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OLG Stuttgart, Beschluss vom 11. August 2020 – 20 W 9/20

Dienstag, 11. August 2020

§ 17 Abs 2 S 1 GVG, § 17a GVG, § 98 Abs 1 AktG, § 21 SEBG, § 25 SEAG, Art 9 Abs 1 SektVO, § 21 FamFG, § 2a Abs 1 Nr 3e ArbGG

1. Für ein Statusverfahren ist der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten und damit die Zuständigkeit des Landgerichts nach § 98 Abs. 1 AktG auch dann eröffnet, wenn ein Aktionär einer dualistisch geprägten SE die gerichtliche Entscheidung über die Zusammensetzung des Aufsichtsrats beantragt, weil er die Wirksamkeit der Änderung einer Beteiligungsvereinbarung gem. § 21 SEAG in Frage stellt.

2. Ist die Frage nach der Wirksamkeit der Änderung der Beteiligungsvereinbarung nicht Gegenstand eines anhängigen Verfahrens vor dem Arbeitsgericht, so ist eine Aussetzung des Statusverfahrens nach § 21 FamFG nicht geboten. Das Landgericht hat diesen Gesichtspunkt als Vorfrage im Statusverfahren zu klären.

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss der 31. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Stuttgart vom 27.1.2020, Az. 31 O 25/18 KfH, wird zurückgewiesen.

2. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

3. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Beschwerdewert: 16.500 €

Gründe

I

Der Antragsteller ist Aktionär der Antragsgegnerin, bei der es sich um eine Gesellschaft in der Rechtsform der „SE“ handelt.

Vor dem 13.11.2007 firmierte die Antragsgegnerin unter „P. Aktiengesellschaft“ und hatte einen nach dem Mitbestimmungsgesetz paritätisch besetzten Aufsichtsrat mit 12 Mitgliedern. Zum 13.11.2007 wurde der gesamte operative Geschäftsbetrieb auf eine Tochtergesellschaft ausgegliedert, die Antragsgegnerin wurde in eine Europäische Aktiengesellschaft umgewandelt. Im Zuge des Formwechsels wurde ein besonderes Verhandlungsgremium gebildet, das mit dem Vorstand eine Mitbestimmungsvereinbarung abschloss. Danach war weiterhin eine paritätische Mitbestimmung des aus 12 Personen bestehenden Aufsichtsrats vorgesehen. Eine Kündigung der Vereinbarung war frühestens zum Ablauf von 10 Jahren nach Inkrafttreten möglich. Lediglich im Falle geplanter struktureller Veränderungen sollten auf Veranlassung des Vorstandes oder des SE-Betriebsrates Verhandlungen über eine Anpassung der Vereinbarung stattfinden.

Bis zum Ablauf der ordentlichen Hauptversammlung der Antragsgegnerin am 30.5.2017 bestand der Aufsichtsrat aus zwölf Mitgliedern und war paritätisch besetzt.

Wohl im Jahr 2016 kündigte der Vorstand der Antragsgegnerin gegenüber dem SE-Betriebsrat an, die Mitbestimmungsvereinbarung zum nächstmöglichen Kündigungszeitpunkt, also zum 22.6.2017 kündigen zu wollen. Daraufhin fanden Verhandlungen zwischen dem Vorstand und dem SE-Betriebsrat statt, die am 1.2.2017 zum Abschluss einer Aussetzungsvereinbarung führten. Ausweislich dieser Vereinbarung sollte die paritätische Besetzung des Aufsichtsrats der Antragsgegnerin mit Wirkung zum Schluss der ordentlichen Hauptversammlung 2017 oder jedenfalls zum nächstmöglichen Zeitpunkt ausgesetzt werden. Ab dem Beendigungszeitpunkt sollte der Aufsichtsrat aus sechs von der Hauptversammlung zu wählenden Mitgliedern bestehen. Die Satzung sollte nach Durchführung des Statusverfahrens gem. §§ 97 ff. AktG entsprechend anzupassen sein.

Am 6.2.2017 veröffentlichte der Vorstand der Antragsgegnerin im Bundesanzeiger eine Bekanntmachung, wonach er der Ansicht sei, dass der Aufsichtsrat ab dem Ablauf der ordentlichen Hauptversammlung 2017 nicht mehr nach den für ihn maßgeblichen Vorschriften zusammengesetzt sei, sondern künftig aus sechs Aufsichtsratsmitgliedern der Anteilseigner bestehe. Der Aufsichtsrat werde wie beschrieben zusammengesetzt, wenn nicht Antragsberechtigte innerhalb eines Monats nach Veröffentlichung gem. § 98 Abs. 1 AktG das zuständige Landgericht anrufen.

Innerhalb der Monatsfrist wurde das Landgericht nicht angerufen.

Die ordentliche Hauptversammlung vom 30.5.2017 beschloss entsprechend der Aussetzungsvereinbarung eine Satzungsänderung dahingehend, dass sich der Aufsichtsrat nur noch aus sechs Mitgliedern der Anteilseigner zusammensetze. Die Satzungsänderung wurde am 6.6.2017 im Handelsregister eingetragen.

Durch eine 2018 beschlossene Satzungsänderung wurde die Zahl der Aufsichtsratsmitglieder auf 10 erhöht.

Am 23.10.2018 teilte der Antragsteller der Antragsgegnerin schriftlich mit, dass er den Aufsichtsrat für falsch besetzt und die Aussetzungsvereinbarung für nichtig halte.

Mit seinem am 2.11.2018 beim Landgericht eingegangenen Antrag begehrt der Antragsteller eine gerichtliche Entscheidung über die Zusammensetzung des Aufsichtsrats der Antragsgegnerin gemäß § 98 Abs. 1, 2 Nr. 3 AktG mit dem Ziel der gerichtlichen Feststellung, dass dieser zur Hälfte mit Arbeitnehmervertretern zu besetzen sei.

Die Antragsgegnerin hat nunmehr die Verweisung des Verfahrens an das Arbeitsgericht Stuttgart und hilfsweise die Aussetzung des Verfahrens und die Gewährung einer Frist beantragt, in der der Antragsteller einen Antrag beim Arbeitsgericht Stuttgart stellen kann.

Mit dem angefochtenen Beschluss vom 27.1.2020, auf den wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhaltes und der Begründung verwiesen wird, hat das Landgericht den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten für zulässig erklärt und den Antrag der Antragsgegnerin auf Aussetzung des Verfahrens zurückgewiesen.

Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, der Rechtsweg zur ordentlichen Gerichtsbarkeit sei eröffnet. Für die Entscheidung über den verfahrensgegenständlichen Antrag sei gem. Art. 9 Abs. 1 lit. c und Art. 10 SE-VO, § 98 Abs. 1 S. 1 AktG ausschließlich das Landgericht zuständig, in dessen Bezirk die Gesellschaft ihren Sitz habe.

Anderes ergebe sich nicht aus einer fehlenden Vorfragenkompetenz. Es gelte der allgemeine Grundsatz, dass das in der Hauptsache zuständige Gericht Vorfragen aus anderen Rechtsgebieten selbstständig beurteilen dürfe.

§ 2a Abs. 1 Nr. 3e ArbGG weise zwar Angelegenheiten aus dem SE-Beteiligungsgesetz ausschließlich den Arbeitsgerichten zu. Jedoch knüpfe der Begriff der Angelegenheit an den Streitgegenstand des Verfahrens an. Diesen lege der Antragsteller fest. Dieser habe auf Nachfrage klargestellt, er beantrage die Feststellung, dass der Aufsichtsrat zur Hälfte mit Arbeitnehmervertretern zu besetzen sei. Er wolle nicht isoliert die Unwirksamkeit der Aussetzungsvereinbarung gerichtlich feststellen lassen. Das Prüfungsergebnis des angerufenen Gerichts bezüglich der Nichtigkeit der Aussetzungsvereinbarung werde durch die zu treffende Entscheidung nicht in Rechtskraft erwachsen, vielmehr werde nur die Zusammensetzung des Aufsichtsrats rechtskräftig geklärt.

Der Hilfsantrag auf Aussetzung des Verfahrens sei abzuweisen. Eine Aussetzung nach § 21 Abs. 1 S. 1 FamFG setze voraus, dass bereits ein gerichtliches Verfahren anhängig sei. Dies sei vorliegend nicht der Fall. Fraglich sei im Übrigen, ob der Antragsteller in einem etwaigen arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren nach § 2a Abs. 1 Nr. 3e ArbGG antragsberechtigt sei.

Mit ihrer Beschwerde begehrt die Antragsgegnerin weiterhin die Verweisung des Rechtsstreits an das Arbeitsgericht und hilfsweise die Aussetzung des Verfahrens.

Sie macht geltend, dass in Ansehung der Zulässigkeit einer Mitbestimmungsvereinbarung gem. § 2a Abs. 1 Nr. 3e ArbGG die Arbeitsgerichte ausschließlich zuständig seien. Über die Zulässigkeit des vereinbarten Mitbestimmungsmodells könne nur innerhalb einer Gerichtsbarkeit entschieden werden, den ordentlichen Gerichten komme eine solche Zuständigkeit im Statusverfahren auch nicht im Sinne einer Parallelzuständigkeit zu. Im Falle paralleler Prüfungskompetenzen ergebe sich eine unauflösbare Kompetenzkollision. Die zuerst getroffene rechtskräftige Entscheidung würde den Ausgang des jeweils anderen Verfahrens determinieren. Eine Feststellung der (Un-)Wirksamkeit der Mitbestimmungsvereinbarung durch das Arbeitsgericht binde infolge der materiellen Rechtskraft der Entscheidung auch Dritte und sei im Statusverfahren bindend zu beachten. Umgekehrt lasse der rechtskräftige Abschluss eines gerichtlichen Statusverfahrens, in dem auch um die Frage der Zulässigkeit des in der Mitbestimmungsvereinbarung festgelegten Mitbestimmungsmodells gestritten werde, das Rechtsschutzbedürfnis für ein arbeitsgerichtliches Beschlussverfahren entfallen. Demgemäß habe eine Entscheidungsbefugnis der ordentlichen Gerichtsbarkeit über die Vorfrage der Zulässigkeit der Mitbestimmungsvereinbarung zur Folge, dass es vom Zufall abhänge, von welcher Gerichtsbarkeit über die Zusammensetzung des Aufsichtsrats entschieden werde. Eine solche Alternativität der Rechtswegzuständigkeiten widerspreche dem Grundsatz des gesetzlichen Richters.

Die Kompetenzkollision sei aufgrund der ausschließlichen Zuständigkeitsbestimmung des § 2a Abs. 1 Nr. 3e ArbGG zugunsten der Arbeitsgerichte aufzulösen. Die Zulässigkeitsvoraussetzungen einer Mitbestimmungsvereinbarung seien in § 21 SEBG geregelt und seien daher von der Zuständigkeitszuweisung in § 2a Abs. 1 Nr. 3e ArbGG erfasst. Im Rahmen der Rückausnahmen werde § 21 SEBG nicht genannt. Dem entsprechend gehe das LAG Baden-Württemberg und ihm folgend das ArbG Mannheim davon aus, dass ausschließlich die Arbeitsgerichte die Zulässigkeit des in der Mitbestimmungsvereinbarung festgelegten Mitbestimmungsmodells überprüfen könnten. Auch die überwiegende Auffassung in der Literatur gehe davon aus, dass ein Streit über die Zulässigkeit einer Beteiligungsvereinbarung ausschließlich im Beschlussverfahren vor den Arbeitsgerichten auszutragen sei. Die Prüfungsbefugnis der Arbeitsgerichte sei nicht auf Arbeitnehmerwahlen und -abberufungen begrenzt.

Eine teleologische Reduktion des § 2a Abs. 1 Nr. 3e ArbGG zugunsten einer Prüfungsbefugnis der ordentlichen Gerichte komme nicht in Betracht. Es sei anerkannt, dass in einem Statusverfahren die Zusammensetzung des Aufsichtsrats nur überprüft werden könne, sofern diese Zusammensetzung gerade durch das Gesetz bindend vorgegeben werde. Werde die Zusammensetzung des Aufsichtsrats hingegen aufgrund einer freiwilligen Satzungsänderung geändert, sei das Statusverfahren nach ganz h.M. nicht anwendbar. Dieser Ausschluss des Statusverfahrens sei auf den vorliegenden Fall zu übertragen. Im Falle einer freiwillig mitbestimmten SE sei die Wirksamkeit der Beteiligungsvereinbarung im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren zu überprüfen. Auch die Systematik des § 2a Abs. 1 ArbGG bestätige, dass die ordentlichen Gerichte nur dann für die Prüfung des Mitbestimmungsmodells zuständig seien, wenn sich dessen Anwendungsvoraussetzungen unmittelbar aus dem Gesetz ergäben. So sei lediglich in § 2a Abs. 1 Nr. 3 ArbGG die Einschränkung auf Wahlen und Abberufungen enthalten. Demgegenüber folge die Verteilung der gerichtlichen Zuständigkeit in § 2a Abs. 1 Nr. 3f und 3g ArbGG derselben Systematik wie in § 2a Abs. 1 Nr. 3e ArbGG. Demnach seien die Arbeitsgerichte insbesondere für Verfahren zuständig, die die Zulässigkeit und Wirksamkeit von Beteiligungsvereinbarungen beträfen. Schließlich stehe einer teleologischen Reduktion entgegen, dass die ausschließliche Zuständigkeit der Arbeitsgerichte mit Blick auf den Umfang der Rechtskraft der Entscheidung einen effektiveren Rechtsschutz ermögliche als eine Entscheidung im Statusverfahren.

Die Entscheidung des BGH vom 23.7.2019 (II ZR 20/18) sei nicht einschlägig, da im zugrundeliegenden Fall eine Vereinbarung über die Arbeitnehmerbeteiligung nicht geschlossen worden sei. Der Aufsichtsrat sei auf Grundlage der gesetzlichen Auffangregelung in §§ 34, 35 SEBG zusammengesetzt gewesen, insofern stehe die Kompetenz der ordentlichen Gerichte zur Überprüfung des Mitbestimmungsmodells der SE nicht in Rede. Auch der Beschluss des LG Nürnberg-Fürth vom 8.2.2010 sei nicht einschlägig, ebenso wenig der Beschluss des LG Frankfurt am Main vom 21.12.2017. Auch aus der vom Landgericht zitierten Rechtsprechung des BAG vom 16.4.2008 ergebe sich nichts anderes, diese betreffe nicht die SE, sondern lediglich das deutsche Mitbestimmungsrecht. Abgesehen hiervon werde in der Entscheidung gerade ausgeführt, dass es vom Gesetzgeber als unerwünscht erachtet werde, wenn sowohl die Arbeitsgerichte als auch die ordentlichen Gerichte über dieselbe Rechtsfrage zu befinden hätten.

Als Konsequenz könne nicht im streitgegenständlichen Statusverfahren über die Zulässigkeit der Aussetzungsvereinbarung entschieden werden. Entweder sei das Verfahren an das Arbeitsgericht Stuttgart zu verweisen oder das Verfahren sei auszusetzen. Bei der Frage der Wirksamkeit der Aussetzungsvereinbarung handle es sich um die einzige und damit um die streitentscheidende Frage. In diesem Fall sei eine Kompetenz des erkennenden Gerichts zur Prüfung rechtswegfremder Vorfragen nicht gegeben. Ein wichtiger Grund, der eine Aussetzung rechtfertige, liege auch vor, wenn noch kein anderes Verfahren anhängig sei. Darüber, ob der Antragsteller im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren antragsbefugt sei, hätten ausschließlich die Arbeitsgerichte zu befinden.

II

Die gem. § 17a Abs. 4 S. 3 GVG iVm §§ 567 ff. ZPO (Verweisungsantrag) bzw. gem. § 21 Abs. 2 FamFG iVm §§ 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO (Aussetzungsantrag) statthafte und auch im Übrigen zulässige sofortige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

Zu Recht und mit zutreffender Begründung, auf die Bezug genommen wird, hat das Landgericht den Verweisungsantrag und den Aussetzungsantrag der Antragsgegnerin abgewiesen. Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt keine andere Betrachtungsweise.

1. Für das vorliegende Verfahren ist nicht der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten, sondern der Rechtsweg zur ordentlichen Gerichtsbarkeit gegeben.

Der Antragsteller begehrt eine gerichtliche Entscheidung über die Zusammensetzung des Aufsichtsrats im Statusverfahren nach § 98 AktG. Für diesen Streitgegenstand ist gem. § 98 Abs. 1 AktG, der über Art. 9 Abs. 1 lit. c (II) SE-VO auch auf die Europäische Gesellschaft anwendbar ist (Habersack in MüKoAktG 5. Aufl. § 97 Rn. 4; Hopt/Roth in Hirte/Mülbert/Roth GroßKommAktG 5. Aufl. § 97 Rn. 30), das Landgericht zuständig, weshalb der Rechtsweg zur ordentlichen Gerichtsbarkeit eröffnet ist (vgl. auch § 17 Abs. 4 SEAG).

Für den Rechtsweg nicht von Relevanz ist die Frage, ob der Anwendungsbereich des Statusverfahrens gem. § 98 AktG eröffnet ist. Wäre diese Frage zu verneinen, so wäre der Antrag als unzulässig abzuweisen (vgl. OLG HamburgBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG Hamburg
Beschluss vom 26.8.1988 – 11 W 53/88 – ZIP 1988, 1191, 1193). Auch hierfür wären nicht die Arbeitsgerichte, sondern das Landgericht zuständig.

2. Von einer Aussetzung des Verfahrens gem. § 21 FamFG hat das Landgericht ebenfalls zu Recht abgesehen. Dies gilt unabhängig davon, ob der Anwendungsbereich des Statusverfahrens eröffnet ist.

a) Sollte der Anwendungsbereich des Statusverfahrens gem. § 98 AktG nicht eröffnet sein, so ist der Antrag des Antragstellers abweisungsreif. Eine Aussetzung des Verfahrens gem. § 21 FamFG kommt in diesem Fall von vornherein nicht in Betracht.

Allerdings dürfte das Landgericht zu Recht von der Anwendbarkeit des Statusverfahrens ausgegangen sein.

aa) Ist streitig oder ungewiss, nach welchen gesetzlichen Vorschriften der Aufsichtsrat zusammenzusetzen ist, so entscheidet darüber gem. § 98 Abs. 1 AktG auf Antrag ausschließlich das Landgericht, in dessen Bezirk die Gesellschaft ihren Sitz hat.

Demgegenüber sind die Arbeitsgerichte gem. § 2a Abs. 1 Nr. 3e ArbGG ausschließlich zuständig für Angelegenheiten aus dem SE-Beteiligungsgesetz mit Ausnahme der §§ 45 und 46 und nach den §§ 34 bis 39 nur insoweit, als die wahl von Vertretern der Arbeitnehmer in das Aufsichts- oder Verwaltungsorgan oder deren Abberufung mit Ausnahme der Abberufung nach § 103 Abs. 3 AktG zu entscheiden ist.

Das Statusverfahren ist für die Frage eröffnet, ob die Zusammensetzung des Aufsichtsrats den Regeln des § 96 Abs. 1 AktG entspricht. Bei mitbestimmten Unternehmen kommt das Statusverfahren auch dann zum Zuge, wenn beispielsweise infolge einer Veränderung der Arbeitnehmerzahl der Aufsichtsrat in seiner Größe verändert wird (Mertens/Cahn in KöKoAktG 3. Aufl. §§ 97-99 Rn. 44; Hüffer/Koch AktG 14. Aufl. § 97 Rn. 3). Demnach können Zweifelsfragen und Fehlbeurteilungen hinsichtlich der gesetzlichen Grundlagen der Zusammensetzung des Aufsichtsrats, insbesondere hinsichtlich des mitbestimmungsrechtlichen Status der Aktiengesellschaft, nur im Statusverfahren geklärt werden (Hüffer/Koch AktG 14. Aufl. § 96 Rn. 1).

Hingegen ist das Statusverfahren nicht anwendbar, wenn im Wege einer freiwilligen, nicht durch das Gesetz gebotenen Satzungsänderung die Größe des Aufsichtsrats modifiziert wird (OLG HamburgBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG Hamburg
Beschluss vom 26.8.1988 – 11 W 53/88 – ZIP 1988, 1191; Mertens/Cahn in KöKoAktG 3. Aufl. §§ 97-99 Rn. 44; Hopt/Roth in Hirte/Müller/Roth GroßKommAktG 5. Aufl. § 97 Rn. 13; § 98 Rn. 19; Hüffer/Koch AktG 14. Aufl. § 97 Rn. 3; Spindler in Spindler/Stilz AktG 4. Aufl. § 97 Rn. 8; Tomasic in Grigoleit AktG 2013 § 97 Rn. 2; aA BAG Beschluss vom 3.10.1989 – 1 ABR 12/88 – juris Rn. 37).

Die ausschließliche Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte für das Statusverfahren bezieht sich nur auf die Zusammensetzung und die Größe des Aufsichtsrats. Demgegenüber sind die Arbeitsgerichte im Beschlussverfahren befugt, über sonstige gesellschafts- und konzernrechtliche, das Wahlrecht der Arbeitnehmer zum Aufsichtsrat und dessen personelle Zusammensetzung betreffende Vorfragen zu entscheiden (Mertens/Cahn in KöKoAktG 3. Aufl. §§ 97-99 Rn. 45 mwN, auch zur Gegenauffassung).

bb) In Anwendung dieser Grundsätze ist vorliegend das Statusverfahren eröffnet. Bei der Beteiligungsvereinbarung handelt es sich um eine eigenständige Rechtsquelle mit normativer Wirkung, die nicht mit einer Satzungsbestimmung gleichgesetzt werden kann (Henssler in Habersack/Henssler Mitbestimmungsrecht 4. Aufl. § 21 SEBG Rn. 78). Rechtliche Grundlage der Zusammensetzung des Aufsichtsrats im Sinne des § 98 AktG ist demnach nicht nur das Gesetz, sondern auch eine Beteiligungsvereinbarung (OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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Beschluss vom 26.3.2020 – 31 Wx 278/18 – juris Rn. 28 f.).

(1) Zwar sind für Streitigkeiten über die Wirksamkeit der Beteiligungsvereinbarung und für ihre Durchsetzung grundsätzlich gem. § 2a Abs. 1 Nr. 3e ArbGG die Arbeitsgerichte zuständig (Henssler in Habersack/Henssler Mitbestimmungsrecht 4. Aufl. § 21 SEBG Rn. 76; Hohenstatt/Müller-Bonanni in Habersack/Drinhausen SE-Recht 2. Aufl. § 21 SEBG Rn. 37; Kienast in Jannott/Frodermann Handbuch der Europäischen Aktiengesellschaft 2. Aufl. Kap. 13 Rn. 399, 416; MüKoAktG/Jacobs 4. Aufl. § 21 SEBG Rn. 59; Schwab/Weth in Schwab/Weth ArbGG 5. Aufl. § 2a Rn. 106; Bungert/Gotsche ZIP 2013, 649, 650; a.A. Hopt/Roth in Hirte/Mülberg/Roth GroßKommAktG 5. Aufl. § 97 Rn. 30, wonach zur Klärung der Wirksamkeit einer Beteiligungsvereinbarung generell ein Statusverfahren durchzuführen ist).

(2) Anderes gilt jedoch, sobald durch den Streit über die Wirksamkeit der Vereinbarung gem. § 21 SEBG die Zusammensetzung des Aufsichtsrats in Frage gestellt wird. In diesem Fall ist alleine das Statusverfahren gem. §§ 97 ff. AktG maßgeblich (OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG München
Beschluss vom 26.3.2020 – 31 Wx 278/18 – juris Rn. 24 ff.; Henssler in Habersack/Henssler Mitbestimmungsrecht 4. Aufl. § 21 SEBG Rn. 77, 79 f.; Hopt/Roth in Hirte/Mülberg/Roth GroßKommAktG 5. Aufl. § 97 Rn. 30 mwN, auch zur Gegenauffassung; MüKoAktG/Jacobs 4. Aufl. § 21 SEBG Rn. 59, § 35 SEGB Rn. 28; Seibt ZIP 2010, 1057, 1064; vgl. auch Hohenstatt/Müller-Bonanni in Habersack/Drinhausen SE-Recht 2. Aufl. § 35 SEBG Rn. 14; a.A. LAG Baden-Württemberg Beschluss vom 19.6.2017 – 19 Ta 10/17 – juris Rn. 33; Löw/Stolzenberg NZA 2016, 1489, 1493 f.). Das Statusverfahren dient auch der Anpassung an die vertraglichen Vorschriften der Beteiligungsvereinbarung (Henssler in Habersack/Henssler Mitbestimmungsrecht 4. Aufl. § 21 SEBG Rn. 77; MüKoAktG/Jacobs 4. Aufl. § 21 SEBG Rn. 59, § 35 SEGB Rn. 28). Insbesondere ist das Statusverfahren anwendbar, wenn – wie im vorliegenden Fall – die nachträgliche Änderung der Beteiligungsvereinbarung im Zuge von Neuverhandlungen in Rede steht (Henssler in Habersack/Henssler Mitbestimmungsrecht 4. Aufl. § 21 SEBG Rn. 77, 79 f.).

(3) Eine andere Betrachtungsweise ist nicht deshalb gerechtfertigt, weil in § 2a Abs. 1 Nr. 3e ArbGG nur Angelegenheiten nach den §§ 34 bis 39 SEBG ausdrücklich von der Zuständigkeit der Arbeitsgerichte ausgenommen werden, während § 21 SEBG keine Erwähnung findet (so LAG Baden-Württemberg Beschluss vom 19.6.2017 – 19 Ta 10/17 – juris Rn. 31).

Nach § 34 Abs. 1 SEBG finden die Regelungen über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer kraft Gesetzes nach den §§ 35 bis 38 SEBG Anwendung, wenn die Voraussetzungen des § 22 SEBG vorliegen, also gem. § 22 Abs. 1 Nr. 1 SEBG insbesondere dann, wenn die Parteien dies vereinbart haben (§ 21 Abs. 5 SEBG). Vor diesem Hintergrund wird § 21 SEBG von den Ausnahmen in § 2a Abs. 1 Nr. 3e ArbGG umfasst.

Würde man dies anders sehen, hätten über die ordnungsgemäße Zusammensetzung des Aufsichtsrats im Fall der Auffangregelung gem. §§ 34, 35 SEBG die ordentlichen Gerichte im Statusverfahren und im Fall der Beteiligungsvereinbarung nach § 21 SEBG bei der dualistischen SE die Arbeitsgerichte im Beschlussverfahren zu entscheiden, während bei der monistischen SE wiederum die ordentlichen Gerichte im Statusverfahren zu befinden hätten (vgl. dazu nachfolgend (4)). Ein sachlicher Grund für eine derartige Aufspaltung des Rechtsschutzes bezüglich derselben Fragestellung ist nicht ersichtlich (OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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Beschluss vom 26.3.2020 – 31 Wx 278/18 – juris Rn. 29; vgl. auch Seibt ZIP 2010, 1057, 1064).

(4) Für eine Anwendbarkeit des Statusverfahrens auf Streitigkeiten über die Zusammensetzung des Aufsichtsrats auf der Grundlage einer Beteiligungsvereinbarung spricht auch die gesetzliche Regelung der §§ 25 Abs. 1, 26 Abs. 1  für die monistische SE. Danach ist ein Streit über die korrekte Zusammensetzung des Verwaltungsrats in einem Statusverfahren zu klären, das dem aktienrechtlichen Statusverfahren gem. §§ 97 ff. AktG entspricht. Nach § 25 Abs. 1 SEAG kann auch die Übereinstimmung mit den „maßgeblichen vertraglichen“ Vorschriften überprüft werden, wobei die Mitbestimmungsvereinbarung iSd § 21 SEBG gemeint ist (§ 24 Abs. 1 SEAG; vgl. auch Eberspächer in Spindler/Stilz AktG 4. Aufl. Art. 43 SE-VO Rn. 30; Teichmann in Lutter/Hommelhoff/Teichmann SE Kommentar 2. Aufl. Anh. Art. 43 SE-VO § 25 SEAG Rn. 3).

Im Übrigen hat auch die Beteiligungsvereinbarung ihre Grundlage im Gesetz, was insbesondere in der Regelung zum Mindeststandard der Mitbestimmung in § 21 Abs. 6 SEBG zum Ausdruck kommt (OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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Beschluss vom 26.3.2020 – 31 Wx 278/18 – juris Rn. 29). Die Antragsgegnerin selbst führt in ihrer Beschwerdebegründung aus (GA 170), dass vorliegend über die Anwendbarkeit des Verschlechterungsverbots gem. § 21 Abs. 6 S. 1 SEBG gestritten wird, in letzter Konsequenz also die Frage streitentscheidend ist, ob bei der Zusammensetzung des Aufsichtsrats die gesetzliche Vorschrift des § 21 Abs. 6 S. 1 SEBG zu beachten ist.

(5) Weiter spricht eine Parallele zur mitbestimmten deutschen Aktiengesellschaft für eine Anwendbarkeit des Statusverfahrens in der vorliegenden Konstellation.

α) Auch bei der deutschen Aktiengesellschaft stellt sich die Frage nach der Abgrenzung zwischen dem Statusverfahren einerseits und dem arbeitsgerichtlichen Verfahren nach § 2a Abs. 1 Nr. 3 ArbGG andererseits. Insofern ist allgemein anerkannt, dass im Rahmen des Statusverfahrens über die grundsätzliche Größe und Zusammensetzung des Aufsichtsrats entschieden wird, während Fragen der personellen Zusammensetzung, der Wahlberechtigung etc. den Arbeitsgerichten vorbehalten sind, wobei letztere an die grundsätzliche Entscheidung im Rahmen des Statusverfahrens gebunden sind (BAG Urteil vom 16.4.2008 – 7 ABR 6/07 – juris Rn. 13; OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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Beschluss vom 26.3.2020 – 31 Wx 278/18 – juris Rn. 26 mwN; Spindler in Spindler/Stilz AktG 4. Aufl. 2019 § 98 Rn. 2).

β) Für die Vertretung der Arbeitnehmer in den Aufsichtsorganen der Europäischen Gesellschaft gelten dieselben Grundsätze wie für die mitbestimmten deutschen Gesellschaften. Nicht nur im Rahmen der Auffangregelung der §§ 34 ff. SEBG, sondern auch im Falle des Vorliegens einer Mitbestimmungsvereinbarung ist die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte nur gegeben, sofern die wahl oder die Abberufung von Arbeitnehmervertretern oder prozedurale Fragen im Zusammenhang mit der Unternehmensmitbestimmung in Rede stehen (OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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Beschluss vom 26.3.2020 – 31 Wx 278/18 – juris Rn. 24, 26; Poeche in BeckOK Arbeitsrecht Stand 1.9.2019 § 2a ArbGG Rn. 14; MüKoAktG/Jacobs 4. Aufl. § 35 SEBG Rn. 28; Hohenstatt/Müller-Bonanni in Habersack/Drinhausen SE-Recht 2. Aufl. § 21 SEBG Rn. 37; Schlewing in Germelmann/Matthes/Prütting ArbGG 9. Aufl. § 2a Rn. 80).

γ) Eine abweichende Betrachtungsweise wird nicht durch den Umstand gerechtfertigt, dass in § 2a Abs. 1 Nr. 3 ArbGG die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte in Angelegenheiten nach dem Mitbestimmungsgesetz ausdrücklich auf die Entscheidung über die wahl und die Abberufung von Arbeitnehmervertretern in den Aufsichtsrat beschränkt wird, während § 2a Nr. 3e ArbGG – ebenso wie § 2a Nr. 3f ArbGG und § 2a Nr. 3g ArbGG – weiter gefasst ist.

Vielmehr folgt insbesondere aus der Gesetzesbegründung zum SEAG, dass für die SE nichts anderes gilt als für die deutsche Aktiengesellschaft. So heißt es bezüglich der Änderung des § 2a ArbGG für Angelegenheiten aus dem SE-Beteiligungsgesetz: „wie nach Nr. 3“ (BT-Drucks. 15/3405 S. 58; OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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Beschluss vom 26.3.2020 – 31 Wx 278/18 – juris Rn. 28). In Bezug auf die monistisch organisierte SE ist in der Gesetzesbegründung zu § 24 SEAG hinsichtlich des Verwaltungsrats zudem davon die Rede, dass Zweifelsfragen bezüglich der rechtlichen Grundlage der Zusammensetzung nur im Statusverfahren nach §§ 25 und 26 SEAG geklärt werden können (BT-Drucks. 15/3405 S. 37; OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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Beschluss vom 26.3.2020 – 31 Wx 278/18 – juris Rn. 28). Ausweislich der Gesetzesbegründung zu § 26 SEAG folgt diese Vorschrift weitgehend dem Vorbild in § 98 AktG (BT-Drucks. 15/3405 S. 37).

(6) Schließlich geht die Antragsgegnerin selbst davon aus, dass ein außergerichtliches Statusverfahren gem. Art. 9 SE-VO iVm § 97 Abs. 1 AktG stattzufinden habe (vgl. S. 18 des Schriftsatzes vom 28.6.2019, GA 125). Auch in § 97 Abs. 1 AktG ist indes von den „maßgebenden gesetzlichen Vorschriften“ die Rede, eine unterschiedliche Behandlung des außergerichtlichen und des gerichtlichen Statusverfahrens ist nicht angebracht.

b) Auch wenn der Anwendungsbereich des Statusverfahrens demnach eröffnet sein dürfte, wäre nicht zu beanstanden, dass das Landgericht von einer Aussetzung des Verfahrens gem. § 21 FamFG abgesehen hat.

aa) Gem. § 21 Abs. 1 S. 1 FamFG kann das Gericht das Verfahren aus wichtigem Grund aussetzen, insbesondere wenn die Entscheidung ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das Gegenstand eines anderen anhängigen Verfahrens bildet oder von einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist.

Die in § 21 Abs. 1 S. 1 FamFG als Regelbeispiel (vgl. dazu Burschel in BeckOKFamFG Stand 1.7.2020 § 21 Rn. 13) vorgesehene Vorgreiflichkeit erfordert, dass das weitere Verfahren anhängig ist, zudem darf es seinerseits nicht ausgesetzt sein. Unzulässig ist damit eine Aussetzung, wenn sie zu dem Zweck erfolgt, die Klärung eines präjudiziellen Rechtsverhältnisses durch die Beteiligten in einem erst anhängig zu machenden Verfahren herbeizuführen; über die Vorfrage muss das Gericht in dem anhängigen Verfahren vielmehr selbst entscheiden (Keidel/Sternal FamFG 20. Aufl. § 21 Rn. 10 mwN; MüKoFamFG/Pabst 3. Aufl. § 21 Rn. 11). Eine Aussetzung kann nicht mit der Aufforderung an die Beteiligten verbunden werden, das präjudizielle Rechtsverhältnis zunächst vor dem anderen Fachgericht klären zu lassen, d.h. dort ein Verfahren herbeizuführen, bevor das (Haupt-)Verfahren weitergeführt wird (Ahn-Roth in Prütting/Helms FamFG 5. Aufl. 2020 § 21 FamFG Rn. 9a; Burschel in BeckOKFamFG Stand 1.7.2020 § 21 Rn. 12).

Auch wenn die Voraussetzungen der Vorgreiflichkeit nicht gegeben sind, kann eine Aussetzung aus einem sonstigen wichtigen Grund angezeigt sein. Insbesondere ist eine Aussetzung des Verfahrens dann erforderlich, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits vom Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das nur vom Gericht eines anderen Rechtswegs festgestellt werden kann. In diesem Fall hat das Gericht das Verfahren auszusetzen, um dem Beteiligten Gelegenheit zu geben, das Bestehen des Rechtsverhältnisses vom Gericht des anderen Rechtsweges feststellen zu lassen. Das Ermessen des über die Aussetzung zu befindenden Gerichts ist dann auf Null reduziert (BGH Urteil vom 11.1.1955 – I ZR 106/53 – juris Rn. 24 ff. zu § 148 ZPO; BVerwG Urteil vom 12.2.1987 – 3 C 22/86 – juris Rn. 35 ff., 38 ff. zu § 94 VwGO, jeweils zur Aufrechnung mit rechtswegfremden Gegenforderungen; vgl. auch BayVGH Beschluss vom 9.4.2003 – 20 CS 03.525 – juris Rn. 15 mit kritischer Kommentierung Rudisile in Schoch/Schneider/Bier VwGO Stand Juli 2019 § 94 VwGO Rn. 53 Rn. 124).

bb) Die vorstehend genannten Voraussetzungen eines wichtigen Grundes sind vorliegend nicht erfüllt. Dem Landgericht kommt eine Vorfragenkompetenz hinsichtlich der streitentscheidenden Fragen zu, weshalb vor einer Anhängigkeit eines entsprechenden arbeitsgerichtlichen Verfahrens keine Aussetzung in Betracht kommt.

(1) Gem. § 17 Abs. 2 S. 1 GVG entscheidet das Gericht des zulässigen Rechtswegs den Rechtsstreit unter allen in Betracht kommenden Gesichtspunkten. Hieraus folgt insbesondere, dass dem angerufenen Gericht eine Vorfragenkompetenz hinsichtlich solcher Fragen zukommt, die der Sache nach in die Rechtswegzuständigkeit einer anderen Gerichtsbarkeit fallen (Ehlers in Schoch/Schneider/Bier VwGO Stand Juli 2019 § 17 GVG Rn. 32; Kissel NZA 1995, 345, 355; MüKoZPO/Zimmermann 5. Aufl. § 17 GVG Rn. 13). Dass es vom Zufall der zeitlich ersten Verfahrenseinleitung abhängen kann, von welcher Gerichtsbarkeit über eine (Vor)frage entschieden wird, ist notwendige und daher hinzunehmende Konsequenz der in § 17 Abs. 2 S. 1 GVG eingeräumten Vorfragenkompetenz. Der gesetzliche Richter wird den Beteiligten insofern nicht entzogen.

(2) Dem entsprechend hat das Landgericht im Statusverfahren auch die Vorfragenkompetenz hinsichtlich arbeitsrechtlicher Vorfragen, sofern von diesen Vorfragen die Zusammensetzung des Aufsichtsrats abhängt (Hopt/Roth in Hirte/Mülbert/Roth GroßKommAktG 5. Aufl. § 98 Rn. 21; MüKoAktG/Habersack 5. Aufl. § 98 Rn. 11). Dies gilt insbesondere im Hinblick auf Vorfragen, die die Beteiligungsvereinbarung betreffen (Henssler in Habersack/Henssler Mitbestimmungsrecht 4. Aufl. § 21 SEBG Rn. 80). Demnach muss das Landgericht weder eine arbeitsgerichtliche Entscheidung abwarten noch sein Verfahren aussetzen (Hopt/Roth in Hirte/Mülbert/Roth GroßKommAktG 5. Aufl. § 98 Rn. 21). Dies gilt umso mehr, als die Antragsbefugnisse des arbeitsgerichtlichen Verfahrens und des Statusverfahrens abweichend geregelt sind, weshalb die Verfahrensbeteiligten durch eine Aussetzung rechtsschutzlos gestellt werden könnten (vgl. Hopt/Roth in Hirte/Mülbert/Roth GroßKommAktG 5. Aufl. § 98 Rn. 20 zur umgekehrten Fragestellung einer Aussetzung durch die Arbeitsgerichte).

(3) Anderes ergibt sich nicht daraus, dass nach einer in der Literatur vertretenen Auffassung keine Rechtswegzuständigkeit und mithin auch keine Vorfragenkompetenz besteht, wenn die rechtswegfremde Vorfrage in Wirklichkeit Hauptfrage ist (vgl. Ehlers in Schoch/Schneider/Bier VwGO Stand Juli 2019 § 17 GVG Rn. 32, § 40 VwGO Rn. 215; Sodan in Sodan/Ziekow VwGO 5. Aufl. § 40 Rn. 277, jeweils unter Verweis auf BGH Urteil vom 12.7.1967 – V ZR 61/64 – juris Rn. 6). Abgesehen davon, dass vorliegend die Rechtswegzuständigkeit der ordentlichen Gerichte bereits aus § 98 Abs. 1 AktG folgt (vgl. vorstehend II 1), ist die von der Antragsgegnerin referierte (vgl. S. 29 der Beschwerdebegründung, GA 195) Auffassung hier nicht einschlägig. Der Auffassung liegt zugrunde, dass es eine missbräuchliche Rechtswegerschleichung darstellt, wenn ein vor den ordentlichen Gerichten geltend gemachter, auf bürgerlich-rechtliche Anspruchsgrundlagen gestützter Anspruch auf die Aufhebung eines Verwaltungsakts zielt (vgl. BGH Urteil vom 12.7.1967 – V ZR 61/64 – juris Rn. 6).

c) Abschließend wird darauf hingewiesen, dass die Antragsgegnerin selbst das Arbeitsgericht hätte anrufen können, sofern sie der Auffassung war, ein Beschlussverfahren unter Beteiligung des Antragstellers sei dort zulässig.

III

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Den Beschwerdewert schätzt der Senat auf (gerundet) 1/3 des Hauptsachewerts (vgl. OLG KarlsruheBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG Karlsruhe
Beschluss vom 19.9.2019 – 9 W 32/19 – juris Rn. 79; OLG Sachsen-Anhalt Beschluss vom 26.10.2018 – 12 W 64/18 – juris Rn. 21 f.). Der Wert der Hauptsache beträgt gem. § 75 GNotKG in Ermangelung von Anhaltspunkten 50.000 €.

Die Rechtsbeschwerde ist nicht zuzulassen.

1. Entgegen der Auffassung der Beschwerde ist die Rechtsbeschwerde nicht wegen Divergenz insbesondere zur Rechtsprechung des LAG Baden-Württemberg zuzulassen.

In Ansehung der Entscheidung über den Rechtsweg ist der Zulassungsgrund der Divergenz bereits deshalb nicht gegeben, weil § 17a Abs. 4 S. 5 Alt. 2 GVG als Zulassungsgrund lediglich die Abweichung von der Entscheidung eines obersten Gerichtshofes des Bundes oder des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes nennt, nicht jedoch die Abweichung von der Entscheidung des Gerichts eines Landes.

Abgesehen hiervon ist eine Divergenz auch deshalb zu verneinen, weil die vom LAG Baden-Württemberg vertretene Auffassung, wonach § 2 Abs. 1 Nr. 3e ArbGG in Ansehung der Arbeitnehmerbeteiligung nach dem SEBG die speziellere Vorschrift sein soll (LAG Baden-Württemberg Beschluss vom 19.6.2017 – 19 Ta 10/17 – juris Rn. 34), für die Entscheidung des LAG Baden-Württemberg nicht tragend ist.

Auch in Ansehung der Entscheidung über den Aussetzungsantrag ist der Zulassungsgrund der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung gem. § 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO nicht gegeben. Der vorstehend genannte Beschluss des LAG Baden-Württemberg vom 19.6.2017 betrifft nicht die vorliegende Konstellation. Vielmehr hatte das LAG Baden-Württemberg darüber zu befinden, welcher Rechtsweg für die Geltendmachung eines gewerkschaftlichen Unterlassungsanspruchs gegeben ist. Zudem stand nicht eine (beabsichtigte) Änderung der Beteiligungsvereinbarung gem. § 21 SEBG, sondern eine vorzuschlagende Satzungsänderung in Rede (vgl. LAG Baden-Württemberg Beschluss vom 19.6.2017 – 19 Ta 10/17 – juris Rn. 4).

Anderes ergibt sich nicht daraus, dass in dem Beschluss des LAG Baden-Württemberg zugrundeliegenden Verfahren im Wege von Hilfsanträgen über die Wirksamkeit der ursprünglichen Mitbestimmungsvereinbarung gestritten wurde (vgl. S. 12 der Beschwerdebegründung, GA 178). Vielmehr hat das LAG Baden-Württemberg ausdrücklich ausgeführt, dass über den für die Hilfsanträge gegebenen Rechtsweg derzeit nicht zu entscheiden sei (LAG Baden-Württemberg Beschluss vom 19.6.2017 – 19 Ta 10/17 – juris Rn. 28).

Sofern das Arbeitsgericht im weiteren Verfahrensverlauf auch über die Hilfsanträge entschieden hat, rechtfertigt dies keine Divergenzvorlage. Eine Divergenz liegt lediglich im Falle einer Abweichung von der Entscheidung eines höher- oder gleichrangigen Gerichts vor (Musielak/Voit/Ball ZPO 17. Aufl. § 543 Rn. 8).

2. Auch eine Zulassung der Rechtsbeschwerde wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO bzw. § 17a Abs. 4 S. 5 Alt. 1 GVG) oder zur Fortbildung des Rechts (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1 ZPO) ist nicht veranlasst.

Der Antragsteller begehrt ausdrücklich eine gerichtliche Entscheidung über die Zusammensetzung des Aufsichtsrats im Statusverfahren nach § 98 AktG. Dass für eine derartige Entscheidung der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten eröffnet ist, ist für sich genommen nicht zweifelhaft. Vor diesem Hintergrund ist es entgegen der Auffassung der Beschwerde (S. 36 der Beschwerdebegründung, GA 202) gerechtfertigt, die Frage nach der grundsätzlichen Bedeutung abweichend vom LAG Baden-Württemberg zu beurteilen. Wie vorstehend unter 1 ausgeführt wurde, lag dem LAG Baden-Württemberg eine anders gelagerte Konstellation zugrunde.


Anmerkung: Der Antragsteller hat im September 2020 seine Anträge auf Durchführung des Statusverfahrens beim Landgericht zurückgenommen.

Schlagworte: Aufsichtsrat, Beteiligungsvereinbarung, Statusverfahren, Zusammensetzung des Aufsichtsrats

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OLG Stuttgart, Beschluss vom 07. Juli 2020 – 8 W 188/20

Dienstag, 7. Juli 2020

§ 2 Abs 1a S 2 GmbHG, § 2 Abs 1a S 3 GmbHG

Es ist nicht mit dem vereinfachten Verfahren nach § 2 Abs. 1a GmbHG vereinbar, den Text des Musterprotokolls umzuformulieren oder andere als die im Musterprotokoll vorgesehenen oder das Beurkundungsverfahren betreffende Ergänzungen vorzunehmen, wenn diese Auswirkungen auf den Inhalt haben. Bei einer Abänderung oder Ergänzung entgegen § 2 Abs. 1a GmbHG liegt eine „normale GmbH-Gründung“ vor.

Tenor

1. Die Beschwerde der Beteiligten gegen die Zwischenverfügung des Amtsgerichts Ulm – Registergericht – vom 14.05.2020 – AR 861/20 – wird zurückgewiesen.

2. Die Beteiligten tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

I.

Am … .2020 wurde die Gründung der … GmbH zur Eintragung in das HandelsregisterBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Eintragung
Eintragung in das Handelsregister
Handelsregister
angemeldet. Einzige Gesellschafterin ist die Antragstellerin, die auch zur alleinigen Geschäftsführerin bestellt wurde. Die Gesellschaft soll im vereinfachten Verfahren nach § 2 Abs. 1a GmbHG gegründet werden. Die als Musterprotokoll bezeichnete notariell beurkundete Gründung enthält u. a. folgende Regelungen:

„1. Die Erschienene errichtet hiermit nach § 2 Abs. 1a GmbHG eine Gesellschaft mit beschränkter HaftungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Gesellschaft
Gesellschaft mit beschränkter Haftung
Haftung
unter der FirmaGmbH mit dem Sitz in … .

3. Das Stammkapital der Gesellschaft beträgt 25.000 € (i.W. fünfundzwanzigtausend Euro) und wird vollständig von Frau … … (Geschäftsanteil Nr. 1) übernommen. …

5. Die Gesellschaft trägt die mit der Gründung verbundenen Kosten bis zu einem Gesamtbetrag von 300 €. Darüber hinausgehende Kosten trägt der Gesellschafter.“

Mit Zwischenverfügung vom 14.05.2020 beanstandete das Amtsgericht Ulm als zuständiges Registergericht, dass Ziffer 5 der Gründungsurkunde nicht dem Musterprotokoll entspreche, da dessen Bestandteil „höchstens jedoch bis zum Betrag ihres Stammkapitals“ gestrichen wurde. Wegen der unzulässigen Abweichung vom Musterprotokoll liege nunmehr eine „normale“ Gründung vor, weshalb Ziff. 1 des Gesellschaftsvertrages zu ändern sei und zudem eine Gesellschafterliste eingereicht werden müsse.

Gegen diese der Antragstellerin am 20.05.2020 zugestellte Entscheidung hat der Notar mit Schriftsatz vom 14.05.2020 namens der Verfahrensbeteiligten Beschwerde eingelegt. Er ist der Auffassung, der gestrichene Bestandteil des Musterprotokolls sei vorliegend sinnlos, da das Stammkapital höher sei als 300 €. Unter dieser Voraussetzung sei der Zusatz sogar irreführend.

Mit Beschluss vom 22.05.2020 hat das Registergericht der Beschwerde nicht abgeholfen.

II.

Die gemäß §§ 382 Abs. 4, 374 Nr. 1, 58 ff FamFG zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Entgegen der Beschwerdebegründung sind die Regeln des vereinfachten Verfahrens gemäß § 2 Abs. 1a GmbHG vorliegend nicht anwendbar.

Voraussetzung für die Gründung einer Einpersonengesellschaft im vereinfachten Verfahren nach § 2 Abs. 1a GmbHG ist die Verwendung des in der Anlage zu der Vorschrift bestimmten Musterprotokolls (§ 2 Abs. 1a Satz 2 GmbHG). Dabei dürfen nach § 2 Abs. 1a Satz 3 „keine vom Gesetz abweichenden Bestimmungen“ getroffen werden. Gemeint ist damit, dass Abweichungen oder Ergänzungen grundsätzlich nur zulässig sind, wenn dies im Musterprotokoll ausdrücklich vorgesehen ist (BT-Drucksache 16/6140 S. 27; Wicke in: Scholz, GmbHG, 12. Aufl. 2018, 2020, 11. Aufl. 2014, 2015, § 2 GmbHG, Rn. 140). Keine unzulässigen Änderungen des Musterprotokolls stellen nach der Rechtsprechung völlig unbedeutende Abwandlungen bei Zeichensetzung, Satzstellung und Wortwahl dar, die keinerlei Auswirkungen auf den Inhalt haben (OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG München
, Beschluss vom 28. September 2010 – 31 Wx 173/10; OLG DüsseldorfBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG Düsseldorf
, Beschluss vom 12. Juli 2011 – I-3 Wx 75/11; Wicke in: Scholz, GmbHG, 12. Aufl. 2018, 2020, 11. Aufl. 2014, 2015, § 2 GmbHG, Rn. 140; BeckOK GmbHG/C. Jaeger, 44. Ed. 1.5.2020, GmbHG § 2 Rn. 74a; Bayer in: Lutter/Hommelhoff, GmbH-Gesetz Kommentar, 20. Aufl. 2020, § 2 GmbHG, Rn. 52). Ebensowenig liegen abweichende Bestimmungen im Sinne des § 2 Abs. 1a Satz 3 vor, soweit es sich um beurkundungsrechtlich gebotene Zusätze handelt (OLG DüsseldorfBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG Düsseldorf
a.a.O.), wenn der Urkundeneingang aus Zweckmäßigkeitsgründen anders formuliert (OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG München
a.a.O.) oder die Notarurkunde mit einer Überschrift versehen wird (Wicke in: Scholz, GmbHG, 12. Aufl. 2018, 2020, 11. Aufl. 2014, 2015, § 2 GmbHG, Rn. 140). Nicht vereinbar mit dem vereinfachten Verfahren ist es hingegen, den Text des Musterprotokolls umzuformulieren oder andere als die im Musterprotokoll vorgesehenen oder das Beurkundungsverfahren betreffende Ergänzungen vorzunehmen, wenn diese Auswirkungen auf den Inhalt haben (MüKoGmbHG/Heinze, 3. Aufl. 2018, GmbHG § 2 Rn. 232c; Wicke in: Scholz, GmbHG, 12. Aufl. 2018, 2020, 11. Aufl. 2014, 2015, § 2 GmbHG, Rn. 140). Wird das Musterprotokoll entgegen § 2 Abs. 1a Satz 3 GmbHG abgeändert oder ergänzt, so liegt eine „normale GmbH-Gründung“ vor, für die die Erleichterungen im Sinne des § 2 Abs. 1a GmbHG nicht gelten, sondern die allgemeinen Regelungen für die Gründung einer GmbH Anwendung finden (OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG München
, Beschluss vom 12. Mai 2010 – 31 Wx 19/10; OLG DüsseldorfBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG Düsseldorf
a.a.O.).

Vorliegend enthält die Gründungsurkunde vom 04.05.2020 nicht nur unbedeutende Abwandlungen in der Wortwahl, sondern sie ändert das Musterprotokoll auch inhaltlich dadurch, dass die von der Gesellschaft zu tragenden, mit der Gründung übernommenen Kosten nicht mehr – wie im Musterprotokoll vorgesehen – in Höhe des Stammkapitals gedeckelt werden. Auch wenn sich diese inhaltliche Änderung vorliegend nicht auswirkt, da das Stammkapital 25.000 € beträgt, hat die inhaltliche Abweichung dennoch zur Folge, dass nicht von einer im Sinne von § 2 Abs. 1a privilegierten GmbH-Gründung auszugehen ist. Dem Gesetzeszweck, die Gründung einer GmbH in unkomplizierten Standardfällen zu erleichtern (BT-Drucksache 16/9737 S. 54, 16/6140 S. 27), wird nur dann Rechnung getragen, wenn das vorgesehene Musterprotokoll ohne inhaltliche Änderungen übernommen wird, um dadurch schon die Prüfung, ob sich die vorgenommene Änderung im konkreten Fall auswirkt, im Beschleunigungsinteresse zu vermeiden. Wenn inhaltliche Änderungen des Musterprotokolls sich nicht auswirken, besteht auch kein Bedarf, sie überhaupt vorzunehmen.

Die Zwischenverfügung ist daher zu Recht ergangen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 84 FamFG, auf die Gerichtsgebühr gemäß GNotKG KV Nr. 19112 wird hingewiesen.Randnummer11

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 70 FamFG) liegen nicht vor.

Schlagworte: GmbHG § 2 Abs. 1a, Mustersatzung

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OLG Stuttgart, Beschluss vom 09. März 2020 – 8 W 295/19

Montag, 9. März 2020

Kapitalerhöhung

§ 55 Abs 1 UmwG, § 9c GmbHG, § 57a GmbHG, § 38 FamFG, § 382 FamFG – Kapitalerhöhung

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers wird die Zwischenverfügung des Amtsgerichts Ulm – Zweigstelle Registergericht – vom 12.06./19.06./22.07.2019, Az. HRA 726345, aufgehoben, soweit die darin aufgeführten Eintragungshindernisse nicht zwischenzeitlich behoben sind.

Das Registergericht wird angewiesen, die Eintragung der Anmeldung vom 15.05.2019, eingegangen am 07.06.2019, nicht davon abhängig zu machen, dass zuvor ein Gutachten eines unabhängigen Wirtschaftsprüfers zum Nachweis, dass das übergehende Vermögen den gewährten Geschäftsanteil zuzüglich des zusätzlich gewährten Darlehensanspruchs deckt, vorgelegt wird.

2. Diese Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.

Gründe

Die gemäß § 382 Abs. 4 Satz 2 FamFG statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg, soweit nicht gerügte Eintragungshindernisse in der Zwischenzeit behoben worden sind.

1.

Die Schreiben des Registergerichts vom 12.06.,19.06. und 22.07.2019 sind als eine einheitliche Zwischenverfügung im Sinne von § 382 Abs. 4 Satz 1 FamFG auszulegen. Sie sind zwar nicht als eine solche überschrieben, ihrem Inhalt nach stellen sie sich jedoch als Zwischenverfügung dar, weil das Registergericht ersichtlich mit dem Schreiben vom 19.06.2019 die von ihm für gegeben erachteten Eintragungshindernisse als solche konkret benannt und mit den beiden weiteren Schreiben hinsichtlich der Ziffern 1 und 2 des ersten Schriftstücks von seiner Sichtweise Abstand genommen und im Übrigen seine Rechtsauffassung begründet hat. Zudem wurde in dem letzten der drei Schreiben eine Rechtsmittelbelehrung erteilt und so auf die Anfechtbarkeit hingewiesen.

Richtigerweise handelt es sich um eine einheitliche Zwischenverfügung, die lediglich äußerlich in Form von drei Schreiben in Erscheinung tritt.

2.

Die Zwischenverfügung ist entgegen der Ansicht der Beschwerde nicht schon aus formalen Gründen aufzuheben. Der Senat vermag sich der Entscheidung des OLG DüsseldorfBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG Düsseldorf
dahingehend, dass eine Fristsetzung gemäß § 382 Abs. 4 Satz 1 FamFG wirksam nur in Form eines Beschlusses nach § 38 FamFG unter Einhaltung aller für eine Endentscheidung vorgesehenen Formalien erfolgen kann, nicht anzuschließen. Zu folgen ist vielmehr den zutreffenden Ausführungen in der Entscheidung des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 26.04.2019 – 11 W 59/18 (Wx) (JURIS Tz 12):

§ 38 Abs. 1 Satz 1 FamFG sieht die Form des Beschlusses ausschließlich für solche Entscheidungen an, die den Verfahrensgegenstand ganz oder teilweise erledigen, was im Falle einer Zwischenverfügung gerade nicht der Fall ist. Für Registersachen kann nach § 38 Abs. 1 Satz 2 FamFG Abweichendes bestimmt werden, allerdings hat der Gesetzgeber mit § 382 Abs. 4 FamFG – im Gegensatz zur Regelung in § 382 Abs. 3 FamFG weder bestimmt, dass die Fristsetzung durch Beschluss zu erfolgen hat, noch hat er konkret auf § 38 FamFG in irgendeiner Form Bezug genommen. Statt dessen hat er mit § 382 Abs. 4 Satz 2 FamFG schlicht angeordnet, dass die Fristsetzung mit einer Beschwerde angefochten werden kann und so ein an sich nicht gegebenes Rechtsmittel geschaffen.

3.

Nachdem das Registergericht ausweislich seines Schreibens vom 19.06.2019 an den Anforderungen der Ziffern 1 und 2 des Ausgangsschreibens vom 12.06.2019 nicht mehr festhält und der Antragsteller mit Schreiben des Notars … vom 26.08.2019 eine Versicherung des Antragstellers des Inhalts, dass die Verbindlichkeiten des Einzelkaufmanns sein Vermögen nicht übersteigen, vorgelegt hat, wodurch die Anforderung in Ziffer 4 des Schreibens vom 12.06.2019 erfüllt worden ist, ist im Beschwerdeverfahren nur noch über die Anforderung in Ziffer 3 jenes Schreibens zu entscheiden. Im Übrigen ist die Zwischenverfügung als erledigt anzusehen.

4.

Soweit das Registergericht vom Antragsteller die Beibringung eines Gutachtens eines unabhängigen Wirtschaftsprüfers zum Nachweis dafür, dass das übergehende Vermögen den gewährten Geschäftsanteil zuzüglich des zusätzlich gewährten Darlehensanspruchs deckt, verlangt, hat die Beschwerde in der Sache Erfolg.

Im Ausgangspunkt zutreffend und vom Beschwerdeführer auch nicht beanstandet stellt das Registergericht fest, dass es wegen § 55 Abs. 1 UmwG, 57a, 9c GmbHG gehalten ist, die Kapitalerbringung auch im Falle einer Kapitalerhöhung zu prüfen, und dass die Prüfungspflicht sich auch auf ein als Sacheinlage einzubringendes Unternehmen erstreckt, weshalb die für die Prüfung erforderlichen Unterlagen auch zum Register jenes Unternehmens einzureichen sind.

Hieraus folgt jedoch nicht, dass zwingend die Vorlage eines Gutachtens eines unabhängigen Wirtschaftsprüfers erforderlich wäre.

a)

Die Amtsermittlungspflicht hat dem Spannungsverhältnis, welches zwischen dem Gebot hinreichender Sachverhaltsaufklärung im Einzelfall einerseits und dem Eintragungsanspruch der Beteiligten und ihrem Interesse an einer zügigen und kostengünstigen Eintragung andererseits besteht, Rechnung zu tragen (Wicke in: Münchener Kommentar zum GmbHG, 3. Auflage 2018, § 9c GmbHG Rn 12). Hieraus folgt, dass jedenfalls kostenträchtige Unterlagen wie Gutachten eines Wirtschaftsprüfers nicht generell verlangt werden dürfen, sondern nur dann, wenn konkrete Umstände des Einzelfalls die Vorlage gebieten, so z.B. wenn eingereichte Unterlagen unklar, in sich widersprüchlich oder lückenhaft sind oder sonstige konkrete Anhaltspunkte für eine Fehlerhaftigkeit des vorgetragenen Sachverhalts benannt werden können (Wicke aaO Rn 12, 13).

Zur Ermittlung der Werthaltigkeit genügt daher in aller Regel die Schlussbilanz des übertragenden Unternehmens, vgl. v. Hinden in: beck-online Großkommentar, Stand 01.01.2020, § 55 UmwG Rn 48; Westerburg in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, Umwandlungsgesetz, Umwandlungssteuergesetz, 8. Auflage 2018, § 55 UmwG Rn 26; Reichert in: Semler/Stengel, Umwandlungsgesetz, 4. Auflage 2017, § 55 UmwG Rn 24. Nicht zu beanstanden wäre es auch, wenn das Registergericht im Rahmen seiner Amtsermittlung in Anlehnung an die Vorschriften zur Gründung einer GmbH die Vorlage eines Sachgründungsberichts verlangt hätte, OLG Stuttgart vom 19.01.1982 – 8 W 295/81 -.

Der Antragsteller hat vorliegend die Schlussbilanz des übertragenden Unternehmens vorgelegt. Dass sich aus ihr besondere Anhaltspunkte für eine Fehlerhaftigkeit der Angaben des Antragstellers ergäben, ist nicht ersichtlich und wird auch vom Registergericht nicht als Begründung für die Auflage der Einreichung eines Gutachtens eines Wirtschaftsprüfers angeführt.

b)

Die Vorlage eines Gutachtens kann auch nicht mit der Begründung gefordert werden, dass die konkrete Höhe des nach § 3 des Ausgliederungsvertrages gutzubringenden Darlehens nicht vermerkt und nicht bekannt ist. Der Senat hat in seiner Entscheidung vom 19.01.1982 u.a. auch ausgeführt, dass und warum bei einer Kapitalerhöhung mit gemischter Sacheinlage zu fordern ist, dass auch die dem Einleger gewährte Gegenleistung, also nicht nur der Betrag der Stammeinlage, auf die sich die Sacheinlage bezieht, sondern auch der dem Einleger in Form eines Darlehensanspruchs zu vergütende Teil in den für die Eintragung notwendigen Formalien festzuhalten ist, wobei es ausreichen kann, dass der Schätzwert zum durch die §§ 9 Abs. 1, 9c Satz 2, 56 Abs. 2, 57a GmbHG festgelegten Zeitpunkt angegeben wird. Diese Angaben sind im Gesellschaftsvertrag bzw. den sonstigen für die Anmeldung der Kapitalerhöhung notwendigen förmlichen Urkunden zu vermerken, so dass das vom Registergericht vorliegend geforderte Gutachten insoweit weder erforderlich noch ausreichend ist.

Löffler I www.K1.de I www.gesellschaftsrechtskanzlei.com I Gesellschaftsrecht I Registergericht I Erfurt I Thüringen I Sachsen I Sachsen-Anhalt I Hessen I Deutschland 2022

Schlagworte: Amtsermittlung, Kapitalaufbringung, Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung, Kapitalerhaltung, Kapitalerhöhung, Werthaltigkeit

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OLG Stuttgart, Urteil vom 12.11.2019 – 1 U 247/18

Samstag, 23. November 2019

§ 256 Abs 1 ZPO

Widerruft der Aufsichtsrat einer Holding-GmbH die Bestellung des Geschäftsführers und schließen die Parteien daraufhin einen Aufhebungsvereinbarung zur Beendigung des Anstellungsverhältnisses, so fehlt einer Klage des ehemaligen Geschäftsführers auf Feststellung der Unwirksamkeit des Widerrufsbeschlusses das Feststellungsinteresse, wenn die Aufhebungsvereinbarung dahin auszulegen ist, dass die Parteien sich auf eine dauerhafte Beendigung des Geschäftsführeramts geeinigt haben und er insoweit keine Rechte mehr geltend machen kann.

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Ravensburg vom 26.11.2018, Az.: 7 O 3/18 KfH, wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Das vorliegende Urteil und das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Ravensburg sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des jeweiligen Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

A.

Der Kläger verlangt die Feststellung, dass der Widerruf seiner Bestellung zum GeschäftsführerBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Bestellung zum Geschäftsführer
Geschäftsführer
der beklagten Z. GmbH durch Aufsichtsratsbeschluss vom 12.5.2016 unwirksam ist, die Beklagte fordert widerklagend die Feststellung der Beendigung des Geschäftsführeramts an diesem Tag.

I.

Die Beklagte ist eine Holdinggesellschaft mit beschränkter Haftung. Sie ist an Gesellschaften beteiligt, die sich vorrangig auf dem Gebiet des Baumaschinenvertriebs, des Apparate- und Behälterbaus sowie der Vermietung von Gegenständen für Miet- und Projektlösungen betätigen. Mit rund 7.800 Mitarbeitern wurde im Geschäftsjahr 2015 ein Umsatz von mehr als 2,3 Mrd. Euro erwirtschaftet. Die Beklagte unterhält einen obligatorischen, paritätisch mitbestimmten Aufsichtsrat. Gesellschafter der Beklagten sind mit einem Geschäftsanteil von 96,25 % die L. Z. GmbH und mit einem Geschäftsanteil von 3,75 % die Stadt F. ; die Gesellschafterrechte der Stadt werden durch deren unselbständige Z. -Stiftung wahrgenommen. Gesellschafter der L. Z. GmbH sind mit einem Geschäftsanteil von 10 % die Beklagte und mit einem Geschäftsanteil von 90 % die Stadt F. . Der Kläger war seit 1997 für die Beklagte tätig, zunächst als Leiter der Konzern-Rechtsabteilung. Seit 1.1.2008 war er einer von mehreren Geschäftsführern. Er war für die Ressorts Personal, Recht und Compliance zuständig und als Arbeitsdirektor tätig. Mit Beschluss vom 6.3.2015 verlängerte der Aufsichtsrat die Bestellung des Klägers bis zum 31.12.2020.

Im Juli 2015 kam es zu Meinungsdifferenzen zwischen dem Kläger und dem Aufsichtsratsvorsitzenden der Beklagten, A. B. , dem Oberbürgermeister der Stadt F. . Dabei ging es um die Behandlung eines Vertrags über die Beratung des Aufsichtsratsvorsitzenden durch M. B. , die zum 1.7.2015 auch Leiterin „Kommunikation“ der Stadt F. und der Z. -Stiftung wurde. Es existiert ein auf den 9.5.2016 datierender schriftlicher Beschluss der Gesellschafter der Beklagten, in dem dem Kläger der Entzug des Vertrauens ausgesprochen wird (siehe Anlage B12). In einer Sitzung vom 12.5.2016 beschloss der Aufsichtsrat u.a., die Bestellung des Klägers zum Geschäftsführer zu widerrufen (siehe die Niederschrift der Sitzung des Aufsichtsrats, Anlage B13). Der Kläger hielt die Abberufung für unwirksam. Nach Verhandlungen, die schon im April 2016 begonnen hatten, schlossen die Parteien eine Aufhebungsvereinbarung vom 27./29.5.2016 (siehe Anlage K10/B4). In der Präambel heißt es bezogen auf den Kläger u.a.: „Sein Geschäftsführeramt endete am 12.5.2016. Mit der vorliegenden Aufhebungsvereinbarung regeln die Parteien die Abwicklung und Beendigung des Anstellungsverhältnisses […]“. Im Übrigen wird wegen der tatsächlichen Feststellungen sowie des Vorbringens und der Antragstellung der Parteien im ersten Rechtszug auf das angegriffene Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO).

II.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und der Widerklage stattgegeben. Die Klage sei zulässig, aber unbegründet. Der Aufsichtsratsbeschluss über den Widerruf der Bestellung am 12.5.2016 sei nicht aus formellen Gründen unwirksam. Eine Unwirksamkeit des Beschlusses folge auch nicht daraus, dass der Widerruf offenbar ohne sachlichen Grund erfolgt sei. Die Gesellschafterversammlung der Beklagten habe am 9.5.2016 einen wirksamen Beschluss gefasst, wonach dem Kläger als Geschäftsführer der Beklagten das Vertrauen entzogen worden sei. Jedenfalls mit der Aufnahme von Verhandlungen zwischen dem Kläger und der Beklagten über die Beendigung des Amtes und des Geschäftsführeranstellungsvertrags sei eine schwerwiegende Störung des Vertrauensverhältnisses eingetreten, die dem zuständigen Organ überlassen müsse, dem Geschäftsführer das Vertrauen zu entziehen. Die Widerklage sei zulässig und begründet. Das Geschäftsführeramt des Klägers habe am 12.5.2016 geendet. Selbst bei Unwirksamkeit des Bestellungswiderrufs vom 12.5.2016 wäre die Organstellung jedenfalls aufgrund der Aufhebungsvereinbarung vom 27.5./29.5.2016 beendet. Im Einzelnen wird auf die Entscheidungsgründe des Landgerichtsurteils verwiesen.

III.

Der Kläger verfolgt mit der Berufung seine erstinstanzlichen Anträge weiter. Das Landgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass der Gesellschafterbeschluss über die Entziehung des Vertrauens am 9.5.2016 gefasst worden sei und bei dem Widerrufsbeschluss vom 12.5.2016 bereits vorgelegen habe. Einen Vertrauensentzug durch die L. Z. GmbH habe es nie gegeben. Den beiden Geschäftsführern jener Gesellschaft sei der vom Oberbürgermeister B. vorformulierte Beschluss über den „Vertrauensentzug“ lediglich zur Unterzeichnung vorgelegt worden, ohne dass diese sich inhaltlich damit befasst hätten, geschweige denn Gedanken über die Gründe und die Berechtigung eines „Vertrauensentzugs“ gemacht hätten. Der Gesellschafterbeschluss vom 9.5.2016 sei aus formellen Gründen nichtig. Das Landgericht habe außerdem die sachliche Berechtigung dieses Beschlusses anhand ungeeigneter Kriterien und damit rechtsfehlerhaft beurteilt. Die Widerklage sei unbegründet. Das Geschäftsführeramt sei weder durch den Aufsichtsratsbeschluss vom 12.5.2016 noch durch die Aufhebungsvereinbarung vom 27.5./ 29.5.2016 beendet worden. Die Vereinbarung betreffe nur das Anstellungsverhältnis. Die bereits erfolgte Amtsbeendigung habe die „Vertragsgrundlage“ der Aufhebungsvereinbarung gebildet und sei nicht erneut Vertragsinhalt gewesen. Der Kläger habe stets in Abrede gestellt, dass der Bestellungswiderruf zu Recht erfolgt sei.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Ravensburg vom 26.11.2018, Az.: 7 O 3/18 KfH, wie folgt zu erkennen:

1. Es wird festgestellt, dass der Widerruf der Bestellung des Klägers als Geschäftsführer der Beklagten durch Beschluss des Aufsichtsrates der Beklagten vom 12.5.2016 unwirksam ist.

2. Die Widerklage wird abgewiesen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte tritt der Berufung entgegen. Die Berufung sei unzulässig, soweit sie sich gegen die Klageabweisung richte, und im Übrigen unbegründet.

Wegen der Einzelheiten des Berufungsvorbringens beider Seiten wird auf die Berufungsschriftsätze verwiesen.

B.

I.

Die Berufung ist zulässig. Die gegen die Zulässigkeit gerichteten Angriffe der Beklagten haben keinen Erfolg. Die (geringen) Anforderungen an die Berufungsbegründung gemäß § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO sind gewahrt.

II.

Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das Landgericht hat die Feststellungsklage des Klägers mit Recht abgewiesen und auch der Widerklage der Beklagten zutreffend stattgegeben.

1. Feststellungsklage

Die Feststellungsklage des Klägers ist bereits unzulässig, jedenfalls aber unbegründet.

a) Die Unzulässigkeit ergibt sich daraus, dass ein Feststellungsinteresse gemäß § 256 Abs. 1 ZPO nicht besteht.

aa) Ein rechtliches Interesse an einer alsbaldigen Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses ist nur gegeben, wenn dem Recht oder der Rechtslage des Klägers eine gegenwärtige Gefahr der Unsicherheit droht und wenn das erstrebte Urteil geeignet ist, diese Gefahr zu beseitigen (vgl. BGH NJW 2015, 873 Rn. 29; siehe auch BeckOK ZPO/Bacher, 34. Ed. 1.9.2019, § 256 Rn. 17).

bb) Danach fehlt hier das Feststellungsinteresse. Der Kläger beruft sich darauf, dass er mit der Feststellung der Unwirksamkeit des Widerrufsbeschlusses vom 12.5.2016 bis zum ordnungsgemäßen Ablauf seiner Bestellung zum GeschäftsführerBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Bestellung zum Geschäftsführer
Geschäftsführer
am 31.12.2020 wieder Mitglied der Geschäftsführung der Beklagten sei (vgl. zur Gestaltungswirkung einer Feststellung MüKoAktG/Spindler, 5. Aufl. 2019, § 84 Rn. 146b; siehe auch § 84 Abs. 3 Satz 4 AktG). Die zwischen den Parteien abgeschlossene Aufhebungsvereinbarung vom 27./29.5.2016 ist aber dahin auszulegen, dass die Parteien sich auf eine dauerhafte Beendigung des Geschäftsführeramts des Klägers zum 12.5.2016 geeinigt haben und der Kläger insoweit keine Rechte mehr geltend machen kann. Daher kommt es nicht mehr darauf an, ob der Widerrufsbeschluss vom 12.5.2016 unwirksam ist.

(1) Aufhebungsverträge sind wie andere Verträge nach §§ 133, 157 BGB auszulegen. Zunächst ist vom Wortlaut der Vereinbarung auszugehen. Neben dem Wortlaut sind die Begleitumstände, die Entstehungsgeschichte und der Zweck des Aufhebungsvertrages bzw. seiner Regelungen, die bestehende Interessenlage, Treu und Glauben sowie die Verkehrssitte zu berücksichtigen (vgl. Ehrich in: Weber/Ehrich/Burmester/Fröhlich, Handbuch der arbeitsrechtlichen Aufhebungsverträge, 5. Aufl. 2009, Teil 2 Inhalt und Auslegung von Aufhebungsverträgen, Rn. 1; siehe ferner BAG NZA-RR 2006, 582 Rn. 27; LAG Rheinland-Pfalz Urt. v. 25.11.2013 – 5 Sa 330/13 –, BeckRS 2014, 66092; zur Auslegung eines Vergleichs jurisPK-BGB/Bork, 8. Aufl. 2017, § 779 Rn. 8; BeckOK BGB/R. Fischer, 51. Ed. 1.8.2018, § 779 Rn. 30 f.; Palandt/Sprau, BGB, 78. Aufl. 2019, § 779 Rn. 12). In einem Aufhebungsvertrag wollen die Parteien in der Regel das Arbeitsverhältnis abschließend bereinigen und alle Ansprüche erledigen, gleichgültig, ob sie an diese dachten oder nicht (vgl. BAG NZA 2004, 554, 555; NZA 2004, 1097, 1098).

(2) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist die Aufhebungsvereinbarung vom 27./ 29.5.2016 in einer Gesamtschau aller Umstände dahin auszulegen, dass der Kläger keine Rechte bezüglich seiner Geschäftsführerstellung mehr geltend machen kann. Dies ergibt sich aus dem Wortlaut und dem Zweck der getroffenen Regelungen, insbesondere aus Nr. 18 der Aufhebungsvereinbarung.

