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OLG Stuttgart, Urteil vom 27. Dezember 2016 – 10 U 97/16 

Dienstag, 27. Dezember 2016

§ 9 Abs 1 SchVG 2009, § 19 Abs 2 S 1 SchVG 2009, § 80 Abs 1 InsO, § 213 Abs 1 S 1 InsO, § 218 Abs 1 InsO, § 935 ZPO, § 940 ZPO

1. Wird über das Vermögen einer GmbH, die Schuldverschreibungen ausgegeben hat, das Insolvenzverfahren eröffnet, steht die Befugnis zur Einberufung einer Anleihegläubigerversammlung nach dem SchVG nicht mehr dem Geschäftsführer der Anleiheschuldnerin, sondern dem Insolvenzverwalter zu.

2. § 9 Abs. 1 SchVG regelt nicht., wer im Falle der Insolvenz einer GmbH als Anleiheschuldnerin für diese zur Einberufung der Anleihegläubigerversammlung berechtigt ist.

3. Der Geschäftsführer kann als Gesellschaftsorgan nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der GmbH nur noch solche Kompetenzen wahrnehmen, die nicht die Insolvenzmasse betreffen (Anschluss an BGH, Urteil vom 26. Januar 2006, IX ZR 282/03, juris Rn. 6).

4. Die dem Geschäftsführer verbleibende Befugnis, Versammlungen zur Beschlussfassung einzuberufen, bezieht sich nur auf den innergesellschaftlichen Bereich.

5. Die Befugnis zur Einberufung einer Anleihegläubigerversammlung ergibt sich nicht als Annexkompetenz der Schuldnerin zur Vorlage eines Insolvenzplans gemäß § 218 Abs. 1 InsO oder zum Antrag auf Einstellung des Insolvenzverfahrens mit Zustimmung aller Insolvenzgläubiger gemäß § 213 Abs. 1 Satz 1 InsO.

6. § 19 Abs. 2 Satz 1 SchVG 2009 regelt nur die Einberufung der ersten Gläubigerversammlung

7. Beruft der Geschäftsführer einer insolventen GmbH eine Anleihegläubigerversammlung nach dem SchVG 2009 ein, verletzt er eine ihm gegenüber der GmbH obliegende Leistungstreuepflicht.

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OLG Stuttgart, Beschluss vom 13. Dezember 2016 – 14 U 51/16

Dienstag, 13. Dezember 2016

Zustimmungspflicht I Sanierung der Gesellschaft

§ 513 Abs. 2 ZPO

Der Kommanditist einer Publikums-KG muss aufgrund seiner Treuepflicht Maßnahmen zur Sanierung der Gesellschaft dann zustimmen, wenn diese sanierungsbedürftig ist, das Sanierungskonzept wirtschaftlich sinnvoll ist und die vorgesehenen Maßnahmen für den Kommanditisten zumutbar sind.

Tenor

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 09.06.2016, Az. 35 O 71/15 KfH, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert. Auch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung ist nicht geboten.

2. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen drei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses.

Gründe

Das Landgericht hat zu Recht die Klage abgewiesen, soweit die Kläger sich gegen die am 26.06.2015 gefassten Gesellschafterbeschlüsse wenden.Randnummer2

1. Dabei ist das Landgericht zu Recht davon ausgegangen – wogegen in der Berufungsinstanz von Beklagtenseite auch keine Einwände mehr erhoben werden -, dass die Kläger beim Beitritt zur Beklagten als Verbraucher handelten, mit der Folge, dass die im Gesellschaftsvertrag enthaltene Schiedsklausel für sie nicht wirksam vereinbart wurde und die staatlichen Gerichte zur Entscheidung des Falles berufen sind (§ 1031 Abs. 5 ZPO; vgl. OLG Oldenburg, Teilurteil v. 31.05.2001, 1 U 21/01, zit. nach JURIS; Musielak/Voit, ZPO, 13. Aufl. 2016, § 1031 Rn. 9).Randnummer3

Was die örtliche Zuständigkeit anbelangt, so ist diese gemäß § 513 Abs. 2 ZPO in der Berufungsinstanz zu unterstellen.Randnummer4

2. In der Sache ist das Landgericht zu Recht davon ausgegangen, dass die Beschlussmängelklage keinen Erfolg hat.Randnummer5

a) Zwar sind die Kläger aktivlegitimiert, weil sie – wie das Landgericht zutreffend festgestellt hat – ungeachtet der Treuhandkonstruktion nach dem Gesellschaftsvertrag, der ihnen insbesondere in § 9 Ziff. 6 eigenständige Rechte zuweist, im Innenverhältnis „echten“ Kommanditisten gleichgestellt werden (vgl. BGH, Urt. v. 11.10.2011, II ZR 248/09, JURIS Rz. 17 ff.; OLG München, Urt. v. 26.09.2012, 7 U 2565/11, JURIS Rz. 39 ff.). Die beklagte Gesellschaft ist auch passiv legitimiert, weil, wie das Landgericht zutreffend herausgearbeitet hat, nach dem Gesellschaftsvertrag die konkrete Gesellschaft in ihrer Organisation und Entscheidungsfindungsstruktur weitgehend an das kapitalgesellschaftsrechtliche System angenähert ist und es zudem bei einer Publikums-KG angesichts ihrer Struktur mit einer Vielzahl untereinander unbekannter Gesellschafter in besonderem Maße sachgerecht ist, eine einheitliche Anfechtung von Gesellschafterbeschlüssen gegenüber der Gesellschaft zu ermöglichen (vgl. hierzu auch OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG München
, a.a.O., Rz. 43 ff.).Randnummer6

b) In der Sache jedoch erweist sich der Gesellschafterbeschluss weder als anfechtbar noch als nichtig oder unwirksam – der angegriffene Beschluss ist vielmehr formell und inhaltlich ordnungsgemäß zustande gekommen.Randnummer7

aa) Formale Mängel des Gesellschafterbeschlusses können nicht festgestellt werden. Soweit die Kläger rügen, dass das Abstimmungsergebnis im Protokoll der Gesellschafterversammlung nicht zutreffend wiedergegeben sei, sind sie mit diesem Einwand nach § 9 Ziff. 5 des Gesellschaftsvertrags präkludiert, weil der angebliche Fehler nicht fristgerecht geltend gemacht wurde. Auf der Grundlage des im Protokoll festgestellten Abstimmungsergebnisses ist die Beschlussfassung im schriftlichen Verfahren von der erforderlichen Mehrheit (§ 9 Ziff. 7 des Gesellschaftsvertrags) genehmigt worden. Die für Änderungen des Gesellschaftsvertrags erforderliche qualifizierte Stimmenmehrheit (§ 10 Ziff. 1 Satz 3 des Gesellschaftsvertrags) wurde erzielt.Randnummer8

bb) Inhaltlich waren die Altkommanditisten aufgrund ihrer Treuepflicht gegenüber der Beklagten verpflichtet, dem Beschluss zuzustimmen, mit der Folge, dass, obwohl die beschlossenen Änderungen, die in ihre mitgliedschaftlichen Rechte eingreifen, ohne ihre Zustimmung nicht wirksam wären, die Verweigerung der Zustimmung durch die Kläger – und weiterer Altkommanditisten – unbeachtlich und der angefochtene Beschluss wirksam ist.Randnummer9

(1) Grundsätzlich gilt, dass Mehrheitsentscheidungen in einer Gesellschafterversammlung – auch die einer qualifizierten Mehrheit – nicht unbeschränkt zulässig sind. Insbesondere sind die mitgliedschaftlichen Rechte der Minderheit zu berücksichtigen (so bereits RGZ 132, 149, 163; eingehend z.B. OLG Stuttgart, NZG 200, 159, 161 f.). Grundsätzlich zustimmungsbedürftig und damit nur einstimmig möglich sind Gesellschafterbeschlüsse, soweit in unentziehbare Rechte – in den Kernbereich der gesellschaftsrechtlichen Position – eines Gesellschafters eingegriffen wird (BGH, NJW 1985, 974; MüKo-BGB/Schäfer, 6. Aufl. 2013, § 707 Rn. 10 (zu Beitragserhöhungen)). Vorliegend besteht kein Zweifel, dass mit den im angegriffenen Gesellschafterbeschluss vom 26.06.2015 beschlossenen Änderungen des Gesellschaftsvertrags in den Kernbereich der Rechte der Altkommanditisten – seien es wie die Kläger, „Vorzugskommanditisten 2008“, seien es „Vorzugskommanditisten 2010“, seien es „normale“ Kommanditisten – eingegriffen wird, indem eine Kapitalerhöhung durchgeführt wird und zudem eine neue Klasse von „Vorzugskommanditisten 2015“ geschaffen wird, die sowohl im Hinblick auf die Gewinnverteilung als auch im Hinblick auf die Stimmgewichtung gegenüber allen „Altkommanditisten“ ganz erheblich bevorzugt werden. Auch die Beklagte stellt nicht in Frage, dass der Beschluss grundsätzlich nicht ohne Zustimmung aller Gesellschafter wirksam gefasst werden kann.Randnummer10

(2) Eine Zustimmungspflicht der Gesellschafter kann sich allerdings unter bestimmten Voraussetzungen aus der gesellschafterlichen Treuepflicht ergeben. Speziell bei der Publikums-KG geht der Bundesgerichtshof darüber hinaus davon aus, dass, wenn eine solche Zustimmungspflicht besteht, die Gesellschaft nicht etwa die Gesellschafter, die ihre Zustimmung treuwidrig verweigert haben, einzeln auf Zustimmung verklagen muss, um – mit Rechtskraft der entsprechenden Urteile – die Wirksamkeit des Beschlusses herbeizuführen, sondern dass die treuwidrig abgegebenen „Nein“-Stimmen unbeachtlich sind und der Beschluss als wirksam zu erachten ist (BGH, NJW 1985, 974).Randnummer11

Eine Zustimmungspflicht der Gesellschafter ist im Grundsatz immer dann anzunehmen, wenn die Maßnahme aus Sicht der Gesellschaft insbesondere zur Erhaltung des gemeinsam Geschaffenen oder zur Vermeidung wesentlicher Verluste dringend geboten ist und der mit ihr verbundene Eingriff in Gesellschafterrechte für die Gesellschafter zumutbar ist (BGH, NJW 1961, 724 f.; BGH, NJW 1985, 974; BGH, NJW 1987, 189, 190; BGH, Urt. v. 19.10.2009, II ZR 240/08, JURIS Rz. 23; Wertenbruch, in: Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 3. Aufl. 2014, § 105 Rn. 103; vgl. auch MüKo-BGB/Schäfer, 6. Aufl. 2013, § 707 Rn. 10). Im Rahmen der Zumutbarkeit ist der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu beachten – die berechtigten Interessen der Minderheit dürfen nicht mehr als nötig tangiert und der Eingriff nicht außer Verhältnis zu den Vorteilen des Unternehmens stehen (OLG Stuttgart, NZG 2000, 159, 161). Bei einer beabsichtigten Strukturänderung ist zudem den betroffenen Gesellschaftern grundsätzlich Gelegenheit zu geben, sich zu angemessenen Konditionen an der Neuordnung zu beteiligen (vgl. für den Fall einer beabsichtigten Übertragung von Gesellschaftsanteilen auf eine neu gegründete Holding-Gesellschaft OLG Stuttgart, NZG 2000, 159, 162). Speziell wenn ein Sanierungsfall vorliegt, weil die Gesellschaft zahlungsunfähig und überschuldet ist, hat der BGH in einer vielbeachteten Entscheidung angenommen, dass unter bestimmten Voraussetzungen ein sich an der Sanierung nicht beteiligender Gesellschafter verpflichtet sein kann, seinem eigenen Ausschluss zuzustimmen, wenn nämlich (1.) der Sanierungsversuch wirtschaftlich sinnvoll ist, (2.) es den zur Übernahme weiterer Einlagen bereiten Gesellschaftern nicht zumutbar ist, die Gesellschaft mit den eine neue Einlage ablehnenden Gesellschaftern fortzusetzen und (3.) dem Ausscheiden der nicht zahlungsbereiten Gesellschaftern keine schützenswerten Belange ihrerseits entgegenstehen, was insbesondere dann anzunehmen ist, wenn sie durch das Ausscheiden nicht schlechter gestellt werden als im Falle der sofortigen Liquidation der Gesellschaft (BGH, Urt. v. 19.10.2009, II ZR 240/08, JURIS Rz. 25 ff.; vgl. auch im Überblick zu den Voraussetzungen der Zustimmungspflicht in Sanierungsfällen Wertenbruch, in: Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 3. Aufl. 2014, § 105 Rn. 105). Diese zu einer OHG ergangene Rechtsprechung lässt sich nach Auffassung des Senates ohne weiteres auf die Kommanditgesellschaft und speziell die Publikums-Kommanditgesellschaft übertragen (das wird soweit ersichtlich allgemein angenommen, s. z.B. Dorka, NZG 2010, 694 f.), weil im Hinblick auf die Verhinderung einer drohenden Insolvenz der Gesellschaft die Treuepflicht des Kommanditisten sich nicht von der eines unbeschränkt haftenden Gesellschafters unterscheidet.Randnummer12

