf die tatsächlichen Feststellungen des erstinstanzlichen Urteils und die dort gestellten Anträge wird ergänzend Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Es sei insbesondere kein Grund für eine außerordentliche Kündigung der streitgegenständlichen Verträge gegeben. Auch sonstige Unwirksamkeitsgründe seien nicht ersichtlich.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, die unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags weiterhin die Unwirksamkeit einzelner Vertragsklauseln und das Vorliegen außerordentlicher Kündigungsgründe behauptet. Sie macht insbesondere geltend, dass von 2000 bis 2007 eine Geschäftsbeziehung mit der I-GmbH bestanden habe, die wegen ihrer Unzufriedenheit mit der Beratung und der Verletzung des Gebietsschutzes gescheitert sei.

Die Beklagte beantragt,

Unter Abänderung des Urteils des Landgerichtes Münchens, verkündet am 23.06.2001 zu Az.: 15 O 1499/20, wird die Klage insgesamt abgewiesen.

Die Klägerin, die das landgerichtliche Urteil verteidigt, beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat am 03.05.2022 (Bl. 173 d. A.) einen Hinweis erteilt und am 01.08.2022 mündlich verhandelt. Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien im Berufungsverfahren wird auf die im Berufungsrechtszug gewechselten Schriftsätze und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 01.08.2022 (Bl. 208/210 d. A.) Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung hat in der Sache Erfolg.

Die Voraussetzungen einer außerordentlichen Kündigung der zwischen den Parteien bestehenden Vertragsverhältnisse aufgrund der auf Seiten der Klagepartei stattgefundenen Verschmelzungen lagen bei Ausspruch der Kündigung durch die Beklagte vor, so dass der Vergütungsanspruch der Klägerin erloschen ist. Das Urteil des Landgerichts war aufzuheben und die Klage abzuweisen.

1. Gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG findet bei der Verschmelzung eine umfassende Gesamtrechtsnachfolge statt (BGH, Urteil vom 21.02.2014 – V ZR 164/13, NJW 2014, 1447), mit der Eintragung ins Handelsregister gehen sämtliche Rechte und Pflichten der übertragenden Rechtsträger aus bestehenden vertraglichen Schuldverhältnissen ohne Mitwirkung der anderen Partei auf den übernehmenden Rechtsträger über (Heidinger in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, 5. Auflage 2021, § 20 UmwG Rn. 11).

Zum Schutz des Rechtsverkehrs, insbesondere zum Ausgleich der Interessen der Gläubiger, enthält das Umwandlungsrecht ein eigenständiges und umfassendes Regelungskonzept; bei von der Gesamtrechtsnachfolge erfassten gegenseitigen Verträgen kann ein Anpassungsanspruch ähnlich wie bei der Störung der GeschäftsgrundlageBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Geschäftsgrundlage
Störung der Geschäftsgrundlage
oder ein Sonderkündigungsrecht aus einer entsprechenden Vertragsklausel entstehen (BGH, a. a. O.; Heidinger, a. a. O. Rn. 12).

Die Verschmelzung für sich genommen stellt keinen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung im Sinne von § 314 Abs. 1 BGB dar. Hierfür bedarf es besonderer Umstände, die die weitere Erbringung der Dienste durch den übernehmenden Rechtsträger unzumutbar machen; insoweit sind allerdings keine hohen Anforderungen zu stellen (BGH, Urteil vom 21.02.2014 – V ZR 164/13, NJW 2014, 1447; Urteil vom 02.07.2021 – V ZR 201/20, NZG 2021, 1370). Es reicht aus, wenn der Vertragspartner aufgrund der Umstrukturierung mit konkreten nachteiligen Änderungen in der Zusammenarbeit rechnen muss, die nicht ganz unerheblich sind (BGH, Urteil vom 21.02.2014 – V ZR 164/13, NJW 2014, 1447).

2. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hält der Senat im vorliegenden Fall die Voraussetzungen für eine wirksame fristlose Kündigung der Verträge für gegeben, § 314 BGB.

a) Im wesentlichen gleichlautende Kündigungserklärungen liegen mit den Schreiben vom 05.04.2019 bzw. 08.04.2019 vor (Anlage B1).