Zwar heißt es in der Präambel, dass die Parteien mit der Aufhebungsvereinbarung die Abwicklung und Beendigung des Anstellungsverhältnisses regeln. Von der organschaftlichen Bestellung ist der schuldrechtliche Anstellungsvertrag des Geschäftsführungsmitglieds zu unterscheiden. Er regelt den genauen Umfang seiner Leistungspflichten sowie die Gegenleistung der Gesellschaft. Trotz der dogmatischen Trennung stehen Bestellung und Anstellung jedoch in einem engen tatsächlichen und rechtlichen Zusammenhang (vgl. Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, 4. Aufl. 2019, § 84 Rn. 7). Wird nach § 84 Abs. 3 Satz 1 AktG die Bestellung zum Vorstands- bzw. Geschäftsführungsmitglieds widerrufen, so hat dies zwangsläufig Wirkungen für den Anstellungsvertrag. Ohne die Organstellung hat der Anstellungsvertrag seine eigentliche Bedeutung verloren. Umgekehrt ist auch die Organstellung ohne Anstellungsvertrag nicht sinnvoll. Deshalb schließt eine fristlose Kündigung des Anstellungsvertrages im Zweifel den Widerruf der Bestellung ein und umgekehrt (vgl. MüKoAktG/Spindler, 5. Aufl. 2019, § 84 Rn. 163).

Vor diesem Hintergrund sprechen bereits die weiteren Regelungen in der Präambel dafür, dass es bei der Beendigung des Geschäftsführeramts zum 12.5.2016 bleiben sollte. Die Beendigung des Geschäftsführeramts am 12.5.2016 wird im ersten Absatz ausdrücklich festgehalten. Zwar entspricht dies zunächst nur der Regelung des § 84 Abs. 3 Satz 4 AktG, die vorliegend gemäß § 31 Abs. 1 MitBestG anwendbar ist. Anschließend folgt in der Präambel aber der bereits angesprochene Satz über die Abwicklung und Beendigung des Anstellungsverhältnisses. Damit sind beide Elemente der Geschäftsführertätigkeit des Klägers für die Beklagte im Sinne einer Beendigung angesprochen. Da eine Organstellung ohne Anstellungsvertrag – wie ausgeführt – nicht sinnvoll ist, spricht dies dafür, dass die Beziehungen zwischen den Parteien umfassend beendet werden sollten. Dies wird durch den zweiten Absatz der Präambel bestätigt. Danach sollte der Kläger weitere Ämter, die er im Interesse der Beklagten übernommen hat, niederlegen (vgl. dazu den Klägervortrag Bl. 44 mit Anl. K9; siehe zur auch Auslegung von Abfindungsvergleichen BAG NZA 2000, 1097, 1101; BeckOGK/J. F. Hoffmann, 1.9.2019, § 779 BGB Rn. 75; MüKoBGB/Habersack, 7. Aufl. 2017, § 779 Rn. 49). Eine entsprechende Pflicht aus dem Anstellungsvertrag steht dieser Auslegung nicht entgegen.

Der Wille der Parteien, ihre rechtlichen Beziehungen insgesamt dauerhaft zu beenden, wird durch die auf die Präambel folgenden Regelungen der Aufhebungsvereinbarung in verschiedener Weise bestätigt. Entsprechend der Präambel wurde das Dienstverhältnis zwischen den Parteien einvernehmlich zum 31.12.2016 beendet (siehe Nr. 1) und der Kläger gleichzeitig bis zur Beendigung des Dienstverhältnisses unwiderruflich freigestellt (siehe Nr. 2). Für den Verlust seines Arbeitsplatzes wurde zugunsten des Klägers eine Abfindung von 1,6 Mio. Euro vereinbart (siehe Nr. 3). Arbeitsplatz geht über den Anstellungsvertrag hinaus und umfasst als Oberbegriff auch die Organstellung. Mit der laufenden Vergütung aus dem endenden Anstellungsverhältnis sollte die Tätigkeit des Klägers in allen Ämtern, die er als Vertreter der Beklagten oder verbundener Unternehmen wahrgenommen hat, abgegolten sein (siehe Nr. 5). Ferner sollte die bestehende D…-Versicherung (nur) bis zum vereinbarten Beendigungszeitpunkt aufrechterhalten bleiben (siehe Nr. 10). Auch die Regelungen über ein auszustellendes Endzeugnis (Nr. 11) und über Rückgabeverpflichtungen des Klägers (siehe Nr. 13) bestätigen den abschließenden Charakter der Aufhebungsvereinbarung vom 27./29.5.2016 und beziehen sich nicht nur auf den Anstellungsvertrag, sondern auf das Rechtsverhältnis insgesamt.

Die umfassende Beendigungswirkung der Aufhebungsvereinbarung kommt darüber hinaus in der Erledigungsklausel unter Nr. 18 zum Ausdruck, die in der Senatsverhandlung vom 29.10.2019 ausdrücklich erörtert wurde. Dort ist einleitend geregelt: „Mit Abschluss und der Erfüllung der vorliegenden Vereinbarung sind sämtliche Ansprüche und Rechte der Parteien aus oder im Zusammenhang mit dem Anstellungsverhältnis sowie dessen Beendigung abgegolten und erledigt, soweit ein Verzicht hierauf rechtlich zulässig ist.“ Davon ist auch das Recht des Klägers umfasst, sich gegen den Widerruf seiner Geschäftsführerbestellung mit dem Aufsichtsratsbeschluss vom 12.5.2016 zu wenden. Denn es handelt sich dabei um ein Recht, das in Zusammenhang mit dem Anstellungsverhältnis bzw. dessen Beendigung steht. Unter die Ausnahmen, die bei Nr. 18 ausdrücklich aufgeführt sind (vor allem Ansprüche aus betrieblicher Altersvorsorge, siehe dazu näher Nr. 14 der Aufhebungsvereinbarung), fällt dieses Recht nicht.

Der Kläger hält dieser Auslegung ohne Erfolg entgegen, in einem Entwurf der Aufhebungsvereinbarung von Anfang April 2016, der von dem vom Kläger eingeschalteten Rechtsanwalt Dr. R. stammte, habe die Präambel noch ausdrücklich die folgenden Regelungen enthalten: „Der Geschäftsführer soll nunmehr einvernehmlich aus den Diensten des Unternehmens Ausscheiden. Der Geschäftsführer wird hierzu mit Wirkung zum Zeitpunkt der Unterzeichnung dieses Vertrages sein Amt als Geschäftsführer niederlegenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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Geschäftsführer niederlegen
.“ Der Kläger macht geltend, aus dem Fehlen dieser Regelungen in der Aufhebungsvereinbarung vom 27./29.5.2016 sei zu schließen, dass bezüglich des Geschäftsführeramts nichts vereinbart werden sollte. Dieser Schluss ist jedoch unzulässig. Denn zwischenzeitlich war der Widerrufsbeschluss vom 12.5.2016 ergangen. Ende Mai 2016 bestand daher keine Notwendigkeit mehr, zusätzlich noch eine Niederlegung des Geschäftsführeramts zu regeln. Außerdem wird die Beendigung des Geschäftsführeramts in der Präambel nun – wie bereits erwähnt – als feststehend aufgeführt. Ein geheimer Vorbehalt des Klägers, den Widerrufsbeschluss vom 12.5.2016 später anfechten zu wollen, ist im Übrigen gemäß § 116 Satz 1 BGB unbeachtlich.

(3) Die vorstehende Auslegung der Aufhebungsvereinbarung vom 27./29.5.2016 knüpft an den Wortlaut des Vertrags und die Begleitumstände an und gilt unabhängig davon, ob die dauerhafte Beendigung der Organstellung ausdrücklich Thema der Verhandlungen zwischen den Parteien war – was der Kläger bestreitet – und ob der Kläger seine Abberufung als ungerecht und den behaupteten Vertrauensentzug als ungerechtfertigt bzw. vorgeschoben bewertet hat. Einer Beweisaufnahme zu dem entsprechenden Parteivortrag bedarf es daher nicht (siehe das Klägervorbringen mit Beweisantritt RA Dr. R. Bl. 43 f., 83 f., ergänzend die Erklärung von Dr. R. vom 17.5.2018, Bl. 98 f.). Ob eine Vereinbarung über die dauerhafte Beendigung des Geschäftsführeramts auch in getroffenen Absprachen über die interne und externe Kommunikation des Ausscheidens des Klägers liegt (vgl. Bl. 24 f., 44), der Kläger mit seiner Klage rechtsmissbräuchliche Ziele verfolgt (vgl. Bl. 27 f., 45 f.) oder hinsichtlich der vom Kläger verfolgten Rechte zwischenzeitlich Verwirkung eingetreten ist (vgl. Bl. 37, 53 f.), kann offenbleiben.

b) Im Übrigen ist die Feststellungsklage auch unbegründet. Aus den vorgenannten Gründen steht dem Kläger nach dem Abschluss der Abfindungsvereinbarung vom 27./29.5.2016 nicht mehr das Recht zu, sich auf eine Unwirksamkeit des Widerrufsbeschlusses des Aufsichtsrats vom 12.5.2016 berufen. Auf die vom Kläger geltend gemachten Unwirksamkeitsgründe kommt es daher nicht an.

2. Die Widerklage hingegen ist zulässig und begründet.

a) Die Widerklage stellt keine bloße Negation der vom Kläger erhobenen Feststellungsklage dar, was zur Unzulässigkeit führen könnte (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 32. Aufl. 2018, § 256 Rn. 7d). Die Feststellungsklage bezieht sich nur auf die Frage der Unwirksamkeit des Widerrufsbeschlusses vom 12.5.2016, während die Widerklage die Frage der Beendigung des Geschäftsführeramts zum 12.5.2016 betrifft, bei der es nicht zwingend auf die Unwirksamkeit des Widerrufsbeschlusses ankommt (siehe oben).

b) Die Widerklage ist auch begründet. Das Landgericht hat mit Recht festgestellt, dass das Geschäftsführeramt des Klägers bei der Beklagten am 12.5.2016 geendet hat. Dies folgt wie ausgeführt aus dem Aufsichtsratsbeschluss vom 12.5.2016 (vgl. § 84 Abs.3 Satz 4 AktG, § 31 Abs. 1 MitbestG) in Verbindung mit der Aufhebungsvereinbarung vom 27./29.5.2016.

VI.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 10, § 711 Satz 1 und 2, § 709 Satz 2 ZPO. Es ist kein Grund gegeben, gemäß § 543 Abs. 2 ZPO die Revision zuzulassen. Das Urteil beruht auf einer Würdigung des vorliegenden Einzelfalls.

Löffler I www.K1.de I www.gesellschaftsrechtskanzlei.com I Gesellschaftsrecht I Feststellungsinteresse I Erfurt I Thüringen I Sachsen I Sachsen-Anhalt I Hessen I Deutschland 2022

Schlagworte: Abberufung, Feststellungsinteresse

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OLG Stuttart, Beschluss vom 11.03.2019 – 8 W 49/19

Montag, 11. März 2019

Notvorstand Genossenschaft

§ 3 Nr 1 Buchst a RPflG, § 3 Nr 2 RPflG, § 17 Nr 2 RPflG, § 85 AktG, § 29 BGB, § 58 FamFG, § 69 FamFG, § 375 Nr 3 FamFG

Die Notvorstandsbestellung für eine Genossenschaft ist gem. § 17 Nr. 2 RpflG dem Richter vorbehalten. Eine Bestellung durch den Rechtspfleger ist unwirksam und im Beschwerdeverfahren ohne inhaltliche Prüfung aufzuheben.

Tenor

1. Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss der Rechtspflegerin des Amtsgerichts Stuttgart – Abt. für freiwillige Gerichtsbarkeit – vom 20.12.2018, Az. GnR 211, aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Entscheidung an das Amtsgericht – Richter der Abteilung für freiwillige Gerichtsbarkeit – Stuttgart zurückverwiesen.

2. Gerichtskosten im Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben. Außergerichtliche Auslagen werden nicht erstattet.

Gründe

I.

Der Antragsteller erstrebt die gerichtliche Bestellung eines Notvorstands für die im Rubrum genannte Genossenschaft.Randnummer2

Diese ist im Genossenschaftsregister zu Nummer 211 eingetragen. Gemäß § 18 Abs. 1 der Satzung in der aktuell gültigen Fassung besteht der Vorstand der Genossenschaft aus mindestens drei Mitgliedern. Zur Vertretung nach außen berechtigt sind gemäß § 15 Abs. 1 der Satzung zwei Vorstandsmitglieder oder ein Vorstandsmitglied zusammen mit einem Prokuristen.Randnummer3

Mit der Antragsschrift hat die durch den Vorsitzenden des Aufsichtsrats vertretene Genossenschaft dargelegt, dass das einzige hauptamtliche Vorstandsmitglied das Amt niedergelegt habe. Die beiden verbliebenen – nebenamtlichen – Vorstandsmitglieder seien wegen ihrer anderen beruflichen Aufgaben nicht in der Lage, die Genossenschaft zu führen. Beantragt wurde die Bestellung des Prokuristen … …, zu der dieser sein Einverständnis erklärt hat.Randnummer4

Das Amtsgericht hat mit Beschluss der Rechtspflegerin vom 20.12.2018 den Antrag zurückgewiesen und sich zur Begründung auf den Standpunkt gestellt, die Rechtspflegerzuständigkeit sei gegeben, da § 29 BGB analog anzuwenden sei. In der Sache seien die Voraussetzungen für eine Notvorstandsbestellung (Dringlichkeit) nicht gegeben, da eine reguläre Nachbestellung (§ 18 Abs. 2 Satz 2 der Satzung) möglich sei.Randnummer5

Gegen diesen am 03.01.2019 zugestellten Beschluss wendet sich die am bei dem Amtsgericht eingegangene Beschwerde des Antragstellers, mit der zum einen die – fehlende – funktionelle Zuständigkeit der Rechtspflegerin gerügt wird. Zudem sei die Einberufung einer Generalversammlung zur Neubestellung des fehlenden Vorstandsmitgliedes unpraktikabel und kostenaufwändig. Bei der vom Amtsgericht zugrunde gelegten Sichtweise dürfe es im Grunde genommen überhaupt keine Notvorstandsbestellungen geben, da eine reguläre Neubestellung immer möglich sei.Randnummer6

Das Amtsgericht hat – durch Beschluss der Rechtspflegerin – dem Rechtsmittel nicht abgeholfen und die Akten dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt. Vor dem Senat bestand Gelegenheit zu schriftsätzlicher Stellungnahme.

II.

Die Beschwerde gegen die zurückweisende Entscheidung ist statthaft (§ 58 FamFG) und wurde form- und fristgerecht eingelegt. Sie ist auch im Übrigen zulässig und führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung, weil der Beschluss von der funktionell unzuständigen Rechtspflegerin erlassen wurde.

1.

Die Notvorstandsbestellung ist im Genossenschaftsgesetz nicht geregelt. Einigkeit besteht im Ausgangspunkt darüber, dass es sich insoweit um eine Regelungslücke handelt, die durch analoge Anwendung einer der in Betracht kommenden Vorschriften (der vereinsrechtliche § 29 BGB einerseits, bzw. der aktienrechtliche § 85 AktG) geschlossen werden muss.Randnummer9

Dabei führt die Anwendung von § 29 BGB über § 3 Nr. 1 lit. a) RpflG zur funktionellen Rechtspflegerzuständigkeit, während für Notvorstandsbestellungen nach § 85 AktG über die Normenkette §§ 3 Nr. 2, 17 Nr. 2 RpflG, 375 Nr. 3 FamFG der Richter zuständig ist. Nichts Anderes kann bei einer analogen Anwendung dieser Vorschrift gelten.Randnummer10

Hiervon ausgehend, finden sich in der Rechtsprechung vereinzelte Stellungnahmen (durchweg obiter dicta), während die gesellschafts- bzw. registerrechtliche Literatur sich zwar positioniert, ohne aber näher auszuführen, auf welchem rechtlichen Fundament die eine bzw. die andere Vorschrift für analogiefähig gehalten wird.

a)

Das Amtsgericht hat sich für die Annahme der Rechtspflegerzuständigkeit auf den Beschluss des Bundegerichtshofs vom 26.10.1955 (VI ZR 90/54; obiter dictum in Rdz. 51 des juris-Dokuments) gestützt.Randnummer12

Der Beschluss des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 07.10.1980 (BReg. 1 Z 24/80) erklärt zum einen § 29 BGB auch nur obiter dictum für analog anwendbar, zum anderen betrifft die Entscheidung die Notgeschäftsführerbestellung bei einer GmbH.

b)

In der Literatur sprechen sich z.B. Beuthien, Genossenschaftsgesetz, 6. Aufl., Rdnr. 6 zu § 36 (betreffend den Aufsichtsrat einer Genossenschaft), Krafka/Kühn, Registerrecht, 10. Aufl., Rdnr. 1898, oder Ellenberger, in: Palandt, BGB, 78. Aufl., Rdnr. 1 zu § 29, ebenfalls für die analoge Anwendung von § 29 BGB aus.Randnummer14

Andere BGB-Kommentatoren votieren pauschal für die analoge Anwendbarkeit von § 29 BGB auf alle Körperschaften des Privatrechts, soweit keine Sondervorschriften bestehen (so etwa Otto, in: juris-PK BGB, 8. Aufl., Rdnr. 2 zu § 29 oder Weick, in: Staudinger, BGB (2005), Rdnr. 3 zu § 29).

c)

Für eine analoge Anwendung von § 85 AktG plädieren etwa Gätsch, in: Beck’sches Hdb. der Genossenschaft, § 5, Rdnr. 108, Müller, GenG-Kommentar (1996), Rdnr. 3d zu § 36 (betreffend den Aufsichtsrat), Fandrich, in: Pöhlmann/Fandrich/Bloehs, Genossenschaftsgesetz, 4. Aufl., Rdnr. 10 zu § 40. Letzterer Kommentator ist der Antragstellervertreter in dieser Sache.Randnummer16

Auch die Amtsgerichte Mannheim, Stuttgart und Ulm haben – in den antragstellerseits vorgelegten Entscheidungen (Anl. zum Schriftsatz vom 14.12.2018) – durch den Richter entschieden, wobei es sich jeweils um genossenschaftsrechtliche Notaufsichtsratsbestellungen handelte und sich bei Entscheidung durch den Richter wegen § 8 Abs. 1 RpflG Zweifel an der Wirksamkeit der Entscheidung nicht ergeben, wie auch immer die zugrundeliegende Rechtsfrage beurteilt wird.

d)

Sonderfälle sind Geibel, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl., Rdnr. 6 zu § 24 GenG, aber auch Keßler, in: Berliner Kommentar zum Genossenschaftsgesetz, 3. Aufl., Rdnr. 11 zu § 9, die eine analoge Anwendung beider in Betracht kommender Vorschriften vertreten.Randnummer18

Das genossenschaftsrechtliche Standardwerk Lang/Weidmüller/Holthaus/Lehnhoff hält in seiner 38. Aufl. einerseits für den Notvorstand § 29 BGB für analog anwendbar (ebda. Rdnr. 19 zu § 24), andererseits für den Notaufsichtsrat § 85 AktG (ebda., Rdnr. 21 zu § 36).

2.

Vor dem Hintergrund der o. g. gespaltenen Zuständigkeit führt zunächst einmal ein analoges Heranziehen beider Vorschriften – wie etwa von Geibel, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, a. soeben a.O., vertreten – zu keinem klaren Rechtsanwendungsbefehl für den Rechtsanwender.Randnummer20

Engt man die zu klärende rechtliche Frage somit darauf ein, ob § 29 BGB oder § 85 AktG analog anzuwenden ist, so teilt der Senat die Einschätzung der Beschwerde, dass die besseren Argumente für die Heranziehung der aktienrechtlichen Vorschrift sprechen.

a)

Angesichts der strukturellen Ähnlichkeit von Aktiengesellschaft und Genossenschaft (es handelt sich u. a. jeweils um körperschaftlich organisierte Verbände mit zudem ganz ähnlicher – dreistufiger: Versammlung, Vorstand, Aufsichtsrat – Organstruktur) ist § 85 AktG die speziellere und sachnähere Vorschrift.

b)

Weiterhin ist darauf zu verweisen, dass § 85 AktG erst mit Wirkung ab 1966 in das Aktiengesetz eingefügt wurde, so dass der BGH in der Entscheidung von 1955 keinen Anlass und keine Möglichkeit hatte, sich mit diesem Paragraphen zu befassen, zumal die Vorgängerschrift von 1937 ohnehin eng an § 29 BGB angelehnt war (Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, 3. Aufl., Rdnr. 2 zu § 85, dort Fn. 2) und sich somit die Frage wegen Regelungsparallelität nicht in derselben Schärfe stellte wie jetzt.Randnummer23

Dass bei Regelungslücken im Genossenschaftsrecht durchaus Aktienrecht analog zur Anwendung kommen kann, ergibt sich dabei sogar bereits aus dem Leitsatz der Entscheidung von 1955, der für die Prüfung der Nichtigkeit einer genossenschaftlichen Beschlussfassung § 195 Nr. 1 AktG analog heranzieht.Randnummer24

Bei dieser Sachlage liegt somit nahe, jedenfalls heute nicht mehr auf § 29 BGB zu rekurrieren, sondern auf den – wie gesagt spezielleren – § 85 AktG.

3.

Die nach § 8 Abs. 4 Satz 1 RpflG somit unwirksame Entscheidung der Rechtspflegerin (eine Zuweisung durch den Richter gem. § 8 Abs. 4 Satz 2 RpflG ist nicht aktenkundig) ist im Rechtsbehelfsverfahren aufzuheben, ohne dass es auf ihre inhaltliche Richtigkeit ankäme (BGH, Beschl. v. 02.06.2005, IX ZB 287/03). Dass es bei einer unwirksamen Erstentscheidung an einer gesetzlichen Grundlage für ein Rechtsmittelverfahren fehlt (so BGH, a.a.O., Rdz. 7 im juris-Dokument), gilt im Anwendungsbereich von § 69 FamFG gleichermaßen.

III.

Der Ausspruch zu den Kosten hat seine Grundlage in § 81 Abs. 1 FamFG. Eine Geschäftswertfestsetzung war nicht veranlasst. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 70 FamFG) lagen nicht vor.

Schlagworte: Genossenschaft, Notvorstandsbestellung

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OLG Stuttgart, Urteil vom 07.03.2019 – 14 U 26/16

Donnerstag, 7. März 2019

§ 60 HGB, § 138 BGB, § 242 BGB, § 826 BGB, Art. 12 Abs. 1 GG, § 46 Nr. 8 GmbHG I Wettbewerbsverbot Minderheitsgesellschafter

1. Auch ein umfassendes gesellschaftsvertragliches Konkurrenzverbot für einen Minderheitsgesellschafter unterliegt einer Abwägung mit der grundgesetzlich geschützten Berufsausübungsfreiheit. Es ist jedenfalls dann unwirksam, wenn der Minderheitsgesellschafter sein Anstellungsverhältnis als leitender Mitarbeiter der Gesellschaft vor Ablauf der für das Gesellschaftsverhältnis satzungsrechtlich vorgesehenen Kündigungsfrist wirksam beendet hat und eine fortbestehende Gefahr der „Aushöhlung“ der Gesellschaft nicht feststellbar ist.

2. Für einen Schadensersatzanspruch nach den Grundsätzen der sog. „Geschäftschancenlehre“ bei Planungsleistungen für öffentliche Auftraggeber bedarf es besonderer Darlegungen, um die behaupteten Folgeprojekte als der Gesellschaft zugeordnet schlüssig annehmen zu können. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Beauftragung (bislang) nur auf einzelne Leistungsphasen beschränkt erfolgte und (Folge-)Aufträge in Anwendung öffentlicher Vergaberegeln zur Erhaltung des Wettbewerbs vergeben wurden.

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 17. Dezember 2015, Az. 11 O 131/15, wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.

3. Dieses Urteil sowie das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 17. Dezember 2015, Az. 11 O 131/15, sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Parteien streiten um Ansprüche im Zusammenhang mit einem gesellschaftsvertraglichen Wettbewerbsverbot und der gesellschafterlichen Treuepflicht.

Die Klägerin, eine 1987 gegründete GmbH mit Sitz in B., betreibt ein Ingenieurbüro für Wasserversorgungs- und -entsorgungsanlagen, Kläranlagen, Statik, Wasser-, Straßen- und Wegebau sowie ähnliche Ingenieurleistungen und die Vornahme aller damit zusammenhängenden Nebentätigkeiten. Die Beklagten sind Ingenieure. Sie waren bei der Klägerin seit 1988 (Beklagter Ziff. 2) bzw. 2004 (Beklagter Ziff. 1) angestellt, dort zuletzt als Teamleiter tätig und besaßen Prokura. Beide halten Geschäftsanteile an der Klägerin, der Beklagte Ziff. 2 seit 2001 und der Beklagte Ziff. 1 seit 2011. Der Beklagte Ziff. 2 ist mit 26 % am Stammkapital der Klägerin beteiligt, der Beklagte Ziff. 1 mit 13 %. Die übrigen 61 % hält der Geschäftsführer der Klägerin.

Der Gesellschaftsvertrag der Klägerin (Anlage K1) enthält u. a. folgende Bestimmungen:

§ 5 Gesellschafterbeschlüsse

[…]
(3) Beschlüsse der Gesellschafter kommen mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen zustande, soweit nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt oder vorgeschrieben ist. […]

§ 7 Konkurrenzverbot

Kein Gesellschafter darf während seiner Zugehörigkeit zur Gesellschaft mittelbar oder unmittelbar, gelegentlich oder gewerbsmäßig, unter eigenem oder fremdem Namen, für eigene oder fremde Rechnung der Gesellschaft Konkurrenz machen oder sich an einem Konkurrenzunternehmen beteiligen.

Befreiungen vom Konkurrenzverbot können nur mit Zustimmung von mehr als 75 % aller vorhandenen Stimmen erteilt werden.

§ 9 Kündigung

(1) Jeder Gesellschafter kann das Gesellschaftsverhältnis unter Einhaltung einer Frist von 9 Monaten zum Schluß eines jeden Geschäftsjahres kündigen.

(3) Der Kündigende scheidet nach Ablauf der Kündigungsfrist aus der Gesellschaft aus.

(4) Besteht zwischen dem Kündigenden und der Gesellschaft ein Dienstverhältnis, bewirkt die Kündigung des Gesellschaftsverhältnisses eine Kündigung des Dienstverhältnisses auf den gleichen Stichtag.

§ 10 Ausschluß

(1) Wenn ein Gesellschafter seine Gesellschafterpflichten verletzt oder in seiner Person ein wichtiger Grund eintritt, der den übrigen Gesellschaftern die Fortführung der Gesellschaft nicht zumutbar erscheinen läßt, kann er durch Beschluß der Gesellschafterversammlung aus der Gesellschaft ausgeschlossen werden.

(2) Als wichtiger Grund im Sinne des Abs. (1) gilt insbesondere […] der Umstand, dass ein Gesellschafter […] nicht mehr für die Gesellschaft tätig ist.

§ 13 Folgen des Ausscheidens

(1) Vom Tag des Ausscheidens an ruhen sämtliche Rechte aus dem Geschäftsanteil des ausgeschiedenen Gesellschafters.

(2) Die Gesellschafterversammlung kann in allen Fällen des Ausscheidens eines Gesellschafters entweder die Einziehung seines Geschäftsanteils oder seine Abtretung an eine von ihr zu benennende Person beschließen. […]

(3) Der ausgeschiedene Gesellschafter wird nach den Bestimmungen des § 14 dieser Satzung abgefunden.

[…]

§ 21 Schlußbestimmungen

Sollten einzelne Bestimmungen dieses Vertrages unwirksam sein oder werden, wird dadurch die Gültigkeit des übrigen Vertragsinhalts nicht berührt. Der Vertrag ist im Wege des Gesellschafterbeschlusses so zu ändern oder zu ergänzen, daß der angestrebte wirtschaftliche und vertragliche Zweck erreicht wird.

Mit Schreiben vom 7. November 2014 kündigten die Beklagten ihre Arbeitsverhältnisse gegenüber der Klägerin ordentlich zum 31. Dezember 2014.

Am 17. November 2014 gründeten die Ehefrauen der Beklagten die R. GmbH (im Folgenden: R.-GmbH) mit Sitz in B.. Gegenstand der R.-GmbH ist der Betrieb eines Ingenieurbüros für die Planung und Überwachung von Bauvorhaben jeder Art, insbesondere im Bereich des Straßenbaus, der Kanalsysteme, der Wasserversorgung, des Wasserbaus und der Abwassereinrichtungen.

Ab Ende November 2014 teilten verschiedene Gemeinden der Klägerin mit, zukünftig ganz oder teilweise statt mit der Klägerin mit den Beklagten bzw. der R.-GmbH zusammenarbeiten zu wollen (Anlagen K6–8).

Mit Schreiben vom 16. Dezember 2014 kündigten die Beklagten ihre Gesellschaftsverhältnisse mit der Klägerin ordentlich zum 31. Dezember 2015. Am 2. Januar 2015 versandten sie an Kunden der Klägerin eine E-Mail, wonach sie die Arbeit im „neuen Büro“ bei der R.-GmbH begonnen hätten (GA 5). Jedenfalls seit Beendigung ihrer Arbeitsverhältnisse mit der Klägerin sind beide Beklagte für die R.-GmbH tätig. Am 13. Januar 2015 wurden sie als (weitere) einzelvertretungsberechtigte Geschäftsführer im Handelsregister eingetragen. Außer den Beklagten wechselten vier weitere Mitarbeiter der Klägerin zur R.-GmbH.

Die Klägerin hat in 1. Instanz die Beklagten auf Unterlassung jeglicher geschäftlicher Tätigkeit im Geschäftsbereich der Klägerin – hilfsweise von Geschäftsabschlüssen mit Kunden der Klägerin – bis zu ihrem Ausscheiden als Gesellschafter in Anspruch genommen. Ferner hat sie Auskunft verlangt über die von den Beklagten seit 7. November 2014 für sich bzw. die R.-GmbH abgeschlossenen Geschäfte und begehrt hieraus einen noch zu beziffernden Schadensersatz. Die Berechtigung ihrer Begehren folge aus dem vertraglich vereinbarten Konkurrenzverbot, ergebe sich aber auch aus dem Gesetz und infolge Verstoßes gegen die gesellschafterliche Treuepflicht. Die Beklagten sind demgegenüber der Auffassung, keinem Wettbewerbsverbot zu unterliegen.

Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes in 1. Instanz, der dort gestellten Anträge sowie der Feststellungen des Landgerichts wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO).

Das Landgericht hat die Klage insgesamt abgewiesen. Der Klägerin stehe ein Unterlassungsanspruch weder gemäß ihres Haupt- noch ihres Hilfsantrags zu. Die Beklagten unterlägen seit Beendigung ihrer Arbeitsverhältnisse zum 31. Dezember 2014 keinem gesetzlichen oder vertraglichen Wettbewerbsverbot mehr. § 60 HGB gelte nur für die Dauer des Anstellungsverhältnisses und das in § 7 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrages geregelte Wettbewerbsverbot sei gemäß § 138 BGB i. V. m. Art. 12 Abs. 1 GG nichtig, da es nach Ort, Zeit und Gegenstand über die schützenswerten Interessen der Klägerin hinausgehe und die Beklagten übermäßig beschränke. Die Beklagten seien nur noch formell an der Klägerin beteiligt und mit dieser bis zum Wirksamwerden ihrer Austrittsentscheidungen allein vermögensrechtlich verbunden. Auch aus einer Verletzung der gesellschafterlichen Treuepflicht ließen sich die geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung jeglicher Konkurrenz- bzw. Geschäftstätigkeit nicht herleiten. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung und verfolgt ihr Begehren unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens im Wesentlichen weiter. Zwar habe sich ihr Unterlassungsbegehren nunmehr mit Ablauf der Kündigungsfrist der Gesellschaftsverhältnisse der Beklagten zum 31. Dezember 2015 in der Hauptsache erledigt. Seine Berechtigung für die Zeit bis zum Austritt der Gesellschafter folge gleichwohl aus dem nach höchstrichterlicher Rechtsprechung wirksamen vertraglichen Wettbewerbsverbot. Angesichts des Gewinnbezugs- und Abfindungsanspruchs aus der Gesellschafterstellung sei das gesellschaftsvertragliche Wettbewerbsverbot der Beklagten auch nicht ersatzlos. Unterlassungsansprüche gegen die Beklagten ergäben sich zudem aus der Verletzung der gesellschafterlichen Treuepflicht. Aus ihr folge auch das Verbot, Geschäftschancen der Gesellschaft nicht zu deren Schaden auf eigene Rechnung zu nutzen. Die Beklagten hätten für Kunden der Klägerin Projekte durchgeführt, bei denen die Klägerin bereits Vorarbeiten oder Planungshilfe geleistet hätte und die ohne das Tätigwerden der Beklagten an sie vergeben worden wären. Ihr sei es deshalb vielfach nicht mehr möglich gewesen, die Leistungen abzurechnen. Zudem lägen die Voraussetzungen des § 1004 i. V. m. § 826 BGB vor. Die Beklagten hätten bereits während ihrer Tätigkeit bei der Klägerin den Übergang zur R.-GmbH vorbereitet und Wettbewerbstätigkeit entfaltet. Gegenüber einem Mitarbeiter hätten sie geäußert, der Klägerin das Leben so schwer zu machen, dass alle Arbeitsplätze verloren gingen, und einen „Kampf bis zur völligen Vernichtung“ angedroht. Die Beklagten hätten überdies Insiderkenntnisse und Geschäftsgeheimnisse mißbraucht, indem sie Excel-Tabellen und Leistungsverzeichnisse der Klägerin bei ihrer Tätigkeit für die R.-GmbH verwendeten.

Die Klägerin beantragt zuletzt,

unter Abänderung des am 17.12.2015 verkündeten Urteils des Landgerichts Stuttgart, Az.: 11 O 131/15, wie folgt zu erkennen:

1. Es wird festgestellt, dass der Rechtsstreit in der Hauptsache im Haupt- und Hilfsantrag erledigt ist.

2. Die Beklagten werden verurteilt, Auskunft darüber zu erteilen, für welche Geschäfte auf den Gebieten der Wasserversorgungs- und Abwasserentsorgungsanlagen, Kläranlagen, Statik, des Wasser-, Straßen- und Wegebaus sowie aller damit zusammenhängenden Nebentätigkeiten der Kunden, welche zum 31.12.2014 bereits konkret der Klägerin zugeordnet waren, sie für sich selbst und/oder für die R. S. GmbH beginnend ab dem 01.01.2015 beauftragt wurden, welche Leistungen die Beklagten hierfür erbracht haben, die schriftlichen Bestellungen darüber vorzulegen und die erteilten Auskünfte eidesstattlich zu versichern.

Hilfsweise:

Die Beklagten werden verurteilt, Auskunft zu nachfolgend aufgeführten Projekten der Klägerin (aufgelistet in K 21)

1. „…“ für die Gemeinde F.
2. „…“ für die Gemeinde W.
3. „…“ für die Gemeinde M.
4. „…“ für die Gemeinde M.
5. „…“ für die Gemeinde V.
6. „…“ für die Gemeinde F.
7. „…“ für die Gemeinde K.
8. „…“ für die Gemeinde A.
9. „…“ für die Gemeinde M.
10. „…“ für die Gemeinde M.
11. „…“ für die Gemeinde M.
12. „…“ für die Gemeinde M.
13. „…“ für die G. L.
14. „…“ für die G.L.
15. „…“ für die G.L.
16. „…“ für die Gemeinde B.
17. „…“ für die Stadt T.
18. „…“ für die Stadt T.
19. „…“ für die Stadt T.
20. „…“ für den D.
21. „…“ für die Gemeinde U.
22. „…“ für die Gemeinde V.
23. „…“ für die Stadt B.
24. „…“ für die G.L.
25. „…“ für die Stadt E.
26. „…“ für die Stadt F.
27. „…“ für die Gemeinde V.

dahingehend zu erteilen, welche Tätigkeiten diese für sich selbst und/oder für die R. S. GmbH im Zusammenhang mit den vorbenannten Projekten der Klägerin wahrgenommen haben, deren Beauftragung nachzuweisen, und die erteilten Auskünfte eidesstattlich zu versichern.

3. Die Beklagten werden verurteilt, den nach Auskunftserteilung gemäß dem Antrag zu Ziffer 2 noch zu beziffernden Schadensersatz an die Klägerin zu bezahlen.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagten verteidigen das Urteil des Landgerichts und wiederholen im Wesentlichen ihr erstinstanzliches Vorbringen. So sei in den streitgegenständlichen Beziehungen zwischen den Parteien die Gesellschafterstellung nur ein unbedeutendes Anhängsel der dienstvertraglichen Beziehungen gewesen. Alle schützenswerten Interessen der Klägerin, die ein Wettbewerbsverbot rechtfertigen könnten, bestünden lediglich auf der dienstvertraglichen Ebene. Über ihre Gesellschafterstellung verfügten die Beklagten hingegen über keinerlei Einflussmöglichkeit auf die Entscheidungen der Klägerin. Durch das Auseinanderfallen der Kündigungsfristen zwischen Arbeits- und Gesellschaftsverhältnis seien Regelungen zugunsten der Klägerin vereinbart worden, die in einem reinen Anstellungsverhältnis ohne Weiteres unzulässig wären.

Soweit sich die Klägerin auf die Verletzung gesellschafterlicher Treuepflichten stütze, widerspreche dem, dass die Klägerin den Beklagten einerseits untersage, Verträge mit Kunden abzuschließen und sie andererseits zum Abschluss solcher Verträge als Subunternehmer veranlasse. Außerdem habe die Klägerin auch mit ihrem Hilfsantrag nicht den Abschluss einzelner, schon konkretisierter Tätigkeiten verhindern, sondern den Beklagten Geschäfte mit ihren Kunden untersagen wollen. Das Wissen, das die Beklagten aus ihrem jeweiligen Arbeitsverhältnis erwarben, dürften sie arbeitsrechtlich verwerten.

Für die weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Vorbringen der Parteien in der mündlichen Verhandlung vom 11. Januar 2017 und vom 7. März 2019 Bezug genommen.

II.

Die Berufung der Klägerin ist zulässig, insbesondere auch zu der mit der Berufung geltend gemachten Feststellung, dass sich das ursprüngliche Unterlassungsbegehren erledigt habe (vgl. nur BGH, Urteil vom 29. April 1992 – XII ZR 221/90, NJW-RR 1992, 1032, 1033; Zöller/Althammer, ZPO, 32. Aufl., § 91a Rn. 38 mwN).

Sie hat aber in der Sache keinen Erfolg.

Dabei ist die Klage zulässig. Zwar fehlt dem zuletzt als Ziff. 2 gestellten Auskunftsbegehren im Hauptantrag die für § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO erforderliche gegenständliche Konkretisierung (vgl. dazu MünchKommZPO/Becker-Eberhard, 5. Aufl., § 253 Rn. 145). Dieser genügt indes der Antrag in seiner hilfsweisen Fassung.

Im Ergebnis mit Recht hat das Landgericht die Klage aber mangels Begründetheit abgewiesen, so dass auch dem Begehren auf Feststellung der Erledigung in der Berufungsinstanz nicht zu entsprechen war. Der Klägerin steht nach Überzeugung des Senats – soweit nicht ohnehin verjährt – schon kein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagten infolge deren anderweitigen beruflichen Engagements im Zusammenhang mit der R.-GmbH zu. Mangels materiell-rechtlicher Grundlage für den mit der Stufenklage verfolgten Hauptanspruch konnte über die darin verbundenen Anträge deshalb einheitlich entschieden werden (vgl. nur BGH, Urteil vom 4. April 2017 – II ZR 179/16, NJW 2017, 2675 Rn. 23 mwN).

1. § 46 Nr. 8 GmbHG steht den mit der Klage verfolgten Begehren allerdings nicht entgegen. Den Prozess betreibt der geschäftsführende Mehrheitsgesellschafter. Da die Beklagten als betroffene und mitbeteiligte Gesellschafter gemäß § 47 Abs. 4 Satz 2 GmbHG von der Abstimmung ausgeschlossen wären (vgl. BGH, Urteil v. 20. Januar 1986 – II ZR 73/85, NJW 1986, 2051), reduzierte sich eine Beschlussfassung zur überflüssigen Formalität (vgl. dazu BGH, Urteil vom 4. Februar 1991 – II ZR 246/89, ZIP 1991, 582 juris Rn. 9).

2. Mangels eines auf Schadensersatz gerichteten Hauptanspruchs (Klageantrag Ziff. 3) steht der Klägerin auch kein Auskunftsanspruch (Klageantrag Ziff. 2) zu.

a) Ein Auskunftsanspruch ist aus dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben (§ 242 BGB) gegeben, wenn die zwischen den Parteien bestehenden Rechtsbeziehungen es mit sich bringen, dass der Anspruchsberechtigte in entschuldbarer Weise über das Bestehen oder den Umfang seines Rechts im Ungewissen ist und wenn der Verpflichtete in der Lage ist, unschwer die zur Beseitigung dieser Ungewissheit erforderliche Auskunft zu erteilen (BGH, Urteil vom 14. Juni 2016 – II ZR 121/15, ZIP 2016, 1529 Rn. 17 mwN). Soll die begehrte Auskunft zur Vorbereitung vertraglicher Schadensersatzansprüche aus einem Dauerschuldverhältnis dienen, so genügen für das Auskunftsverlangen der begründete Verdacht einer Vertragspflichtverletzung und die Wahrscheinlichkeit eines daraus resultierenden Schadens (st.Rspr., BGH 26. September 2013 – VII ZR 227/12, NJW 2014, 381 Rn. 14; Urteil vom 1. August 2013 – VII ZR 268/11, NJW 2014, 155 Rn. 20).

b) Nach dieser Maßgabe scheidet ein Auskunftsanspruch der Klägerin wegen möglicher Schadensersatzansprüche aus Zuwiderhandlungen gegen ein Verbot der Konkurrenztätigkeit unter jedem rechtlichen Gesichtspunkt aus.

aa) Soweit es sich um mögliche Zuwiderhandlungen handelt, die sich im Zeitraum bis zum 31. Dezember 2014 zugetragen haben, waren daraus folgende Schadensersatzansprüche bei Klageerhebung am 16. April 2015 jedenfalls verjährt.

(1) Unterstellt man, die Beklagten unterfielen der Pflicht nach § 60 HGB, Konkurrenztätigkeiten zu unterlassen, so hätte diese gesetzliche Pflicht zwar für die gesamte rechtliche Dauer des Arbeitsverhältnisses bis hin zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist gegolten (vgl. BAG NZA 2013, 207 Rn. 15), vorliegend demnach bis zum 31. Dezember 2014.

Ferner mögen die von der Klägerin vorgelegten Kundenschreiben der Gemeinde M. vom 20. November 2014 und der Stadt T. vom 9. Dezember 2014 (Anlagen K7, K8) den Verdacht einer hiernach unerlaubten Konkurrenztätigkeit mit Schadensfolge für die Klägerin begründen.

Soweit daraus Schadensersatzansprüche der Klägerin nach § 61 Abs. 1 HGB in Betracht kämen, haben die Beklagten mit Schriftsatz vom 23. Dezember 2016 indes die Einrede der Verjährung erhoben. Diese ist als neues Angriffsmittel in der Berufungsinstanz nach § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO zuzulassen. Ausweislich der Entscheidungsgründe hat das Landgericht Ansprüche aus der Verletzung von § 60 HGB nur für die Zeit nach Beendigung der Arbeitsverhältnisse der Beklagten geprüft (Gründe Ziff. I. 2, S. 8 des Urteils). Für den Zeitraum bis zum Ablauf der Kündigungsfrist am 31. Dezember 2014 hat das Gericht des ersten Rechtszugs solche Ansprüche erkennbar übersehen.

Nach § 61 Abs. 2 HGB verjähren Schadensersatzansprüche in drei Monaten von dem Zeitpunkt an, in welchem der Prinzipal Kenntnis von dem Abschluss des Geschäfts erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen musste. Von den genannten Schreiben dürfte der Geschäftsführer der Klägerin jedenfalls zeitlich vor dem 16. Januar 2015 Kenntnis erlangt haben, so dass mögliche Schadensersatzansprüche in diesem Zusammenhang zum Zeitpunkt der Klageerhebung verjährt waren. Hierauf hat der Senat in der mündlichen Verhandlung vom 11. Januar 2017 (GA 204ff.) die Klägerin hingewiesen. Dem hat die Klägerin nicht widersprochen. Zu anderweitigen Wettbewerbsverstößen aus der Zeit bis zum Ablauf der Kündigungsfrist, von denen sie erst nach dem 16. Januar 2015 Kenntnis erlangt hat, trägt die Klägerin nicht vor.

(2) Von der kurzen Verjährung des § 61 Abs. 2 HGB werden auch die vertraglichen Schadensersatzansprüche wegen Zuwiderhandlungen gegen ein Verbot der Konkurrenztätigkeit erfasst (vgl. jüngst bestätigend BAG NZA 2018, 1425 Rn. 44ff. mwN; zum allgemeinen Rechtsgedanken auch BAG NZA 2001, 94), wie sie infolge des in § 7 des Gesellschaftsvertrages geregelten Konkurrenzverbots grundsätzlich in Betracht kämen.

bb) Soweit es sich um mögliche Zuwiderhandlungen handelt, die sich im Zeitraum vom 1. Januar 2015 bis zu ihrem Ausscheiden als Gesellschafter am 31. Dezember 2015 zugetragen haben, unterlagen die Beklagten sodann keinem Wettbewerbsverbot (mehr). Unter dem Gesichtspunkt der Konkurrenz war es deshalb den Beklagten nicht verboten, im Januar 2015 die Kunden der Klägerin über ihre neue Tätigkeit für die R.-GmbH zu unterrichten und fortan im Geschäftsbereich der Klägerin tätig zu werden.

(1) Für die Zeit nach Beendigung der Arbeitsverhältnisse zwischen der Klägerin und den Beklagten war § 7 des Gesellschaftsvertrages gemäß § 138 BGB i. V. m. Art. 12 Abs. 1 GG unwirksam.

(a) Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung können Wettbewerbsverbote für Gesellschafter einer GmbH ohne Weiteres in der Satzung einer Gesellschaft vereinbart werden. Sie sind jedoch zum einen nur in den von § 1 GWB vorgegebenen Grenzen zulässig. Zum anderen sind gesellschaftsvertragliche Wettbewerbsverbote am Maßstab von Art. 12 GG, § 138 Abs. 1 BGB zu messen, weil sie regelmäßig die grundgesetzlich geschützte Berufsausübungsfreiheit des betroffenen Gesellschafters berühren. Mit Rücksicht auf die insbesondere bei der Auslegung der zivilrechtlichen Generalklauseln zu beachtenden verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen – hier für die freie Berufsausübung – sind gesellschaftsvertragliche Wettbewerbsverbote nur zulässig, wenn sie nach Ort, Zeit und Gegenstand nicht über die schützenswerten Interessen des Begünstigten hinausgehen und den Verpflichteten nicht übermäßig beschränken. Ob ein gesellschaftsvertragliches Wettbewerbsverbot diesen Anforderungen entspricht, ist aufgrund einer Abwägung der beiderseitigen Interessen unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände des Einzelfalls, insbesondere des mit dem Wettbewerbsverbot verfolgten Zwecks, zu beurteilen (BGH, Urteil vom 30. November 2009 – II ZR 208/08, ZIP 2010, 324 juris 13 f. mwN.).

(b) Das grundsätzlich berechtigte Interesse einer Gesellschaft zu verhindern, dass ein Gesellschafter sie von innen her aushöhlt oder gar zerstört und damit einen leistungsfähigen Wettbewerber zugunsten seiner eigenen Konkurrenztätigkeit ausschaltet, vermag – jedenfalls nach dem Ausscheiden der Beklagten als Arbeitnehmer der Klägerin – das in § 7 des Gesellschaftsvertrages enthaltene umfassende und unbeschränkte Konkurrenzverbot für die Beklagten nicht (mehr) zu rechtfertigen.

Zwar handelt es sich dabei grundsätzlich um ein schutzwürdiges Interesse, das auf die gesellschafterliche Treuepflicht zurückgeht, den Gesellschaftszweck loyal zu fördern und Handlungen zu unterlassen, die seine Erreichung behindern könnten (vgl. BGH, Urteil vom 30. November 2009 – II ZR 208/08, ZIP 2010, 324 juris Rn. 16; Urteil vom 23. Juni 2009 – KZR 58/07, ZIP 2009, 2263 juris Rz. 17; Urteil vom 3. Mai 1988 – KZR 17/87, BGHZ 104, 246 juris Rn. 26; Urteil vom 5. Dezember 1983 – II ZR 242/82, BGHZ 89, 162 juris Rn. 17; Bergmann in E/B/J/S, HGB, 3. Aufl., § 112 Rn. 1f. zur OHG). Maßstab für das aus der Gesellschafterstellung folgende Gefahrenpotential für die Interessen der GesellschaftBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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ist deshalb die innere Stellung des Gesellschafters, aufgrund derer ihm die Einflussnahme auf die Geschicke der Gesellschaft möglich ist und die damit zugleich das Maß seiner Treuepflicht bestimmt (vgl. BGH, Urteil vom 5. Dezember 1983 – II ZR 242/82, BGHZ 89, 162 juris Rn. 17 zu § 112 HGB bei einem Gesellschafter aufgrund Mehrheitsbeteiligung). Je nach Umständen des Einzelfalles kann auch ein Minderheitsgesellschafter einen solchen Einfluss auf die Gesellschaft ausüben (vgl. BGH, Urteil vom 23. Juni 2009 – KZR 58/07, ZIP 2009, 2263 juris Rn. 18 nur im Sachverhalt unklar BGH, Urteil vom 30. November 2009 – II ZR 208/08, ZIP 2010, 324). Allein das jedem GmbH-Gesellschafter zustehende Auskunfts- und Einsichtsrecht nach § 51a GmbHG wird für eine maßgebliche Einflussnahme indes nicht genügen, weil dieses bei Missbrauchsgefahr verweigert werden kann (vgl. Roth/Altmeppen, GmbHG, 9. Aufl., § 13 Rn. 50). Im Schrifttum wird ferner ein vertragliches Wettbewerbsverbot für einen Minderheitsgesellschafter dann als zulässig erachtet, wenn es sich um eine personalistisch strukturierte GmbH handelt, die sich insbesondere durch die persönliche Mitarbeit und Zusammenarbeit der Gesellschafter auszeichnet (vgl. dazu ausführlich etwa Lieder in Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt, GmbHG, 2. Aufl., § 13 Rn. 227ff., 236).

(c) Nach diesen Maßstäben, von denen die Rechtsprechung entgegen der Auffassung der Klägerin nicht erkennbar abgerückt ist, bestand in der Zeit nach Beendigung der Arbeitsverhältnisse mit den Beklagten keine Gefahr mehr, dass diese die Gesellschaft von innen aushöhlen und infolge ihrer verbleibenden Gesellschafterstellung ihrer wirtschaftlichen Existenzgrundlage berauben könnten.

Die Beklagten verfügten weder einzeln noch gemeinsam über eine Mehrheitsbeteiligung noch über Sonderrechte, aufgrund derer ihnen ein maßgeblicher Einfluss auf die Geschäftsführung zukam. Die Satzung enthält auch keine Klauseln, aufgrund derer eine einstimmige Beschlussfassung notwendig ist, so dass den Beklagten eine Blockade strategisch wichtiger Unternehmensentscheidungen nicht möglich war. Zwar zeichnete sich die Gesellschaft während des Bestehens der Arbeitsverhältnisse mit den Beklagten insoweit personalistisch geprägt aus, als damit sämtliche Gesellschafter für den Gesellschaftszweck im Verbund tätig wurden, diesen also aktiv beförderten. Mit dem Ende ihrer Tätigkeit als Arbeitnehmer in leitender Position zum 31. Dezember 2014 entfielen jedoch fortan eben diese Umstände, die – unter dem Aspekt der personalistischen Struktur der Klägerin – bis dahin die Gefahr einer inneren Aushöhlung der Klägerin begründen konnten. Die Stellung der Beklagten reduzierte sich nunmehr auf das vermögensrechtliche Innehaben der Gesellschaftsbeteiligung, die sich – wie dargestellt – in Anbetracht ihres Umfangs für die Entscheidungsfindung innerhalb der Gesellschaft ohne tragenden Einfluss erwies.

Dass die Kündigung der Arbeitsverhältnisse vor Ablauf der Kündigungsfrist der Gesellschaftsverhältnisse auf einer freien Entscheidung der Beklagten beruhte, gebietet keine abweichende Bewertung. Unerheblich ist auch, dass § 7 Satz 2 des Gesellschaftsvertrages die Möglichkeit einer Befreiung vorsieht (vgl. ausführlich OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG München
NZG 2011, 65 juris Rn. 28).

(d) Auch ein Interesse der Klägerin am Schutz vor einer illoyalen Verwertung der Erfolge der gemeinsamen Arbeit vermag das in § 7 der Satzung enthaltene Konkurrenzverbot nicht zu rechtfertigen.

Zwar ähnelt die vorliegende Konstellation, in der die Beklagten nach Beendigung ihrer Arbeitsverhältnisse weiterhin Gesellschafter der Klägerin blieben, derjenigen eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots. Bei den Beklagten handelt es sich auch um Gesellschafter, die als vormalig leitende Angestellte während ihrer Tätigkeit besonderes Wissen um die Klägerin und ihre Geschäftstätigkeit erworben haben (vgl. dazu Lieder in Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt, GmbHG, 3. Aufl., § 13 Rn. 246). Mit der Berufsausübungsfreiheit ist ein Nachvertragliches WettbewerbsverbotBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Nachvertragliches Wettbewerbsverbot
Wettbewerbsverbot
indes nur dann vereinbar und nicht gemäß § 138 BGB Sittenwidrig, wenn und soweit es notwendig ist, um einen Vertragspartner vor einer illoyalen Verwertung der Erfolge seiner Arbeit durch den anderen Vertragspartner zu schützen. Es darf in räumlicher, gegenständlicher und zeitlicher Hinsicht das hierfür notwendige Maß nicht überschreiten (st.Rspr., BGH, Urteil vom 20. Januar 2015 – II ZR 369/13, ZIP 2015, 472 Rn. 8 mwN).

Über die schutzwürdigen Interessen der Klägerin geht das in § 7 enthaltene Verbot der Konkurrenztätigkeit aber schon deshalb hinaus, weil es ein umfassendes WettbewerbsverbotBitte wählen Sie ein Schlagwort:
umfassendes Wettbewerbsverbot
Wettbewerbsverbot
vorsieht. Ein solches lässt sich, da der Kunden- bzw. Mandantenstamm regelmäßig durch eine Kundenschutzklausel hinreichend geschützt werden kann, nur unter engen Voraussetzungen durch ein nachvollziehbares Interesse am Schutz von Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen rechtfertigen (vgl. Goette, DStR 1997, 2038; MünchKommGmbHG/Merkt, 3. Aufl., § 13 Rn. 240.; vgl. auch BGH, Urteil vom 8. Mai 2000 – II ZR 308/98, NJW 2000, 2584 juris Rn. 14). Die Gefahr einer – zwischen den Parteien streitigen – unerlaubten Verwendung einer Excel-Tabelle der Klägerin zur Durchführung von Ablöseberechnungen oder von Leistungsverzeichnissen genügt dafür nicht. Andere Gründe sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Allein die Beklagten durch ein umfassendes Tätigkeitsverbot als Wettbewerber schlicht auszuschalten, stellt kein berechtigtes Interesse dar (vgl. BGH, Urteil vom 26. März 1984 – II ZR 229/83, ZIP 1984, 954 juris Rn. 15).

(e) § 7 des Gesellschaftsvertrages lässt sich auch nicht als (zulässige) Kundenschutzklausel aufrechterhalten.

Zwar kann ein die zeitlichen Schranken übersteigendes Wettbewerbsverbot auf das noch zulässige Maß zurückgeführt werden (st.Rspr., BGH, Urteil vom 20. Januar 2015 – II ZR 369/13, ZIP 2015, 472 Rn. 14 mwN). Eine solche geltungserhaltende Reduktion ist jedoch dann nicht möglich, wenn die Sittenwidrigkeit – wie hier – auf anderen Gründen beruht. Zum einen überschritte die dann erforderliche rechtsgestaltende Einwirkung den den Gerichten eingeräumten Gestaltungsspielraum. Zum anderen widerspräche es dem mit § 138 BGB verfolgten Zweck, den Betroffenen das Risiko zuzuweisen, dass eine zwischen ihnen getroffene Vereinbarung Sittenwidrig und nichtig ist (vgl. BGH, Urteil vom 14. Juli 1997 – II ZR 238/96, NJW 1997, 3089 juris Rn. 9 mwN.; MünchKommGmbbHG/Merkt, 3. Aufl., § 13 Rn. 246f.; krit. Lieder in Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt, GmbHG, 3. Aufl., § 13 Rn. 255). Anderes ergibt sich vorliegend auch nicht aus § 21 Satz 2 der Satzung. Danach ist der Gesellschaftsvertrag, wenn eine Bestimmung unwirksam ist oder wird, im Wege des Gesellschafterbeschlusses so zu ändern oder zu ergänzen ist, dass der angestrebte wirtschaftliche und vertragliche Zweck erreicht wird. Zum einen hat sich die Klägerin auf einen solchen Beschluss nicht berufen. Zum anderen widerspräche es gleichermaßen dem Zweck des § 138 BGB, wenn im Ergebnis der Mehrheitsgesellschafter ein nach § 138 BGB unwirksames Wettbewerbsverbot zu seinen Gunsten einseitig auf das zulässige Maß begrenzen könnte (vgl. auch Gitter, NZG 2010, 165, 169).

(2) Für die Zeit nach Beendigung ihrer Arbeitsverhältnisse mit der Klägerin unterlagen die Beklagten auch keinem aus der gesellschafterlichen Treuepflicht abgeleiteten Wettbewerbsverbot.

Ein umfassendes WettbewerbsverbotBitte wählen Sie ein Schlagwort:
umfassendes Wettbewerbsverbot
Wettbewerbsverbot
scheidet dabei aus denselben Gründen aus, die zur Unwirksamkeit des statutarischen Wettbewerbsverbots führen. Gleiches gilt für ein auf Kunden der Klägerin beschränktes Wettbewerbsverbot. Zwar kann eine statutarische Kunden- bzw. Mandantenschutzklausel gegenüber einem Minderheitsgesellschafter für die Zeit nach dessen Ausscheiden als Geschäftsführer oder – wie hier – als leitender Angestellter durch das Interesse der Gesellschaft am Schutz vor einer illoyalen Verwertung der Erfolge der gemeinsamen Arbeit gerechtfertigt sein (vgl. BGH, Urteil vom 16. Oktober 1989 – II ZR 2/89, NJW-RR 1990, 226 juris Rn. 7). Ein solches Verbot folgt allerdings nicht schon aus der allgemeinen Treuepflicht des Gesellschafters.

c) Der Senat vermag auch nicht festzustellen, dass der Klägerin Schadensersatzansprüche wegen Verstoßes gegen das Verbot, einzelne Geschäftschancen an sich zu ziehen, dem Grunde nach zustehen.

aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs folgt für einen Geschäftsführer aus seiner Treuepflicht gegenüber der Gesellschaft, dass es ihm ohne ausdrückliche Erlaubnis nicht gestattet ist, im Geschäftszweig der Gesellschaft Geschäfte für eigene Rechnung zu tätigen oder tätigen zu lassen oder den Vollzug bereits von der Gesellschaft abgeschlossener Verträge durch Abwicklung auf eigene Rechnung oder in sonstiger Weise zu beeinträchtigen oder zu vereiteln (BGH, Urteil vom 4. Dezember 2012 – II ZR 159/10, NJW-RR 2013, 363 juris Rn. 21 mwN). Auch ein nicht geschäftsführender Gesellschafter soll selbst dann, wenn er keinem Wettbewerbsverbot unterliegt, wegen der ihm als Gesellschafter obliegenden Treuepflicht keine Geschäfte an sich ziehen dürfen, die in den Geschäftsbereich der Gesellschaft fallen und dieser aufgrund bestimmter konkreter Umstände bereits zugeordnet sind (so BGH, Urteil vom 8. Mai 1989 – II ZR 229/88, NJW 1989, 2687 juris Rn. 9 zum Kommanditisten). Da Ausgangspunkt der im Fall eines Schadens bestehenden Ersatzpflicht die Verletzung der gesellschafterlichen Treuepflicht ist, werden vom Anwendungsbereich der sog. „Geschäftschancenlehre“ grundsätzlich alle Gesellschafter einer GmbH erfasst (vgl. MünchKommGmbHG/Merkt, 3. Aufl., § 13 Rn. 279 Lieder in Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt, GmbHG, 3. Aufl., § 13 Rn. 215 BeckOK/Wilhelmi, GmbHG, § 13 Rn. 202; Pentz in Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, 6. Aufl., § 13 Rn. 91; Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 19. Aufl., § 14 Rn. 35; Scholz/Seibt, GmbHG, 12. Aufl., § 14 Rn. 114). Die sog. „Geschäftschancenlehre“ steht als eigenständiges Rechtsinstitut neben einem Wettbewerbsverbot und ist hiervon unabhängig (vgl. BGH, Urteil vom 4. Dezember 2012 – II ZR 159/10, NJW-RR 2013, 363 Rn. 20; MünchKommGmbHG/Merkt, 3. Aufl., § 13 Rn. 279; undifferenziert OLGR Karlsruhe 2006, 306) und kann in zeitlicher Hinsicht infolge nachwirkender Treuepflicht auch nach dem Ausscheiden aus der Gesellschaft in Betracht kommen (vgl. etwa BGH, Urteil vom 11. Oktober 1976 – II ZR 104/75, NJW 1977, 247).

Wann ein Geschäft, das in den Geschäftsbereich der Gesellschaft fällt, dieser in der Weise zugeordnet ist, dass das Ansichziehen als treuwidrig erschiene, lässt sich nicht allgemein, sondern nur anhand des konkreten Einzelfalls bestimmen (BGH, Urteil vom 4. Dezember 2012 – II ZR 159/10, NJW-RR 2013, 363 Rn. 21 mwN). Eine Geschäftschance der Gesellschaft soll etwa vorliegen, wenn diese den Vertrag bereits geschlossen oder jedenfalls soweit vorbereitet hat, dass der endgültige Vertragsschluss nur noch eine Formsache ist (BGH, Urteil vom 16. März 2017 – IX ZR 253/15, BGHZ 214, 220) oder wenn die Gesellschaft als erste mit dem Geschäft in Berührung gekommen und der Geschäftsführer auf Seiten der Gesellschaft in Vertragsverhandlungen über ein bestimmtes Geschäft eingetreten ist, wobei unerheblich ist, ob er von der Geschäftschance nur privat Kenntnis erlangt hat (BGH, Urteil v. 4. Dezember 2012 – II ZR 159/10, NJW-RR 2013, 363 Rn. 26f. mwN). Von Bedeutung kann auch sein, ob dem Betroffenen die Geschäftschance gerade mit Rücksicht auf seine Stellung in der Gesellschaft angetragen worden ist (vgl. BGH, Urteil vom 8. Mai 1967 – II ZR 126/65, MDR 1967, 820 juris Rn. 10ff. zum Angebot über den Erwerb eines Grundstücks). Gleiches soll gelten, wenn der Gesellschafter erst über seine Mitgliedschaft von diesem Angebot erfahren hat und weiß, dass sie von der Gesellschaft genutzt werden soll, wohingegen eine Geschäftschance etwa ausscheidet, wenn der Vertragspartner mit der Gesellschaft keinen Vertrag schließen will (vgl. zum Ganzen Lieder in Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt, GmbHG, 3. Aufl., § 13 Rz. 217) oder die verbleibenden Gesellschafter eine Freigabe für das konkrete Geschäft erteilen (vgl. dazu Scholz/Schneider, GmbHG, 12. Aufl, § 43 Rn. 210; Fleischer NZG 2003, 985, 989).

Das Verbot, Geschäftschancen an sich zu ziehen, umfasst schließlich zugleich das Verbot, diese auf nahestehende Personen oder eine andere Gesellschaft umzuleiten, die durch den Gesellschafter beherrscht wird oder bei der er (künftig) als Geschäftsführer tätig wird (vgl. Ziemons in Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt, GmbHG, 3. Aufl., § 43 Rn. 266).

bb) Vorliegend ist ferner zu beachten, dass der Bundesgerichtshof die Grundsätze der sog. „Geschäftschancenlehre“ zu Einzelgeschäften entwickelt hat, etwa dem Erwerb eines Grundstücks oder dem Erwerb eines Patents (vgl. etwa BGH, Urteil vom 4. Dezember 2012 – II ZR 159/10; Urteil vom 8. Mai 1989 – II ZR 229/88; Urteil vom 23. September 1985 – II ZR 257/84; Urteil vom 10. Februar 1977 – II ZR 79/75; Urteil vom 8. Mai 1967 – II ZR 126/65; Urteil vom 23. September 1985 – II ZR 246/84).

Die vorliegende Fallkonstellation unterscheidet sich insoweit, als es nicht um einen einzelnen Kauf- oder Werkvertrag geht, sondern um ganze Bauprojekte, von denen die Klägerin meint, dass sie ihr bereits zugeordnet gewesen seien. Im Rahmen dieser Projekte sind verschiedene Ingenieurleistungen in der Regel nach verschiedenen Leistungsphasen (§ 43 HOAI) zu erbringen und nach der HOAI zu vergüten. Dabei kann grundsätzlich jede Leistungsphase gesondert beauftragt werden. Ohne besondere Umstände besteht selbst bei mündlicher Beauftragung keine Vermutung für einen Gesamtauftrag (vgl. BGH, Urteil vom 4. Oktober 1979 – VII ZR 319/78, NJW 1980, 122 juris Rn. 13). Resultierend aus dem Interesse vor allem öffentlicher Auftraggeber, sich etwa wegen Planungs- oder Finanzierungsunsicherheiten möglichst unproblematisch vorzeitig vom Planer trennen zu können, gehört eine stufenweise Beauftragung im Planungsbereich mittlerweile gar zur gängigen Praxis (vgl. Pause, Die stufenweise Beauftragung nach der Reform des Bauvertragsrechts, ZfBR 2018, 211; zu den vielfältigen Motiven etwa bei Stemmer, Auswirkungen stufenweiser Auftragserteilung auf die Vergütung von Architekten-, Ingenieur- und Projektsteuerungsleistungen, in: Geschäftsbericht des BayrKommPrüfungsverbandes 1992, 136, 137), bei der regelmäßig für jede Leistungsphase oder für mehrere zusammengefasst ein neuer Auftrag erteilt wird (vgl. Blomeyer/Budiner, Architektenrecht, 3. Aufl., „Stufenweise Auftragserteilung“). Bei einem Bauprojekt geht es deshalb bei stufenweiser Beauftragung, wie sie die Klägerin bei einer Vielzahl von Projekten mit ihren ausschließlich öffentlichen Auftraggebern vorträgt, grundsätzlich um mehrere zukünftige Aufträge, die zu vergeben sind. Dies schließt zwar nicht aus, dass bereits zu Beginn eines Projekts ein Auftrag für sämtliche Leistungsphasen nebst Zusatzleistungen an ein Ingenieurbüro erteilt wird oder mit einem Büro ein Stufenvertrag dergestalt geschlossen wird, dasselbe Ingenieurbüro sukzessive mit den verschiedenen Leistungsphasen zu beauftragen. Ein Automatismus dafür besteht indes nicht, so dass jede Leistungsphase und gar Einzelleistungen innerhalb einer Leistungsphase (zur Abrechnung vgl. etwa Theißen in Korbion/Mantscheff/Vygen, HOAI, 9. Aufl., § 43 Rn. 13) auch an ein anderes Ingenieurbüro vergeben werden können. Zwischen den Leistungsphasen können zudem erhebliche zeitliche Zäsuren liegen, etwa weil ein Projekt nicht weiter verfolgt und erst später wieder aufgegriffen wird, was zur Folge haben kann, dass bei Wiederaufnahme auch neue Planungsbüros eingesetzt werden. Dies verdeutlicht, dass während eines Bauprojektes immer wieder eine Wettbewerbssituation mit anderen Ingenieurbüros auftreten kann. In welchem Umfang Aufträge zur Bearbeitung von künftigen Leistungsphasen eines Gesamtprojektes bereits einer Gesellschaft zugeordnet werden können, ist deshalb genau zu prüfen.

Für die Frage, ob der Klägerin die in Anlage K 21 genannten Bauprojekte im Sinne der sog. „Geschäftschancenlehre“ bereits als echte Geschäftschancen zugeordnet waren und es sich nicht nur um bloße Geschäftshoffnungen gehandelt hat, für die sie noch in ebenbürtiger Konkurrenz stand zu anderen Ingenieurbüros, ist daher substantiiert vorzutragen, ob und wie sich eine Geschäftsanbahnung dargestellt hat, inwiefern es bereits Gespräche oder Verhandlungen über zukünftig zu beauftragende Leistungsphasen gegeben hat, woraus sich die konkrete und berechtigte Erwartung ergeben hat, mit den bislang noch nicht beauftragten Leistungen beauftragt zu werden und wieso die Klägerin größere Auftragschancen als sonstige am Wettbewerb teilnehmende Konkurrenten gehabt haben soll. Allein aus der Beauftragung mit den Leistungsphasen 1 bis 3 lässt sich nach dem Vorstehenden nicht auf eine Folgebeauftragung schließen. Für die Zuordnung eines Auftrags im Sinne der Geschäftschancenlehre ist die Klägerin gem. § 286 ZPO darlegungs- und beweispflichtig.

cc) Für die von der Klägerin als übernommen behaupteten Projekte ist zwar unbestritten, dass diese in den Geschäftsbereich der Klägerin fallen. Auch ist der Vortrag, soweit er in der Berufungsinstanz auf der Grundlage der neu gefassten Projektübersicht in Anlage K21 erstmals in das Verfahren eingebracht wurde, als neuer Tatsachenvortrag gem. § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO gleichwohl zuzulassen. Denn das Landgericht hat Ansprüche aus dem Gesichtspunkt der sog. „Geschäftschancenlehre“ dahinstehen lassen (vgl. Zöller/Heßler, ZPO, 32. Aufl., § 531 Rn. 27).

Nach Maßgabe vorstehender Ausführungen gilt im Einzelnen aber Folgendes:

(1) Mit Ausnahme der Projekte Nrn. 10, 11, 17 und 19 (dazu unter (2)) hat die Klägerin für keines der in Anlage K 21 genannten Projekte hinreichenden Vortrag erbracht, der die Annahme einer Zuordnung im Sinne der sog. „Geschäftschancenlehre“ schlüssig trägt. Der Vortrag der Klägerin ist pauschal und unsubstantiiert. Sie trägt zwar jeweils ausführlich vor, welche Leistungen sie für das konkrete Projekt schon erbracht habe, was in der Regel von den Beklagten auch nicht weiter bestritten wird. Schon die konkrete Auftragslage ist aber in vielen Fällen unklar und wird nicht dargestellt, wie im Übrigen Vortrag zur Fortführung von Verhandlungen zu dem konkreten Projekt und einer möglichen Weiterbeauftragung fehlt. Die Klägerin zieht sich vielmehr auf pauschale Behauptungen mit dem beispielhaften Inhalt zurück, man sei bereits mit Leistungsphase 1-3 beauftragt gewesen, woran sich entsprechend „gängiger Praxis“ (GA 232, 243) eine Folgebeauftragung anschließe. Für einen schlüssigen Vortrag müsste die „gängige Praxis“ jeweils dargestellt werden, woran es fehlt. Denn maßgeblich ist die konkrete Geschäftspraxis im Einzelfall. Allein die Befassung mit einem Projekt führt noch nicht zu seiner Zuordnung an den Auftragnehmer und sagt noch nichts darüber aus, an wen die noch ausstehenden Leistungen vergeben werden.

Auch die nicht näher substantiierte Behauptung, die weitere Beauftragung sei nur noch von einem Gemeinderatsbeschluss über die Erschließungsplanung abhängig gewesen („reine Formsache“, GA 243; GA 232), genügt nicht. Sofern sich die Gemeinde nicht bereits vertraglich gebunden hat, steht es ihr grundsätzlich frei, mit weiteren Leistungen auch andere Ingenieurbüros zu beauftragen (vgl. etwa Schreiben der Gemeinde H. vom 15.01.2015, Anlage K 6).

Ferner ist zu berücksichtigen, dass öffentliche Auftraggeber, um die es sich vorliegend handelt, in der Regel Planungsleistungen nach dem Vergaberecht öffentlich ausschreiben oder zumindest mehrere Angebote einholen und sodann den wirtschaftlichsten Anbieter vorziehen. Solche Vergabevorgänge sprechen gegen eine der Klägerin bereits zugeordnete Geschäftschance. Denn damit ist der allgemeine Konkurrenzkampf eröffnet, der einem Auftragsautomatismus widerspricht.

Zu den einzelnen Projekten:

(a) Projekt Nr. 1:

Es fehlt die Darlegung, welcher Auftrag in welchem Umfang erteilt wurde. Ferner erschließt sich nicht, aus welchen objektiven Umständen die Klägerin die weitere Beauftragung – gerade von ihr – erwarten konnte. Am Projekt beteiligt waren unstreitig weitere Planungsbüros (Büro S. K. R.). Zwar mag die Klägerin im November 2014 Projektpläne im Hinblick auf eine mögliche künftige Beauftragung mit den Leistungsphasen 1 bis 7 im Rahmen einer Gemeinderatssitzung vorgestellt haben. Damit befand sie sich aber noch in der Phase der Akquise, die als solche allein noch keine ihr zuzuordnende Vertragschance begründet.

(b) Projekt Nr. 2:

Insoweit gelten die Erwägungen zu Nr. 1. Im Übrigen bedeutet die zeitlich frühere Befassung mit anderweitigen Planungsobjekten dieser Gemeinde keinen Rückschluss auf eine neuerliche Geschäftschance. Diese ist vom (bloßen) Kundenschutz qualitativ zu unterscheiden.

(c) Projekt Nr. 3:

Der Zuordnung einer Geschäftschance betreffend die Leistungsphasen 5 bis 8 bei Bauabschnitt III des Baugebiets „W.“ steht die nach dem Vortrag der Klägerin erfolgte Auftragsvergabe im Wege öffentlicher Ausschreibung, an welcher sich die Klägerin beteiligt hat, entgegen. Woraus sich eine bereits zuvor zuzuordnende Geschäftschance der Klägerin ergeben soll, bleibt unklar. Jahre zurückliegende anderweitige Planungsleistungen für diesen Auftraggeber bieten keine tragfähige Grundlage für die Annahme einer Geschäftschance Ausgang des Jahres 2014. Der Kundenschutz ist erneut von der Geschäftschance zu unterscheiden.

(d) Projekt Nr. 4:

Zu diesem Projekt trägt die Klägerin weder zur Auftragserteilung noch zur weiteren Entwicklung von Vertragsverhandlungen mit dem Auftraggeber vor. Eine Geschäftschance erschließt sich daraus nicht. Dem Verweis auf einen fehlenden Gemeinderatsbeschluss als „Formsache“ fehlt es an einem tragfähigen tatsächlichen Anknüpfungspunkt.

(e) Projekt Nr. 5:

Ob die Beklagten bzw. die R.-GmbH zu diesem Projekt überhaupt Leistungen erbracht haben, ist zwar streitig, kann aber dahingestellt bleiben. Denn erneut nicht schlüssig dargelegt ist die von der Klägerin nur behauptete Geschäftschance, etwa durch Vortrag zu Verhandlungen mit der Auftraggeberin.