(3) Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist das Landgericht zu Recht davon ausgegangen, dass eine Zustimmungspflicht der Kläger bestand.Randnummer13

(a) Die Beklagte war sanierungsbedürftig, das Sanierungskonzept zur Erhaltung des gemeinsam Geschaffenen dringend erforderlich.Randnummer14

Es ist zwischen den Parteien unstreitig, dass die Beklagte aufgrund der Schifffahrtskrise in eine „wirtschaftliche Schieflage“ geraten war. Es war der Beklagten – auch das ist unstreitig – aufgrund der Krise bereits seit 2009 nicht mehr möglich gewesen, Zins- und Tilgungsleistungen auf das Schiffshypothekendarlehen zu erbringen. Daraus resultierten, wie sich aus dem Schreiben Anlage B 1 ergibt, Ende 2014 fällige offene Forderungen gegenüber der Kreditgeberin in Höhe von 5.707.701 € und 442,355,39 CHF bei einem insgesamt ausstehenden Darlehensbetrag von 11.288.900,00 CHF sowie 6.534.000 € zuzüglich rückständiger Zinsen in Höhe von 442.355,39 CHF sowie 348.701,17 €. Insgesamt beliefen sich die Forderungen der Kreditgeberin, der … -Bank mithin auf rund 17,5 Mio. Zugleich war diese bereit, einer Ablösung des gesamten Kredits gegen eine Zahlung in Höhe von 4.600.000,00 € zuzustimmen, mithin auf immerhin rund 3/4 ihrer Forderung zu verzichten.Randnummer15

Unter diesen Umständen ist die Schlussfolgerung des Landgerichts, dass die Insolvenz der Beklagten unmittelbar drohte und ohne ein tragfähiges Sanierungskonzept die Kommanditbeteiligung der Kläger wertlos war, zwingend.Randnummer16

Die – nach Angaben der Beklagten – drohende Kündigung der Kredite hätte zur sofortigen Insolvenz der Beklagten geführt. Auf jeden Fall ist davon ausgehen, dass die Gesellschaft überschuldet war und – jedenfalls ohne Sanierungskonzept – eine ungünstige Fortführungsprognose bestand. Denn daraus, dass die … -Bank bereit war, der Ablösung des Kredits gegen eine Ablöse in Höhe von (nur) 4,6 Mio. Euro zuzustimmen, lässt sich ersehen, dass diese davon ausging, im Rahmen eines Zwangsversteigerungsverfahrens nur einen Wert in dieser Größenordnung erzielen zu können. Den Verbindlichkeiten gegenüber der … -Bank in Höhe von 17,5 Mio. € standen also – selbst wenn man von einer gewissen Steigerung des Erlöses im Rahmen eines freihändigen Verkaufs ausgehen würde – nur noch ein Bruchteil als Aktiva in Form des Schiffswertes gegenüber.Randnummer17

(b) Es ist auch mit dem Landgericht festzustellen, dass eine Sanierung nur unter Aufbringung substantiellen neuen Kapitals und nicht etwa in Form einer „Vollfinanzierung“ durch einen neuen Kredit möglich war.Randnummer18

Bei einem Zerschlagungswert in der Größenordnung des Ablösebetrags von 4,6 Mio. € ist auch nach Auffassung des Senates davon auszugehen, dass keine Bank – zumal unter Berücksichtigung der gerichtsbekannten schwierigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen im Schifffahrtsmarkt – sich bereit findet, auch nur annähernd den gesamten Betrag zu finanzieren. Vielmehr ist davon auszugehen, dass sie sich allenfalls mit einem Bruchteil des angenommenen Zerschlagungswertes des Schiffes an einer Sanierung beteiligen wird. Insofern hat das Landgericht zu Recht eine tatsächliche Vermutung zugunsten des Vortrags der Beklagtenseite angenommen, es habe sich keine Bank zu einer weitergehenden Beleihung als rund 40% des Ablösebetrags bereit gefunden. Die Kläger hätten, um diese Vermutung zu widerlegen oder zu erschüttern, konkret vortragen müssen, welche Bank zu einer weitergehenden Finanzierung bereit gewesen wäre oder aus welchen Umständen sich ergeben sollte, dass ungeachtet der allgemeinen Marktusancen und der schwierigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen des Schifffahrtsmarktes vorliegend eine Vollfinanzierung möglich gewesen wäre. Mangels substantiierten Bestreitens war und ist insoweit kein Sachverständigengutachten einzuholen.Randnummer19

(c) Der mit dieser Kapitalerhöhung einhergehende Eingriff in die Rechte der „Altkommanditisten“ in Form einer „Verwässerung“ ihrer Beteiligung sowie einer Einschränkung ihres Stimmengewichts war diesen auch zumutbar.Randnummer20

Das Landgericht hat zu Recht festgestellt, dass davon auszugehen ist, dass eine Einwerbung von neuem Eigenkapital ohne Gewährung von gewissen Vorzugsrechten für die neuen Kommanditisten nicht möglich war. Im Hinblick auf eine Anfrage der Beklagten wegen der Zeichnung neuen Kapitals waren von den Altkommanditisten (unverbindliche) Absichtserklärungen von nur knapp einer Millionen Euro gezeichnet worden. Es liegt im Übrigen auch nahe, dass angesichts der wirtschaftlichen Schieflage der Gesellschaft die Einwerbung neuen Eigenkapitals nur unter Gewährung gewisser Vorzugsrechte möglich gewesen ist.Randnummer21

Die gewählte konkrete Ausgestaltung der Gewinn- und Stimmvorzugsrechte für die Neukommanditisten, die „Vorzugskommanditisten 2015“, ist den Altkommanditisten auch unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zumutbar. Dabei ist zunächst zu berücksichtigen, dass nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs im Sanierungsfall grundsätzlich – wenn sich wie hier nichts Abweichendes aus dem Gesellschaftsvertrag ergibt – es die Gesellschafter nicht hinnehmen müssen, dass die „Altgesellschafter“, die sich an der Sanierung nicht beteiligen, bei erfolgreicher Sanierung überhaupt an künftigen Gewinnen partizipieren. Aus diesem Grund ist wie oben ausgeführt nach der „Sanieren oder AusscheidenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Ausscheiden
Sanieren oder Ausscheiden
“-Rechtsprechung sogar eine Regelung, die für den Fall der Nichtbeteiligung an einer erforderlichen Sanierung einen Ausschluss der Altgesellschafter vorsieht, zustimmungspflichtig, wenn die Altgesellschafter dadurch nicht schlechter gestellt werden als im Falle der sofortigen Liquidierung. Im vorliegenden Fall ist kein Ausschluss der Altgesellschafter vorgesehen, sondern nur eine im Hinblick auf das Gewinnbezugsrecht und die Stimmgewichtung bevorrechtigte Stellung der Neukommanditisten. Das ist unter Berücksichtigung des Umstands, dass die Altkommanditisten im Falle einer erfolgreichen Sanierung unter Umständen noch Gewinne realisieren können, während ihr Kommanditanteil ohne Sanierung bei Zerschlagung der Beklagten wirtschaftlich wertlos ist, nicht unzumutbar. Was die genaue Ausgestaltung der Gewinn- und Stimmvorzugsrechte anbelangt, so ist zudem zu berücksichtigen, dass der Gesellschaft im Hinblick auf die konkrete Ausgestaltung des Sanierungsplans ein Ermessensspielraum zusteht (vgl. BGH, NJW 1978, 1316, 1318; OLG Stuttgart, NZG 2000, 159, 161 u. 162). Es ist daher nicht gerichtlich überprüfbar, ob möglicherweise auch eine etwas weniger stark ausgeprägte Bevorzugung der Neukommanditisten zur Einwerbung des erforderlichen neuen Eigenkapitals ausgereicht hätte.Randnummer22

Eine Unzumutbarkeit ergibt sich auch nicht daraus, dass den „Altkommanditisten“ keine Gelegenheit gewährt worden wäre, an der geplanten Kapitalerhöhung zu gleichen Bedingungen zu partizipieren. Die Argumentation der Kläger, sie hätten aufgrund einer zu kurzen Fristsetzung faktisch keine Gelegenheit zur Beteiligung an der Kapitalerhöhung gehabt, geht, wie das Landgericht zu Recht ausgeführt hat, fehl. Die Kläger waren schon aufgrund des Schreibens vom 28.07.2014 (Anl. K 17) grundsätzlich darüber informiert, dass eine Kündigung des Darlehens drohte und die Gesellschaft eine Sanierung unter Einwerbung neuen Eigenkapitals in Höhe von rund 2,5 Mio. Euro beabsichtigte, wobei zugleich bereits um eine (unverbindliche) Absichtserklärung hinsichtlich der Beteiligung an der Kapitalerhöhung gebeten worden war. Unter diesen Umständen war die im Schreiben vom 15.06.2015 enthaltene Fristsetzung zur Abgabe einer verbindlichen Absichtserklärung nicht unangemessen kurz.Randnummer23

Es kann auch nicht die Rede davon sein, dass den Klägern gegenüber der genaue Inhalt des Sanierungsplans, insbesondere die den Neukommanditisten gewährten Vorzugsbedingungen, „verschleiert“ worden wären. Im Anschreiben von 15.06.2015 (Anl. K 14) ist ausdrücklich die Rede davon, dass die neuen Gesellschafter einen einmaligen Vorabgewinn in Höhe von 250% sowie verbesserte Stimmrechte erhalten sollen. Die beabsichtigten Änderungen des Gesellschaftsvertrags waren dem Schreiben als Anlage beigefügt.Randnummer24

cc) Wie das Landgericht ebenfalls zu Recht festgestellt hat, ist der Beschluss auch nicht deshalb unwirksam, weil ihm entgegen § 4 Nr. 16 des Gesellschaftsvertrags ein Gründungskommanditist nicht zugestimmt hätte.Randnummer25

Die … -Gesellschaft mbHBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Gesellschaft
Gesellschaft mbH
ist zwar Gründungskommanditistin, hat dem Beschluss jedoch nicht die Zustimmung verweigert, indem sie auf Weisung der Kläger mit deren Stimmenanteil gegen ihn gestimmt hat. Denn diese Verweigerung ist nicht der Treuhänderin, sondern den Klägern als faktischen Gesellschaftern zuzurechnen.Randnummer26

Und die Kläger selbst sind keine Gründungskommanditisten, so dass sie nicht – auch nicht analog – von der Regelung in § 4 Nr. 16 des Gesellschaftsvertrags erfasst werden. Sollte die Regelung einen ungerechtfertigten Gründervorteil beinhalten, wäre sie, wie das Landgericht zu Recht festgestellt hat, unwirksam und nicht etwa auf die Kläger zu erstrecken.Randnummer27

3. Auf der Grundlage der vorstehenden Ausführungen rät der Senat zu einer Rücknahme der Berufung. Nach § 524 Abs. 4 ZPO würde in diesem Fall die Anschlussberufung ihre Wirkung verlieren.

Löffler I www.K1.de I Gesellschaftsrecht I Gesellschafterversammlung I M&A I Unternehmenskauf I Erfurt I Thüringen I Sachsen I Sachsen-Anhalt I Hessen I Deutschland 2022

Schlagworte: antiziperte Zustimmung, Bei der Stimmabgabe Bindungen an den Gesetzeszweck und das Gesellschaftsinteresse sowie Treuebindungen gegenüber der Gesellschaft und gegenüber den Mitgesellschaftern, Einschränkung durch die Treuepflicht, gesellschaftsrechtliche Treuepflicht, gesellschaftsrechtliche Treuepflichten, Haftung Treuepflichtverletzung, Kostenerstattung Treuepflichtverstoß, Kostentragung, Stimmrecht Treuepflicht, Treuepflicht, Treuepflicht in der GmbH, Treuepflicht und Zustimmungspflicht, Zustimmung Gesellschafter, Zustimmungspflicht, Zustimmungspflicht bei keinerlei Entscheidungsspielraum, Zustimmungspflicht bei notwendiger Geschäftsführungsmaßnahme, Zustimmungspflicht bei Unvertretbarkeit der Weigerung, Zustimmungspflicht zur Rücklagenbildung

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OLG Stuttgart, Urteil vom 01. März 2016 – 10 U 105/15

Dienstag, 1. März 2016

§ 1 HOAI, § 633 BGB, §§ 633ff BGB, § 634 BGB, § 705 BGB, § 706 Abs 3 BGB, § 230 HGB, § 231 HGB

1. Verpflichtet sich ein Gesellschafter (hier: einer stillen Gesellschaft), als Beitrag Architektenleistungen zu erbringen, gilt für diese Leistungen ohne Vereinbarung nicht das Preisrecht der HOAI (Abweichung zu BGH, Urteil vom 18. Mai 2000, VII ZR 125/99, NJW-RR 2000, 1333 juris Rn. 9).