Eines dieser Schreiben ist der G. M. S. GmbH und damit im Ergebnis auch der Klägerin als deren Rechtsnachfolgerin zugegangen, wie sie mittels E-Mail vom 09.04.2019 bzw. Schreiben vom 12.04.2019 bestätigt hat (Anlagenkonvolut B2). Folge der Umwandlung ist insoweit (auch), dass die Klägerin keine Vorgänge bestreiten kann, die im Wissen einer der verschmolzenen Gesellschaften stehen.

b) Darüber hinaus liegt auch ein Kündigungsgrund für die außerordentliche Kündigung vor.

aa) Der Senat teilt insoweit die Ansicht des Bundesgerichtshofs, dass die Verschmelzung (§ 2 UmwG) als solche keinen Grund für eine fristlose Kündigung eines Dauerschuldverhältnisses darstellt. Insoweit hat der Gesetzgeber die grundgesetzlich gewährleistete Vertragsfreiheit (vgl. Di Fabio in: Dürig/Herzog/Scholz, GG, Stand November 2021, Art. 2 Rn. 101), die auch das Recht einschließt, bestimmte vertragliche Bindungen nicht einzugehen, durch die Möglichkeit der Verschmelzung nach § 2 UmwG in zulässiger Weise eingeschränkt. Im Gegensatz zu §§ 414, 415 BGB, die eine Zustimmung des Gläubigers zum Schuldnerwechsel vorsehen, liefe ein vergleichbares Erfordernis bei der Verschmelzung im Zweifel auf deren Scheitern hinaus; der Vertragspartner hat die Verschmelzung im unternehmerischen Bereich grundsätzlich hinzunehmen.

bb) Gleichwohl ist bei der Prüfung der Frage, ob ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung eines Dauerschuldverhältnisses im Zuge einer Umwandlung gegeben ist, zu berücksichtigen, dass durch die (zulässige) Umwandlung in die negative Vertragsfreiheit des anderen Vertragspartners eingegriffen wird, so dass an das Vorliegen entsprechender Gründe gemäß der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs keine hohen Anforderungen zu stellen sind. Anderenfalls würde das grundsätzlich bestehende Regel-Ausnahme-Verhältnis in sein Gegenteil verkehrt.

Vorliegend bestehen ausreichende Gründe für die außerordentliche Kündigung der hier streitgegenständlichen Vertragsverhältnisse, diese betreffen beide Vertragsverhältnisse gleichermaßen.

(1) Ausreichend ist im vorliegenden Falle für sich genommen bereits, dass sich die Beklagte nach der Verschmelzung einem deutlich größeren Vertragspartner gegenübersieht als zuvor und der Wunsch der Beklagten, von einer „Boutique“, d. h. einer grundsätzlich hochspezialisierten und damit entsprechend qualifizierten Vertragspartnerin betreut zu werden, dadurch nicht mehr realisierbar war. Denn hierdurch haben sich die Grundlagen der Zusammenarbeit für die Beklagte erheblich nachteilig verändert.

Soweit die Klägerin einwendet, die Beklagte habe keine hinreichenden Gründe für ihren Wunsch, nur mit einer „Boutique“ zusammenzuarbeiten, vorgetragen, kommt es darauf nicht an. Bei der Frage, warum die Beklagte nur mit einer sog. „Boutique“ im Beratungsbereich zusammenarbeiten will, handelt es sich um eine rein unternehmerische Entscheidung, die einer Überprüfung durch die Gerichte auf ihre sachliche Rechtfertigung und Zweckmäßigkeit schon deswegen entzogen ist, weil es allein der Unternehmer ist, der für die Folgen dieser Entscheidung einzustehen hat (vgl. BAG, Urteil vom 26. 9. 2002 – 2 AZR 636/01; NZA 2003, 549). Ob diese Gründe (wirtschaftlich) mithin richtig oder falsch, plausibel oder unplausibel, nachvollziehbar oder nicht nachvollziehbar erscheinen, entzieht sich daher der gerichtlichen Überprüfung. Anderenfalls würden die Gerichte an die Stelle des Unternehmers treten und dessen Entscheidungen treffen, ohne für die damit verbundenen Risiken einstehen zu müssen. Etwas anderes gilt nur dann, wenn sich die Entscheidung als offensichtlich willkürlich darstellt.