(f) Projekt Nr. 6:

Nach dem unwidersprochenen Vortrag der Beklagten erfolgte die Beauftragung der R.-GmbH im Wege der öffentlichen Vergabe, indem die Gemeinde zur Abgabe eines Angebots aufforderte. Dies steht sowohl der Annahme einer Geschäftschance als auch einem „Ansichziehen“ als Nutzen für eigene Rechnung entgegen.

(g) Projekt Nr. 7:

Die Klägerin legt schon nicht schlüssig dar, dass sie außerhalb der von ihr erstellten Variantenberechnung (Anlage K78) mit weiteren Planungsleistungen befasst war. Woraus auf die Zuordnung auch nachfolgender Leistungsphasen geschlossen werden könnte, bleibt unklar. Für eine Zuordnung sorgt im Übrigen auch nicht, dass die Beklagten bei ihren Ausführungsarbeiten auf Planungen der Klägerin – die ihr aber von der Gemeinde übergeben worden waren – zurückgriffen.

(h) Projekt Nr. 8:

Über die pauschale Behauptung einer Zuordnung hinaus bleibt unklar, warum die Klägerin trotz ausdrücklicher Aufforderung durch die Gemeinde kein Angebot für weitere Planungsleistungen abgab. Von einer Zuordnung an die Klägerin lässt sich schon deshalb nicht ausgehen, wie im Übrigen der Zuschlag im allgemeinen Wettbewerb auf Aufforderung durch den Auftraggeber kein Ausnutzen von Geschäftschancen darstellt. Allein die Erbringung früherer Leistungsphasen bedeutet noch keine zugeordnete Vertragsaussicht auf die weiteren Leistungsphasen.Randnummer102

(i) Projekt Nr. 9:

Die bloße Behauptung, „langfristige Leistungen der Leistungsphase 2“ erbracht zu haben, trägt nicht die Annahme einer Geschäftschance für weitere Leistungsphasen. Ob die Klägerin Ende des Jahres 2014 überhaupt im Projekt aktiv war, erscheint ohnehin wegen des Schreibens der Gemeinde M. vom 20. November 2014 (Anlage K7) fraglich.

(j) Projekt Nr. 12:

Eine Beauftragung der Klägerin für die Leistungsphasen 1 und 2 ist streitig. Eine Zuordnung von weiteren Leistungsphasen an die Klägerin scheidet aber schon mangels Darstellung der Einzelheiten zu Auftragsumfang und weiterer Entwicklung der Vertragsbeziehungen aus.

(k) Projekt Nr. 13:

Allein aus der Übernahme von Planungsleistungen in der Vergangenheit für andere Projekte lässt sich nicht auf eine Geschäftschance im vorliegenden Projekt schließen.

(l) Projekt Nr. 14:

Auch hier lässt sich aus der Beauftragung mit früheren Leistungsphasen nicht zwingend auf die Weiterbeauftragung schließen, sondern bedarf besonderer Darlegungen zum Vertragsverhältnis, an denen es fehlt. Dies gilt erst recht wegen des unbestrittenen Vortrags der Beklagten, dass die Stadt L. ihre Aufträge stets abschnittsweise erteilt (vgl. GA 379).

(m) Projekt Nr. 15:

Hierzu gelten in gleicher Weise die Ausführungen zu Projekt Nr. 14.

(n) Projekt Nr. 16:

Zwar trägt die Klägerin vor, bis einschließlich Leistungsphase 8 dieses Projekts von der Gemeinde als Auftraggeberin betraut worden zu sein, was die Beklagten zu Leistungsphase 8 aber bestreiten. Gegen eine vertragliche Bindung der Klägerin spricht schon die von der Klägerin vorgelegte Veröffentlichung, dass die Gemeinde eine gesonderte Beauftragung der R.-GmbH mit der Leistungsphase 8 beschloss (Anlage K 136, S. 3). Die Klägerin trägt nichts zu einer Vertragsbrüchigkeit der Gemeinde vor, so dass unklar bleibt, woraus sie dann gleichwohl die Zuordnung dieser letzten Leistungsphase herleiten will.

(o) Projekt Nr. 18:

Es ist schon aufgrund der zeitlichen Abläufe nicht schlüssig, dass Vorarbeiten durch Photodokumentationen im Jahr 2012 (Anlage K143), die nach Klägervortrag nur der Leistungsphase 1 zuzuordnen seien, eine berechtigte Erwartung auf die Beauftragung mit Leistungen der Phasen 5 bis 8 im Jahr 2015 begründen können, wie ohnehin nichts zur weiteren vertraglichen Entwicklung mit dem Auftraggeber dargelegt wird. Die sog. „Geschäftschancenlehre“ ist nicht mit einem allgemeinen Kundenschutz gleichzustellen.

(p) Projekt Nr. 20:

Hierzu trägt die Klägerin nur vor, dieses Projekt bis zum Jahr 2014 bearbeitet zu haben ohne darzulegen, welche weiteren Leistungsmöglichkeiten ihr entgangen und im Gegenzug von den Beklagten bzw. der R.-GmbH wahrgenommen worden sein sollen. Eigene Leistungen hat die Klägerin nach ihrem Vortrag schon im Jahr 2014 abgerechnet. Aus der von der Klägerin vorgelegten Sitzungsvorlage zur Verbandsversammlung vom 22. Mai 2015 ergibt sich zwar, dass die R.-GmbH beim Umbau von „weiteren 3 Außenstationen“ für den Zweckverband im Jahr 2015 tätig war (Anlage K 151, S. 3f.). Nach dem unbestrittenen Vortrag der Beklagten handelt es sich dabei indes um ein gesondert vom Zweckverband beauftragtes Bauprojekt, bei welchem die Beauftragung der R.-GmbH auf den Wunsch des Zweckverbandes zurückgehe. Der Zweckverband übertrage Planungs- und Überwachungsleistungen auch unterschiedlichen Ingenieurbüros. Tatsächlich ist schon aus der Sitzungsvorlage zu ersehen, dass die Klägerin für das Bauprojekt unter TOP 5 beauftragt war.Randnummer118

(q) Projekt Nr. 21:

Ungeachtet der mangelhaften Darlegung einer begründeten Erwartung, mit den behaupteten Leistungsphasen 1 bis 8 für dieses Projekt beauftragt zu werden, haben die Beklagten substantiiert bestritten, dass die R.-GmbH mit den behaupteten Folgeleistungen je beauftragt wurde. Den Auftrag habe eine Fa. P. erhalten. Das im Mitteilungsblatt der Gemeinde benannte Projekt (Anlage K 155) stehe damit in keinem Zusammenhang (GA 405f.). Dem hat die Klägerin nicht mehr widersprochen. Selbst wenn demnach für die Klägerin eine begründete Auftragsaussicht bestanden hätte, fehlte es am „Ansichziehen“ – der Nutzung für eigene Rechnung (vgl. Ziemons in Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt, GmbHG, 3. Aufl., § 43 Rn. 266) – derselben durch die Beklagten.

(r) Projekt Nr. 22:

Hierzu behauptet die Klägerin pauschal ohne jeden sachlichen Anknüpfungspunkt, ihr sei eine Leistungserbringung durch die Beklagten unmöglich gemacht worden. Welche weitere Beauftragung durch die Gemeinde im Raum stand, wird nicht dargelegt. Der Vortrag der Beklagten, dass die R.-GmbH für dieses Baugebiet schon keinen Auftrag erhalten habe wie im Übrigen die Gemeinde das Projekt schon seit dem Jahr 2013 nicht mehr weiter betreibe, blieb unerwidert. Damit lässt sich weder von einer Aussicht auf eine Beauftragung noch von einem Ansichziehen durch die Beklagten ausgehen.

(s) Projekt Nr. 23:

Aus einer Beschlussfassung der Stadt B. im Jahr 2009 lässt sich schon nicht auf eine konkrete Auftragsvergabe an die Klägerin schließen, die sich überdies noch als „Geschäftschance“ im Jahr 2015 qualifizieren ließe. Mag im Jahr 2009 auch zunächst eine Absicht der Stadt bestanden haben, die Klägerin mit weiteren Aufträgen zu betrauen, so bedarf die Annahme, dass die Klägerin hiervon auch noch im Jahr 2015 berechtigterweise ausgehen konnte, besonderer Umstände. Hierfür legt sie nichts dar. Nach dem Vortrag der Beklagten geht die Beauftragung der R.-GmbH vielmehr auf eine Angebotsaufforderung der Stadt im Mai 2015 zurück. Dem hat die Klägerin nicht widersprochen. Damit lässt sich aber schon keine der Klägerin zuzuordnende Auftragschance (mehr) erkennen. Die Stadt als Auftraggeberin hatte selbst unzweifelhaft mit der Aufforderung an die R.-GmbH hiervon Abstand genommen. Allein der Umstand, dass das zur Umsetzung gelangte Projekt „W.“ Teil des von der Klägerin bis 2009 erstellten Flussgebietsmodells war, bedeutet in Anbetracht der dargestellten Besonderheiten bei der Auftragsvergabe von Planungsleistungen nicht die Übernahme einer „Geschäftschance“ durch die Beklagten.

(t) Projekt Nr. 24:

Die Behauptung der Klägerin, das genannte Projekt „Ausbau des T. in W.“ habe seine weitere Fortsetzung durch die R.-GmbH als Leistungsphasen 4 bis 8 erfahren, haben die Beklagten substantiiert bestritten. An dem Projekt seien überhaupt keine weiteren Arbeiten mehr durchgeführt worden; die R.-GmbH habe dazu jedenfalls keinen Auftrag erhalten. Die R.-GmbH habe im Jahr 2015 von der Stadt lediglich einen hiervon sachlich unabhängigen Auftrag erhalten. Diesem Vortrag hat die Klägerin nichts entgegnet.

(u) Projekt Nr. 25:

Dem substantiierten Vortrag der Beklagten, wonach sich die von der Klägerin hierzu bislang erbrachten Leistungen in der Erstellung einer Studie erschöpften, hat die Klägerin nicht widersprochen. Woraus sich die begründete Erwartung einer weiteren Beauftragung mit Planungs- und Umsetzungsleistungen ergeben soll, erschließt sich nicht. Nach dem unbestrittenen Vortrag der Beklagten erfolgte die Beauftragung der R.-GmbH im Übrigen nach einer Ausschreibung der Auftraggeberin, also im allgemeinen Wettbewerb.

(v) Projekt Nr. 26:

Ungeachtet des fehlenden substantiellen Vortrags zu einer begründeten Auftragserwartung ist nach den unwidersprochenen Angaben der Beklagten von einem Einvernehmen zwischen dem Baubürgermeister der Stadt F. und dem Geschäftsführer der Klägerin auszugehen, dass die R.-GmbH die Leistungsphase 4 sowie Umplanungen bzw. Zweitplanungen zur Leistungsphase 3 übernehmen werde (GA 421f.). Selbst im Fall einer begründeten Auftragserwartung wäre danach von einer schlüssig vorgetragenen Freigabe durch die Klägerin auszugehen.Randnummer130

(w) Projekt Nr. 27:

Ungeachtet des fehlenden substantiellen Vortrags zu einer begründeten Auftragserwartung tragen die Beklagten unwidersprochen vor, dass es eine Beauftragung der R.-GmbH nicht gegeben habe, so dass es an einem „Ansichziehen“ fehlt.

(2) Zu den Projekten Nrn. 10, 11 und 17 räumen die Beklagten zwar ein, dass diese der Klägerin als Geschäftschance zuzuordnen seien. Nach dem unbestrittenen weiteren Vortrag der Beklagten ist aber davon auszugehen, dass die Klägerin bei diesen Projekten ihre vertragliche Geschäftschance wieder aufgegeben, zumindest aber, wie auch zu Projekt Nr. 19, die Freigabe einer Übernahme durch die R.-GmbH bzw. die Beklagten erteilt hat.

So tragen die Beklagten zu den Projekten Nr. 10 und 11 vor, dass sie erst auf ausdrücklichen Wunsch der Gemeinde M. tätig geworden seien. Die Gemeinde M. habe den Beklagten durch die Leiterin des Eigenbetriebs Abwasser mitgeteilt, dass die Klägerin zu Projekt 10 die weiteren Leistungsphasen zurückgegeben habe bzw. sich nicht mehr darum kümmere (GA 369) und zu Projekt 11 vom Vertrag zurückgetreten sei (GA 372). Hierzu hat sich die Klägerin zwar nicht weiter eingelassen. Das von ihr als Anlage K7 vorgelegte Schreiben der Gemeinde M. vom 20. November 2014 stützt indes den Vortrag der Beklagten. Auf dieser Grundlage ist davon auszugehen, dass die zunächst unstreitig vorhandene Geschäftschance der Klägerin in Form umfassender Beauftragung durch die Klägerin selbst wieder aufgegeben wurde, jedenfalls aber eine konkludente Freigabe durch die Klägerin erfolgte. Soweit für die Erteilung einer Freigabe wie bei der Aufhebung eines Wettbewerbsverbotes die Beschlussfassung der Gesellschafter gefordert wird, erübrigte sich diese wegen des Stimmrechtsausschlusses der individuell betroffenen Beklagten gemäß § 47 Abs. 4 Satz 1 GmbHG.

Zu Projekt Nr. 17 tragen die Beklagten näher vor, zwischen der Klägerin und dem Tiefbauamtsleiter der Stadt T. im Jahr 2015 sei es zu einem Einvernehmen gekommen, dass die Klägerin die noch offenen Leistungsphasen zurückgebe und ihre Ausführung sodann von der R.-GmbH übernommen werde (GA 393). Dies bestreitet die Klägerin schon nicht. Der Wunsch der Stadt T. als Auftraggeberin nach einer Freigabe des Projekts ergibt sich im Übrigen schon aus dem von der Klägerin als Anlage K 8 vorgelegten Schreiben der Stadt vom 9. Dezember 2014.

Zu Projekt Nr. 19 ist zwischen den Parteien unstreitig, dass die Klägerin die Leistungsphasen 1 bis 7 erbracht hat. Die Übernahme der Leistungsphase 8 durch die Klägerin ist indes streitig, was aber dahingestellt bleiben kann. Denn die Beklagten berufen sich ferner darauf, dass die Stadt T. auch zu diesem Projekt mit der Klägerin Gespräche geführt habe, ausweislich derer die Stadt der Klägerin mitteilte, das Projekt mit dem Beklagten zu 2 weiterführen zu wollen und zu dürfen (GA 399f.). Dem ist die Klägerin nicht weiter entgegengetreten. Auf ein Einvernehmen mit der Klägerin lässt insoweit die als Anlage K 150 vorgelegte Email des Geschäftsführers der Klägerin vom 7. Dezember 2016 an die Stadt T. schließen, wonach die Klägerin ihre Honorarforderung um die Leistungsphase 8 und die örtliche Bauüberwachung gekürzt habe. Daraus kann zumindest eine Freigabe der weiteren Vertragsausführung durch die Klägerin gefolgert werden.

(3) Auch anderweitig lassen sich keine Abwerbemaßnahmen betreffend einzelner konkreter Projekte oder Aufträge erkennen. Die von der Klägerin vorgelegten Schreiben der Gemeinde M. (Anlage K7), der Stadt T. (Anlage K8) und der Gemeinde H. (Anlage K6) geben nicht zu erkennen, dass die Beklagten selbst in diesem Sinne tätig geworden wären.

(4) Soweit die Klägerin in ihren Ausführungen behauptet, sie habe ihre Leistungen gegenüber ihren Auftraggebern nicht mehr abrechnen können (beispielhaft GA 236), ist dies nicht nachvollziehbar. Wer auf vertraglicher Grundlage leistet, kann regelmäßig auch abrechnen. Dies verdeutlicht etwa die Aufforderung der Stadt T. zur Abrechnung mit Schreiben vom 9. Dezember 2014 (Anlage K8). Bei reinen Akquiseleistungen mag dies anders sein, was aber in das wirtschaftliche Risiko des Leistenden fällt.

d) Ein über das Verbot, einzelne Geschäftschancen an sich zu ziehen, hinausgehendes Wettbewerbsverbot folgt auch nicht aus § 826 BGB. Soweit die Beklagten weder einem vertraglichen noch einem gesetzlichen Wettbewerbsverbot unterlagen, begründete der Abschluss von Geschäften im Geschäftsbereich der Klägerin auch dann keine Ansprüche gemäß § 826 BGB, wenn die Beklagten der Klägerin zuvor einen „Kampf bis zur völligen Vernichtung“ angedroht hätten.

2. Die von der Klägerin mit zuletzt gestelltem Klageantrag Ziff. 1 begehrte Feststellung, dass der Rechtsstreit in der Hauptsache in Haupt- und Hilfsantrag erledigt sei, ist unter Heranziehung der Berufungsschrift (vgl. zur Auslegung von Klageanträgen BGH, Urteil vom 21. Juni 2016 – II ZR 305/14, MDR 2016, 1350 Rn. 12) als auf das in 1. Instanz unter Ziff. 1 geltend gemachte Unterlassungsbegehren bezogen auszulegen.

Dem Antrag ist nicht zu entsprechen, weil es am Eintritt einer Erledigung fehlt. Eine solche setzt voraus, dass die Klage im Zeitpunkt des nach ihrer Zustellung eingetretenen erledigenden Ereignisses zulässig und begründet war und durch das behauptete Ereignis unzulässig oder unbegründet wurde (st.RSpr., BGH, Urteil vom 22. Februar 2018 – IX ZR 83/17, ZIP 2018, 802 Rn. 7 mwN). Das Unterlassungsbegehren der Klägerin war unbegründet. Einen Anspruch auf Unterlassung gegen die Beklagten besaß die Klägerin bei Ablauf der das gesellschaftsrechtliche Mitgliedschaftsverhältnis beendenden Kündigungsfrist zum Zeitpunkt des 31. Dezember 2015 nicht. Zur Begründung sei auf die Ausführungen zu den mit Klageanträgen Ziff. 2 und 3 geltend gemachten Auskunfts- und Schadensersatzansprüchen verwiesen.

3. Der Vortrag der Klägerin mit Schriftsatz vom 15. März 2019 gab keine Veranlassung für eine Wiedereröffnung der Verhandlung.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1, § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO. Die Umstellung des Auskunfts- und Schadensersatzbegehrens von der ursprünglichen Projektliste in 1. Instanz (Anlage K20) zur Projektliste in der Berufungsinstanz (Anlage K21) beinhaltet eine Klagerücknahme hinsichtlich der zuletzt nicht mehr enthaltenen Projekte. Zu dieser haben die Beklagten in der mündlichen Verhandlung vom 7. März 2019 ihr Einverständnis erklärt.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, §§ 711, 709 ZPO. Der Streitwert war mit bis zu 750.000 € festzusetzen, nachdem die Klägerin ihren entgangenen Gewinn zuletzt mit 707.994,00 € bezifferte.

Die Zulassung der Revision war nicht veranlasst. Die maßgeblichen Rechtsfragen sind höchstrichterlich geklärt. Zu entscheiden war allein über ihre Anwendung im Einzelfall.

Löffler I www.K1.de I www.gesellschaftsrechtskanzlei.com I Gesellschaftsrecht I Nachvertragliches Wettbewerbsverbot I Gezielte Behinderung I Erfurt I Thüringen I Sachsen I Sachsen-Anhalt I Hessen I Deutschland 2022

Schlagworte: Abwerbeverbot, Befreiung vom Wettbewerbsverbot, Berufsfreiheit, BGB § 242, BGB § 826, Entbehrlichkeit wegen Förmelei, Förmelei, Geschäftschancenlehre, Gezielte Behinderung, Haftung für Wettbewerbsverstöße, illoyales Ausnutzen, Kundenschutzklausel, Mitbewerber gezielt behindert, nachvertragliches Abwerbeverbot, Nachvertragliches Wettbewerbsverbot, Rechtsfolgen bei Wettbewerbsverstoss, Schadensersatz bei Wettbewerbsverstoss, Treuepflicht, Treuepflicht in der GmbH, Treuepflicht und Stimmrecht, Treuepflicht und Zustimmungspflicht, Treuepflicht unter den Gesellschaftern, Treuepflicht zwischen Gesellschafter und GmbH, unlauterer Wettbewerb, Unterlassungsanspruch bei Wettbewerbsverstoss, UWG § 4 Nr. 4, Verletzung der Treuepflicht, Verstoß gegen die Geschäftschancenlehre, Verstoß gegen Geschäftschancenlehre, Verstoß gegen Wettbewerbsverbot, Vertragliches Wettbewerbsverbot, Wettbewerbsverbot, Wettbewerbsverbot der Gesellschafter

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OLG Stuttgart, Urteil vom 27. Juni 2018 – 14 U 33/17

Mittwoch, 27. Juni 2018

§ 34 Abs 1 GmbHG, § 51 Abs 1 S 1 GmbHG, § 241 Nr 1 AktG, § 243 Abs 1 AktG

1. Wird ein Gesellschafter durch eine Ladung per E-Mail rechtzeitig über Ort und Zeit der Gesellschafterversammlung sowie über die Tagesordnung in Kenntnis gesetzt, ist er in die Lage versetzt worden, an der Versammlung teilzunehmen und seine Teilhaberechte auszuüben und führt ein nicht mehr fristgerechter Zugang einer schriftlichen Ladung mittels Einschreiben nicht zu einer Nichtigkeit der auf dieser Versammlung gefassten Beschlüsse.

2. Die Anfechtbarkeit scheidet aus, soweit der anfechtende Gesellschafter ausschließlich die Verletzung fremder Partizipationsinteressen – nämlich die fehlerhafte Ladung eines Mitgesellschafters – rügt. Sinn der Anfechtbarkeit ist es insoweit, gerade und ausschließlich dem betroffenen Gesellschafter die Wahrung seiner Teilnahmerechte in die Hand zu geben, so dass nur er im Wege einer Anfechtungsklage den Beschluss wegen der Verletzung seiner Partizipationsrechte zu Fall bringen kann.

3. Eine Anfechtung wegen teilnahme einer nicht teilnahmeberechtigten Person an der Gesellschafterversammlung ist nur dann gerechtfertigt, wenn die Anwesenheit des nicht teilnahmeberechtigten Dritten ausnahmsweise die Partizipationsinteressen von Gesellschaftern beeinträchtigt, etwa weil sie durch den anwesenden Dritten in ihrem Abstimmungsverhalten unter Druck gesetzt werden.

4. Fallen dem Gesellschafter mehrere schwerwiegende Pflichtverletzungen, insbesondere in Form der wiederholten Missachtung der gesellschaftlichen Zuständigkeitsordnung, zur Last und verstößt er gegen seine Treuepflicht als Gesellschafter, liegt ein die Ausschließung rechtfertigender wichtiger Grund vor und ist eine Abmahnung vor der Zwangseinziehung des GeschäftsanteilsBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Geschäftsanteils
Zwangseinziehung
Zwangseinziehung des Geschäftsanteils
nicht erforderlich.

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Ravensburg vom 12.07.2017, Az. 7 O 3/17 KfH, abgeändert. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Der Streitwert wird auf 10.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Beklagte, eine gGmbH, ist Trägergesellschaft der X-Y Z in I. (im Folgenden: x). Die x betreibt eine staatlich akkreditierte private Fachhochschule sowie ein Berufskolleg.Randnummer2

Die x wurde von Prof. Dr. H. G., dem Vater des Klägers, im Jahre 1945 gegründet; die Beklagte wurde 1970 als gGmbH errichtet.Randnummer3

Mehrheitsgesellschafterin der Beklagten mit einem Anteil am Stammkapital von 80% ist eine von der Mutter und einer Schwester des Klägers errichtete Stiftung, die Prof. Dr. H. G. Stiftung I. im … (im Folgenden: Stiftung).Randnummer4

Der Kläger ist – vorbehaltlich des vorliegenden Rechtsstreits um die Einziehung seiner Anteile – Minderheitsgesellschafter der Beklagten mit einem Anteil am Stammkapital von 7,5%. Seine Geschwister O. G. sowie B. E. sind ebenfalls Gesellschafter mit Anteilen von 7,5% bzw. 5% am Stammkapital.Randnummer5

Darüber hinaus war der Kläger vom 01.01.2003 bis 05.12.2015 Geschäftsführer der Beklagten und vom 24.09.2007 bis 15.02.2015 Rektor der Hochschule.Randnummer6

Nach der Umstellung von Diplom- auf Bachelor-Studiengänge mussten die vier neuen Bachelor-Studiengänge der x staatlich akkreditiert werden. Diese staatliche Anerkennung erfolgte am 22.03.2011, war allerdings befristet bis 31.08.2015 und unter Auflagen erteilt (s. dazu die Darstellung in der Stellungnahme des Wissenschaftsrates zur Reakkreditierung der x vom 16.10.2015, S. 21 f.). U.a. wurde bemängelt, dass die gesellschaftsrechtliche Trägerfunktion und akademische Leitung der x nicht in einer Hand liegen dürfe. Es dürfe nicht sein, dass der Geschäftsführer der Trägergesellschaft gleichzeitig Rektor der Hochschule sei. Am 11.08.2014 stellte der Kläger einen Antrag auf Verlängerung der staatlichen Anerkennung beim zuständigen Ministerium, dem MWK.Randnummer7

In den Jahren 2010 bis 2013 waren die Studierendenzahlen erheblich gesunken und es wurden bei der Beklagten in den Geschäftsjahren 2012/2013 bzw. 2013/2014 jeweils erhebliche Jahresfehlbeträge von rund 470.000 € erwirtschaftet, mit der Folge, dass die Liquidität der Gesellschaft in Frage gestellt war. Anlässlich einer Gesellschafterversammlung am 29.03.2014 wurde beschlossen, dass der Kläger eine neue Geschäftsordnung mit Delegation von Vollmachten, Kompetenzen und kaufmännischen Verantwortlichkeiten sowie ein tragfähiges Sanierungskonzept erarbeiten sollte (s. GA 121).Randnummer8

Am 15.02.2015 fand eine Gesellschafterversammlung statt (Prot. Anl. K 49), bei der der Kläger ein Schreiben unterzeichnete, mit dem er sein Amt als Rektor der Hochschule niederlegte.Randnummer9

Die ursprünglich laut Einladung erwogene Möglichkeit der Abberufung des Klägers als Geschäftsführer wurde nicht beschlossen. Stattdessen wurde als „milderes Mittel“ mit Herrn D. – einstimmig, also auch mit Zustimmung des Klägers – ein neuer Geschäftsführer neben dem Kläger bestimmt, der einzelvertretungsberechtigt sein sollte, während der Kläger künftig nur noch gesamtvertretungsberechtigt sein sollte. Es wurde weiter beschlossen, eine Geschäftsordnung zur Abgrenzung der Tätigkeitsbereiche zu erarbeiten, wobei der Kläger künftig „allein und ausschließlich für den Bereich Forschung zuständig und verantwortlich sein sollte“, während man sich mit der Bestellung des Geschäftsführers D. aufgrund seiner kaufmännischen Erfahrung vor allem eine wirtschaftliche Sanierung erhoffte.Randnummer10

Im April 2015 besuchte eine Arbeitsgruppe des Wissenschaftsrats im Rahmen der Prüfung der beantragten Reakkreditierung die Hochschule, woran der Kläger nicht beteiligt wurde.Randnummer11

Am 23.05.2015 wurde die in der Gesellschafterversammlung vom 15.02.2015 vorgesehene neue Geschäftsordnung beschlossen. Dieser Beschluss wurde vom Kläger zunächst vor dem Landgericht Ravensburg angefochten; die Klage wurde jedoch später zurückgenommen.Randnummer12

Am 23.06.2015 kam es zu einem Gespräch zwischen dem Kläger und dem Stiftungsvorstandsmitglied Dr. Gr., bei dem der Kläger u.a. die Gleichstellung der Geschäftsführer forderte; in diesem Zusammenhang soll der Kläger damit gedroht haben, er werde gegen den damaligen Stiftungsvorstand Herrn B. sowie dessen Stellvertreter Bürgermeister M. Strafanzeige wegen Hausfriedensbruchs stellen und dies publik machen, wobei der Kläger – pauschal – bestreitet, eine Bedrohung ausgesprochen zu haben.Randnummer13

Am 14.09.2015 stellte der neue Geschäftsführer D. ein Sanierungskonzept vor, das auf der Gesellschafterversammlung vom 16.09.2015 erörtert wurde (Prot. Anl. K 22).Randnummer14

Am 16.10.2015 gab dann der Wissenschaftsrat, der im Auftrag des MWK im Rahmen des Reakkreditierungsverfahrens eine Beurteilung abgeben sollte, eine negative Stellungnahme ab. Das Gremium kam zum Ergebnis, dass „wesentliche, für die Hochschulförmigkeit einer Einrichtung konstitutive Voraussetzungen an der x Hochschule I. nicht erfüllt seien.“ Nicht nachvollziehbar sei, „dass die Hochschule die Auflagen und Empfehlungen, die im Rahmen der Erstakkreditierung im Jahr 2010 ausgesprochen wurden, nicht oder nur unzureichend umgesetzt habe“. Kritisiert wurde u.a. auch, dass angesichts der hohen Defizite der letzten Jahre die finanzielle Zukunftsfähigkeit der x nicht sichergestellt sei. Insgesamt seien die Defizite in der Summe so schwerwiegend, dass sie nicht durch Voraussetzungen, Auflagen und Empfehlungen zu heilen seien.Randnummer15

Auf diese negative Empfehlung reagierte die Beklagte insbesondere mit einer schriftlichen Stellungnahme gegenüber dem MWK vom 06.11.2015; später kam es auch noch zu zwei Treffen des Geschäftsführers D. mit dem MWK, bei denen er insbesondere das Sanierungskonzept erläuterte.Randnummer16

Auf der Gesellschafterversammlung vom 05.12.2015 (Prot. Anl. K 8) wurde der Kläger zunächst schriftlich wegen „Bedrohung von Mitgliedern des Stiftungsrates“ abgemahnt, dann als Geschäftsführer mit sofortiger Wirkung abberufen. Sein Ansinnen, nach der negativen Stellungnahme des Wissenschaftsrates ein Gespräch zwischen ihm und dem MWK zu terminieren, war zuvor bereits abgelehnt worden (s. Seite 3 des Protokolls unter a)). Gegen den Abberufungsbeschluss ging der Kläger gerichtlich nicht vor. Sein Antrag auf Abberufung des GeschäftsführersBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Abberufung
Abberufung des Geschäftsführers
D. wegen „Unregelmäßigkeiten“ bei seiner Anstellung sowie wegen des gleich bei der Einstellung erfolgten Abschlusses eines Beratervertrages namens der Beklagten mit einem Herrn M. wurde abgelehnt. Außerdem wurde auf der Gesellschafterversammlung noch der – vom Kläger kritisch gesehene – Abschluss eines langfristigen Wärmelieferungsvertrags mit einer Fa. B I. beschlossen.Randnummer17

Im Anschluss an die Gesellschafterversammlung übte der Kläger öffentlich in einem Gespräch mit der „… Zeitung“, das in einem Zeitungsartikel vom 13.12.2005 referiert wurde, scharfe Kritik an der neuen Geschäftsführung der Beklagten. So heißt es u.a., die jüngste Entwicklung mit der negativen Empfehlung des Wissenschaftsrates gleiche einem „Totalschaden“ (zu den einzelnen Kritikpunkten s. den Artikel, Anl. B 38).Randnummer18

Am 14.01.2016 wandte sich der Kläger in einem Anwaltsschreiben an das MWK.Randnummer19

In dem Schreiben meinte er, dass er als Gesellschafter der Trägergesellschaft, Mitglied des Stiftungsvorstands, langjähriger ehemaliger Geschäftsführer und Sohn des Gründers der Schule als „Beteiligter“ gemäß § 28 LVwVfG im Akkreditierungsverfahren anzuhören sei. Ihm komme eine Art „Garantenstellung“ zu.Randnummer20

Er wies sodann darauf hin, dass sich die Trägergesellschaft mittlerweile in einer „wirtschaftlichen [s.i.c.] desaströsen Situation“ befinde. Laut Aussage der Geschäftsführung liege eine bilanzielle Überschuldung vor. Zur Vermeidung der Insolvenzverschleppung habe bereits ein entsprechendes Gutachten eingeholt werden müssen. Gespräche mit den Banken wegen möglicher Darlehen zur Überbrückung der finanziellen Notlage seien im Wesentlichen gescheitert. Er selbst verfüge über ein konstruktives Konzept, um die Hochschule mit Hilfe eines – nicht genannten – Investors zu retten.Randnummer21

Die neue Geschäftsführung hingegen kritisierte er wiederum scharf: Durch die neu eingesetzte Geschäftsführung und die neue Hochschulleitung werde die von ihm geschaffene, enge Verflechtung der Hochschule mit der regionalen Industrie „ernsthaft gefährdet“. Wichtige Kooperationspartner der Hochschule hätten zur neu eingesetzten Geschäftsführung kein Vertrauen. Durch seine Abberufung und sofortige Freisetzung sei „ein weiteres Einwerben von Drittmitteln und die Durchführung von Forschungsvorhaben nicht mehr möglich, der Fortbestand der Hochschule … ernsthaft gefährdet“.Randnummer22

Bei der neu eingesetzten Geschäftsführung seien „von Anfang an auch in betriebswirtschaftlicher Hinsicht Unregelmäßigkeiten aufgetreten“. Neben anderen Vorwürfen wird u.a. behauptet, der neue Geschäftsführer übe sein Amt in Form einer „Teilzeitbeschäftigung“ aus und beziehe ein unangemessen hohes Geschäftsführergehalt. Trotz der „bedenklichen wirtschaftlichen Situation“ der Trägergesellschaft sei der Anschluss der Hochschule an das Nahwärmenetz „unter hohem Kostenaufwand“ beschlossen worden, wobei insinuiert wurde, dass dies damit zusammenhänge, dass der neue Geschäftsführer Mitglied des Aufsichtsrates einer Gesellschaft ist, deren Tochtergesellschaft das Nahwärmenetz betreibt. Schließlich machte er noch geltend, dass der Stiftungsvorstand falsch besetzt sei.Randnummer23

Letzterer Vorwurf ist zentraler Gegenstand eines weiteren Schreibens, das der Kläger am darauf folgenden Tag an das Regierungspräsidium T. als Aufsichtsbehörde der Stiftung schickte. Er erhob darin eine Reihe von Vorwürfen insbesondere bezüglich der seiner Auffassung nach nicht korrekten Besetzung des Stiftungsvorstands und regte aufsichtsrechtliche Maßnahmen durch das Regierungspräsidium an. Wegen der Einzelheiten wird auf das Schreiben (Anl. B 13) verwiesen. Nachdem das Regierungspräsidium die Vorwürfe zunächst zurückgewiesen hatte (s. Schreiben vom 15.04.2016, Anl. B 14), bestand der Kläger auf einem förmlichen Bescheid und legte mehrfach mit weiteren Vorwürfen nach. Das förmliche Verfahren ist soweit den Akten zu entnehmen bis heute nicht abgeschlossen; zuletzt erfolgte eine Stellungnahme der Stiftung an das Regierungspräsidium zu den Vorwürfen vom 14.04.2017 (Anl. B 42; ausführliche Darstellung des Hergangs GA 132 ff.).Randnummer24

Anfang März 2016 kam es dann zu einem persönlichen Treffen des Klägers mit Vertretern des MWK, in dem dieser im Rahmen des Reakkreditierungsverfahrens seine Sicht der Dinge darstellte.Randnummer25

Am 18.03.2016 erfolgte eine weitere Gesellschafterversammlung (Prot. Anl. B 9 der Beiakte), bei der u.a. der Geschäftsführeranstellungsvertrag des Klägers fristlos gekündigt wurde. Zur Begründung wurde dabei insbesondere auf das Interview in der … Zeitung sowie auf „weitere Drohgebärden“ verwiesen. Der Kläger erhob zunächst Anfechtungsklage gegen sämtliche am 18.03.2016 gefassten Gesellschafterbeschlüsse (s. Beiakte des LG Tübingen, 7 O 11/16 KfH). Das Verfahren endete am 07.07.2016 mit einem Vergleich, in dem insbesondere eine Beendigung des Dienstvertrags mit Ablauf des 30.09.2017 vereinbart wurde (s. Beiakte, GA 57 ff.).Randnummer26

Am 30.06.2016 erließ das MWK einen Bescheid, mit dem – trotz der negativen Empfehlung des Wissenschaftsrats – die staatliche Anerkennung der Studiengänge befristet bis 31.08.2017 unter Auflagen verlängert wurde.Randnummer27

Am 04.08.2016 fand wiederum eine Gesellschafterversammlung statt (Prot. Anl. K 32), bei der insbesondere die weiterhin dramatische finanzielle Situation besprochen wurde. Es wurde u.a. eine Verstaatlichung der Hochschule oder deren Schließung erörtert. Es wurde über ein „Sale & Lease Back“ Geschäft mit der Stadt I. gesprochen, mit dem Liquidität gewonnen werden sollte. Der Kläger sowie sein Bruder O. G. stellten einen erneuten Antrag auf Abberufung des GeschäftsführersBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Abberufung
Abberufung des Geschäftsführers
D. aus wichtigem Grund, der abgelehnt wurde.Randnummer28

Im Anschluss an die Gesellschafterversammlung wandte sich der Kläger mit einem Anwaltsschreiben an die Stiftung, in dem der Vorwurf erhoben wurde, Geschäftsführer D. führe zu Unrecht einen nicht staatlich anerkannten MBA-Titel; er verfüge über keine abgeschlossene Hochschulausbildung und erfülle damit nicht die nach der Grundordnung vorgesehenen formalen Voraussetzungen, um Kanzler der Hochschule zu sein.Randnummer29

Am 07.09.2016 fand ein Gespräch statt, an dem der Kläger, seine Anwältin sowie GF D. teilnahmen. In diesem Gespräch wurden verschiedene Kritikpunkte des Klägers erörtert; Herr D. regte zum Schluss „zum Wohle der Gesellschaft die Einhaltung normaler Abläufe sowie die Einstellung des für die Gesellschaft unvorteilhaften Verhaltens an“. Der Kläger erklärte, er beabsichtige nicht, sein Verhalten zu ändern. Auf den Hinweis, dass dies nicht unbedingt im Sinne der x sei, erklärte der Kläger: „Passen Sie auf, sonst komme ich zu Ihnen rüber“.Randnummer30

Auf einer Sitzung des Stiftungsvorstands am 20.10.2016 wurde ausführlich über das Verhalten des Klägers und mögliche Konsequenzen, insbesondere eine Einziehung seines Gesellschaftsanteils diskutiert. Es war vorgesehen, den Versuch zu unternehmen, den Kläger zunächst zur freiwilligen Abtretung seines Geschäftsanteils zu bewegen, bevor eine Einziehung erfolgen sollte (Prot. der Sitzung Anl. B 23).Randnummer31

Einen Tag später, am 21.10.2016, fand eine weitere Gesellschafterversammlung statt. Es wurde erneut das in Aussicht genommene Grundstücksgeschäft mit der Stadt I. besprochen. Die x-Grundstücke sollten für rund 1,5 Mio. € an die Stadt veräußert und sodann gepachtet werden. Die Unternehmensberatung M. stellte ein von ihr erstelltes Sanierungsgutachten vor. Insbesondere aufgrund von Pensionslasten, für die in der Vergangenheit eine zwingend notwendige Rückdeckungsversicherung nicht abgeschlossen worden sei, liege eine Überschuldung vor. Zur Möglichkeit der Verstaatlichung bzw. Kooperation mit einer staatlichen Hochschule liege „keine belastbare Zusage vor“. Auch für eine Sanierung mit einem privaten Investor gebe es kein konkretes Angebot. Es bestehe die Chance, die x mit einem veränderten Konzept fortzuführen, aber lediglich das Berufskolleg und nicht die Hochschule.Randnummer32

Es wurde nach kontroverser Diskussion und gegen die Stimmen des Klägers sowie seines Bruders folgender Beschluss gefasstRandnummer33

„Die Gesellschafterversammlung beschließt, entsprechend der positiven Fortführungsprognose der Firma … M., die Hochschule zu schließen. Das bedeutet, dass keine weiteren Studierenden mehr aufgenommen und die eingeschriebenen Studierenden nach dem LHG abgewickelt werden. Es besteht weiterhin die Möglichkeit, eine tragfähige Lösung vorzulegen, um die Hochschule z.B. in Form einer Verstaatlichung oder mit Hilfe eines privaten Investors bzw. Trägers weiterzuführen.“Randnummer34

Am 31.10.2016 wandte sich der Kläger mit Anwaltsschreiben an die M. Unternehmensberatung und bat um Übermittlung von Informationen (darstellende Folien) zur wirtschaftlichen Lage der x. Der Kläger kündigte zur Begründung an, er benötige diese Informationen, weil „in naher Zukunft … seitens meines Mandanten Termine am Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst, sowie am Regierungspräsidium T. zum Erhalt und zur Fortführung der Hochschule geplant und vereinbart“ seien. Ein Treffen einer Unternehmerrunde sei ebenfalls in Bearbeitung.Randnummer35

Als die Beklagte hiervon erfuhr, wandte sie sich an das MWK und wies darauf hin, dass der Kläger als bloßer Minderheitsgesellschafter nicht berechtigt sei, die Beklagte gegenüber dem MWK zu vertreten und verbat sich jegliche Einmischung des Klägers (Anl. B 44).Randnummer36

Am 06.11.2016 wandte sich der Kläger mit einem Schreiben an diverse Unternehmen in der Region. In dem Schreiben teilte er mit, dass die Gesellschafterversammlung der Beklagten am 21.10.2016 beschlossen habe, die Hochschule zu schließen, wenn kein tragfähiges Konzept zur Fortführung entwickelt werde.Randnummer37

Er erklärte, dass er den Hochschulstandort erhalten wolle; es bestehe noch die Chance, die Hochschule „aus dem bisherigen Umfeld mit den für sie schädlichen Auswirkungen in eine neue Trägerschaft mit neuen Verantwortlichkeiten“ zu führen. Die Neuaufstellung könne nur mit neuem Leitungspersonal erfolgen (s. im Einzelnen das Schreiben, Anl. B 11).Randnummer38

Mit Schreiben vom 06.12.2016 (Anl. B 24) kündigte die Beklagte gegenüber dem Kläger an, dass man beabsichtige, seinen Gesellschaftsanteil einzuziehen, wenn er sich nicht zu einer freiwilligen Abtretung bereitfinde.Randnummer39

Es wurden ausführlich eine ganze Reihe von Vorwürfen gemacht und erläutert. Insbesondere wurde die beabsichtigte Einziehung auf folgende Punkte gestützt:Randnummer40

– fortgesetzt illoyales Verhalten gegenüber der Beklagten durch unzulässige Einmischung in den laufenden Geschäftsbetrieb, insbesondere in Form von direkten und für die Gesellschaft schädlichen Kontaktaufnahmen mit dem MWK und dem RP T.Randnummer41

– fortgesetzt ehrenrührige Vorwürfe gegen Geschäftsführer und Kanzler D.Randnummer42

– „Denunziation“ der Stiftung und deren Vorstandsmitglieder gegenüber dem RP T., dabei auch Preisgabe von vertraulichen InternaRandnummer43

– wettbewerbsrechtlicher Verstoß durch öffentlichen Aufruf zur Gründung einer neuen, konkurrierenden HochschuleRandnummer44

– „diverse“ Bedrohungen von GF D. und diversen Stiftungsvorstandsmitgliedern.Randnummer45

Dem Kläger wurde Gelegenheit gegeben, bis 12.12.2016 zu den Vorwürfen Stellung zu nehmen und ggf. freiwillig seine Anteile abzutreten.Randnummer46

Am 07.12.2016 lud die Beklagte per Übergabeeinschreiben sowie ergänzend per E-Mail die Gesellschafter der Beklagten zu einer ordentlichen und außerordentlichen Gesellschafterversammlung auf den 21.12.2016 ein. Vorgesehen waren als Beschlusspunkte für den Fall, dass eine freiwillige Abtretung des Geschäftsanteils nicht erfolgt, der Ausschluss des Klägers durch die Einziehung seines Geschäftsanteils sowie seine Abfindung in Höhe des Nennwertes.Randnummer47

Die schriftliche Einladung erreichte den Mitgesellschafter O. G. nicht. Am 13.12.2016 wurde O. G. die Einladung nochmals per Einwurfeinschreiben und E-Mail zugesandt.Randnummer48

Am 15.12.2016 verlangten der Kläger sowie O. G. die Aufnahme eines weiteres Beschlussantrags, nämlich die Abberufung des GeschäftsführersBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Abberufung
Abberufung des Geschäftsführers
D. aus wichtigem Grund.Randnummer49

Dem kam die Beklagte mit einer ergänzten Einladung am 18.12.2016 nach (Anl. B 29).Randnummer50

Am 21.12.2016 wurde die Gesellschafterversammlung abgehalten, bei der die streitgegenständlichen Beschlüsse gefasst wurden (Prot. Anl. K 2). Frau B. E., Schwester des Klägers und Gesellschafterin mit einem Anteil von 5%, war bei der Sitzung nicht anwesend. O. G. beanstandete die Anwesenheit von Herrn M.. Als bloß stellvertretendem Vorsitzenden der Stiftung stehe ihm neben dem ebenfalls anwesenden Vorsitzenden kein Teilnahmerecht zu. Mit der Stimme der Stiftung wurde seine Anwesenheit zugelassen, er wurde später auch – nachdem der Kläger und sein Bruder O. G. die Sitzung verlassen hatten – zum Versammlungsleiter und Protokollführer gewählt.Randnummer51

O. G. beanstandete, bevor er die Sitzung verließ, dass er das Übergabeeinschreiben vom 07.12.2016 nicht per Post erhalten habe; die Versammlung sei deshalb nicht ordnungsgemäß einberufen worden.Randnummer52

Mit den Stimmen der Stiftung wurde die Einziehung des klägerischen Gesellschaftsanteils und dessen Abfindung beschlossen, was im Protokoll festgestellt wurde. Über die Beschlüsse wurde der Kläger, der die Sitzung verlassen hatte, noch am gleichen Tag schriftlich unterrichtet.Randnummer53

Die Anfechtungsklage des Klägers ging am 19.01.2017 beim Landgericht Ravensburg ein.Randnummer54

Der Kläger behauptet, seiner Abberufung als Rektor sei ein „6-Augen-Gespräch“ zwischen dem damaligen Vorsitzenden der Stiftung, Herrn B., dem weiteren Vorstand der Stiftung Herrn Bürgermeister M. und dem Betriebsratsvorsitzenden Prof. Dr. K. vorausgegangen, im Rahmen dessen man sich auf eine Neubesetzung des Rektorenamtes geeinigt habe.Randnummer55

Man habe ihm gedroht, dass er, wenn er sein Amt nicht niederlege, sein Amt als Stiftungsvorstandsmitglied verliere.Randnummer56

Der Kläger ist der Auffassung, die angefochtenen Beschlüsse seien formell und materiell rechtswidrig.Randnummer57

Aufgrund der verspäteten Einladung sei dem Mitgesellschafter O. G. eine ordnungsgemäße Vorbereitung auf die Sitzung nicht möglich gewesen.Randnummer58

Außerdem seien die Beschlüsse formell rechtswidrig, weil mit Herrn Bürgermeister M. ein Nichtberechtigter an der Versammlung teilgenommen habe.Randnummer59

In der Sache seien die Beschlüsse rechtswidrig, weil ein wichtiger Grund zum Ausschluss nicht vorgelegen habe. Der Kläger habe sich insbesondere nicht treuwidrig oder illoyal verhalten, sondern lediglich seine Rechte als Gesellschafter wahrgenommen. Soweit er sich an MWK und RP gewandt habe, sei er dazu berechtigt gewesen, auch was die finanzielle Lage der Gesellschaft anbelangt.Randnummer60

Außerdem werde durch die Zahlung der Abfindung gegen das Gebot der Kapitalerhaltung verstoßen (§§ 34 Abs. 3, 30 GmbHG).Randnummer61

Der Kläger hat in erster Instanz wie folgt beantragt:Randnummer62

Die in der Gesellschafterversammlung vom 21.12.2016 unter TOP 5 gefassten Beschlüsse:Randnummer63

b) „Der Geschäftsanteil des Gesellschafters Prof. Dr. G. G. im Nennbetrag von DM 3.900,00 wird nach § 9 Ziff. 2 lit. c des Gesellschaftsvertrags aus wichtigen Gründen eingezogen. Der Geschäftsführer wird vorsorglich beauftragt, Herrn Prof. Dr. G. die Einziehung schriftlich mitzuteilen.Randnummer64

c) Die Gesellschaft zahlt an den Gesellschafter Prof. Dr. G. für den eingezogenen Geschäftsanteil nach § 10 des Gesellschaftervertrags eine Vergütung in Höhe der eingezahlten Stammeinlage. Der Geschäftsführer wird beauftragt, das Einziehungsentgelt umgehend nach Eingang der Zahlung aus dem Verkauf der Wohnheimgrundstücke der x an die Stadt I., spätestens aber zum 30.06.2017, zu zahlen. Dieser Verkauf wurde am 10.10.2016 vom Gemeinderat der Stadt I. beschlossen und am 21.10.2016 in der Gesellschafterversammlung genehmigt.Randnummer65

d) Anstelle des eingezogenen Geschäftsanteils wird ein neuer Geschäftsanteil im gleichen Nennbetrag gebildet. Der Geschäftsanteil steht der Gesellschaft zu.Randnummer66

e) Der Geschäftsführer wird beauftragt, die aktualisierte Gesellschafterliste zu erstellen und beim zuständigen Handelsregister einzureichen.“Randnummer67

werden für nichtig, hilfsweise für unwirksam erklärt.Randnummer68

Die Beklagte hat in erster Instanz beantragt,Randnummer69

die Klage abzuweisen.Randnummer70

Die Beschlüsse seien formell und materiell rechtmäßig.Randnummer71

Wegen des weiteren Beklagtenvortrags in erster Instanz sowie wegen des übrigen Sachverhalts wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen.

2.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Zwar liege ein zur Nichtigkeit oder Anfechtbarkeit führender formeller Mangel nicht vor. Der Beschluss sei aber anfechtbar, da materiell rechtswidrig. Dabei könne offenbleiben, ob ein zur Einziehung des GeschäftsanteilsBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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Einziehung des Geschäftsanteils
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berechtigender wichtiger Grund vorgelegen habe. Jedenfalls hätte der Kläger im Hinblick auf die beabsichtigte Einziehung nämlich zur Einhaltung der ihm obliegenden Pflichten zuvor abgemahnt werden müssen. Bei der Einziehung handele es sich um die letzte aller möglichen Maßnahmen gegen einen Gesellschafter. Der mit der Einziehung verbundene Ausschluss des GesellschaftersBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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sei nicht gerechtfertigt, wenn „zur Behebung des gestörten Vertrauensverhältnisses zwischen den Gesellschaftern mildere Mittel ausreichen, wie z.B. eine Abmahnung“. Eine solche Abmahnung wäre hier geboten gewesen. Die dem Kläger zur Last gelegten Verfehlungen seien nicht so schwerwiegend, dass sie eine Einziehung „ohne eine Vorwarnung rechtfertigten“. Erforderlich wäre gewesen, so das Landgericht, dem Kläger unmissverständlich und eindringlich klar zu machen, welche konkrete Verhaltensweise die Beklagte missbilligt und dass sie für weitere Verstöße das letzte Mittel der Einziehung des GeschäftsanteilsBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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Geschäftsanteils
für angemessen erachte.

3.

Mit der Berufung verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.Randnummer74

Soweit das Landgericht einen formellen Mangel des Beschlusses verneint hatte, verteidigt die Beklagte das erstinstanzliche Urteil.Randnummer75

Entgegen der Auffassung des Landgerichts sei der Einziehungsbeschluss aber auch materiell wirksam. Ein wichtiger Grund für die Einziehung des Gesellschaftsanteils habe vorgelegen. Der Kläger habe die in der Beklagten als GmbH geltende Kompetenzordnung anhaltend missachtet. Er habe auch nach seiner Abberufung als Geschäftsführer der Beklagten wiederholt versucht, in die Geschäftsführung der Beklagten einzugreifen, Aufgaben der Geschäftsführung selbst wahrzunehmen und insbesondere die Beklagte ohne Einschaltung ihrer Geschäftsführer bei Aufsichtsbehörden zu diskreditieren. Darüber hinaus habe der Kläger ehrenrührige und falsche Vorwürfe gegenüber dem neuen Geschäftsführer D. erhoben. Er habe auch die Pflicht der Gesellschafter, gesellschaftsinterne Informationen vertraulich zu behandeln, missachtet, etwa indem er gegenüber dem MWK oder in dem Zeitungsinterview gegenüber der … Zeitung nähere Informationen zur schwierigen wirtschaftlichen Lage der Beklagten preisgegeben habe. Auch habe der Kläger gegen seine Pflichten als Gesellschafter verstoßen, indem er die vertraulichen Beschlussinhalte der Gesellschafterversammlung vom 21.10.2016 öffentlich gemacht habe. Aufgrund des vielfältigen Fehlverhaltens des Klägers und der Vorwürfe gegenüber der neuen Geschäftsführung und der Mehrheitsgesellschafterin sei das Vertrauensverhältnis zwischen dem Kläger und der Mehrheitsgesellschafterin nachhaltig und irreparabel gestört.Randnummer76

Soweit das Landgericht seine Entscheidung darauf gestützt hat, es habe an der erforderlichen Abmahnung gefehlt, so sei zu berücksichtigen, dass die Einziehung eine Abmahnung nicht zwingend voraussetze. Eine Abmahnung müsse allenfalls dann ausgesprochen werden, wenn der zur Einziehung herangezogene wichtige Grund überhaupt durch eine Änderung des Verhaltens des Klägers beseitigt werden könne, was bei einer Zerrüttung des Vertrauensverhältnisses nicht der Fall sei.Randnummer77

Im Übrigen sei eine Abmahnung entbehrlich gewesen, weil der Kläger bereits ernsthaft und unmissverständlich gezeigt habe, dass er sein Verhalten nicht ändern werde.Randnummer78

Und schließlich sei eine Abmahnung tatsächlich erfolgt, etwa in dem Gespräch zwischen dem Kläger und Herrn D. am 07.09.2016, in dem letzterer den Kläger aufgefordert habe, sein Verhalten zu ändern und die Beklagte nicht weiter zu schädigen.Randnummer79

Wegen der weiteren Einzelheiten der Berufungsbegründung wird auf die Berufungsbegründungsschrift, GA 235 ff., verwiesen.Randnummer80

Die Beklagte beantragt im Berufungsverfahren:Randnummer81

1. Auf die Berufung der Berufungsklägerin wird das Urteil des Landgerichts Ravensburg vom 12.07.2017, Az. 7 O 3/17 KfH, aufgehoben.Randnummer82

2. Die Klage wird abgewiesen.Randnummer83

Der Kläger beantragt:Randnummer84

Die Berufung wird zurückgewiesen.Randnummer85

Der Kläger verteidigt das erstinstanzliche Urteil.Randnummer86

Angebliche Fehlleistungen des Klägers als Geschäftsführer der Beklagten, zu denen im Übrigen nur pauschal vorgetragen worden sei, rechtfertigten die zwangsweise Einziehung des Gesellschaftsanteils nicht.Randnummer87

Soweit geltend gemacht werde, dass der Kläger die Kompetenzverteilung zwischen Gesellschaftern und Geschäftsführung missachtet habe, sei zu berücksichtigten, dass der Kläger in seiner Funktion als Minderheitsgesellschafter versucht habe, die auf dem Spiel stehende Akkreditierung der x zu retten. Er habe damit ureigene interessen der Beklagten verfolgt. Dass er dabei in wesentlichen Fragen der Ausrichtung der Gesellschaft anderer Auffassung gewesen sei als die Geschäftsführung, müsse ihm als Minderheitsgesellschafter zugestanden werden.Randnummer88

Soweit der Kläger sich gegenüber dem MWK über die wirtschaftlich schlechte Lage der Beklagten geäußert habe, sei zu berücksichtigen, dass das Schreiben des Klägers an die zur Verschwiegenheit verpflichteten Beamten des MWK und nicht etwa an eine breitere Öffentlichkeit gerichtet gewesen sei. Im Übrigen könne von einem die Kreditwürdigkeit der Gesellschaft gefährdenden Werturteil keine Rede sein, es habe sich um Tatsachenbehauptungen gehandelt.Randnummer89

Der Kläger habe gegenüber dem neuen Geschäftsführer D. keine ehrenrührigen Vorwürfe erhoben. Jedenfalls seien die angeführten Sachverhalte nicht dazu geeignet, die zwangsweise Einziehung des GeschäftsanteilsBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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Geschäftsanteils
des Klägers zu rechtfertigen. Bei der Anstellung von Herrn M. auf Betreiben des neuen Geschäftsführers D. zeitgleich mit seiner Übernahme der Geschäftsführerstellung habe es tatsächlich Ungereimtheiten gegeben. Angesichts des finanziellen Ausmaßes des Anstellungsverhältnisses hätte dies in der Gesellschafterversammlung thematisiert werden müssen. Die Aussagen im Zeitungsinterview mit der … Zeitung vom 13.12.2015 enthielten keine ehrenrührigen Vorwürfe. Dies gelte insbesondere für die Kritik am reduzierten Arbeitseinsatz des neuen Geschäftsführers wie auch für die Aussage, die Anstellung von Herrn M. sei „zumindest undurchsichtig“ gewesen. Im Zeitpunkt des Schreibens vom 12.08.2016 habe der Kläger davon ausgehen müssen, dass Herr D. über keine abgeschlossene Hochschulausbildung verfüge. Dies deshalb, weil ihm der vollständige Lebenslauf von Herrn D. „erst kurz vor Erstellung des Schreibens“ vorgelegt worden sei.Randnummer90

Die verschiedenen Schreiben an das MWK sowie an die Stiftungsaufsicht des RP T. stellten keinen „Rundumschlag“ des Klägers dar. Das Vorgehen gegenüber dem MWK sei vom Grundgedanken getragen gewesen, die Hochschule in ihrem Bestand zu retten, die Schreiben an die Stiftungsaufsicht vom Gedanken getragen, „dass sich die Stiftung zukünftig wieder im Sinne des Stifters verhält“.Randnummer91

Eine Verletzung der Vertraulichkeit durch den Kläger liege ebenfalls nicht vor. Dass Schreiben des Klägers vom 06.11.2016 sei „vom Wunsch getragen [gewesen], den Hochschulstandort I. zu retten.“ Der Gesellschaftszweck der Beklagten sei aufgrund des Beschlusses der Gesellschafterversammlung gefährdet gewesen. Dass das vom Kläger ausgearbeitete Konzept einer Unternehmerhochschule bisher noch nicht habe in die Tat umgesetzt werden können, liege ausschließlich an der von der Beklagten betriebenen „rechtswidrigen Einziehung des GeschäftsanteilsBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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Geschäftsanteils
sowie der willkürlichen Abberufung als Geschäftsführer“.Randnummer92

Die Zerrüttung des Gesellschaftsverhältnisses beruhe im Ausgangspunkt nicht auf einem Fehlverhalten des Klägers. Ausgangspunkt sei vielmehr die „schrittweise Kaltstellung des Klägers innerhalb der Beklagten“ gewesen.Randnummer93

Selbst wenn man annehmen wollte, dass das Verhalten des Klägers prinzipiell dazu geeignet gewesen wäre, seinen Ausschluss zu rechtfertigen, hätten vorrangig andere, mildere Maßnahmen ergriffen werden müssen. Insbesondere hätte zunächst eine Abmahnung ausgesprochen werden müssen. Diese sei auch nicht entbehrlich gewesen.Randnummer94

Wegen der weiteren Einzelheiten der Berufungserwiderung wird auf den Schriftsatz vom 14.02.2018, GA 273 ff., verwiesen.

II.

Die zulässige Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Ravensburg ist begründet und führt zur Klageabweisung. Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.Randnummer96

1. Zulässigkeit der KlageRandnummer97

a) Bezüglich der angefochtenen Beschlüsse liegt eine förmliche Feststellung des BeschlussergebnissesBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Feststellung
Feststellung des Beschlussergebnisses
vor, wie sich aus dem als Anl. K 2 vorgelegten Protokoll der Gesellschafterversammlung ergibt. Die Anfechtungsklage analog den aktienrechtlichen Vorschriften ist damit der statthafte Rechtsbehelf.Randnummer98

b) Die Klage ist auch im Übrigen zulässig. Insbesondere ist die Gesellschaft bei der Beschlussanfechtungsklage der richtige Klagegegner (s. nur OLG Stuttgart, Urt. v. 19.12.2012, 14 U 10/12, juris Rz. 27) und der Kläger im Hinblick auf den Erhalt seiner Gesellschafterstellung klagebefugt (OLG Stuttgart, Urt. v. 19.12.2012, 14 U 10/12, juris Rz. 26).Randnummer99

2. Begründetheit der KlageRandnummer100

Die Klage ist jedoch in der Sache unbegründet. Die angefochtenen Beschlüsse weisen weder in formeller noch in materieller Hinsicht Mängel auf, die ihrer Wirksamkeit entgegenstehen.Randnummer101

a) AnfechtungsfristRandnummer102

Die Anfechtungsfrist, die eine materielle Klagevoraussetzung darstellt (Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, Anh. § 47 Rn. 158 m.w.N.), ist vorliegend gewahrt worden. Generell geht man vorbehaltlich abweichender Regelung im Gesellschaftsvertrag und soweit nicht zwingende Umstände den Gesellschafter an der früheren klageweisen Geltendmachung der Mangelhaftigkeit gehindert haben im GmbH-Recht analog der aktienrechtlichen Vorschriften von einer Frist von einem Monat aus (BGH, NZG 2009, 1110; Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, Anh. § 47, Rn. 145, jeweils m.w.N.). Diese Monatsfrist wurde hier gewahrt, nachdem die angefochtenen Beschlüsse am 21.12.2016 gefasst und dem Kläger bekannt gegeben und die Klage beim Landgericht Ravensburg am 19.01.2017 eingereicht und zeitnah zugestellt wurde.Randnummer103

b) Formelle MängelRandnummer104

aa) Verstoß gegen § 51 Abs. 1 GmbHGRandnummer105

Dem Mitgesellschafter O. G. ist die Ladung zur streitgegenständlichen Gesellschafterversammlung zwar bereits am 07.12.2016 per E-Mail zugesandt worden – dass er sie per E-Mail erhalten hat, ist nicht bestritten -, allerdings ist die Einladung per eingeschriebenem Brief nicht innerhalb der Wochenfrist des § 51 Abs. 1 GmbH, sondern erst am 20.12.2016 zugegangen. Damit liegt hinsichtlich der per E-Mail erfolgten Ladung ein Verstoß gegen § 51 Abs. 1 Satz 1 GmbHG vor, wonach die Einladung mittels eingeschriebenen Briefs zu erfolgen hat. Die per Einschreiben nachgeholte Ladung war nicht mehr rechtzeitig innerhalb der in § 51 Abs. 1 Satz 2 GmbHG vorgesehenen Wochenfrist. Dieser Verstoß begründet jedoch weder die Nichtigkeit (dazu unter (1)) noch die Anfechtbarkeit (dazu unter (2)) der gefassten Beschlüsse.Randnummer106

(1) NichtigkeitRandnummer107

Bestimmte, besonders gravierende Ladungsmängel können entsprechend § 241 Nr. 1 AktG zur Nichtigkeit gefasster Beschlüsse führen, etwa das Fehlen der Einberufung insgesamt oder die Einberufung durch einen Unzuständigen.Randnummer108

Beim Verstoß gegen die Formvorschriften des § 51 GmbHG – Form und Frist der Ladung – wird in Rechtsprechung und Literatur hinsichtlich der Rechtsfolge differenziert, wobei die Frage im Einzelnen nicht unstreitig ist.Randnummer109

Die wohl herrschende Auffassung in der Literatur nimmt an, dass Form- und Fristverstöße allenfalls zur Anfechtbarkeit der gefassten Beschlüsse führen, außer wenn der konkrete Mangel (oder die Mängel) so gravierend ist, dass er die Einberufung als nicht erfolgt erscheinen lässt (Seibt, in: Scholz, GmbHG, 12. Aufl., § 51 Rn. 26 mit Nachweisen zu den verschiedenen Auffassungen; ähnlich im Grundsatz Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, 19. Aufl., § 51 Rn. 28). Bei einem Verstoß gegen die vorgeschriebene Form – eingeschriebener Brief – wird allerdings nach einer verbreiteten Auffassung dann Nichtigkeit angenommen, wenn der Zugang der Nachricht nicht erwiesen ist (so Hüffer/Schürnbrand, in Großkommentar GmbHG, § 51 Rn. 27; Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, § 51 Rn. 28). Genau genommen liegt dann nicht nur ein Formverstoß, sondern eine Nichtladung vor, wobei der Formverstoß zu einer Beweislastumkehr hinsichtlich des Zugangs der Ladung führt.Randnummer110

Dem Ansatz der herrschenden Literatur – grundsätzlich allenfalls Anfechtbarkeit, wenn Form- und/oder Fristverstoß nicht einer Nichtladung gleich kommen – folgt in der Sache auch der BGH in einer jüngeren Entscheidung, wo er bei einer Ladung per E-Mail am Vorabend einer Gesellschafterversammlung am nächsten Vormittag die Rechtsfolge der Nichtigkeit darauf gestützt hat, dass damit derart schwerwiegende Form- und Fristmängel vorlägen, dass dem Gesellschafter die teilnahme faktisch unmöglich gemacht werde und das Vorgehen damit einer Nichtladung gleichkomme (BGH, NZG 2006, 349). Wenn schon die Ladung per E-Mail an sich einen derart schwerwiegenden Mangel darstellen würde, dass gefasste Beschlüsse nichtig sind, hätte es dieser Argumentation nicht bedurft.Randnummer111

In einer älteren Entscheidung aus dem Jahre 1989 hingegen hatte der BGH noch in einem obiter dictum gemeint, eine Einladung, die nicht schriftlich erfolge und/oder nicht mit einer Unterschrift versehen sei, führe zur Nichtigkeit gefasster Beschlüsse (BGH, Urt. v. 17.10.1988, II ZR 18/88, juris Rz. 9). Dies würde dazu führen, dass eine Einladung per E-Mail, bei der es an der Unterschrift fehlt, die Nichtigkeit der gefassten Beschlüsse zur Folge hätte.Randnummer112

Diese Konsequenz ist jedoch nach Auffassung des Senates bei einer per E-Mail erfolgten Einberufung auch angesichts der zwischenzeitlichen Verbreitung und Üblichkeit dieses Mediums verfehlt. Die zuletzt genannte Entscheidung des BGH wird in der Literatur auch zumindest in diesem Punkt – bei einer bloß mündlichen Einladung mag es anders sein – kritisiert (zu Recht zweifelnd Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 19. Aufl., § 51 Rn. 29; anders auch z.B. Müther, GmbHR 2000, 966, 970 f.); sie dürfte nach Auffassung des Senates angesichts der oben zitierten Entscheidung des BGH aus dem Jahre 2006 auch überholt sein.Randnummer113

Vorliegend sind – anders als in der Entscheidung des BGH aus dem Jahre 2006 – keine besonderen Umstände ersichtlich, weshalb die – rechtzeitig erfolgte – Ladung per E-Mail einer Nichtladung gleich kommen würde. Der Mitgesellschafter O. G. wurde durch die Ladung per E-Mail unstreitig rechtzeitig über Ort und Zeit der Gesellschafterversammlung sowie über die Tagesordnung in Kenntnis gesetzt und wurde dementsprechend in die Lage versetzt, an der Versammlung teilzunehmen und seine Teilhaberechte auszuüben.Randnummer114

Von einer Nichtigkeit der gefassten Beschlüsse ist mithin nicht auszugehen.Randnummer115

(2) AnfechtbarkeitRandnummer116

Auch eine Anfechtbarkeit scheidet, wie das Landgericht im Ergebnis zutreffend erkannt hat, aus.Randnummer117

Generell ist nach heute herrschender Auffassung in der Literatur (K. Schmidt, in: Scholz, GmbHG, 12. Aufl., § 45 Rn. 100 ff.; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 19. Aufl., Anh. zu § 47 Rn. 50 f.; Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 21. Aufl., Anh. § 47 Rn. 126; Raiser, in: GmbHG Großkommentar, 2. Aufl., Anh. § 47 Rn. 111) und auch in der aktienrechtlichen Rechtsprechung (BGHZ 149, 158, 164 f.) anerkannt, dass nicht jeder Formfehler bzw. Verfahrensverstoß zu einer Anfechtbarkeit der gefassten Beschlüsse führt. Voraussetzung ist vielmehr, dass der Verfahrensverstoß das Mitgliedschafts- bzw. Partizipationsrecht des Gesellschafters in relevanter Weise beeinträchtigt hat, mit der Folge, dass dem Beschluss nach wertender Betrachtung ein Legitimationsdefizit anhaftet, das die Rechtsfolge der Anfechtbarkeit analog § 243 Abs. 1 AktG rechtfertigt (sog. Relevanzerfordernis bzw. Relevanztheorie).Randnummer118

(a) Die Anfechtbarkeit des Beschlusses scheidet hier schon deshalb aus, weil der Kläger, der selbst von dem Formverstoß nicht betroffen ist – es geht ja um die Ladung eines anderen Gesellschafters, seines Bruders – als von dem Formfehler nicht betroffener Dritter seine Anfechtungsklage auf diesen Gesichtspunkt von vornherein nicht stützen kann.Randnummer119

Soweit die Frage, ob ein Gesellschafter sich auf einen gegenüber einem Mitgesellschafter begangenen Ladungsfehler im Rahmen seiner Anfechtungsklage berufen kann, in der Literatur behandelt wird, wird sie durchgehend verneint (Seibt, in: Scholz, GmbHG, 12. Aufl., § 51 Rn. 27; Roth, in: Altmeppen/Roth, GmbHG, 8. Aufl., § 51 Rn. 19a; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 19. Aufl., Anh. zu § 47 Rn. 51; zumindest für eine mangelhafte Ankündigung der Tagesordnung ebenso: Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 21. Aufl., § 51 Rn. 38). Die Anfechtbarkeit scheidet aus, soweit der anfechtende Gesellschafter ausschließlich die Verletzung fremder Partizipationsinteressen rügt. Maßgeblich für diese Auffassung, der sich der Senat anschließt, spricht, dass Sinn der (bloßen) Anfechtbarkeit ist, gerade und ausschließlich dem betroffenen Gesellschafter die Wahrung seiner Teilnahmerechte in die Hand zu geben (Roth, in: Altmeppen/Roth, GmbHG, 8. Aufl., § 51 Rn. 19a), so dass nur er im Wege einer Anfechtungsklage den Beschluss wegen der Verletzung seiner Partizipationsrechte zu Fall bringen kann.Randnummer120

(b) Im Übrigen läge, wenn es darauf ankäme, schon eine relevante Verletzung des Partizipationsrechts des Bruders des Klägers nach Auffassung des Senates in Übereinstimmung mit dem Landgericht nicht vor, so dass auch aus diesem Grund eine Anfechtbarkeit ausscheidet.Randnummer121

Teilweise wird in der Literatur vertreten, dass Einberufungsmängel (Ladungsmängel), die nur Förmlichkeiten betreffen, nicht jedoch die teilnahme an der Versammlung und die Vorbereitung der Willensbildung berühren, den Beschluss in der Regel nicht anfechtbar machen (so K. Schmidt, in: Scholz, GmbHG, 12. Aufl., § 45 Rn. 102; die vom Landgericht in diesem Zusammenhang zitierte Kommentarstelle, Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 21. Aufl., Anh. § 47 Rn. 129, betrifft allerdings – jedenfalls ausdrücklich – nur Verstöße gegen Informationspflichten, nicht fehlerhafte Ladungen; von Anfechtbarkeit gehen hingegen wohl die meisten aus, s. z.B. Raiser, in: Großkommentar, GmbHG, 2. Aufl., Anh. § 47 Rn. 112 a.E.). Rein formale Ladungsmängel ohne relevante Auswirkungen auf die Partizipationsmöglichkeiten des betroffenen Gesellschafters von der Anfechtbarkeit auszuschließen, erscheint nach Auffassung des Senates auf der Grundlage der Relevanztheorie konsequent.Randnummer122

Dafür, hier eine relevante Beeinträchtigung des Partizipationsinteresses von O. G. zu verneinen, sprechen verschiedene Umstände, nämlich dass er aufgrund der E-Mail unstreitig rechtzeitig Kenntnis vom Inhalt der Einladung hatte (es liegt mithin ein Verstoß gegen die Ladungsform, kein Verstoß gegen die LadungsFrist vor; in letzterem Fall soll auch nach der Relevanztheorie eine Anfechtbarkeit begründet sein, vgl. K. Schmidt, in: Scholz, GmbHG, 12. Aufl., § 45 Rn. 103), die ihm in der vorgeschriebenen Form auch noch vor der Sitzung zugegangen ist, dass er selbst gemeinsam mit seinem Bruder einen Ergänzungsvorschlag zur Tagesordnung angemeldet hat, ohne darauf hinzuweisen, dass er sich durch die fehlerhafte Einladung an einer Partizipation gehindert fühlte, und dass er anlässlich der Sitzung bei seiner Weigerung, an der Abstimmung teilzunehmen, lediglich auf den formalen Aspekt des fehlenden Einschreibens abgestellt und nicht etwa geltend gemacht hat, dass ihm aufgrund dieses Formfehlers in irgend einer Weise die Vorbereitung auf die Sitzung und speziell auf die hier streitgegenständlichen Beschlussfassungen erschwert worden wäre.Randnummer123

bb) teilnahme einer nicht teilnahmeberechtigten PersonRandnummer124

Das Landgericht hat zu Recht und mit zutreffender Begründung eine Nichtigkeit oder Anfechtbarkeit der Beschlüsse wegen der teilnahme einer nicht teilnahmeberechtigten Person abgelehnt.Randnummer125

Die teilnahme einer nicht teilnahmeberechtigten Person an der Gesellschafterversammlung – hier des stellvertretenden Vorsitzenden der Mehrheitsgesellschafterin, Herr M. – macht die anlässlich der Sitzung gefassten Beschlüsse weder nichtig noch – jedenfalls im Regelfall – anfechtbar (so die soweit ersichtlich einhellige Auffassung: K. Schmidt, in: Scholz, GmbHG, 12. Aufl., § 45 Rn. 102; Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 21. Aufl., Anh. § 47 Rn. 114; Raiser, in: GmbHG Großkommentar, 2. Aufl., Anh. § 47 Rn. 114 a.E.; Werner, GmbHR 2006, 871, 874). Eine Anfechtung ist in diesen Fällen nur dann gerechtfertigt, wenn die Anwesenheit des nicht teilnahmeberechtigten Dritten ausnahmsweise die Partizipationsinteressen von Gesellschaftern beeinträchtigt, etwa weil sie durch den anwesenden Dritten in ihrem Abstimmungsverhalten unter Druck gesetzt werden oder ähnliches (Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 21. Aufl., Anh. § 47 Rn. 114). Für letzteres gibt es hier keine Anhaltspunkte. Die bloße teilnahme von Herrn M. an der Gesellschafterversammlung führt also nicht zur Anfechtbarkeit der Beschlüsse. Daran ändert auch nichts, dass Herr M. zum Versammlungsleiter gewählt wurde.Randnummer126

c) Materielle MängelRandnummer127

Der Beschluss leidet auch nicht an materiellen Mängeln, die zu seiner Nichtigkeit oder Anfechtbarkeit führen.Randnummer128

aa) SatzungsgrundlageRandnummer129

(1) Die satzungsmäßige Grundlage für die Einziehung des Geschäftsanteil, deren es nach § 34 Abs. 1 GmbHG bedarf, findet sich in § 9 Ziff. 2 der im Zeitpunkt des Einziehungsbeschlusses gültigen Satzung.Randnummer130

(2) Soweit sich der Kläger darauf beruft, die Einziehungsklausel sei erst zu einem Zeitpunkt in die Satzung eingefügt worden, als er bereits Inhaber des Geschäftsanteils war, weshalb ein Verstoß gegen § 34 Abs. 2 GmbHG vorliege, dringt er damit nicht durch.Randnummer131