2. Sind als Einlage in die Gesellschaft Architektenleistungen erbracht worden und sind diese mangelhaft, ergeben sich die Rechte gegen den mangelhaft leistenden Gesellschafter aus einer entsprechenden Anwendung der Gewährleistungsregeln des Werkvertrags (§§ 633 ff BGB).

3. In einer stillen Gesellschaft hat der Geschäftsinhaber gegen den stillen Gesellschafter einen unmittelbaren Anspruch auf Leistung des Gesellschaftsbeitrags in sein Vermögen und in der Folge auch einen unmittelbaren Gewährleistungsanspruch im Fall einer mangelhaften Einlage.

Tenor

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Ravensburg vom 10.07.2015, Az. 4 O 91/14, teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

a) Die Beklagte Ziff. 1 wird verurteilt, an die Klägerin 57.873,81 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 57.323,30 € ab dem 27.3.2014 und aus weiteren 550,51 € ab dem 5.4.2014 zu zahlen.

b) Es wird festgestellt, dass die Beklagte Ziff. 1 verpflichtet ist, der Klägerin alle Aufwendungen zu ersetzen, die der Klägerin im Zusammenhang mit folgenden Gewährleistungsansprüchen im Wohnhaus R. Straße 4/2, Weingarten, entstehen:

– Aufbringen einer Feuchtigkeitssperre auf dem Rohboden in allen nicht unterkellerten Wohnräumen des Hanggeschosses;

– Herstellung einer den anerkannten Regeln der Technik insbesondere der einschlägigen DIN 4095 genügenden Drainage im Anschluss an eine mit Kies verfüllte Sickergrube;

– Herstellung eines den anerkannten Regeln der Technik genügenden Schutzes gegen das Eindringen von Schlagregen, Flugschnee und Schmelzwasser an den bodentiefen Verglasungselementen mit Türen in der Fassadenwestseite des Hanggeschosses des Gebäudes Wohnhaus R. Straße 4/2 in Weingarten.

c) Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Im Übrigen wird die Berufung der Klägerin zurückgewiesen.

3. Von den Gerichtskosten und den außergerichtlichen Kosten der Klägerin in beiden Instanzen tragen die Klägerin und die Beklagte Ziff. 1 jeweils 50 %. Die Klägerin hat die außergerichtlichen Kosten des Beklagten Ziff. 2 und der Streithelferin M. GmbH jeweils in beiden Instanzen zu tragen. Der Streithelfer T. hat seine bis zu seinem Rücktritt vom Beitritt auf Klägerseite entstandenen außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen. Die Klägerin hat die außergerichtlichen Kosten des Streithelfers T., die ab seinem Beitritt auf Seiten des Beklagten Ziff. 2 während der mündlichen Verhandlung vom 18.1.2016 entstanden sind, zu tragen. Im Übrigen findet eine Kostenerstattung nicht statt.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch den Gläubiger abwenden durch Sicherheitsleistung i. H. von 120 % des vollstreckbaren Betrages, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe erbringt.

5. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.

Beschluss

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 85.345,07 € (60.345,07 € Zahlungsantrag; 25.000 € Feststellungsantrag) festgesetzt.

Gründe

I.

Die Klägerin verlangt Schadens- bzw. Aufwendungsersatz und beantragt die Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten Ziff. 1 für künftige Aufwendungen im Zusammenhang mit der Erfüllung von Gewährleistungsansprüchen am Wohnhaus der Eheleute Me..

Zwischen der Klägerin und der Beklagten Ziff. 1 besteht der undatierte, in Anl. K 1 vorgelegte Vertrag, wonach sich die Partner zu einer BGB-Innengesellschaft zusammenschließen. Gesellschaftszweck ist die Bebauung verschiedener Grundstücke und die anschließende Vermarktung der Gebäude. In dem Vertrag ist heißt es u.a.:

„Die B. erwirbt von der Erbengemeinschaft M. das Anwesen für 865 TEUR.

Die Partner schließen sich in Form einer BGB-Innengesellschaft zusammen.

Die M. GmbH erbringt als Gesellschafterleistung durch ihren Architekten Peter M. und weitere Mitarbeiter sämtliche Arbeiten gemäß § 15 Abs. 2 HOAI…. Die Gesellschafterstellung der M. GmbH mit dem erfolgsbezogenen Gewinnanteil, der gemäß Kalkulation die Vergütung nach HOAI übersteigt, wird vereinbart, um die M. GmbH ausreichend zu motivieren…

Die B. erbringt als Gesellschafterverpflichtung die Finanzierung, die Geschäftsführung und die Vermarktung des Projekts.

Von dem Gewinn erhalten die B. 80 % und die M. GmbH 20 %.“

Zum übrigen Inhalt wird auf die Vertragsurkunde in Anl. K 1 verwiesen. Von der Beklagten Ziff. 1 ist im Planungs- und Baudurchführungsstadium außerdem der Beklagte Ziff. 2 herangezogen worden. Rechtsnatur, Inhalt und Umfang seiner Beauftragung sind zwischen den Parteien streitig.

Eines der im Gesellschaftsvertrag genannten Grundstücke wurde als bebautes Grundstück im Wege eines Bauträgervertrages zwischen der Klägerin und den Eheleuten Me. mit notarieller Urkunde von Oktober 2009 an die Eheleute Me. verkauft. Es wurde ein Einfamilienhaus errichtet. Die Beklagte Ziff. 1 sowie der Beklagte Ziff. 2 waren als Architekten hierbei tätig. Die Klägerin war Bauunternehmerin bzw. Generalunternehmerin. Die Eheleute Me. zogen im November 2010 ein. Am 21.12.2010 fand eine Endabnahme des Wohnhauses statt (erstes Blatt des Anlagenordners zum Sitzungsprotokoll nach Bl. 165 d.A.). Alsbald nach Einzug wurden von den Eheleuten Me. Feuchtigkeitsprobleme im Hanggeschoss gegenüber der Klägerin moniert. In der Folge wurde die Klägerin mit rechtskräftigem Urteil des Landgerichts Ravensburg vom 18.12.2013 (Az. 1 O 145/12 bzw. 4 O 214/13) zur Nachbesserung verurteilt. Im Rahmen der Zwangsvollstreckung sind die Eheleute Me. mittlerweile durch Beschluss vom 27.06.2014 zur Selbstvornahme der Nachbesserungsarbeiten auf Kosten der Klägerin ermächtigt worden. In dem genannten Verfahren ist die Klägerin mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 23.01.2014 zur Zahlung von 5.394,03 € an die Eheleute Me. verpflichtet. Eigene Anwaltskosten sind der Klägerin in diesem Verfahren in Höhe von 4.093,01 € entstanden. Außerdem hat die Klägerin an den Gas- und Wasserinstallationsmeister H. zum Versuch einer Mangelbeseitigung 3.021,77 € bezahlt. Bestand und Höhe dieser Forderung sind zuletzt unstreitig gestellt worden. Im Rechtsstreit zwischen den Eheleuten Me. und der Klägerin war festgestellt worden, dass das Wohnhaus folgende Werkmängel aufweist: Eine Dampfsperre unter der Bodenplatte ist technisch erforderlich, fehlt jedoch; eine Sickergrube wurde nicht ausgeführt; die bodentiefen Verglasungselemente im Hanggeschoss weisen keinen Schutz gegen Schlagregen, Flugschnee und Schmelzwasser auf. Dass die Sickergrube im genehmigten Bauantrag noch enthalten und geplant war, ist unstreitig.

Das Landgericht hat die Klage insgesamt abgewiesen. Es hat die erstinstanzlich noch beantragten Hauptanträge für unbegründet gehalten, den hilfsweise geltend gemachten Zahlungsantrag als derzeit unbegründet und den hilfsweise geltend gemachten Feststellungsantrag als unbegründet abgewiesen.

Der Hauptantrag der Klägerin auf Zahlung von Schadensersatz an sich selbst sei unbegründet, weil die Klägerin nicht Leistung an sich verlangen dürfe. Dem Schadensersatzverlangen stehe die Abtretungsvereinbarung (Anl. K1) nicht entgegen, weil die Abtretung erfüllungshalber erfolgt sei. Damit verbunden sei eine Stundung gewesen, bis der Versuch einer anderweitigen Befriedigung gescheitert sei. Dadurch sei die Klagbarkeit des Anspruchs nicht ausgeschlossen. Die Klägerin und die Beklagte Ziff. 2 (richtig: Beklagte Ziff. 1) hätten sich zur Realisierung des streitgegenständlichen Bauvorhabens unstreitig zu einer Gesellschaft bürgerlichen RechtsBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Gesellschaft
Gesellschaft bürgerlichen Rechts
zusammengeschlossen. Die Klägerin könne ihre Ansprüche gegen einen Gesellschafter nur im Wege der actio pro socio geltend machen, also Leistung an die Gesellschaft verlangen. Einen Ausnahmefall behaupte die Klägerin nicht.

Hinsichtlich der Abweisung der Hilfsanträge hat das Landgericht im Wesentlichen ausgeführt, die Klägerin könne Zahlung des geltend gemachten Betrages als Schadensersatz an die GbR deshalb nicht verlangen, da ein Schaden der GbR nicht schlüssig dargelegt sei. Die Zahlung der Rechtsanwaltskosten durch die Klägerin habe nicht zu einem Schaden der GbR geführt, da diese Zahlung der Klägerin nicht zwangsläufig die GbR und ihr Vermögen belasten müsse. Zwar könne möglicherweise die Klägerin die von ihr verauslagten Anwaltskosten im Wege des Aufwendungsersatzes gemäß §§ 670, 713 BGB ersetzt verlangen, richtiger Anspruchsgegner hierfür sei jedoch die Gesellschaft. Ein Direktanspruch gegenüber einem anderen Gesellschafter, wie der Beklagten Ziff. 1, bestehe nicht. Die hierfür unter Umständen in Betracht kommenden besonderen Voraussetzungen seien nicht vorgetragen, nämlich dass die Gesellschaft selbst nicht mehr über freie Mittel verfüge und der Aufwendungsersatzanspruch als einziger Aktivposten quasi der Auseinandersetzungsanspruch der Klägerin sei, außerdem jedoch lasse der zwischen den Parteien bestehende Gesellschaftsvertrag eine Verlustbeteiligung der Beklagten Ziff. 1 ohnehin nicht zu. Gleiches gelte für etwaige Erstattungsansprüche bezüglich des Kostenfestsetzungsbeschlusses aus dem vorangegangenen Verfahren. Was den im vorliegenden Verfahren vom Sachverständigen auf 54.500,00 € bezifferten Mangelbeseitigungsaufwand angehe, sei ein Schadensersatzanspruch jedenfalls derzeit unbegründet, da ein Schaden der GbR – jedenfalls derzeit – nicht ersichtlich sei. Dass die Klägerin mit Beschluss gemäß § 887 ZPO eine Selbstvornahme der Eheleute Me. auf ihre Kosten zu gewärtigen habe, stelle keinen Schaden dar, solange die Klägerin nicht vortrage, dass sie die angefallenen Kosten der Ersatzvornahme an die Eheleute Me. gezahlt habe. Insoweit könne selbst eine – noch nicht erfolgte – Kostenfestsetzung gegenüber der Klägerin nicht helfen. Ein Vermögensschaden bestehe nach der Differenztheorie dann, wenn zwischen zwei Güterlagen, nämlich derjenigen vor einem Schadensereignis und derjenigen, die durch das Schadensereignis geschaffen wurde, eine negative Differenz festzustellen sei. Es wäre daher darzulegen gewesen, dass der jetzige tatsächliche Wert des Vermögens der GbR geringer sei als sein Wert ohne das die Ersatzpflicht begründende Ereignis. Insoweit komme es allein auf eine tatsächlich eingetretene Vermögensminderung an, an welcher es fehle. Die bloße Verurteilung komme in diesem Zusammenhang auch keiner „schadensgleichen Vermögensgefährdung“ gleich, da eine solche im Rahmen vertraglicher Schadensersatzansprüche nicht in Betracht komme. Einen Freistellungsanspruch gegenüber der GbR habe die Klägerin im Übrigen trotz gerichtlichen Hinweises nicht geltend gemacht.