Jedenfalls aber erscheint es dem Senat auch plausibel und nachvollziehbar, dass die Beklagte ihre Geschäftsunterlagen nicht (auch) den Beratern der I-GmbH zugänglich machen wollte (Schriftsatz vom 24.05.2021, S. 4, Bl. 93 d. A.). Denn unabhängig von der Frage, ob durch die Verschmelzung zukünftig in direkter Konkurrenz stehende Fitnessstudios von der Klägerin beraten werden und es dadurch zu einer Verletzung des Gebietsschutzes kommt, hat die Beklagte auch ein Interesse daran, dass außerhalb des Gebietsschutzes liegende Fitnessstudios nicht auf der Grundlage ihrer eigenen Unternehmensdaten beraten werden, so dass die Größe des Vertragspartners ein erheblicher Umstand ist, den die Beklagte aus wirtschaftlicher Sicht ihren Entscheidungen zugrunde legen konnte.

Dagegen kann nicht eingewendet werden, dass durch eine Verschmelzung regelmäßig größere wirtschaftliche Einheiten entstehen, so dass der – gerichtlich nicht nachprüfbare – Wunsch, nur mit einer „Boutique“ zusammenzuarbeiten, auf ein allgemeines und umfassendes Kündigungsrecht hinausliefe. Vorliegend wurde schon nicht bestritten, dass es sich bei der G. M. S. GmbH um eine „Boutique“ handelte, ebenso wenig, dass es sich bei der Klägerin gemessen an diesen Maßstäben um eine „Fabrik“ handelt, so das mithin – aus wirtschaftlicher Sicht – eine wesentliche Änderung der Unternehmensstruktur des Gläubigers vorliegt.

(2) Darüber hinaus stellt der Umstand, dass im Zuge der Verschmelzung (auch) die I-GmbH auf die Klägerin verschmolzen wurde, einen eigenen, die außerordentliche Kündigung rechtfertigenden Grund dar.

(i) Nach dem Vortrag der Beklagten, den die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 01.08.2022 nicht mehr bestritten hat, war die Beklagte in den Jahren 2000 bis 2007 Kundin der I-GmbH und zwar in einem Vertragsverhältnis, das im Wesentlichen dieselben Gegenstände hatte wie das streitgegenständliche, mit der G. M. S. GmbH begründete Vertragsverhältnis. Diese vertragliche Beziehung endete durch Kündigung seitens der Beklagten, ohne dass es darauf ankäme, welche Gründe im Einzelnen zu dieser Kündigung geführt haben. Sie müssen der Beklagten jedenfalls noch denkbar präsent gewesen sein, denn die Beklagte nahm in ihrer Kündigungserklärung ausdrücklich Bezug auf diesen Umstand und erklärte, nicht (wieder) mit der I-GmbH in geschäftlichen Kontakt treten zu wollen („Wir werden und möchten zukünftig nicht mit I-GmbH-Studios, I-GmbH-Kunden oder I-GmbH-Beratern an einem Tisch sitzen.“ [Kündigungserklärungen vom 05./08.04.2019, Anlagen B1]).

Zwar ist die I-GmbH mit der Verschmelzung auf die Klägerin gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 2 UmwG erloschen, so dass durch die Verschmelzung formaljuristisch keine erneuten vertraglichen Beziehungen zwischen ihr und der Beklagten entstanden sind bzw. entstehen konnten. Losgelöst von dieser formalen Betrachtung hat jedoch die I-GmbH im Zuge der Verschmelzung ihr gesamtes Unternehmen, also auch ihre Mitarbeiter und ihre Kunden in die Klägerin eingebracht, so dass tatsächlich die Gefahr bestünde, dass sich die Beklagte erneut von Personen beraten lassen müsste, mit denen sie in der Vergangenheit bereits vertragliche Beziehungen unterhalten hatte, wobei sie das damalige Schuldverhältnis – wie sich aus dem Kündigungsschreiben ergibt – jedenfalls aus ihrer Sicht im Unfrieden gelöst hat.