(a) Nach § 34 Abs. 2 GmbH findet die Einziehung ohne Zustimmung des Anteilsberechtigten nur dann statt, wenn die Voraussetzungen der Einziehung vor dem Zeitpunkt, in welchem der Berechtigte den Geschäftsanteil erworben hat, im Gesellschaftsvertrag festgesetzt waren.Randnummer132

Der Kläger erwarb den Anteil unstreitig nach dem Versterben seines Vaters im September 1976 (GA 103). Der zu diesem Zeitpunkt gültige Gesellschaftsvertrag enthielt keine Einziehungsklausel.Randnummer133

(b) Allerdings ist nach ganz herrschender Auffassung eine nachträgliche Einführung der Zwangseinziehung durch Satzungsänderung mit Zustimmung aller betroffenen Gesellschafter möglich (BGH, NJW 1977, 2316; Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 34 Rn. 8; Strohn, in: MüKo-GmbHG, § 34 Rn. 41 jeweils m.w.N.).Randnummer134

Eine solche Satzungsänderung ist hier am 02.09.1997 durch die Mutter des Klägers, handelnd im eigenen Namen – soweit sie Inhaberin von Gesellschaftsanteilen war – sowie im Übrigen als Testamentsvollstreckerin über den Nachlass ihres Ehemannes, des Vaters des Klägers, erfolgt.Randnummer135

(c) Ohne Erfolg stellt der Kläger die Wirksamkeit dieser Satzungsänderung in Frage.Randnummer136

(aa) Diesem Einwand steht schon die Bestandskraft des damaligen Beschlusses entgegen.Randnummer137

Grundsätzlich gilt für die Anfechtbarkeit und Bestandskraft von satzungsändernden Beschlüssen nichts anderes als für normale Beschlüsse der Gesellschafterversammlung (Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 21. Aufl., § 53 Rn. 83), die im Regelfall innerhalb einer Monatsfrist angefochten werden müssen.Randnummer138

Selbst wenn man sich auf den Standpunkt stellen würde, dass die Anfechtungsfrist gegenüber dem Kläger erst nach Beendigung der Testamentsvollstreckung im Zeitpunkt der eigenverantwortlichen Übernahme der Gesellschaftsanteile zu laufen begänne, wäre die Frist nach jahrelanger widerspruchsloser Hinnahme der Satzung samt der entsprechenden Regelung in § 9 Ziff. 2 durch den Kläger längst abgelaufen.Randnummer139

(bb) Auch abgesehen davon dürfte der Einwand des Klägers, die Satzungsänderung sei unwirksam, keinen Erfolg haben, wobei es hierauf nach dem oben Gesagten im Ergebnis nicht ankommt.Randnummer140

Soweit der Kläger – von der Gegenseite bestritten – behauptet (GA 104), das Verwaltungsrecht seiner Mutter als Testamentsvollstreckerin sei im Zeitpunkt der Satzungsänderung bereits erloschen gewesen, so dass sie nicht wirksam als Testamentsvollstreckerin über den Nachlass des Vaters des Klägers die entsprechenden Stimmrechte habe ausüben können, fehlt es am Vortrag und Nachweis, wann und weshalb die unstreitig ursprünglich angeordnete Testamentsvollstreckung geendet habe. Der Kläger, der sich auf die Unwirksamkeit des satzungsändernden Beschlusses beruft, müsste die Umstände, aus denen sich die Unwirksamkeit des Beschlusses ergeben sollen, darlegen und gegebenenfalls beweisen.Randnummer141

Soweit der Kläger sich darauf beruft, dass seine Mutter dem satzungsändernden Beschluss als Testamentsvollstreckerin nicht habe zustimmen dürfen, weil damit in den Kernbereich der Mitgliedsrechte des Klägers eingegriffen worden sei, folgt der Senat dem aus Rechtsgründen nicht.Randnummer142

Grundsätzlich nimmt der Testamentsvollstrecker die Rechte des Erben umfassend, mithin auch bei Satzungsänderungen wahr (Scholz, in: Scholz, GmbHG, 12. Aufl., § 53 Rn. 107).Randnummer143

In der Literatur wird allerdings in der Tat teilweise die Auffassung vertreten, dass sich gesellschaftsrechtliche Beschränkungen des Testamentsvollstreckers generell aus der sog. Kernbereichslehre ergeben. Die Kernbereichslehre ist zum Schutz von Minderheitsgesellschaftern gegenüber der Mehrheit entwickelt worden (s. grundlegend BGH, NJW 1956, 1198 ff.). Sie besagt, dass es einen Kernbereich des Gesellschafters gibt, der alle Rechte umfasst, die die Rechtstellung des Gesellschafters in ihrem eigentlichen Bestand erhalten. Darunter würde wohl auch die Einführung einer Einziehungsbefugnis gehören.Randnummer144

Ob diese Kernbereichslehre auf die Testamentsvollstreckung zu übertragen ist, ist streitig (offengelassen bei BGH, NJW 1989, 3152, 3155; s. ausführlich zum Meinungsstreit z.B. Lange, in: BeckOK-BGB, 43. Ed., § 2205 Rn. 44). Die heute wohl herrschende Auffassung, der der Senat zuneigt, verneint eine Übertragung der Kernbereichslehre und geht davon aus, dass dem Testamentsvollstrecker lediglich durch das Erbrecht, nicht durch das Gesellschaftsrecht Grenzen gezogen werden (s. z.B. Lange, in: BeckOK-BGB, 43. Ed., § 2205; Scholz, in: Scholz, GmbHG, 12 Aufl., § 53 Rn. 107). Maßgeblich für diese Auffassung ist anzuführen, dass der Schutz des Gesellschaftserben gegenüber dem Testamentsvollstrecker schon erbrechtlich durch die Ausschlagungsmöglichkeit sowie die speziell das Rechtsverhältnis zwischen Erbe und Testamentsvollstrecker regelnden Vorschriften der §§ 2205 S. 3, 2206, 2216 Abs. 1, 2218, 2219 BGB hinreichend gesichert wird (vgl. Lange, in: BeckOK-BGB, 43. Ed., § 2205, Rn. 44), so dass es eines weiteren Schutzes durch die Kernbereichslehre nicht bedarf. Auch der BGH zeigt in neueren Entscheidungen eine deutliche Tendenz gegen gesellschaftsrechtliche Einschränkungen der Befugnisse des Testamentsvollstreckers (vgl. insb. BGH, Urt. v. 13.05.2014, II ZR 250/12, juris Rz. 14).Randnummer145

bb) Materielle Voraussetzungen der ZwangseinziehungRandnummer146

Die materiellen Voraussetzungen der ZwangseinziehungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Voraussetzungen der Zwangseinziehung
Zwangseinziehung
liegen vor.Randnummer147

Nach der Satzungsregelung in § 9 Ziff. 2 der Satzung ist eine Einziehung ohne Zustimmung des Betroffenen u.a. – andere Alternativen kommen hier nicht in Betracht – dann zulässig, wenn ein „sonstiger wichtiger Grund [vorliegt], der die Ausschließung eines Gesellschafters rechtfertigen würde“. Das Fehlen eines wichtigen Grundes macht einen Einziehungsbeschluss zwar nicht nichtig, jedoch anfechtbar (Westermann, in: Scholz, GmbHG, 12. Aufl., § 34 Rn. 48; OLG Stuttgart, Urt. v. 19.12.2012, Az. 14 U 10/12, juris Rz. 29).Randnummer148

(1) Allgemeine GrundsätzeRandnummer149

Ein die Ausschließung rechtfertigender wichtiger Grund kann in der Person oder dem Verhalten des auszuschließenden Gesellschafters liegen (BGH, NJW 1995, 1358Tz. 15; OLG Stuttgart, a.a.O., Rz. 31; Strohn, in: MüKo-GmbHG, 2. Aufl., § 34 Rn. 47, 123).Randnummer150

Er liegt dann vor, wenn ein Verbleiben des Gesellschafters in der Gesellschaft die gedeihliche Fortführung des Unternehmens in Frage stellen würde oder wenn aus sonstigen Gründen die Fortsetzung des Gesellschaftsverhältnisses mit ihm für die übrigen Gesellschafter unzumutbar ist (OLG Stuttgart, a.a.O., Rz. 31; s. auch z.B. BGH, GmbHR 1994, 408, 409; OLG Brandenburg, GmbHR 1998, 193).Randnummer151

Dabei hat eine umfassende Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände zu erfolgen (BGH, NJW 1995, 1358Tz. 15; BGH, NZG 2013, 1344 Rn. 15; OLG Stuttgart, Urt. v. 19.12.2012, Az. 14 U 10/12, juris Rz. 31; Strohn, in: MüKo-GmbHG, 2. Aufl., § 34 Rn. 47). Mehrere Vorwürfe, die jeweils für sich allein die Voraussetzungen des wichtigen Grundes nicht erfüllen, können in ihrer Gesamtheit dafür genügen (BGH, GmbHR 1987, 202, 203; OLG Brandenburg, GmbHR 1998, 193, 196; OLG Stuttgart, Urt. v. 19.12.2012, Az. 14 U 10/12, juris Rz. 31 a.E.).Randnummer152

Ein wichtiger Grund im Verhalten des Gesellschafters liegt etwa vor bei groben Pflichtverletzungen, die so schwer wiegen, dass nach umfassender Interessenabwägung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls eine andere Lösung den übrigen Gesellschaftern nicht zumutbar ist (BGH, GmbHR 1994, 408, 409; Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 34 Rn. 10). Beispiele für relevante Pflichtverletzungen können Verstöße gegen ein gesellschaftsvertragliches Wettbewerbsverbot oder gegen die gesellschafterliche Treuepflicht sein, aber auch sonstige erhebliche Verstöße gegen den Gesellschaftsvertrag, etwa die Verletzung der gesellschaftsvertraglich vorgegebenen Zuständigkeitsordnung (BGH, NJW-RR 1993, 1123, 1125; OLG Stuttgart, Urt. v. 19.12.2012, Az. 14 U 10/12, juris Rz. 34), oder sonstige Handlungen, durch die der Gesellschaft bewusst und unberechtigt Schaden zugefügt wird.Randnummer153

Ein tief greifendes Zerwürfnis zwischen den Gesellschaftern, verbunden mit einer Zerstörung ihres Vertrauensverhältnisses, rechtfertigt nicht ohne weiteres eine Ausschließung. Ein solches Zerwürfnis ist vielmehr nur dann ein Ausschließungsgrund, wenn es überwiegend von dem auszuschließenden Gesellschafter verursacht worden ist und in der Person des anderen Gesellschafters nicht ebenfalls zu einem Ausschließungsgrund führt (BGH, NJW-RR 1991, 1249Tz. 13; BGH, Urt. v. 24.09.2013, II ZR 216/11, juris Rz. 17; OLG Stuttgart, Urt. v. 19.12.2012, Az. 14 U 10/12, Rz. 35; Strohn, in: MüKo-GmbHG, 2. Aufl., § 34 Rn. 123).Randnummer154

Ein Verschulden des auszuschließenden GesellschaftersBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Verschulden
Verschulden des auszuschließenden Gesellschafters
ist für die Annahme eines wichtigen Grundes nicht zwingend erforderlich, liegt es vor, kann es aber für einen Ausschließungsgrund sprechen, während umgekehrt das Fehlen einer Schuld der Annahme eines wichtigen Grundes entgegenstehen kann (OLG Stuttgart, Urt. v. 19.12.2012, Az. 14 U 10/12, Rz. 36).Randnummer155

Auch Umstände, die nicht den Anlass für die Ausschließung betreffen, können bei der Gewichtung dieses Anlasses eine Rolle spielen, so etwa die Dauer der Zugehörigkeit des Gesellschafters zu der Gesellschaft, sein bisheriges Verhalten in der Gesellschaft, seine Verdienste um die Gesellschaft (OLG Stuttgart, Urt. v. 19.12.2012, Az. 14 U 10/12, Rz. 37).Randnummer156

Die Ausschließung eines Gesellschafters ist ultima ratio, also nur dann möglich, wenn das damit angestrebte Ziel nicht auf andere, weniger einschneidende Art erreicht werden kann (OLG Stuttgart, Urt. v. 19.12.2012, Az. 14 U 10/12, juris Rz. 43; Strohn, in: MüKo-GmbHG, 2. Aufl., § 34 Rn. 136).Randnummer157

(2) Anwendung auf den vorliegenden FallRandnummer158

Im vorliegenden Fall liegt ein die Ausschließung des Klägers rechtfertigender wichtiger Grund auch unter Berücksichtigung des genannten „ultima ratio“-Prinzips vor.Randnummer159

Der Kläger hat mehrere nach Einschätzung des Senats durchaus schwerwiegende Pflichtverletzungen insbesondere in Form der wiederholten Missachtung der gesellschaftlichen Zuständigkeitsordnung sowie des Verstoßes gegen seine Treuepflicht als Gesellschafter begangen. Er hat damit eine – wohl unstreitig vorhandene – schwerwiegende Zerrüttung des Vertrauensverhältnisses zur Mehrheitsgesellschafterin wenn nicht allein, so dann zumindest ganz überwiegend verschuldet.Randnummer160

Hinsichtlich des vom Landgericht in den Vordergrund gestellten Erfordernisses der Abmahnung ist schon zweifelhaft ist, ob eine Abmahnung geeignet war, das vollkommen zerrüttete Vertrauensverhältnis wieder herzustellen. Angesichts des Verhaltens des Klägers war jedenfalls nicht damit zu rechnen, dass er sein gesellschaftsvertragswidriges Verhalten grundlegend ändern würde, zumal vor dem Hintergrund, dass sein Verhalten schon in verschiedenerlei Hinsicht „stufenweise“ sanktioniert worden war, ohne dass dies eine Verhaltensänderung bewirkt hätte. Generell ist aber eine Abmahnung dann als entbehrlich anzusehen, wenn eine Negativprognose dergestalt besteht, dass eine Änderung des beanstandeten Verhaltens auch nach einer Abmahnung nicht zu erwarten ist (vgl. für das Arbeitsrecht Henssler, in: MüKo-BGB, 7. Aufl. 2016, § 626 Rn. 99).Randnummer161

(a) Dass eine schwerwiegende Zerrüttung des Vertrauensverhältnisses zwischen dem Kläger und der Stiftung als Mehrheitsgesellschafterin vorliegt, ist offensichtlich und wird vom Kläger auch nicht in Frage gestellt. Wie oben ausgeführt, reicht dies allein allerdings zum Ausschluss des Klägers aus der Gesellschaft nicht aus, vielmehr muss festgestellt werden, dass der auszuschließende Gesellschafter alleine oder ganz überwiegend die Zerrüttung verursacht hat, während die Gegenseite ihrerseits nicht selbst einen Ausschließungstatbestand verwirklicht hat. Diese Voraussetzungen liegen hier vor.Randnummer162

(aa) Grundursache für den Konflikt zwischen dem Kläger und der Stiftung als Mehrheitsgesellschafterin der Beklagten ist der Umstand, dass der Kläger seine, wie er es bezeichnet hat, „Entmachtung“ als früherer alleinvertretungsberechtigter Gesellschafter der Beklagten und Rektor der Hochschule – ohne auf dem Rechtswege gegen die entsprechenden Beschlüsse vorgegangen zu sein – tatsächlich nicht akzeptiert hat und zum Einen – auch öffentlich – immer wieder Stimmung gemacht hat gegen die neue Geschäftsführung der Beklagten, zum Anderen die Zuständigkeit der Geschäftsführung für die Vertretung der Beklagten im Außenverhältnis missachtet hat. Soweit er sich dabei angemaßt hat, die interessen der Beklagten nach außen hin wahrzunehmen, kommt erschwerend hinzu, dass er dabei auch Schäden für die Beklagte in Kauf nehmend Dritten gegenüber Aussagen über die finanziellen Probleme der Beklagten gemacht und Interna aus Gesellschafterversammlungen preisgegeben hat. Das Handeln des Klägers erscheint von dem Bemühen geprägt, seine „Entmachtung“, gegen die er rechtlich nicht – jedenfalls nicht nachhaltig – vorgegangen ist, auf anderem Weg, nämlich insbesondere durch öffentliche Diskreditierung der aktuellen Geschäftsführung und durch „Anschwärzen“ der Verantwortlichen bei öffentlichen Stellen, rückgängig zu machen.Randnummer163

(bb) Paradigmatisch für das Verhalten des Klägers ist sein Auftreten gegenüber dem MWK im Zusammenhang mit dem Reakkreditierungsverfahren, insbesondere sein Schreiben vom 14.01.2016.Randnummer164

Soweit er darin meinte, als Gesellschafter der Trägergesellschaft, Mitglied des Stiftungsvorstands und langjähriger ehemaliger Geschäftsführer und Sohn des Gründers der Schule die Rolle eines Beteiligten im Sinne von § 28 LVwVfG innezuhaben, ist das unzutreffend.Randnummer165

Allein zuständig für die Vertretung der Beklagten nach außen, also auch im vorliegenden Verwaltungsverfahren, ist deren Geschäftsführung. Dem Kläger, der zu diesem Zeitpunkt bereits als Geschäftsführer abberufen war, steht als bloßem Minderheitsgesellschafter die Befugnis, in einem die Beklagte betreffenden Verwaltungsverfahren eine Stellungnahme abzugeben, selbstverständlich nicht zu. Über diese grundlegende gesellschaftsrechtliche Zuständigkeitsordnung setzte sich der Kläger hinweg.Randnummer166

Wie sich etwa aus seinem Schreiben vom 31.10.2016 an die M. Unternehmensberatung ergibt, ist der Kläger auch bis zuletzt bei der Auffassung verblieben, dass er berechtigt sei, im vermeintlichen Interesse der Beklagten gegenüber dem MWK aufzutreten.Randnummer167

Hinzu kommt der Inhalt der schriftlichen Stellungnahme vom 14.01.2016, der in hohem Maße geeignet ist, der Beklagten zu Schaden.Randnummer168

Der Kläger behauptete in diesem Schreiben, dass sich die Trägergesellschaft mittlerweile in einer „wirtschaftlichen desaströsen Situation“ befinde. Laut Aussage der Geschäftsführung liege eine bilanzielle Überschuldung vor. Zur Vermeidung der Insolvenzverschleppung habe bereits ein entsprechendes Gutachten eingeholt werden müssen. Gespräche mit den Banken wegen möglicher Darlehen zur Überbrückung der finanziellen Notlage seien im Wesentlichen gescheitert.Randnummer169

Bereits diese Angaben stellen unabhängig von ihrem Wahrheitsgehalt eine Treuepflichtsverletzung vor. Ein Gesellschafter ist generell gehalten, Dritten gegenüber kreditschädigende Äußerungen zu unterlassen (OLG Dresden, NZG 1999, 1220, 1221; Roth, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, 8. Aufl., § 13 Rn. 51; Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 21. Aufl., § 13 Rn. 28). Zwar liegt hier insofern eine Besonderheit vor, als die Angaben gegenüber einer öffentlichen Stelle gemacht wurden, der, worauf der Kläger hinweist, weitgehende Informationsrechte im Rahmen des laufenden Verwaltungsverfahrens zur Reakkreditierung zustehen. Dies rechtfertigt aber die Aussagen, die zweifellos geeignet sind, der Beklagten im für das Überleben der Gesellschaft sehr wichtigen Reakkreditierungsverfahren zu Schaden, nicht. Unabhängig davon, dass dem MWK weitgehende Informationsrechte zustehen mögen, verstößt es gegen die gesellschafterliche Treuepflicht, unabgestimmt und ohne Anforderung durch das MWK von sich aus Interna über die – schlechte – finanzielle Lage der Beklagten nach außen zu geben. Schon gar nicht entspricht es der gesellschafterlichen Treuepflicht, diese Daten negativ zu bewerten (Stichwort: „desaströs“).Randnummer170

Erst recht hat der Kläger evident gegen seine gesellschafterliche Treuepflicht verstoßen, indem er gegenüber dem MWK der aktuellen Geschäftsführung faktisch die Kompetenz abgesprochen hat, die Hochschule zu retten, während er selbst angeblich über ein – bis heute nicht näher erläutertes – geeignetes Konzept verfüge, und dabei die Leistung der aktuellen Geschäftsführung extrem negativ bewertet und als Hemmnis für die von ihm angestrebte Rettung der Hochschule dargestellt hat. So vertrat der Kläger in dem Schreiben etwa die Auffassung, durch die neu eingesetzte Geschäftsführung und die neue Hochschulleitung werde die von ihm geschaffene, enge Verflechtung der Hochschule mit der regionalen Industrie „ernsthaft gefährdet“. Wichtige Kooperationspartner der Hochschule hätten zur neu eingesetzten Geschäftsführung „kein Vertrauen“. Durch seine Abberufung und sofortige Freisetzung sei „ein weiteres Einwerben von Drittmitteln und die Durchführung von Forschungsvorhaben nicht mehr möglich, der Fortbestand der Hochschule … ernsthaft gefährdet“. Bei der neuen Geschäftsführung seien „von Anfang an auch in betriebswirtschaftlicher Hinsicht Unregelmäßigkeiten aufgetreten“. Der neue Geschäftsführer übe sein Amt in Form einer „Teilzeitbeschäftigung“ aus und beziehe zudem ein „unangemessen hohes“ Geschäftsführergehalt.Randnummer171

Diese negative Bewertung der Kompetenz und der Arbeit der aktuellen Geschäftsführung gegenüber dem MWK konnte für die angestrebte Reakkreditierung nur negativ sein und schadete damit potentiell der Beklagten erheblich, was für den Kläger ohne weiteres erkennbar war. Es verstößt evident gegen die gesellschafterliche Treuepflicht, wenn ein Gesellschafter nicht nur seine gesellschaftsrechtlichen Kompetenzen überschreitet und sich überhaupt in ein die Gesellschaft betreffendes Verwaltungsverfahren einmischt, sondern dabei auch noch durch negative Bewertungen der Arbeit der aktuellen Geschäftsführung diese zu diskreditieren – und sich selbst als geeignete Leitungsperson ins Spiel zu bringen – versucht.Randnummer172

(cc) Eine weitere aus Sicht des Senates gravierende Pflichtverletzung hat der Kläger begangen, indem er im Anschluss an die Gesellschafterversammlung vom 21.10.2016 wichtige Interna öffentlich bekannt gemacht hat, nämlich insbesondere den Umstand, dass die Gesellschafterversammlung den grundsätzlichen Beschluss gefasst hatte, die Hochschule zu schließen (vgl. zur Pflicht des Gesellschafters, Interna, die er über seine Stellung als Gesellschafter erlangt hat, vertraulich und nicht zum Schaden der Gesellschaft einzusetzen z.B. OLG Brandenburg, GmbHR 1998, 193, 195; Seibt, in: Scholz, GmbHG, 12. Aufl., § 14 Rn. 112; Raiser, in Großkommentar zum GmbHG, § 14 Rn. 98).Randnummer173

Es obliegt alleine der Geschäftsführung, zu entscheiden, wann und auf welche Weise man einen derartigen Beschluss nach außen kommuniziert.Randnummer174

Die Rechtfertigung des Klägers für sein Vorgehen überzeugt nicht. Er meint, er habe im Rahmen des von der Gesellschafterversammlung gefassten Beschlusses agiert, wonach weiterhin die Möglichkeit bestehe, eine tragfähige Lösung vorzulegen, um die Hochschule weiterzuführen. Dieser Gesellschafterbeschluss kann aber nicht so verstanden werden, dass damit ein Auftrag an einzelne Gesellschafter verbunden war, öffentlich zur Gründung einer Konkurrenzhochschule aufzurufen, was der Kläger getan hat. Und der Beschluss rechtfertigt insbesondere auch nicht die unabgestimmte Preisgabe vertraulicher Informationen aus der Gesellschafterversammlung.Randnummer175

Was die Argumentation der Beklagten anbelangt, der Kläger habe gegen ein Wettbewerbsverbot verstoßen, begegnet dies hingegen insofern Bedenken, als nach der Rechtsprechung der Minderheitsgesellschafter grundsätzlich keinem Wettbewerbsverbot unterliegt (s. nur Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 21. Aufl., § 13 Rn. 28 m.w.N.).Randnummer176

(dd) Unter dem Gesichtspunkt der Treuepflicht als Gesellschafter zumindest problematisch ist auch öffentliche und teils unsachliche Kritik des Klägers an der aktuellen Geschäftsführung, soweit der Kläger damit offensichtlich vor allem Druck ausüben und seine „Entmachtung“ rückgängig machen will. Zu nennen ist insbesondere das Zeitungsinterview vom 13.12.2015 (Anl. B 38), in dem er die aktuelle Entwicklung bei der Beklagten als „Totalschaden“ bezeichnet und sich „massiv“ dagegen wehrt, dass es bei der Beklagten unter den jetzigen Verantwortlichen einen „Aufwärtstrend“ gebe.Randnummer177

Zumindest derartige unsachliche und pauschale öffentliche Kritik, die unter billigender Inkaufnahme eines Ansehensverlusts der Beklagten erfolgt, um im Rahmen einer gesellschaftsinternen Auseinandersetzung Druck auf die Gegenseite zu erzeugen, verstößt nach Auffassung des Senates gegen die gesellschafterliche Treuepflicht.Randnummer178

(ee) Zu der Zerrüttung des Verhältnisses beigetragen hat der Kläger weiter, indem er mit einer Strafanzeige gegen den Vorstandsvorsitzenden der Stiftung B. und dessen Stellvertreter (Bürgermeister M.) wegen „Hausfriedensbruchs“ gedroht hat, die er zudem während des Wahlkampfes des Bürgermeisters publik machen wollte, und indem er anlässlich eines Gesprächs am 07.09.2016 den neuen Geschäftsführer der Beklagten aggressiv bedroht haben soll („ich komme zu Ihnen rüber“).Randnummer179

Diese detailliert geschilderten Vorfälle hat der Kläger – trotz nochmaligen Befragens im Rahmen der mündlichen Verhandlung – allenfalls in aller Pauschalität und damit nicht hinreichend substantiiert bestritten. Sie fügen sich in das Bild eines völlig zerrütteten Verhältnisses zu der Stiftung als Mehrheitsgesellschafterin, die hinter der neuen Geschäftsführung steht, ein.Randnummer180

(b) Auch wenn im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtabwägung aller Umstände zu Gunsten des Klägers seine langjährige Tätigkeit als Geschäftsführer der Beklagten sowie als Rektor der Schule und sein – auch familiär bedingtes – besonderes Näheverhältnis zur x einzustellen sind, fällt die Gesamtabwägung angesichts der oben geschilderten Umstände zu Lasten des Klägers aus. Der Kläger hat mindestens ganz überwiegend und teilweise durch gravierende Verletzungen seiner Pflichten als Gesellschafter zu der Zerrüttung des Vertrauensverhältnisses beigetragen, weshalb die Einziehung seines Geschäftsanteils und sein damit verbundener Ausschluss als Gesellschafter gerechtfertigt ist.Randnummer181

(c) Die Einziehung ist auch ungeachtet dessen gerechtfertigt, dass sie, wie bereits oben ausgeführt, als „gravierendste gesellschaftsrechtliche Sanktion“ (OLG Dresden, NZG 1999, 29, 30) nur das äußerste Mittel, die „ultima ratio“, darstellt.Randnummer182

Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass die Beklagte das Verhalten des Klägers in abgestufter Form mehrfach bereits sanktioniert hatte, ohne dass eine grundlegende Verhaltensänderung erkennbar gewesen war. So war, nachdem ihm am 15.02.2015 zunächst ein weiterer Geschäftsführer an die Seite gestellt und die Einzelvertretungsbefugnis entzogen wurde, der Kläger im Dezember 2015 zunächst als Geschäftsführer abberufen worden, am 18.03.2016 war sodann nach weiteren Vorfällen der Anstellungsvertrag außerordentlich gekündigt worden und im September 2016 hatte nochmals ein Gespräch zwischen dem Kläger und Geschäftsführer D. stattgefunden, bei dem dieser vom Kläger die Einhaltung „normaler Abläufe“ sowie die Einstellung des für die Gesellschaft unvorteilhaften Verhaltens gefordert hatte, bevor dann schließlich im Dezember 2016 die freiwillige Abtretung der Geschäftsanteile verlangt und die zwangsweise Einziehung angedroht wurde.Randnummer183

Zwar fehlt es an einer förmlichen Abmahnung, bei der der Kläger konkret unter Androhung der Sanktion des Entzugs der Gesellschaftsanteile nochmals zur Unterlassung der beanstandeten Pflichtverletzungen aufgefordert worden wäre. Eine solche war aber hier – anders als das Landgericht gemeint hat – entbehrlich.Randnummer184

Zum einen ist eine Abmahnung bei einmaligen (so im Falle OLG Dresden, NZG 1999, 29, 30) und/oder weniger gravierenden Pflichtverletzungen eine ausreichende und geeignete Sanktion, nicht hingegen bei wiederholten Pflichtverletzungen, die zu einer grundlegenden Zerrüttung des Vertrauensverhältnisses geführt haben. Zum anderen gilt bei der Abmahnung der allgemeine Grundsatz, dass sie entbehrlich ist, wenn eine Negativprognose dergestalt besteht, dass eine Änderung des beanstandeten Verhaltens auch nach einer Abmahnung nicht zu erwarten ist (vgl. für das Arbeitsrecht Henssler, in: MüKo-BGB, 7. Aufl. 2016, § 626 Rn. 99). Eine solche Negativprognose war vorliegend anzunehmen. Dem Kläger hatten die abgestuften bereits erfolgten Sanktionen keinen Anlass zur Verhaltensänderung gegeben. Auch als der Entzug der Gesellschaftsanteile im Dezember 2016 konkret angedroht und dem Kläger nochmals Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben wurde, hat dieser – ebenso wie im Übrigen im Laufe dieses Verfahrens – in keiner Weise Pflichtverletzungen eingeräumt und eine Änderung des Verhaltens in Aussicht gestellt, sondern er beharrt darauf, dass z.B. sein Auftreten gegenüber dem MWK zulässig gewesen sei und keine Verletzung seiner gesellschafterlichen Treuepflicht dargestellt habe. Unter diesen Umständen brauchte die Beklagte den Kläger nicht nochmals förmlich abzumahnen, sondern konnte als letzte gesellschaftsrechtliche Sanktion unmittelbar die Einziehung des GeschäftsanteilsBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Einziehung
Einziehung des Geschäftsanteils
Geschäftsanteils
beschließen.Randnummer185

cc) Verstoß gegen §§ 34 Abs. 3, 30 Abs. 1 GmbHGRandnummer186

Die Einziehung verstößt auch nicht gegen §§ 34 Abs. 3, 30 Abs. 1 GmbHG.Randnummer187

Aus § 34 Abs. 3, 30 Abs. 1 GmbHG folgt u.a., dass die Abfindung aus dem freien, ungebundenen Vermögen der GmbH gezahlt werden können muss. Ein Verstoß gegen § 34 Abs. 3, 30 Abs. 1 GmbHG führt zur Nichtigkeit des Einziehungsbeschlusses.Randnummer188

Der Kläger hat vorgetragen, am 31.08.2016 habe eine bilanzielle Überschuldung in Höhe von 399.669,67 € bestanden. Selbst wenn wohl davon ausgegangen werden kann, dass diese bilanzielle Überschuldung im Zeitpunkt des Einziehungsbeschlusses im Wesentlichen unverändert fortbestand, kommt es – anders als der Kläger meint – darauf nicht entscheidend an.Randnummer189

Maßgebend für das Vorliegen einer bilanziellen Überschuldung ist nämlich nicht der Zeitpunkt des Einziehungsbeschlusses, sondern der der Auszahlung der Abfindung (h.M., s. z.B. H.P. Westermann, in: Scholz, GmbHG, § 34 Rn. 51 m.w.N.; die Gegenauffassung stellt auch nicht auf den Zeitpunkt des Beschlusses, sondern auf den der Fälligkeit der Abfindung ab). Der Einziehungsbeschluss ist deshalb nur dann nichtig, wenn im Zeitpunkt der Einziehung schon feststeht, dass für die zu gewährende Abfindung der Gesellschafter kein ausreichendes freies Vermögen zur Verfügung stehen wird (BGH, NJW 2000, 2189; BGH, NJW 2011, 2294, 2295; Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 21. Aufl., § 34 Rn. 12). Das hat der Kläger, der allein auf die bilanzielle Überschuldung im Zeitpunkt der Einziehungsentscheidung abhebt, schon nicht behauptet.Randnummer190

Die Beklagte hat – insoweit unwidersprochen – vorgetragen, dass durch den im Zeitpunkt der Einziehung bereits beschlossenen Verkauf der Grundstücke an die Stadt I. zum Preis von 1,5 Mio. € und die damit verbundene Aktivierung von stillen Reserven die bilanzielle Überschuldung überwunden war. Da die Abfindung erst nach dem kurze Zeit nach dem Beschluss erwarteten – und auch erfolgten – Zufluss des Kaufpreises und damit nach Behebung der bilanziellen Überschuldung zu leisten war, kann ein Verstoß gegen §§ 34 Abs. 3, 30 Abs. 1 GmbHG nicht festgestellt werden.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.Randnummer192

Der Streitwert wurde in Übereinstimmung mit der Angabe des Klägers und der Festsetzung des Landgerichts bestimmt; angesichts des ideellen Interesses des Klägers am Verbleib in der Gesellschaft erscheint ein Aufschlag gegenüber dem reinen Nennwert gerechtfertigt.Randnummer193

Die Revision war nicht zuzulassen, nachdem die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Die entscheidungserheblichen Rechtsfragen sind abstrakt geklärt; streitentscheidend ist lediglich deren Anwendung im Einzelfall.

Löffler I www.K1.de I www.gesellschaftsrechtskanzlei.com I Gesellschaftsrecht I Gesellschafterstreit I Erfurt I Thüringen I Sachsen I Sachsen-Anhalt I Hessen I Deutschland 2022

Schlagworte: Ausschließen, Ausschließung, Ausschließung durch Beschluss, Ausschließung durch Gestaltungsurteil, Ausschließung in BGB-Gesellschaft, Ausschließungsklage, Ausschließungsvoraussetzungen ungleich eines wichtigen Grundes, Ausschluss, Ausschluss BGB-Gesellschafter, Ausschluss der Ausschließung in der Satzung, Ausschluss des Gesellschafters, Ausschluss des Mehrheitsgesellschafters, Ausschluss Gesellschafter, Ausschluss GmbH-Gesellschafter, Ausschluss Kommanditist, Ausschluss Komplementär, Ausschluss OHG-Gesellschafter, Ausschluss- oder Einziehungsbeschluss, Ausschlussbeschluss aufgrund Satzungsgrundlage, Ausschlussgrund, Ausschlussklage, Ausschlussklauseln in Satzung, Auszuschließender hat Zerwürfnis durch sein Verhalten überwiegend verursacht, Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen eines wichtigen Grundes, Einberufung, Einberufung aufgrund gesellschaftsvertraglicher Regelungen, Einberufung der Gesellschafterversammlung, Einberufung der Hauptversammlung, Einberufung durch Delegation, Einberufung durch E-Mail, Einberufung durch einvernehmliche Festlegung aller Gesellschafter, Einberufung durch faktischen Geschäftsführer, Einberufung durch Fax Einberufung durch Geschäftsführer, Einberufung durch Gesellschafter, Einberufung durch Gesellschafter ohne Selbsthilferecht, Einberufung durch gewöhnlichen Brief, Einberufung durch Liquidatoren, Einberufung durch Nichtberechtigten, Einberufung durch Notgeschäftsführer, Einberufung durch Prokuristen, Einberufung mit schwersten Form- und Fristmängeln, Einberufung nach Maßgabe der Gesellschafterliste, Einberufung ohne Selbsthilferecht, Einberufung und Ankündigung durch eine Gesellschafterminderheit, Einberufungsform Einberufungsfrist, Einberufungsfrist bei Einberufungsverlangen, Einberufungsinhalt Einberufungsmängel, Einberufungsmängel bei der Publikums-GmbH, Einberufungsmängel gemäß § 241 Nr. 1 AktG analog, Einberufungspflicht, Einberufungsrecht, Einberufungsverlangen, Einberufungszuständigkeit, Einziehung, Einziehung bei satzungswidriger Veräußerung des Geschäftsanteils, Einziehung des Geschäftsanteils, Einziehung scheitert, Einziehung trotz Unterkapitalisierung, Einziehung von Geschäftsanteilen, Einziehung von Geschäftsanteilen/ Aufstockung, Einziehungsbeschluss, Einziehungsbeschluss nur zum Schein, Einziehungserklärung, Erweiterung der wichtigen Gründe, Gesellschafterausschluss und Abfindung, Gesellschafterversammlung, Gesellschafterzerwürfnis, jeder Gesellschafter kann abberufen werden selbst wenn sein Beitrag zum Zerwürfnis geringer ausfällt, Kein wichtiger Grund, kein wichtiger Grund wenn in Person des anderen Gesellschafters ebenso ein wichtiger Grund vorliegt, Keine Übereinstimmung von wichtiger Grund für Abberufung und für Beendigung des Anstellungsvertrags, Nachschieben von Anfechtungsgründen, Nichtigkeitsgründe, Nichtigkeitsklage nach § 249 Abs. 1 Satz 1 AktG analog, NIchtteilnahme eines Teilnahmeberechtigten, selbst wenn sein Beitrag zum Zerwürfnis geringer ausfällt, Teilnahmerechte, Wenn in Person des verbleibenden Gesellschafters selbst ein Ausschlussgrund vorliegt oder das Mitverschulden zur Milderung des wichtigen Grundes führt, Wichtige Gründe für Ausschluss, Wichtige Gründe für Einziehung, Wichtiger Grund, wichtiger Grund in der Rechtsprechung, wichtiger Grund liegt tatsächlich vor, Zerwürfnis, Zerwürfnis Gesellschafter, Zerwürfnis von Gesellschaftern, Zwangseinziehung des Geschäftsanteils

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OLG Stuttgart, Urteil vom 15. März 2017 – 14 U 3/14

Mittwoch, 15. März 2017

Auslegung gesellschaftsvertragliches WettbewerbsverbotBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Auslegung
Auslegung gesellschaftsvertragliches Wettbewerbsverbot
Wettbewerbsverbot

§ 1 GWB, § 138 BGB, § 319 Abs 1 S 1 BGB, § 113 HGB, Nr 96 ErbStR 2003, Art 12 Abs 1 GG

1. Rein kapitalistische Minderheitsbeteiligungen eines Gesellschafter-Geschäftsführers an einer Konkurrenzgesellschaft ohne Einfluss auf deren Geschäftsführung, ohne Tätigkeit im Unternehmen und ohne Möglichkeit, dieses zu beherrschen oder Einfluss auf unternehmerische Entscheidungen zu nehmen, sind im Regelfall unbedenklich und von der sachlichen Reichweite eines Wettbewerbsverbots des Gesellschafter-Geschäftsführers nicht umfasst.

2. Eine gesellschaftsvertragliche Regelung oder eine Regelung im Anstellungsvertrag, die ein Wettbewerbsverbot des Gesellschafter-Geschäftsführers vorsieht, muss im Lichte von Art. 12 Abs. 1 GG ausgelegt werden; sie erfasst ihrem rechtlich unbedenklichen Sinn und Zweck nach, die Gesellschaft vor der Aushöhlung von innen her zu schützen, im Regelfall nicht den rein kapitalistischen Erwerb einer Minderheitsbeteiligung an einem Konkurrenzunternehmen und ist ggf. entsprechend einschränkend auszulegen.

3. Zu den Anforderungen an die Darlegung eines Schadens, der Wahrscheinlichkeit eines Schadens bzw. gezogenen Vorteilen, soweit Ansprüche auf Schadensersatz, Auskunft, Vorteilsherausgabe sowie ein Eintrittsrecht analog § 113 HGB auf den Verstoß gegen ein gesellschaftsrechtliches Wettbewerbsverbot gestützt werden.

4. Einem Minderheitsgesellschafter stehen eigene Ansprüche aus der Verletzung eines gesellschaftsvertraglichen Wettbewerbsverbots durch einen Mitgesellschafter nur dann zu, wenn er einen über den durch die Minderung des Gesellschaftsvermögens im Wert seines Geschäftsanteils eingetretenen Reflexschaden hinausgehenden eigenen Schaden erlitten hat.

5. Eine im Gesellschaftsvertrag enthaltene Klausel, wonach eine anlässlich des Ausscheidens eines Gesellschafters zu leistende Abfindung nach dem im sog. „Stuttgarter Verfahren“ ermittelten Wert seines Anteils berechnet wird, ist grundsätzlich wirksam und für die Parteien verbindlich.

6. Zu der Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Schiedsgutachten zur Ermittlung des Anteilswertes nach dem „Stuttgarter Verfahren“ offenbar unrichtig im Sinne von § 319 Abs. 1 Satz 1 BGB ist und welche Umstände bei der Bewertung nach dem Stuttgarter Verfahren im Einzelnen zu berücksichtigen sind.

7. Eine gesellschaftsvertragliche Abfindungsregelung, die an eine Anteilsbewertung nach dem Stuttgarter Verfahren anknüpft, kann unanwendbar und der Abfindungsbetrag anzupassen sein, wenn der sich nach dem Stuttgarter Verfahren ergebende Anteilswert vom tatsächlichen Verkehrswert des Anteils erheblich abweicht. Das gilt auch dann, wenn der tatsächliche Verkehrswert deutlich niedriger liegt als der nach Stuttgarter Verfahren ermittelte Anteilswert.

8. Zur Berechnung des tatsächlichen Wertes eines Gesellschaftsanteils auf der Grundlage des Ertragswertverfahrens.

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Auf die Widerklage wird die Klägerin Ziff. 1 verurteilt, an den Beklagten € 1.102.500,- nebst Zinsen in Höhe von 2% über dem jeweiligen Basiszinssatz aus jeweils € 367.500,- seit 04.08.2010, 04.02.2011 und 04.08.2011 zu bezahlen.

3. Im Übrigen wird die Widerklage abgewiesen.

2. Die Berufungen der Klägerinnen im Übrigen sowie die Anschlussberufung des Beklagten werden

zurückgewiesen.

3. Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens sowie des Berufungsverfahrens werden wie folgt aufgeteilt:

Die Gerichtskosten tragen der Beklagte zu 12%, die Klägerin Ziff. 2 zu 2,5% und die Klägerin Ziff. 1 zu 85,5%. Die außergerichtlichen Kosten des Beklagten tragen die Klägerin Ziff. 2 zu 2,5% Klägerin Ziff. 1 zu 85,5%. Die außergerichtlichen Kosten der Klägerin Ziff. 1 trägt zu 12% der Beklagte. Die außergerichtlichen Kosten der Klägerin Ziff. 2 trägt zu 50% der Beklagte. Im Übrigen findet eine Kostenerstattung nicht statt.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110% des auf Grund des Urteils gegen ihn vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

5. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 1.927.800 € festgesetzt.

Gründe

I.

1. Die Klägerinnen machen mit ihrer Klage Unterlassungs-, Auskunfts- und Schadensersatzansprüche geltend, die auf einen Verstoß des Beklagten – ehemaliger Geschäftsführer und Gesellschafter der Klägerin Ziff. 1 – gegen ein insbesondere aus dem Gesellschaftsvertrag abgeleitetes Wettbewerbsverbot gestützt werden.Randnummer2

Mit seiner Widerklage macht der Beklagte seinerseits Wettbewerbsverstöße der Klägerinnen geltend; darüber hinaus verlangt er von der Klägerin Ziff. 1 die Zahlung einer ihm infolge seines Ausscheidens als Gesellschafter zustehenden Abfindung.Randnummer3

Die Klägerin Ziff. 2 ist ein …. Konzern, der insbesondere vollautomatische Verpackungsmaschinen herstellt.Randnummer4

Die Klägerin Ziff. 1 ist die deutsche Vertriebsgesellschaft der Klägerin Ziff. 2. Sie wurde gemeinsam vom Beklagten und der Rechtsvorgängerin der Klägerin Ziff. 2, der X., am 27.10.2000 gegründet. Der Beklagte war zunächst mit 50%, im Jahre 2006 noch mit 49% an der Klägerin Ziff. 1 beteiligt. Die übrigen Geschäftsanteile hielten ein Herr W. mit 1% sowie die Klägerin Ziff. 2 mit 50%. Zugleich war der Beklagte seit ihrer Gründung bis 31.12.2006 einzelvertretungsberechtigter Geschäftsführer der Klägerin Ziff. 1.Randnummer5

Die X. wurde zwischenzeitlich auf die Klägerin Ziff. 2 verschmolzen. Zuvor wurden die Gesellschaftsanteile der X. von der Klägerin Ziff. 2 gehalten. An letzterer wiederum waren als Gesellschafter ein Herr Dr. A. A. sowie dessen Kinder, E. A. und V. A. beteiligt. Die Familie A. ist zugleich Mitgesellschafterin einer Fa. A..Randnummer6

Der Gesellschaftsvertrag der Klägerin Ziff. 1 (Anl. K 9) enthält u.a. folgende Regelungen:Randnummer7

„§ 12 Kündigung der GesellschaftRandnummer8

(1) Eine Kündigung ist mit sechsmonatiger Frist auf das Ende eines Geschäftsjahres zulässig. …Randnummer9

(2) Die Kündigung der Gesellschaft hat nicht deren Auflösung zur Folge. Vielmehr wird die Gesellschaft unter Ausscheiden des kündigenden Gesellschafters von den übrigen Gesellschaftern, ggf. vom letzten verbleibenden Gesellschafter, fortgesetzt. Der kündigende Gesellschafter ist verpflichtet, nach Wahl der Gesellschaft seinen Geschäftsanteil ganz oder geteilt an die Gesellschaft selbst oder an einen oder mehrere Gesellschafter anzubieten.

(3) Der ausscheidende Gesellschafter erhält ein Entgelt nach § 13 dieses Vertrages. Ein Zurückbehaltungsrecht wegen dieses Entgelts ist ausgeschlossen.

§ 13 EntgeltRandnummer12

(1) Zur Berechnung des Entgelts in Fällen der §§ 10 Ziff. 6, 11 Ziffer 3 und 12 Ziffer 3 des Gesellschaftsvertrags ist auf den für die Bewertung des Geschäftsanteils maßgeblichen Stichtag eine Bilanz aufzustellen. Gleichzeitig ist eine Unternehmensbewertung nach dem Stuttgarter Verfahren durch einen Wirtschaftsprüfer durchzuführen. Können sich die Beteiligten über Bilanzansätze und/oder die Person des Wirtschaftsprüfers zur Unternehmensbewertung nicht einigen, so sind die Bilanzansätze durch einen von der Industrie- und Handelskammer Region S. zu benennenden Sachverständigen als Schiedsgutachter festzustellen und ist die Person des Wirtschaftsprüfers durch die Industrie- und Handelskammer Region S. zu benennen.

(3) Die Auszahlung des Entgelts erfolgt in drei gleichen Halbjahresraten, wovon die erste Rate drei Monate nach Feststellung des Entgelts fällig wird, die weiteren Raten jeweils sechs Monate später. …Randnummer14

(4) Das Entgelt ist mit 2% über dem jeweiligen Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank zu verzinsen, höchstens jedoch mit 2% über dem aktuellen Kontokorrentzinssatz der Gesellschaft. …

§ 16 Wettbewerb

(1) Ein Gesellschafter darf, solange er Gesellschafter ist, der Gesellschaft in deren Geschäftszweig weder mittelbar noch unmittelbar, gelegentlich oder gewerbsmäßig Konkurrenz machen, noch sich an einem Konkurrenzunternehmen beteiligen, mit Ausnahme von einem bereits bei Gründung der Gesellschaft von einem Gesellschafter bereits betriebenem Geschäftszweig oder einer bereits gehaltenen Beteiligung.Randnummer17

…“

Wegen des weiteren Inhalts des Gesellschaftsvertrags wird auf Anl. K 9 verwiesen.Randnummer19

In § 1 Abs. 4 des zwischen dem Beklagten und der Klägerin Ziff. 1 abgeschlossenen Anstellungsvertrags (Anl. K 10) heißt es:Randnummer20

„Herr B. wird seine beruflichen Kenntnisse und Erfahrungen und seine gesamte Arbeitszeit ausschließlich der Gesellschaft zur Verfügung stellen. Andere geschäftliche Tätigkeiten wie die Übernahme von Ehrenämtern, Beiratsposten oder ähnliche Funktionen bedürfen der vorherigen schriftlichen Zustimmung der Gesellschaft“.Randnummer21

Im Frühjahr des Jahres 2006 kam es zum Streit zwischen den Parteien. Der Beklagte kündigte daraufhin – unstreitig wirksam – mit Schreiben vom 23.06.2006 zum 31.12.2006 seine Gesellschaftsbeteiligung an der Klägerin Ziff. 1. Er übertrug mit notariellem Kauf- und Abtretungsvertrag vom 09.02.2007 (Anl. K 3 und B 10) auf der Grundlage von § 12 Ziff. 2 Satz 3 des Gesellschaftsvertrags der Klägerin Ziff. 1 seinen Geschäftsanteil rückwirkend zum 31.12.2006 auf die Klägerin Ziff. 1. Ebenfalls zum 31.12.2006 kündigte er seinen Anstellungsvertrag als Geschäftsführer.Randnummer22

Bereits am 31.05.2006 hatte der Beklagte über eine Treuhandkonstruktion eine Gesellschaftsbeteiligung in Höhe von 12% am Aktienkapital einer Y. erworben (s. Treuhandvertrag, Anl. K 5). Diese …. Gesellschaft befasst sich ebenfalls mit der Herstellung von Verpackungsmaschinen und war auch bereits im Mai 2006 auf dem deutschen Markt tätig.Randnummer23

Im Hinblick auf § 3 Ziff. 1 des Vertrags vom 09.02.2007, der auf das im Gesellschaftsvertrag geregelte Verfahren zur Bestimmung des dem Beklagten zustehenden Abfindungsanspruchs verwies und nähere Einzelheiten regelte, einigten sich der Beklagte und die Klägerin Ziff. 1 auf den Wirtschaftsprüfer Dr. P. als verantwortlichen Gutachter für die Durchführung der Unternehmensbewertung. In diesem Zusammenhang fand auch zur Klärung des genauen Auftrags eine Besprechung zwischen dem Gutachter, der Klägerin Ziff. 1 und dem Beklagten statt (vgl. das Schreiben des Gutachters vom 12.03.2009, GA 282 ff.).Randnummer24

Der Gutachter Dr. P. errechnete unter Anwendung des im Gesellschaftsvertrag vorgesehenen Stuttgarter Verfahrens mit Stellungnahme vom 23.12.2009 (Anl. B 11) einen Wert der Beteiligung des Beklagten in Höhe von 1.102.500 €.Randnummer25

Über die Feststellung des JahresabschlussesBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Feststellung
Feststellung des Jahresabschlusses
2006, der in die Berechnung des Gutachters Dr. P. eingeflossen war, war ein Rechtsstreit in Form einer Anfechtungsklage vor dem Landgericht Stuttgart anhängig, die der Mitgesellschafter T. W. erhoben hatte. Im Februar 2010 wurde dieser Rechtsstreit durch Klagerücknahme erledigt. Vor dem Hintergrund dieses Ende 2009 noch anhängigen Rechtsstreits bezeichnete der Gutachter P. seine Stellungnahme als vorläufig. Mit Schreiben vom 30.04.2010 an die Klägerin Ziff. 1 und den Beklagten (Anl. B 12) erklärte der Gutachter, dass seine Stellungnahme nunmehr nach Rücknahme der Anfechtungsklage als endgültig anzusehen sei.Randnummer26

Mit vorgerichtlichen Schreiben vom 23.04.2010 (Anl. B 16), 22.10.2010 sowie 01.02.2011 mahnte der Beklagte die seiner Auffassung nach jeweils fälligen Raten der geltend gemachten Abfindung an.Randnummer27

Die Klägerinnen haben behauptet,Randnummer28

der Erwerb der Anteile an der Y. sei ohne unmittelbare Gegenleistung erfolgt; es „müsse davon ausgegangen werden“, dass der Beklagte die Anteile namentlich dafür erhalten habe, dass er bereit war, während seines noch laufenden Wettbewerbsverbotes im Jahre 2006 die Geschäftstätigkeit des Wettbewerbsunternehmens „nicht unerheblich zu fördern“ und insbesondere Großkunden wie z.B. die Firma K. abzuwerben.Randnummer29

Es sei deshalb „hochwahrscheinlich“, dass neben dem beanstandeten Erwerb der Anteile an der Y. weitere Wettbewerbsverstöße bzw. Pflichtverletzungen begangen worden seien. Ein Indiz hierfür sei insbesondere, dass es in den Folgejahren 2007 und 2008 zu Umsatzeinbrüchen bei der Klägerin Ziff. 1 gekommen sei.Randnummer30

Außerdem habe der Beklagte mit Hilfe von „Täuschungshandlungen“ ein System bei deutschen und ausländischen Lieferanten des X-Konzerns zur Erhöhung von Einkaufspreisen bei Waren unterhalten, wie sich aus der als Anlage K 20 vorgelegten Anklageschrift ergebe.Randnummer31

Die Klägerinnen haben die Auffassung vertreten, der Kläger habe durch den Erwerb der Beteiligung an der Y. gegen das in § 16 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrags normierte Wettbewerbsverbot verstoßen.Randnummer32

Auch aus dem Anstellungsvertrag, dort § 1 Abs. 4, ergebe sich ein Wettbewerbsverbot, gegen das der Kläger verstoßen habe.Randnummer33

Im Übrigen bestehe während der Tätigkeit des Beklagten als Geschäftsführer der Klägerin Ziff. 1 ein umfassendes gesetzliches WettbewerbsverbotBitte wählen Sie ein Schlagwort:
gesetzliches Wettbewerbsverbot
Wettbewerbsverbot
.Randnummer34

Den Klägerinnen stünden Ansprüche auf Herausgabe bzw. Abschöpfung des vom Beklagten mit dem Wettbewerbsverstoß erzielten Gewinns sowie Auskehrung hieraus bezogener Vergütungen zu. Dabei sei der verbotswidrig erzielte Gewinn auf die Weise zu berechnen, dass die Differenz zu bilden sei zwischen dem Verkehrswert der Beteiligung und etwaigen tatsächlich vom Beklagten getätigten Erwerbsaufwendungen. Darüber hinaus seien die Klägerinnen Ziff. 1 und Ziff. 2 auch zum Selbsteintritt in die vom Beklagten im Zuge des behaupteten Wettbewerbsverstoßes geschlossenen Geschäfte berechtigt.Randnummer35

Außerdem habe der Beklagte durch den Erwerb einer Beteiligung an einem Wettbewerbsunternehmen den Klägerinnen in unlauterer Weise Wettbewerb gemacht. Hieraus ergäben sich Schadensersatzansprüche aus §§ 3, 4 Nr. 10, 9 UWG.Randnummer36

Die Klägerinnen haben in erster Instanz zuletzt beantragt:Randnummer37

1. Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, den Klägerinnen sämtlichen Schaden zu ersetzen, der diesen seit dem 31. Mai 2006 oder zuvor daraus entstanden ist und künftig entstehen wird, dass der Beklagte eine Beteiligung an der Y. unter Verstoß gegen ein ihm obliegendes Wettbewerbsverbot erworben hat.Randnummer38

2. Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, den Klägerinnen sämtliche aus oder im Zusammenhang mit der von ihm erworbenen Beteiligung an der Y. erzielten Gewinne und Vergütungsbestandteile auszukehren und insoweit noch nicht erfüllte Forderungen an die Kläger abzutreten hat.Randnummer39

3. Es wird festgestellt, dass die Klägerinnen berechtigt sind, in sämtliche vom Beklagten im Zuge des Wettbewerbsverbots abgeschlossenen Geschäfte selbst einzutreten.Randnummer40

4. Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, auf Wunsch der Klägerinnen diesen gegenüber sämtliche Erklärungen abzugeben und/oder die Abgabe solcher Erklärungen durch Dritte zu bewirken, die erforderlich sind, um den Klägerinnen den Selbsteintritt in die vom Beklagten im Zuge der Beteiligung an der Y. abgeschlossenen Rechtsgeschäfte zu ermöglichen.Randnummer41

5. Der Beklagte wird verurteilt, den Klägerinnen bezüglich des von ihm begangenen Wettbewerbsverstoßes „Erwerb und Halten einer Beteiligung an der Y.“ Auskunft zu erteilen bzw. Rechnung zu legen wie folgt:Randnummer42

a) Zahlenmäßige Angabe sämtlicher für den Erwerb der Beteiligung vom Beklagten selbst oder durch seine Bevollmächtigten oder Treuhänder erbrachten oder versprochenen Gegenleistungen, in Geld oder Geldeswert, einschließlich etwaiger Sach- oder Dienstleistungen;Randnummer43

b) Offenlegung sämtlicher im Zusammenhang mit dem Anteilserwerb vorgenommenen geschäftlichen Handlungen mit der Angabe, inwieweit diese mittelbar oder unmittelbar dem Geschäftszweck der Y. und/oder denjenigen von verbundenen Unternehmen gefördert haben oder eine solche Förderung bezweckt haben;Randnummer44

c) Offenlegung des Inhalts sämtlicher im Zusammenhang oder aus Anlass des Erwerbs einer Beteiligung an der Y. durch den Beklagten und/oder seine Bevollmächtigten/Treuhänder geschlossenen Verträge einschließlich Gesellschafts- und Beteiligungsverträgen, etwaiger Nebenabreden und Gesellschaftervereinbarungen;Randnummer45

d) Offenlegung sämtlicher vom Beklagten aus oder im Zusammenhang mit seiner Beteiligung an der Y. mittelbar oder unmittelbar erzielten Einkünfte bzw. Gewinne, einschließlich aller an den Beklagten und/oder seine Bevollmächtigten/Treuhänder seit dem 31. Mai 2006 oder früher etwa gezahlten oder versprochenen Dividenden und Gewinnanteile, ferner Offenlegung des Verkehrswerts der Beteiligung an der Y. im Zeitpunkt des Anteilserwerbs durch den Beklagten sowie die zwischenzeitliche Entwicklung dieses Verkehrswerts bis zum heutigen Tag;Randnummer46

e) Offenlegung sämtlicher zwischen der Y. und/oder mit dieser verbundenen Unternehmen einerseits sowie dem Beklagten und/oder seinen Bevollmächtigten/Treuhändern andererseits geschlossenen Vereinbarungen, einschließlich Beschreibung von vom Beklagten etwa zu leistender Tätigkeiten oder Beiträge einschließlich der Angabe etwa bezogener Tätigkeitsvergütungen;Randnummer47

f) Offenlegung sämtlicher weiterer Tatsachen und Informationen, welche die Auskunftsgläubigerin vernünftigerweise benötigt, um die Ausübung ihres Selbsteintrittsrechts bezüglich der vom Auskunftsschuldner und/oder seiner Bevollmächtigten/Treuhänder anlässlich oder im Zusammenhang mit der Beteiligung an der Y. geschlossenen Rechtsgeschäfte nach vernünftigen kaufmännischen Grundsätzen prüfen zu können;Randnummer48

g) Offenlegung sämtlicher Geschäfte in Deutschland bzw. mit deutschen Kunden, die die Y. seit dem 31. Mai 2006 oder früher unter direkter oder mittelbarer Mitwirkung des Beklagten getätigt hat;Randnummer49

h) hinsichtlich der Anträge lit. a) bis g) bestehende schriftliche Unterlagen vorzulegen.Randnummer50

6. Der Beklagte wird verurteilt, erforderlichenfalls die Richtigkeit und Vollständigkeit seiner Angaben an Eides statt zu versichern.Randnummer51

7. Der Beklagte wird verurteilt, an die Kläger Schadensersatz bzw. Gewinnabschöpfung in einer nach Erteilung der Auskunft jeweils noch zu bestimmenden Höhe nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.Randnummer52

Der Beklagte hat in erster Instanz beantragt:Randnummer53

Die Klage wird abgewiesen.Randnummer54

Die Beteiligung an der Y. sei in der Hoffnung darauf erfolgt, sich an einem zukünftig erfolgreichen Unternehmen zu beteiligen. Schädigende Handlungen zu Lasten der Klägerin Ziff. 1 während seiner Zeit als Gesellschafter-Geschäftsführer habe er nicht begangen.Randnummer55

Der Beklagte hat die Auffassung vertreten, der als Anlage K 5 vorgelegte Treuhandvertrag über den Anteilserwerb sei prozessual nicht verwertbar.Randnummer56

Im Übrigen komme eine Haftung allenfalls für den Zeitraum zwischen 31.05.2006 und 31.12.2006 in Betracht.Randnummer57

Darüber hinaus hat der Beklagte Widerklage erhoben.Randnummer58

Zur Begründung seiner Widerklageanträge Ziff. I bis VI. hat der Beklagte behauptet,Randnummer59

am 31.01.2001 habe die Firma A., zu deren Gesellschaftern die Familie A. gehörte, an der Firma N. eine Beteiligung in Höhe von 20% erworben. Die N. befasst sich – insoweit unstreitig – seit ihrer Gründung im Jahre 1999 ebenfalls mit der Herstellung und dem Vertrieb von Verpackungsmaschinen. Es handele sich um eine Wettbewerberin der Klägerinnen, da beide halbautomatische wie auch vollautomatische Verpackungsmaschinen innerhalb Europas vertrieben.Randnummer60

Dem Beklagten sei in Folge der Beteiligung an der N. ein Schaden in Form eines reduzierten Gewinns der Klägerin Ziff. 1, an der er als Gesellschafter beteiligt war, entstanden.Randnummer61

Er hat die Auffassung vertreten,Randnummer62

dass der Erwerb der Beteiligung an der N. unter das Wettbewerbsverbot des § 16 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrags der Klägerin Ziff. 1 falle. Jenes Wettbewerbsverbot wirke auch zugunsten des Beklagten und erfasse jedwede, auch mittelbare Wettbewerbssituation.Randnummer63

Zur Begründung seiner Widerklageanträge Ziff. VII und VIII hat der Beklagte behauptet,Randnummer64

drei Positionen des Jahresabschlusses 2006, der Grundlage der Berechnung des Abfindungsguthabens gewesen ist, seien fehlerhaft gewesen (s. hierzu im Einzelnen den Vortrag GA 47 ff.). Aufgrund dieser Fehlerhaftigkeit sei tatsächlich der dem Beklagten nach dem Gutachten des Dr. P. zustehende Abfindungsbetrag noch um 132.300,00 € zu erhöhen.Randnummer65

Widerklagend hat der Beklagte erstinstanzlich zuletzt beantragt:Randnummer66

I. Es wird festgestellt, dass die Klägerinnen als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Beklagten sämtlichen Schaden zu ersetzen, der diesem seit dem 31. Januar 2001 daraus entstanden ist und künftig entstehen wird, dass die Klägerinnen eine Beteiligung an der N. unter Verstoß gegen ein diesen obliegendes Wettbewerbsverbot erworben haben.Randnummer67

II. Es wird festgestellt, dass die Klägerinnen als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Beklagten sämtliche aus oder im Zusammenhang mit der von diesen erworbenen Beteiligung an der N. erzielten Gewinne und Vergütungsbestandteile auszukehren, und insoweit noch nicht erfüllte Forderungen an den Beklagten abzutreten haben.Randnummer68

III. Es wird festgestellt, dass der Beklagte berechtigt ist, in sämtliche von den Klägerinnen im Zusammenhang des Wettbewerbsverbotes abgeschlossenen Geschäfte selbst einzutreten.Randnummer69

IV. Die Klägerinnen werden als Gesamtschuldner verurteilt, dem Beklagten bezüglich des von diesen jeweils begangenen Wettbewerbsverstoßes „Erwerb und Halten einer Beteiligung an der N.“ Auskunft zu erteilen, bzw. Rechnung zu legen wie folgt:Randnummer70

a) zahlenmäßige Angabe sämtlicher für den Erwerb der Beteiligung von den Klägerinnen selbst oder durch deren Gesellschafter/Bevollmächtigte oder Treuhänder erbrachten oder versprochenen Gegenleistungen, in Geld oder Geldeswert, einschließlich etwaiger Sach- oder Dienstleistungen;Randnummer71

b) Offenlegung sämtlicher im Zusammenhang mit dem Anteilserwerb vorgenommenen geschäftlichen Handlungen mit der Angabe, inwieweit diese mittelbar oder unmittelbar dem Geschäftszweck der N. und/oder denjenigen von verbundenen Unternehmen gefördert haben oder eine solche Förderung bezweckt haben;Randnummer72

c) Offenlegung des Inhalts sämtlicher im Zusammenhang oder aus Anlass des Erwerbs einer Beteiligung an der N. durch die Klägerinnen und/oder deren Gesellschafter/Bevollmächtigter/Treuhänder geschlossenen Verträge, einschließlich Gesellschafts- und Beteiligungsverträge, etwaiger Nebenabreden und Gesellschaftervereinbarungen;Randnummer73

d) Offenlegung sämtlicher von den Klägerinnen aus oder im Zusammenhang mit ihrer jeweiligen Beteiligung an der N. mittelbar oder unmittelbar erzielten Einkünfte, bzw. Gewinne, einschließlich aller an die Klägerinnen und/oder ihre Gesellschafter/Treuhänder/Bevollmächtigte seit dem 31. Januar 2001 etwa gezahlten oder versprochenen Dividenden und Gewinnanteile, ferner Offenlegung des Verkehrswertes der Beteiligung an der N. im Zeitpunkt des Anteilserwerbs durch die Klägerinnen, sowie die zwischenzeitliche Entwicklung dieses Verkehrswertes bis zum heutigen Tag;Randnummer74

e) Offenlegung sämtlicher zwischen der N. und/oder mit dieser verbundener Unternehmen einerseits, sowie den Klägerinnen und/oder deren Gesellschaftern/Treuhändern/Bevollmächtigten andererseits geschlossenen Vereinbarungen, einschließlich Beschreibung der von den Klägerinnen etwa zu leistender Tätigkeiten oder Beiträge, einschließlich der Angabe etwa bezogener Tätigkeitsvergütungen;Randnummer75

f) Offenlegung sämtlicher weiterer Tatsachen und Informationen, welche der Beklagte vernünftigerweise benötigt, um die Ausübung seines Selbsteintrittsrechtes bezüglich der von den Klägerinnen und/oder deren Gesellschaftern/Bevollmächtigten/Treuhändern anlässlich oder im Zusammenhang mit der Beteiligung an der N. geschlossenen Rechtsgeschäfte nach vernünftigen kaufmännischen Grundsätzen prüfen zu können;Randnummer76

g) Offenlegung sämtlicher Geschäfte in Deutschland, bzw. mit deutschen Kunden, die die N. seit dem 31. Januar 2001 unter direkter oder mittelbarer Mitwirkung der Klägerinnen getätigt hat;Randnummer77

h) hinsichtlich der Anträge a) bis g) bestehende schriftliche Unterlagen vorzulegen.Randnummer78

V. Die Klägerinnen werden verurteilt, erforderlichenfalls die Richtigkeit und Vollständigkeit ihrer Angaben an Eides Statt zu versichern.Randnummer79

VI. Die Klägerinnen werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Beklagten Schadensersatz bzw. Gewinnabschöpfung in einer nach Erteilung der Auskunft jeweils noch zu bestimmenden Höhe, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über Basiszins ab Rechtshängigkeit zu bezahlen.Randnummer80

VII. Die Klägerin Ziff. 1 wird verurteilt, an den Beklagten € 1.234.800,00 nebst Zinsen in Höhe von 2% über dem jeweiligen Basiszins der Europäischen Zentralbank aus jeweils € 411.600,00 seit jeweils dem 24.03.2010, dem 24.09.2010, sowie dem 24.03.2011 zu bezahlen.Randnummer81

VIII. Die Klägerin Ziff. 1 wird weiter verurteilt, an den Beklagten weitere vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von € 6.282,96 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über Basiszins ab Zustellung dieses Schriftsatzes zu bezahlen.Randnummer82

Die Klägerinnen haben beantragt,Randnummer83

die Widerklage abzuweisen.Randnummer84

Hinsichtlich der Widerklageanträge Ziff. I bis VI haben die Klägerinnen den behaupteten Erwerb von Anteilen an der Fa. N. durch die Firma A. mit Nichtwissen bestritten.Randnummer85

Sie haben die Auffassung vertreten,Randnummer86

dass die Ansprüche gegen die Klägerin Ziff. 1 schon deshalb abweisungsreif seien, weil ein Wettbewerbsverstoß der Klägerin Ziff. 1 nicht geltend gemacht werde. Im Verhältnis zur Klägerin Ziff. 1 fehle es im Übrigen an einem Wettbewerbsverhältnis, weil die N. lediglich in I. halbautomatische Verpackungsmaschinen und nicht, wie die Klägerin Ziff. 1, in D. vollautomatische Verpackungsmaschinen vertrieben habe.Randnummer87

Im Übrigen fehle es insgesamt an der Aktivlegitimation des Beklagten, nachdem diesem keine eigenen Ansprüche zustünden und keine Ansprüche der Gesellschaft im Wege einer actio pro socio geltend gemacht würden.Randnummer88

Und schließlich habe nicht die Rechtsvorgängerin der Klägerin Ziff. 2, die als Gesellschafterin der Klägerin Ziff. 1 dem Wettbewerbsverbot unterliege, gehandelt, sondern allenfalls die A. Das Wettbewerbsverbot richte sich allein gegen die Klägerin Ziff. 2 und nicht gegen den gesamten X.-Konzern einschließlich seiner Eigentümer.Randnummer89

Zum Widerklageantrag Ziff. VII (Abfindungsforderung) haben die Klägerinnen behauptet, aufgrund der Gesamtumstände des Ausscheidens des Beklagten sei ein erheblicher negativer Unternehmenswert entstanden.Randnummer90

Der tatsächliche Verkehrswert des Anteils liege weit unter dem sich nach Stuttgarter Verfahren ergebenden Anteilswert, nämlich in der Größenordnung von 500.000 EUR.Randnummer91

Sie haben die Auffassung vertreten,Randnummer92

die Berechnung des Gutachters Dr. P. enthalte bezüglich des Anteilswertes keine für die Parteien verbindliche Feststellung. Die Schiedsgutachterabrede im Gesellschaftsvertrag habe sich nur auf die Bilanzansätze bezogen.Randnummer93

Jedenfalls entsprächen die Feststellungen des Gutachters nicht billigem Ermessen und seien grob unrichtig.Randnummer94

Das Gutachten lasse die entscheidende Frage offen, ob von Klägerseite geltend gemachte Aufwandspositionen in Höhe von 533.474,00 EUR für „Funktionsersatz“ sowie 211.215,00 EUR für zusätzlich angefallene Beratungskosten bei der Berechnung des Ertragshundertsatzes mindernd zu berücksichtigen seien.Randnummer95

Der aus den Umständen des Ausscheidens des Beklagten resultierende negative Unternehmenswert hätte bei der Bestimmung des Anteilswertes nach dem Stuttgarter Verfahren berücksichtigt werden müssen.Randnummer96

Jedenfalls müsse der nach Stuttgarter Verfahren ermittelte Wert im Hinblick darauf angepasst werden, dass der tatsächliche Verkehrswert des Anteils weitaus niedriger sei.Randnummer97

Hilfsweise haben die Klägerinnen gegen die bezifferte Widerklage mit einem behaupteten Gegenanspruch in Höhe von 493.000,00 € aufgerechnet. Dieser Gegenanspruch ergebe sich aus dem mit der Klage geltend gemachten Wettbewerbsverstoß: Der Beklagte habe aus dem unter Verstoß gegen das ihn treffende Wettbewerbsverbot getätigten Erwerb der Beteiligung an der Y. einen Gewinn von mindestens 493.000,00 € erzielt, der sich mangels gezahlter Gegenleistung aus dem Verkehrswert der Beteiligung ergebe.Randnummer98

Wegen des weiteren Parteivortrags in erster Instanz wird auf die wechselseitigen Schriftsätze sowie den gesamten übrigen Akteninhalt verwiesen.Randnummer99

2. Das Landgericht hat die Klage, nachdem es durch Einholung eines Sachverständigengutachtens des Sachverständigen Dr. S. Beweis erhoben hatte, abgewiesen. Es hat der Widerklage im Hinblick auf den bezifferten Zahlungsanspruch überwiegend, nämlich in Höhe von 1.102.500 € zuzüglich Zinsen sowie im Hinblick auf die eingeforderten außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten stattgegeben. Im Übrigen hat es die Widerklage abgewiesen.Randnummer100

Zur Begründung hat das Landgericht zunächst einen durch den Beklagten begangenen Wettbewerbsverstoß verneint, weshalb die mit der Klage verfolgten Anträge sämtlich unbegründet seien. Zwar habe der Beklagte unstreitig einen Anteil in Höhe von 12% am Aktienkapital der Y. erworben und damit die Tatbestandsvoraussetzungen des § 16 des Gesellschaftsvertrags der Klägerin Ziff. 1 erfüllt. Die Klägerinnen könnten sich jedoch auf § 16 Abs. 1 nicht stützen, weil diese Abrede gegen § 1 GWB i.V.m. § 134 BGB verstoße. Die Regelung unterwerfe auch solche Gesellschafter dem Wettbewerbsverbot, die keinen beherrschenden Einfluss auf das Unternehmen hätten. Außerdem beeinträchtige es die geschäftliche Freiheit der Gesellschafter insofern, als es ihnen jede Form der Beteiligung an Konkurrenzunternehmen untersage, ohne dass es auf ihre tatsächliche Einflussmöglichkeit in dem anderen Unternehmen ankomme.Randnummer101

Gleiches gelte für das allgemeine gesetzliche Wettbewerbsverbot, dem der Beklagte aufgrund seiner Organstellung als Geschäftsführer für die Dauer seiner Amtszeit unterlag. Auch insoweit gelte das Verbot nur, als durch den Erwerb der Kapitalbeteiligung ein beherrschender Einfluss auf das Konkurrenzunternehmen erlangt werde. Eine bloß 12%ige Beteiligung sei insoweit nicht ausreichend.Randnummer102

Auch die Regelung in § 1 Abs. 4 des Anstellungsvertrags sei so zu verstehen, dass damit die bloße Beteiligung an einem Konkurrenzunternehmen ohne beherrschende Beteiligung nicht verboten werde. Würde man die Regelung anders verstehen, läge ein Verstoß gegen § 138 BGB vor.Randnummer103

Andere Wettbewerbsverstöße (als die bloße kapitalmäßige Beteiligung an der Y.) hätten die insoweit darlegungspflichtigen Klägerinnen schon nicht substanziiert behauptet. Vermutungen dahingehend, dass der Beklagte bewusst zu Lasten der Klägerin Ziff. 1 agiert habe, seien ohne entsprechenden konkreten Tatsachenvortrag unerheblich.Randnummer104

Die Widerklageanträge Ziff. I bis VI, mit denen der Beklagte einen gegenläufigen Wettbewerbsverstoß der Klägerinnen in Form eines (allenfalls mittelbaren) Erwerbs von Anteilen an einem – nach dem Beklagtenvortrag – im gleichen Sektor tätigen Konkurrenzunternehmen, der N., geltend gemacht habe, seien aus den gleichen Erwägungen unbegründet.Randnummer105

Der mit dem Widerklageantrag Ziff. VII geltend gemachte Abfindungsanspruch sei überwiegend – bis auf einen Teilbetrag in Höhe von 132.300,00 € – begründet.Randnummer106