Der (hilfsweise) Feststellungsantrag gegenüber der Beklagten Ziff. 1 sei unbegründet, etwaige Ansprüche auf Ausgleich von Aufwendungsersatzansprüchen seien durch Aufrechnung erloschen. Im Urteil des Landgerichts Ravensburg in 1 O 145/12 sei für das vorliegende Verfahren bindend festgestellt, dass das Bauvorhaben drei Mängel aufweise, nämlich eine fehlende Dampfsperre, eine fehlende Drainage, sowie die Undichtigkeit der bodentiefen Verglasungselemente. In allen drei Fällen sei insoweit ein Fehler in der von der Beklagten Ziff. 1 geschuldeten Bauüberwachung festzustellen. Die Klägerin müsse in diesem Zusammenhang nicht näher darlegen, ob und inwieweit der mit der Vollarchitektur beauftragten Beklagten Ziff. 1 ein Planungs-, Bauleitungs- oder Bauüberwachungsfehler zur Last falle, vielmehr genüge für den schlüssigen Vortrag eines Schadensersatzanspruchs gegen den Architekten bereits, wenn die sichtbaren Symptome des Baumangels als solchem beschrieben seien. Danach spreche ein Anschein für die Pflichtverletzung des mit der Vollarchitektur befassten Architekten. Die Beklagte habe diese Fehler zu vertreten, wobei der zur Anwendung kommende Haftungsmaßstab offengelassen werden könne, da die Beklagte Ziff. 1 zu einem etwaigen Entlastungsbeweis nichts vorgetragen habe. Die somit bestehenden Ansprüche der Klägerin auf Aufwendungsersatz gegenüber der Beklagten Ziff. 1 seien allerdings durch Aufrechnung gemäß § 389 BGB erloschen. Hierbei könne es dahinstehen, ob der Beklagten Ziff. 1 die von ihr zur Aufrechnung gestellten weitergehenden Honoraransprüche aus anderen Bauvorhaben zustünden, da die Beklagte unstreitig bereits aus dem abgeschlossenen Gesellschaftsvertrag einen Anspruch auf Zahlung einer weiteren Vorauszahlungsrate in Höhe von 25.000,00 € habe, die den vom Feststellungsantrag erfassten Aufwendungsbetrag jedenfalls überschreite. Zwar habe die Beklagte nicht explizit schriftsätzlich erklärt, auch mit diesem weiteren Vorauszahlungsanspruch gegen Ansprüche der Klägerin aufrechnen zu wollen, ihre umfassende Aufrechnungserklärung könne jedoch dahingehend ausgelegt werden.

Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes 1. Instanz sowie der Entscheidungsgründe 1. Instanz wird auf die Ausführungen im Urteil des Landgerichts Ravensburg, Az. 4 O 91/14, vom 10.7.2015 verwiesen.

Mit der Berufung verfolgt die Klägerin nach den zuletzt gestellten Anträgen die erstinstanzlichen Hauptanträge gegen die Beklagte Ziff. 1 weiter.

Zur Begründung trägt die Klägerin im Wesentlichen vor, das Landgericht habe zu Unrecht einen Schaden der GbR verneint. Aus dem zwischen der Klägerin und der Beklagten Ziff. 1 bestehenden Gesellschaftsvertrag sei ersichtlich, dass der Gewinn der Gesellschaft durch die Verkaufserlöse abzüglich Provisionen, Finanzierungskosten, Baukosten, Baunebenkosten und sonstige direkte Projektkosten ermittelt werde. Durch die Inanspruchnahme der Klägerin durch die Eheleute Me. sei der Verkaufserlös betreffend das streitgegenständliche Grundstück unmittelbar gemindert, da die die Klägerin treffenden Nacherfüllungskosten jedenfalls als direkte Projektkosten bzw. als Baukosten anzusehen seien. Durch diese Nacherfüllungskosten seien die Baukosten angestiegen, folglich sei der diesbezügliche Verkaufserlös gemindert. Dies habe bei der GbR zur Entstehung eines Schadens geführt, der darin bestehe, dass in Höhe der begründeten Ansprüche der Eheleute Me. – und zwar in Höhe der in diesem Verfahren bezifferten Kosten für die Mangelbeseitigung i.H. von 54.000,00 € – der zu verteilende Gewinn bereits jetzt geschmälert sei. Gleiches gelte für die Anwaltskosten und die Kostenerstattungsansprüche der Eheleute Me. aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss, sowie für die Kosten der Beauftragung des Ingenieurs H.. Auch diese Beträge seien als Projektkosten unmittelbar verkaufserlös- und damit gewinnmindernd. Die Klägerin sieht die Ausgangssituation der werkvertraglichen Leistungskette hier gegeben. Da die Klägerin ihrerseits bereits durch ihre Auftraggeber, die Eheleute Me., nicht nur in Anspruch genommen, sondern rechtskräftig verurteilt sei, sei auch eine weitere Anspruchs- bzw. Schadens“weitergabe“ innerhalb der Kette von der Klägerin an die Beklagte Ziff. 1 möglich.

Außerdem erklärt die Klägerin in der Berufungsbegründung erstmals die Aufrechnung des ihr aus dem Bauträgervertrag gegenüber den Eheleuten Me. restlich noch zustehenden Kaufpreisanspruchs in Höhe von 33.451,80 € gegen die von den Eheleuten Me. für die Mängelbeseitigung gegenüber der Klägerin geltend gemachten Kosten in Höhe von 69.972,00 €. Auch hierdurch sei der Erlös der GbR geschmälert. Nach alldem sei der GbR ein Schaden in Höhe der geltend gemachten Forderung entstanden, den die Beklagte Ziff. 1 auszugleichen habe, da sie ihre Gesellschafterpflichten grob verletzt und dadurch den Schaden verursacht habe. Außerdem wendet sich die Berufung dagegen, dass das Landgericht den Feststellungsantrag gegenüber der Beklagten Ziff. 1 deshalb abgewiesen habe, da dieser durch Aufrechnung erloschen sei. Den zur Aufrechnung vom Landgericht verwandten Betrag in Höhe von 25.000,00 € habe die Beklagte Ziff. 1 nie zur Aufrechnung gestellt. Auf diesen Betrag beziehe sich die Aufrechnungserklärung der Beklagten Ziff. 1 nicht, diese könne auch nicht dahingehend ausgelegt werden. Aufgerechnet worden sei ausdrücklich mit Honoraransprüchen und eben nicht mit Vorauszahlungsansprüchen auf einen etwaigen gesellschaftsrechtlichen Gewinnanteil. Die zur Aufrechnung gestellten Honorarforderungen seien bereits erstinstanzlich von der Klägerin wegen fehlender Prüffähigkeit zurückgewiesen worden. Auch sei im landgerichtlichen Urteil zu Unrecht ein Feststellungsinteresse verneint worden.

In der mündlichen Verhandlung vom 18.1.2016 hat die Klägerin klargestellt, dass sie die streitgegenständlichen Kostenpositionen in folgender Reihenfolge geltend macht: Zunächst die Sanierungskosten, sodann die Kosten aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts, sodann die Kosten des Ingenieurs H. und zuletzt die eigenen außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten der Klägerseite.

Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung vom 18.1.2016 die Berufung gegen den Beklagten 2 zurückgenommen.

Die Klägerin hat zuletzt folgende Anträge gestellt:

Das Urteil des Landgerichts Ravensburg vom 10.07.2015, Az. 4 O 91/14, wird abgeändert.

1. Die Beklagte Ziff. 1 wird verurteilt, an die Klägerin 60.345,07 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu bezahlen.

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte Ziff. 1 verpflichtet ist, der Klägerin alle Aufwendungen zu ersetzen, die der Klägerin im Zusammenhang mit folgenden Gewährleistungsansprüchen im Wohnhaus R. Straße 4/2, Weingarten, entstehen:

2.1 Aufbringen einer Feuchtigkeitssperre auf dem Rohboden in allen nicht unterkellerten Wohnräumen des Hanggeschosses;

2.2 Herstellung einer den anerkannten Regeln der Technik insbesondere der einschlägigen DIN 4095 genügenden Drainage im Anschluss an eine mit Kies verfüllte Sickergrube;

2.3 Herstellung eines den anerkannten Regeln der Technik genügenden Schutzes gegen das Eindringen von Schlagregen, Flugschnee und Schmelzwasser an den bodentiefen Verglasungselementen mit Türen in der Fassadenwestseite des Hanggeschosses des Gebäudes Wohnhaus R. Straße 4/2 in Weingarten.Die Beklagte Ziff. 1 hat beantragt:

Die Berufung wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Zutreffend habe das Landgericht festgestellt, dass seitens der Klägerin ein Schaden der GbR nicht nachgewiesen worden sei. Der der Klägerin aufgrund der vertraglichen Vereinbarungen mit der Bauherrschaft entstandene Schaden sei nicht mit einem Schaden der GbR gleichzusetzen. Der Klägerin stünden wegen dieses Schadens keine Ansprüche gegen die Beklagte Ziff. 1 zu. Ein Schaden der GbR läge erst vor, wenn die Klägerin ihre – tatsächlich nicht – zustehenden Ansprüche gegen die GbR durchgesetzt hätte. Es sei aber nicht ersichtlich, warum die GbR für einen der Klägerin entstandenen Schaden haften solle. Die Vermarktung der Grundstücke und der hierauf errichteten Gebäude sei nach dem Gesellschaftsvertrag allein im Namen der GbR zugelassen gewesen. Die Klägerin habe ihre Kompetenzen überschritten, indem sie die Vermarktung im eigenen Namen vorgenommen habe. Die Klägerin habe ihre vertraglichen Pflichten verletzt, indem sie anstelle der GbR als Bauträgerin nach außen hin aufgetreten sei. Im Übrigen seien Ansprüche der Klägerin gegen die GbR verjährt. Gleiches gelte für eventuelle Ansprüche der GbR gegenüber der Beklagten Ziff. 1. Es gehe um Sozialansprüche der Gesellschaft gegen die Beklagte Ziff. 1 als Gesellschafterin, die der regelmäßigen 3-jährigen Verjährungsfrist des § 195 BGB unterlägen. Das streitgegenständliche Wohnhaus sei von den Bauherren im Jahr 2010 abgenommen und bezogen worden. Ansprüche der GbR gegenüber der Beklagten Ziff. 1 seien daher mit Ablauf des Jahres 2013 verjährt.

Weil die GbR durch die Klägerin nicht mehr in Anspruch genommen werden könne, seien auch die Hilfsanträge nicht nur derzeit, sondern endgültig unbegründet.

Danach sei auch der geltend gemachte Feststellungsanspruch zu Recht abgewiesen worden.

Ansprüche auf Aufwendungsersatz seien wirksam durch die beklagtenseits erklärte Aufrechnung erloschen. Angesichts der weit gefassten Aufrechnungserklärung sei der Anspruch auf Zahlung eines weiteren Vorschusses i.H.v. 25.000 € von der Aufrechnungserklärung mitumfasst. Es verbleibe im Übrigen die „dolo agit“-Einrede.

Bezüglich der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Berufungsinstanz verwiesen.

Die Akten des Landgerichts Ravensburg, Aktenzeichen 1 O 145/12 = 4 O 214/13, mit der Klage der Bauherren gegen die jetzige Klägerin waren zu Informationszwecken beigezogen.

Der Streithelfer T. hat in der mündlichen Verhandlung vom 18.1.2016 den Beitritt auf Klägerseite aufgegeben und sich dem Beklagten Ziff. 2 angeschlossen.

II.

Die zulässige Berufung gegen die Beklagte Ziff. 1 ist in der Sache in Höhe eines Teilbetrags von 57.873,81 € und im Hinblick auf die Feststellungsanträge begründet; im Übrigen ist sie unbegründet.

1.

a)

Die Klägerin und die Beklagte Ziff. 1 sind Gesellschafter einer Innengesellschaft, die als stille GesellschaftBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Gesellschaft
stille Gesellschaft
nach den §§ 230 ff. HGB anzusehen ist.

Gemeinsamer Zweck der Gesellschafter war die Errichtung und Vermarktung von Gebäuden auf verschiedenen näher bezeichneten Grundstücken. So hat die Beklagte Ziff. 1 in der mündlichen Verhandlung vom 18.1.2016 erklärt, nach dem Gesellschaftsvertrag hätten die Bauvorhaben gemeinsam realisiert werden und die Beklagte Ziff. 1 einen Anspruch auf Gewinn haben sollen. Dass die vertragliche Vereinbarung auf die Verfolgung eines gemeinschaftlichen Zwecks gerichtet und nicht nur als Subunternehmerverhältnis ausgestaltet und gewollt war, folgt dabei neben der Bezeichnung des Vertrags aus der Aufteilung der von der Klägerin im Rahmen der Geschäftsführung einzunehmenden – von den Parteien bei Abschluss des Vertrags lediglich geschätzten – Erlöse nach Prozenten – in der Art einer gesellschaftlichen Gewinnverteilung nach § 722 BGB – und nicht, wie im Rahmen eines Werkvertrags üblich dadurch, dass die Beklagte Ziff. 1 gegenüber der Klägerin die von ihr konkret erbrachten Leistungen in Rechnung stellen sollte (BGH NJW 2009, 2139 juris Rn. 3).