(ii) An dieser Bewertung ändert der Vortrag der Klägerin, wonach sich die Betreuung der Beklagten nicht geändert haben würde, nichts (vgl. zuletzt im Schriftsatz vom 25.07.2022, S. 2, Bl. 201 d. A.). Denn der von der Beklagten ausgesprochenen Kündigung liegt naturgemäß eine Prognoseentscheidung zugrunde, da sie beurteilen musste, ob die Erreichung ihrer wirtschaftlichen Ziele mit Hilfe des (neuen) Vertragspartners möglich ist oder – wiederum aus subjektiver unternehmerischer Sicht – durch diesen gefährdet wird. Ihre unverzüglich geäußerte Sorge, zukünftig mit Kunden bzw. Beratern der „I-GmbH an einem Tisch zu sitzen“, war umso berechtigter, als es die Klägerin unterlassen hat, die Beklagte von ihrer nunmehr im Verfahren vorgetragenen Absicht, den Vertrag wie bisher, insbesondere mit demselben Personal, durchzuführen, zu unterrichten. Aus Sicht der Beklagten stellte sich die Situation vielmehr so dar, dass im Zuge der Verschmelzung auch Berater für sie tätig werden könnten oder Zugang zu ihren Unternehmensdaten erhalten würden, mit denen sie keine (erneuten) vertraglichen Beziehungen haben wollte. Ob diese unterlassene Unterrichtung der Beklagten als Pflichtverletzung einen eigenständigen, die Kündigung rechtfertigenden Grund darstellt, bedarf aus den vorliegenden Gründen keiner Entscheidung, denn jedenfalls hatte die Beklagte keinen Grund, davon auszugehen, dass früher für die I-GmbH tätige Berater nunmehr nicht auch für sie tätig werden würden.

(iii) Hinzu kommt, dass es für den Vertragspartner in einer derartigen Konstellation de facto weder überprüf- noch nachvollziehbar ist, wer im Hintergrund für ihn tätig wird, wer Einblick in seine Geschäftsunterlagen nimmt und inwieweit diese Informationen wiederum genutzt werden, um andere Kunden einschließlich etwaiger Konkurrenten zu beraten.

(3) Jedenfalls stellen aber stellen die beiden vorgenannten Gründe in ihrer Gesamtschau einen Grund für eine außerordentliche Kündigung dar. Angesichts der Tatsache, dass es vorliegend um Beratungsleistungen geht, kam eine von § 22 UmwG vorgesehene Sicherheitsleistung als Sicherungsmittel für den Vertragspartner, d. h. hier die Beklagte, von Anfang an nicht in Betracht.

c) Schließlich war die Verschmelzung auch kausal für die außerordentliche Kündigung durch die Beklagte. Zwar weist die Klägerin zutreffend daraufhin, dass die Kündigung erklärt wurde, bevor die Verschmelzung im Handelsregister eingetragen worden war.

Allerdings hatte die Klägerin ihre Kunden nach dem unbestrittenen Vortrag der Beklagten im Schriftsatz vom 11.07.2022 nach Abschluss der notariellen Verträge von der Verschmelzung unterrichtet und damit eine ihr insoweit ohnehin obliegende vertragliche Nebenpflicht erfüllt. (Bereits) diese Information durfte die Beklagte zum Anlass für die Kündigung nehmen, ein Zuwarten bis zur Eintragung ins Handelsregister und den Eintritt der Wirkungen des § 20 UmwG bedurfte es nicht. Im Übrigen wäre es der Klägerin im Zuge dieser Unterrichtung ein Leichtes gewesen, darauf hinzuweisen, dass sich an der konkreten Situation der Beratung nichts ändern wird.

Dass die Beklagte zur Wahrung ihrer verfahrensmäßigen Rechte zunächst die Aktivlegitimation der Klägerin bestritten hat, steht dem nicht entgegen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97, 91 ZPO.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

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Schlagworte: Dauerschuldverhältnis und Treuepflicht, Verschmelzung

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