Die Feststellung des Abfindungsguthabens in Höhe der zuerkannten 1.102.500,00 € durch den Schiedsgutachter Dr. P. sei für die Klägerin Ziff. 1 und den Beklagten bindend. In der Beauftragung durch die Klägerin Ziff. 1 und den Beklagten hätten sich diese darauf geeinigt, dass das Abfindungsguthaben bindend durch einen Schiedsgutachter auf Grundlage des sog. Stuttgarter Verfahrens festgestellt werden solle. Das Schiedsgutachten sei auf der Grundlage der Beweisaufnahme in Form der Begutachtung durch den Sachverständigen Dr. S. nicht offensichtlich unrichtig im Sinne von § 317 ff. BGB. Die im Gesellschaftsvertrag erfolgte Vereinbarung des Stuttgarter Verfahrens sei auch wirksam. Eine unvertretbare Benachteiligung einer Partei sei nicht dargetan. Soweit sich die Klägerin Ziff. 1 darauf berufe, dass der Verkehrswert 50% unter dem schiedsgutachterlich ermittelten Wert liege, sei dieses Vorbringen mangels konkretem Tatsachenvortrag unerheblich.Randnummer107

Die von Klägerseite geltend gemachte Hilfsaufrechnung mit einem behaupteten Schadensersatzanspruch wegen Wettbewerbsverletzung greife nicht durch, da es an einer Wettbewerbsverletzung wie ausgeführt fehle.Randnummer108

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das landgerichtliche Urteil (GA 520 ff.) verwiesen.Randnummer109

3. Mit ihrer Berufung verfolgen die Klägerinnen ihre Klage in vollem Umfang weiter und begehren darüber hinaus weiterhin die vollständige Abweisung der Widerklage.Randnummer110

Das Landgericht habe zu Unrecht das Wettbewerbsverbot als unwirksam angesehen bzw. einschränkend ausgelegt. Entscheidend sei eine Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalls, die das Landgericht nicht bzw. unzutreffend vorgenommen habe. Es sei nicht richtig, dass nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein Wettbewerbsverbot immer nur dann wirksam sei, wenn es sich gegen Gesellschafter richte, die entweder Mehrheitsgesellschafter seien oder aber bestimmenden Einfluss auf die Geschäftsführung hätten. Aus dem Umstand, dass der Beklagte langjährig mit 50% am Stammkapital beteiligt war, ergebe sich im Übrigen auch ohne Mehrheitsbeteiligung ein maßgeblicher Einfluss des Beklagten. Außerdem sei zu berücksichtigen, dass der Beklagte langjähriger alleiniger Geschäftsführer gewesen sei.Randnummer111

Das Schiedsgutachten von Dr. P. sei entgegen der Auffassung des Sachverständigen Dr. S. offensichtlich unrichtig im Sinne von § 319 Abs. 1 BGB. Das Landgericht habe insoweit verfahrensfehlerhaft im wesentlichen auf das Gutachten verwiesen.Randnummer112

Bezüglich der Einwände gegen die Gutachten wiederholen die Klägerinnen im wesentlichen ihren erstinstanzlichen Sachvortrag.Randnummer113

Im Übrigen habe das Landgericht im Rahmen der Beweisaufnahme eine Reihe von groben Verfahrensverstößen begangen (siehe näher zum diesbezüglichen Vortrag BB S. 17 ff., GA 604 ff.)Randnummer114

Die Klägerinnen beantragen,Randnummer115

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Stuttgart wie folgt zu erkennen:Randnummer116

1. Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, den Klägerinnen Ziff. 1 und 2 sämtlichen Schaden zu ersetzen, der diesen seit dem 31. Mai 2006 oder vorher daraus entstanden ist und künftig entstehen wird, dass der Beklagte eine Beteiligung an der Y. unter Verstoß gegen ein ihm obliegendes Wettbewerbsverbot erworben hat.Randnummer117

2. Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, den Klägerinnen Ziff. 1 und 2 sämtliche aus oder im Zusammenhang mit der von ihm erworbenen Beteiligung an der Y. erzielten Gewinne und Vergütungsbestandteile auszukehren, und insoweit noch nicht erfüllte Forderungen an die Klägerinnen Ziff. 1 und 2 abzutreten hat.Randnummer118

3. Es wird festgestellt, dass die Klägerinnen Ziff. 1 und 2 berechtigt sind, in sämtliche vom Beklagten im Zuge des Wettbewerbsverbots abgeschlossenen Geschäfte selbst einzutreten.Randnummer119

4. Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, auf Wunsch der Klägerinnen Ziff. 1 und 2 diesen gegenüber sämtliche Erklärungen abzugeben und/oder die Abgabe solcher Erklärungen durch Dritte zu bewirken, die erforderlich sind, um den Klägerinnen Ziff. 1 und 2 den Selbsteintritt in die vom Beklagten im Zuge der Beteiligung an der Y. abgeschlossenen Rechtsgeschäfte zu ermöglichen.Randnummer120

5. Der Beklagte wird verurteilt, den Klägerinnen Ziff. 1 und 2 bezüglich des von ihm begangenen Wettbewerbsverstoßes „Erwerb und Halten einer Beteiligung an der Y.“ Auskunft zu erteilen bzw. Rechnung zu legen wie folgt:Randnummer121

a) Zahlenmäßige Angabe sämtlicher für den Erwerb der Beteiligung vom Beklagten selbst oder durch seine Bevollmächtigten oder Treuhänder erbrachten oder versprochenen Gegenleistungen, in Geld oder Geldeswert, einschließlich etwaiger Sach- oder Dienstleistungen;Randnummer122

b) Offenlegung sämtlicher im Zusammenhang mit dem Anteilserwerb vorgenommenen geschäftlichen Handlungen mit der Angabe, inwieweit diese mittelbar oder unmittelbar dem Geschäftszweck der Y. und/oder denjenigen von verbundenen Unternehmen gefördert haben oder eine solche Förderung bezweckt haben;Randnummer123

c) Offenlegung des Inhalts sämtlicher im Zusammenhang oder aus Anlass des Erwerbs einer Beteiligung an der Y. durch den Beklagten und/oder seine Bevollmächtigten/Treuhänder geschlossenen Verträge einschließlich Gesellschafts- und Beteiligungsverträgen, etwaiger Nebenabreden und Gesellschaftervereinbarungen;Randnummer124

d) Offenlegung sämtlicher vom Beklagten aus oder im Zusammenhang mit seiner Beteiligung an der Y. mittelbar oder unmittelbar erzielten Einkünfte bzw. Gewinne, einschließlich aller an den Beklagten und/oder seine Bevollmächtigten/Treuhänder seit dem 31. Mai 2006 oder früher etwa gezahlten oder versprochenen Dividenden und Gewinnanteilen, ferner Offenlegung des Verkehrswerts der Beteiligung an der Y. im Zeitpunkt des Anteilserwerbs durch den Beklagten sowie die zwischenzeitliche Entwicklung dieses Verkehrswerts bis zum heutigen Tag;Randnummer125

e) Offenlegung sämtlicher zwischen der Y. und/oder mit dieser verbundenen Unternehmen einerseits sowie dem Beklagten und/oder seinen Bevollmächtigten/Treuhändern andererseits geschlossenen Vereinbarungen, einschließlich Beschreibung von vom Beklagten etwa zu leistender Tätigkeiten oder Beiträge einschließlich der Angabe etwa bezogener Tätigkeitsvergütungen;Randnummer126

f) Offenlegung sämtlicher weiterer Tatsachen und Informationen, welche die Auskunftsgläubigerin vernünftigerweise benötigt, um die Ausübung ihres Selbsteintrittsrechts bezüglich der vom Auskunftsschuldner und/oder seiner Bevollmächtigten/Treuhänder anlässlich oder im Zusammenhang mit der Beteiligung an der Y. geschlossenen Rechtsgeschäfte nach vernünftigen kaufmännischen Grundsätzen prüfen zu können;Randnummer127

g) Offenlegung sämtlicher Geschäfte in D. bzw. mit d. Kunden, die die Y. seit dem 31. Mai 2006 oder früher unter direkter oder mittelbarer Mitwirkung des Beklagten getätigt hat.Randnummer128

h) Offenlegung sämtlicher an den Beklagten/Widerkläger/Berufungsbeklagten unterbreiteten Verkaufsofferten und -vorschläge bezüglich seiner Geschäftsanteile insbesondere durch die Unternehmensgruppe „C.“;Randnummer129

i) hinsichtlich der Anträge lit. a) bis h) bestehende schriftliche Unterlagen vorzulegen.Randnummer130

6. Der Beklagte wird verurteilt, erforderlichenfalls die Richtigkeit und Vollständigkeit seiner Angaben an Eides statt zu versichern.Randnummer131

7. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerinnen Schadensersatz bzw. Gewinnabschöpfung in einer nach Erteilung der Auskunft jeweils noch zu bestimmenden Höhe nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.Randnummer132

8. Die Widerklage wird insgesamt in allen Anträge abgewiesen.Randnummer133

Der Beklagte beantragt,Randnummer134

die Berufung zurückzuweisen.Randnummer135

Mit seiner Anschlussberufung beantragt der BeklagteRandnummer136

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Stuttgart wie folgt:Randnummer137

I. Es wird festgestellt, dass die Klägerinnen als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Beklagten sämtlichen Schaden zu ersetzen, der diesem seit dem 31. Januar 2001 daraus entstanden ist und künftig entstehen wird, dass die Klägerinnen eine Beteiligung an der N. unter Verstoß gegen ein diesen obliegendes Wettbewerbsverbot erworben haben.Randnummer138

II. Es wird festgestellt, dass die Klägerinnen als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Beklagten sämtliche aus oder im Zusammenhang mit der von diesen erworbenen Beteiligung an der N. erzielten Gewinne und Vergütungsbestandteile auszukehren, und insoweit noch nicht erfüllte Forderungen an den Beklagten abzutreten haben.Randnummer139

III. Es wird festgestellt, dass der Beklagte berechtigt ist, in sämtliche von den Klägerinnen im Zusammenhang des Wettbewerbsverbotes abgeschlossenen Geschäfte selbst einzutreten.Randnummer140

IV. Die Klägerinnen werden als Gesamtschuldner verurteilt, dem Beklagten bezüglich des von diesen jeweils begangenen Wettbewerbsverstoßes „Erwerb und Halten einer Beteiligung an der N.“ Auskunft zu erteilen, bzw. Rechnung zu legen wie folgt:Randnummer141

a) zahlenmäßige Angabe sämtlicher für den Erwerb der Beteiligung von den Klägerinnen selbst oder durch deren Gesellschafter/Bevollmächtigte oder Treuhänder erbrachten oder versprochenen Gegenleistungen, in Geld oder Geldeswert, einschließlich etwaiger Sach- oder Dienstleistungen;Randnummer142

b) Offenlegung sämtlicher im Zusammenhang mit dem Anteilserwerb vorgenommenen geschäftlichen Handlungen mit der Angabe, inwieweit diese mittelbar oder unmittelbar dem Geschäftszweck der N. und/oder denjenigen von verbundenen Unternehmen gefördert haben oder eine solche Förderung bezweckt haben;Randnummer143

c) Offenlegung des Inhalts sämtlicher im Zusammenhang oder aus Anlass des Erwerbs einer Beteiligung an der N. durch die Klägerinnen und/oder deren Gesellschafter/Bevollmächtigte/Treuhänder geschlossenen Verträge, einschließlich Gesellschafts- und Beteiligungsverträge, etwaiger Nebenabreden und Gesellschaftervereinbarungen;Randnummer144

d) Offenlegung sämtlicher von den Klägerinnen aus oder im Zusammenhang mit ihrer jeweiligen Beteiligung an der N. mittelbar oder unmittelbar erzielten Einkünfte, bzw. Gewinne, einschließlich aller an die Klägerinnen und/oder ihre Gesellschafter/Treuhänder/Bevollmächtigter seit dem 31. Januar 2001 etwa gezahlten oder versprochenen Dividenden und Gewinnanteilen, ferner Offenlegung des Verkehrswertes der Beteiligung an der N. im Zeitpunkt des Anteilserwerbs durch die Klägerinnen, sowie die zwischenzeitliche Entwicklung dieses Verkehrswertes bis zum heutigen Tag;Randnummer145

e) Offenlegung sämtlicher zwischen der N. und/oder mit dieser verbundener Unternehmen einerseits, sowie den Klägerinnen und/oder deren Gesellschaftern/Treuhändern/Bevollmächtigten andererseits geschlossenen Vereinbarungen, einschließlich Beschreibung der von den Klägerinnen etwa zu leistender Tätigkeiten oder Beiträge, einschließlich der Angabe etwa bezogener Tätigkeitsvergütungen;Randnummer146

f) Offenlegung sämtlicher weiterer Tatsachen und Informationen, welche der Beklagte vernünftigerweise benötigt, um die Ausübung seines Selbsteintrittsrechtes bezüglich der von den Klägerinnen und/oder deren Gesellschaftern/Bevollmächtigten/Treuhändern anlässlich oder im Zusammenhang mit der Beteiligung an der N. geschlossenen Rechtsgeschäfte nach vernünftigen kaufmännischen Grundsätzen prüfen zu können;Randnummer147

g) Offenlegung sämtlicher Geschäfte in D., bzw. mit d. Kunden, die die N. seit dem 31. Januar 2001 unter direkter oder mittelbarer Mitwirkung der Klägerinnen getätigt hat;Randnummer148

h) hinsichtlich der Anträge a) bis g) bestehende schriftliche Unterlagen vorzulegen.Randnummer149

V. Die Klägerinnen werden verurteilt, erforderlichenfalls die Richtigkeit und Vollständigkeit ihrer Angaben an Eides Statt zu versichern.Randnummer150

VI. Die Klägerinnen werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Beklagten Schadensersatz bzw. Gewinnabschöpfung in einer nach Erteilung der Auskunft jeweils noch zu bestimmenden Höhe, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über Basiszins ab Rechtshängigkeit zu bezahlen.Randnummer151

VII. Die Klägerin Ziff. 1 wird verurteilt, an den Beklagten weitere € 132.300,00, nebst Zinsen hieraus in Höhe von 2% über dem jeweiligen Basiszins der Europäischen Zentralbank ab Zustellung der Widerklage zu bezahlen.Randnummer152

Die Klägerinnen beantragenRandnummer153

Zurückweisung der Anschlussberufung.Randnummer154

Der Beklagte wiederholt und vertieft zur Begründung seines Antrags auf Abweisung der Berufung seinen erstinstanzlichen Vortrag. Er habe keine beherrschende Stellung bei der Klägerin Ziff. 1 innegehabt. Im Übrigen habe er bei der Y. während seiner Zeit als Geschäftsführer-Gesellschafter der Klägerin Ziff. 1 aufgrund seiner bloß kapitalmäßigen Beteiligung keine Einflussmöglichkeiten auf die Geschäftsführung gehabt. Die Beteiligung sei lediglich erfolgt, um dort die Möglichkeit einer späteren beruflichen Perspektive zu haben.Randnummer155

Die Feststellungen des Gutachters P. seien zutreffend erfolgt (s. dazu näher die Ausführungen GA 638 ff.), wobei hinsichtlich des nach Auffassung des Beklagten zusätzlich geschuldeten Betrags von 132.300,00 € auf den erstinstanzlichen Vortrag verwiesen wird.Randnummer156

Der Senat hat in der Berufungsinstanz Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen Dr. T. sowie dessen mündlicher Anhörung. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das schriftliche Gutachten (GA 761), die ergänzende schriftliche Stellungnahme des Sachverständigen (GA 804 ff.) sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 25.01.2017 (GA 838 ff.) verwiesen.Randnummer157

Wegen der Einwände der Klägerinnen gegen das Gutachten wird auf den Schriftsatz vom 29.08.2016 (GA 772 ff.) sowie auf die Erörterung in der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.Randnummer158

Wegen des weiteren Vortrags der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf die wechselseitigen Schriftsätze sowie den übrigen Akteninhalt Bezug genommen.Randnummer159

Der nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingegangene Schriftsatz der Klägerinnen vom 13.03.2017 gab keinen Anlass, die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen.

II.

Die zulässigen Berufungen der Klägerinnen sind weitgehend unbegründet, lediglich die auf die Widerklage erfolgte Verurteilung der Klägerin Ziff. 1 zur Erstattung außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten war aufzuheben und der Zinsausspruch zu korrigieren; die ebenfalls zulässige Anschlussberufung des Beklagten ist unbegründet.Randnummer161

1. Klage = Berufungsanträge Ziff. 1 bis 7 der KlägerinnenRandnummer162

Den Klägerinnen stehen die mit der Klage geltend gemachten, auf einen angeblichen Verstoß des Beklagten gegen ein Wettbewerbsverbot gestützten Unterlassungs-, Auskunfts- und Schadensersatzansprüche, die in der Berufungsinstanz von ihnen noch mit einer geringfügigen Erweiterung (Berufungsantrag Ziff. 5 h) in vollem Umfang weiterverfolgt werden, nicht zu. Das Landgericht hat die Klage insoweit im Ergebnis zu Recht abgewiesen; auf die Zulässigkeit der gestellten Feststellungsanträge kommt es nicht an (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 31. Aufl., § 256 Rn. 7 m. w. N.).Randnummer163

a) Klägerin Ziff. 2Randnummer164

Sämtliche von der Klägerin Ziff. 2 gegen den Beklagten gestellten Klageanträge sind von vornherein bereits mangels Aktivlegitimation der Klägerin Ziff. 2 unbegründet. Die Rechtspositionen, auf die die Klage gestützt ist, stehen allenfalls der Klägerin Ziff. 1 zu, um deren Gesellschaftsvertrag es sich handelt, die mit dem Beklagten den Anstellungsvertrag geschlossen hat und die aus einem ihn treffenden Wettbewerbsverbot berechtigt wäre. Dass dem Gesellschafter einer GmbH eigene Ansprüche aus der Verletzung eines gesellschaftsvertraglichen Wettbewerbsverbots durch einen Mitgesellschafter zustehen mögen, wenn er dadurch einen über den durch die Minderung des Gesellschaftsvermögens im Wert seines Geschäftsanteils eingetretenen Reflexschaden hinausgehenden eigenen Schaden erlitten hat (s. dazu etwa Raiser, in: Großkommentar zum GmbHG, 2. Aufl., § 14 Rn. 112, 101; Michalski/Funke, in: Michalski, GmbHG, 2. Aufl., § 13 Rn. 288), spielt hier keine Rolle, weil derartige Einbußen nicht in Rede stehen. Eine – ohnehin nicht gegebene – Rechtsverfolgung im Wege der Gesellschafterklage (actio pro socio) schiede hier aus, da die zuständigen Organe der Klägerin Ziff. 1 die in Frage stehenden Ansprüche in diesem Rechtsstreit verfolgen (vgl. nur Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 21. Aufl., § 13 Rn. 39). Ein Fall der gesetzlichen oder gewillkürten Prozessstandschaft liegt ersichtlich nicht vor.Randnummer165

b) Klägerin Ziff. 1Randnummer166

Der Klägerin Ziff. 1 – und auch der Klägerin Ziff. 2, wollte man deren Aktivlegitimation bejahen – stehen die geltend gemachten Ansprüche bereits dem Grunde nach sämtlich nicht zu, weil ein Verstoß gegen ein Wettbewerbsverbot – sei es vertraglich, sei es gesetzlich – nicht gegeben ist. Auch der Vorwurf eines Verstoßes gegen Vorschriften des UWG geht fehl.Randnummer167

aa) Die Klägerinnen stützten ihre Vorwürfe im Wesentlichen auf den als solchen unstreitigen – folglich nicht beweisbedürftigen, so dass es auf die vom Beklagten wiederholt aufgeworfene Frage eines Beweisverwertungsverbots nicht ankommt – Umstand, dass der Beklagte durch Treuhandvertrag vom 31.05.2006 einen Anteil von 12% am Kapital der Y. erworben hat, bei der es sich um eine Gesellschaft handelt, die sich seinerzeit in Wettbewerb zu den Klägerinnen befunden haben mag. Darin lag indes unter den hier gegebenen Umständen kein Verstoß gegen ein den Beklagten treffendes Wettbewerbsverbot.Randnummer168

(1) Allerdings traf den Beklagten, der bis zum 31.12.2006 Geschäftsführer der Klägerin Ziff. 1 war, in dieser Eigenschaft gegenüber der Klägerin Ziff. 1 bereits ein gesetzliches WettbewerbsverbotBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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(vgl. statt aller Schneider, in: Scholz, GmbHG, 11. Aufl., § 43 Rn. 153 ff.). Darüber hinaus unterlag er auch aus seiner Stellung als Gesellschafter mit einer Minderheitsbeteiligung von 49% im relevanten Zeitraum bereits kraft gesetzlicher Treuepflicht einem Wettbewerbsverbot. Das Bestehen eines solchen gesetzlichen Wettbewerbsverbots auch des Minderheitsgesellschafters ist ohne Weiteres zu bejahen, ist der Minderheitsgesellschafter – wie hier – zugleich Geschäftsführer (s. nur etwa Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 19. Aufl., § 14 Rn. 38; Raiser, in: Großkommentar zum GmbHG, 2. Aufl., § 14 Rn. 108). Auf die im Übrigen streitigen Voraussetzungen, unter denen den Gesellschafter einer GmbH ein gesetzliches WettbewerbsverbotBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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trifft, kommt es im Streitfall demnach nicht an.Randnummer169

Schließlich begründet § 16 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrags der Klägerin Ziff. 1 auch ein vertragliches Wettbewerbsverbot zu Lasten des Gesellschafters und § 1 Abs. 4 des Anstellungsvertrags des Beklagten verbot ihm „geschäftliche Tätigkeiten“ außerhalb seiner Tätigkeit bei der Klägerin Ziff. 1.Randnummer170

(2) In zeitlicher Hinsicht bestand das gesetzliche Wettbewerbsverbot des Beklagten in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer (dazu nur etwa Schneider, in: Scholz, GmbHG, 11. Aufl., § 43 Rn. 173) wie als Gesellschafter lediglich bis zum 31.12.2006, dem Zeitpunkt der Beendigung seiner Organstellung wie seines Anstellungsvertrags. Dieser Zeitraum verlängert sich auch nicht deshalb, weil er seine Geschäftsanteile erst mit Vertrag vom 09.02.2007 übertragen hat, schon weil ab dem 31.12.2006 bis zum 09.02.2007 eine allenfalls vermögensmäßige Beteiligung des Beklagten an der Klägerin Ziff. 1 bestand (vgl. BGH, NZG 2010, 270Tz. 17), überdies deshalb, weil die Abtretung ausweislich § 2 des Vertrags rückwirkend zum 31.12.2006 erfolgte.Randnummer171

Die Regelungen im Gesellschafts- und im Anstellungsvertrag bewirken keine Veränderungen der zeitlichen Reichweite des den Beklagten treffenden Wettbewerbsverbots; sie sind ebenfalls auf die Zeit beschränkt, in denen der Beklagte Gesellschafter bzw. Geschäftsführer der Klägerin Ziff. 1 war.Randnummer172

Vor diesem Hintergrund fehlt sämtlichen Klageanträgen bereits von vornherein eine Basis, soweit sie sich – die Formulierungen sind insoweit nicht eindeutig – auf angeblich in der Zeit nach dem 31.12.2006 durch den Beklagten begangene Pflichtverletzungen beziehen sollten. Gleiches gilt, soweit sich die Klageanträge auf in der Zeit vor dem 31.05.2006 angeblich begangene Pflichtverletzungen beziehen sollten. Da insbesondere der im Streit stehende Anteilserwerb erst an diesem Tag stattfand, kommt eine Verletzung des Wettbewerbsverbots durch diesen Erwerb für die davor liegende Zeit nicht in Betracht.Randnummer173

(3) Doch auch im Übrigen, also für die Zeit zwischen dem 31.05.2006 und dem 31.12.2006, hat der Beklagte durch den Erwerb der Minderheitsbeteiligung nicht gegen das ihn treffende gesetzliche bzw. vertragliche Wettbewerbsverbot verstoßen.Randnummer174

(a) Eine unternehmerische Tätigkeit im Wettbewerbsbereich der Gesellschaft, die ein Wettbewerbsverbot des Gesellschafter-Geschäftsführers erfasst, ist zwar gegeben, wenn er an einer anderen Gesellschaft eine Mehrheitsbeteiligung hält oder die Gesellschaft aufgrund anderer Umstände beherrscht; hinreichend ist, dass er aufgrund seines Einflusses einzelne unternehmerische Entscheidungen beeinflussen kann (s. etwa Schneider, in: Scholz, GmbHG, 11. Aufl., § 43 Rn. 165; Röhricht, WPg 1992, 766, 768; Lawall, Das ungeschriebene Wettbewerbsverbot des GmbH-Gesellschafters, 1995, S. 17; Ivens, Das Konkurrenzverbot des GmbH-Gesellschafters, 1987, S. 70 f.). Hinreichend mag auch ein Einfluss auf die Geschäftsführung des Konkurrenzunternehmens sein, die die Möglichkeit der Verwertung gesellschaftsinterner Informationen zum Nachteil der Gesellschaft mit sich bringt (vgl. etwa Merkt, in: Münchener Kommentar zum GmbHG, 1. Aufl., § 13 Rn. 247). Demgegenüber sind rein kapitalistische Minderheitsbeteiligungen eines Geschäftsführers – insbesondere eines Gesellschafter-Geschäftsführers, unter dem Gesichtspunkt seiner Gesellschafterstellung gilt nichts anderes – an einer Konkurrenzgesellschaft ohne Einfluss auf die Geschäftsführung, ohne Tätigkeit im Unternehmen und Möglichkeit, dieses zu beherrschen oder Einfluss auf unternehmerische Entscheidungen zu nehmen, im Regelfall unbedenklich und von der sachlichen Reichweite eines Wettbewerbsverbots des Gesellschafter-Geschäftsführers nicht umfasst (s. etwa Schneider, in: Scholz, GmbHG, 11. Aufl., § 43 Rn. 165; Michalski/Funke, in: Michalski, GmbHG, 2. Aufl., § 13 Rn. 247; Zöllner/Noack, in Baumbach/Hueck, GmbHG, 21. Aufl., § 35 Rn. 41; Schiessl/Böhm, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, 4. Aufl., § 34 Rn. 17; Merkt, in: Münchener Kommentar zum GmbHG, 1. Aufl, § 13 Rn. 247; Raiser, in: Festschrift für Stimpel, 1985, S. 855, 862 f.; Röhricht, WPg, 1992, 766, 768; Lawall, Das ungeschriebene Wettbewerbsverbot des GmbH-Gesellschafters, 1995, S. 17; Kardaras, Das Wettbewerbsverbot in den Personalgesellschaften, 1967, S. 61 f.; vgl. auch OLG KoblenzBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG Koblenz
, DStR 2008, 1152; Staub/Schäfer, HGB, 5. Aufl., § 116 Rn. 25; Schlegelberger/Martens, HGB, 5. Aufl., § 165 Rn. 23; Reichert/Winter, in: Festschrift 100 Jahre GmbH-Gesetz, 1992, S. 209, 236 ff. [Grenze bei 25%-Beteiligung]; weiter hingegen für den Geschäftsführer offenbar Weitnauer/Grob, GWR 2014, 185; tendenziell weiter wohl auch Ivens, Das Konkurrenzverbot des GmbH-Gesellschafters, 1987, 71 f.). Dies liegt darin begründet, dass unter solchen Umständen ein Wettbewerbsverbot seiner ratio nach nicht eingreift. Zweck des Wettbewerbsverbots zu Lasten eines Gesellschafter-Geschäftsführers ist es, dass dieser seine aus der Gesellschafterstellung erlangten Kenntnisse oder seinen auf der Gesellschafterstellung beruhenden Einfluss dazu verwendet, die eigenen Geschäfte zum Nachteil der Gesellschaft zu fördern, zudem soll das Wettbewerbsverbot sicherstellen, dass die Arbeitskraft des Geschäftsführers für die Gesellschaft erhalten bleibt (s. etwa Schneider, in: Scholz, GmbHG, 11. Aufl., § 43 Rn. 156). Nichts dergleichen steht regelmäßig unter den genannten Voraussetzungen bei einer rein kapitalistischen Minderheitsbeteiligung in Rede.Randnummer175

(b) Eine solche rein kapitalistische Minderheitsbeteiligung – an einer S.p.A., einer Kapitalgesellschaft nach italienischem Recht, vergleichbar der deutschen Aktiengesellschaft – hatte der Beklagte hier am 31.05.2006 erworben. Dafür, dass er im maßgebenden Zeitraum Einfluss auf die Geschäftsführung des Konkurrenzunternehmens nehmen konnte oder nahm oder es gar beherrschte, fehlen Anhaltspunkte wie überhaupt dafür, dass er in dem Konkurrenzunternehmen in diesem Zeitraum in irgendeiner Weise tätig wurde. Die insoweit darlegungsbelastete (vgl. Raiser, in: Festschrift für Stimpel, 1985, S. 855, 862 f.) Klägerseite trägt hierzu weder erstinstanzlich noch in der Berufungsinstanz konkrete Anknüpfungstatsachen vor.Randnummer176

(c) Auch die Regelungen in § 16 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrags der Klägerin Ziff. 1 sowie in § 1 Abs. 4 des Anstellungsvertrags zwischen dem Beklagten und der Klägerin Ziff. 1 führen nicht dazu, dass die beanstandete Unternehmensbeteiligung von einem Wettbewerbsverbot erfasst würde.Randnummer177

Aufgrund der in Rede stehenden Bestimmungen könnte sich ein Verstoß des Beklagten gegen ein ihn treffendes Wettbewerbsverbot nur ergeben, wären die Bestimmungen dahin auszulegen, das sie dem Beklagten in der erheblichen Zeit und unter den gegebenen Umständen auch die hier in Rede stehende rein kapitalistische Minderheitsbeteiligung an der Konkurrenzgesellschaft untersagten. Diesen Inhalt weisen die Bestimmungen, wie sich jedenfalls aus einer einschränkenden Auslegung im Lichte von Art. 12 Abs. 1 GG ergibt (vgl. BGH, NZG 2010, 270Tz. 10), indes nicht auf.Randnummer178

(aa) Grundsätzlich können Wettbewerbsverbote für Gesellschafter einer GmbH ohne weiteres in der Satzung einer Gesellschaft vereinbart werden. Sie sind jedoch nur in den von § 1 GWB vorgegebenen Grenzen zulässig (vgl. hierzu und zum Folgenden aus der Rspr. insbesondere BGH, NZG 2010, 270Tz. 13; OLG München, GmbHR 2011, 137Tz. 25). Zum anderen sind gesellschaftsvertragliche Wettbewerbsverbote am Maßstab von Art. 12 GG, § 138 Abs. 1 BGB zu messen, weil sie regelmäßig die grundgesetzlich geschützte Berufsausübungsfreiheit des betroffenen Gesellschafters berühren. Mit Rücksicht auf die insbesondere bei der Auslegung der zivilrechtlichen Generalklauseln zu beachtenden verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen – hier für die freie Berufsausübung – sind nach der Rechtsprechung gesellschaftsvertragliche Wettbewerbsverbote nur zulässig, wenn sie nach Ort, Zeit und Gegenstand nicht über die schützenswerten Interessen des Begünstigten hinausgehen und den Verpflichteten nicht übermäßig beschränken. Auch die Literatur geht davon aus, dass vertragliche Wettbewerbsverbote in ihrer sachlichen Reichweite bzw. ihrem sachlichen Umfang zu begrenzen sind und mögliche Wettbewerbshandlungen nur untersagen, soweit dadurch der betroffene Gesellschafter bei einer Interessenabwägung nicht übermäßig belastet wird (s. z.B. Michalski/Funke, in: Michalski, GmbHG, 2. Aufl. § 13 Rn. 240; Schiessl/Böhm, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, 4. Aufl., § 34 Rn. 15 ff.; Merkt, in: Münchener Kommentar zum GmbHG, 1. Aufl., § 13 Rn. 245 ff.).Randnummer179

(bb) Die hier in Rede stehenden Bestimmungen würden indes, statuierten sie zu Lasten des Beklagten ein so weitgehendes Verbot, wie die Klägerinnen geltend machen, die danach maßgebenden rechtlichen Grenzen überschreiten.Randnummer180

Das ergibt sich im Kern aus den gleichen Erwägungen, die bereits dazu führten, den hier vorliegenden Anteilserwerb als nicht von dem den Beklagten als Gesellschafter-Geschäftsführer treffenden gesetzlichen Wettbewerbsverbot erfasst anzusehen: Ein Verbot des in Rede stehenden rein kapitalistischen Erwerbs einer Minderheitsbeteiligung unter den hier vorliegenden Umständen wäre vom rechtlich unbedenklichen Sinn und Zweck des den Beklagten treffenden Wettbewerbsverbots nicht umfasst, weil es nämlich nicht durch den legitimen Zweck gerechtfertigt wäre, zu verhindern, dass die Gesellschaft durch einen Gesellschafter von innen her ausgehöhlt und ihrer wirtschaftlichen Existenzgrundlage beraubt wird (vgl. etwa BGH, NZG 2010, 270Tz. 16 f.; OLG München, GmbHR 2011, 137Tz. 25 f.).Randnummer181

Dementsprechend sind die hier in Rede stehenden Bestimmungen jedenfalls einschränkend dahin auszulegen, dass sie den Beteiligungserwerb des Beklagten unter den hier gegebenen Umständen nicht verboten (vgl. BGH, NZG 2010, 270Tz. 10, 15). Ob die Bestimmungen deshalb sogar gänzlich nichtig sind, kann angesichts dessen offenbleiben.Randnummer182

(4) Im Übrigen fehlt es, soweit Ansprüche auf Auskunft, Schadensersatz, Vorteilsherausgabe sowie ein Eintrittsrecht analog § 113 HGB geltend gemacht werden, am ausreichenden Vortrag der Klägerinnen zu ihnen aus dem in Rede stehenden mittelbaren Anteilserwerb entstandenen Einbußen oder von dem Beklagten auf ihre Kosten gezogenen Vorteilen. Bereits die Zuerkennung von Auskunftsansprüchen als Vorstufe eines Schadensersatzanspruchs setzt nach der Rechtsprechung neben einem begründeten Verdacht einer Wettbewerbsverletzung – an dem es wie oben ausgeführt fehlt – die Wahrscheinlichkeit eines daraus resultierenden Schadens voraus (vgl. etwa BGH, NJW 2014, 155Tz. 20 m. w. N.; BGH, Beschl. v. 11.02.2008 – II ZR 277/06Tz. 7; Krüger, in: Münchener Kommentar zum BGB, 4. Aufl., § 260 Rn. 16). Entsprechendes muss hinsichtlich der Erlangung etwa herauszugebender Vorteile gelten. Hierzu fehlt es aber an ausreichend konkretem Vorbringen der Klägerinnen. Insbesondere etwaige – vom Beklagten bestrittene – Umsatzeinbrüche bei der Klägerin Ziff. 1 behaupten die Klägerinnen pauschal und ohne konkreten Tatsachenvortrag (GA 210 f.), insbesondere ohne nachvollziehbare Anbindung an den hier in Frage stehenden Beteiligungserwerb. Zu angeblichen aus der Beteiligung vom Beklagten in der relevanten Zeit gezogenen Gewinnen fehlt es überhaupt an jedem konkreten Vorbringen. Eine etwaige Differenz zwischen dem Wert des Anteils und dem vom Beklagten hierfür gezahlten Betrag – laut dem Klägervortrag ist der Erwerb sogar ohne werthaltige Gegenleistung erfolgt – wäre kein auf Kosten der Klägerinnen erlangter Vorteil, den der Beklagte an sie herauszugeben hätte.Randnummer183

bb) Zu Recht hat das Landgericht (S. 16 des Urteils) das auch in der Berufungsinstanz nicht weiter konkretisierte Vorbringen der Klägerinnen zu etwaigen sonstigen Verstößen des Beklagten gegen ihn gegenüber den Klägerinnen treffende Verpflichtungen im Zusammenhang mit einer etwaigen neuen unternehmerischen Betätigung als unzureichend angesehen. Unbehelflich sind insbesondere die auf konkreten Tatsachenvortrag nicht rückführbaren Mutmaßungen der Klägerinnen, der Beklagte habe – ob es so gewesen ist, mag dahinstehen – die Minderheitsbeteiligung ohne oder ohne werthaltige Gegenleistung erworben und vor diesem Hintergrund sei anzunehmen, er habe sozusagen im Gegenzug Wettbewerbsverstöße zum Nachteil der Klägerinnen begangen, die Geschäftstätigkeit des Wettbewerbsunternehmens noch im Jahre 2006 nicht unerheblich gefördert und Großkunden abgeworben. Ein solcher Rückschluss ist schon deshalb ohne ausreichende Basis, weil ohne Weiteres möglich und sogar naheliegend ist, dass der Beklagte die Beteiligung deshalb erworben hat, um nach dem Ausscheiden bei der Klägerin Ziff. 1 im Geschäftsbereich der Y. weiterhin unternehmerisch tätig sein zu können, woran er durch das auf seine Zeit als Gesellschafter-Geschäftsführer beschränkte Wettbewerbsverbot nicht gehindert war. Aus den als Anlage K 20 vorgelegten Unterlagen, die die Klägerinnen in ihrem Vorbringen im Übrigen lediglich pauschal und ohne Behauptung konkreter anspruchsbegründender Tatsachen in Bezug nehmen, ergeben sich keine hinreichenden Anhaltspunkte, die Raum für eine andere Beurteilung eröffnen. Auch aus etwaigen – im Übrigen bestrittenen – Umsatzeinbrüchen bei der Klägerin Ziff. 1 in den Folgejahren ließe sich ohne Anbindung an weiteren konkreten Tatsachenvortrag nicht rückschließen, dass dies auf ein rechtswidriges Verhalten des Beklagten zurückzuführen ist. Schließlich reicht der pauschale – vom Beklagten bestrittene – Vortrag, der Beklagte sei unter Mitnahme nahezu aller Kunden und Mitarbeiter bei den Klägerinnen ausgeschieden, für die Darlegung eines treuwidrigen oder gegen Wettbewerbsrecht verstoßenden Verhaltens nicht aus.Randnummer184

cc) Erst recht lag in dem beanstandeten Beteiligungserwerb kein Verstoß gegen Vorschriften des UWG. Die von Klägerseite ohne näheren Vortrag zitierten Vorschriften erfordern u. a. eine geschäftliche Handlung, in der eine Beeinträchtigung der wettbewerblichen Entfaltungsmöglichkeiten eines Wettbewerbers liegt, die noch dazu unlauter sein muss. Keines der Merkmale erfüllt der hier in Rede stehende Anteilserwerb als solcher. Weitergehende wettbewerbsrechtlich unlautere Handlungen sind nicht dargetan.Randnummer185

2. Widerklage (= Berufungsantrag Ziff. 8 und Anschlussberufung)Randnummer186

a) Widerklageanträge Ziff. I bis VI – behaupteter WettbewerbsverstoßRandnummer187

Die Anschlussberufung des Beklagten hat mit ihren Anträgen Ziff. I bis VI, mit denen der Beklagte unverändert die erstinstanzlichen Widerklageanträge Ziff. I bis VI weiterverfolgt und die Verurteilung der Klägerinnen wegen eines angeblichen Wettbewerbsverstoßes begehrt, keinen Erfolg.Randnummer188

aa) Sämtliche vom Beklagten insoweit gegen die Klägerinnen geltend gemachten Ansprüche stehen dem Beklagten bereits deshalb nicht zu, weil es an dessen Aktivlegitimation fehlt.Randnummer189

(1) Die Rechtspositionen, auf die die Widerklage und die entsprechende Anschlussberufung insoweit gestützt sind, können sich allenfalls aus § 16 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrags der Klägerin Ziff. 1 ergeben. Bei den Einbußen, die der Beklagte insoweit vorträgt und auf die er seine Rechtsverfolgung stützt, handelt es sich um typische mittelbare Vermögensfolgen aufgrund Einbußen, die die Gesellschaft, an der der Beklagte beteiligt war, also die Klägerin Ziff. 1, durch das Verhalten eines anderen Gesellschafters erlitten haben soll und die sich aufgrund der Stellung des Beklagten als deren – früheren – Minderheitsgesellschafter mittelbar nachteilig auch auf sein Vermögen ausgewirkt haben sollen. Angeblich sich daraus ergebende Ansprüche macht der Beklagte mit diesem Teil der Widerklage bzw. der Anschlussberufung als eigene Rechte geltend.Randnummer190

(2) Die geltend gemachten Ansprüche aus dem im Gesellschaftsvertrag der Klägerin Ziff. 1 verankerten Wettbewerbsverbot stehen jedoch nicht dem Beklagten, sondern allenfalls der Klägerin Ziff. 1 zu, um deren Gesellschaftsvertrag es sich handelt und die aus einem ihre Gesellschafter bzw. Geschäftsführer ggf. treffenden Wettbewerbsverbot berechtigt ist.Randnummer191

Eine ggf. mögliche Geltendmachung dieser etwaigen Rechte der Klägerin Ziff. 1 im Wege der actio pro socio ist nicht gegeben, macht der Beklagte hier doch nicht Ansprüche der Klägerin Ziff. 1, sondern allein angeblich eigene Ansprüche geltend.Randnummer192

Zwar ist grundsätzlich denkbar, dass einem Minderheitsgesellschafter einer GmbH eigene Ansprüche aus der Verletzung eines gesellschaftsvertraglichen Wettbewerbsverbots durch einen Mitgesellschafter zustehen. Das setzt aber voraus, dass er durch die Verletzungshandlung einen über den durch die Minderung des Gesellschaftsvermögens im Wert seines Geschäftsanteils eingetretenen Reflexschaden hinausgehenden eigenen Schaden erlitten hat (s. dazu etwa Raiser, in: Großkommentar zum GmbHG, 2. Aufl., § 14 Rn. 112, 101; Michalski/Funke, in: Michalski, GmbHG, 2. Aufl., § 13 Rn. 288). Das wird aber vom Beklagten, der eben einen solchen Reflexschaden geltend macht, nicht behauptet.Randnummer193

bb) Die in Frage stehende Rechtsverfolgung hat gegenüber der Klägerin Ziff. 1 darüber hinaus schon deswegen von vornherein keinen Erfolg, weil die Klägerin Ziff. 1 allenfalls aus dem Wettbewerbsverbot, das die Rechtsverfolgung insoweit tragen soll, berechtigt sein kann, nicht aber verpflichtet. Im Übrigen ist nichts dafür ersichtlich oder vorgetragen, dass und ggf. wie die Klägerin Ziff. 1 an den angeblichen Wettbewerbsverstößen beteiligt gewesen sein soll.Randnummer194

cc) Abgesehen davon geht die auf § 16 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrags der Klägerin Ziff. 1 gestützte Rechtsverfolgung des Beklagten ins Leere, weil diese Regelung ihrem klaren Wortlaut nach lediglich Gesellschafter der Klägerin Ziff. 1 mit einem Wettbewerbsverbot belegt. Nach dem eigenen Vortrag des Beklagten (GA 41 f.) soll der Wettbewerbsverstoß in Form des Anteilserwerbs im Jahr 2001 jedoch durch die Gesellschafter der Klägerin Ziff. 2 bzw. durch eine Gesellschaft begangen worden sein, an der die Gesellschafter der Klägerin Ziff. 2 beteiligt gewesen sein sollen. Dass diese Personen das in § 16 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrags der Klägerin Ziff. 1 verankerte Wettbewerbsverbot verpflichtet habe, ist nicht ersichtlich. Daran ändert nichts, dass es sich bei diesen Personen seinerzeit um die alleinigen Gesellschafter der Klägerin Ziff. 2 gehandelt haben mag und diese wiederum seinerzeit zu 100% an ihrer Rechtsvorgängerin X. beteiligt gewesen sein mag. Es fehlt jeder Vortrag für eine Beteiligung eben dieser Rechtsvorgängerin an den angeblichen Wettbewerbsverstößen.Randnummer195

dd) Schließlich würde das in § 16 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrags der Klägerin Ziff. 1 verankerte Wettbewerbsverbot den von dem Beklagten behaupteten Erwerb einer Minderheitsbeteiligung nach dem Vorbringen des Beklagten auch seinem Umfang nach nicht erfassen. Insofern gelten die obigen Darlegungen entsprechend, die zur Abweisung der gegen den Beklagten erhobenen Klage führen.Randnummer196

ee) Auf die zwischen den Parteien streitige Frage des Bestehens eines Wettbewerbsverhältnisses, das der Beklagte allerdings darlegen und beweisen müsste (vgl. etwa Michalski/Funke, in: Michalski, GmbHG, 2. Aufl., § 13 Rn. 242 ff.), kommt es nach alledem ebensowenig an wie darauf, ob der Rechtsverfolgung des Beklagten der von Amts wegen zu beachtende (Palandt/Grüneberg, BGB, 76. Aufl., § 242 Rn. 96) Einwand der Verwirkung entgegensteht.Randnummer197

b) Widerklageantrag Ziff. VII und VIII – AbfindungsanspruchRandnummer198

Weder die Berufung der Klägerin Ziff. 1 gegen ihre Verurteilung zur Zahlung einer Abfindung in Höhe von 1.102.500 € noch die Anschlussberufung des Beklagten gegen die Widerklageabweisung in Höhe eines weiteren Betrags von 132.300,00 € haben Erfolg – das Landgericht hat die Höhe des Abfindungsanspruchs im Ergebnis zutreffend bestimmt. Hingegen hat die Berufung der Klägerin Ziff. 1 insoweit Erfolg, als sie sich gegen die Zuerkennung außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten richtet. Außerdem war der Zinsausspruch zu korrigieren.Randnummer199

aa) Einwand der Klägerin Ziff. 1, Abfindungsbetrag sei unzutreffend ermitteltRandnummer200

Die Klägerin Ziff. 1 dringt hinsichtlich ihrer Verurteilung zur Zahlung einer Abfindung in Höhe von 1.102.500,00 € mit ihrer Beanstandung nicht durch, das Landgericht habe verfahrensfehlerhaft das Gutachten des Sachverständigen Dr. P. seiner Entscheidung zugrunde gelegt und dabei verkannt, dass eine offensichtliche Unrichtigkeit im Sinne von § 319 Abs. 1 BGB vorliege.Randnummer201

(1) Die Ausübung des dem Beklagten in § 12 des Gesellschaftsvertrags der Klägerin Ziff. 1 eingeräumten Kündigungsrechts führte nach der zweifelsfreien gesellschaftsvertraglichen Regelung nicht zur Auflösung der GesellschaftBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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, sondern hatte die Abtretung des Gesellschaftsanteils des Beklagten nach § 12 Ziff. 2 Satz 3 des Gesellschaftsvertrags mit Vertrag vom 09.02.2007 (Anlage K 3 und B 11) zur Folge; der Sache nach regelt § 12 des Gesellschaftsvertrags ein Austrittsrecht der Gesellschafter (vgl. etwa Fastrich bzw. Haas, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 21. Aufl., § 34 Anh Rn. 27, § 60 Rn. 90; Goette, DStR 1997, 1336). Folge der Abtretung des Gesellschaftsanteils ist nach den gesetzlichen Bestimmungen ein Anspruch des Beklagten auf Abfindung nach dem vollen wirtschaftlichen Wert seiner Beteiligung; maßgebend ist der Verkehrswert (s. nur etwa Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 21. Aufl., § 34 Rn. 22). Eine bestimmte Methode zu dessen Ermittlung ist nicht vorgeschrieben, Ertragswertverfahren herrschen aber vor (s. nur etwa Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 21. Aufl., § 34 Rn. 23).Randnummer202

(2) Diese gesetzliche Lage ist allerdings im Grundsatz dispositiv (s. nur etwa Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 21. Aufl., § 34 Rn. 25), so dass hier im Ausgangspunkt die Gestaltung in § 12 Ziff. 3 Satz 1 i. V. m. § 13 Ziff. 1 Satz 2 des Gesellschaftsvertrags der Klägerin Ziff. 1 maßgebend ist. In Abweichung von den gesetzlichen Vorschriften richtet sich nach der insoweit eindeutigen Regelung in § 12 Ziff. 3 Satz 1 i. V. m. § 13 Ziff. 1 Satz 2 des Gesellschaftsvertrags der Klägerin Ziff. 1, die die Parteien in § 3 des Vertrags vom 09.02.2007 (Anlage K 3 bzw. B 10) – insbesondere mit der Klarstellung des 31.12.2006 als maßgebendem Stichtag – nochmals bekräftigten, die dem Beklagten anlässlich seines Ausscheidens von der Klägerin Ziff. 1 zu leistende Abfindung hier nach dem im „Stuttgarter Verfahren“ ermittelten Wert seines Anteils.Randnummer203

(3) Diesen Anteilswert hat in diesem Verfahren der Gutachter Dr. P. in seiner gutachterlichen Stellungnahme vom 23.12.2009 (Anlage B 11; im Folgenden: Gutachten P.) festgestellt. Bei diesem Gutachten handelt es sich – wie die Berufung nicht mehr in Abrede stellt, zieht doch auch sie § 319 Abs. 1 BGB als maßgebliches Überprüfungskriterium heran (BB 11, GA 598; vgl. auch BE 13, GA 600) – um ein Schiedsgutachten im engeren Sinne, auf das §§ 317 ff. BGB entsprechende Anwendung finden (vgl. BGH, NJW 2013, 1296Tz. 13; Palandt/Grüneberg, BGB, 76. Aufl., § 317 Rn. 6, § 319 Rn. 4).Randnummer204

(a) Solche Schiedsgutachten im engeren Sinne dienen vor allem dazu, den von den Parteien zwar objektiv bestimmten, aber nur mit einer gewissen Sachkunde feststellbaren Vertragsinhalt zu ermitteln. Es handelt sich um privatrechtlich vereinbarte Sachverständigengutachten außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens, die der Klärung oder Feststellung von Tatsachen dienen. Dabei erkennen die Parteien die durch das Gutachten zu treffende Bestimmung bis an die Grenze der offenbaren Unrichtigkeit als verbindlich an (BGH, NJW 2013, 1296Tz. 13).Randnummer205

(b) So liegt es hier.Randnummer206

Zwar enthält der Gesellschaftsvertrag der Klägerin Ziff. 1 in § 13 Ziff. 1 Satz 3 eine Schiedsklausel, die sich zumindest ausdrücklich lediglich auf die Feststellung der maßgebenden Bilanzansätze bezieht, nicht hingegen auf die Feststellung des Anteilswerts. Dem entspricht auch die Regelung in § 3 Ziff. 1 des Kauf- und Übertragungsvertrags vom 09.02.2007 (Anlage K 3 bzw. B 10).Randnummer207

Hierauf kommt es aber nicht an, wie das Landgericht zutreffend angenommen hat.Randnummer208

(aa) Die Klägerin Ziff. 1 und der Beklagte haben – wie sich aus den im Rechtsstreit vorgelegten Unterlagen (GA 281 ff., 296 ff.) zweifelsfrei ergibt – den Gutachter Dr. P. einvernehmlich mit der schiedsgutachtlichen Ermittlung des nunmehr im Streit stehenden Abfindungsguthabens beauftragt. Hierin liegt – unabhängig vom genauen Inhalt der gesellschaftsvertraglichen Regelung insofern – die rechtsgeschäftliche Vereinbarung, dass der Gutachter Dr. P. den von den Parteien zwar objektiv bestimmten, aber nur mit einer gewissen Sachkunde – nämlich durch Anwendung der Regeln des Stuttgarter Verfahrens – feststellbaren Vertragsinhalt zu ermitteln hatte. Es handelte sich bei dem Gutachten P. somit jedenfalls auf der Basis dieser Vereinbarung um ein privatrechtlich vereinbartes Sachverständigengutachten außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens, das der Klärung oder Feststellung von Tatsachen diente, also um ein Schiedsgutachten im engeren Sinne. Dies lag schon deshalb nahe, weil § 13 Ziff. 1 Satz 3 des Gesellschaftsvertrags der Klägerin Ziff. 1 zumindest für die eng mit der Feststellung des Anteilswerts zusammenhängende Frage der Feststellung der maßgebenden Bilanzansätze eine Schiedsklausel enthält. Die Beauftragung des Gutachters Dr. P. in der erfolgten Form war nach den konkreten Umständen nur sinnvoll, kam diesem gerade die Funktion eines Schiedsgutachters hinsichtlich der Feststellung des Anteilswerts im Stuttgarter Verfahren zu.Randnummer209

(bb) Eine Änderung des Gesellschaftsvertrags der Klägerin Ziff. 1 ist in der getroffenen Vereinbarung entgegen der zumindest erstinstanzlich von den Klägerinnen vertretenen Auffassung nicht zu sehen, so dass es nicht auf die dafür einschlägigen Formvorschriften ankommt und auch nicht darauf, ob die Klägerin Ziff. 1 Partei dieses Gesellschaftsvertrags ist oder war (GA 290 f.). Die Parteien trafen keine Regelung, die in Zukunft für das Ausscheiden von Gesellschaftern durch Kündigung gelten sollte, sondern regelten die Feststellung der Abfindungshöhe in Bezug auf das Ausscheiden des Beklagten, was in der geschehenen Form möglich war. Dass die Begutachtung zunächst unter dem Vorbehalt gerichtlicher Klärung hinsichtlich der bilanziellen Ansätze für das Jahr 2006 stand, ändert nichts an der Eigenschaft des Gutachtens P. als Schiedsgutachten im engeren Sinne im Übrigen.Randnummer210

(4) Das Gutachten P. ist nicht offenbar unrichtig und damit für die Parteien grundsätzlich verbindlich (§ 319 Abs. 1 Satz 1 BGB entsprechend).Randnummer211

(a) Ein Schiedsgutachten ist offenbar unrichtig, wenn sich dem sachkundigen und unbefangenen Beobachter, wenn auch möglicherweise erst nach gründlicher Prüfung, offensichtliche Fehler aufdrängen, die das Gesamtergebnis verfälschen (vgl. BGH, NJW 2013, 1296Tz. 16; Palandt/Grüneberg, BGB, 76. Aufl., § 317 Rn. 6, § 319 Rn. 4). Ein Gutachten ist nicht nur unrichtig, sondern auch offenbar unrichtig, wenn es den Grundsatz von Treu und Glauben in grober Weise verletzt und sich seine Unrichtigkeit dem Blick eines sachkundigen und unbefangenen Beurteilers sofort aufdrängen muss (vgl. BGH, NJW 2013, 1296Tz. 16 m. w. N.). Entscheidend ist grundsätzlich, ob das Gutachten im Ergebnis von der wirklichen Sachlage erheblich abweicht (vgl. BGHZ 9, 195Tz. 9). Die Überprüfung hat sich aber darauf zu beschränken, ob das in dem Schiedsgutachten gewonnene Ergebnis offenbar unrichtig ist, darf dagegen nicht zu dessen voller Überprüfung auf sachliche Richtigkeit führen (vgl. etwa BGH, Urt. v. 25.01.1979 – X ZR 40/77Tz. 20 m. w. N.). Bei offenbarer Unrichtigkeit erfolgt die Bestimmung entsprechend § 319 Abs. 1 Satz 2 BGB durch Urteil, wobei die Frage der Unbilligkeit im Rahmen des Verfahrens auf Leistung inzident zu entscheiden ist und sich der Schuldner gegen eine auf Leistung entsprechend der Bestimmung in dem Schiedsgutachten gerichteten Klage auf die offensichtliche Unrichtigkeit berufen kann (vgl. Würdinger, in: Münchener Kommentar zum BGB, 6. Aufl., § 315 Rn. 47, § 317 Rn. 23). Die Darlegungs- und Beweislast für die offenbare Unrichtigkeit trägt die Partei, die sich darauf beruft (vgl. Palandt/Grüneberg, BGB, 76. Aufl., § 319 Rn. 7).Randnummer212

(b) Die Einwände der Berufung gegen das Gutachten P. greifen nicht durch; jedenfalls eine offenbare Unrichtigkeit liegt – worauf es, wie erwähnt, allein ankommt (s. etwa BGH, Urt. v. 25.01.1979 – X ZR 40/77Tz. 20) – nicht vor; dem Antrag auf Einholung eines weiteren Gutachtens (BB 17 f., GA 604 f.) zur Wertbestimmung nach dem „Stuttgarter Verfahren“ war und ist daher nicht nachzugehen (§ 412 Abs. 1 ZPO). Dabei hat der Senat auch die im Schriftsatz vom 14.06.2013 (GA 450 ff.) – und im Übrigen auch den gesamten weiteren Vortrag der Klägerinnen, insbesondere denjenigen in den Schriftsätzen vom 17.07.2013 (GA Bl. 462 ff.) sowie vom 27.12.2013 (GA 517 f.) – erhobenen Einwände sowie das weitere Vorbringen umfassend berücksichtigt; auf die Frage, ob dem Landgericht im Zusammenhang mit der Behandlung dieses Prozessstoffs Verfahrensfehler unterlaufen sind, kommt es schon deshalb von vornherein nicht an. Es kann auch dahinstehen, ob die Art und Weise, wie das Landgericht die einschlägigen Gutachten in seiner Entscheidung verarbeitet hat, verfahrensfehlerfrei war.Randnummer213

(aa) Das Gutachten P. legt zutreffend – worüber die Parteien auch im Grundsatz nicht streiten – bei der Bewertung des Anteils des Beklagten an der Klägerin Ziff. 1, der für die Berechnung der aufgrund seines Ausscheidens von der Klägerin Ziff. 1 zu leistenden Abfindung maßgebend ist, das sog. „Stuttgarter Verfahren“ zugrunde. Dies ergibt sich aus der insoweit eindeutigen Regelung in § 12 Ziff. 3 Satz 1 i. V. m. § 13 Ziff. 1 Satz 2 des Gesellschaftsvertrags der Klägerin Ziff. 1, die die Parteien in § 3 des Vertrags vom 09.02.2007 (Anlage K 3 bzw. B 10) – insbesondere mit der Klarstellung des 31.12.2006 als maßgebendem Stichtag – nochmals bekräftigt haben.Randnummer214

Bei dem „Stuttgarter Verfahren“ handelt es sich – wovon die Gutachter zu Recht ausgingen und wie insbesondere in dem Gutachten des Sachverständigen Dr. S. vom 15.11.2012 (GA 375 ff., dort S. 4 f.; im Folgenden: Gutachten S.) im Einzelnen dargelegt worden ist – um ein hoch formalisiertes, stark vereinfachendes, von der Finanzverwaltung entwickeltes und ausschließlich für die Zwecke der Besteuerung (s. etwa BFH, Urt. v. 01.02.2007 – II R 19/05Tz. 12) angewandtes Bewertungsverfahren (vgl. Göllert/Ringling, DB 1999, 516). Es diente primär fiskalischen Zwecken und sollte durch die in ihm enthaltenen Typisierungen insbesondere die Gleichmäßigkeit der Besteuerung sicherstellen (hierzu auch BFH, Urt. v. 01.02.2007 – II R 19/05Tz. 12), nicht hingegen – jedenfalls nicht primär – eine möglichst adäquate Wertermittlung im Einzelfall. Dementsprechend wird dieses Verfahren weithin als zur Ermittlung des tatsächlichen Werts eines Gesellschaftsanteils ungeeignet angesehen (so etwa Lutter/Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 19. Aufl., § 34 Rn. 79 und insbesondere Göllert/Ringling, DB 1999, 516 ff.; vgl. auch OLG NaumburgBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG Naumburg
, Urt. v. 02.10.2006 – 2 U 14/06 – Tz. 18; positiver unter gewissen Umständen – wenn ein Unternehmen zu bewerten ist, dessen Erträge weniger mit der Vermögenssubstanz als durch den persönlichen Einsatz seiner Geschäftsführer erwirtschaftet werden – BGH, Urt. v. 14.07.1986 – II ZR 249/85Tz. 11 sowie OLG München, GmbHR 1988, 216, 217), allerdings verbreitet deshalb, weil es weithin zu Werten unterhalb des Verkehrswerts gelange (vgl. BVerfG, NJW 2007, 573, 583 m. w. N.; OLG NaumburgBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG Naumburg
, Urt. v. 02.10.2006 – 2 U 14/06 – Tz. 19; Seibt, in: Scholz, GmbHG, 11. Aufl., § 14 Rn. 13). Nach der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung handelt es sich dabei sogar um ein Verfahren, das auf realitätsfernen Ausgangsparametern beruhe, den Verkehrswert nur in Ausnahmefällen abbilde, ihn regelmäßig aber systembedingt verfehle (s. BVerfG, NJW 2007, 573, 583 f.; Seibt, in: Scholz, GmbHG, 11. Aufl., § 14 Rn. 13; ebenso insbesondere Göllert/Ringling, DB 1999, 516 ff.), was dazu geführt hat, dass dieses Verfahren mittlerweile durch die Vorschriften über das vereinfachte Ertragswertverfahren (§§ 199 ff. BewG) überholt ist (s. nur etwa Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, 7. Aufl., § 34 Rn. 51; Moog/Schweizer, GmbHR 2009, 1198 ff.).Randnummer215

All dies ändert jedoch – worüber die Parteien an sich auch nicht streiten – jedenfalls im Ausgangspunkt nichts an der Maßgeblichkeit des „Stuttgarter Verfahrens“ für die hier erhebliche Bewertung des Anteils des Beklagten an der Klägerin Ziff. 1. Die hier einschlägigen gesellschaftsvertraglichen Regelungen sind eindeutig und enthalten entsprechende Vorgaben. Diese sind – vorbehaltlich sich aus dem objektiven Recht ggf. ergebender, hier noch nicht in die Betrachtung einzubeziehender Wirksamkeitsschranken (s. unten) – von der Vertragsfreiheit gedeckt und dementsprechend verbindlich (vgl. nur etwa OLG NaumburgBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG Naumburg
, Urt. v. 02.10.2006 – 2 U 14/06 – Tz. 18 m. w. N.; Moog/Schweizer, GmbHR 2009, 1198, 1199; s. ferner etwa auch OLG München, GmbHR 1988, 216, 217; Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 21. Aufl., § 34 Rn. 36 a). Auf die Eignung des Stuttgarter Verfahrens zur Ermittlung des „tatsächlichen“ Anteilswerts im Allgemeinen wie im konkreten Fall kommt es hier im Ausgangspunkt nicht an.Randnummer216

(bb) Maßgebend für die Bewertung sind im Streitfall demnach – worüber zwischen den Parteien ebenfalls an sich kein Streit besteht – R 96 ff. ErbStR 2003 (vgl. nur etwa OLG NaumburgBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG Naumburg
, Urt. v. 02.10.2006 – 2 U 14/06 – Tz. 19). Dies gilt ungeachtet des Umstands, dass der Gesellschaftsvertrag der Klägerin Ziff. 1 aus dem Jahr 2000 stammt. Das ergibt sich bereits aus einer verständigen Auslegung dieses Gesellschaftsvertrags (vgl. auch hierzu OLG NaumburgBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG Naumburg
, Urt. v. 02.10.2006 – 2 U 14/06 – Tz. 19) und daraus, dass im Zweifel eine dynamische Verweisung auf die zum maßgebenden Bewertungsstichtag jeweils aktuellen Vorschriften vorliegt (s. etwa Seibt, in: Scholz, GmbHG, 11. Aufl., § 14 Rn. 13; Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 21. Aufl., § 34 Rn. 36 a; ebenso wohl Leitzen, RNotZ 2009, 315, 321; offen Heller, GmbHR 1999, 594, 595; a. A. Casper/Altgen, DStR 2008, 2319, 2323). Im Übrigen kommt es auf etwaige Divergenzen zur früheren Fassung für die Beurteilung des Streitfalls nicht an, wie bereits im Gutachten P. (S. 3) – von den Parteien unbeanstandet – festgestellt worden ist.Randnummer217

(cc) Schon aus dieser – demnach grundsätzlich maßgebenden – gesellschaftsvertraglichen Ausgestaltung, die regelt, dass die Vorgaben des Stuttgarter Verfahrens anzuwenden sind, ergibt sich, dass das Begehren der Berufung, „sämtliche bis zur endgültigen Ermittlung des Abfindungsguthabens auftretende Erkenntnisse wertaufhellend zu berücksichtigen“ (BB 12 Ziff. 2) ebenso ohne Basis ist wie ihr Verlangen, die Ertragsaussichten der Klägerin Ziff. 1 ab dem Jahr 2007 grundsätzlich, also ohne Rücksicht auf die detaillierten Vorgaben der maßgebenden Richtlinien (R 96 ff. ErbStR 2003), in die Bewertung nach dem Stuttgarter Verfahren einfließen zu lassen (BB 16 Ziff. 15 bis 17). Dementsprechend greifen ihre diesbezüglichen Einwände gegen das Vorgehen der beiden Gutachter nicht durch und lassen von vornherein nicht den Schluss auf eine offenbare Unrichtigkeit des Gutachtens P. zu. Die Berufung verkennt mit diesen Einwänden grundsätzlich, dass eine Berücksichtigung von Verhältnissen, die auf den tatsächlichen Wert der Anteile des Beklagten zum 31.12.2006 rückschließen lassen mögen, im Stuttgarter Verfahren grundsätzlich – vorbehaltlich einer Korrektur in Extremfällen (dazu unten) – nur insoweit möglich ist, wie dies die differenzierten, stark formalisierten Vorgaben dieses Verfahrens zulassen. Dementsprechend sind jegliche Einwände ohne Basis, die ohne direkte Ankoppelung an diese konkreten Vorgaben Verhältnisse in die hier anzustellende Bewertung einfließen lassen wollen, die – angeblich oder tatsächlich – für die Ermittlung des Verkehrswerts des Anteils zum Stichtag maßgeblich waren. Insbesondere kommt eine derart pauschale Berücksichtigung von Ertragsaussichten der Klägerin Ziff. 1 für das Jahr 2007 und später nicht in Betracht. Sie überginge das „recht grobe Schätzungsverfahren“, das das hier maßgebende Bewertungsverfahren insbesondere im Hinblick auf die Würdigung der Ertragsaussichten vorsieht, und das die Rechtsprechung des BFH – in einer Entscheidung zur Maßgeblichkeit der letzten vollen drei Jahre ohne Berücksichtigung des laufenden für den Ertragshundertsatz nach R 99 Abs. 1 Satz 3 ErbStR – als grundsätzlich „sachgerecht“ anerkannt hat, weil es die „Anforderungen der Praktikabilität“ wahre, und zwar ausdrücklich unter Inkaufnahme der Gefahr, „die Ertragsverhältnisse zum Stichtag zu verfehlen“ (s. zu allem BFH, Urt. v. 01.02.2007 – II R 19/05Tz. 13, 15, 16). Dass das hier im Ausgangspunkt anzuwendende Bewertungsverfahren nach allem diverse Verhältnisse außer Betracht lassen mag, die für die Ermittlung des Verkehrswerts des Anteils im Streitfall von Bedeutung sein mögen, kann die Berufung als solches nach allem grundsätzlich nicht mit Erfolg geltend machen. Dementsprechend liegt darin, dass die Gutachter entsprechend verfahren sind, kein Mangel der Gutachten.Randnummer218

(dd) Ohne Basis ist ferner die in der Berufungsbegründung mit der Verwendung des Begriffs „Spezialbilanzen“ (BB 12 Ziff. 2 sowie BB 15 f. Ziff. 13 und 14) zumindest anklingende Vorstellung, im Streitfall gelte etwas anderes, weil die Anwendung des Stuttgarter Verfahrens hier dazu dient, die dem Beklagten anlässlich seines Ausscheidens aus der Klägerin Ziff. 1 geschuldete Abfindung zu bestimmen. Wie dargelegt, bestimmt die einschlägige gesellschaftsvertragliche Regelung die Bewertung nach dem Stuttgarter Verfahren gerade für diesen Bewertungsanlass. Diese Bestimmung ist zumindest im Ausgangspunkt verbindlich. Dies schließt es aus, aus dem konkreten Bewertungsanlass auf eine grundsätzliche Maßgeblichkeit diverser „wertaufhellender“ Erkenntnisse zu schließen. Die gesellschaftsvertragliche Regelung mag eine im Streitfall sachgerechte Ausgestaltung verfehlen (vgl. etwa Heller, GmbHR 1999, 594, 596 f.). Das ist aber ohne Bedeutung für die hier allein entscheidende Frage ihrer Maßgeblichkeit im Ausgangspunkt.Randnummer219

(ee) Soweit sich die Berufung mit Einwänden, die konkret in den maßgebenden Vorgaben (R 96 ff. ErbStR 2003) abgestützt sind, gegen die Begutachtungen wendet, hat sie damit ebenfalls keinen Erfolg. Auch aus diesen Einwänden ergibt sich keine offenbare Unrichtigkeit des Gutachtens P..Randnummer220

(i) Ohne Erfolg macht die Berufung geltend, die von ihr behaupteten Aufwandspositionen „Funktionsersatz“ in Höhe von 533.474,00 € sowie von Rechtsberatungskosten etc. in Höhe von 211.215,00 € seien in den Bewertungen zu Unrecht nicht berücksichtigt worden. Schon gar nicht ist das Gutachten P. folglich im Hinblick darauf offenbar unrichtig.Randnummer221

Soweit die Berufung eine Korrektur des Ertragshundertsatzes nach R 98 ErbStRL verlangt (BB 13 Ziff. 4, wohl auch Ziff. 5), liegt dies neben der Sache; die Vorschrift betrifft die Ermittlung des Vermögenswerts.Randnummer222

Eine Berücksichtigung der Positionen bei dieser Ermittlung des Vermögenswerts nach R 98 ErbStRL kommt nicht in Betracht. Maßgebend sind insofern die Steuerbilanzwerte, hier diejenigen der Jahre 2004 bis 2006, die der Bewertung zugrunde liegen. In die Steuerbilanzen haben die Positionen aber – wie die Berufung selbst nicht in Abrede stellt (BB 13) – keinen Eingang gefunden. Folglich ist ihre Berücksichtigung schon deshalb ausgeschlossen, wie der gerichtliche Sachverständige zutreffend ausgeführt hat (Gutachten S., S. 11; s. auch S. 2 f. der ergänzenden Stellungnahme vom 13.03.2013, GA 430 b, c; im Folgenden: Stellungnahme S.). R 98 Abs. 3 ErbstRL ändert daran nichts, auch wenn es sich bei Satz 2 dieser Vorgabe um eine Aufzählung von Beispielen handeln mag. Die Vorgabe betrifft – wie die Berufung an sich nicht verkennt (BB 15 oben) – im Vermögen der Kapitalgesellschaft bis zum Stichtag – hier also bis zum 31.12.2006 – eingetretene Veränderungen. Hierzu zählen Aufwandspositionen, die im Jahr 2007 entstanden sein mögen, nicht; nichts anderes ergibt sich entgegen der Beanstandung der Berufung (BB 14 unten) aus der Stellungnahme S., S. 3 (GA 430 c). Dass die Ursache für diesen Aufwand in dem Ausscheiden des Beklagten liegen mag, ändert entgegen der Auffassung der Berufung nichts; ihre diesbezügliche Auffassung, es handle sich im Hinblick darauf um im Stuttgarter Verfahren zu berücksichtigende „wertaufhellende Ereignisse“, ist aus den oben dargelegten Gründen unzutreffend.Randnummer223

Sollte die Berufung der Auffassung sein, es habe eine unmittelbare Berücksichtigung der Aufwandspositionen bei der Bildung des Ertragshundertsatzes erfolgen müsse, träfe auch das nicht zu. Eine Grundlage in R 99 ErbStRL hierfür ist nicht ersichtlich, insbesondere ist kein Raum für eine Korrektur nach R 99 Abs. 1 Satz 5 ErbStR (s. das Gutachten S., S. 12). Abgesehen davon dürfte einer Berücksichtigung auch schon das Stichtagsprinzip entgegenstehen, wie im Gutachten S., S. 12, 14 zutreffend ausgeführt ist. Eine Einstufung des in Frage stehenden Aufwands als im Bewertungszeitpunkt hinreichend konkretisiert (zu den diesbezüglichen Voraussetzungen s. BFH, Urt. v. 26.06.1996 – II R 64/93Tz. 11 f.) ist auf der Basis des Sachvortrags der Klägerinnen (GA 100 mit den als Anlage K 13 vorgelegten Schreiben der Klägerinnen) nicht möglich.Randnummer224

Abgesehen davon, dass eine Berücksichtigung der beiden Positionen in der Bewertung nach dem Stuttgarter Verfahren ohnehin nicht in Betracht kommt, scheiterte eine Berücksichtigung im Übrigen auch schon daran, dass der in tatsächlicher Hinsicht gehaltene Sachvortrag der Klägerinnen hierzu unsubstantiiert und damit nach zivilprozessualen Maßstäben nicht berücksichtigungsfähig ist. Die Klägerinnen begnügen sich mit einem bloßen Verweis (GA 100) auf die in Anlage K 13 vorgelegten Schreiben. Aufgrund dieser Schreiben sind die behaupteten Positionen aber nicht nachvollziehbar; es sind nicht einmal die in dem Schreiben vom 09.10.2009 unter Ziff. 2 genannten Anlagen im Rechtsstreit vorgelegt worden, so dass der Senat nicht beurteilen kann, ob sich hieraus die erforderlichen Konkretisierungen ergeben hätten. Abgesehen davon käme es ohnehin nur auf den Sachverhalt an, der dem Gutachter Dr. P. unterbreitet worden ist (vgl. BGH, Urt. v. 25.01.1979 – X ZR 40/77Tz. 22; v. 23.11.1984 – V ZR 120/83Tz. 11; Urt. v. 14.07.1986 – II ZR 249/85Tz. 7). Dass dessen Gehalt anders zu beurteilen ist als der von den Klägerinnen gehaltene Prozessvortrag, ist nicht ersichtlich.Randnummer225

(ii) Eine Minderung des Ertragshundertsatzes nach R 99 ErbStRL Abs. 2 kommt entgegen der Ansicht der Berufung (BB 13 Ziff. 6) nicht in Betracht, weil die Voraussetzungen dieser Vorgabe in zweifacher Hinsicht nicht erfüllt sind. Erst recht liegt somit auch insofern nicht eine offenbare Unrichtigkeit des Gutachtens P. vor.Randnummer226

Die Vorgabe erfordert eine Abhängigkeit von der persönlichen Tätigkeit eines Gesellschafter-Geschäftsführers, die nicht durch ein entsprechendes Entgelt abgegolten ist (s. zu dieser Voraussetzung BFH, Urt. v. 05.04.1995 – II R 113/91Tz. 16; dagegen spricht auch nicht BFH, Urt. v. 06.04.1962 – III 261/59 UTz. 8; darauf verweist Ziff. 5 des Schreibens vom 16.12.2008, Anlage K 13). Dafür, dass hier Letzteres der Fall war, ist nichts ersichtlich und zeigen die Klägerinnen nichts auf. Die von Klägerseite in Bezug genommene (GA 100) Darlegung in Ziff. 5 des Schreibens vom 16.12.2008 (Anlage K 13) ist pauschal, ebenso die in Ziff. 1 des Schreibens vom 21.07.2009 (Anlage K 13); diesem Vorbringen einen Rückschluss darauf zu entnehmen, die Leistungen des Beklagten bei der Klägerin Ziff. 1 seien nicht durch ein entsprechendes Entgelt abgegolten, wäre ohne Basis. Im Übrigen zeigt die Voraussetzung, dass eine Abhängigkeit von der persönlichen Tätigkeit eines Gesellschafter-Geschäftsführers vorliegen muss, die nicht durch ein entsprechendes Entgelt abgegolten ist, dass die Vorgabe – anders als die Berufung offenbar annimmt – nicht verlangt, einen Abschlag vom Entgelthundertsatz bei Kapitalgesellschaften mit personalistischen Strukturen vorzunehmen. Sie bezweckt lediglich im Hinblick darauf eine Korrektur, dass unter den definierten Voraussetzungen die Gesellschaft ihre Erträge sozusagen auf Kosten des Gesellschafter-Geschäftsführers realisiert. Dass dies bei der Klägerin Ziff. 1 der Fall war, ist – wie gesagt – nicht ersichtlich und von den Klägerinnen nicht aufgezeigt.Randnummer227