Nach dem Gesellschaftsvertrag sollte nur die Klägerin nach außen auftreten, weil deren Gesellschafterverpflichtung die Geschäftsführung und die Vermarktung des Projektes war. Unter Geschäftsführung verstehen die Parteien gemäß ihrer Anhörung durch den Senat vom 18.1.2016 das Management für das Bauvorhaben und die Bauabwicklung. Die Klägerin sollte selbst keine eigenen Bauleistungen erbringen, sondern die für die Errichtung der Gebäude erforderlichen Aufträge vergeben.

Dem Gesellschaftsvertrag ist nicht zu entnehmen, dass die Gesellschafter ein Gesellschaftsvermögen bilden wollten. Insbesondere war nicht vereinbart, dass die Baugrundstücke von der Gesellschaft erworben oder von einem Gesellschafter als Beitrag in die Gesellschaft eingebracht werden sollten. Vielmehr sollten die Grundstücke, bezeichnet als Anwesen, von der Klägerin in ihr eigenes Vermögen erworben werden, was tatsächlich so geschehen ist.

Nach Auskunft der Parteien erfolgte die Abwicklung der Bauvorhaben über ein Konto der Klägerin; die Gesellschaft hat kein eigenes Konto gehabt.

Die Beklagte Ziff. 1 sollte mit ihrer Einlage, den Architektenleistungen, die Tätigkeit der Klägerin unterstützen, so dass auch die Architektenleistungen nicht in ein Gesellschaftsvermögen eingegliedert wurden.

Es liegt danach eine Innengesellschaft im engeren Sinn ohne Gesamthandsvermögen vor (vgl. MüKoBGB- Ulmer/Schäfer 6. Aufl § 705 Rn. 282 ff; Palandt/Sprau, BGB 75. Aufl. § 705 Rn. 33).

b)

Diese Innengesellschaft ist eine stille GesellschaftBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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stille Gesellschaft
nach § 230 HGB. Nach außen sollte gemäß dem Gesellschaftsvertrag nur die Klägerin auftreten. Die Klägerin sollte die Finanzierung, die Geschäftsführung und die Vermarktung des gemeinsamen Projekts vornehmen. Sie war und ist damit Geschäftsinhaberin und betreibt als Formkaufmann im Sinne des § 6 HGB ein Handelsgewerbe. Mit dem Gesellschaftsvertrag hat sich die Beklagte 1 am Handelsgewerbe der Klägerin beteiligt und sollte dieses durch ihre Einlage, nämlich Architektenleistungen, unterstützen.

2.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte Ziff. 1 wegen der mangelhaften Erfüllung der Beitragsverpflichtung der Beklagten Ziff. 1 einen Schadensersatzanspruch aus den §§ 634 Nr. 4, 281, 280 BGB analog in Höhe von 57.873,81 €.

a)

Die stille GesellschaftBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Gesellschaft
stille Gesellschaft
besitzt als Innengesellschaft keine Rechtsfähigkeit, sie kann also nicht Trägerin von Rechten und PflichtenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Pflichten
Trägerin von Rechten und Pflichten
sein (Harbarth in Staub, HGB 5. Aufl. § 230 Rn. 14; Servatius in Henssler/Strohn Gesellschaftsrecht 2. Aufl. § 230 Rn. 38). Sie hat jedenfalls im vorliegenden Fall bestimmungsgemäß kein Gesellschaftsvermögen. Verbindlichkeiten eines Gesellschafters gegenüber der stillen Gesellschaft können deshalb von einem anderen Gesellschafter nicht im Wege der actio pro socio auf Leistung an die Gesellschaft geltend gemacht werden.

Das Gesellschaftsvermögen der stillen Gesellschaft ist allein Vermögen des Inhabers. Die vom stillen Gesellschafter zu leistende Einlage wird Teil des einheitlichen Vermögens des Geschäftsinhabers (§ 230 Abs. 1 HGB; Harbarth in Staub, HGB 5. Aufl. § 230 Rn. 237; Baumbach/Hopt/Roth HGB 36. Aufl. § 230 Rn. 20 und 25). Es liegt eine rein schuldrechtliche Beteiligung des stillen Gesellschafters vor. Die stille GesellschaftBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Gesellschaft
stille Gesellschaft
begründet zwischen den Gesellschaftern Rechtsbeziehungen, die allein schuldrechtlich bestehen. Diese schuldrechtlichen Beziehungen bestehen unmittelbar zwischen den Gesellschaftern, sie bestehen insbesondere nicht zwischen der vermögenslosen stillen Gesellschaft und den einzelnen Gesellschaftern.

b)

Der Geschäftsinhaber, hier die Klägerin, hat gegen den stillen Gesellschafter, hier die Beklagte Ziff. 1, damit aus dem Gesellschaftsvertrag einen unmittelbaren schuldrechtlichen Anspruch auf Leistung des Gesellschaftsbeitrags in das Vermögen des Geschäftsinhabers. Wird die Beitragsverpflichtung des stillen Gesellschafters mangelhaft erfüllt, entstehen daraus Rechte des Geschäftsinhabers gegen den stillen Gesellschafter, die der Geschäftsinhaber unmittelbar gegen den stillen Gesellschafter auf Leistung in das Vermögen des Geschäftsinhabers geltend machen kann.

Im vorliegenden Fall bestand der im Gesellschaftsvertrag vereinbarte Beitrag des stillen Gesellschafters in künftig zu erbringenden Werkleistungen. Die Leistung eines Gesellschafterbeitrags kann grundsätzlich auch in der Erbringung von Architektenleistungen bestehen (BGH NJW 1980, 1744). Wird von einem Gesellschafter als Beitrag nicht die Zahlung von Geld, sondern eine Sacheinlage oder Leistungen geschuldet, sollen die für die jeweiligen Einlage geltenden Grundsätze nicht nur bei der Erbringung der Leistung, sondern auch im Fall der Mangelhaftigkeit gelten (Palandt/Sprau a.a.O. § 706 Rn. 5; Harbarth in Staub, a.a.O. § 230 Rn. 232 zum Kaufrecht). Eine unmittelbare Anwendung der Gewährleistungsvorschriften des Werkvertragsrechts kommt nicht in Betracht, weil zwischen den Parteien kein Werkvertrag, sondern ein Gesellschaftsvertrag abgeschlossen wurde. Angesichts des Charakters des Beitrags, der in einer Leistung mit einen bestimmten Erfolg besteht, ist es jedoch sachgerecht, das werkvertragliche Gewährleistungsrecht auf einen Mangel der Leistung der Beklagten Ziff. 1 entsprechend anzuwenden. Danach sind im Fall der Mangelhaftigkeit der Architektenleistungen der Beklagten Ziff. 1 die §§ 634 ff. BGB analog anwendbar. Nachdem sich Mängel der Planung und der Bauaufsicht der Beklagten Ziff. 1 bereits im Werk niedergeschlagen haben und diese deshalb nicht mehr nachbesserungsfähig sind, macht die Klägerin Mangelfolgeschäden von Bauaufsichtsmängeln geltend, die nach §§ 634 Nr. 4, 281, 280 BGB zu einem Schadensersatzanspruch führen können.

Nichts anderes ergäbe sich für den vorliegenden Fall, wenn das werkvertragliche Gewährleistungsrecht nicht entsprechend angewendet würde. In diesem Fall ergäbe sich wegen Schlechterfüllung der Beitragsverpflichtung der Beklagten Ziff. 1 ein Schadensersatzanspruch der Klägerin unmittelbar aus den §§ 281, 280 BGB.

c)

Die Beklagte Ziff. 1 hat ihre Verpflichtung auf Leistung eines mangelfreien Gesellschaftsbeitrags schuldhaft verletzt.

Die Klägerin hat die einzelnen Mängel des Bauwerks (fehlerhafte Dampfsperre; fehlende Drainage, Undichtigkeit der bodentiefen Verglasungselemente) unter Hinweis auf das im Rechtsstreit vor dem Landgericht Ravensburg, Az. 1 O 145/12 = 4 O 214/13 eingeholte Sachverständigengutachten konkret bezeichnet und hinreichend substantiiert inhaltlich beschrieben. Sie hat diese Mängel einer behaupteten Pflichtverletzung durch die Beklagte Ziff. 2 zugeordnet und insoweit – in der Berufungsinstanz nur noch – Bauleitungs- bzw. Bauüberwachungsfehler behauptet. Für diese Mängel am Bauwerk hat die Beklagte Ziff. 1 wegen einer schuldhaften Verletzung ihrer Bauüberwachungspflicht als Teil ihrer Einlage einzustehen.

aa)

Die Pflichten des Architekten richten sich primär nach dem mit ihm abgeschlossenen Vertrag, hier somit dem in Anlage K 1 vorgelegten Gesellschaftsvertrag, aufgrund dessen die Beklagte Ziff. 1 die geschuldeten Leistungen als Beitragspflichten erbrachte. Vom Umfang her war eine Vollarchitektur geschuldet. Hierbei ist grundsätzlich das durch die Planung (Leistungsphasen 1-5 des § 15 HOAI (1991)) im Bauplan verkörperte geistige Werk und die technische und geschäftliche Oberleitung sowie die örtliche Bauaufsicht (Leistungsphasen 6-9 § 15 HOAI (1991)), letztlich insgesamt die Entstehung eines mangelfreien Bauwerks geschuldet, einschließlich der für die Wahrung der Interessen des Auftraggebers bzgl. der Baudurchführung, Geltendmachung von Mängeln und späteren Nutzung erforderlichen Einzelleistungen.

Im Rahmen der Bauleitung und Bauaufsicht hat der Architekt die Arbeiten zu koordinieren, die Ausführungsplanung zu überprüfen und dafür zu sorgen, dass das Objekt mit den Ausführungsplänen, den Leistungsbeschreibungen und insbesondere den maßgeblichen Regeln der Technik übereinstimmt. Das Ausmaß der Überwachungspflichten richtet sich im Einzelfall nach Bedeutung und Schwierigkeit des jeweiligen Bauabschnitts, sowie ggf. nach der Zuverlässigkeit der Bauhandwerker. Allgemein muss sich ein Architekt durch häufige Kontrollen vergewissern, dass die Arbeiten vor Ort ordnungsgemäß ausgeführt werden und die einzelnen Anweisungen sachgerecht erledigt werden. Bei wichtigen oder besonders kritischen Baumaßnahmen mit erhöhtem Mängelrisiko oder bei Maßnahmen, bei denen während der Ausführung Anhaltspunkte für Mängel aufgetreten sind, muss der Architekt seine Aufsichtspflichten besonders aufmerksam und intensiv wahrnehmen (BGHZ 125, 111; Palandt/Sprau, BGB, 75. Aufl. 2006, § 631 Rn. 21/22). Zwar wird nicht verlangt, dass der bauleitende Architekt ständig auf dem Bau anwesend ist, allerdings hat er wichtigen und kritischen Bauabschnitten seine Aufmerksamkeit in besonderer Weise zuzuwenden (BGH, Urteil vom 11.03.1971, VII ZR 132/69 für den Einbau abgehängter Decken; BGH, Urteil vom 25.10.1962, VII ZR 19/61 z.B. für die Herstellung von Stahlbetondecken; BGH, Urteil vom 10.02.1994, VII ZR 2093 für den Einbau eines Estrichbelags als Untergrund für Holzpflasterarbeiten; OLG KölnBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG Köln
, Urteil vom 20.01.2014, I-11 U 116/13, 11 U 116/13, juris bzgl. einer Dachsanierung).

bb)

Aufgrund der Interventionswirkung des Urteils im Rechtsstreit vor dem Landgericht Ravensburg, Az. 1 O 145/12 = 4 O 214/13, (dort war beiden Beklagten von der hiesigen Klägerin der Streit verkündet) steht fest, dass bzgl. Dampfsperre, Drainage und Abdichtung der Verglasungselemente ein Werkmangel vorliegt. In objektiver Hinsicht erstreckt sich die Interventionswirkung auf den von der Erstentscheidung beurteilten Tatsachenkomplex, sowie auf dessen tatsächliche und rechtliche Grundlagen, damit nicht lediglich auf den Tenor des vorangegangenen Urteils, sondern auch auf dessen tragende Feststellungen, die sog. Entscheidungselemente, und zwar die hinreichenden und notwendigen Bedingungen der Erstentscheidung (Zöller/Vollkommer, ZPO, 31. Aufl., 2016, § 68 Rn. 9). Nach alldem steht auch für den vorliegenden prozess fest, dass unter der Bodenplatte des streitgegenständlichen Hauses lediglich eine PE-Folie eingebracht ist und dass darin keine ausreichende Feuchtigkeitssperre zu sehen ist, somit insoweit ein Mangel des Bauwerks vorliegt. Hinsichtlich der Drainage steht sowohl fest, dass eine solche in Form einer Sickergrube fehlt und darüber hinaus dass eine Sickergrube gemäß genehmigter Baugesuchsplanung für das Vorhaben zwingend erforderlich war. Auch die Abdichtung der bodentiefen Verglasungselemente war mangelhaft und entsprach nicht den einschlägigen DIN – Normen.

cc)

Auf das Vorhandensein einer Pflichtverletzung durch die Beklagte Ziff. 1 erstreckt sich die Interventionswirkung des vorangegangenen Urteils jedoch nicht. Dass die festgestellten Mängel auf eine Pflichtverletzung von Beklagte Ziff. 1 zurückzuführen waren, gehört nicht zu den tragenden Feststellungen des vorangegangenen Urteils und ist auch in seiner Begründung an keiner Stelle erwähnt.