Abgesehen davon ergibt sich aus dem Vortrag der Klägerinnen auch nicht eine Abhängigkeit der Klägerin Ziff. 1 von der persönlichen Tätigkeit des Beklagten als Gesellschafter-Geschäftsführer, wie sie die Vorgabe verlangt (zu den Voraussetzungen s. BFH, Urt. v. 05.04.1995 – II R 113/91Tz. 14 f.). Der einschlägige Vortrag (s. die in Anlage K 13 vorgelegten Schreiben) ist unzureichend, zumal die Klägerinnen selbst vortragen, bei der Klägerin Ziff. 1 seien bis ins Jahr 2007 hinein eine Vielzahl weiterer geschulter Mitarbeiter beschäftigt gewesen (s. etwa Ziff. 2 des Schreibens vom 09.10.2009, Anlage K 13). Die einschlägigen Darlegungen im Gutachten S., S. 15 f. sind folglich nicht zu beanstanden.Randnummer228

(iii) Keinen Erfolg hat die Berufung (GA 99 f. sowie BB 17 Ziff. 18) schließlich mit ihrem auf die Rechtsprechung des BFH zum Stuttgarter Verfahren gestützten Vorbringen, die in Frage stehende Bewertung sei zu korrigieren, weil sie zu offensichtlich unzutreffenden Ergebnissen führe. Auch bei Berücksichtigung dieses Einwands erweist sich das Gutachten P. folglich nicht als offenbar unrichtig.Randnummer229

Allerdings hat der Bundesfinanzhof in ständiger Rechtsprechung zwar das Stuttgarter Verfahren für Besteuerungszwecke als ein geeignetes Schätzungsverfahren anerkannt, das dem Gesetz entspreche und ein wertvolles Hilfsmittel sei, die Einheitlichkeit der Bewertung zu gewährleisten; mit Rücksicht auf die Gleichmäßigkeit der Besteuerung könne von diesem Verfahren nur – aber immerhin dann – abgewichen werden, wenn es in Ausnahmefällen aufgrund der Besonderheiten dieser Fälle zu nicht tragbaren, d.h. zu offensichtlich unrichtigen Ergebnissen führe (s. hierzu nur etwa BFH, Urt. v. 06.02.1991 – II 87/88 – Tz. 11, 13).Randnummer230

Eine Korrektur kommt hier aber nicht in Betracht.Randnummer231

Die Klägerinnen haben hierzu durch Verweis auf die als Anlage K 13 vorgelegten Schreiben vom 16.12.2008, vom 21.07.2009 sowie vom 09.10.2009 im Kern vorgetragen, das Ausscheiden des Beklagten sowie des weiteren Gesellschafters W. zum 31.12.2006 habe in der Folgezeit erheblichen Mehraufwand für die Klägerin Ziff. 1 zur Folge gehabt, zum einen aufgrund ihr entstandener Kosten für diverse Beratung, insbesondere Rechtsberatung, sowie dadurch, dass sie eine Vielzahl neuer Mitarbeiter habe in den Betrieb integrieren müssen, nachdem ein gewichtiger Teil der Belegschaft dem Beklagten und dem weiteren Gesellschafter gefolgt seien und das Unternehmen verlassen hätten. Zudem sei durch das Ausscheiden insbesondere des Beklagten und dadurch, dass dieser im Jahr 2007 ein Konkurrenzunternehmen aufgebaut habe, eine neue, verschärfte Wettbewerbssituation entstanden, u. a. habe die Klägerin Ziff. 1 Abschläge von 10 % bei Verkaufspreisen auch an Bestandskunden hinnehmen müssen. In der Berufungsbegründung (BB 12 Ziff. 2) ist nun pauschal von „Umsatz- und Ertragseinbußen“ von „bis nahezu 50 %“ die Rede (s. zum Ganzen Ziff. 5 des Schreibens vom 16.12.2008; Ziff. 1 und 2 des Schreibens vom 21.07.2009; Ziff. 2 und 3 des Schreibens vom 09.10.2009). Bei all dem handle es sich um Umstände, die bei der Bewertung nach dem Stuttgarter Verfahren berücksichtigt werden müssten, um nicht zu offensichtlich unrichtigen Ergebnissen zu gelangen; es handle sich insoweit nicht um die Verwirklichung typischer unternehmerischer Risiken, sondern um Nachteile, die der Beklagten durch das grob pflichtwidrige Verhalten des Beklagten entstanden und die deshalb bei der Bewertung nach dem Stuttgarter Verfahren nicht ohne weiteres bereits „eingepreist“ seien (BB 12 f.).Randnummer232

Der Senat hält indes den einschlägigen – überwiegend bestrittenen – Sachvortrag schon für nicht ausreichend substantiiert, um ihn in der Art und Weise zu verwerten, wie die Berufung dies begehrt. Das Vorbringen ist bereits zu den in den Jahren ab 2007 genau entstandenen Umsatz- und Ertragseinbußen nicht hinreichend konkret, es sind die im als Anlage K 13 vorgelegten Schreiben vom 09.10.2009 genannten Anlagen allesamt nicht vorgelegt. Entsprechendes gilt für das Vorbringen zu den ausgeschiedenen Mitarbeitern und die in dem als Anlage K 13 vorgelegten Schreiben vom 21.07.2009 genannte Anlage. Der Vortrag der Klägerinnen ermöglicht unabhängig davon und vor allem nicht Rückschlüsse darauf, dass etwa entstandene erhebliche Einbußen, die der Beklagte – worauf die Berufungserwiderung zu Recht hinweist (BE 16 oben) – entgegen der Darstellung in der Berufungserwiderung (BB 14 oben) auch schon erstinstanzlich bestritten hat (GA 253), auf das Ausscheiden des Beklagten und/oder der weiteren Mitarbeiter der Klägerin Ziff. 1 zurückzuführen waren. Im Dunkeln bleibt insbesondere, worauf bereits das Gutachten S., S. 16 unten, zutreffend hingewiesen hat, insbesondere der Zusammenhang zwischen den behaupteten Abschlägen von 10 % bei Verkaufspreisen und dem Ausscheiden des Beklagten und/oder weiterer Mitarbeiter sowie einer dadurch entstandenen neuen Wettbewerbssituation. Abgesehen davon käme es ohnehin nur auf den Sachverhalt an, der dem Gutachter Dr. P. unterbreitet worden ist (vgl. BGH, Urt. v. 25.01.1979 – X ZR 40/77Tz. 22; Urt. v. 23.11.1984 – V ZR 120/83Tz. 11; Urt. v. 14.07.1986 – II ZR 249/85Tz. 7). Dass dessen Gehalt anders zu beurteilen ist als der von den Klägerinnen gehaltene Prozessvortrag, ist nicht ersichtlich.Randnummer233

Letztlich kommt es hierauf aber nicht entscheidend an. Die in Rede stehenden Umstände wären ohnehin nicht in der Bewertung nach dem Stuttgarter Verfahren zu berücksichtigen. Die Gutachten sind auch insoweit fehlerfrei. Im Gutachten S., S. 11 f. und 17, ist zutreffend dargestellt, dass das Ausscheiden des Beklagten sowie ggf. weiterer Mitarbeiter bei der Klägerin Ziff. 1 zum 31.12.2006 und die Entstehung einer neuen Wettbewerbssituation im Jahr 2007 insbesondere durch die Tätigkeit des Beklagten ein typisches unternehmerisches Risiko darstellt, das grundsätzlich von den einschlägigen Vorgaben der R 96 ff. ErbStRL ohne Weiteres abgedeckt ist und somit nicht eigens angesetzt werden kann. Der Senat teilt diese Auffassung. Dadurch, dass die genannten Umstände nicht in der Art und Weise berücksichtigt worden sind, wie die Berufung dies verlangt, wurde die Bewertung nach dem Stuttgarter Verfahren demnach nicht untragbar, d. h. offensichtlich unrichtig.Randnummer234

bb) Einwand der Klägerin, Abfindungsregelung sei unanwendbar und anzupassenRandnummer235

Die gesellschaftsvertragliche Abfindungsregelung, die an eine Anteilsbewertung nach dem Stuttgarter Verfahren anknüpft, ist auch nicht deshalb unanwendbar und der Abfindungsbetrag (nach unten) anzupassen, weil der sich nach dem Stuttgarter Verfahren ergebende Anteilswert im konkreten Fall im Vergleich zum tatsächlichen Verkehrswert des Anteils unangemessen überhöht wäre.Randnummer236

Es ist auch für das GmbH-Recht anerkannt, dass Abfindungsbeschränkungen nur in gewissen Grenzen rechtlich zulässig sind (s. dazu nur etwa Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 21. Aufl., § 34 Rn. 26 ff.; Westermann, in: Scholz, GmbHG, 11. Aufl., § 34 Rn. 29 ff.; Ulmer, in: Großkommentar zum GmbHG, 1. Aufl., § 34 Rn. 89 ff.). Im vorliegenden Fall sind diese Schranken jedoch nicht tangiert.Randnummer237

(1) Eine Nichtigkeit der gesellschaftsvertraglichen Regelung nach § 138 BGB oder aber entsprechend § 241 Nr. 4 AktG kommt im Streitfall von vornherein nicht in Betracht. Dies setzte jedenfalls ein anfängliches Missverhältnis voraus, also eines, das bereits bei Inkraftsetzung der gesellschaftsvertraglichen Abfindungsregelung bestand, hier also bei Zustandekommen der einschlägigen gesellschaftsvertraglichen Regelung (s. etwa BGH, Urt. v. 27.09.2011 – II ZR 279/09Tz. 12; Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 21. Aufl., § 34 Rn. 28; Westermann, in: Scholz, GmbHG, 11. Aufl., § 34 Rn. 31, 35; Ulmer, in: Großkommentar zum GmbHG, 1. Aufl., § 34 Rn. 91). Im Streitfall, in dem die Klägerinnen geltend machen, der Betrag der Abfindung nach dem Gesellschaftsvertrag sei gegenüber dem wahren Anteilswert weit überhöht, kann zumindest hinsichtlich des maßgebenden Zeitpunkts nichts anderes gelten (vgl. Sörgel/Engelmann, DStR 2003, 1260, 1263). Ein derartiges anfängliches Missverhältnis machen die Klägerinnen aber nicht geltend.Randnummer238

(2) Auch eine Korrektur des Abfindungswertes wegen eines nachträglich entstandenen Missverhältnisses zwischen Klauselwert und Verkehrswert zum maßgebenden Ausscheidenszeitpunkt scheidet im vorliegenden Fall aus.Randnummer239

Auf der Grundlage der im Berufungsverfahren durchgeführten Beweisaufnahme kann nämlich ein solches Missverhältnis nicht festgestellt werden.Randnummer240

(a) Im Grundsatz ist zum Schutz ausscheidender Gesellschafter vor zu geringen Abfindungen die Möglichkeit der richterlichen Korrektur vertraglicher Abfindungsregelungen wegen eines nachträglich entstandenen Missverhältnisses zwischen Klauselwert und Verkehrswert zum Ausscheidenszeitpunkt anerkannt (s. zu diesen Grundsätzen überblicksartig Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 21. Aufl., § 34 Rn. 28; Westermann, in: Scholz, GmbHG, 11. Aufl., § 34 Rn. 35; Ulmer, in: Großkommentar zum GmbHG, 1. Aufl., § 34 Rn. 98 f., 109, 111; Lutter/Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 19. Aufl., § 34 Rn. 87 ff.). Grundsätzlich erscheint auch denkbar und sachgerecht, diese Möglichkeit der Korrektur gewissermaßen „umgekehrt“ auch auf den hier geltend gemachten Fall einer überhöhten Abfindung anzuwenden, wobei diese Frage in Rechtsprechung und Literatur bislang eher spärlich behandelt wurde (offengelassen z. B. von OLG Brandenburg, Urt. v. 11.11.1998 – 7 U 103/98Tz. 42; dafür z. B. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl., § 50 IV 2 c ff (S. 1490); Sigle, ZGR 1999, 659, 680; in der Tendenz ebenso Engel, NJW 1986, 347, 347).Randnummer241

Ein Teil der einschlägigen Rechtsprechung bei „zu geringen“ Abfindungen ist zwar zum Personengesellschaftsrecht ergangen; die einschlägigen Maßstäbe gelten aber grundsätzlich ebenso im Recht der GmbH (s. Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, 7. Aufl., § 34 Rn. 54; Ulmer, in: Großkommentar zum GmbHG, 1. Aufl., § 34 Rn. 90; Hülsmann, GmbHR 2001, 409, 414; vgl. etwa auch Sigle, ZGR 1999, 659).Randnummer242

(b) U. a. beim kündigungsbedingten Ausscheiden eines GesellschaftersBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Ausscheiden
Ausscheiden eines Gesellschafters
kann eine gesellschaftsvertragliche Abfindungsklausel, die eine unter (oder – nach dem oben Gesagten – über) dem realen Anteilswert liegende Abfindung vorsieht, unanwendbar sein, wenn dem Ausscheidenden (bzw. der Gesellschaft) mit Rücksicht auf die seit dem Vertragsschluss eingetretene Änderung der Verhältnisse das Festhalten an dieser Regelung unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen der Mitgesellschafter nicht zugemutet werden kann. Den einschlägigen Entscheidungen liegen Fallgestaltungen zugrunde, in denen sich der vertragliche Abfindungsanspruch und der reale Abfindungswert im Verlauf der Jahre zu dem Zeitpunkt der Kündigung bzw. des Ausscheidens in außergewöhnlich hohem Maße auseinanderentwickelt haben, ohne dass eine solche Entwicklung bei dem Abschluss des Vertrages absehbar war (vgl. m. w. N. etwa BGHZ 126, 226, 242 sowie BGH, Urt. v. 27.09.2011 – II ZR 279/09Tz. 13; s. ferner z. B. BGH, WM 1993, 1412Tz. 14; vgl. auch OLG München, NZG 2004, 1055Tz. 68; Strohn, in: Münchener Kommentar zum GmbHG, 1. Aufl., § 34 Rn. 241).Randnummer243

Liegt eine solche Unzumutbarkeit vor, kann die Abfindungsregelung nach der Rechtsprechung im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung an die neuen Verhältnisse angepasst werden (s. nur etwa BGH, Urt. v. 27.09.2011 – II ZR 279/09Tz. 13 m. w. N.; Strohn, in: Münchener Kommentar zum GmbHG, 1. Aufl., § 34 Rn. 241).Randnummer244

(c) Grundlegende Voraussetzung für eine mögliche Anpassung im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung ist das Vorliegen eines gravierendes Missverhältnisses zwischen vertraglichem Abfindungsbetrag und tatsächlichem Anteilswert, wobei letzterer regelmäßig nach Ertragswertgesichtspunkten zu ermitteln ist (vgl. BGH, NJW 1985, 192Tz. 10).Randnummer245

Die Rechtsprechung geht zwar davon aus, dass bei der Prüfung, ob eine gesellschaftsvertragliche Regelung nach den genannten Grundsätzen unanwendbar ist, nicht allein das Ausmaß des zwischen vertraglichem Abfindungsbetrag und tatsächlichem Anteilswert im Laufe der Zeit entstandenen Missverhältnisses maßgebend ist; es müssen vielmehr die gesamten Umstände des konkreten Falles in die Betrachtung einbezogen werden (s. etwa BGH, WM 1993, 1412Tz. 14; BGHZ 123, 281, 286; BGH, Urt. v. 27.09.2011 – II ZR 279/09Tz. 15 m. w. N.; ebenso etwa Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, 7. Aufl., § 34 Rn. 56; Strohn, in: Münchener Kommentar zum GmbHG, 1. Aufl., § 34 Rn. 242).Randnummer246

Es gibt nach der Rechtsprechung auch keine quotenmäßigen Grenzen, bei deren Überschreitung der vertragliche Abfindungsanspruch im Hinblick auf den wirklichen Wert des Anteils als nicht mehr hinnehmbar gering (oder überhöht) einzustufen wäre (s. etwa BGH, WM 1993, 1412Tz. 14; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, 7. Aufl., § 34 Rn. 54; Hülsmann, GmbHR 2001, 409, 412), und die Rechtsprechung hat auch nicht eine Mindest- oder Maximalhöhe des Abfindungsanspruchs im Verhältnis zum wirklichen Wert anerkannt, bei deren Unter- bzw. Überschreitung ein erhebliches Missverhältnis indiziert ist (vgl. Strohn, in: Münchener Kommentar zum GmbHG, 1. Aufl., § 34 Rn. 242; Staub/Schäfer, HGB, 5. Aufl., § 131 Rn. 176).Randnummer247

Entspricht jedoch der tatsächliche Anteilswert dem vertraglichen Abfindungsbetrag oder lässt sich jedenfalls nicht feststellen, dass er wesentlich vom vertraglichen Abfindungsbetrag in die von demjenigen, der eine Anpassung verlangt, geltend gemachte Richtung abweicht, so kommt eine Vertragsanpassung von vornherein nicht in Betracht.Randnummer248

(d) So liegt der Fall hier.Randnummer249

Der Senat hat auf der Grundlage der im Berufungsverfahren durchgeführten Beweisaufnahme in Form der Einholung eines schriftlichen Gutachten des Sachverständigen Dr. T. (Gutachten vom 24.05.2016, GA 761) sowie dessen ergänzender Anhörung in der mündlichen Verhandlung vom 25.01.2017 (Protokoll GA 838 ff.) nicht die Überzeugung gewinnen können, dass, wie von den Klägerinnen behauptet, der tatsächliche Anteilswert wesentlich unter dem nach dem Stuttgarter Verfahren ermittelten Anteilswert liegt. Im Gegenteil geht der Senat in Übereinstimmung mit dem Gutachter davon aus, dass der tatsächliche Anteilswert, den der Gutachter je nach Grad der Berücksichtigung von Risikofaktoren mit zwischen rund 1,0 und rund 1,8 Millionen Euro beziffert hat, den auf der Grundlage des Stuttgarter Verfahrens ermittelten Abfindungsbetrag zumindest größenordnungsmäßig erreicht, wahrscheinlich sogar noch übersteigt. Das Gutachten des Sachverständigen Dr. T. ist nach Auffassung des Senates methodisch und inhaltlich überzeugend; die dagegen vorgebrachten Einwände der Klägerinnen verfangen nicht.Randnummer250

(i) Der Gutachter geht bei der Unternehmensbewertung methodisch zutreffend in erster Linie vom sogenannten Ertragswertverfahren aus (vgl. S. 3 des Gutachtens). Dabei wird der Wert des Unternehmens aus dem Zahlungsstrom abgeleitet, den ein Eigenkapitalinvestor im Zeitpunkt des Bewertungsstichtags erwarten konnte; die zukünftig zu erwartenden liquiden Überschüsse werden mit den Eigenkapitalkosten abgezinst und hieraus ein Barwert abgeleitet. Hiergegen werden von Klägerseite auch keine grundsätzlichen Einwände vorgebracht.Randnummer251

(ii) Bei der Frage, welche zukünftigen Erträge am Bewertungsstichtag realistischer Weise zu erwarten waren, hat der Gutachter maßgebend auf eine ihm von Klägerseite vorgelegte Budgetplanung für das Jahr 2007 abgestellt (vgl. S. 9 ff. des Gutachtens). Diese, wie der Gutachter unwidersprochen angenommen hat, in der zweiten Jahreshälfte des Jahres 2006 erstellte Prognose hat der Gutachter bei seiner Ertragswertberechnung für die Folgejahre fortgeschrieben, wobei er – von den Klägerinnen insoweit unbeanstandet – angenommen hat, dass Umsätze und Ergebnisse jährlich mit einer konstanten Rate von 1% wachsen.Randnummer252

Soweit die Klägerinnen die Aussagekraft der Prognose für das Jahr 2007 in Abrede stellen und geltend machen, tatsächlich seien die Ertragserwartungen realistischer Weise zum damaligen Zeitpunkt wesentlich schlechter gewesen, dringen sie damit nicht durch.Randnummer253

Es ist nicht dargetan oder sonst ersichtlich, dass und weshalb die damals erstellte Budgetplanung nicht, wie man normalerweise bei einer zeitnah vor dem Ausscheidenszeitpunkt erstellten Budgetplanung annehmen muss, ein realistisches Abbild des aus damaliger Sicht zu erwartenden Geschäftsverlaufs darstellt. Wie der Gutachter zu Recht festgestellt hat, lagen die für Umsatz und Ertrag budgetierten Zahlen bereits deutlich unter den in den Vorjahren relativ konstant erzielten Ergebnissen. So war für den Umsatz („Total Sales“) gegenüber dem Jahr 2005 ein Minus von rund 22%, gegenüber dem vorläufigen Jahresabschluss für 2006 – der endgültige Jahresabschluss für 2006 wurde dem Gutachter nicht vorgelegt – ein Minus von rund 17% eingeplant; was den Ertrag („Net profit“) angeht, wurde gegenüber 2005 mit einem Minus von rund 56%, gegenüber den vorläufigen Zahlen für 2006 mit einem Minus von 38% geplant.Randnummer254

Da im mutmaßlichen Zeitpunkt der Erstellung des Budgets durch die Klägerin Ziff. 1 das Ausscheiden des Beklagten bereits bekannt war – sein Kündigungsschreiben erfolgte im Mai 2006, bereits Anfang Juni 2006 wurde mit Herrn T. ein weiterer Geschäftsführer bestellt, der die Geschäfte der Klägerin Ziff. 1 übernahm – muss davon ausgegangen werden, dass dieser Umstand in der Budgetplanung Berücksichtigung gefunden hat, zumal eine andere Erklärung für die gegenüber den Vorjahren sehr deutlich reduzierten Umsatz- und Ertragserwartungen von Klägerseite nicht dargetan und auch sonst nicht ersichtlich ist.Randnummer255

Es ist auch nicht dargetan, dass die vom Gutachter zugrundegelegte Planung zu einem späteren Zeitpunkt hätte nach unten korrigiert werden müssen oder dass der tatsächliche Geschäftsverlauf negativ von der Planung abgewichen wäre. Zwar ist richtig, dass dem späteren tatsächlichen Geschäftsverlauf für eine stichtagsbezogene Ertragswertberechnung keine unmittelbare Bedeutung zukommt, weil der tatsächliche Geschäftsverlauf vom Auftreten unerwarteter Faktoren beeinflusst sein kann und nicht notwendiger Weise die realistischen Ertragserwartungen zum Bewertungsstichtag widerspiegelt. Trotzdem kommt dem späteren Geschäftsverlauf, der nach dem unwidersprochenen Vortrag des Beklagten in den Folgejahren letztlich sogar positiver war als in der vom Gutachter zugrundegelegten Planung prognostiziert, eine gewisse indizielle Bedeutung für die Validität und Aussagekraft der zeitnah zum Bewertungsstichtag (von der Klägerin Ziff. 1 selbst) erstellten Prognose zu.Randnummer256

(iii) Die Klägerinnen dringen auch nicht mit ihrem Argument durch, der Gutachter hätte überhaupt oder zumindest weitergehend als er das in seinem Gutachten getan hat wertmindernd die besonderen Umstände des Einzelfalls berücksichtigen müssen. Zu diesen Umständen zählen die Klägerinnen namentlich, dass der Beklagte als „alleiniger geschäftsführender Gesellschafter“ und „einzig prägende Unternehmerpersönlichkeit“ mit „alleinigem Zugang“ zu den beiden Hauptkunden das Unternehmen zum Stichtag mitsamt einer Reihe von Mitarbeitern verlassen habe und im unmittelbaren Anschluss Geschäftsführer der deutschen Landesgesellschaft eines Wettbewerbers geworden sei, ohne dass ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot bestanden habe. Des Weiteren habe die Klägerin über zwei Großkunden mit einem Umsatzanteil von 50% bzw. 30% verfügt, wobei der Fortbestand der Kundenbeziehungen aufgrund des Ausscheidens des Beklagten in hohem Maße in Frage gestanden habe.Randnummer257

Der Gutachter hat bei seiner Ertragswertberechnung über den generellen Risikozuschlag für eine unternehmerische Beteiligung hinaus, der zu einer Absenkung des Anteilswertes führt, noch weitere Abschläge erwogen und in seinen alternativen Berechnungen zugrundegelegt, die typischerweise bei der Bewertung kleiner, nicht börsennotierter Unternehmen vorgenommen werden (S. 18 ff. des Gutachtens). Er hat dabei methodisch insbesondere ein sogenanntes „Abschmelzmodell“ gewählt, bei dem die erwarteten Erträge sukzessive abgesenkt werden, weil man annimmt, dass die aktuell erzielten Gewinne zumindest teilweise aus „Übergewinnen“ bestehen, die auf den besonderen Fähigkeiten des abgebenden Unternehmers beruhen und von denen man erwartet, dass sie in der Zukunft nur teilweise realisiert werden können (S. 18 f. des Gutachtens). Je nach Grad der Abschmelzung gelangt der Gutachter zu einem Anteilswert des klägerischen Anteils von zwischen 812.000,00 € und 1.316.000,00 €, wobei er zugleich klarstellt, dass ein Anteilswert von unter einer Million Euro nur bei Annahme einer „extremen Abschmelzung“ erreicht werde und nicht sachgerecht sei (S. 19 f. des Gutachtens).Randnummer258

Der Senat folgt dem und hält die hiergegen vorgebrachten Einwände nicht für stichhaltig. Soweit die Klägerinnen darauf abstellen, dass es sich bei dem Beklagten um die „einzig prägende Unternehmerpersönlichkeit“ gehandelt habe, mit „alleinigem Zugang“ zu den Kunden, mit der Folge, dass das Unternehmen mit seinem Ausscheiden sogar praktisch wertlos gewesen sei, weil der Wert lediglich in den Kundenbeziehungen gelegen habe und diese ganz wesentlich mit der Person des Beklagten verknüpft gewesen seien, berücksichtigt dies, wie auch der Gutachter bei seiner mündlichen Anhörung herausgestellt hat, nicht hinreichend den Umstand, dass es sich bei der Klägerin Ziff. 1 mitnichten um ein typisches, von einer einzelnen Unternehmerpersönlichkeit aufgebautes Kleinunternehmen handelt, sondern um ein als Teil des X-Konzerns agierendes Vertriebsunternehmen, das insbesondere über den Zugang zu den vom X-Konzern in Marktführerschaft hergestellten Verpackungsmaschinen verfügt. Es ist davon auszugehen, dass die Kundenbeziehungen in einem solchen Fall eben nicht nur allein von der Person des Beklagten abhängen (und von ihm zwangsläufig zur Konkurrenz „mitgenommen“ werden), sondern in erster Linie von der Qualität des vertriebenen Produkts. Hinzu kommt, dass der X Konzern bereits Mitte 2006 auf das anstehende Ausscheiden des Beklagten reagiert und mit Herrn T. einen weiteren Geschäftsführer bestellt hatte, der die Geschäfte – in der Folge auch offensichtlich mit Erfolg – fortgeführt hat.Randnummer259

Das „Klumpenrisiko“, das sich daraus ergibt, dass mehrere Großkunden mit einem hohen Umsatzanteil vorhanden waren, hat der Gutachter berücksichtigt, indem er wie beschrieben wertmindernde Risikozuschläge gemacht hat bzw. von einer Abschmelzung der Erträge ausgegangen ist, die für ein allein agierendes Kleinunternehmen typisch sind, obwohl es sich bei der Klägerin wie beschrieben eigentlich nicht um ein solches „typisches“ Kleinunternehmen, sondern um ein in den X-Konzern eingebettetes Vertriebsunternehmen handelt.Randnummer260

Für weitergehende Abschläge besteht auch deshalb kein Anlass, weil wie oben beschrieben davon auszugehen ist, dass die für die künftige Ertragserwartung zugrundegelegte Budgetplanung die im Zeitpunkt ihrer Erstellung bereits bekannten „Besonderheiten des Einzelfalls“ schon in ausreichendem Maße berücksichtigt hat. Wie oben näher ausgeführt, geht diese Budgetplanung schon von gegenüber den Vorjahren erheblich reduzierten Erwartungen hinsichtlich Umsatz und Ertrag aus. Mit anderen Worten: Das Risiko einer Ertragsminderung ist bereits durch das Zugrundelegen der gegenüber den Vorjahren substantiell reduzierten Planung mindestens zu einem substantiellen Teil abgebildet; diese reduzierten Ertragserwartungen noch weiter zu reduzieren und zusätzlich mit einem Risikozuschlag bei der Kapitalisierung zu kumulieren, wäre, wie der Gutachter insbesondere in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 03.01.2017 (dort S. 6 unten) in überzeugender Weise dargelegt hat, nicht sachgerecht.Randnummer261

Soweit die Klägerseite methodische Einwände gegen das vom Gutachter angewandte „Abschmelzmodell“ vorbringt, greifen diese ebenfalls nicht durch. Ob nach diesem Modell überhaupt übertragbare Ertragskraft besteht, hängt davon ab, von welchen Ertragserwartungen man ausgeht; auf der Grundlage der vom Gutachter angenommenen Ertragserwartungen ergeben sich – wie auch die Klägerinnen nicht in Abrede stellen – die von ihm errechneten Werte. Die Annahme einer Verlustsituation würde methodisch zu Kapitalwerten führen, die unter dem investierten Kapital liegen (s. die Stellungnahme des Gutachters vom 03.01.2017, S. 6), ist aber vor dem Hintergrund der vom Gutachter wie oben erörtert zu Recht zugrundegelegten Budgetplanung eben kein im Bewertungszeitpunkt zu erwartendes Szenario gewesen.Randnummer262

(iii) Soweit die Klägerinnen beanstanden, der Gutachter hätte berücksichtigen müssen, dass die Budgetplanung für 2007 Zinsaufwendungen in Höhe von 47.000 € enthalte, was auf einen unterjährigen Finanzierungsaufwand hindeute, weist der Gutachter darauf hin, dass diese Zinsen in den Vorjahren entweder gar nicht angefallen sind oder lediglich Zinsen und Nebenleistungen für Steuern betrafen. Insofern habe er die budgetierten Zinsaufwendungen nicht – z. B. in Form eines weiteren Risikozuschlags im Hinblick auf bestehende Finanzverbindlichkeiten – berücksichtigt. Dies erscheint sachgerecht. Im Übrigen würde sich selbst bei einer entsprechenden Berücksichtung eines möglichen Fremdmittelbedarfs durch eine Erhöhung des Betafaktors allein dadurch der vom Gutachter errechnete Anteilswert keinesfalls so signifikant verringern, dass von einem gravierenden Missverhältnis zum errechneten Abfindungsbetrag ausgegangen werden müsste.Randnummer263

cc) Weitere Einwände der Klägerin Ziff. 1 gegen den AbfindungsanspruchRandnummer264

Die weiteren Einwände der Berufung gegen die Abfindungsansprüche sind unbehelflich.Randnummer265

(1) Kein Zurückbehaltungsrecht der Klägerin Ziff. 1Randnummer266

Das von der Klägerin Ziff. 1 gegen die Abfindungsansprüche des Beklagten geltend gemachte Zurückbehaltungsrecht besteht – wie das Landgericht (LGU 21) im Ergebnis zutreffend sieht – nicht. Das ergibt sich schon aus § 12 Ziff. 3 Satz 2 des Gesellschaftsvertrags der Klägerin Ziff. 1; AGB-rechtliche Beschränkungen (vgl. etwa Palandt/Grüneberg, BGB, 76. Aufl., § 273 Rn. 16) dürften insoweit schon gemäß § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB nicht entgegenstehen. Jedenfalls aber besteht ein Zurückbehaltungsrecht deswegen nicht, weil den Klägerinnen die mit der Klage geltend gemachten Ansprüche, auf die das Zurückbehaltungsrecht gestützt ist, nicht zustehen (s. oben).Randnummer267

(2) Hilfsaufrechnung der Klägerin Ziff. 1Randnummer268

Die Hilfsaufrechnung der Klägerin Ziff. 1 mit einem Anspruch auf Erlösauskehr in Höhe von 493.000,00 € gegen die von dem Beklagten geltend gemachten Abfindungsansprüche ist ebenfalls erfolglos, weil der Klägerin Ziff. 1 die mit der Klage geltend gemachten Ansprüche, auf deren materieller Grundlage auch die hilfsweise zur Aufrechnung gestellte Forderung beruht, nicht zustehen.Randnummer269

dd) Zinsen auf den AbfindungsanspruchRandnummer270

Der Zinsausspruch in Ziff. II des landgerichtlichen Tenors, der hinter dem erstinstanzlichen Widerklageantrag zu Ziff. VII zurückbleibt, ist mit der Anschlussberufung des Beklagten nicht angegriffen (vgl. BE 3, GA 627), so dass allenfalls eine Abänderung zugunsten der Klägerin Ziff. 1 in Betracht kommt.Randnummer271

(1) Der Zinsausspruch zu Ziff. II des Tenors steht in Widerspruch zu den Entscheidungsgründen (LGU 21). Offensichtlich hat das Landgericht versehentlich den Tag nach dem Zugang des Schreibens vom 30.04.2010 (Anlage B 12) am 03.05.2010 als Einsatzzeitpunkt in den Tenor übernommen, obwohl sich aus § 13 Ziff. 3 des Gesellschaftsvertrags der Klägerin Ziff. 1 sowie aus § 3 Ziff. 2 des als Anlage K 3 bzw. B 10 vorgelegten Vertrags vom 09.02.2007 ergibt, dass die erste Rate erst drei Monate nach Feststellung des Entgelts, die beiden weiteren Raten sechs Monate danach fällig werden. Diese Zeitpunkte sind auf Seite 21 des landgerichtlichen Urteils richtig berechnet. Dementsprechend liegt jedenfalls eine offenbare Unrichtigkeit des landgerichtlichen Urteils vor, die der Senat von Amts wegen (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 31. Aufl., § 319 Rn. 21 f.) – zum Vorteil der Klägerin Ziff. 1 – berichtigen kann. Darüber hinaus geht die Berufungsbegründung zwar nicht ausdrücklich auf den Zinsausspruch im Urteil des Landgerichts ein. Der Zinsausspruch ist von ihr aber vollständig angegriffen allein schon durch den Berufungsantrag auf vollständige Abweisung der Widerklage und damit insbesondere desjenigen auf Zahlung von Abfindung, hinsichtlich dessen eine ordnungsgemäße Berufungsbegründung vorliegt (vgl. BGH, NJW 1994, 1656, 1657; BGH, NJW 1997, 314; Rimmelspacher, in: Münchener Kommentar zur ZPO, 4. Aufl., § 520 Rn. 58; Musielak/Ball, ZPO, 11. Aufl., § 520 Rn. 39; a. A. jedoch offenbar BGH, Urt. v. 12.04.1995 – XII ZR 104/94Tz. 12; Zöller/Heßler, ZPO, 31. Aufl., § 520 Rn. 38).Randnummer272

(2) Darüber hinaus kommt eine Abänderung nicht in Betracht.Randnummer273

(a) Die Darlegungen zum Zinsbeginn nach den einschlägigen vertraglichen Regelungen sind jedenfalls nicht zum Nachteil der Klägerin Ziff. 1 fehlerhaft. Ein späterer Zinsbeginn kommt nicht in Betracht.Randnummer274

(b) Wie sich aus den Entscheidungsgründen (LGU 21) ergibt, hat das Landgericht die Zinshöhe nicht mit 2 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz, sondern mit 2 % über dem Basiszinssatz tenoriert. Das ist für die Klägerin Ziff. 1 vorteilhaft. Auf die Höchstgrenze gemäß § 13 Ziff. 3 Satz 1 des Gesellschaftsvertrags der Klägerin Ziff. 1 sowie gemäß § 3 Ziff. 3 des als Anlage K 3 bzw. B 10 vorgelegten Vertrags vom 09.02.2007 hat sich die Klägerin Ziff. 1 weder erstinstanzlich noch in der Berufungsbegründung berufen, weswegen der Ausspruch auch insoweit bestehen bleibt.Randnummer275

ee) Keine vorgerichtlichen AnwaltskostenRandnummer276

Das landgerichtliche Urteil spricht dem Beklagten in Ziff. II des Tenors entsprechend dem erstinstanzlichen Widerklageantrag Ziff. VIII Ersatz außergerichtlicher Kosten für die Verfolgung der Abfindungsansprüche zu. Das ist auf die Berufung der Klägerin Ziff. 1 abzuändern und die Widerklage insoweit abzuweisen.Randnummer277

(1) Eine Abänderung zugunsten der Klägerin Ziff. 1 kann insoweit erfolgen, auch wenn sich die Berufungsbegründung nicht dazu verhält. Der Ausspruch ist von ihr sinngemäß vollständig angegriffen allein schon durch den Berufungsantrag auf vollständige Abweisung der Widerklage. Ein Begründungsmangel liegt insoweit nicht vor, denn bei Entfallen der Hauptforderung, die die Berufungsbegründung ja ordnungsgemäß begründet, entfällt auch der Anspruch auf Ersatz vorgerichtlicher Kosten (s. auch bereits oben zur Problematik des Zinsausspruches).Randnummer278

(2) In der Sache hat der Ausspruch keinen Bestand, die Widerklage ist insoweit unbegründet.Randnummer279

Der Anspruch ist auf Verzug gestützt (GA 341), der nach dem Vorbringen des Beklagten durch die Anmahnung der ersten Abfindungsrate mit Schreiben vom 23.04.2010 (Anlage B 16), durch die Anmahnung der zweiten Abfindungsrate mit Schreiben vom 22.10.2010 (nach GA 318) sowie der dritten Abfindungsrate mit Schreiben vom 01.02.2011 eingetreten sein soll. Alle diese Zeitpunkte liegen jedoch jeweils vor der Fälligkeit der Raten, wie sie im landgerichtlichen Urteil (LGU 21) zutreffend berechnet und dargelegt ist. Eine Mahnung vor Fälligkeit ist jedoch wirkungslos (s. Palandt/Grüneberg, BGB, 76. Aufl., § 286 Rn. 16). Verzug ist folglich allenfalls nach § 286 Abs. 2 Nr. 2 BGB zu den jeweiligen Fälligkeitszeitpunkten eingetreten. Ein vorgerichtliches Tätigwerden hinsichtlich der jeweiligen Raten ist für diesen Zeitraum aber weder dargelegt noch ersichtlich.Randnummer280

ff) Anschlussberufung des Beklagten hinsichtlich des aberkannten Teils der WiderklageRandnummer281

Mit der Anschlussberufung begehrt der Beklagte ferner die Verurteilung der Klägerin Ziff. 1 zu einer weiteren Abfindungszahlung in Höhe von 132.300,00 €. Die Anschlussberufung stützt dieses Begehren auf den erstinstanzlich auf S. 12 bis 15 des Schriftsatzes vom 02.09.2010 (GA 47 bis 50) gehaltenen Sachvortrag, den sie in der Anschlussberufungsbegründung – ohne etwas zu ergänzen – ausdrücklich in Bezug nimmt und in dem die Richtigkeit einzelner bilanzieller Ansätze im Jahresabschluss der Klägerin Ziff. 1 zum 31.12.2006 in Zweifel gezogen wird. Die Anschlussberufung ist insoweit aus den folgenden Gründen erfolglos, ohne dass es darauf ankommt, ob die gegen die Ansätze im Jahresabschluss zum 31.12.2006 erhobenen Einwände in der Sache berechtigt sind oder nicht.Randnummer282

(1) Die Klägerinnen haben unwidersprochen vorgetragen (GA 97 f.), dass sämtliche erwähnten Einwände gegen die Ansätze im Jahresabschluss zum 31.12.2006, die die Widerklage und nun die Anschlussberufung tragen sollen, Gegenstand eines Rechtsstreits gewesen sind, den der frühere Gesellschafter W. vor dem Landgericht Stuttgart unter dem Aktenzeichen 38 O 161/07 KfH geführt hat. Im Hinblick auf diesen seinerzeit anhängigen Rechtsstreit ist das Gutachten P., das unter dem 23.12.2009 erstellt ist, mit einem Vorläufigkeitsvermerk versehen (s. S. 3); diesem vorausgegangen waren die auf S. 3 unter Ziff. 3 des Schreibens des Gutachters Dr. P. vom 12.03.2009 (GA 284) wiedergegebenen Erörterungen der Parteien, wie mit den Unsicherheiten umzugehen sei, die der Umstand zur Folge habe, dass über die bilanziellen Ansätze zum 31.12.2006 eine Anfechtungsklage anhängig sei. Die diesem Rechtsstreit zugrundeliegende Klage ist unstreitig im Februar/März 2010 zurückgenommen worden. Daraufhin teilte der Gutachter den Parteien mit Schreiben vom 30.04.2010 (Anlage B 12) mit, der Grund für den Vorläufigkeitsvermerk sei entfallen, weshalb er die Parteien bitte, das Gutachten als endgültig anzusehen.Randnummer283

(2) Bei dieser Sachlage sind die nun erhobenen und zum Gegenstand des hier in Rede stehenden Teils der Widerklage bzw. der Anschlussberufung gemachten Einwände des Beklagten von vornherein – ohne dass es auf ihre sachliche Berechtigung ankommt – aus materiell-rechtlichen Gründen ausgeschlossen, weil die Parteien im Zusammenhang mit der Beauftragung des Gutachters Dr. P. rechtsgeschäftlich und verbindlich festgelegt haben, dass eine auf die in Rede stehenden Einwände gestützte Korrektur der Grundlage der Anteilswertberechnung im Stuttgarter Verfahren in Form der Abschlüsse zum 31.12.2006 nur insoweit erfolgt, wie diese Einwände im Rahmen der seinerzeit anhängigen Anfechtungsklage Erfolg haben und zu Änderungen der bilanziellen Ansätze führen. Nachdem dies nicht der Fall war, ist der Beklagte dementsprechend mit diesen Einwänden im Hinblick auf den von dem Gutachter Dr. P. ermittelten Abfindungsbetrag von vornherein ausgeschlossen.Randnummer284

(a) Diese Auslegung der im Zusammenhang mit der einvernehmlichen Auftragserteilung an den Gutachter Dr. P. getroffenen rechtsgeschäftlichen Vereinbarungen ergibt sich insbesondere aus den auf S. 3 unter Ziff. 3 des Schreibens des Gutachters Dr. P. vom 12.03.2009 (GA 284) wiedergegebenen Erörterungen der Parteien, wie mit den Unsicherheiten umzugehen sei, die der Umstand zur Folge habe, dass über die bilanziellen Ansätze zum 31.12.2006 eine Anfechtungsklage anhängig sei. Wie S. 3 des Gutachtens P. zeigt, hat man sich seinerzeit für die in dem Schreiben vom 12.03.2009 so genannte „Variante 2“ entschieden. Der Beklagte hat sich damit – worauf die Klägerinnen im Übrigen auch ausdrücklich hingewiesen haben (GA 290) – vorbehalten, dass das Ergebnis des Gutachtens nach Maßgabe des Inhalts der abschließenden Entscheidung über die Anfechtungsklage geändert werde, wie es ausdrücklich in dem genannten Schreiben des Gutachters Dr. P. festgehalten ist. Entsprechendes ergibt sich zweifelsfrei auch aus S. 3 des Gutachtens P. sowie aus dem Schreiben vom 30.04.2010 (Anlage B 12). Es kann kein Zweifel daran bestehen, dass sich die Parteien seinerzeit demnach darauf verständigten, das Ergebnis des Gutachtens P. im Hinblick auf die in Rede stehenden Einwände insofern, aber auch nur insofern unter Vorbehalt zu stellen, wie diese Einwände im laufenden gerichtlichen Verfahren für berechtigt erachtet werden würden. Nachdem dies nicht der Fall war, ist der Beklagte – der im Übrigen selbst davon ausgeht, mit der Beauftragung des Gutachters Dr. P. seien die Bilanzansätze zwischen den Parteien „verbindlich“ geworden (GA 255) und es sei mit der Rücknahme der Anfechtungsklage der sich darauf beziehende Vorbehalt „in Wegfall gebracht“ worden (GA 258) – aufgrund der getroffenen rechtsgeschäftlichen Vereinbarungen mit diesen Einwänden ausgeschlossen, ohne dass es auf deren sachliche Berechtigung ankommt.Randnummer285

(b) Für diese Sicht des Senats spricht insbesondere, dass es fern gelegen hätte, eine Feststellung des Anteilswerts im Stuttgarter Verfahren in Auftrag zu geben, ohne offene Einwände hinsichtlich der maßgebenden bilanziellen Ansätze entweder durch den Gutachter selbst klären zu lassen noch diese sonst einer Klärung zuzuführen. Ersteres ist, wie schon der auf S. 3 des Gutachtens P. erläuterte Vorbehalt zeigt, nicht geschehen. Die demnach erforderliche anderweitige Klärung war hingegen seinerzeit unschwer möglich. Es drängte sich geradezu auf, diese dem ohnehin anhängigen gerichtlichen Verfahren zu überantworten. Dass die Parteien tatsächlich so verfuhren, ergibt sich – wie gesagt – zweifelsfrei aus den erwähnten Unterlagen.Randnummer286

(c) Dass er selbst an dem Rechtsstreit nicht als Partei beteiligt war, kann der Beklagte gegen diese Auslegung des seinerzeitigen Erklärungsverhaltens nicht einwenden. Grundsätzlich hätte es für ihn zwar nicht nahe gelegen, die Klärung von Unsicherheiten über die Höhe seines Abfindungsanspruchs von einer Klärung in einem gerichtlichen Verfahren abhängig zu machen, auf das er keinen Einfluss hatte. Dass er keinen Einfluss auf die Klagerücknahme hatte, hat der Beklagte aber zu keiner Zeit vorgetragen. Es ist dafür auch nichts ersichtlich. Im Gegenteil hat der Beklagte selbst vorgebracht, die Klage sei „mit diesseitigem Schriftsatz“ zurückgenommen und dadurch der Vorbehalt in dem Gutachten P. in Wegfall gebracht worden. Der – allerdings nur „untechnisch“ zu verstehenden – Formulierung der Klägerinnen, er selbst habe die Anfechtungsklage zurückgenommen (GA 290), ist der Beklagte im Übrigen nicht entgegengetreten.

III.Randnummer287

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 92 Abs. 1, 97, 100 Abs. 1 ZPO.Randnummer288

Hinsichtlich der Kosten der Klage, bei der die Klägerinnen gemeinschaftlich unterlegen sind, haften diese nicht, wie das Landgericht gemeint hat, gesamtschuldnerisch, sondern nach Kopfteilen (§ 100 Abs. 1 ZPO; § 100 Abs. 4 ZPO findet auf mehrere unterliegende Kläger keine entsprechende Anwendung – vgl. Zöller/Herget, ZPO, 31. Aufl., § 100 Rn. 13).Randnummer289

Die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.Randnummer290

Der Streitwert entspricht dem des erstinstanzlichen Verfahrens.Randnummer291

Die Revision war nicht zuzulassen, nachdem die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht gegeben sind.

Löffler I www.K1.de I www.gesellschaftsrechtskanzlei.com I Gesellschaftsrecht I Wettbewerbsverbot der Gesellschafter I Erfurt I Thüringen I Sachsen I Sachsen-Anhalt I Hessen I Deutschland 2022

Schlagworte: Abfindung, Abfindung des ausgeschiedenen Gesellschafters, Anfechtungsklage, Auslegung gesellschaftsvertragliches Wettbewerbsverbot, Befreiung vom Wettbewerbsverbot, Befugnis zur Gesellschafterklage (actio pro socio), Beschlussanfechtungsklage, Beschlussmängel, Beschlussmängelklage, Beschlussmängelrecht, Beschlussmängelstreit, Beschlussmängelstreitigkeiten, Beschlussnichtigkeitsklage, Folgen bei Beschlussmängeln, Gesellschafterklage, Gesellschafterstreit, Gesellschafterstreit GmbH, Gesellschafterstreit vor Gericht, Gesellschafterstreitigkeiten, Gesellschafterstreitigkeiten sicher vermeiden oder schnell gewinnen, Grenzen des Stuttgarter Verfahrens, Lösung von Gesellschafterstreit, Nachvertragliches Wettbewerbsverbot, Nichtigkeits- und Anfechtungsklage, Nichtigkeitsklage, Schiedsgutachter, Stuttgarter Verfahren, Vertragliches Wettbewerbsverbot, Wettbewerbsverbot, Wettbewerbsverbot der Gesellschafter, Zulässigkeit der Gesellschafterklage

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OLG Stuttgart, Urteil vom 15.03.2017 – 14 U 3/14

Mittwoch, 15. März 2017

§ 1 GWB, § 138 BGB, § 319 Abs 1 S 1 BGB, R 96ff ErbStR 2003, Art 12 Abs 1 GG, § 113 HGB

1. Rein kapitalistische Minderheitsbeteiligungen eines Gesellschafter-Geschäftsführers an einer Konkurrenzgesellschaft ohne Einfluss auf deren Geschäftsführung, ohne Tätigkeit im Unternehmen und ohne Möglichkeit, dieses zu beherrschen oder Einfluss auf unternehmerische Entscheidungen zu nehmen, sind im Regelfall unbedenklich und von der sachlichen Reichweite eines Wettbewerbsverbots des Gesellschafter-Geschäftsführers nicht umfasst.

2. Eine gesellschaftsvertragliche Regelung oder eine Regelung im Anstellungsvertrag, die ein Wettbewerbsverbot des Gesellschafter-Geschäftsführers vorsieht, muss im Lichte von Art. 12 Abs. 1 GG ausgelegt werden; sie erfasst ihrem rechtlich unbedenklichen Sinn und Zweck nach, die Gesellschaft vor der Aushöhlung von innen her zu schützen, im Regelfall nicht den rein kapitalistischen Erwerb einer Minderheitsbeteiligung an einem Konkurrenzunternehmen und ist ggf. entsprechend einschränkend auszulegen.

3. Zu den Anforderungen an die Darlegung eines Schadens, der Wahrscheinlichkeit eines Schadens bzw. gezogenen Vorteilen, soweit Ansprüche auf Schadensersatz, Auskunft, Vorteilsherausgabe sowie ein Eintrittsrecht analog § 113 HGB auf den Verstoß gegen ein gesellschaftsrechtliches Wettbewerbsverbot gestützt werden.

4. Einem Minderheitsgesellschafter stehen eigene Ansprüche aus der Verletzung eines gesellschaftsvertraglichen Wettbewerbsverbots durch einen Mitgesellschafter nur dann zu, wenn er einen über den durch die Minderung des Gesellschaftsvermögens im Wert seines Geschäftsanteils eingetretenen Reflexschaden hinausgehenden eigenen Schaden erlitten hat.

5. Eine im Gesellschaftsvertrag enthaltene Klausel, wonach eine anlässlich des Ausscheidens eines Gesellschafters zu leistende Abfindung nach dem im sog. „Stuttgarter Verfahren“ ermittelten Wert seines Anteils berechnet wird, ist grundsätzlich wirksam und für die Parteien verbindlich.

6. Zu der Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Schiedsgutachten zur Ermittlung des Anteilswertes nach dem „Stuttgarter Verfahren“ offenbar unrichtig im Sinne von § 319 Abs. 1 Satz 1 BGB ist und welche Umstände bei der Bewertung nach dem Stuttgarter Verfahren im Einzelnen zu berücksichtigen sind.

7. Eine gesellschaftsvertragliche Abfindungsregelung, die an eine Anteilsbewertung nach dem Stuttgarter Verfahren anknüpft, kann unanwendbar und der Abfindungsbetrag anzupassen sein, wenn der sich nach dem Stuttgarter Verfahren ergebende Anteilswert vom tatsächlichen Verkehrswert des Anteils erheblich abweicht. Das gilt auch dann, wenn der tatsächliche Verkehrswert deutlich niedriger liegt als der nach Stuttgarter Verfahren ermittelte Anteilswert.

8. Zur Berechnung des tatsächlichen Wertes eines Gesellschaftsanteils auf der Grundlage des Ertragswertverfahrens.

Tenor

1. Auf die Berufung der Klägerin Ziff. 1 hin wird das Urteil des Landgerichts Stuttgart v. 30.12.2013, Az. 34 O 58/10 KfH, abgeändert und wie folgt neu gefasst:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Auf die Widerklage wird die Klägerin Ziff. 1 verurteilt, an den Beklagten € 1.102.500,- nebst Zinsen in Höhe von 2% über dem jeweiligen Basiszinssatz aus jeweils € 367.500,- seit 04.08.2010, 04.02.2011 und 04.08.2011 zu bezahlen.

3. Im Übrigen wird die Widerklage abgewiesen.

2. Die Berufungen der Klägerinnen im Übrigen sowie die Anschlussberufung des Beklagten werden zurückgewiesen.

3. Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens sowie des Berufungsverfahrens werden wie folgt aufgeteilt:

Die Gerichtskosten tragen der Beklagte zu 12%, die Klägerin Ziff. 2 zu 2,5% und die Klägerin Ziff. 1 zu 85,5%. Die außergerichtlichen Kosten des Beklagten tragen die Klägerin Ziff. 2 zu 2,5% Klägerin Ziff. 1 zu 85,5%. Die außergerichtlichen Kosten der Klägerin Ziff. 1 trägt zu 12% der Beklagte. Die außergerichtlichen Kosten der Klägerin Ziff. 2 trägt zu 50% der Beklagte. Im Übrigen findet eine Kostenerstattung nicht statt.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110% des auf Grund des Urteils gegen ihn vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

5. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 1.927.800 € festgesetzt.

Tatbestand

1. Die Klägerinnen machen mit ihrer Klage Unterlassungs-, Auskunfts- und Schadensersatzansprüche geltend, die auf einen Verstoß des Beklagten – ehemaliger Geschäftsführer und Gesellschafter der Klägerin Ziff. 1 – gegen ein insbesondere aus dem Gesellschaftsvertrag abgeleitetes Wettbewerbsverbot gestützt werden.

Mit seiner Widerklage macht der Beklagte seinerseits Wettbewerbsverstöße der Klägerinnen geltend; darüber hinaus verlangt er von der Klägerin Ziff. 1 die Zahlung einer ihm infolge seines Ausscheidens als Gesellschafter zustehenden Abfindung.

Die Klägerin Ziff. 2 ist ein …. Konzern, der insbesondere vollautomatische Verpackungsmaschinen herstellt.

Die Klägerin Ziff. 1 ist die deutsche Vertriebsgesellschaft der Klägerin Ziff. 2. Sie wurde gemeinsam vom Beklagten und der Rechtsvorgängerin der Klägerin Ziff. 2, der X., am 27.10.2000 gegründet. Der Beklagte war zunächst mit 50%, im Jahre 2006 noch mit 49% an der Klägerin Ziff. 1 beteiligt. Die übrigen Geschäftsanteile hielten ein Herr W. mit 1% sowie die Klägerin Ziff. 2 mit 50%. Zugleich war der Beklagte seit ihrer Gründung bis 31.12.2006 einzelvertretungsberechtigter Geschäftsführer der Klägerin Ziff. 1.

Die X. wurde zwischenzeitlich auf die Klägerin Ziff. 2 verschmolzen. Zuvor wurden die Gesellschaftsanteile der X. von der Klägerin Ziff. 2 gehalten. An letzterer wiederum waren als Gesellschafter ein Herr Dr. A. A. sowie dessen Kinder, E. A. und V. A. beteiligt. Die Familie A. ist zugleich Mitgesellschafterin einer Fa. A..

Der Gesellschaftsvertrag der Klägerin Ziff. 1 (Anl. K 9) enthält u.a. folgende Regelungen:

„§ 12 Kündigung der Gesellschaft

(1) Eine Kündigung ist mit sechsmonatiger Frist auf das Ende eines Geschäftsjahres zulässig. …

(2) Die Kündigung der Gesellschaft hat nicht deren Auflösung zur Folge. Vielmehr wird die Gesellschaft unter Ausscheiden des kündigenden Gesellschafters von den übrigen Gesellschaftern, ggf. vom letzten verbleibenden Gesellschafter, fortgesetzt. Der kündigende Gesellschafter ist verpflichtet, nach Wahl der Gesellschaft seinen Geschäftsanteil ganz oder geteilt an die Gesellschaft selbst oder an einen oder mehrere Gesellschafter anzubieten.

(3) Der ausscheidende Gesellschafter erhält ein Entgelt nach § 13 dieses Vertrages. Ein Zurückbehaltungsrecht wegen dieses Entgelts ist ausgeschlossen.

§ 13 Entgelt

(1) Zur Berechnung des Entgelts in Fällen der §§ 10 Ziff. 6, 11 Ziffer 3 und 12 Ziffer 3 des Gesellschaftsvertrags ist auf den für die Bewertung des Geschäftsanteils maßgeblichen Stichtag eine Bilanz aufzustellen. Gleichzeitig ist eine Unternehmensbewertung nach dem Stuttgarter Verfahren durch einen Wirtschaftsprüfer durchzuführen. Können sich die Beteiligten über Bilanzansätze und/oder die Person des Wirtschaftsprüfers zur Unternehmensbewertung nicht einigen, so sind die Bilanzansätze durch einen von der Industrie- und Handelskammer Region S. zu benennenden Sachverständigen als Schiedsgutachter festzustellen und ist die Person des Wirtschaftsprüfers durch die Industrie- und Handelskammer Region S. zu benennen.

(3) Die Auszahlung des Entgelts erfolgt in drei gleichen Halbjahresraten, wovon die erste Rate drei Monate nach Feststellung des Entgelts fällig wird, die weiteren Raten jeweils sechs Monate später. …

(4) Das Entgelt ist mit 2% über dem jeweiligen Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank zu verzinsen, höchstens jedoch mit 2% über dem aktuellen Kontokorrentzinssatz der Gesellschaft. …

§ 16 Wettbewerb

(1) Ein Gesellschafter darf, solange er Gesellschafter ist, der Gesellschaft in deren Geschäftszweig weder mittelbar noch unmittelbar, gelegentlich oder gewerbsmäßig Konkurrenz machen, noch sich an einem Konkurrenzunternehmen beteiligen, mit Ausnahme von einem bereits bei Gründung der Gesellschaft von einem Gesellschafter bereits betriebenem Geschäftszweig oder einer bereits gehaltenen Beteiligung.

…“

Wegen des weiteren Inhalts des Gesellschaftsvertrags wird auf Anl. K 9 verwiesen.

In § 1 Abs. 4 des zwischen dem Beklagten und der Klägerin Ziff. 1 abgeschlossenen Anstellungsvertrags (Anl. K 10) heißt es:

„Herr B. wird seine beruflichen Kenntnisse und Erfahrungen und seine gesamte Arbeitszeit ausschließlich der Gesellschaft zur Verfügung stellen. Andere geschäftliche Tätigkeiten wie die Übernahme von Ehrenämtern, Beiratsposten oder ähnliche Funktionen bedürfen der vorherigen schriftlichen Zustimmung der Gesellschaft“.

Im Frühjahr des Jahres 2006 kam es zum Streit zwischen den Parteien. Der Beklagte kündigte daraufhin – unstreitig wirksam – mit Schreiben vom 23.06.2006 zum 31.12.2006 seine Gesellschaftsbeteiligung an der Klägerin Ziff. 1. Er übertrug mit notariellem Kauf- und Abtretungsvertrag vom 09.02.2007 (Anl. K 3 und B 10) auf der Grundlage von § 12 Ziff. 2 Satz 3 des Gesellschaftsvertrags der Klägerin Ziff. 1 seinen Geschäftsanteil rückwirkend zum 31.12.2006 auf die Klägerin Ziff. 1. Ebenfalls zum 31.12.2006 kündigte er seinen Anstellungsvertrag als Geschäftsführer.

Bereits am 31.05.2006 hatte der Beklagte über eine Treuhandkonstruktion eine Gesellschaftsbeteiligung in Höhe von 12% am Aktienkapital einer Y. erworben (s. Treuhandvertrag, Anl. K 5). Diese …. Gesellschaft befasst sich ebenfalls mit der Herstellung von Verpackungsmaschinen und war auch bereits im Mai 2006 auf dem deutschen Markt tätig.

Im Hinblick auf § 3 Ziff. 1 des Vertrags vom 09.02.2007, der auf das im Gesellschaftsvertrag geregelte Verfahren zur Bestimmung des dem Beklagten zustehenden Abfindungsanspruchs verwies und nähere Einzelheiten regelte, einigten sich der Beklagte und die Klägerin Ziff. 1 auf den Wirtschaftsprüfer Dr. P. als verantwortlichen Gutachter für die Durchführung der Unternehmensbewertung. In diesem Zusammenhang fand auch zur Klärung des genauen Auftrags eine Besprechung zwischen dem Gutachter, der Klägerin Ziff. 1 und dem Beklagten statt (vgl. das Schreiben des Gutachters vom 12.03.2009, GA 282 ff.).

Der Gutachter Dr. P. errechnete unter Anwendung des im Gesellschaftsvertrag vorgesehenen Stuttgarter Verfahrens mit Stellungnahme vom 23.12.2009 (Anl. B 11) einen Wert der Beteiligung des Beklagten in Höhe von 1.102.500 €.

Über die Feststellung des JahresabschlussesBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Feststellung
Feststellung des Jahresabschlusses
2006, der in die Berechnung des Gutachters Dr. P. eingeflossen war, war ein Rechtsstreit in Form einer Anfechtungsklage vor dem Landgericht Stuttgart anhängig, die der Mitgesellschafter T. W. erhoben hatte. Im Februar 2010 wurde dieser Rechtsstreit durch Klagerücknahme erledigt. Vor dem Hintergrund dieses Ende 2009 noch anhängigen Rechtsstreits bezeichnete der Gutachter P. seine Stellungnahme als vorläufig. Mit Schreiben vom 30.04.2010 an die Klägerin Ziff. 1 und den Beklagten (Anl. B 12) erklärte der Gutachter, dass seine Stellungnahme nunmehr nach Rücknahme der Anfechtungsklage als endgültig anzusehen sei.

Mit vorgerichtlichen Schreiben vom 23.04.2010 (Anl. B 16), 22.10.2010 sowie 01.02.2011 mahnte der Beklagte die seiner Auffassung nach jeweils fälligen Raten der geltend gemachten Abfindung an.

Die Klägerinnen haben behauptet,

der Erwerb der Anteile an der Y. sei ohne unmittelbare Gegenleistung erfolgt; es „müsse davon ausgegangen werden“, dass der Beklagte die Anteile namentlich dafür erhalten habe, dass er bereit war, während seines noch laufenden Wettbewerbsverbotes im Jahre 2006 die Geschäftstätigkeit des Wettbewerbsunternehmens „nicht unerheblich zu fördern“ und insbesondere Großkunden wie z.B. die Firma K. abzuwerben.

Es sei deshalb „hochwahrscheinlich“, dass neben dem beanstandeten Erwerb der Anteile an der Y. weitere Wettbewerbsverstöße bzw. Pflichtverletzungen begangen worden seien. Ein Indiz hierfür sei insbesondere, dass es in den Folgejahren 2007 und 2008 zu Umsatzeinbrüchen bei der Klägerin Ziff. 1 gekommen sei.

Außerdem habe der Beklagte mit Hilfe von „Täuschungshandlungen“ ein System bei deutschen und ausländischen Lieferanten des X-Konzerns zur Erhöhung von Einkaufspreisen bei Waren unterhalten, wie sich aus der als Anlage K 20 vorgelegten Anklageschrift ergebe.

Die Klägerinnen haben die Auffassung vertreten, der Kläger habe durch den Erwerb der Beteiligung an der Y. gegen das in § 16 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrags normierte Wettbewerbsverbot verstoßen.

Auch aus dem Anstellungsvertrag, dort § 1 Abs. 4, ergebe sich ein Wettbewerbsverbot, gegen das der Kläger verstoßen habe.

Im Übrigen bestehe während der Tätigkeit des Beklagten als Geschäftsführer der Klägerin Ziff. 1 ein umfassendes gesetzliches WettbewerbsverbotBitte wählen Sie ein Schlagwort:
gesetzliches Wettbewerbsverbot
Wettbewerbsverbot
.

Den Klägerinnen stünden Ansprüche auf Herausgabe bzw. Abschöpfung des vom Beklagten mit dem Wettbewerbsverstoß erzielten Gewinns sowie Auskehrung hieraus bezogener Vergütungen zu. Dabei sei der verbotswidrig erzielte Gewinn auf die Weise zu berechnen, dass die Differenz zu bilden sei zwischen dem Verkehrswert der Beteiligung und etwaigen tatsächlich vom Beklagten getätigten Erwerbsaufwendungen. Darüber hinaus seien die Klägerinnen Ziff. 1 und Ziff. 2 auch zum Selbsteintritt in die vom Beklagten im Zuge des behaupteten Wettbewerbsverstoßes geschlossenen Geschäfte berechtigt.

Außerdem habe der Beklagte durch den Erwerb einer Beteiligung an einem Wettbewerbsunternehmen den Klägerinnen in unlauterer Weise Wettbewerb gemacht. Hieraus ergäben sich Schadensersatzansprüche aus §§ 3, 4 Nr. 10, 9 UWG.

Die Klägerinnen haben in erster Instanz zuletzt beantragt:

1. Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, den Klägerinnen sämtlichen Schaden zu ersetzen, der diesen seit dem 31. Mai 2006 oder zuvor daraus entstanden ist und künftig entstehen wird, dass der Beklagte eine Beteiligung an der Y. unter Verstoß gegen ein ihm obliegendes Wettbewerbsverbot erworben hat.

2. Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, den Klägerinnen sämtliche aus oder im Zusammenhang mit der von ihm erworbenen Beteiligung an der Y. erzielten Gewinne und Vergütungsbestandteile auszukehren und insoweit noch nicht erfüllte Forderungen an die Kläger abzutreten hat.

3. Es wird festgestellt, dass die Klägerinnen berechtigt sind, in sämtliche vom Beklagten im Zuge des Wettbewerbsverbots abgeschlossenen Geschäfte selbst einzutreten.

4. Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, auf Wunsch der Klägerinnen diesen gegenüber sämtliche Erklärungen abzugeben und/oder die Abgabe solcher Erklärungen durch Dritte zu bewirken, die erforderlich sind, um den Klägerinnen den Selbsteintritt in die vom Beklagten im Zuge der Beteiligung an der Y. abgeschlossenen Rechtsgeschäfte zu ermöglichen.

5. Der Beklagte wird verurteilt, den Klägerinnen bezüglich des von ihm begangenen Wettbewerbsverstoßes „Erwerb und Halten einer Beteiligung an der Y.“ Auskunft zu erteilen bzw. Rechnung zu legen wie folgt:

a) Zahlenmäßige Angabe sämtlicher für den Erwerb der Beteiligung vom Beklagten selbst oder durch seine Bevollmächtigten oder Treuhänder erbrachten oder versprochenen Gegenleistungen, in Geld oder Geldeswert, einschließlich etwaiger Sach- oder Dienstleistungen;

b) Offenlegung sämtlicher im Zusammenhang mit dem Anteilserwerb vorgenommenen geschäftlichen Handlungen mit der Angabe, inwieweit diese mittelbar oder unmittelbar dem Geschäftszweck der Y. und/oder denjenigen von verbundenen Unternehmen gefördert haben oder eine solche Förderung bezweckt haben;

c) Offenlegung des Inhalts sämtlicher im Zusammenhang oder aus Anlass des Erwerbs einer Beteiligung an der Y. durch den Beklagten und/oder seine Bevollmächtigten/Treuhänder geschlossenen Verträge einschließlich Gesellschafts- und Beteiligungsverträgen, etwaiger Nebenabreden und Gesellschaftervereinbarungen;

d) Offenlegung sämtlicher vom Beklagten aus oder im Zusammenhang mit seiner Beteiligung an der Y. mittelbar oder unmittelbar erzielten Einkünfte bzw. Gewinne, einschließlich aller an den Beklagten und/oder seine Bevollmächtigten/Treuhänder seit dem 31. Mai 2006 oder früher etwa gezahlten oder versprochenen Dividenden und Gewinnanteile, ferner Offenlegung des Verkehrswerts der Beteiligung an der Y. im Zeitpunkt des Anteilserwerbs durch den Beklagten sowie die zwischenzeitliche Entwicklung dieses Verkehrswerts bis zum heutigen Tag;

e) Offenlegung sämtlicher zwischen der Y. und/oder mit dieser verbundenen Unternehmen einerseits sowie dem Beklagten und/oder seinen Bevollmächtigten/Treuhändern andererseits geschlossenen Vereinbarungen, einschließlich Beschreibung von vom Beklagten etwa zu leistender Tätigkeiten oder Beiträge einschließlich der Angabe etwa bezogener Tätigkeitsvergütungen;

f) Offenlegung sämtlicher weiterer Tatsachen und Informationen, welche die Auskunftsgläubigerin vernünftigerweise benötigt, um die Ausübung ihres Selbsteintrittsrechts bezüglich der vom Auskunftsschuldner und/oder seiner Bevollmächtigten/Treuhänder anlässlich oder im Zusammenhang mit der Beteiligung an der Y. geschlossenen Rechtsgeschäfte nach vernünftigen kaufmännischen Grundsätzen prüfen zu können;

g) Offenlegung sämtlicher Geschäfte in Deutschland bzw. mit deutschen Kunden, die die Y. seit dem 31. Mai 2006 oder früher unter direkter oder mittelbarer Mitwirkung des Beklagten getätigt hat;

h) hinsichtlich der Anträge lit. a) bis g) bestehende schriftliche Unterlagen vorzulegen.

6. Der Beklagte wird verurteilt, erforderlichenfalls die Richtigkeit und Vollständigkeit seiner Angaben an Eides statt zu versichern.

7. Der Beklagte wird verurteilt, an die Kläger Schadensersatz bzw. Gewinnabschöpfung in einer nach Erteilung der Auskunft jeweils noch zu bestimmenden Höhe nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Beklagte hat in erster Instanz beantragt:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Beteiligung an der Y. sei in der Hoffnung darauf erfolgt, sich an einem zukünftig erfolgreichen Unternehmen zu beteiligen. Schädigende Handlungen zu Lasten der Klägerin Ziff. 1 während seiner Zeit als Gesellschafter-Geschäftsführer habe er nicht begangen.

Der Beklagte hat die Auffassung vertreten, der als Anlage K 5 vorgelegte Treuhandvertrag über den Anteilserwerb sei prozessual nicht verwertbar.

Im Übrigen komme eine Haftung allenfalls für den Zeitraum zwischen 31.05.2006 und 31.12.2006 in Betracht.

Darüber hinaus hat der Beklagte Widerklage erhoben.

Zur Begründung seiner Widerklageanträge Ziff. I bis VI. hat der Beklagte behauptet,

am 31.01.2001 habe die Firma A., zu deren Gesellschaftern die Familie A. gehörte, an der Firma N. eine Beteiligung in Höhe von 20% erworben. Die N. befasst sich – insoweit unstreitig – seit ihrer Gründung im Jahre 1999 ebenfalls mit der Herstellung und dem Vertrieb von Verpackungsmaschinen. Es handele sich um eine Wettbewerberin der Klägerinnen, da beide halbautomatische wie auch vollautomatische Verpackungsmaschinen innerhalb Europas vertrieben.

Dem Beklagten sei in Folge der Beteiligung an der N. ein Schaden in Form eines reduzierten Gewinns der Klägerin Ziff. 1, an der er als Gesellschafter beteiligt war, entstanden.

Er hat die Auffassung vertreten,

dass der Erwerb der Beteiligung an der N. unter das Wettbewerbsverbot des § 16 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrags der Klägerin Ziff. 1 falle. Jenes Wettbewerbsverbot wirke auch zugunsten des Beklagten und erfasse jedwede, auch mittelbare Wettbewerbssituation.

Zur Begründung seiner Widerklageanträge Ziff. VII und VIII hat der Beklagte behauptet,

drei Positionen des Jahresabschlusses 2006, der Grundlage der Berechnung des Abfindungsguthabens gewesen ist, seien fehlerhaft gewesen (s. hierzu im Einzelnen den Vortrag GA 47 ff.). Aufgrund dieser Fehlerhaftigkeit sei tatsächlich der dem Beklagten nach dem Gutachten des Dr. P. zustehende Abfindungsbetrag noch um 132.300,00 € zu erhöhen.

Widerklagend hat der Beklagte erstinstanzlich zuletzt beantragt:

I. Es wird festgestellt, dass die Klägerinnen als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Beklagten sämtlichen Schaden zu ersetzen, der diesem seit dem 31. Januar 2001 daraus entstanden ist und künftig entstehen wird, dass die Klägerinnen eine Beteiligung an der N. unter Verstoß gegen ein diesen obliegendes Wettbewerbsverbot erworben haben.

II. Es wird festgestellt, dass die Klägerinnen als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Beklagten sämtliche aus oder im Zusammenhang mit der von diesen erworbenen Beteiligung an der N. erzielten Gewinne und Vergütungsbestandteile auszukehren, und insoweit noch nicht erfüllte Forderungen an den Beklagten abzutreten haben.

III. Es wird festgestellt, dass der Beklagte berechtigt ist, in sämtliche von den Klägerinnen im Zusammenhang des Wettbewerbsverbotes abgeschlossenen Geschäfte selbst einzutreten.

IV. Die Klägerinnen werden als Gesamtschuldner verurteilt, dem Beklagten bezüglich des von diesen jeweils begangenen Wettbewerbsverstoßes „Erwerb und Halten einer Beteiligung an der N.“ Auskunft zu erteilen, bzw. Rechnung zu legen wie folgt:

a) zahlenmäßige Angabe sämtlicher für den Erwerb der Beteiligung von den Klägerinnen selbst oder durch deren Gesellschafter/Bevollmächtigte oder Treuhänder erbrachten oder versprochenen Gegenleistungen, in Geld oder Geldeswert, einschließlich etwaiger Sach- oder Dienstleistungen;

b) Offenlegung sämtlicher im Zusammenhang mit dem Anteilserwerb vorgenommenen geschäftlichen Handlungen mit der Angabe, inwieweit diese mittelbar oder unmittelbar dem Geschäftszweck der N. und/oder denjenigen von verbundenen Unternehmen gefördert haben oder eine solche Förderung bezweckt haben;

c) Offenlegung des Inhalts sämtlicher im Zusammenhang oder aus Anlass des Erwerbs einer Beteiligung an der N. durch die Klägerinnen und/oder deren Gesellschafter/Bevollmächtigter/Treuhänder geschlossenen Verträge, einschließlich Gesellschafts- und Beteiligungsverträge, etwaiger Nebenabreden und Gesellschaftervereinbarungen;

d) Offenlegung sämtlicher von den Klägerinnen aus oder im Zusammenhang mit ihrer jeweiligen Beteiligung an der N. mittelbar oder unmittelbar erzielten Einkünfte, bzw. Gewinne, einschließlich aller an die Klägerinnen und/oder ihre Gesellschafter/Treuhänder/Bevollmächtigte seit dem 31. Januar 2001 etwa gezahlten oder versprochenen Dividenden und Gewinnanteile, ferner Offenlegung des Verkehrswertes der Beteiligung an der N. im Zeitpunkt des Anteilserwerbs durch die Klägerinnen, sowie die zwischenzeitliche Entwicklung dieses Verkehrswertes bis zum heutigen Tag;

e) Offenlegung sämtlicher zwischen der N. und/oder mit dieser verbundener Unternehmen einerseits, sowie den Klägerinnen und/oder deren Gesellschaftern/Treuhändern/Bevollmächtigten andererseits geschlossenen Vereinbarungen, einschließlich Beschreibung der von den Klägerinnen etwa zu leistender Tätigkeiten oder Beiträge, einschließlich der Angabe etwa bezogener Tätigkeitsvergütungen;

f) Offenlegung sämtlicher weiterer Tatsachen und Informationen, welche der Beklagte vernünftigerweise benötigt, um die Ausübung seines Selbsteintrittsrechtes bezüglich der von den Klägerinnen und/oder deren Gesellschaftern/Bevollmächtigten/Treuhändern anlässlich oder im Zusammenhang mit der Beteiligung an der N. geschlossenen Rechtsgeschäfte nach vernünftigen kaufmännischen Grundsätzen prüfen zu können;

g) Offenlegung sämtlicher Geschäfte in Deutschland, bzw. mit deutschen Kunden, die die N. seit dem 31. Januar 2001 unter direkter oder mittelbarer Mitwirkung der Klägerinnen getätigt hat;

h) hinsichtlich der Anträge a) bis g) bestehende schriftliche Unterlagen vorzulegen.