Die im Vorverfahren festgestellten Mängel am Bauwerk sind nach Überzeugung des Senats bereits im Hinblick auf die Art und Bedeutung der jeweils betroffenen Baumaßnahme für das Gesamtbauwerk von derart zentraler Bedeutung, dass das Entstehen dieser Mängel auf einen Bauüberwachungsfehler des Architekten schließen lässt. Für die Frage der Dampfsperre wird dies noch bekräftigt durch das als Anlage B 10 vorgelegte Leistungsverzeichnis für die Estricharbeiten, in welchem unter Pos. 3.03 eine Dampfsperre vorgesehen und konkret ausgeschrieben ist, die jedoch, wie aus dem Vorverfahren bindend feststeht, in dieser Form tatsächlich nicht eingebaut worden ist. Außerdem hat der erstinstanzlich vernommene Zeuge Daniel M., der verantwortliche Estrichleger, in der mündlichen Verhandlung vom 17.09.2014 ausgesagt, dass beim Einbau des Estrichs im streitgegenständlichen Objekt niemand von der Bauleitung anwesend gewesen sei. Die Abdichtung bodentiefer Fenster weist ein besonders hohes Mangelrisiko auf, bei welchem der Architekt bereits aufgrund der Art der Maßnahme zu erhöhter Aufmerksamkeit und einer intensiven Bauaufsicht verpflichtet ist. Dem Gutachten in dem vorangegangenen Gerichtsverfahren (Bl. 93 in der Akte des Landgerichts Ravensburg, Az. 1 O 145/12 = 4 O 214/13, dort auf Seiten 7-9 und 14 ) ist zu entnehmen, dass an den bodentiefen Fenstern weder eine Schwelle noch eine Entwässerungsrinne angebracht ist, sondern der Terrassenbelag nahtlos an die Fensterunterkanten anschließt. Aus diesem Erscheinungsbild und der damit verbundenen Offenkundigkeit und Schwere des Fehlers steht eine Verletzung der Bauüberwachungspflicht der Beklagten Ziff. 1 fest.

dd)

Wenn die objektiven Voraussetzungen für eine Mangelgewährleistungshaftung der Beklagten Ziff. 1 vorliegen, so ist es an der Beklagten Ziff. 1, das gemäß § 280 Abs. 1 S. 2 BGB vermutete Verschulden auf ihrer Seite auszuräumen (BGH, Urteil vom 16.05.2002, a.a.O., dort Rn. 13, zitiert nach juris). Nach den allgemeinen Regeln hat der Schuldner Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten.

Es kann offenbleiben, ob im vorliegenden Fall, in dem die Architektenleistungen im Rahmen des Gesellschaftsvertrages als Beitragsverpflichtung zu erbringen waren, im Rahmen der Mangelgewährleistung der für Gesellschafterbeiträge grundsätzlich geltende § 708 BGB zur Anwendung kommt, wonach ein Gesellschafter bei der Erfüllung der ihm obliegenden Verpflichtungen nur für diejenige Sorgfalt einzustehen hat, die er in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegt ( Meyer, ZfIR 2013, 680, 684).

Im vorliegenden Fall hat die Beklagte Ziff. 1 zu einem Fehlen des Verschuldens nichts vorgetragen, so dass auch bei Anwendung des § 708 BGB die Haftung der Beklagten Ziff. 1 auf Schadensersatz nicht ausgeschlossen wäre. Die Beklagte Ziff. 1 trägt lediglich vor, dem Beklagten Ziff. 2 mit den Leistungsphasen 4, 5, 6 und 8 als Subunternehmer unterbeauftragt zu haben. Soweit die Beklagte Ziff. 1 hiermit auf eine Alleinverantwortlichkeit des Beklagten Ziff. 2 für Objektüberwachung und Bauleitung verweisen will, kann dies bei der Frage des Vertretenmüssens im Verhältnis zur Klägerin nicht weiterhelfen, da die Beklagte Ziff. 1 nicht nur für eine eigene, sondern auch für die vom Subunternehmer begangene Pflichtverletzung und dessen Verschulden über § 278 BGB einzustehen hat. Auch der Umstand, dass die Beklagte Ziff. 1 ihre eigenen Ansprüche gegenüber dem Beklagten Ziff. 2 aus dem Rechtsverhältnis der „Unter-Beauftragung“ erfüllungshalber an die Klägerin abgetreten hat, hilft ihr nicht weiter. Hierbei geht es um unterschiedliche Ansprüche, die Abtretung eigener Ansprüche hat an der Verantwortlichkeit der Beklagten Ziff. 1 gegenüber der Klägerin nichts geändert.

d)

Der Klägerin ist ein Schaden aufgrund der mangelhaften Erfüllung der Beitragsverpflichtung der Beklagten Ziff. 1 i.H.v. 57.873,81 € entstanden.

Zwar ist der Schaden durch die Verletzung der Bauaufsichtspflicht der Beklagten Ziff. 1 nicht unmittelbar bei der Klägerin entstanden, sondern bei den Erwerbern des Grundstücks. Diese haben jedoch in dem vorangegangenen Zivilprozess vor dem Landgericht Ravensburg, Az. 1 O 145/12 = 4 O 214/13, die hiesige Klägerin auf Nachbesserung in Anspruch genommen. In Höhe der Nachbesserungskosten ist der Klägerin damit bereits ein Schaden entstanden; darüber hinaus sind aufgrund der von der Beklagten Ziff. 1 zu verantwortenden Mängel bei der Klägerin weitere Nebenkosten als Schaden angefallen.

Die Belastung mit einer Nacherfüllungsverpflichtung als solche stellt bereits einen Vermögensschaden im Sinne der §§ 249 ff. BGB dar. Dabei besteht zunächst gemäß § 249 Abs. 1 BGB als Anspruch auf Naturalrestitution ein Freistellungsanspruch, der sich jedoch durch Leistung der Klägerin oder gemäß § 250 BGB in einen Geldersatzanspruch in Höhe desjenigen Geldwertes, der zur Tilgung der Verbindlichkeit erforderlich ist, umwandeln kann. Eine Umwandlung eines Befreiungsanspruchs in einen Anspruch auf Zahlung wird darüber hinaus schon dann angenommen, wenn sich der Gläubiger des Befreiungsanspruchs in einer Lage befindet, die seine Inanspruchnahme mit Sicherheit erwarten lässt (BGH MDR 2015, 303 m.w.N.).

aa) Nachbesserungskosten

Die Klägerin macht gegen die Beklagte Ziff. 1 Nachbesserungskosten i.H.v. 45.500 € netto geltend.

Laut S. 4 des in 1. Instanz eingeholten Ergänzungsgutachten des Sachverständigen Dipl.-Ing. P. vom 8.04.2015 betragen diese 45.365 € netto. Der Anspruch der Bauherren auf Vorschuss auf die Selbstvornahmekosten, der von den Bauherrn nach § 637 Abs. 3 BGB sowie nach § 887 Abs. 2 ZPO geltend gemacht wurde, ist durch eine Aufrechnungserklärung der Klägerin mit Anwaltsschreiben vom 15.10.2015 über 33.451,80 € zumindest in Höhe der von den Bauherren akzeptierten 30.000 € befriedigt worden. Darüber hinaus hat die Klägerin aufgrund des rechtskräftigen Beschlusses des Landgerichts Ravensburg vom 21.12.2015 in dem Verfahren mit dem Az. 4 O 214/13, mit dem die hiesige Klägerin zur Zahlung eines weiteren Vorschusses gemäß § 887 Abs. 2 ZPO i.H.v. 39.972 € verpflichtet wurde, ausweislich des Kontoauszugs vom 15.1.2016 weitere 39.972 € gezahlt.

Der in der Berufungsinstanz neue Vortrag zu Erfüllungshandlungen der Klägerin gegenüber dem Bauherrn ist nach § 531 Abs. 2 ZPO zu berücksichtigen, weil sowohl die Aufrechnungserklärung als auch die Zahlung erst nach Schluss der letzten mündlichen Verhandlung 1. Instanz geschehen sind und deshalb in 1. Instanz noch nicht vorgetragen werden konnten.

Damit ist spätestens durch die Leistungen der Klägerin in Höhe von insgesamt 69.972 € als Vorschuss ein Zahlungsanspruch auf Schadensersatz in Höhe der im vorliegenden Verfahren festgestellten Mangelbeseitigungskosten von 45.365 € netto entstanden. I.H.v. darüber hinausgehender 135 € netto kann derzeit ein Schaden nicht festgestellt werden, weil nicht auszuschließen ist, dass der an die Bauherren gezahlte Vorschuss nach dessen Abrechnung von diesen an die Klägerin zurückzuzahlen ist, soweit ein Betrag von 45.365 € netto überschritten ist, nachdem die Mängelbeseitigungskosten laut dem Gerichtsgutachten nach derzeitigem Kenntnisstand nicht höher anzusetzen sind.

bb) Kosten aus dem KfB im Rechtsstreit vor dem Landgericht Ravensburg, Az. 1 O 145/12 = 4 O 214/13

Die Klägerin macht neben den Mangelbeseitigungskosten die durch den Kostenfestsetzungsbeschluss titulierten Prozesskosten aus dem Verfahren 1 O 145/12= 4 O 214/13 in Höhe von 5.394,03 € geltend. In diesem Verfahren war die Klägerin wegen der streitgegenständlichen Mängel von den Bauherren in Anspruch genommen worden. Die Zahlung auf den Kostenfestsetzungsbeschluss hat die Klägerin in 1. Instanz mit einem Kontoauszug belegt. Die Beklagte Ziff. 1 ist zum Ersatz dieser durch die von ihr zu verantwortenden Mängel des Bauwerks verursachten Kosten verpflichtet.

cc) Kosten für den Ingenieur/Heizungsbaumeister H.

Dass diese Kosten i.H. von 3.021,77 € bezahlt wurden, war nie streitig. Das zunächst erfolgte Bestreiten der Erforderlichkeit hat die Beklagte Ziff. 1 fallengelassen. Diese Kosten sind von der Beklagten Ziff. 1 daher ebenfalls zu erstatten.

dd) Rechtsanwaltskosten der Klägerin im Rechtsstreit vor dem Landgericht Ravensburg, Az. 1 O 145/12 = 4 O 214/13

Soweit die Klägerin darüber hinaus als weitere Schadensersatzposition die im Verfahren 1 O 145/12 an ihren eigenen Anwalt verauslagten Rechtsanwaltskosten in Höhe von 4.093,01 € geltend macht, sind diese nachweislich bezahlt. Die Klägerin hat insoweit bereits in 1. Instanz ausreichenden Beweis erbracht. Der diese Zahlung ausweisende Kontoauszug ist in Bl. 92 vorgelegt. Insoweit handelt es sich nicht um einen in der Berufungsbegründung erstmals beigebrachten Nachweis. Außerdem ist zum Erhalt dieser Zahlung der Anwalt der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 10.06.2015 als Zeuge vernommen worden. Der Zeuge hat den Erhalt der Zahlung bestätigt.

3.

Die gegen den Schadensersatzanspruch der Klägerin erhobenen Gegenrechte und Einreden der Beklagten Ziff. 1 greifen nicht durch.

a)

Die Abtretung der Ansprüche von der Beklagten Ziff. 1 gegen den Beklagten Ziff. 2 an die Klägerin steht einer Inanspruchnahme der Beklagten Ziff. 1 in diesem prozess nicht entgegen.

aa) Leistung erfüllungshalber

Die Beklagte Ziff. 1 hat unter dem Datum des 22. bzw. 23.02.2012 die ihr gegen den Beklagten Ziff. 2 zustehenden Ansprüche an die Klägerin abgetreten. Es kann davon ausgegangen werden, dass die Klägerin dieses Abtretungsangebot angenommen hat (§ 151 BGB). Erstinstanzlich hat die Beklagte Ziff. 1 die Rechtsansicht vertreten, dass durch diese Abtretung etwaige Ansprüche der Klägerin gegenüber der Beklagten Ziff. 1 erfüllt seien. Sie geht von einer Abtretung an Erfüllungs statt aus und leitet hilfsweise aus einer Abtretung lediglich erfüllungshalber den Einwand der fehlenden Klagbarkeit gegenüber sich her.

Grundsätzlich gilt, dass die Abtretung einer Forderung als Leistung lediglich „erfüllungshalber“ erfolgt. Die Auslegungsregel des § 364 Abs. 2 BGB wird für die Forderungsabtretung jedenfalls analog angewendet (OLG Stuttgart, Urteil vom 21.10.2009, 3 U 64/09; BGH NJW 1993, 1578, Dennhardt in Beck’scher Online-Kommentar BGB, Bamberger/Roth, 37. Edition, § 364 Rn. 5). Anhaltspunkte dafür, dass die Parteien durch die vorliegende Forderungsabtretung ausnahmsweise eine Erfüllung der zwischen der Klägerin und der Beklagten Ziff. 1 existierenden Ansprüche und damit eine Leistung an Erfüllungs statt gewollt hätten, ergeben sich aus der Abtretungsurkunde in Anlage K 2 nicht. Damit ist vorliegend von einer Forderungsabtretung erfüllungshalber auszugehen.

bb) Wirkungen

Mit einer Leistung erfüllungshalber ist regelmäßig eine Stundung der Grundforderung verbunden, zum Teil wird insoweit sogar von einem teilweisen Ausschluss der Klagbarkeit ausgegangen und gefordert, dass der Gläubiger vorrangig beim Schuldner der abgetretenen Forderung Befriedigung zu suchen habe. Die Klägerin hat durch Anlage K 10 nachgewiesen, dass der Beklagte Ziff. 2 vorgerichtlich bereits in Anspruch genommen wurde und eine Haftung mit Hinweis auf die vorrangige Verantwortlichkeit von der Beklagten Ziff. 1 grundsätzlich abgelehnt hat. Dies genügt für eine vorrangige Inanspruchnahme des Beklagten Ziff. 2. Dass vor einer Inanspruchnahme der Beklagten Ziff. 1 der Beklagte Ziff. 2 gerichtlich in Anspruch genommen sein musste, ist nicht ersichtlich. Insbesondere ergibt sich dies nicht aus der Abtretungsurkunde. Im Übrigen sind beide im vorliegenden Verfahren nunmehr gemeinsam verklagt gewesen.

b)

Die erhobene Einrede der Verjährung greift nicht durch. Die streitgegenständlichen Ansprüche der Klägerin gegen die Beklagte Ziff. 1 sind unverjährt.

Da die Architektenleistungen vorliegend als gesellschaftsvertragliche Beitragsverpflichtung zu erbringen waren, gilt für die Frage der Verjährung der hieraus resultierenden Gewährleistungsrechte die werkvertragliche Verjährungsvorschrift des § 634a BGB, nicht hingegen die Regelverjährung aus §§ 195, 199 BGB (Soergel/Hadding, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 12. Aufl., 2007, § 706 Rn. 34; BGH NJW 1980, 1744). Danach verjähren mangelbedingte Schadensersatzansprüche vorliegend gemäß § 634a Abs. 1 Nr. 2 BGB in 5 Jahren, beginnend mit Abnahme des von der Beklagten Ziff. 1 gegenüber der Klägerin geschuldeten Werks. Die Abnahme hat im jeweiligen schuldrechtlichen Verhältnis, hier also durch die Klägerin gegenüber der Beklagten Ziff. 1, zu erfolgen. Für die Abnahme der Architektenleistungen, die die Beklagte Ziff. 1 an die Klägerin in Erfüllung ihrer Beitragsverpflichtung erbracht hat, ist die Abnahme des geschuldeten Bauwerks der Bauherrn gegenüber der Klägerin als Bauträgerin weder ausreichend noch erforderlich, so dass es nicht auf die Endabnahme nach VOB/B gemäß § 12, die in den Anlagen zum Sitzungsprotokoll nach Bl. 165 ff.( dort auf der 1. Seite des Anlagenhefters) dokumentiert ist, ankommt. Die Abnahme der Architektenleistungen ist auch nicht ohne weiteres im Bezug des Hauses zu sehen (Werner/Pastor, Der Bauprozess, 15. Aufl., 2015, Rn. 2869). Damit kommt es für den Verjährungsbeginn auch nicht auf den Einzug der Eheleute Me. in das Objekt an, welcher im November 2010 unstreitig stattfand.

Wenn, wie hier, eine Vollarchitektur geschuldet ist, kann die Verjährung grundsätzlich erst beginnen, wenn die Leistungen insgesamt, insbesondere auch diejenigen der Leistungsphase 9 vollständig erbracht sind, mithin könnte die Verjährung dann erst mit Ablauf der Gewährleistungsfrist für Baumängel beginnen und liefe von da ab noch weitere 5 Jahre (so Werner/Pastor, a.a.O.). Auch an eine etwaige vollständige Zahlung der Schlussrechnung kann für einen Verjährungsbeginn vorliegend nicht angeknüpft werden. Die Leistung der Beklagten Ziff. 1 sollte nach dem Gesellschaftsvertrag durch die Auszahlung eines Gewinnanteils im Rahmen der Abrechnung nach Abschluss des Projektes honoriert werden.

Eine Abnahme der Architektenleistungen der Beklagten Ziff. 1 durch die Klägerin ist nicht ersichtlich. Gewährleistungsrechte sind danach nicht verjährt.

c)

Die Ansprüche der Klägerin sind nicht im Rahmen einer Vorteilsausgleichung in der Leistungskette ausgeschlossen. Dem steht schon entgegen, dass die Klägerin von dem Bauherren selbst erfolgreich auf Mängelbeseitigung gerichtlich in Anspruch genommen wurde und wird. Der Anspruch der Klägerin wendet sich nicht gegen die Gesellschaft, sondern gegen die Beklagte Ziff. 1 direkt.

d)

Den Klageforderungen stehen nicht eigene Pflichtverletzungen der Klägerin entgegen.

Die Beklagte Ziff. 1 meint, daraus, dass die Klägerin ihrerseits ihre gesellschaftsvertraglichen Pflichten verletzt habe, eine Einrede gegen die Inanspruchnahme ableiten zu können. Zunächst gibt es bereits im Ansatz keinen Grundsatz, wonach derjenige, der selbst Vertragspflichten verletzt, nicht berechtigt wäre, seinerseits Ansprüche wegen Pflichtverletzung gegenüber dem Vertragspartner geltend zu machen.

Außerdem lässt sich eine Pflichtverletzung der Klägerin nicht feststellen. Die Beklagte Ziff. 1 meint, die Klägerin hätte ihre gesellschaftsvertraglichen Verpflichtungen dadurch verletzt, dass sie den Bauträgervertrag mit den Eheleuten Me. im eigenen Namen abgeschlossen habe, jedoch gesellschaftsvertraglich lediglich zu einer Vertretung der Gesellschaft nach außen hin und damit zu einer Handlung im Namen und in Vertretung der GbR berechtigt gewesen wäre.

Nach dem Gesellschaftsvertrag sollte eine Innengesellschaft gegründet werden, in der lediglich die Klägerin im Rahmen der Vermarktung der Projekte nach außen hin tätig wird. Es ist gerade das Charakteristikum der Innengesellschaft, dass nicht die Gesellschaft als solche, ggf. vertreten durch einen Geschäftsführer, nach außen handelt, sondern der einzelne Gesellschafter im eigenen Namen nach außen hin tätig wird. Bei der stillen Gesellschaft wird gemäß § 230 Abs. 2 HGB der Inhaber aus dem im Betrieb geschlossenen Geschäften allein berechtigt und verpflichtet. So hatte die Klägerin gemäß dem Gesellschaftsvertrag die Geschäfte im eigenen Namen, aber auf gemeinsame Rechnung zu führen. Eine Pflichtverletzung der Klägerin lässt sich hier nicht feststellen.

e)

Ein Mitverschulden der Klägerin an dem geltend gemachten Schaden ist nicht festzustellen. Insbesondere hat die Klägerin keine eigenen Bauleistungen erbracht und damit die Mängel nicht mit verursacht.

4.

Der Schadensersatzanspruch der Klägerin ist nicht durch die Hilfsaufrechnung der Beklagten Ziff. 1 mit einem Architektenhonorar gemäß HOAI erloschen.

Die Beklagte Ziff. 1 hat mit Schriftsatz vom 30.04.2014 die hilfsweise Aufrechnung mit ihr zustehenden Werklohnansprüchen auf Architektenhonorar gegen die von der Klägerin erstinstanzlich als Hauptantrag geltend gemachte Zahlungsklage erklärt.

a)

Als Gegenforderungen macht die Beklagte Ziff. 1 Ansprüche auf Zahlung von Architektenhonorar geltend, die sich aus der Erbringung von Architektenleistungen für mehrere Bauvorhaben in Weingarten, L. Straße 9, R. Straße 4/1 und 4/2 sowie R. Straße 6/1 und 6/2 ergeben sollen. Alle diese Grundstücke sind Teil des gesellschaftsvertraglichen Projekts zur Bebauung und Vermarktung von Grundstücken aus Anlage K 1. Die Vertragspartner haben dort vereinbart, dass die Vergütung der Beklagten Ziff. 1 für erbrachte Architektenleistungen für die dortigen Bauvorhaben durch einen erfolgsbezogenen Gewinnanteil von 20% abgegolten sein soll. Auf diesen Gewinnanteil sind pauschale Vorauszahlungen von 2 x 25.000,00 € vereinbart worden, von denen unstreitig die Beklagte Ziff. 1 eine Zahlung bereits erhalten hat.

Die zur Aufrechnung gestellten Architektenhonorarforderungen sollen demgegenüber nach den Grundsätzen der HOAI berechnet werden.

Vorliegend ist es der Beklagten Ziff. 1 auf der Grundlage der getroffenen vertraglichen Absprache mit der Klägerin jedoch verwehrt, nach HOAI abzurechnen. Zwischen den Parteien bestehen gesellschaftsvertragliche Beziehungen. Die Beklagte Ziff. 1 hat die hier abgerechneten Architektenleistungen als gesellschaftsvertragliche Beitragsleistung erbracht. Dann jedoch findet eine Abrechnung des Architektenhonorars nach den Grundsätzen der HOAI nicht statt (Staudinger/Peters/Jacoby BGB § 632 Rn. 133; für die Architektengesellschaft Koeble in Locher/Koeble/Frick HOAI 12. Aufl. § 7 Rn. 11).

Nach der Rechtsprechung des BGH soll es allerdings unerheblich sein, welchem Vertragstyp des Besonderen Teils des Schuldrechts der Vertrag zuzuordnen ist, der den Vergütungsanspruch begründet. Entscheidend sei allein, ob die vertraglich geschuldete Leistung des Auftragnehmers in den Leistungsbildern der HOAI beschrieben ist (BGH NJW-RR 2000, 1333 juris Rn. 9). Danach wären in den Grenzen des § 242 BGB auch abhängig Beschäftigte, die zB für einen Bauträger Architektenleistungen erbringen, und Beamte, die für ihren Dienstherrn Architektenleistungen erbringen, berechtigt, anstelle oder ergänzend zu ihrem Gehalt Architektenleistungen nach der HOAI abzurechnen (Wirth/Galda in Korbion/Mantscheff/Vygen, HOAI 9. Aufl. E § 1 HOAI Rn. 51 f.; anders zum Subplaner als Angestellten oder im arbeitnehmerähnlichen Dienstvertrag Rn 57 ff.; Hartmann HOAI § 1 Rn. 10; aA Koeble in Locher/Koeble/Frick HOAI 12. Aufl. § 7 Rn. 11; Vogel in FBS HOAI § 1 Rn. 38). Ob dies dem Regelungszweck der HOAI noch entspricht, ist fraglich. Die zitierte Auffassung des BGH überzeugt jedenfalls für den Gesellschaftsvertrag nicht.