V. Die Klägerinnen werden verurteilt, erforderlichenfalls die Richtigkeit und Vollständigkeit ihrer Angaben an Eides Statt zu versichern.

VI. Die Klägerinnen werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Beklagten Schadensersatz bzw. Gewinnabschöpfung in einer nach Erteilung der Auskunft jeweils noch zu bestimmenden Höhe, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über Basiszins ab Rechtshängigkeit zu bezahlen.

VII. Die Klägerin Ziff. 1 wird verurteilt, an den Beklagten € 1.234.800,00 nebst Zinsen in Höhe von 2% über dem jeweiligen Basiszins der Europäischen Zentralbank aus jeweils € 411.600,00 seit jeweils dem 24.03.2010, dem 24.09.2010, sowie dem 24.03.2011 zu bezahlen.

VIII. Die Klägerin Ziff. 1 wird weiter verurteilt, an den Beklagten weitere vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von € 6.282,96 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über Basiszins ab Zustellung dieses Schriftsatzes zu bezahlen.

Die Klägerinnen haben beantragt,

die Widerklage abzuweisen.

Hinsichtlich der Widerklageanträge Ziff. I bis VI haben die Klägerinnen den behaupteten Erwerb von Anteilen an der Fa. N. durch die Firma A. mit Nichtwissen bestritten.

Sie haben die Auffassung vertreten,

dass die Ansprüche gegen die Klägerin Ziff. 1 schon deshalb abweisungsreif seien, weil ein Wettbewerbsverstoß der Klägerin Ziff. 1 nicht geltend gemacht werde. Im Verhältnis zur Klägerin Ziff. 1 fehle es im Übrigen an einem Wettbewerbsverhältnis, weil die N. lediglich in I. halbautomatische Verpackungsmaschinen und nicht, wie die Klägerin Ziff. 1, in D. vollautomatische Verpackungsmaschinen vertrieben habe.

Im Übrigen fehle es insgesamt an der Aktivlegitimation des Beklagten, nachdem diesem keine eigenen Ansprüche zustünden und keine Ansprüche der Gesellschaft im Wege einer actio pro socio geltend gemacht würden.

Und schließlich habe nicht die Rechtsvorgängerin der Klägerin Ziff. 2, die als Gesellschafterin der Klägerin Ziff. 1 dem Wettbewerbsverbot unterliege, gehandelt, sondern allenfalls die A. Das Wettbewerbsverbot richte sich allein gegen die Klägerin Ziff. 2 und nicht gegen den gesamten X.-Konzern einschließlich seiner Eigentümer.

Zum Widerklageantrag Ziff. VII (Abfindungsforderung) haben die Klägerinnen behauptet, aufgrund der Gesamtumstände des Ausscheidens des Beklagten sei ein erheblicher negativer Unternehmenswert entstanden.

Der tatsächliche Verkehrswert des Anteils liege weit unter dem sich nach Stuttgarter Verfahren ergebenden Anteilswert, nämlich in der Größenordnung von 500.000 EUR.

Sie haben die Auffassung vertreten,

die Berechnung des Gutachters Dr. P. enthalte bezüglich des Anteilswertes keine für die Parteien verbindliche Feststellung. Die Schiedsgutachterabrede im Gesellschaftsvertrag habe sich nur auf die Bilanzansätze bezogen.

Jedenfalls entsprächen die Feststellungen des Gutachters nicht billigem Ermessen und seien grob unrichtig.

Das Gutachten lasse die entscheidende Frage offen, ob von Klägerseite geltend gemachte Aufwandspositionen in Höhe von 533.474,00 EUR für „Funktionsersatz“ sowie 211.215,00 EUR für zusätzlich angefallene Beratungskosten bei der Berechnung des Ertragshundertsatzes mindernd zu berücksichtigen seien.

Der aus den Umständen des Ausscheidens des Beklagten resultierende negative Unternehmenswert hätte bei der Bestimmung des Anteilswertes nach dem Stuttgarter Verfahren berücksichtigt werden müssen.

Jedenfalls müsse der nach Stuttgarter Verfahren ermittelte Wert im Hinblick darauf angepasst werden, dass der tatsächliche Verkehrswert des Anteils weitaus niedriger sei.

Hilfsweise haben die Klägerinnen gegen die bezifferte Widerklage mit einem behaupteten Gegenanspruch in Höhe von 493.000,00 € aufgerechnet. Dieser Gegenanspruch ergebe sich aus dem mit der Klage geltend gemachten Wettbewerbsverstoß: Der Beklagte habe aus dem unter Verstoß gegen das ihn treffende Wettbewerbsverbot getätigten Erwerb der Beteiligung an der Y. einen Gewinn von mindestens 493.000,00 € erzielt, der sich mangels gezahlter Gegenleistung aus dem Verkehrswert der Beteiligung ergebe.

Wegen des weiteren Parteivortrags in erster Instanz wird auf die wechselseitigen Schriftsätze sowie den gesamten übrigen Akteninhalt verwiesen.

2. Das Landgericht hat die Klage, nachdem es durch Einholung eines Sachverständigengutachtens des Sachverständigen Dr. S. Beweis erhoben hatte, abgewiesen. Es hat der Widerklage im Hinblick auf den bezifferten Zahlungsanspruch überwiegend, nämlich in Höhe von 1.102.500 € zuzüglich Zinsen sowie im Hinblick auf die eingeforderten außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten stattgegeben. Im Übrigen hat es die Widerklage abgewiesen.

Zur Begründung hat das Landgericht zunächst einen durch den Beklagten begangenen Wettbewerbsverstoß verneint, weshalb die mit der Klage verfolgten Anträge sämtlich unbegründet seien. Zwar habe der Beklagte unstreitig einen Anteil in Höhe von 12% am Aktienkapital der Y. erworben und damit die Tatbestandsvoraussetzungen des § 16 des Gesellschaftsvertrags der Klägerin Ziff. 1 erfüllt. Die Klägerinnen könnten sich jedoch auf § 16 Abs. 1 nicht stützen, weil diese Abrede gegen § 1 GWB i.V.m. § 134 BGB verstoße. Die Regelung unterwerfe auch solche Gesellschafter dem Wettbewerbsverbot, die keinen beherrschenden Einfluss auf das Unternehmen hätten. Außerdem beeinträchtige es die geschäftliche Freiheit der Gesellschafter insofern, als es ihnen jede Form der Beteiligung an Konkurrenzunternehmen untersage, ohne dass es auf ihre tatsächliche Einflussmöglichkeit in dem anderen Unternehmen ankomme.

Gleiches gelte für das allgemeine gesetzliche Wettbewerbsverbot, dem der Beklagte aufgrund seiner Organstellung als Geschäftsführer für die Dauer seiner Amtszeit unterlag. Auch insoweit gelte das Verbot nur, als durch den Erwerb der Kapitalbeteiligung ein beherrschender Einfluss auf das Konkurrenzunternehmen erlangt werde. Eine bloß 12%ige Beteiligung sei insoweit nicht ausreichend.

Auch die Regelung in § 1 Abs. 4 des Anstellungsvertrags sei so zu verstehen, dass damit die bloße Beteiligung an einem Konkurrenzunternehmen ohne beherrschende Beteiligung nicht verboten werde. Würde man die Regelung anders verstehen, läge ein Verstoß gegen § 138 BGB vor.

Andere Wettbewerbsverstöße (als die bloße kapitalmäßige Beteiligung an der Y.) hätten die insoweit darlegungspflichtigen Klägerinnen schon nicht substanziiert behauptet. Vermutungen dahingehend, dass der Beklagte bewusst zu Lasten der Klägerin Ziff. 1 agiert habe, seien ohne entsprechenden konkreten Tatsachenvortrag unerheblich.

Die Widerklageanträge Ziff. I bis VI, mit denen der Beklagte einen gegenläufigen Wettbewerbsverstoß der Klägerinnen in Form eines (allenfalls mittelbaren) Erwerbs von Anteilen an einem – nach dem Beklagtenvortrag – im gleichen Sektor tätigen Konkurrenzunternehmen, der N., geltend gemacht habe, seien aus den gleichen Erwägungen unbegründet.

Der mit dem Widerklageantrag Ziff. VII geltend gemachte Abfindungsanspruch sei überwiegend – bis auf einen Teilbetrag in Höhe von 132.300,00 € – begründet.

Die Feststellung des Abfindungsguthabens in Höhe der zuerkannten 1.102.500,00 € durch den Schiedsgutachter Dr. P. sei für die Klägerin Ziff. 1 und den Beklagten bindend. In der Beauftragung durch die Klägerin Ziff. 1 und den Beklagten hätten sich diese darauf geeinigt, dass das Abfindungsguthaben bindend durch einen Schiedsgutachter auf Grundlage des sog. Stuttgarter Verfahrens festgestellt werden solle. Das Schiedsgutachten sei auf der Grundlage der Beweisaufnahme in Form der Begutachtung durch den Sachverständigen Dr. S. nicht offensichtlich unrichtig im Sinne von § 317 ff. BGB. Die im Gesellschaftsvertrag erfolgte Vereinbarung des Stuttgarter Verfahrens sei auch wirksam. Eine unvertretbare Benachteiligung einer Partei sei nicht dargetan. Soweit sich die Klägerin Ziff. 1 darauf berufe, dass der Verkehrswert 50% unter dem schiedsgutachterlich ermittelten Wert liege, sei dieses Vorbringen mangels konkretem Tatsachenvortrag unerheblich.

Die von Klägerseite geltend gemachte Hilfsaufrechnung mit einem behaupteten Schadensersatzanspruch wegen Wettbewerbsverletzung greife nicht durch, da es an einer Wettbewerbsverletzung wie ausgeführt fehle.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das landgerichtliche Urteil (GA 520 ff.) verwiesen.

3. Mit ihrer Berufung verfolgen die Klägerinnen ihre Klage in vollem Umfang weiter und begehren darüber hinaus weiterhin die vollständige Abweisung der Widerklage.

Das Landgericht habe zu Unrecht das Wettbewerbsverbot als unwirksam angesehen bzw. einschränkend ausgelegt. Entscheidend sei eine Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalls, die das Landgericht nicht bzw. unzutreffend vorgenommen habe. Es sei nicht richtig, dass nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein Wettbewerbsverbot immer nur dann wirksam sei, wenn es sich gegen Gesellschafter richte, die entweder Mehrheitsgesellschafter seien oder aber bestimmenden Einfluss auf die Geschäftsführung hätten. Aus dem Umstand, dass der Beklagte langjährig mit 50% am Stammkapital beteiligt war, ergebe sich im Übrigen auch ohne Mehrheitsbeteiligung ein maßgeblicher Einfluss des Beklagten. Außerdem sei zu berücksichtigen, dass der Beklagte langjähriger alleiniger Geschäftsführer gewesen sei.

Das Schiedsgutachten von Dr. P. sei entgegen der Auffassung des Sachverständigen Dr. S. offensichtlich unrichtig im Sinne von § 319 Abs. 1 BGB. Das Landgericht habe insoweit verfahrensfehlerhaft im wesentlichen auf das Gutachten verwiesen.

Bezüglich der Einwände gegen die Gutachten wiederholen die Klägerinnen im wesentlichen ihren erstinstanzlichen Sachvortrag.

Im Übrigen habe das Landgericht im Rahmen der Beweisaufnahme eine Reihe von groben Verfahrensverstößen begangen (siehe näher zum diesbezüglichen Vortrag BB S. 17 ff., GA 604 ff.)

Die Klägerinnen beantragen,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Stuttgart wie folgt zu erkennen:

1. Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, den Klägerinnen Ziff. 1 und 2 sämtlichen Schaden zu ersetzen, der diesen seit dem 31. Mai 2006 oder vorher daraus entstanden ist und künftig entstehen wird, dass der Beklagte eine Beteiligung an der Y. unter Verstoß gegen ein ihm obliegendes Wettbewerbsverbot erworben hat.

2. Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, den Klägerinnen Ziff. 1 und 2 sämtliche aus oder im Zusammenhang mit der von ihm erworbenen Beteiligung an der Y. erzielten Gewinne und Vergütungsbestandteile auszukehren, und insoweit noch nicht erfüllte Forderungen an die Klägerinnen Ziff. 1 und 2 abzutreten hat.

3. Es wird festgestellt, dass die Klägerinnen Ziff. 1 und 2 berechtigt sind, in sämtliche vom Beklagten im Zuge des Wettbewerbsverbots abgeschlossenen Geschäfte selbst einzutreten.

4. Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, auf Wunsch der Klägerinnen Ziff. 1 und 2 diesen gegenüber sämtliche Erklärungen abzugeben und/oder die Abgabe solcher Erklärungen durch Dritte zu bewirken, die erforderlich sind, um den Klägerinnen Ziff. 1 und 2 den Selbsteintritt in die vom Beklagten im Zuge der Beteiligung an der Y. abgeschlossenen Rechtsgeschäfte zu ermöglichen.

5. Der Beklagte wird verurteilt, den Klägerinnen Ziff. 1 und 2 bezüglich des von ihm begangenen Wettbewerbsverstoßes „Erwerb und Halten einer Beteiligung an der Y.“ Auskunft zu erteilen bzw. Rechnung zu legen wie folgt:

a) Zahlenmäßige Angabe sämtlicher für den Erwerb der Beteiligung vom Beklagten selbst oder durch seine Bevollmächtigten oder Treuhänder erbrachten oder versprochenen Gegenleistungen, in Geld oder Geldeswert, einschließlich etwaiger Sach- oder Dienstleistungen;

b) Offenlegung sämtlicher im Zusammenhang mit dem Anteilserwerb vorgenommenen geschäftlichen Handlungen mit der Angabe, inwieweit diese mittelbar oder unmittelbar dem Geschäftszweck der Y. und/oder denjenigen von verbundenen Unternehmen gefördert haben oder eine solche Förderung bezweckt haben;

c) Offenlegung des Inhalts sämtlicher im Zusammenhang oder aus Anlass des Erwerbs einer Beteiligung an der Y. durch den Beklagten und/oder seine Bevollmächtigten/Treuhänder geschlossenen Verträge einschließlich Gesellschafts- und Beteiligungsverträgen, etwaiger Nebenabreden und Gesellschaftervereinbarungen;

d) Offenlegung sämtlicher vom Beklagten aus oder im Zusammenhang mit seiner Beteiligung an der Y. mittelbar oder unmittelbar erzielten Einkünfte bzw. Gewinne, einschließlich aller an den Beklagten und/oder seine Bevollmächtigten/Treuhänder seit dem 31. Mai 2006 oder früher etwa gezahlten oder versprochenen Dividenden und Gewinnanteilen, ferner Offenlegung des Verkehrswerts der Beteiligung an der Y. im Zeitpunkt des Anteilserwerbs durch den Beklagten sowie die zwischenzeitliche Entwicklung dieses Verkehrswerts bis zum heutigen Tag;

e) Offenlegung sämtlicher zwischen der Y. und/oder mit dieser verbundenen Unternehmen einerseits sowie dem Beklagten und/oder seinen Bevollmächtigten/Treuhändern andererseits geschlossenen Vereinbarungen, einschließlich Beschreibung von vom Beklagten etwa zu leistender Tätigkeiten oder Beiträge einschließlich der Angabe etwa bezogener Tätigkeitsvergütungen;

f) Offenlegung sämtlicher weiterer Tatsachen und Informationen, welche die Auskunftsgläubigerin vernünftigerweise benötigt, um die Ausübung ihres Selbsteintrittsrechts bezüglich der vom Auskunftsschuldner und/oder seiner Bevollmächtigten/Treuhänder anlässlich oder im Zusammenhang mit der Beteiligung an der Y. geschlossenen Rechtsgeschäfte nach vernünftigen kaufmännischen Grundsätzen prüfen zu können;

g) Offenlegung sämtlicher Geschäfte in D. bzw. mit d. Kunden, die die Y. seit dem 31. Mai 2006 oder früher unter direkter oder mittelbarer Mitwirkung des Beklagten getätigt hat.

h) Offenlegung sämtlicher an den Beklagten/Widerkläger/Berufungsbeklagten unterbreiteten Verkaufsofferten und -vorschläge bezüglich seiner Geschäftsanteile insbesondere durch die Unternehmensgruppe „C.“;

i) hinsichtlich der Anträge lit. a) bis h) bestehende schriftliche Unterlagen vorzulegen.

6. Der Beklagte wird verurteilt, erforderlichenfalls die Richtigkeit und Vollständigkeit seiner Angaben an Eides statt zu versichern.

7. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerinnen Schadensersatz bzw. Gewinnabschöpfung in einer nach Erteilung der Auskunft jeweils noch zu bestimmenden Höhe nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

8. Die Widerklage wird insgesamt in allen Anträge abgewiesen.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Mit seiner Anschlussberufung beantragt der Beklagte unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Stuttgart wie folgt:

I. Es wird festgestellt, dass die Klägerinnen als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Beklagten sämtlichen Schaden zu ersetzen, der diesem seit dem 31. Januar 2001 daraus entstanden ist und künftig entstehen wird, dass die Klägerinnen eine Beteiligung an der N. unter Verstoß gegen ein diesen obliegendes Wettbewerbsverbot erworben haben.

II. Es wird festgestellt, dass die Klägerinnen als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Beklagten sämtliche aus oder im Zusammenhang mit der von diesen erworbenen Beteiligung an der N. erzielten Gewinne und Vergütungsbestandteile auszukehren, und insoweit noch nicht erfüllte Forderungen an den Beklagten abzutreten haben.

III. Es wird festgestellt, dass der Beklagte berechtigt ist, in sämtliche von den Klägerinnen im Zusammenhang des Wettbewerbsverbotes abgeschlossenen Geschäfte selbst einzutreten.

IV. Die Klägerinnen werden als Gesamtschuldner verurteilt, dem Beklagten bezüglich des von diesen jeweils begangenen Wettbewerbsverstoßes „Erwerb und Halten einer Beteiligung an der N.“ Auskunft zu erteilen, bzw. Rechnung zu legen wie folgt:

a) zahlenmäßige Angabe sämtlicher für den Erwerb der Beteiligung von den Klägerinnen selbst oder durch deren Gesellschafter/Bevollmächtigte oder Treuhänder erbrachten oder versprochenen Gegenleistungen, in Geld oder Geldeswert, einschließlich etwaiger Sach- oder Dienstleistungen;

b) Offenlegung sämtlicher im Zusammenhang mit dem Anteilserwerb vorgenommenen geschäftlichen Handlungen mit der Angabe, inwieweit diese mittelbar oder unmittelbar dem Geschäftszweck der N. und/oder denjenigen von verbundenen Unternehmen gefördert haben oder eine solche Förderung bezweckt haben;

c) Offenlegung des Inhalts sämtlicher im Zusammenhang oder aus Anlass des Erwerbs einer Beteiligung an der N. durch die Klägerinnen und/oder deren Gesellschafter/Bevollmächtigte/Treuhänder geschlossenen Verträge, einschließlich Gesellschafts- und Beteiligungsverträge, etwaiger Nebenabreden und Gesellschaftervereinbarungen;

d) Offenlegung sämtlicher von den Klägerinnen aus oder im Zusammenhang mit ihrer jeweiligen Beteiligung an der N. mittelbar oder unmittelbar erzielten Einkünfte, bzw. Gewinne, einschließlich aller an die Klägerinnen und/oder ihre Gesellschafter/Treuhänder/Bevollmächtigter seit dem 31. Januar 2001 etwa gezahlten oder versprochenen Dividenden und Gewinnanteilen, ferner Offenlegung des Verkehrswertes der Beteiligung an der N. im Zeitpunkt des Anteilserwerbs durch die Klägerinnen, sowie die zwischenzeitliche Entwicklung dieses Verkehrswertes bis zum heutigen Tag;

e) Offenlegung sämtlicher zwischen der N. und/oder mit dieser verbundener Unternehmen einerseits, sowie den Klägerinnen und/oder deren Gesellschaftern/Treuhändern/Bevollmächtigten andererseits geschlossenen Vereinbarungen, einschließlich Beschreibung der von den Klägerinnen etwa zu leistender Tätigkeiten oder Beiträge, einschließlich der Angabe etwa bezogener Tätigkeitsvergütungen;

f) Offenlegung sämtlicher weiterer Tatsachen und Informationen, welche der Beklagte vernünftigerweise benötigt, um die Ausübung seines Selbsteintrittsrechtes bezüglich der von den Klägerinnen und/oder deren Gesellschaftern/Bevollmächtigten/Treuhändern anlässlich oder im Zusammenhang mit der Beteiligung an der N. geschlossenen Rechtsgeschäfte nach vernünftigen kaufmännischen Grundsätzen prüfen zu können;

g) Offenlegung sämtlicher Geschäfte in D., bzw. mit d. Kunden, die die N. seit dem 31. Januar 2001 unter direkter oder mittelbarer Mitwirkung der Klägerinnen getätigt hat;

h) hinsichtlich der Anträge a) bis g) bestehende schriftliche Unterlagen vorzulegen.

V. Die Klägerinnen werden verurteilt, erforderlichenfalls die Richtigkeit und Vollständigkeit ihrer Angaben an Eides Statt zu versichern.

VI. Die Klägerinnen werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Beklagten Schadensersatz bzw. Gewinnabschöpfung in einer nach Erteilung der Auskunft jeweils noch zu bestimmenden Höhe, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über Basiszins ab Rechtshängigkeit zu bezahlen.

VII. Die Klägerin Ziff. 1 wird verurteilt, an den Beklagten weitere € 132.300,00, nebst Zinsen hieraus in Höhe von 2% über dem jeweiligen Basiszins der Europäischen Zentralbank ab Zustellung der Widerklage zu bezahlen.

Die Klägerinnen beantragen Zurückweisung der Anschlussberufung.

Der Beklagte wiederholt und vertieft zur Begründung seines Antrags auf Abweisung der Berufung seinen erstinstanzlichen Vortrag. Er habe keine beherrschende Stellung bei der Klägerin Ziff. 1 innegehabt. Im Übrigen habe er bei der Y. während seiner Zeit als Geschäftsführer-Gesellschafter der Klägerin Ziff. 1 aufgrund seiner bloß kapitalmäßigen Beteiligung keine Einflussmöglichkeiten auf die Geschäftsführung gehabt. Die Beteiligung sei lediglich erfolgt, um dort die Möglichkeit einer späteren beruflichen Perspektive zu haben.

Die Feststellungen des Gutachters P. seien zutreffend erfolgt (s. dazu näher die Ausführungen GA 638 ff.), wobei hinsichtlich des nach Auffassung des Beklagten zusätzlich geschuldeten Betrags von 132.300,00 € auf den erstinstanzlichen Vortrag verwiesen wird.

Der Senat hat in der Berufungsinstanz Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen Dr. T. sowie dessen mündlicher Anhörung. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das schriftliche Gutachten (GA 761), die ergänzende schriftliche Stellungnahme des Sachverständigen (GA 804 ff.) sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 25.01.2017 (GA 838 ff.) verwiesen.

Wegen der Einwände der Klägerinnen gegen das Gutachten wird auf den Schriftsatz vom 29.08.2016 (GA 772 ff.) sowie auf die Erörterung in der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.

Wegen des weiteren Vortrags der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf die wechselseitigen Schriftsätze sowie den übrigen Akteninhalt Bezug genommen.

Der nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingegangene Schriftsatz der Klägerinnen vom 13.03.2017 gab keinen Anlass, die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen.

Entscheidungsgründe

Die zulässigen Berufungen der Klägerinnen sind weitgehend unbegründet, lediglich die auf die Widerklage erfolgte Verurteilung der Klägerin Ziff. 1 zur Erstattung außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten war aufzuheben und der Zinsausspruch zu korrigieren; die ebenfalls zulässige Anschlussberufung des Beklagten ist unbegründet.

1. Klage = Berufungsanträge Ziff. 1 bis 7 der Klägerinnen

Den Klägerinnen stehen die mit der Klage geltend gemachten, auf einen angeblichen Verstoß des Beklagten gegen ein Wettbewerbsverbot gestützten Unterlassungs-, Auskunfts- und Schadensersatzansprüche, die in der Berufungsinstanz von ihnen noch mit einer geringfügigen Erweiterung (Berufungsantrag Ziff. 5 h) in vollem Umfang weiterverfolgt werden, nicht zu. Das Landgericht hat die Klage insoweit im Ergebnis zu Recht abgewiesen; auf die Zulässigkeit der gestellten Feststellungsanträge kommt es nicht an (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 31. Aufl., § 256 Rn. 7 m. w. N.).

a) Klägerin Ziff. 2

Sämtliche von der Klägerin Ziff. 2 gegen den Beklagten gestellten Klageanträge sind von vornherein bereits mangels Aktivlegitimation der Klägerin Ziff. 2 unbegründet. Die Rechtspositionen, auf die die Klage gestützt ist, stehen allenfalls der Klägerin Ziff. 1 zu, um deren Gesellschaftsvertrag es sich handelt, die mit dem Beklagten den Anstellungsvertrag geschlossen hat und die aus einem ihn treffenden Wettbewerbsverbot berechtigt wäre. Dass dem Gesellschafter einer GmbH eigene Ansprüche aus der Verletzung eines gesellschaftsvertraglichen Wettbewerbsverbots durch einen Mitgesellschafter zustehen mögen, wenn er dadurch einen über den durch die Minderung des Gesellschaftsvermögens im Wert seines Geschäftsanteils eingetretenen Reflexschaden hinausgehenden eigenen Schaden erlitten hat (s. dazu etwa Raiser, in: Großkommentar zum GmbHG, 2. Aufl., § 14 Rn. 112, 101; Michalski/Funke, in: Michalski, GmbHG, 2. Aufl., § 13 Rn. 288), spielt hier keine Rolle, weil derartige Einbußen nicht in Rede stehen. Eine – ohnehin nicht gegebene – Rechtsverfolgung im Wege der Gesellschafterklage (actio pro socio) schiede hier aus, da die zuständigen Organe der Klägerin Ziff. 1 die in Frage stehenden Ansprüche in diesem Rechtsstreit verfolgen (vgl. nur Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 21. Aufl., § 13 Rn. 39). Ein Fall der gesetzlichen oder gewillkürten Prozessstandschaft liegt ersichtlich nicht vor.

b) Klägerin Ziff. 1

Der Klägerin Ziff. 1 – und auch der Klägerin Ziff. 2, wollte man deren Aktivlegitimation bejahen – stehen die geltend gemachten Ansprüche bereits dem Grunde nach sämtlich nicht zu, weil ein Verstoß gegen ein Wettbewerbsverbot – sei es vertraglich, sei es gesetzlich – nicht gegeben ist. Auch der Vorwurf eines Verstoßes gegen Vorschriften des UWG geht fehl.

aa) Die Klägerinnen stützten ihre Vorwürfe im Wesentlichen auf den als solchen unstreitigen – folglich nicht beweisbedürftigen, so dass es auf die vom Beklagten wiederholt aufgeworfene Frage eines Beweisverwertungsverbots nicht ankommt – Umstand, dass der Beklagte durch Treuhandvertrag vom 31.05.2006 einen Anteil von 12% am Kapital der Y. erworben hat, bei der es sich um eine Gesellschaft handelt, die sich seinerzeit in Wettbewerb zu den Klägerinnen befunden haben mag. Darin lag indes unter den hier gegebenen Umständen kein Verstoß gegen ein den Beklagten treffendes Wettbewerbsverbot.

(1) Allerdings traf den Beklagten, der bis zum 31.12.2006 Geschäftsführer der Klägerin Ziff. 1 war, in dieser Eigenschaft gegenüber der Klägerin Ziff. 1 bereits ein gesetzliches WettbewerbsverbotBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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(vgl. statt aller Schneider, in: Scholz, GmbHG, 11. Aufl., § 43 Rn. 153 ff.). Darüber hinaus unterlag er auch aus seiner Stellung als Gesellschafter mit einer Minderheitsbeteiligung von 49% im relevanten Zeitraum bereits kraft gesetzlicher Treuepflicht einem Wettbewerbsverbot. Das Bestehen eines solchen gesetzlichen Wettbewerbsverbots auch des Minderheitsgesellschafters ist ohne Weiteres zu bejahen, ist der Minderheitsgesellschafter – wie hier – zugleich Geschäftsführer (s. nur etwa Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 19. Aufl., § 14 Rn. 38; Raiser, in: Großkommentar zum GmbHG, 2. Aufl., § 14 Rn. 108). Auf die im Übrigen streitigen Voraussetzungen, unter denen den Gesellschafter einer GmbH ein gesetzliches WettbewerbsverbotBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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Wettbewerbsverbot
trifft, kommt es im Streitfall demnach nicht an.

Schließlich begründet § 16 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrags der Klägerin Ziff. 1 auch ein vertragliches Wettbewerbsverbot zu Lasten des Gesellschafters und § 1 Abs. 4 des Anstellungsvertrags des Beklagten verbot ihm „geschäftliche Tätigkeiten“ außerhalb seiner Tätigkeit bei der Klägerin Ziff. 1.

(2) In zeitlicher Hinsicht bestand das gesetzliche Wettbewerbsverbot des Beklagten in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer (dazu nur etwa Schneider, in: Scholz, GmbHG, 11. Aufl., § 43 Rn. 173) wie als Gesellschafter lediglich bis zum 31.12.2006, dem Zeitpunkt der Beendigung seiner Organstellung wie seines Anstellungsvertrags. Dieser Zeitraum verlängert sich auch nicht deshalb, weil er seine Geschäftsanteile erst mit Vertrag vom 09.02.2007 übertragen hat, schon weil ab dem 31.12.2006 bis zum 09.02.2007 eine allenfalls vermögensmäßige Beteiligung des Beklagten an der Klägerin Ziff. 1 bestand (vgl. BGH, NZG 2010, 270 – Tz. 17), überdies deshalb, weil die Abtretung ausweislich § 2 des Vertrags rückwirkend zum 31.12.2006 erfolgte.

Die Regelungen im Gesellschafts- und im Anstellungsvertrag bewirken keine Veränderungen der zeitlichen Reichweite des den Beklagten treffenden Wettbewerbsverbots; sie sind ebenfalls auf die Zeit beschränkt, in denen der Beklagte Gesellschafter bzw. Geschäftsführer der Klägerin Ziff. 1 war.

Vor diesem Hintergrund fehlt sämtlichen Klageanträgen bereits von vornherein eine Basis, soweit sie sich – die Formulierungen sind insoweit nicht eindeutig – auf angeblich in der Zeit nach dem 31.12.2006 durch den Beklagten begangene Pflichtverletzungen beziehen sollten. Gleiches gilt, soweit sich die Klageanträge auf in der Zeit vor dem 31.05.2006 angeblich begangene Pflichtverletzungen beziehen sollten. Da insbesondere der im Streit stehende Anteilserwerb erst an diesem Tag stattfand, kommt eine Verletzung des Wettbewerbsverbots durch diesen Erwerb für die davor liegende Zeit nicht in Betracht.

(3) Doch auch im Übrigen, also für die Zeit zwischen dem 31.05.2006 und dem 31.12.2006, hat der Beklagte durch den Erwerb der Minderheitsbeteiligung nicht gegen das ihn treffende gesetzliche bzw. vertragliche Wettbewerbsverbot verstoßen.

(a) Eine unternehmerische Tätigkeit im Wettbewerbsbereich der Gesellschaft, die ein Wettbewerbsverbot des Gesellschafter-Geschäftsführers erfasst, ist zwar gegeben, wenn er an einer anderen Gesellschaft eine Mehrheitsbeteiligung hält oder die Gesellschaft aufgrund anderer Umstände beherrscht; hinreichend ist, dass er aufgrund seines Einflusses einzelne unternehmerische Entscheidungen beeinflussen kann (s. etwa Schneider, in: Scholz, GmbHG, 11. Aufl., § 43 Rn. 165; Röhricht, WPg 1992, 766, 768; Lawall, Das ungeschriebene Wettbewerbsverbot des GmbH-Gesellschafters, 1995, S. 17; Ivens, Das Konkurrenzverbot des GmbH-Gesellschafters, 1987, S. 70 f.). Hinreichend mag auch ein Einfluss auf die Geschäftsführung des Konkurrenzunternehmens sein, die die Möglichkeit der Verwertung gesellschaftsinterner Informationen zum Nachteil der Gesellschaft mit sich bringt (vgl. etwa Merkt, in: Münchener Kommentar zum GmbHG, 1. Aufl., § 13 Rn. 247). Demgegenüber sind rein kapitalistische Minderheitsbeteiligungen eines Geschäftsführers – insbesondere eines Gesellschafter-Geschäftsführers, unter dem Gesichtspunkt seiner Gesellschafterstellung gilt nichts anderes – an einer Konkurrenzgesellschaft ohne Einfluss auf die Geschäftsführung, ohne Tätigkeit im Unternehmen und Möglichkeit, dieses zu beherrschen oder Einfluss auf unternehmerische Entscheidungen zu nehmen, im Regelfall unbedenklich und von der sachlichen Reichweite eines Wettbewerbsverbots des Gesellschafter-Geschäftsführers nicht umfasst (s. etwa Schneider, in: Scholz, GmbHG, 11. Aufl., § 43 Rn. 165; Michalski/Funke, in: Michalski, GmbHG, 2. Aufl., § 13 Rn. 247; Zöllner/Noack, in Baumbach/Hueck, GmbHG, 21. Aufl., § 35 Rn. 41; Schiessl/Böhm, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, 4. Aufl., § 34 Rn. 17; Merkt, in: Münchener Kommentar zum GmbHG, 1. Aufl, § 13 Rn. 247; Raiser, in: Festschrift für Stimpel, 1985, S. 855, 862 f.; Röhricht, WPg, 1992, 766, 768; Lawall, Das ungeschriebene Wettbewerbsverbot des GmbH-Gesellschafters, 1995, S. 17; Kardaras, Das Wettbewerbsverbot in den Personalgesellschaften, 1967, S. 61 f.; vgl. auch OLG KoblenzBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG Koblenz
, DStR 2008, 1152; Staub/Schäfer, HGB, 5. Aufl., § 116 Rn. 25; Schlegelberger/Martens, HGB, 5. Aufl., § 165 Rn. 23; Reichert/Winter, in: Festschrift 100 Jahre GmbH-Gesetz, 1992, S. 209, 236 ff. [Grenze bei 25%-Beteiligung]; weiter hingegen für den Geschäftsführer offenbar Weitnauer/Grob, GWR 2014, 185; tendenziell weiter wohl auch Ivens, Das Konkurrenzverbot des GmbH-Gesellschafters, 1987, 71 f.). Dies liegt darin begründet, dass unter solchen Umständen ein Wettbewerbsverbot seiner ratio nach nicht eingreift. Zweck des Wettbewerbsverbots zu Lasten eines Gesellschafter-Geschäftsführers ist es, dass dieser seine aus der Gesellschafterstellung erlangten Kenntnisse oder seinen auf der Gesellschafterstellung beruhenden Einfluss dazu verwendet, die eigenen Geschäfte zum Nachteil der Gesellschaft zu fördern, zudem soll das Wettbewerbsverbot sicherstellen, dass die Arbeitskraft des Geschäftsführers für die Gesellschaft erhalten bleibt (s. etwa Schneider, in: Scholz, GmbHG, 11. Aufl., § 43 Rn. 156). Nichts dergleichen steht regelmäßig unter den genannten Voraussetzungen bei einer rein kapitalistischen Minderheitsbeteiligung in Rede.

(b) Eine solche rein kapitalistische Minderheitsbeteiligung – an einer S.p.A., einer Kapitalgesellschaft nach italienischem Recht, vergleichbar der deutschen Aktiengesellschaft – hatte der Beklagte hier am 31.05.2006 erworben. Dafür, dass er im maßgebenden Zeitraum Einfluss auf die Geschäftsführung des Konkurrenzunternehmens nehmen konnte oder nahm oder es gar beherrschte, fehlen Anhaltspunkte wie überhaupt dafür, dass er in dem Konkurrenzunternehmen in diesem Zeitraum in irgendeiner Weise tätig wurde. Die insoweit darlegungsbelastete (vgl. Raiser, in: Festschrift für Stimpel, 1985, S. 855, 862 f.) Klägerseite trägt hierzu weder erstinstanzlich noch in der Berufungsinstanz konkrete Anknüpfungstatsachen vor.

(c) Auch die Regelungen in § 16 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrags der Klägerin Ziff. 1 sowie in § 1 Abs. 4 des Anstellungsvertrags zwischen dem Beklagten und der Klägerin Ziff. 1 führen nicht dazu, dass die beanstandete Unternehmensbeteiligung von einem Wettbewerbsverbot erfasst würde.

Aufgrund der in Rede stehenden Bestimmungen könnte sich ein Verstoß des Beklagten gegen ein ihn treffendes Wettbewerbsverbot nur ergeben, wären die Bestimmungen dahin auszulegen, das sie dem Beklagten in der erheblichen Zeit und unter den gegebenen Umständen auch die hier in Rede stehende rein kapitalistische Minderheitsbeteiligung an der Konkurrenzgesellschaft untersagten. Diesen Inhalt weisen die Bestimmungen, wie sich jedenfalls aus einer einschränkenden Auslegung im Lichte von Art. 12 Abs. 1 GG ergibt (vgl. BGH, NZG 2010, 270 – Tz. 10), indes nicht auf.

(aa) Grundsätzlich können Wettbewerbsverbote für Gesellschafter einer GmbH ohne weiteres in der Satzung einer Gesellschaft vereinbart werden. Sie sind jedoch nur in den von § 1 GWB vorgegebenen Grenzen zulässig (vgl. hierzu und zum Folgenden aus der Rspr. insbesondere BGH, NZG 2010, 270 – Tz. 13; OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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, GmbHR 2011, 137 – Tz. 25). Zum anderen sind gesellschaftsvertragliche Wettbewerbsverbote am Maßstab von Art. 12 GG, § 138 Abs. 1 BGB zu messen, weil sie regelmäßig die grundgesetzlich geschützte Berufsausübungsfreiheit des betroffenen Gesellschafters berühren. Mit Rücksicht auf die insbesondere bei der Auslegung der zivilrechtlichen Generalklauseln zu beachtenden verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen – hier für die freie Berufsausübung – sind nach der Rechtsprechung gesellschaftsvertragliche Wettbewerbsverbote nur zulässig, wenn sie nach Ort, Zeit und Gegenstand nicht über die schützenswerten Interessen des Begünstigten hinausgehen und den Verpflichteten nicht übermäßig beschränken. Auch die Literatur geht davon aus, dass vertragliche Wettbewerbsverbote in ihrer sachlichen Reichweite bzw. ihrem sachlichen Umfang zu begrenzen sind und mögliche Wettbewerbshandlungen nur untersagen, soweit dadurch der betroffene Gesellschafter bei einer Interessenabwägung nicht übermäßig belastet wird (s. z.B. Michalski/Funke, in: Michalski, GmbHG, 2. Aufl. § 13 Rn. 240; Schiessl/Böhm, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, 4. Aufl., § 34 Rn. 15 ff.; Merkt, in: Münchener Kommentar zum GmbHG, 1. Aufl., § 13 Rn. 245 ff.).

(bb) Die hier in Rede stehenden Bestimmungen würden indes, statuierten sie zu Lasten des Beklagten ein so weitgehendes Verbot, wie die Klägerinnen geltend machen, die danach maßgebenden rechtlichen Grenzen überschreiten.

Das ergibt sich im Kern aus den gleichen Erwägungen, die bereits dazu führten, den hier vorliegenden Anteilserwerb als nicht von dem den Beklagten als Gesellschafter-Geschäftsführer treffenden gesetzlichen Wettbewerbsverbot erfasst anzusehen: Ein Verbot des in Rede stehenden rein kapitalistischen Erwerbs einer Minderheitsbeteiligung unter den hier vorliegenden Umständen wäre vom rechtlich unbedenklichen Sinn und Zweck des den Beklagten treffenden Wettbewerbsverbots nicht umfasst, weil es nämlich nicht durch den legitimen Zweck gerechtfertigt wäre, zu verhindern, dass die Gesellschaft durch einen Gesellschafter von innen her ausgehöhlt und ihrer wirtschaftlichen Existenzgrundlage beraubt wird (vgl. etwa BGH, NZG 2010, 270 – Tz. 16 f.; OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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, GmbHR 2011, 137 – Tz. 25 f.).

Dementsprechend sind die hier in Rede stehenden Bestimmungen jedenfalls einschränkend dahin auszulegen, dass sie den Beteiligungserwerb des Beklagten unter den hier gegebenen Umständen nicht verboten (vgl. BGH, NZG 2010, 270 – Tz. 10, 15). Ob die Bestimmungen deshalb sogar gänzlich nichtig sind, kann angesichts dessen offenbleiben.

(4) Im Übrigen fehlt es, soweit Ansprüche auf Auskunft, Schadensersatz, Vorteilsherausgabe sowie ein Eintrittsrecht analog § 113 HGB geltend gemacht werden, am ausreichenden Vortrag der Klägerinnen zu ihnen aus dem in Rede stehenden mittelbaren Anteilserwerb entstandenen Einbußen oder von dem Beklagten auf ihre Kosten gezogenen Vorteilen. Bereits die Zuerkennung von Auskunftsansprüchen als Vorstufe eines Schadensersatzanspruchs setzt nach der Rechtsprechung neben einem begründeten Verdacht einer Wettbewerbsverletzung – an dem es wie oben ausgeführt fehlt – die Wahrscheinlichkeit eines daraus resultierenden Schadens voraus (vgl. etwa BGH, NJW 2014, 155 – Tz. 20 m. w. N.; BGH, Beschl. v. 11.02.2008 – II ZR 277/06 – Tz. 7; Krüger, in: Münchener Kommentar zum BGB, 4. Aufl., § 260 Rn. 16). Entsprechendes muss hinsichtlich der Erlangung etwa herauszugebender Vorteile gelten. Hierzu fehlt es aber an ausreichend konkretem Vorbringen der Klägerinnen. Insbesondere etwaige – vom Beklagten bestrittene – Umsatzeinbrüche bei der Klägerin Ziff. 1 behaupten die Klägerinnen pauschal und ohne konkreten Tatsachenvortrag (GA 210 f.), insbesondere ohne nachvollziehbare Anbindung an den hier in Frage stehenden Beteiligungserwerb. Zu angeblichen aus der Beteiligung vom Beklagten in der relevanten Zeit gezogenen Gewinnen fehlt es überhaupt an jedem konkreten Vorbringen. Eine etwaige Differenz zwischen dem Wert des Anteils und dem vom Beklagten hierfür gezahlten Betrag – laut dem Klägervortrag ist der Erwerb sogar ohne werthaltige Gegenleistung erfolgt – wäre kein auf Kosten der Klägerinnen erlangter Vorteil, den der Beklagte an sie herauszugeben hätte.

bb) Zu Recht hat das Landgericht (S. 16 des Urteils) das auch in der Berufungsinstanz nicht weiter konkretisierte Vorbringen der Klägerinnen zu etwaigen sonstigen Verstößen des Beklagten gegen ihn gegenüber den Klägerinnen treffende Verpflichtungen im Zusammenhang mit einer etwaigen neuen unternehmerischen Betätigung als unzureichend angesehen. Unbehelflich sind insbesondere die auf konkreten Tatsachenvortrag nicht rückführbaren Mutmaßungen der Klägerinnen, der Beklagte habe – ob es so gewesen ist, mag dahinstehen – die Minderheitsbeteiligung ohne oder ohne werthaltige Gegenleistung erworben und vor diesem Hintergrund sei anzunehmen, er habe sozusagen im Gegenzug Wettbewerbsverstöße zum Nachteil der Klägerinnen begangen, die Geschäftstätigkeit des Wettbewerbsunternehmens noch im Jahre 2006 nicht unerheblich gefördert und Großkunden abgeworben. Ein solcher Rückschluss ist schon deshalb ohne ausreichende Basis, weil ohne Weiteres möglich und sogar naheliegend ist, dass der Beklagte die Beteiligung deshalb erworben hat, um nach dem Ausscheiden bei der Klägerin Ziff. 1 im Geschäftsbereich der Y. weiterhin unternehmerisch tätig sein zu können, woran er durch das auf seine Zeit als Gesellschafter-Geschäftsführer beschränkte Wettbewerbsverbot nicht gehindert war. Aus den als Anlage K 20 vorgelegten Unterlagen, die die Klägerinnen in ihrem Vorbringen im Übrigen lediglich pauschal und ohne Behauptung konkreter anspruchsbegründender Tatsachen in Bezug nehmen, ergeben sich keine hinreichenden Anhaltspunkte, die Raum für eine andere Beurteilung eröffnen. Auch aus etwaigen – im Übrigen bestrittenen – Umsatzeinbrüchen bei der Klägerin Ziff. 1 in den Folgejahren ließe sich ohne Anbindung an weiteren konkreten Tatsachenvortrag nicht rückschließen, dass dies auf ein rechtswidriges Verhalten des Beklagten zurückzuführen ist. Schließlich reicht der pauschale – vom Beklagten bestrittene – Vortrag, der Beklagte sei unter Mitnahme nahezu aller Kunden und Mitarbeiter bei den Klägerinnen ausgeschieden, für die Darlegung eines treuwidrigen oder gegen Wettbewerbsrecht verstoßenden Verhaltens nicht aus.

cc) Erst recht lag in dem beanstandeten Beteiligungserwerb kein Verstoß gegen Vorschriften des UWG. Die von Klägerseite ohne näheren Vortrag zitierten Vorschriften erfordern u. a. eine geschäftliche Handlung, in der eine Beeinträchtigung der wettbewerblichen Entfaltungsmöglichkeiten eines Wettbewerbers liegt, die noch dazu unlauter sein muss. Keines der Merkmale erfüllt der hier in Rede stehende Anteilserwerb als solcher. Weitergehende wettbewerbsrechtlich unlautere Handlungen sind nicht dargetan.

2. Widerklage (= Berufungsantrag Ziff. 8 und Anschlussberufung)

a) Widerklageanträge Ziff. I bis VI – behaupteter Wettbewerbsverstoß

Die Anschlussberufung des Beklagten hat mit ihren Anträgen Ziff. I bis VI, mit denen der Beklagte unverändert die erstinstanzlichen Widerklageanträge Ziff. I bis VI weiterverfolgt und die Verurteilung der Klägerinnen wegen eines angeblichen Wettbewerbsverstoßes begehrt, keinen Erfolg.

aa) Sämtliche vom Beklagten insoweit gegen die Klägerinnen geltend gemachten Ansprüche stehen dem Beklagten bereits deshalb nicht zu, weil es an dessen Aktivlegitimation fehlt.

(1) Die Rechtspositionen, auf die die Widerklage und die entsprechende Anschlussberufung insoweit gestützt sind, können sich allenfalls aus § 16 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrags der Klägerin Ziff. 1 ergeben. Bei den Einbußen, die der Beklagte insoweit vorträgt und auf die er seine Rechtsverfolgung stützt, handelt es sich um typische mittelbare Vermögensfolgen aufgrund Einbußen, die die Gesellschaft, an der der Beklagte beteiligt war, also die Klägerin Ziff. 1, durch das Verhalten eines anderen Gesellschafters erlitten haben soll und die sich aufgrund der Stellung des Beklagten als deren – früheren – Minderheitsgesellschafter mittelbar nachteilig auch auf sein Vermögen ausgewirkt haben sollen. Angeblich sich daraus ergebende Ansprüche macht der Beklagte mit diesem Teil der Widerklage bzw. der Anschlussberufung als eigene Rechte geltend.

(2) Die geltend gemachten Ansprüche aus dem im Gesellschaftsvertrag der Klägerin Ziff. 1 verankerten Wettbewerbsverbot stehen jedoch nicht dem Beklagten, sondern allenfalls der Klägerin Ziff. 1 zu, um deren Gesellschaftsvertrag es sich handelt und die aus einem ihre Gesellschafter bzw. Geschäftsführer ggf. treffenden Wettbewerbsverbot berechtigt ist.

Eine ggf. mögliche Geltendmachung dieser etwaigen Rechte der Klägerin Ziff. 1 im Wege der actio pro socio ist nicht gegeben, macht der Beklagte hier doch nicht Ansprüche der Klägerin Ziff. 1, sondern allein angeblich eigene Ansprüche geltend.

Zwar ist grundsätzlich denkbar, dass einem Minderheitsgesellschafter einer GmbH eigene Ansprüche aus der Verletzung eines gesellschaftsvertraglichen Wettbewerbsverbots durch einen Mitgesellschafter zustehen. Das setzt aber voraus, dass er durch die Verletzungshandlung einen über den durch die Minderung des Gesellschaftsvermögens im Wert seines Geschäftsanteils eingetretenen Reflexschaden hinausgehenden eigenen Schaden erlitten hat (s. dazu etwa Raiser, in: Großkommentar zum GmbHG, 2. Aufl., § 14 Rn. 112, 101; Michalski/Funke, in: Michalski, GmbHG, 2. Aufl., § 13 Rn. 288). Das wird aber vom Beklagten, der eben einen solchen Reflexschaden geltend macht, nicht behauptet.

bb) Die in Frage stehende Rechtsverfolgung hat gegenüber der Klägerin Ziff. 1 darüber hinaus schon deswegen von vornherein keinen Erfolg, weil die Klägerin Ziff. 1 allenfalls aus dem Wettbewerbsverbot, das die Rechtsverfolgung insoweit tragen soll, berechtigt sein kann, nicht aber verpflichtet. Im Übrigen ist nichts dafür ersichtlich oder vorgetragen, dass und ggf. wie die Klägerin Ziff. 1 an den angeblichen Wettbewerbsverstößen beteiligt gewesen sein soll.

cc) Abgesehen davon geht die auf § 16 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrags der Klägerin Ziff. 1 gestützte Rechtsverfolgung des Beklagten ins Leere, weil diese Regelung ihrem klaren Wortlaut nach lediglich Gesellschafter der Klägerin Ziff. 1 mit einem Wettbewerbsverbot belegt. Nach dem eigenen Vortrag des Beklagten (GA 41 f.) soll der Wettbewerbsverstoß in Form des Anteilserwerbs im Jahr 2001 jedoch durch die Gesellschafter der Klägerin Ziff. 2 bzw. durch eine Gesellschaft begangen worden sein, an der die Gesellschafter der Klägerin Ziff. 2 beteiligt gewesen sein sollen. Dass diese Personen das in § 16 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrags der Klägerin Ziff. 1 verankerte Wettbewerbsverbot verpflichtet habe, ist nicht ersichtlich. Daran ändert nichts, dass es sich bei diesen Personen seinerzeit um die alleinigen Gesellschafter der Klägerin Ziff. 2 gehandelt haben mag und diese wiederum seinerzeit zu 100% an ihrer Rechtsvorgängerin X. beteiligt gewesen sein mag. Es fehlt jeder Vortrag für eine Beteiligung eben dieser Rechtsvorgängerin an den angeblichen Wettbewerbsverstößen.

dd) Schließlich würde das in § 16 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrags der Klägerin Ziff. 1 verankerte Wettbewerbsverbot den von dem Beklagten behaupteten Erwerb einer Minderheitsbeteiligung nach dem Vorbringen des Beklagten auch seinem Umfang nach nicht erfassen. Insofern gelten die obigen Darlegungen entsprechend, die zur Abweisung der gegen den Beklagten erhobenen Klage führen.

ee) Auf die zwischen den Parteien streitige Frage des Bestehens eines Wettbewerbsverhältnisses, das der Beklagte allerdings darlegen und beweisen müsste (vgl. etwa Michalski/Funke, in: Michalski, GmbHG, 2. Aufl., § 13 Rn. 242 ff.), kommt es nach alledem ebensowenig an wie darauf, ob der Rechtsverfolgung des Beklagten der von Amts wegen zu beachtende (Palandt/Grüneberg, BGB, 76. Aufl., § 242 Rn. 96) Einwand der Verwirkung entgegensteht.

b) Widerklageantrag Ziff. VII und VIII – Abfindungsanspruch

Weder die Berufung der Klägerin Ziff. 1 gegen ihre Verurteilung zur Zahlung einer Abfindung in Höhe von 1.102.500 € noch die Anschlussberufung des Beklagten gegen die Widerklageabweisung in Höhe eines weiteren Betrags von 132.300,00 € haben Erfolg – das Landgericht hat die Höhe des Abfindungsanspruchs im Ergebnis zutreffend bestimmt. Hingegen hat die Berufung der Klägerin Ziff. 1 insoweit Erfolg, als sie sich gegen die Zuerkennung außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten richtet. Außerdem war der Zinsausspruch zu korrigieren.

aa) Einwand der Klägerin Ziff. 1, Abfindungsbetrag sei unzutreffend ermittelt

Die Klägerin Ziff. 1 dringt hinsichtlich ihrer Verurteilung zur Zahlung einer Abfindung in Höhe von 1.102.500,00 € mit ihrer Beanstandung nicht durch, das Landgericht habe verfahrensfehlerhaft das Gutachten des Sachverständigen Dr. P. seiner Entscheidung zugrunde gelegt und dabei verkannt, dass eine offensichtliche Unrichtigkeit im Sinne von § 319 Abs. 1 BGB vorliege.

(1) Die Ausübung des dem Beklagten in § 12 des Gesellschaftsvertrags der Klägerin Ziff. 1 eingeräumten Kündigungsrechts führte nach der zweifelsfreien gesellschaftsvertraglichen Regelung nicht zur Auflösung der GesellschaftBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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, sondern hatte die Abtretung des Gesellschaftsanteils des Beklagten nach § 12 Ziff. 2 Satz 3 des Gesellschaftsvertrags mit Vertrag vom 09.02.2007 (Anlage K 3 und B 11) zur Folge; der Sache nach regelt § 12 des Gesellschaftsvertrags ein Austrittsrecht der Gesellschafter (vgl. etwa Fastrich bzw. Haas, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 21. Aufl., § 34 Anh Rn. 27, § 60 Rn. 90; Goette, DStR 1997, 1336). Folge der Abtretung des Gesellschaftsanteils ist nach den gesetzlichen Bestimmungen ein Anspruch des Beklagten auf Abfindung nach dem vollen wirtschaftlichen Wert seiner Beteiligung; maßgebend ist der Verkehrswert (s. nur etwa Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 21. Aufl., § 34 Rn. 22). Eine bestimmte Methode zu dessen Ermittlung ist nicht vorgeschrieben, Ertragswertverfahren herrschen aber vor (s. nur etwa Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 21. Aufl., § 34 Rn. 23).

(2) Diese gesetzliche Lage ist allerdings im Grundsatz dispositiv (s. nur etwa Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 21. Aufl., § 34 Rn. 25), so dass hier im Ausgangspunkt die Gestaltung in § 12 Ziff. 3 Satz 1 i. V. m. § 13 Ziff. 1 Satz 2 des Gesellschaftsvertrags der Klägerin Ziff. 1 maßgebend ist. In Abweichung von den gesetzlichen Vorschriften richtet sich nach der insoweit eindeutigen Regelung in § 12 Ziff. 3 Satz 1 i. V. m. § 13 Ziff. 1 Satz 2 des Gesellschaftsvertrags der Klägerin Ziff. 1, die die Parteien in § 3 des Vertrags vom 09.02.2007 (Anlage K 3 bzw. B 10) – insbesondere mit der Klarstellung des 31.12.2006 als maßgebendem Stichtag – nochmals bekräftigten, die dem Beklagten anlässlich seines Ausscheidens von der Klägerin Ziff. 1 zu leistende Abfindung hier nach dem im „Stuttgarter Verfahren“ ermittelten Wert seines Anteils.

(3) Diesen Anteilswert hat in diesem Verfahren der Gutachter Dr. P. in seiner gutachterlichen Stellungnahme vom 23.12.2009 (Anlage B 11; im Folgenden: Gutachten P.) festgestellt. Bei diesem Gutachten handelt es sich – wie die Berufung nicht mehr in Abrede stellt, zieht doch auch sie § 319 Abs. 1 BGB als maßgebliches Überprüfungskriterium heran (BB 11, GA 598; vgl. auch BE 13, GA 600) – um ein Schiedsgutachten im engeren Sinne, auf das §§ 317 ff. BGB entsprechende Anwendung finden (vgl. BGH, NJW 2013, 1296 – Tz. 13; Palandt/Grüneberg, BGB, 76. Aufl., § 317 Rn. 6, § 319 Rn. 4).

(a) Solche Schiedsgutachten im engeren Sinne dienen vor allem dazu, den von den Parteien zwar objektiv bestimmten, aber nur mit einer gewissen Sachkunde feststellbaren Vertragsinhalt zu ermitteln. Es handelt sich um privatrechtlich vereinbarte Sachverständigengutachten außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens, die der Klärung oder Feststellung von Tatsachen dienen. Dabei erkennen die Parteien die durch das Gutachten zu treffende Bestimmung bis an die Grenze der offenbaren Unrichtigkeit als verbindlich an (BGH, NJW 2013, 1296 – Tz. 13)

b) So liegt es hier.

Zwar enthält der Gesellschaftsvertrag der Klägerin Ziff. 1 in § 13 Ziff. 1 Satz 3 eine Schiedsklausel, die sich zumindest ausdrücklich lediglich auf die Feststellung der maßgebenden Bilanzansätze bezieht, nicht hingegen auf die Feststellung des Anteilswerts. Dem entspricht auch die Regelung in § 3 Ziff. 1 des Kauf- und Übertragungsvertrags vom 09.02.2007 (Anlage K 3 bzw. B 10).

Hierauf kommt es aber nicht an, wie das Landgericht zutreffend angenommen hat.

(aa) Die Klägerin Ziff. 1 und der Beklagte haben – wie sich aus den im Rechtsstreit vorgelegten Unterlagen (GA 281 ff., 296 ff.) zweifelsfrei ergibt – den Gutachter Dr. P. einvernehmlich mit der schiedsgutachtlichen Ermittlung des nunmehr im Streit stehenden Abfindungsguthabens beauftragt. Hierin liegt – unabhängig vom genauen Inhalt der gesellschaftsvertraglichen Regelung insofern – die rechtsgeschäftliche Vereinbarung, dass der Gutachter Dr. P. den von den Parteien zwar objektiv bestimmten, aber nur mit einer gewissen Sachkunde – nämlich durch Anwendung der Regeln des Stuttgarter Verfahrens – feststellbaren Vertragsinhalt zu ermitteln hatte. Es handelte sich bei dem Gutachten P. somit jedenfalls auf der Basis dieser Vereinbarung um ein privatrechtlich vereinbartes Sachverständigengutachten außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens, das der Klärung oder Feststellung von Tatsachen diente, also um ein Schiedsgutachten im engeren Sinne. Dies lag schon deshalb nahe, weil § 13 Ziff. 1 Satz 3 des Gesellschaftsvertrags der Klägerin Ziff. 1 zumindest für die eng mit der Feststellung des Anteilswerts zusammenhängende Frage der Feststellung der maßgebenden Bilanzansätze eine Schiedsklausel enthält. Die Beauftragung des Gutachters Dr. P. in der erfolgten Form war nach den konkreten Umständen nur sinnvoll, kam diesem gerade die Funktion eines Schiedsgutachters hinsichtlich der Feststellung des Anteilswerts im Stuttgarter Verfahren zu.

(bb) Eine Änderung des Gesellschaftsvertrags der Klägerin Ziff. 1 ist in der getroffenen Vereinbarung entgegen der zumindest erstinstanzlich von den Klägerinnen vertretenen Auffassung nicht zu sehen, so dass es nicht auf die dafür einschlägigen Formvorschriften ankommt und auch nicht darauf, ob die Klägerin Ziff. 1 Partei dieses Gesellschaftsvertrags ist oder war (GA 290 f.). Die Parteien trafen keine Regelung, die in Zukunft für das Ausscheiden von Gesellschaftern durch Kündigung gelten sollte, sondern regelten die Feststellung der Abfindungshöhe in Bezug auf das Ausscheiden des Beklagten, was in der geschehenen Form möglich war. Dass die Begutachtung zunächst unter dem Vorbehalt gerichtlicher Klärung hinsichtlich der bilanziellen Ansätze für das Jahr 2006 stand, ändert nichts an der Eigenschaft des Gutachtens P. als Schiedsgutachten im engeren Sinne im Übrigen.

(4) Das Gutachten P. ist nicht offenbar unrichtig und damit für die Parteien grundsätzlich verbindlich (§ 319 Abs. 1 Satz 1 BGB entsprechend).

(a) Ein Schiedsgutachten ist offenbar unrichtig, wenn sich dem sachkundigen und unbefangenen Beobachter, wenn auch möglicherweise erst nach gründlicher Prüfung, offensichtliche Fehler aufdrängen, die das Gesamtergebnis verfälschen (vgl. BGH, NJW 2013, 1296 – Tz. 16; Palandt/Grüneberg, BGB, 76. Aufl., § 317 Rn. 6, § 319 Rn. 4). Ein Gutachten ist nicht nur unrichtig, sondern auch offenbar unrichtig, wenn es den Grundsatz von Treu und Glauben in grober Weise verletzt und sich seine Unrichtigkeit dem Blick eines sachkundigen und unbefangenen Beurteilers sofort aufdrängen muss (vgl. BGH, NJW 2013, 1296 – Tz. 16 m. w. N.). Entscheidend ist grundsätzlich, ob das Gutachten im Ergebnis von der wirklichen Sachlage erheblich abweicht (vgl. BGHZ 9, 195 – Tz. 9). Die Überprüfung hat sich aber darauf zu beschränken, ob das in dem Schiedsgutachten gewonnene Ergebnis offenbar unrichtig ist, darf dagegen nicht zu dessen voller Überprüfung auf sachliche Richtigkeit führen (vgl. etwa BGH, Urt. v. 25.01.1979 – X ZR 40/77 – Tz. 20 m. w. N.). Bei offenbarer Unrichtigkeit erfolgt die Bestimmung entsprechend § 319 Abs. 1 Satz 2 BGB durch Urteil, wobei die Frage der Unbilligkeit im Rahmen des Verfahrens auf Leistung inzident zu entscheiden ist und sich der Schuldner gegen eine auf Leistung entsprechend der Bestimmung in dem Schiedsgutachten gerichteten Klage auf die offensichtliche Unrichtigkeit berufen kann (vgl. Würdinger, in: Münchener Kommentar zum BGB, 6. Aufl., § 315 Rn. 47, § 317 Rn. 23). Die Darlegungs- und Beweislast für die offenbare Unrichtigkeit trägt die Partei, die sich darauf beruft (vgl. Palandt/Grüneberg, BGB, 76. Aufl., § 319 Rn. 7).

(b) Die Einwände der Berufung gegen das Gutachten P. greifen nicht durch; jedenfalls eine offenbare Unrichtigkeit liegt – worauf es, wie erwähnt, allein ankommt (s. etwa BGH, Urt. v. 25.01.1979 – X ZR 40/77 – Tz. 20) – nicht vor; dem Antrag auf Einholung eines weiteren Gutachtens (BB 17 f., GA 604 f.) zur Wertbestimmung nach dem „Stuttgarter Verfahren“ war und ist daher nicht nachzugehen (§ 412 Abs. 1 ZPO). Dabei hat der Senat auch die im Schriftsatz vom 14.06.2013 (GA 450 ff.) – und im Übrigen auch den gesamten weiteren Vortrag der Klägerinnen, insbesondere denjenigen in den Schriftsätzen vom 17.07.2013 (GA Bl. 462 ff.) sowie vom 27.12.2013 (GA 517 f.) – erhobenen Einwände sowie das weitere Vorbringen umfassend berücksichtigt; auf die Frage, ob dem Landgericht im Zusammenhang mit der Behandlung dieses Prozessstoffs Verfahrensfehler unterlaufen sind, kommt es schon deshalb von vornherein nicht an. Es kann auch dahinstehen, ob die Art und Weise, wie das Landgericht die einschlägigen Gutachten in seiner Entscheidung verarbeitet hat, verfahrensfehlerfrei war.

(aa) Das Gutachten P. legt zutreffend – worüber die Parteien auch im Grundsatz nicht streiten – bei der Bewertung des Anteils des Beklagten an der Klägerin Ziff. 1, der für die Berechnung der aufgrund seines Ausscheidens von der Klägerin Ziff. 1 zu leistenden Abfindung maßgebend ist, das sog. „Stuttgarter Verfahren“ zugrunde. Dies ergibt sich aus der insoweit eindeutigen Regelung in § 12 Ziff. 3 Satz 1 i. V. m. § 13 Ziff. 1 Satz 2 des Gesellschaftsvertrags der Klägerin Ziff. 1, die die Parteien in § 3 des Vertrags vom 09.02.2007 (Anlage K 3 bzw. B 10) – insbesondere mit der Klarstellung des 31.12.2006 als maßgebendem Stichtag – nochmals bekräftigt haben.

Bei dem „Stuttgarter Verfahren“ handelt es sich – wovon die Gutachter zu Recht ausgingen und wie insbesondere in dem Gutachten des Sachverständigen Dr. S. vom 15.11.2012 (GA 375 ff., dort S. 4 f.; im Folgenden: Gutachten S.) im Einzelnen dargelegt worden ist – um ein hoch formalisiertes, stark vereinfachendes, von der Finanzverwaltung entwickeltes und ausschließlich für die Zwecke der Besteuerung (s. etwa BFH, Urt. v. 01.02.2007 – II R 19/05 – Tz. 12) angewandtes Bewertungsverfahren (vgl. Göllert/Ringling, DB 1999, 516). Es diente primär fiskalischen Zwecken und sollte durch die in ihm enthaltenen Typisierungen insbesondere die Gleichmäßigkeit der Besteuerung sicherstellen (hierzu auch BFH, Urt. v. 01.02.2007 – II R 19/05 – Tz. 12), nicht hingegen – jedenfalls nicht primär – eine möglichst adäquate Wertermittlung im Einzelfall. Dementsprechend wird dieses Verfahren weithin als zur Ermittlung des tatsächlichen Werts eines Gesellschaftsanteils ungeeignet angesehen (so etwa Lutter/Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 19. Aufl., § 34 Rn. 79 und insbesondere Göllert/Ringling, DB 1999, 516 ff.; vgl. auch OLG NaumburgBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG Naumburg
, Urt. v. 02.10.2006 – 2 U 14/06 – Tz. 18; positiver unter gewissen Umständen – wenn ein Unternehmen zu bewerten ist, dessen Erträge weniger mit der Vermögenssubstanz als durch den persönlichen Einsatz seiner Geschäftsführer erwirtschaftet werden – BGH, Urt. v. 14.07.1986 – II ZR 249/85 – Tz. 11 sowie OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG München
, GmbHR 1988, 216, 217), allerdings verbreitet deshalb, weil es weithin zu Werten unterhalb des Verkehrswerts gelange (vgl. BVerfG, NJW 2007, 573, 583 m. w. N.; OLG NaumburgBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG Naumburg
, Urt. v. 02.10.2006 – 2 U 14/06 – Tz. 19; Seibt, in: Scholz, GmbHG, 11. Aufl., § 14 Rn. 13). Nach der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung handelt es sich dabei sogar um ein Verfahren, das auf realitätsfernen Ausgangsparametern beruhe, den Verkehrswert nur in Ausnahmefällen abbilde, ihn regelmäßig aber systembedingt verfehle (s. BVerfG, NJW 2007, 573, 583 f.; Seibt, in: Scholz, GmbHG, 11. Aufl., § 14 Rn. 13; ebenso insbesondere Göllert/Ringling, DB 1999, 516 ff.), was dazu geführt hat, dass dieses Verfahren mittlerweile durch die Vorschriften über das vereinfachte Ertragswertverfahren (§§ 199 ff. BewG) überholt ist (s. nur etwa Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, 7. Aufl., § 34 Rn. 51; Moog/Schweizer, GmbHR 2009, 1198 ff.).

All dies ändert jedoch – worüber die Parteien an sich auch nicht streiten – jedenfalls im Ausgangspunkt nichts an der Maßgeblichkeit des „Stuttgarter Verfahrens“ für die hier erhebliche Bewertung des Anteils des Beklagten an der Klägerin Ziff. 1. Die hier einschlägigen gesellschaftsvertraglichen Regelungen sind eindeutig und enthalten entsprechende Vorgaben. Diese sind – vorbehaltlich sich aus dem objektiven Recht ggf. ergebender, hier noch nicht in die Betrachtung einzubeziehender Wirksamkeitsschranken (s. unten) – von der Vertragsfreiheit gedeckt und dementsprechend verbindlich (vgl. nur etwa OLG NaumburgBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG Naumburg
, Urt. v. 02.10.2006 – 2 U 14/06 – Tz. 18 m. w. N.; Moog/Schweizer, GmbHR 2009, 1198, 1199; s. ferner etwa auch OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG München
, GmbHR 1988, 216, 217; Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 21. Aufl., § 34 Rn. 36 a). Auf die Eignung des Stuttgarter Verfahrens zur Ermittlung des „tatsächlichen“ Anteilswerts im Allgemeinen wie im konkreten Fall kommt es hier im Ausgangspunkt nicht an.

(bb) Maßgebend für die Bewertung sind im Streitfall demnach – worüber zwischen den Parteien ebenfalls an sich kein Streit besteht – R 96 ff. ErbStR 2003 (vgl. nur etwa OLG NaumburgBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG Naumburg
, Urt. v. 02.10.2006 – 2 U 14/06 – Tz. 19). Dies gilt ungeachtet des Umstands, dass der Gesellschaftsvertrag der Klägerin Ziff. 1 aus dem Jahr 2000 stammt. Das ergibt sich bereits aus einer verständigen Auslegung dieses Gesellschaftsvertrags (vgl. auch hierzu OLG NaumburgBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG Naumburg
, Urt. v. 02.10.2006 – 2 U 14/06 – Tz. 19) und daraus, dass im Zweifel eine dynamische Verweisung auf die zum maßgebenden Bewertungsstichtag jeweils aktuellen Vorschriften vorliegt (s. etwa Seibt, in: Scholz, GmbHG, 11. Aufl., § 14 Rn. 13; Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 21. Aufl., § 34 Rn. 36 a; ebenso wohl Leitzen, RNotZ 2009, 315, 321; offen Heller, GmbHR 1999, 594, 595; a. A. Casper/Altgen, DStR 2008, 2319, 2323). Im Übrigen kommt es auf etwaige Divergenzen zur früheren Fassung für die Beurteilung des Streitfalls nicht an, wie bereits im Gutachten P. (S. 3) – von den Parteien unbeanstandet – festgestellt worden ist.

(cc) Schon aus dieser – demnach grundsätzlich maßgebenden – gesellschaftsvertraglichen Ausgestaltung, die regelt, dass die Vorgaben des Stuttgarter Verfahrens anzuwenden sind, ergibt sich, dass das Begehren der Berufung, „sämtliche bis zur endgültigen Ermittlung des Abfindungsguthabens auftretende Erkenntnisse wertaufhellend zu berücksichtigen“ (BB 12 Ziff. 2) ebenso ohne Basis ist wie ihr Verlangen, die Ertragsaussichten der Klägerin Ziff. 1 ab dem Jahr 2007 grundsätzlich, also ohne Rücksicht auf die detaillierten Vorgaben der maßgebenden Richtlinien (R 96 ff. ErbStR 2003), in die Bewertung nach dem Stuttgarter Verfahren einfließen zu lassen (BB 16 Ziff. 15 bis 17). Dementsprechend greifen ihre diesbezüglichen Einwände gegen das Vorgehen der beiden Gutachter nicht durch und lassen von vornherein nicht den Schluss auf eine offenbare Unrichtigkeit des Gutachtens P. zu. Die Berufung verkennt mit diesen Einwänden grundsätzlich, dass eine Berücksichtigung von Verhältnissen, die auf den tatsächlichen Wert der Anteile des Beklagten zum 31.12.2006 rückschließen lassen mögen, im Stuttgarter Verfahren grundsätzlich – vorbehaltlich einer Korrektur in Extremfällen (dazu unten) – nur insoweit möglich ist, wie dies die differenzierten, stark formalisierten Vorgaben dieses Verfahrens zulassen. Dementsprechend sind jegliche Einwände ohne Basis, die ohne direkte Ankoppelung an diese konkreten Vorgaben Verhältnisse in die hier anzustellende Bewertung einfließen lassen wollen, die – angeblich oder tatsächlich – für die Ermittlung des Verkehrswerts des Anteils zum Stichtag maßgeblich waren. Insbesondere kommt eine derart pauschale Berücksichtigung von Ertragsaussichten der Klägerin Ziff. 1 für das Jahr 2007 und später nicht in Betracht. Sie überginge das „recht grobe Schätzungsverfahren“, das das hier maßgebende Bewertungsverfahren insbesondere im Hinblick auf die Würdigung der Ertragsaussichten vorsieht, und das die Rechtsprechung des BFH – in einer Entscheidung zur Maßgeblichkeit der letzten vollen drei Jahre ohne Berücksichtigung des laufenden für den Ertragshundertsatz nach R 99 Abs. 1 Satz 3 ErbStR – als grundsätzlich „sachgerecht“ anerkannt hat, weil es die „Anforderungen der Praktikabilität“ wahre, und zwar ausdrücklich unter Inkaufnahme der Gefahr, „die Ertragsverhältnisse zum Stichtag zu verfehlen“ (s. zu allem BFH, Urt. v. 01.02.2007 – II R 19/05 – Tz. 13, 15, 16). Dass das hier im Ausgangspunkt anzuwendende Bewertungsverfahren nach allem diverse Verhältnisse außer Betracht lassen mag, die für die Ermittlung des Verkehrswerts des Anteils im Streitfall von Bedeutung sein mögen, kann die Berufung als solches nach allem grundsätzlich nicht mit Erfolg geltend machen. Dementsprechend liegt darin, dass die Gutachter entsprechend verfahren sind, kein Mangel der Gutachten.

(dd) Ohne Basis ist ferner die in der Berufungsbegründung mit der Verwendung des Begriffs „Spezialbilanzen“ (BB 12 Ziff. 2 sowie BB 15 f. Ziff. 13 und 14) zumindest anklingende Vorstellung, im Streitfall gelte etwas anderes, weil die Anwendung des Stuttgarter Verfahrens hier dazu dient, die dem Beklagten anlässlich seines Ausscheidens aus der Klägerin Ziff. 1 geschuldete Abfindung zu bestimmen. Wie dargelegt, bestimmt die einschlägige gesellschaftsvertragliche Regelung die Bewertung nach dem Stuttgarter Verfahren gerade für diesen Bewertungsanlass. Diese Bestimmung ist zumindest im Ausgangspunkt verbindlich. Dies schließt es aus, aus dem konkreten Bewertungsanlass auf eine grundsätzliche Maßgeblichkeit diverser „wertaufhellender“ Erkenntnisse zu schließen. Die gesellschaftsvertragliche Regelung mag eine im Streitfall sachgerechte Ausgestaltung verfehlen (vgl. etwa Heller, GmbHR 1999, 594, 596 f.). Das ist aber ohne Bedeutung für die hier allein entscheidende Frage ihrer Maßgeblichkeit im Ausgangspunkt.

(ee) Soweit sich die Berufung mit Einwänden, die konkret in den maßgebenden Vorgaben (R 96 ff. ErbStR 2003) abgestützt sind, gegen die Begutachtungen wendet, hat sie damit ebenfalls keinen Erfolg. Auch aus diesen Einwänden ergibt sich keine offenbare Unrichtigkeit des Gutachtens P..

(i) Ohne Erfolg macht die Berufung geltend, die von ihr behaupteten Aufwandspositionen „Funktionsersatz“ in Höhe von 533.474,00 € sowie von Rechtsberatungskosten etc. in Höhe von 211.215,00 € seien in den Bewertungen zu Unrecht nicht berücksichtigt worden. Schon gar nicht ist das Gutachten P. folglich im Hinblick darauf offenbar unrichtig.

Soweit die Berufung eine Korrektur des Ertragshundertsatzes nach R 98 ErbStRL verlangt (BB 13 Ziff. 4, wohl auch Ziff. 5), liegt dies neben der Sache; die Vorschrift betrifft die Ermittlung des Vermögenswerts.

Eine Berücksichtigung der Positionen bei dieser Ermittlung des Vermögenswerts nach R 98 ErbStRL kommt nicht in Betracht. Maßgebend sind insofern die Steuerbilanzwerte, hier diejenigen der Jahre 2004 bis 2006, die der Bewertung zugrunde liegen. In die Steuerbilanzen haben die Positionen aber – wie die Berufung selbst nicht in Abrede stellt (BB 13) – keinen Eingang gefunden. Folglich ist ihre Berücksichtigung schon deshalb ausgeschlossen, wie der gerichtliche Sachverständige zutreffend ausgeführt hat (Gutachten S., S. 11; s. auch S. 2 f. der ergänzenden Stellungnahme vom 13.03.2013, GA 430 b, c; im Folgenden: Stellungnahme S.). R 98 Abs. 3 ErbstRL ändert daran nichts, auch wenn es sich bei Satz 2 dieser Vorgabe um eine Aufzählung von Beispielen handeln mag. Die Vorgabe betrifft – wie die Berufung an sich nicht verkennt (BB 15 oben) – im Vermögen der Kapitalgesellschaft bis zum Stichtag – hier also bis zum 31.12.2006 – eingetretene Veränderungen. Hierzu zählen Aufwandspositionen, die im Jahr 2007 entstanden sein mögen, nicht; nichts anderes ergibt sich entgegen der Beanstandung der Berufung (BB 14 unten) aus der Stellungnahme S., S. 3 (GA 430 c). Dass die Ursache für diesen Aufwand in dem Ausscheiden des Beklagten liegen mag, ändert entgegen der Auffassung der Berufung nichts; ihre diesbezügliche Auffassung, es handle sich im Hinblick darauf um im Stuttgarter Verfahren zu berücksichtigende „wertaufhellende Ereignisse“, ist aus den oben dargelegten Gründen unzutreffend.

Sollte die Berufung der Auffassung sein, es habe eine unmittelbare Berücksichtigung der Aufwandspositionen bei der Bildung des Ertragshundertsatzes erfolgen müsse, träfe auch das nicht zu. Eine Grundlage in R 99 ErbStRL hierfür ist nicht ersichtlich, insbesondere ist kein Raum für eine Korrektur nach R 99 Abs. 1 Satz 5 ErbStR (s. das Gutachten S., S. 12). Abgesehen davon dürfte einer Berücksichtigung auch schon das Stichtagsprinzip entgegenstehen, wie im Gutachten S., S. 12, 14 zutreffend ausgeführt ist. Eine Einstufung des in Frage stehenden Aufwands als im Bewertungszeitpunkt hinreichend konkretisiert (zu den diesbezüglichen Voraussetzungen s. BFH, Urt. v. 26.06.1996 – II R 64/93 – Tz. 11 f.) ist auf der Basis des Sachvortrags der Klägerinnen (GA 100 mit den als Anlage K 13 vorgelegten Schreiben der Klägerinnen) nicht möglich.

Abgesehen davon, dass eine Berücksichtigung der beiden Positionen in der Bewertung nach dem Stuttgarter Verfahren ohnehin nicht in Betracht kommt, scheiterte eine Berücksichtigung im Übrigen auch schon daran, dass der in tatsächlicher Hinsicht gehaltene Sachvortrag der Klägerinnen hierzu unsubstantiiert und damit nach zivilprozessualen Maßstäben nicht berücksichtigungsfähig ist. Die Klägerinnen begnügen sich mit einem bloßen Verweis (GA 100) auf die in Anlage K 13 vorgelegten Schreiben. Aufgrund dieser Schreiben sind die behaupteten Positionen aber nicht nachvollziehbar; es sind nicht einmal die in dem Schreiben vom 09.10.2009 unter Ziff. 2 genannten Anlagen im Rechtsstreit vorgelegt worden, so dass der Senat nicht beurteilen kann, ob sich hieraus die erforderlichen Konkretisierungen ergeben hätten. Abgesehen davon käme es ohnehin nur auf den Sachverhalt an, der dem Gutachter Dr. P. unterbreitet worden ist (vgl. BGH, Urt. v. 25.01.1979 – X ZR 40/77 – Tz. 22; v. 23.11.1984 – V ZR 120/83 – Tz. 11; Urt. v. 14.07.1986 – II ZR 249/85 – Tz. 7). Dass dessen Gehalt anders zu beurteilen ist als der von den Klägerinnen gehaltene Prozessvortrag, ist nicht ersichtlich.

(ii) Eine Minderung des Ertragshundertsatzes nach R 99 ErbStRL Abs. 2 kommt entgegen der Ansicht der Berufung (BB 13 Ziff. 6) nicht in Betracht, weil die Voraussetzungen dieser Vorgabe in zweifacher Hinsicht nicht erfüllt sind. Erst recht liegt somit auch insofern nicht eine offenbare Unrichtigkeit des Gutachtens P. vor.

Die Vorgabe erfordert eine Abhängigkeit von der persönlichen Tätigkeit eines Gesellschafter-Geschäftsführers, die nicht durch ein entsprechendes Entgelt abgegolten ist (s. zu dieser Voraussetzung BFH, Urt. v. 05.04.1995 – II R 113/91 – Tz. 16; dagegen spricht auch nicht BFH, Urt. v. 06.04.1962 – III 261/59 U – Tz. 8; darauf verweist Ziff. 5 des Schreibens vom 16.12.2008, Anlage K 13). Dafür, dass hier Letzteres der Fall war, ist nichts ersichtlich und zeigen die Klägerinnen nichts auf. Die von Klägerseite in Bezug genommene (GA 100) Darlegung in Ziff. 5 des Schreibens vom 16.12.2008 (Anlage K 13) ist pauschal, ebenso die in Ziff. 1 des Schreibens vom 21.07.2009 (Anlage K 13); diesem Vorbringen einen Rückschluss darauf zu entnehmen, die Leistungen des Beklagten bei der Klägerin Ziff. 1 seien nicht durch ein entsprechendes Entgelt abgegolten, wäre ohne Basis. Im Übrigen zeigt die Voraussetzung, dass eine Abhängigkeit von der persönlichen Tätigkeit eines Gesellschafter-Geschäftsführers vorliegen muss, die nicht durch ein entsprechendes Entgelt abgegolten ist, dass die Vorgabe – anders als die Berufung offenbar annimmt – nicht verlangt, einen Abschlag vom Entgelthundertsatz bei Kapitalgesellschaften mit personalistischen Strukturen vorzunehmen. Sie bezweckt lediglich im Hinblick darauf eine Korrektur, dass unter den definierten Voraussetzungen die Gesellschaft ihre Erträge sozusagen auf Kosten des Gesellschafter-Geschäftsführers realisiert. Dass dies bei der Klägerin Ziff. 1 der Fall war, ist – wie gesagt – nicht ersichtlich und von den Klägerinnen nicht aufgezeigt.

Abgesehen davon ergibt sich aus dem Vortrag der Klägerinnen auch nicht eine Abhängigkeit der Klägerin Ziff. 1 von der persönlichen Tätigkeit des Beklagten als Gesellschafter-Geschäftsführer, wie sie die Vorgabe verlangt (zu den Voraussetzungen s. BFH, Urt. v. 05.04.1995 – II R 113/91 – Tz. 14 f.). Der einschlägige Vortrag (s. die in Anlage K 13 vorgelegten Schreiben) ist unzureichend, zumal die Klägerinnen selbst vortragen, bei der Klägerin Ziff. 1 seien bis ins Jahr 2007 hinein eine Vielzahl weiterer geschulter Mitarbeiter beschäftigt gewesen (s. etwa Ziff. 2 des Schreibens vom 09.10.2009, Anlage K 13). Die einschlägigen Darlegungen im Gutachten S., S. 15 f. sind folglich nicht zu beanstanden.

(iii) Keinen Erfolg hat die Berufung (GA 99 f. sowie BB 17 Ziff. 18) schließlich mit ihrem auf die Rechtsprechung des BFH zum Stuttgarter Verfahren gestützten Vorbringen, die in Frage stehende Bewertung sei zu korrigieren, weil sie zu offensichtlich unzutreffenden Ergebnissen führe. Auch bei Berücksichtigung dieses Einwands erweist sich das Gutachten P. folglich nicht als offenbar unrichtig.

Allerdings hat der Bundesfinanzhof in ständiger Rechtsprechung zwar das Stuttgarter Verfahren für Besteuerungszwecke als ein geeignetes Schätzungsverfahren anerkannt, das dem Gesetz entspreche und ein wertvolles Hilfsmittel sei, die Einheitlichkeit der Bewertung zu gewährleisten; mit Rücksicht auf die Gleichmäßigkeit der Besteuerung könne von diesem Verfahren nur – aber immerhin dann – abgewichen werden, wenn es in Ausnahmefällen aufgrund der Besonderheiten dieser Fälle zu nicht tragbaren, d.h. zu offensichtlich unrichtigen Ergebnissen führe (s. hierzu nur etwa BFH, Urt. v. 06.02.1991 – II 87/88 – Tz. 11, 13).

Eine Korrektur kommt hier aber nicht in Betracht.

Die Klägerinnen haben hierzu durch Verweis auf die als Anlage K 13 vorgelegten Schreiben vom 16.12.2008, vom 21.07.2009 sowie vom 09.10.2009 im Kern vorgetragen, das Ausscheiden des Beklagten sowie des weiteren Gesellschafters W. zum 31.12.2006 habe in der Folgezeit erheblichen Mehraufwand für die Klägerin Ziff. 1 zur Folge gehabt, zum einen aufgrund ihr entstandener Kosten für diverse Beratung, insbesondere Rechtsberatung, sowie dadurch, dass sie eine Vielzahl neuer Mitarbeiter habe in den Betrieb integrieren müssen, nachdem ein gewichtiger Teil der Belegschaft dem Beklagten und dem weiteren Gesellschafter gefolgt seien und das Unternehmen verlassen hätten. Zudem sei durch das Ausscheiden insbesondere des Beklagten und dadurch, dass dieser im Jahr 2007 ein Konkurrenzunternehmen aufgebaut habe, eine neue, verschärfte Wettbewerbssituation entstanden, u. a. habe die Klägerin Ziff. 1 Abschläge von 10 % bei Verkaufspreisen auch an Bestandskunden hinnehmen müssen. In der Berufungsbegründung (BB 12 Ziff. 2) ist nun pauschal von „Umsatz- und Ertragseinbußen“ von „bis nahezu 50 %“ die Rede (s. zum Ganzen Ziff. 5 des Schreibens vom 16.12.2008; Ziff. 1 und 2 des Schreibens vom 21.07.2009; Ziff. 2 und 3 des Schreibens vom 09.10.2009). Bei all dem handle es sich um Umstände, die bei der Bewertung nach dem Stuttgarter Verfahren berücksichtigt werden müssten, um nicht zu offensichtlich unrichtigen Ergebnissen zu gelangen; es handle sich insoweit nicht um die Verwirklichung typischer unternehmerischer Risiken, sondern um Nachteile, die der Beklagten durch das grob pflichtwidrige Verhalten des Beklagten entstanden und die deshalb bei der Bewertung nach dem Stuttgarter Verfahren nicht ohne weiteres bereits „eingepreist“ seien (BB 12 f.).

Der Senat hält indes den einschlägigen – überwiegend bestrittenen – Sachvortrag schon für nicht ausreichend substantiiert, um ihn in der Art und Weise zu verwerten, wie die Berufung dies begehrt. Das Vorbringen ist bereits zu den in den Jahren ab 2007 genau entstandenen Umsatz- und Ertragseinbußen nicht hinreichend konkret, es sind die im als Anlage K 13 vorgelegten Schreiben vom 09.10.2009 genannten Anlagen allesamt nicht vorgelegt. Entsprechendes gilt für das Vorbringen zu den ausgeschiedenen Mitarbeitern und die in dem als Anlage K 13 vorgelegten Schreiben vom 21.07.2009 genannte Anlage. Der Vortrag der Klägerinnen ermöglicht unabhängig davon und vor allem nicht Rückschlüsse darauf, dass etwa entstandene erhebliche Einbußen, die der Beklagte – worauf die Berufungserwiderung zu Recht hinweist (BE 16 oben) – entgegen der Darstellung in der Berufungserwiderung (BB 14 oben) auch schon erstinstanzlich bestritten hat (GA 253), auf das Ausscheiden des Beklagten und/oder der weiteren Mitarbeiter der Klägerin Ziff. 1 zurückzuführen waren. Im Dunkeln bleibt insbesondere, worauf bereits das Gutachten S., S. 16 unten, zutreffend hingewiesen hat, insbesondere der Zusammenhang zwischen den behaupteten Abschlägen von 10 % bei Verkaufspreisen und dem Ausscheiden des Beklagten und/oder weiterer Mitarbeiter sowie einer dadurch entstandenen neuen Wettbewerbssituation. Abgesehen davon käme es ohnehin nur auf den Sachverhalt an, der dem Gutachter Dr. P. unterbreitet worden ist (vgl. BGH, Urt. v. 25.01.1979 – X ZR 40/77 – Tz. 22; Urt. v. 23.11.1984 – V ZR 120/83 – Tz. 11; Urt. v. 14.07.1986 – II ZR 249/85 – Tz. 7). Dass dessen Gehalt anders zu beurteilen ist als der von den Klägerinnen gehaltene Prozessvortrag, ist nicht ersichtlich.

Letztlich kommt es hierauf aber nicht entscheidend an. Die in Rede stehenden Umstände wären ohnehin nicht in der Bewertung nach dem Stuttgarter Verfahren zu berücksichtigen. Die Gutachten sind auch insoweit fehlerfrei. Im Gutachten S., S. 11 f. und 17, ist zutreffend dargestellt, dass das Ausscheiden des Beklagten sowie ggf. weiterer Mitarbeiter bei der Klägerin Ziff. 1 zum 31.12.2006 und die Entstehung einer neuen Wettbewerbssituation im Jahr 2007 insbesondere durch die Tätigkeit des Beklagten ein typisches unternehmerisches Risiko darstellt, das grundsätzlich von den einschlägigen Vorgaben der R 96 ff. ErbStRL ohne Weiteres abgedeckt ist und somit nicht eigens angesetzt werden kann. Der Senat teilt diese Auffassung. Dadurch, dass die genannten Umstände nicht in der Art und Weise berücksichtigt worden sind, wie die Berufung dies verlangt, wurde die Bewertung nach dem Stuttgarter Verfahren demnach nicht untragbar, d. h. offensichtlich unrichtig.

bb) Einwand der Klägerin, Abfindungsregelung sei unanwendbar und anzupassen

Die gesellschaftsvertragliche Abfindungsregelung, die an eine Anteilsbewertung nach dem Stuttgarter Verfahren anknüpft, ist auch nicht deshalb unanwendbar und der Abfindungsbetrag (nach unten) anzupassen, weil der sich nach dem Stuttgarter Verfahren ergebende Anteilswert im konkreten Fall im Vergleich zum tatsächlichen Verkehrswert des Anteils unangemessen überhöht wäre.

Es ist auch für das GmbH-Recht anerkannt, dass Abfindungsbeschränkungen nur in gewissen Grenzen rechtlich zulässig sind (s. dazu nur etwa Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 21. Aufl., § 34 Rn. 26 ff.; Westermann, in: Scholz, GmbHG, 11. Aufl., § 34 Rn. 29 ff.; Ulmer, in: Großkommentar zum GmbHG, 1. Aufl., § 34 Rn. 89 ff.). Im vorliegenden Fall sind diese Schranken jedoch nicht tangiert.

(1) Eine Nichtigkeit der gesellschaftsvertraglichen Regelung nach § 138 BGB oder aber entsprechend § 241 Nr. 4 AktG kommt im Streitfall von vornherein nicht in Betracht. Dies setzte jedenfalls ein anfängliches Missverhältnis voraus, also eines, das bereits bei Inkraftsetzung der gesellschaftsvertraglichen Abfindungsregelung bestand, hier also bei Zustandekommen der einschlägigen gesellschaftsvertraglichen Regelung (s. etwa BGH, Urt. v. 27.09.2011 – II ZR 279/09 – Tz. 12; Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 21. Aufl., § 34 Rn. 28; Westermann, in: Scholz, GmbHG, 11. Aufl., § 34 Rn. 31, 35; Ulmer, in: Großkommentar zum GmbHG, 1. Aufl., § 34 Rn. 91). Im Streitfall, in dem die Klägerinnen geltend machen, der Betrag der Abfindung nach dem Gesellschaftsvertrag sei gegenüber dem wahren Anteilswert weit überhöht, kann zumindest hinsichtlich des maßgebenden Zeitpunkts nichts anderes gelten (vgl. Sörgel/Engelmann, DStR 2003, 1260, 1263). Ein derartiges anfängliches Missverhältnis machen die Klägerinnen aber nicht geltend.

(2) Auch eine Korrektur des Abfindungswertes wegen eines nachträglich entstandenen Missverhältnisses zwischen Klauselwert und Verkehrswert zum maßgebenden Ausscheidenszeitpunkt scheidet im vorliegenden Fall aus.

Auf der Grundlage der im Berufungsverfahren durchgeführten Beweisaufnahme kann nämlich ein solches Missverhältnis nicht festgestellt werden.

(a) Im Grundsatz ist zum Schutz ausscheidender Gesellschafter vor zu geringen Abfindungen die Möglichkeit der richterlichen Korrektur vertraglicher Abfindungsregelungen wegen eines nachträglich entstandenen Missverhältnisses zwischen Klauselwert und Verkehrswert zum Ausscheidenszeitpunkt anerkannt (s. zu diesen Grundsätzen überblicksartig Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 21. Aufl., § 34 Rn. 28; Westermann, in: Scholz, GmbHG, 11. Aufl., § 34 Rn. 35; Ulmer, in: Großkommentar zum GmbHG, 1. Aufl., § 34 Rn. 98 f., 109, 111; Lutter/Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 19. Aufl., § 34 Rn. 87 ff.). Grundsätzlich erscheint auch denkbar und sachgerecht, diese Möglichkeit der Korrektur gewissermaßen „umgekehrt“ auch auf den hier geltend gemachten Fall einer überhöhten Abfindung anzuwenden, wobei diese Frage in Rechtsprechung und Literatur bislang eher spärlich behandelt wurde (offengelassen z. B. von OLG BrandenburgBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG Brandenburg
, Urt. v. 11.11.1998 – 7 U 103/98 – Tz. 42; dafür z. B. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl., § 50 IV 2 c ff (S. 1490); Sigle, ZGR 1999, 659, 680; in der Tendenz ebenso Engel, NJW 1986, 347, 347).

Ein Teil der einschlägigen Rechtsprechung bei „zu geringen“ Abfindungen ist zwar zum Personengesellschaftsrecht ergangen; die einschlägigen Maßstäbe gelten aber grundsätzlich ebenso im Recht der GmbH (s. Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, 7. Aufl., § 34 Rn. 54; Ulmer, in: Großkommentar zum GmbHG, 1. Aufl., § 34 Rn. 90; Hülsmann, GmbHR 2001, 409, 414; vgl. etwa auch Sigle, ZGR 1999, 659).

(b) U. a. beim kündigungsbedingten Ausscheiden eines GesellschaftersBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Ausscheiden
Ausscheiden eines Gesellschafters
kann eine gesellschaftsvertragliche Abfindungsklausel, die eine unter (oder – nach dem oben Gesagten – über) dem realen Anteilswert liegende Abfindung vorsieht, unanwendbar sein, wenn dem Ausscheidenden (bzw. der Gesellschaft) mit Rücksicht auf die seit dem Vertragsschluss eingetretene Änderung der Verhältnisse das Festhalten an dieser Regelung unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen der Mitgesellschafter nicht zugemutet werden kann. Den einschlägigen Entscheidungen liegen Fallgestaltungen zugrunde, in denen sich der vertragliche Abfindungsanspruch und der reale Abfindungswert im Verlauf der Jahre zu dem Zeitpunkt der Kündigung bzw. des Ausscheidens in außergewöhnlich hohem Maße auseinanderentwickelt haben, ohne dass eine solche Entwicklung bei dem Abschluss des Vertrages absehbar war (vgl. m. w. N. etwa BGHZ 126, 226, 242 sowie BGH, Urt. v. 27.09.2011 – II ZR 279/09 – Tz. 13; s. ferner z. B. BGH, WM 1993, 1412 – Tz. 14; vgl. auch OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG München
, NZG 2004, 1055 – Tz. 68; Strohn, in: Münchener Kommentar zum GmbHG, 1. Aufl., § 34 Rn. 241).

Liegt eine solche Unzumutbarkeit vor, kann die Abfindungsregelung nach der Rechtsprechung im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung an die neuen Verhältnisse angepasst werden (s. nur etwa BGH, Urt. v. 27.09.2011 – II ZR 279/09 – Tz. 13 m. w. N.; Strohn, in: Münchener Kommentar zum GmbHG, 1. Aufl., § 34 Rn. 241).

(c) Grundlegende Voraussetzung für eine mögliche Anpassung im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung ist das Vorliegen eines gravierendes Missverhältnisses zwischen vertraglichem Abfindungsbetrag und tatsächlichem Anteilswert, wobei letzterer regelmäßig nach Ertragswertgesichtspunkten zu ermitteln ist (vgl. BGH, NJW 1985, 192 – Tz. 10).

Die Rechtsprechung geht zwar davon aus, dass bei der Prüfung, ob eine gesellschaftsvertragliche Regelung nach den genannten Grundsätzen unanwendbar ist, nicht allein das Ausmaß des zwischen vertraglichem Abfindungsbetrag und tatsächlichem Anteilswert im Laufe der Zeit entstandenen Missverhältnisses maßgebend ist; es müssen vielmehr die gesamten Umstände des konkreten Falles in die Betrachtung einbezogen werden (s. etwa BGH, WM 1993, 1412 – Tz. 14; BGHZ 123, 281, 286; BGH, Urt. v. 27.09.2011 – II ZR 279/09 – Tz. 15 m. w. N.; ebenso etwa Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, 7. Aufl., § 34 Rn. 56; Strohn, in: Münchener Kommentar zum GmbHG, 1. Aufl., § 34 Rn. 242).

Es gibt nach der Rechtsprechung auch keine quotenmäßigen Grenzen, bei deren Überschreitung der vertragliche Abfindungsanspruch im Hinblick auf den wirklichen Wert des Anteils als nicht mehr hinnehmbar gering (oder überhöht) einzustufen wäre (s. etwa BGH, WM 1993, 1412 – Tz. 14; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, 7. Aufl., § 34 Rn. 54; Hülsmann, GmbHR 2001, 409, 412), und die Rechtsprechung hat auch nicht eine Mindest- oder Maximalhöhe des Abfindungsanspruchs im Verhältnis zum wirklichen Wert anerkannt, bei deren Unter- bzw. Überschreitung ein erhebliches Missverhältnis indiziert ist (vgl. Strohn, in: Münchener Kommentar zum GmbHG, 1. Aufl., § 34 Rn. 242; Staub/Schäfer, HGB, 5. Aufl., § 131 Rn. 176).

Entspricht jedoch der tatsächliche Anteilswert dem vertraglichen Abfindungsbetrag oder lässt sich jedenfalls nicht feststellen, dass er wesentlich vom vertraglichen Abfindungsbetrag in die von demjenigen, der eine Anpassung verlangt, geltend gemachte Richtung abweicht, so kommt eine Vertragsanpassung von vornherein nicht in Betracht.

(d) So liegt der Fall hier.

Der Senat hat auf der Grundlage der im Berufungsverfahren durchgeführten Beweisaufnahme in Form der Einholung eines schriftlichen Gutachten des Sachverständigen Dr. T. (Gutachten vom 24.05.2016, GA 761) sowie dessen ergänzender Anhörung in der mündlichen Verhandlung vom 25.01.2017 (Protokoll GA 838 ff.) nicht die Überzeugung gewinnen können, dass, wie von den Klägerinnen behauptet, der tatsächliche Anteilswert wesentlich unter dem nach dem Stuttgarter Verfahren ermittelten Anteilswert liegt. Im Gegenteil geht der Senat in Übereinstimmung mit dem Gutachter davon aus, dass der tatsächliche Anteilswert, den der Gutachter je nach Grad der Berücksichtigung von Risikofaktoren mit zwischen rund 1,0 und rund 1,8 Millionen Euro beziffert hat, den auf der Grundlage des Stuttgarter Verfahrens ermittelten Abfindungsbetrag zumindest größenordnungsmäßig erreicht, wahrscheinlich sogar noch übersteigt. Das Gutachten des Sachverständigen Dr. T. ist nach Auffassung des Senates methodisch und inhaltlich überzeugend; die dagegen vorgebrachten Einwände der Klägerinnen verfangen nicht.

(i) Der Gutachter geht bei der Unternehmensbewertung methodisch zutreffend in erster Linie vom sogenannten Ertragswertverfahren aus (vgl. S. 3 des Gutachtens). Dabei wird der Wert des Unternehmens aus dem Zahlungsstrom abgeleitet, den ein Eigenkapitalinvestor im Zeitpunkt des Bewertungsstichtags erwarten konnte; die zukünftig zu erwartenden liquiden Überschüsse werden mit den Eigenkapitalkosten abgezinst und hieraus ein Barwert abgeleitet. Hiergegen werden von Klägerseite auch keine grundsätzlichen Einwände vorgebracht.

(ii) Bei der Frage, welche zukünftigen Erträge am Bewertungsstichtag realistischer Weise zu erwarten waren, hat der Gutachter maßgebend auf eine ihm von Klägerseite vorgelegte Budgetplanung für das Jahr 2007 abgestellt (vgl. S. 9 ff. des Gutachtens). Diese, wie der Gutachter unwidersprochen angenommen hat, in der zweiten Jahreshälfte des Jahres 2006 erstellte Prognose hat der Gutachter bei seiner Ertragswertberechnung für die Folgejahre fortgeschrieben, wobei er – von den Klägerinnen insoweit unbeanstandet – angenommen hat, dass Umsätze und Ergebnisse jährlich mit einer konstanten Rate von 1% wachsen.

Soweit die Klägerinnen die Aussagekraft der Prognose für das Jahr 2007 in Abrede stellen und geltend machen, tatsächlich seien die Ertragserwartungen realistischer Weise zum damaligen Zeitpunkt wesentlich schlechter gewesen, dringen sie damit nicht durch.

Es ist nicht dargetan oder sonst ersichtlich, dass und weshalb die damals erstellte Budgetplanung nicht, wie man normalerweise bei einer zeitnah vor dem Ausscheidenszeitpunkt erstellten Budgetplanung annehmen muss, ein realistisches Abbild des aus damaliger Sicht zu erwartenden Geschäftsverlaufs darstellt. Wie der Gutachter zu Recht festgestellt hat, lagen die für Umsatz und Ertrag budgetierten Zahlen bereits deutlich unter den in den Vorjahren relativ konstant erzielten Ergebnissen. So war für den Umsatz („Total Sales“) gegenüber dem Jahr 2005 ein Minus von rund 22%, gegenüber dem vorläufigen Jahresabschluss für 2006 – der endgültige Jahresabschluss für 2006 wurde dem Gutachter nicht vorgelegt – ein Minus von rund 17% eingeplant; was den Ertrag („Net profit“) angeht, wurde gegenüber 2005 mit einem Minus von rund 56%, gegenüber den vorläufigen Zahlen für 2006 mit einem Minus von 38% geplant.

Da im mutmaßlichen Zeitpunkt der Erstellung des Budgets durch die Klägerin Ziff. 1 das Ausscheiden des Beklagten bereits bekannt war – sein Kündigungsschreiben erfolgte im Mai 2006, bereits Anfang Juni 2006 wurde mit Herrn T. ein weiterer Geschäftsführer bestellt, der die Geschäfte der Klägerin Ziff. 1 übernahm – muss davon ausgegangen werden, dass dieser Umstand in der Budgetplanung Berücksichtigung gefunden hat, zumal eine andere Erklärung für die gegenüber den Vorjahren sehr deutlich reduzierten Umsatz- und Ertragserwartungen von Klägerseite nicht dargetan und auch sonst nicht ersichtlich ist.

Es ist auch nicht dargetan, dass die vom Gutachter zugrundegelegte Planung zu einem späteren Zeitpunkt hätte nach unten korrigiert werden müssen oder dass der tatsächliche Geschäftsverlauf negativ von der Planung abgewichen wäre. Zwar ist richtig, dass dem späteren tatsächlichen Geschäftsverlauf für eine stichtagsbezogene Ertragswertberechnung keine unmittelbare Bedeutung zukommt, weil der tatsächliche Geschäftsverlauf vom Auftreten unerwarteter Faktoren beeinflusst sein kann und nicht notwendiger Weise die realistischen Ertragserwartungen zum Bewertungsstichtag widerspiegelt. Trotzdem kommt dem späteren Geschäftsverlauf, der nach dem unwidersprochenen Vortrag des Beklagten in den Folgejahren letztlich sogar positiver war als in der vom Gutachter zugrundegelegten Planung prognostiziert, eine gewisse indizielle Bedeutung für die Validität und Aussagekraft der zeitnah zum Bewertungsstichtag (von der Klägerin Ziff. 1 selbst) erstellten Prognose zu.

(iii) Die Klägerinnen dringen auch nicht mit ihrem Argument durch, der Gutachter hätte überhaupt oder zumindest weitergehend als er das in seinem Gutachten getan hat wertmindernd die besonderen Umstände des Einzelfalls berücksichtigen müssen. Zu diesen Umständen zählen die Klägerinnen namentlich, dass der Beklagte als „alleiniger geschäftsführender Gesellschafter“ und „einzig prägende Unternehmerpersönlichkeit“ mit „alleinigem Zugang“ zu den beiden Hauptkunden das Unternehmen zum Stichtag mitsamt einer Reihe von Mitarbeitern verlassen habe und im unmittelbaren Anschluss Geschäftsführer der deutschen Landesgesellschaft eines Wettbewerbers geworden sei, ohne dass ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot bestanden habe. Des Weiteren habe die Klägerin über zwei Großkunden mit einem Umsatzanteil von 50% bzw. 30% verfügt, wobei der Fortbestand der Kundenbeziehungen aufgrund des Ausscheidens des Beklagten in hohem Maße in Frage gestanden habe.

Der Gutachter hat bei seiner Ertragswertberechnung über den generellen Risikozuschlag für eine unternehmerische Beteiligung hinaus, der zu einer Absenkung des Anteilswertes führt, noch weitere Abschläge erwogen und in seinen alternativen Berechnungen zugrundegelegt, die typischerweise bei der Bewertung kleiner, nicht börsennotierter Unternehmen vorgenommen werden (S. 18 ff. des Gutachtens). Er hat dabei methodisch insbesondere ein sogenanntes „Abschmelzmodell“ gewählt, bei dem die erwarteten Erträge sukzessive abgesenkt werden, weil man annimmt, dass die aktuell erzielten Gewinne zumindest teilweise aus „Übergewinnen“ bestehen, die auf den besonderen Fähigkeiten des abgebenden Unternehmers beruhen und von denen man erwartet, dass sie in der Zukunft nur teilweise realisiert werden können (S. 18 f. des Gutachtens). Je nach Grad der Abschmelzung gelangt der Gutachter zu einem Anteilswert des klägerischen Anteils von zwischen 812.000,00 € und 1.316.000,00 €, wobei er zugleich klarstellt, dass ein Anteilswert von unter einer Million Euro nur bei Annahme einer „extremen Abschmelzung“ erreicht werde und nicht sachgerecht sei (S. 19 f. des Gutachtens).

Der Senat folgt dem und hält die hiergegen vorgebrachten Einwände nicht für stichhaltig. Soweit die Klägerinnen darauf abstellen, dass es sich bei dem Beklagten um die „einzig prägende Unternehmerpersönlichkeit“ gehandelt habe, mit „alleinigem Zugang“ zu den Kunden, mit der Folge, dass das Unternehmen mit seinem Ausscheiden sogar praktisch wertlos gewesen sei, weil der Wert lediglich in den Kundenbeziehungen gelegen habe und diese ganz wesentlich mit der Person des Beklagten verknüpft gewesen seien, berücksichtigt dies, wie auch der Gutachter bei seiner mündlichen Anhörung herausgestellt hat, nicht hinreichend den Umstand, dass es sich bei der Klägerin Ziff. 1 mitnichten um ein typisches, von einer einzelnen Unternehmerpersönlichkeit aufgebautes Kleinunternehmen handelt, sondern um ein als Teil des X-Konzerns agierendes Vertriebsunternehmen, das insbesondere über den Zugang zu den vom X-Konzern in Marktführerschaft hergestellten Verpackungsmaschinen verfügt. Es ist davon auszugehen, dass die Kundenbeziehungen in einem solchen Fall eben nicht nur allein von der Person des Beklagten abhängen (und von ihm zwangsläufig zur Konkurrenz „mitgenommen“ werden), sondern in erster Linie von der Qualität des vertriebenen Produkts. Hinzu kommt, dass der X Konzern bereits Mitte 2006 auf das anstehende Ausscheiden des Beklagten reagiert und mit Herrn T. einen weiteren Geschäftsführer bestellt hatte, der die Geschäfte – in der Folge auch offensichtlich mit Erfolg – fortgeführt hat.

Das „Klumpenrisiko“, das sich daraus ergibt, dass mehrere Großkunden mit einem hohen Umsatzanteil vorhanden waren, hat der Gutachter berücksichtigt, indem er wie beschrieben wertmindernde Risikozuschläge gemacht hat bzw. von einer Abschmelzung der Erträge ausgegangen ist, die für ein allein agierendes Kleinunternehmen typisch sind, obwohl es sich bei der Klägerin wie beschrieben eigentlich nicht um ein solches „typisches“ Kleinunternehmen, sondern um ein in den X-Konzern eingebettetes Vertriebsunternehmen handelt.

Für weitergehende Abschläge besteht auch deshalb kein Anlass, weil wie oben beschrieben davon auszugehen ist, dass die für die künftige Ertragserwartung zugrundegelegte Budgetplanung die im Zeitpunkt ihrer Erstellung bereits bekannten „Besonderheiten des Einzelfalls“ schon in ausreichendem Maße berücksichtigt hat. Wie oben näher ausgeführt, geht diese Budgetplanung schon von gegenüber den Vorjahren erheblich reduzierten Erwartungen hinsichtlich Umsatz und Ertrag aus. Mit anderen Worten: Das Risiko einer Ertragsminderung ist bereits durch das Zugrundelegen der gegenüber den Vorjahren substantiell reduzierten Planung mindestens zu einem substantiellen Teil abgebildet; diese reduzierten Ertragserwartungen noch weiter zu reduzieren und zusätzlich mit einem Risikozuschlag bei der Kapitalisierung zu kumulieren, wäre, wie der Gutachter insbesondere in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 03.01.2017 (dort S. 6 unten) in überzeugender Weise dargelegt hat, nicht sachgerecht.

Soweit die Klägerseite methodische Einwände gegen das vom Gutachter angewandte „Abschmelzmodell“ vorbringt, greifen diese ebenfalls nicht durch. Ob nach diesem Modell überhaupt übertragbare Ertragskraft besteht, hängt davon ab, von welchen Ertragserwartungen man ausgeht; auf der Grundlage der vom Gutachter angenommenen Ertragserwartungen ergeben sich – wie auch die Klägerinnen nicht in Abrede stellen – die von ihm errechneten Werte. Die Annahme einer Verlustsituation würde methodisch zu Kapitalwerten führen, die unter dem investierten Kapital liegen (s. die Stellungnahme des Gutachters vom 03.01.2017, S. 6), ist aber vor dem Hintergrund der vom Gutachter wie oben erörtert zu Recht zugrundegelegten Budgetplanung eben kein im Bewertungszeitpunkt zu erwartendes Szenario gewesen.

(iii) Soweit die Klägerinnen beanstanden, der Gutachter hätte berücksichtigen müssen, dass die Budgetplanung für 2007 Zinsaufwendungen in Höhe von 47.000 € enthalte, was auf einen unterjährigen Finanzierungsaufwand hindeute, weist der Gutachter darauf hin, dass diese Zinsen in den Vorjahren entweder gar nicht angefallen sind oder lediglich Zinsen und Nebenleistungen für Steuern betrafen. Insofern habe er die budgetierten Zinsaufwendungen nicht – z. B. in Form eines weiteren Risikozuschlags im Hinblick auf bestehende Finanzverbindlichkeiten – berücksichtigt. Dies erscheint sachgerecht. Im Übrigen würde sich selbst bei einer entsprechenden Berücksichtung eines möglichen Fremdmittelbedarfs durch eine Erhöhung des Betafaktors allein dadurch der vom Gutachter errechnete Anteilswert keinesfalls so signifikant verringern, dass von einem gravierenden Missverhältnis zum errechneten Abfindungsbetrag ausgegangen werden müsste.

cc) Weitere Einwände der Klägerin Ziff. 1 gegen den Abfindungsanspruch

Die weiteren Einwände der Berufung gegen die Abfindungsansprüche sind unbehelflich.

(1) Kein Zurückbehaltungsrecht der Klägerin Ziff. 1

Das von der Klägerin Ziff. 1 gegen die Abfindungsansprüche des Beklagten geltend gemachte Zurückbehaltungsrecht besteht – wie das Landgericht (LGU 21) im Ergebnis zutreffend sieht – nicht. Das ergibt sich schon aus § 12 Ziff. 3 Satz 2 des Gesellschaftsvertrags der Klägerin Ziff. 1; AGB-rechtliche Beschränkungen (vgl. etwa Palandt/Grüneberg, BGB, 76. Aufl., § 273 Rn. 16) dürften insoweit schon gemäß § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB nicht entgegenstehen. Jedenfalls aber besteht ein Zurückbehaltungsrecht deswegen nicht, weil den Klägerinnen die mit der Klage geltend gemachten Ansprüche, auf die das Zurückbehaltungsrecht gestützt ist, nicht zustehen (s. oben).

(2) Hilfsaufrechnung der Klägerin Ziff. 1

Die Hilfsaufrechnung der Klägerin Ziff. 1 mit einem Anspruch auf Erlösauskehr in Höhe von 493.000,00 € gegen die von dem Beklagten geltend gemachten Abfindungsansprüche ist ebenfalls erfolglos, weil der Klägerin Ziff. 1 die mit der Klage geltend gemachten Ansprüche, auf deren materieller Grundlage auch die hilfsweise zur Aufrechnung gestellte Forderung beruht, nicht zustehen.

dd) Zinsen auf den Abfindungsanspruch

Der Zinsausspruch in Ziff. II des landgerichtlichen Tenors, der hinter dem erstinstanzlichen Widerklageantrag zu Ziff. VII zurückbleibt, ist mit der Anschlussberufung des Beklagten nicht angegriffen (vgl. BE 3, GA 627), so dass allenfalls eine Abänderung zugunsten der Klägerin Ziff. 1 in Betracht kommt.

(1) Der Zinsausspruch zu Ziff. II des Tenors steht in Widerspruch zu den Entscheidungsgründen (LGU 21). Offensichtlich hat das Landgericht versehentlich den Tag nach dem Zugang des Schreibens vom 30.04.2010 (Anlage B 12) am 03.05.2010 als Einsatzzeitpunkt in den Tenor übernommen, obwohl sich aus § 13 Ziff. 3 des Gesellschaftsvertrags der Klägerin Ziff. 1 sowie aus § 3 Ziff. 2 des als Anlage K 3 bzw. B 10 vorgelegten Vertrags vom 09.02.2007 ergibt, dass die erste Rate erst drei Monate nach Feststellung des Entgelts, die beiden weiteren Raten sechs Monate danach fällig werden. Diese Zeitpunkte sind auf Seite 21 des landgerichtlichen Urteils richtig berechnet. Dementsprechend liegt jedenfalls eine offenbare Unrichtigkeit des landgerichtlichen Urteils vor, die der Senat von Amts wegen (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 31. Aufl., § 319 Rn. 21 f.) – zum Vorteil der Klägerin Ziff. 1 – berichtigen kann. Darüber hinaus geht die Berufungsbegründung zwar nicht ausdrücklich auf den Zinsausspruch im Urteil des Landgerichts ein. Der Zinsausspruch ist von ihr aber vollständig angegriffen allein schon durch den Berufungsantrag auf vollständige Abweisung der Widerklage und damit insbesondere desjenigen auf Zahlung von Abfindung, hinsichtlich dessen eine ordnungsgemäße Berufungsbegründung vorliegt (vgl. BGH, NJW 1994, 1656, 1657; BGH, NJW 1997, 314; Rimmelspacher, in: Münchener Kommentar zur ZPO, 4. Aufl., § 520 Rn. 58; Musielak/Ball, ZPO, 11. Aufl., § 520 Rn. 39; a. A. jedoch offenbar BGH, Urt. v. 12.04.1995 – XII ZR 104/94 – Tz. 12; Zöller/Heßler, ZPO, 31. Aufl., § 520 Rn. 38).

(2) Darüber hinaus kommt eine Abänderung nicht in Betracht.

(a) Die Darlegungen zum Zinsbeginn nach den einschlägigen vertraglichen Regelungen sind jedenfalls nicht zum Nachteil der Klägerin Ziff. 1 fehlerhaft. Ein späterer Zinsbeginn kommt nicht in Betracht.

(b) Wie sich aus den Entscheidungsgründen (LGU 21) ergibt, hat das Landgericht die Zinshöhe nicht mit 2 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz, sondern mit 2 % über dem Basiszinssatz tenoriert. Das ist für die Klägerin Ziff. 1 vorteilhaft. Auf die Höchstgrenze gemäß § 13 Ziff. 3 Satz 1 des Gesellschaftsvertrags der Klägerin Ziff. 1 sowie gemäß § 3 Ziff. 3 des als Anlage K 3 bzw. B 10 vorgelegten Vertrags vom 09.02.2007 hat sich die Klägerin Ziff. 1 weder erstinstanzlich noch in der Berufungsbegründung berufen, weswegen der Ausspruch auch insoweit bestehen bleibt.

ee) Keine vorgerichtlichen Anwaltskosten

Das landgerichtliche Urteil spricht dem Beklagten in Ziff. II des Tenors entsprechend dem erstinstanzlichen Widerklageantrag Ziff. VIII Ersatz außergerichtlicher Kosten für die Verfolgung der Abfindungsansprüche zu. Das ist auf die Berufung der Klägerin Ziff. 1 abzuändern und die Widerklage insoweit abzuweisen.

(1) Eine Abänderung zugunsten der Klägerin Ziff. 1 kann insoweit erfolgen, auch wenn sich die Berufungsbegründung nicht dazu verhält. Der Ausspruch ist von ihr sinngemäß vollständig angegriffen allein schon durch den Berufungsantrag auf vollständige Abweisung der Widerklage. Ein Begründungsmangel liegt insoweit nicht vor, denn bei Entfallen der Hauptforderung, die die Berufungsbegründung ja ordnungsgemäß begründet, entfällt auch der Anspruch auf Ersatz vorgerichtlicher Kosten (s. auch bereits oben zur Problematik des Zinsausspruches).

(2) In der Sache hat der Ausspruch keinen Bestand, die Widerklage ist insoweit unbegründet.

Der Anspruch ist auf Verzug gestützt (GA 341), der nach dem Vorbringen des Beklagten durch die Anmahnung der ersten Abfindungsrate mit Schreiben vom 23.04.2010 (Anlage B 16), durch die Anmahnung der zweiten Abfindungsrate mit Schreiben vom 22.10.2010 (nach GA 318) sowie der dritten Abfindungsrate mit Schreiben vom 01.02.2011 eingetreten sein soll. Alle diese Zeitpunkte liegen jedoch jeweils vor der Fälligkeit der Raten, wie sie im landgerichtlichen Urteil (LGU 21) zutreffend berechnet und dargelegt ist. Eine Mahnung vor Fälligkeit ist jedoch wirkungslos (s. Palandt/Grüneberg, BGB, 76. Aufl., § 286 Rn. 16). Verzug ist folglich allenfalls nach § 286 Abs. 2 Nr. 2 BGB zu den jeweiligen Fälligkeitszeitpunkten eingetreten. Ein vorgerichtliches Tätigwerden hinsichtlich der jeweiligen Raten ist für diesen Zeitraum aber weder dargelegt noch ersichtlich.

ff) Anschlussberufung des Beklagten hinsichtlich des aberkannten Teils der Widerklage

Mit der Anschlussberufung begehrt der Beklagte ferner die Verurteilung der Klägerin Ziff. 1 zu einer weiteren Abfindungszahlung in Höhe von 132.300,00 €. Die Anschlussberufung stützt dieses Begehren auf den erstinstanzlich auf S. 12 bis 15 des Schriftsatzes vom 02.09.2010 (GA 47 bis 50) gehaltenen Sachvortrag, den sie in der Anschlussberufungsbegründung – ohne etwas zu ergänzen – ausdrücklich in Bezug nimmt und in dem die Richtigkeit einzelner bilanzieller Ansätze im Jahresabschluss der Klägerin Ziff. 1 zum 31.12.2006 in Zweifel gezogen wird. Die Anschlussberufung ist insoweit aus den folgenden Gründen erfolglos, ohne dass es darauf ankommt, ob die gegen die Ansätze im Jahresabschluss zum 31.12.2006 erhobenen Einwände in der Sache berechtigt sind oder nicht.

(1) Die Klägerinnen haben unwidersprochen vorgetragen (GA 97 f.), dass sämtliche erwähnten Einwände gegen die Ansätze im Jahresabschluss zum 31.12.2006, die die Widerklage und nun die Anschlussberufung tragen sollen, Gegenstand eines Rechtsstreits gewesen sind, den der frühere Gesellschafter W. vor dem Landgericht Stuttgart unter dem Aktenzeichen 38 O 161/07 KfH geführt hat. Im Hinblick auf diesen seinerzeit anhängigen Rechtsstreit ist das Gutachten P., das unter dem 23.12.2009 erstellt ist, mit einem Vorläufigkeitsvermerk versehen (s. S. 3); diesem vorausgegangen waren die auf S. 3 unter Ziff. 3 des Schreibens des Gutachters Dr. P. vom 12.03.2009 (GA 284) wiedergegebenen Erörterungen der Parteien, wie mit den Unsicherheiten umzugehen sei, die der Umstand zur Folge habe, dass über die bilanziellen Ansätze zum 31.12.2006 eine Anfechtungsklage anhängig sei. Die diesem Rechtsstreit zugrundeliegende Klage ist unstreitig im Februar/März 2010 zurückgenommen worden. Daraufhin teilte der Gutachter den Parteien mit Schreiben vom 30.04.2010 (Anlage B 12) mit, der Grund für den Vorläufigkeitsvermerk sei entfallen, weshalb er die Parteien bitte, das Gutachten als endgültig anzusehen.

(2) Bei dieser Sachlage sind die nun erhobenen und zum Gegenstand des hier in Rede stehenden Teils der Widerklage bzw. der Anschlussberufung gemachten Einwände des Beklagten von vornherein – ohne dass es auf ihre sachliche Berechtigung ankommt – aus materiell-rechtlichen Gründen ausgeschlossen, weil die Parteien im Zusammenhang mit der Beauftragung des Gutachters Dr. P. rechtsgeschäftlich und verbindlich festgelegt haben, dass eine auf die in Rede stehenden Einwände gestützte Korrektur der Grundlage der Anteilswertberechnung im Stuttgarter Verfahren in Form der Abschlüsse zum 31.12.2006 nur insoweit erfolgt, wie diese Einwände im Rahmen der seinerzeit anhängigen Anfechtungsklage Erfolg haben und zu Änderungen der bilanziellen Ansätze führen. Nachdem dies nicht der Fall war, ist der Beklagte dementsprechend mit diesen Einwänden im Hinblick auf den von dem Gutachter Dr. P. ermittelten Abfindungsbetrag von vornherein ausgeschlossen.

(a) Diese Auslegung der im Zusammenhang mit der einvernehmlichen Auftragserteilung an den Gutachter Dr. P. getroffenen rechtsgeschäftlichen Vereinbarungen ergibt sich insbesondere aus den auf S. 3 unter Ziff. 3 des Schreibens des Gutachters Dr. P. vom 12.03.2009 (GA 284) wiedergegebenen Erörterungen der Parteien, wie mit den Unsicherheiten umzugehen sei, die der Umstand zur Folge habe, dass über die bilanziellen Ansätze zum 31.12.2006 eine Anfechtungsklage anhängig sei. Wie S. 3 des Gutachtens P. zeigt, hat man sich seinerzeit für die in dem Schreiben vom 12.03.2009 so genannte „Variante 2“ entschieden. Der Beklagte hat sich damit – worauf die Klägerinnen im Übrigen auch ausdrücklich hingewiesen haben (GA 290) – vorbehalten, dass das Ergebnis des Gutachtens nach Maßgabe des Inhalts der abschließenden Entscheidung über die Anfechtungsklage geändert werde, wie es ausdrücklich in dem genannten Schreiben des Gutachters Dr. P. festgehalten ist. Entsprechendes ergibt sich zweifelsfrei auch aus S. 3 des Gutachtens P. sowie aus dem Schreiben vom 30.04.2010 (Anlage B 12). Es kann kein Zweifel daran bestehen, dass sich die Parteien seinerzeit demnach darauf verständigten, das Ergebnis des Gutachtens P. im Hinblick auf die in Rede stehenden Einwände insofern, aber auch nur insofern unter Vorbehalt zu stellen, wie diese Einwände im laufenden gerichtlichen Verfahren für berechtigt erachtet werden würden. Nachdem dies nicht der Fall war, ist der Beklagte – der im Übrigen selbst davon ausgeht, mit der Beauftragung des Gutachters Dr. P. seien die Bilanzansätze zwischen den Parteien „verbindlich“ geworden (GA 255) und es sei mit der Rücknahme der Anfechtungsklage der sich darauf beziehende Vorbehalt „in Wegfall gebracht“ worden (GA 258) – aufgrund der getroffenen rechtsgeschäftlichen Vereinbarungen mit diesen Einwänden ausgeschlossen, ohne dass es auf deren sachliche Berechtigung ankommt.

(b) Für diese Sicht des Senats spricht insbesondere, dass es fern gelegen hätte, eine Feststellung des Anteilswerts im Stuttgarter Verfahren in Auftrag zu geben, ohne offene Einwände hinsichtlich der maßgebenden bilanziellen Ansätze entweder durch den Gutachter selbst klären zu lassen noch diese sonst einer Klärung zuzuführen. Ersteres ist, wie schon der auf S. 3 des Gutachtens P. erläuterte Vorbehalt zeigt, nicht geschehen. Die demnach erforderliche anderweitige Klärung war hingegen seinerzeit unschwer möglich. Es drängte sich geradezu auf, diese dem ohnehin anhängigen gerichtlichen Verfahren zu überantworten. Dass die Parteien tatsächlich so verfuhren, ergibt sich – wie gesagt – zweifelsfrei aus den erwähnten Unterlagen.

(c) Dass er selbst an dem Rechtsstreit nicht als Partei beteiligt war, kann der Beklagte gegen diese Auslegung des seinerzeitigen Erklärungsverhaltens nicht einwenden. Grundsätzlich hätte es für ihn zwar nicht nahe gelegen, die Klärung von Unsicherheiten über die Höhe seines Abfindungsanspruchs von einer Klärung in einem gerichtlichen Verfahren abhängig zu machen, auf das er keinen Einfluss hatte. Dass er keinen Einfluss auf die Klagerücknahme hatte, hat der Beklagte aber zu keiner Zeit vorgetragen. Es ist dafür auch nichts ersichtlich. Im Gegenteil hat der Beklagte selbst vorgebracht, die Klage sei „mit diesseitigem Schriftsatz“ zurückgenommen und dadurch der Vorbehalt in dem Gutachten P. in Wegfall gebracht worden. Der – allerdings nur „untechnisch“ zu verstehenden – Formulierung der Klägerinnen, er selbst habe die Anfechtungsklage zurückgenommen (GA 290), ist der Beklagte im Übrigen nicht entgegengetreten.

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Schlagworte: Abfindung des ausgeschiedenen Gesellschafters, actio pro socio, Aktivlegitimation des Gesellschafters, Ertragswertmethode, Ertragswertverfahren, Grenzen der Abfindungsbeschränkung, Grenzen des Stuttgarter Verfahrens, nachträglich unangemessene Abfindungsklausel, Nachvertragliches Wettbewerbsverbot, prozess, Rechtsfolgen bei Wettbewerbsverstoss, Schadensersatz bei Wettbewerbsverstoss, Stuttgarter Verfahren, Verstoß gegen Wettbewerbsverbot, Vertragliches Wettbewerbsverbot, Wettbewerbsverbot der Geschäftsführer, Wettbewerbsverbot der Gesellschafter, Zulässigkeit der Gesellschafterklage

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LG Hechingen, Urteil vom 10.03.2017 – 1 O 165/16

Freitag, 10. März 2017

BGB § 123 Abs. 2

Der Hersteller eines Kraftfahrzeugs ist im Verhältnis zu einem mit ihm vertraglich verbundenen Vertragshändler Dritter im Sinne des § 123 Abs. 2 BGB.

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

4. Der Streitwert wird auf 22.355,90 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Klägerin verlangt Rückzahlung sowie Schadensersatz aus einem am 23.04.2009 geschlossenen Kaufvertrag über einen Pkw.

Die Beklagte betreibt ein Autohaus und ist Vertragshändlerin der V. AG. Am 23.04.2009 schlossen die Parteien einen Kaufvertrag über einen Neuwagen der V. AG, Modell […]. Der Pkw wurde der Klägerin am 14.08.2009 übergeben. Ab September 2011 traten Probleme am streitgegenständlichen Pkw auf. So leuchtete wiederholt die Kontrollleuchte „Motorblock“ auf, weswegen Werkstattaufenthalte notwendig wurden. Die Klägerin hat daraufhin erfolglos versucht, bei der Herstellerin, der V. AG, Erstattung der Reparaturkosten zu erlangen. Mitte September 2015 war der medialen Berichterstattung zu entnehmen, dass der Hersteller V. AG Dieselmotoren in den Verkehr gebracht hat, die mit einer „manipulativen“ Software versehen sind. Diese ist so konzipiert, dass sie, wenn die Schadstoffemissionen auf dem Prüfstand gemessen werden, diese Situation erkennt und die vorgeschriebenen Emissionsgrenzwerte nur während des Prüfstandlaufs durch entsprechende zeitlich begrenzte Eingriffe in die Motorsteuerung einhält. Unter realen Fahrbedingungen im Straßenverkehr wird das Fahrzeug dagegen anderweitig betrieben, wobei die im Prüfstand erzielten Stickoxidwerte überschritten werden. Gleichwohl verfügen die betroffenen Fahrzeuge, ungeachtet der verbauten Software, über eine Euro-5-Zertifizierung. Nach entsprechender Anfrage beim Hersteller brachte die Klägerin in Erfahrung, dass im streitgegenständliche Pkw ein solcher Dieselmotor des Typs EA189 EU5 verbaut ist. Daraufhin hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 19.07.2016 ihre, auf den Abschluss des Kaufvertrags gerichtete, Willenserklärung gegenüber der Beklagten angefochten.

Die Klägerin behauptet, die Herstellerin des Fahrzeugs, die V. AG, habe selbst, durch die Mitteilung auf ihrer Homepage – der im streitgegenständlichen Fahrzeug eingebaute Dieselmotor vom Typ EA189 sei von einer Software betroffen, die Stickoxidwerte im Prüfstandlauf optimiert – eingeräumt, dass die Klägerin vor Abschluss des Kaufvertrags über die Tatsache getäuscht wurde, dass der von ihr bei der Beklagten bestellte Neuwagen planmäßig mit einer manipulativen Motorsteuersoftware ausgestattet wurde. Die Klägerin meint, ihr stünde deswegen ein Anfechtungsrecht aus § 123 BGB zu, da bewusst unrichtige Angaben zu Schadstoffemissionen des streitgegenständlichen Pkw gemacht wurden. Zwar habe nicht die Beklagte selbst die Täuschung verübt, sie müsse sich jedoch als Vertragshändlerin der V. AG insoweit deren Verhalten zurechnen lassen. Die V. AG sei im Verhältnis zur Beklagten mithin gerade nicht „Dritter“ iSd. § 123 Abs. 2 S. 1 BGB. Hierfür sprächen nach Auffassung der Klägerin bereits Billigkeitsgesichtspunkte sowie Treu und Glauben, da die Beklagte als Vertragshändlerin mit den Produkten der V. AG handle, deren Produkte bewerbe und sich werblich zu dieser bekenne, da sie deren Logo konsequent für ihre Außenpräsentation verwende und sich damit das Ansehen, welches die V. AG besitzt, in merkantiler Zielsetzung zu eigen mache. Auch habe die Beklagte aufgrund des Vertragshändlerverhältnisses mit der V. AG deren Vorgaben bezüglich der Verwendung von Werbematerial minutiös einzuhalten, womit die Beziehung zwischen der Beklagten und der V. AG nicht nur eng sei, sondern auch nach außen so erscheine. Die Klägerin behauptet, die Verbindung zwischen der Beklagten und der V. AG sei so eng, dass die V. AG Neuwagenkäufern als Gewährleistungs- bzw. Vertrauensperson der Beklagten erscheine. Dies führe dazu, so meint die Klägerin, dass die V. AG „im Lager der Beklagten“ stünde, ihr Verhalten mithin der Beklagten zuzurechnen wäre. Weiterhin behauptet die Klägerin, dass sie durch die vom Hersteller verübte Täuschung auch erst zum Abschluss des Kaufvertrags mit der Beklagten als deren Vertragshändlerin bestimmt worden sei. Schließlich habe sich die Klägerin gerade deswegen zum Kauf des streitgegenständlichen Fahrzeugs entschieden, da sie ein den Immissionsvorschriften entsprechendes Fahrzeug erwerben wollte, das selbstverständlich die gesetzlichen Vorgaben der Euro-5-Norm, auch im normalen Fahrbetrieb, einhält. Darüber hinaus meint die Klägerin, dass das streitgegenständliche Fahrzeug aufgrund der verbauten Software auch mangelhaft sei. Diese stelle eine verbotene Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 3 Nr. 10 VO (EG) Nr. 715/2007 (Verordnung (EG) Nr. 715/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2007 über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen (Euro 5 und Euro 6) und über den Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformationen für Fahrzeuge) dar. Damit sei die Betriebserlaubnis für den streitgegenständlichen Pkw kraft Gesetzes, § 19 Abs. 2 S. 2 Nr. 3 StVZO, erloschen. Dies würde auch nicht durch den Umstand geändert, dass die zuständigen Behörden daran momentan keine Folgen knüpfen würden. Ferner müsse sich die Klägerin auch nicht auf die in Aussicht gestellten Nachbesserungsmaßnamen des Herstellers einlassen. Es sei nicht bewiesen, dass ein reines Software-Update genüge, um die gesetzlichen Vorgaben im normalen Fahrbetrieb einzuhalten, ohne zugleich andere Nachteile wie Leistungsminderung, Verbrauchs- bzw. Wartungsintensivierungen auszulösen.

Die Klägerin beantragt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 22.355,90 € zu bezahlen Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Pkw […], des Weiteren an die Beklagte zu bezahlen vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten von 1.242,84 €.

2. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Annahme des im Klageantrag Ziffer 1 bezeichneten Pkw in Verzug befindet.

Die Beklagte beantragt:

Klageabweisung.

Die Beklagte meint, der Klägerin stehe bereits kein Anfechtungsrecht zu. Weder die Beklagte noch die V. AG als Herstellerin hätten die Klägerin arglistig über vertragsrelevante Eigenschaften des Fahrzeugs getäuscht. Die Beklagte habe schon gar keine bewusst unrichtigen Angaben zu dem nach der Euro 5-Abgasnorm zulässigen Stickoxidausstoß gemacht und selbst erst im Zuge der medialen Berichterstattung im September 2015 von der Thematik erfahren. Es hätten insbesondere vor dem Bekanntwerden der Vorwürfe keinerlei Anhaltspunkte für die Beklagte vorgelegen, die auf einen Einbau der streitgegenständlichen Software hingewiesen hätten. Genauso wenig habe die Herstellerin, die V. AG, die Klägerin getäuscht. Nach den Produktbeschreibungen verfügen die betroffenen Fahrzeuge über eine Euro-5-Zertifizierung. Diese bestehe nach der Entscheidung des Kraftfahrtbundesamtes auch fort. Weiterhin meint die Beklagte, dass, selbst wenn man eine Täuschung durch die Herstellerin unterstellen wollte, eine Zurechnung an die Beklagte ausscheide. Es handele sich bei der Beklagten um eine eigenständige, von der Herstellerin unabhängige, juristische Person. Dies folge bereits daraus, dass sich die Geschäftszwecke der Beklagten und der Herstellerin grundlegend unterschieden. Primärer Geschäftszweck der Beklagten sei der (End-)Kundenhandel mit Neufahrzeugen sowie das Angebot von Service- und Wartungsdienstleistungen, bzw. der Handel mit Gebrauchtwagen. Dagegen bestehe der primäre Geschäftszweck der V. AG in der Fahrzeugproduktion und der Belieferung ihrer Handelspartner. Der Verkauf an Endkunden sei demgegenüber nachrangig und konzentriere sich auf spezifische vertraglich geregelte Kundengruppen. Deswegen sei die Herstellerin im Verhältnis zum Händler „Dritter“ im Sinne des § 123 Abs. 2 S. 1 BGB, da sie, die Herstellerin, weder am Vertragsschluss beteiligt gewesen sei, noch gleichlaufende Gewinninteressen in Bezug auf das Verkaufsgeschäft mit dem Endkunden verfolge. Darüber hinaus meint die Beklagte, dass die Klägerin den Kaufvertrag auch deshalb nicht wirksam anfechten könne, weil die angebliche Täuschung schon gar nicht kausal für den Abschluss des Kaufvertrags gewesen sei. Es fehle bereits am Vortrag der Klägerin, ihre Kaufentscheidung habe gerade auf einem bestimmten Ausstoß an Stickoxiden im Prüfbetrieb beruht. Weiterhin meint die Beklagte, das Fahrzeug sei nicht mangelhaft. Obwohl das Fahrzeug mit einem Dieselmotor des Typs EA189 EU5 ausgestattet sei, bliebe es hinter keinem Sicherheitsstandard zurück, so dass mit seinem Betrieb keinerlei Gefahren für die Klägerin und/oder Dritte verbunden seien. Auch sei das Fahrzeug uneingeschränkt gebrauchstauglich, da es im Straßenverkehr wie jedes andere Kraftfahrzeug der Abgasnorm Euro 5 einsetzbar sei. Insbesondere ändere die verbaute Software nichts an dem Bestand und der Wirksamkeit der Genehmigung. Die für das Kraftfahrzeug erteilte EG-Typgenehmigung sei unverändert wirksam und vom Kraftfahrzeugbundesamt nicht aufgehoben. Das Fahrzeug würde folglich nach wie vor als ein solches der Abgasnorm EU-5 klassifiziert. Ferner behauptet die Beklagte, dass durch den Umstand, dass die Software lediglich den Stickoxidausstoß im Prüfstand beeinflusse, deutlich werde, dass dir Software darüber hinaus nicht für Beeinträchtigungen ursächlich sein könne, die im normalen Fahrbetrieb bei der Klägerin aufgetreten sein sollen. Insbesondere bestünde kein ursächlicher Zusammenhang mit dem Aufblinken der Kontrollleuchte „Motorblock“. Schließlich behauptet die Beklagte, dass lediglich ein Software-Update, dessen Umsetzung Kosten von deutlich weniger als 100,00 € und weniger als eine Stunde Werkstattaufenthalt in Anspruch nehme, zur Herstellung der Vorschriftsmäßigkeit des klägerischen Fahrzeugs genüge. Dieses Software-Update würde dazu führen, dass die sogenannte Abgasrückführung nur noch in einem einheitlichen Betriebsmodus arbeite und eine Optimierung des Verbrennungsprozesses durch eine Anpassung der Einspritzcharakteristik erfolge. Es würden sämtliche Fahrzeuge mit dem Dieselmotor Typ EA189 EU5, also auch das streitgegenständliche Fahrzeug, auf Kosten der V. AG technisch überarbeitet, wobei aus dieser Überarbeitung nicht geschlossen werden könne, dass Fahrzeuge mit dem Dieselmotor EA189 EU5 ohne das Update mangelhaft seien. Vielmehr beruhe die Bereitschaft der V. AG zur technischen Überarbeitung auf der unternehmenspolitischen Verantwortung. Daher sei auch die Ansicht der Klägerin, dass die V. AG oder die Beklagte einen Mangel eingeräumt habe, bereits nicht zutreffend. Die Beklagte behauptet, dass eine technische Überarbeitung des streitgegenständlichen Fahrzeugs ohne weiteres technisch möglich ist. Insbesondere habe das Kraftfahrtbundesamt mit der Freigabebestätigung vom 20.06.2016 die technischen Maßnahmen für Fahrzeuge u.a. des Typs […] freigegeben und darauf verwiesen, dass die von der V. AG vorgestellten Änderungen der Applikationsdaten geeignet seien, die Vorschriftsmäßigkeit der genannten Fahrzeuge herzustellen. Demnach könne die Klägerin das Update der Motorsoftware bedenkenlos vornehmen lassen.

Hinsichtlich des weiteren Vortrags der Parteien wird auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 09.02.2017 (Bl. 70 f. d.A.) verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Der Klägerin steht gegen die Beklagte weder ein Anspruch aus § 812 Abs. 1 S. 1 BGB zu (dazu 1.), noch ergeben sich vertragliche (dazu 2.) oder deliktische Schadensersatzansprüche (dazu 3.) aus § 280 BGB bzw. §§ 823 Abs. 2 i.V.m. 263 StGB, 826 BGB.

1. Der Klägerin steht kein Anspruch gegen die Beklagte unter dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung aus § 812 Abs. 1 S. 1 BGB zu. Der zwischen den Parteien geschlossene Kaufvertrag ist nicht gemäß § 142 BGB wegen Anfechtung nach § 123 BGB nichtig, die erklärte Anfechtung geht mangels Anfechtungsrecht ins Leere.

a) Die Beklagte hat die Klägerin nicht arglistig getäuscht. Eine Täuschung durch die Beklagte selbst, ist schon nicht vorgetragen, womit die Voraussetzungen des § 123 Abs. 1 BGB bereits nicht dargetan sind.

b) Eine Zurechnung des Fehlverhaltens durch die Herstellerin gem. § 123 Abs. 2 BGB kommt ebenfalls nicht in Betracht. Die Beklagte hatte keine Kenntnis von der Täuschung gehabt oder haben müssen (dazu aa), die Herstellerin war im Verhältnis zur Beklagten aber „Dritte“ im Sinne des § 123 Abs. 2 BGB ist (dazu bb).

aa) Es sind schon keine Anhaltspunkte dafür vorgetragen oder ersichtlich, dass der Beklagten zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses im Jahre 2009 bekannt war oder sie es zumindest für möglich hielt, dass die Herstellerin des Fahrzeugs, die V. AG, eine manipulative Software in den Verkehr gebracht hat.

bb) Ebenso wenig ist die V. AG im Verhältnis zur Beklagten sogenannte „Nicht-Dritte“. Eine Zurechnung eines etwaigen arglistigen Verhaltens der Herstellerin, der V. AG, auf die Beklagte kommt deshalb nicht in Betracht (so auch OLG CelleBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG Celle
, Beschluss vom 30.06.2016, 7 W 26/16, Rn. 8).

(1) Offen bleiben kann an dieser Stelle, ob überhaupt die Voraussetzungen einer etwaigen Haftung der Herstellerin, der V. AG, nach § 31 BGB vorliegen. Die Klägerin hat bereits nicht dargetan, wer konzernintern für die Entwicklung und den Einsatz der fraglichen Software verantwortlich war und wer hiervon Kenntnis hatte.

(2) Die Ausführung der Klägerin, die V. AG sei im Verhältnis zur Beklagten gerade nicht als „Dritte“ im Sinne des § 123 Abs. 2 S. 1 BGB anzusehen, da sie sich im Lager der Beklagten befände, ist unzutreffend.

Grundsätzlich ist „Dritter“ im Sinne von § 123 Abs. 2 BGB nur der am Geschäft Unbeteiligte, folglich derjenige, der unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt dem Kreis des Erklärungsempfängers zuzurechnen ist (vgl. Palandt/Ellenberger, § 123, Rn. 13). Dagegen ist im Zweifel derjenige, der im Lager des Erklärungsempfängers steht, nicht als Dritter anzusehen (vgl. MüKo BGB/Armbrüster, § 123, Rn. 64).

Vorliegend kann jedoch bereits schon nicht davon ausgegangen werden, dass sich die Herstellerin, die V. AG, im Lager der Beklagten befindet. Zwar vertreibt die Beklagte vorliegend Produkte der V. AG, dies ändert indessen nichts daran, dass die Beklagte eine rechtlich selbstständige Verkäuferin dieser Produkte, die sie nicht selbst hergestellt hat, ist. Soweit die Klägerin in diesem Zusammenhang auf die „corporate identity“, also auf die Tatsache, dass die Beklagte das Logo der V. AG für ihre Außenpräsentation verwendet und sich damit das Ansehen der V. AG in merkantiler Zielsetzung zu eigen macht, verweist, belegt dies nicht das vorgetragene „besonders enge Näheverhältnis“. Dass eine Vertragshändlerin wie die Beklagte vertraglich zum Bewerben der Produkte verpflichtet ist und sich dementsprechend auch der, dem Kunden bekannten, Aufmachung der Herstellerin bedient, entspricht der gängigen Praxis und vermag nichts daran zu ändern, dass die Beklagte lediglich eine rechtlich selbstständige Vertragshändlerin ist, deren Geschäftszweck sich zudem von dem der Herstellerin signifikant unterscheidet.

Etwas anderes, nämlich, dass die Beklagte durch ihr Auftreten besonderes Vertrauen in Anspruch genommen haben könnte und sich damit das etwaige Wissen der V. AG zurechnen lassen müsste, käme allenfalls in Betracht, wenn es sich bei der Beklagten um eine hundertprozentige Konzerntochter der V. AG handelte (vgl. LG München I, Urteil vom 14.04.2016, 23 O 23033/15). Dies ist vorliegend jedoch ersichtlich nicht der Fall und wird von der Klägerin auch nicht behauptet. Auch ist in diesem Zusammenhang darauf zu verweisen, dass die Beklagte die Produkte der V. AG auf eigene Rechnung vertreibt, womit sich die tatsächliche Situation so darstellt, dass die V. AG am jeweiligen Vertragsschluss mit dem Endkunden gänzlich unbeteiligt ist.

Schließlich vermag auch nicht die Tatsache, dass sich Vertragshändler nach Bekanntwerden des „Abgasskandals“ im September 2015 mit der Herstellerin abstimmten und dergestalt an alle ihre Kunden herantraten, eine Zurechnung etwaigen betrügerischen Verhaltens der Herstellerin auf die Vertragshändler zu bewirken (vgl. LG Paderborn, Urteil vom 09.06.2016, 3 O 23/16). Ein solches Interesse der Vertragshändler, im Rahmen einer einheitlichen Problembehandlung in Abstimmung mit der Herstellerin zu agieren ist vielmehr vor dem Hintergrund, dass bundesweit mehr als zwei Millionen Fahrzeuge betroffen sind und Ansprechpartner in aller erster Linie die jeweiligen Händler sein werden, nachvollziehbar.

(3) Auch aus Billigkeitsgründen findet eine Wissenszurechnung im Verhältnis zwischen Vertragshändler und Hersteller in entsprechender Anwendung von § 166 BGB nicht statt (vgl. zur Zurechnungsproblematik LG Bielefeld, Urteil vom 03.02.2010, 3 O 322/09; spezieller LG Frankenthal, Urteil vom 12.05.2016, 8 O 208/15).

Vielmehr gilt, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs der Vorlieferant des Verkäufers nicht dessen Gehilfe bei der Erfüllung der Verkäuferpflichten gegenüber dem Käufer ist; ebenso ist auch der Hersteller der Kaufsache nicht Erfüllungsgehilfe des Händlers, der die Sache an seine Kunden verkauft (vgl. BGH, Urteil vom 02.04.2014, VIII ZR 46/13). Deshalb haftet der Verkäufer auch nicht dafür, dass sein Lieferant ein mit Mängeln behaftetes Produkt in den Verkehr bringt und dies arglistig verschweigt (vgl. LG Dortmund, Urteil vom 12.05.2016, 25 O 26/16). Die Klägerin kann sich vorliegend mithin nicht mit Erfolg darauf berufen, dass sich die Beklagte insoweit das Verhalten der V. AG zurechnen lassen müsse.

2. Der Klägerin steht gegen die Beklagte auch kein vertraglicher Schadenersatzanspruch aus §§ 437 Nr. 3, 280 Abs. 1, Abs. 3, 281 BGB zu.

Der von der Klägerin behauptete Schadensersatzanspruch scheitert schon am fehlenden Vertretenmüssen. Eigenes vorsätzliches oder fahrlässiges Verhalten der Beklagten im Sinne des § 276 BGB hat die Klägerin nicht vorgebracht. Ein etwaiges Fehlverhalten der Herstellerin, der V. AG, ist der Beklagten weder über § 278 BGB noch über § 31 BGB zurechenbar.

Wie bereits dargelegt, handelt es sich bei der Beklagten um eine rechtlich selbstständige Vertragshändlerin, die als solche lediglich Produkte der V. AG vertreibt. Die Klägerin muss sich demnach darauf verweisen lassen, dass ein Vertragshändler kein Handelsvertreter, sondern ein sonstiger Absatzmittler ist, für den der Geschäftsherr schon nicht nach § 31 BGB haftet (MüKo/Arnold, § 31, Rn. 22). Noch weniger haftet umgekehrt der Vertragshändler für ein etwaiges Verschulden des Herstellers, dessen Produkte er vertreibt. Ebenso wenig findet im Verhältnis zwischen Vertragshändler und Hersteller eine Wissenszurechnung in entsprechender Anwendung des § 166 BGB statt (vgl. LG Bielefeld, Urteil vom 03.02.2010, 3 O 322/09; spezieller LG Frankenthal, Urteil vom 12.05.2016, 8 O 208/15). Vielmehr gilt, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs der Vorlieferant des Verkäufers nicht dessen Gehilfe bei der Erfüllung der Verkäuferpflichten gegenüber dem Käufer ist. Ebenso ist auch der Hersteller der Kaufsache, vorliegend die V. AG, nicht Erfüllungsgehilfe des Händlers, der die Sache an seine Kunden verkauft (vgl. BGH, Urteil vom 02.04.2014, VIII ZR 46/13). Deshalb haftet der Verkäufer auch nicht dafür, dass sein Lieferant ein mit Mängeln behaftetes Produkt in den Verkehr bringt und dies arglistig verschweigt (vgl. LG Frankenthal, Urteil vom 12.05.2016, 8 O 208/15; LG Dortmund, Urteil vom 12.05.2016, 25 O 26/16).

3. Schließlich steht der Klägerin im Hinblick auf die Reparaturkosten auch kein deliktischer Schadensersatzanspruch aus § 823 BGB, bzw. § 826 BGB gegen die Beklagte zu.

Dass der Klägerin überhaupt deliktische Schadensersatzansprüche zustehen, hat sie bereits nicht substantiiert dargelegt. Sie hat weder vorgetragen noch ist sonst ersichtlich, dass die behaupteten Schäden an der Abgasrückführungsanlage und an dem Abgaskühler sowie das Aufblinken der entsprechenden Kontrollleuchte durch die streitgegenständliche Software verursacht worden wäre, sodass es schon an der Kausalität der geltend gemachten Schäden mit der vorgeworfenen Handlung fehlt, ohne dass es auf die weiteren Tatbestandsvoraussetzungen noch ankäme.

Mangels Hauptanspruch besteht auch kein Anspruch auf Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.

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