§ 2 Abs. 1 S. 2 des Gesetzes zur Regelung von Ingenieur- und Architektenleistungen deutet mit der „Beratung des Auftraggebers“ an, dass sich die Ermächtigung zum Erlass einer Honorarordnung für Architekten auf das Verhältnis eines Auftraggebers zum Auftragnehmer bezieht, also auf die Regelung von Honorarfragen im Rahmen eines Werkvertrags. Die HOAI regelt nach § 1 HOAI die Berechnung der Entgelte. Entgelt bezeichnet die in einem Vertrag vereinbarte, auf die Zahlung von Geld gerichtete Gegenleistung (Vogel in FBS HOAI § 1 Rn. 5; vgl. zu §§ 286 Abs. 3, 288 Abs. 2 BGB, allerdings jeweils unter dem Eindruck der Richtlinie 2000/35/EG; BGH NJW 2010, 1872 juris Rn. 18 ff; OLG KarlsruheBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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MDR 2006, 101 juris Rn. 12). Im Gegensatz zum Werkvertrag, bei dem ein Leistungsaustausch stattfindet, verpflichtet sich ein Gesellschafter, den Gesellschaftszweck zu fördern. Auch wenn das Fördern des Gesellschaftszwecks durch das Erbringen von Architekten- oder Ingenieurleistungen erfolgt, rechtfertigt das nicht die Anwendung der HOAI auf diese Leistungen. Der Gesellschafter hat keinen Anspruch auf Entgelt im Sinn des § 1 HOAI, sondern im Zweifel auf Auszahlung seines Anteils am Gewinn. Insoweit gelten die gesellschaftsrechtlichen Bestimmungen, die dem besonderen Zweck der Gesellschaft besser gerecht werden. Es würde den Grundsätzen des Gesellschaftsrechts widersprechen, wenn ein Gesellschafter unabhängig von Gewinn und Verlust der Gesellschaft einen Anspruch gegen die Gesellschaft auf eine Auszahlung auf seine Einlage in Höhe der Mindestsätze der HOAI hätte. Die Ermächtigungsgrundlage umfasst danach nicht die Honorierung von Leistungen, die nicht in einem Austauschverhältnis, sondern innerhalb einer Gesellschaft aufgrund einer gesellschaftsrechtlichen Verpflichtung erbracht werden.

Das birgt zwar die Gefahr der Umgehung der HOAI, wenn anstelle eines Werkvertrags ein Gesellschaftsvertrag geschlossen wird. Während bei Abschluss eines Werkvertrags der Architekt eine bestimmte, bei Abnahme fällige Vergütung erhält, bestehen für ihn bei Abschluss eines Gesellschaftsvertrags davon erheblich abweichende Chancen und Risiken für den Ertrag aus seiner Architektenleistung. Nach Abschluss eines Gesellschaftsvertrags hat er statt einem festen Vergütungsanspruch einen Anspruch auf Gewinn, der nach Abrechnung fällig wird und der Höhe nach vom Erfolg der Gesellschaft abhängt, und gegebenenfalls hat er eine Verlustbeteiligung zu verkraften. So muss ein Gesellschafter, der Architektenleistungen als Einlage in eine Gesellschaft erbracht hat, befürchten, keine Auszahlung zu erhalten, wenn z.B. das errichtete Bauwerk mangelhaft ist, auch wenn er für diesen Mangel nicht verantwortlich ist, und deshalb die Gesellschaft keinen Gewinn erwirtschaftet. Damit birgt der Eintritt eines Architekten in eine Gesellschaft mit einer Beitragsverpflichtung, die Architektenleistungen umfasst, eigene Risiken und Erschwernisse. Dies begrenzt die Gefahr von Gesellschaftsgründungen zur Umgehung der Vorgaben der HOAI.

Nach dem Gesellschaftsvertrag sollte hier abweichend von § 232 Abs. 1 HGB der Gewinnanteil der Beklagten Ziff. 1 erst nach Abschluss des Projekts abgerechnet und ausgezahlt werden. Nachdem das Projekt weder abgeschlossen noch abgerechnet ist, ist der Anspruch der Beklagten Ziff. 1 auf Auszahlung ihres Gewinnanteils, sofern überhaupt ein Gewinn verbleibt, noch nicht fällig und kann daher nicht zur Aufrechnung gestellt werden. Eine Gewinn- und Verlustrechnung gemäß § 232 Abs. 1 HGB liegt ebenfalls nicht vor.

b)

Das Landgericht befasst sich inhaltlich nicht mit den von der Beklagten Ziff. 1 tatsächlich zur Aufrechnung gestellten Ansprüchen auf Zahlung von Architektenhonorar aus der Realisierung der o.g. weiteren Bauvorhaben, sondern nimmt eine Aufrechnung mit der unstreitig noch ausstehende zweiten Vorschusszahlung in Höhe von 25.000,00 € aus dem Gesellschaftsvertrag als aufrechenbare Gegenforderung an. Das Landgericht hält die Aufrechnungserklärung der Beklagten Ziff. 1 dahingehend für auslegungsfähig und auslegungsbedürftig, dass die Beklagte Ziff. 1 umfassend sämtliche möglichen Ansprüche gegen die Hauptforderung der Klägerin zur Aufrechnung gestellt wissen wollte.

Diese Auslegung ist nicht statthaft. Die Aufrechnungserklärung der Beklagten Ziff. 1 im Schriftsatz vom 30.04.2014 ist weder auslegungsfähig noch auslegungsbedürftig. Ausdrücklich benennt die Beklagte Ziff. 1 die zur Aufrechnung gestellten Gegenforderungen nach Inhalt und Höhe und benennt die jeweils zugrunde liegenden Rechnungen. Diese Abgrenzung ist klar und unmissverständlich. Die Forderungen sind konkret inhaltlich nach Grund und Höhe bezeichnet. Darüber hinauszugehen und eine aus einem gänzlich anderen Rechtsgrund resultierende Forderung in anderer Höhe als ebenfalls zur Aufrechnung gestellt zu bezeichnen, verbietet sich.

Ob angesichts der Mangelhaftigkeit der Werkleistung der Beklagten Ziff. 1 überhaupt noch ein weiterer Anspruch auf Vorauszahlung besteht, kann danach dahingestellt bleiben.

5.

Die Feststellungsanträge sind zulässig und begründet.

Insbesondere liegt das besondere Feststellungsinteresse vor. Solange die Nachbesserungsarbeiten tatsächlich noch nicht begonnen, bzw. abgeschlossen sind, ist nicht absehbar, welche, evtl. auch über die vom Sachverständigen bezifferten Kosten hinausgehenden Kosten tatsächlich im Rahmen der Realisierung der Arbeiten noch entstehen werden. Die Klägerin hat ein berechtigtes Interesse daran, dass die Einstandspflicht auch diesbezüglich bereits jetzt festgestellt wird.

Nachdem bei der Durchführung der Nachbesserungsarbeiten mit hinreichender Wahrscheinlichkeit über die vom Sachverständigen Dipl. Ing. P. bezifferten Kosten hinaus noch weitere Kosten entstehen können, sind die die zugesprochene Schadensersatzzahlung ergänzenden Feststellungsanträge begründet. Insoweit gibt schon die von den fachkundig beratenen Bauherrn vertretene Auffassung eines Mängelbeseitigungsaufwands von 69.972 € (vgl. Anwaltsschreiben vom 24.4.2015, Anl. K2) ausreichend Anlass für die begehrte Feststellung.

Zu der vom Landgericht angenommenen Aufrechnung mit einem Anspruch auf Vorauszahlung i.H.v. 25.000 € wird auf die Ausführungen oben unter Ziff. 4 b) verwiesen.

6.

Der Verzinsung liegen die §§ 291, 288 Abs. 1 BGB zu Grunde. Die Schadensersatzforderung der Klägerin ist keine Entgeltforderung im Sinne des § 288 Abs. 2 BGB, so dass die Beklagte Ziff. 1 lediglich Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz schuldet.

Die Klage mit einem Zahlungsantrag i.H.v. 57.323,30 € wurde der Beklagten Ziff. 1 am 26.3.2014 zugestellt, so dass dieser Betrag ab dem 27.3.2014 zu verzinsen ist. Der weitere Betrag von 550,51 € ist nach Zustellung der Klageerweiterung vom 31.3.2014 ab dem 5.4.2014 zu verzinsen.

7.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 91, 92, 97 Abs. 1, 516 Abs. 3 und 101 Abs. 1 ZPO.

Der Streithelfer T. hat während der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 18.1.2016 erklärt, dass er den Beitritt auf Klägerseite aufgebe und sich als Streithelfer dem Beklagten Ziff. 2 anschließe. Damit hat er seinen Beitritt auf Klägerseite zurückgenommen, so dass ihm entsprechend § 269 Abs. 3 S. 2, Abs. 4 ZPO die durch die Nebenintervention verursachten Kosten aufzuerlegen sind (MüKoZPO-Schulz, 4. Aufl. § 101 Rn. 17). Der Beitritt auf Seiten des Beklagten Ziff. 2 ist als weiterer Beitritt anzusehen. Die Klägerin hat die außergerichtlichen Kosten des Streithelfers T. nur insoweit zu tragen, als diese nach dem Beitritt des Streithelfers T. auf Seiten des Beklagten Ziff. 2 bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung 2. Instanz entstanden sind, denn die Tätigkeit des Rechtsanwalts vor und nach Beitrittswechsel innerhalb eines Rechtszugs ist dieselbe Angelegenheit im Sinn des § 15 Abs. 1, Abs. 2 und Abs. 5 RVG, so dass die Gebühren nach Nr. 3100 ff. VV/RVG nur einmal entstehen (MüKoZPO-Schulz, 4. Aufl. § 101 Rn. 17). Nachdem alle Gebühren bis zum Zeitpunkt des Wechsels der unterstützten Partei bereits angefallen waren, kann der Streithelfer T. nur noch seine danach entstandenen Kosten und Auslagen, insbesondere die Kosten für die Rückreise von der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erstattet verlangen. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Wechsel des Beitritts des Streithelfers T. während der mündlichen Verhandlung vor dem Senat allein der Erlangung eines Kostentitels dienen sollte und damit rechtsmissbräuchlich wäre, nachdem nach dem Beitritt auf Beklagtenseite die Parteien und Streithelfer Gelegenheit zur Stellungnahme zur vorläufigen Auffassung des Senats über die Berufung erhalten haben.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 708 Nr. 10, 711, 709 S. 2 ZPO.

Die Revision wird zugelassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat und der Senat im Hinblick auf die Frage der Anwendbarkeit der HOAI in Gesellschaftsverhältnissen von einer Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH NJW-RR 2000, 1333 juris Rn. 9) abweicht (§ 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 und Nr. 2 ZPO).

Schlagworte: actio pro socio, Durchsetzung von Sozialansprüchen, Einzelfälle zur Gesellschafterklage, Innengesellschaft, Schadensersatz gegen Mitgesellschafter, stille Gesellschaft, Zulässigkeit der Gesellschafterklage

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OLG Stuttgart, Beschluss vom 16.11.2015 – 14 AR 2/15

Montag, 16. November 2015

§ 64 S 1 GmbHG, § 29 Abs 1 ZPO, § 36 Abs 1 Nr 3 ZPO

Zur Vermeidung von Zuständigkeitsstreitigkeiten kann eine Bestimmung des örtlich zuständigen Gerichts nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO bereits dann erfolgen, wenn ein gemeinsamer besonderer Gerichtsstand aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht zweifelsfrei festzustellen ist.

Nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO hat bei einer Klage gegen Streitgenossen, die bei verschiedenen Gerichten ihren allgemeinen Gerichtsstand haben, eine Bestimmung des zuständigen Gerichts zu erfolgen, wenn für den Rechtsstreit ein gemeinschaftlicher besonderer Gerichtsstand nicht begründet ist. Nach dem Vorbringen des Antragstellers würden die Antragsgegner für etwaige Rückzahlungsansprüche nach § 64 S. 1 GmbHG als damalige Geschäftsführer der Insolvenzschuldnerin gemeinschaftlich haften und sind daher Streitgenossen im Sinne des § 60 ZPO (vgl. Schmidt in Scholz, GmbHG, 11. Aufl. 2015, § 64 Rn. 60). Die Antragsgegner haben ihren allgemeinen Gerichtsstand im Bezirk des Landgerichts Y bzw. des Landgerichts X. Ein gemeinsamer besonderer Gerichtsstand lässt sich zudem nicht zweifelsfrei feststellen. Zwar wird zum Teil die Ansicht vertreten, dass es sich bei der Rückzahlungspflicht des § 64 S. 1 GmbHG um ein Fortwirken der Geschäftsführerpflichten handele, die grundsätzlich am Sitz der GesellschaftBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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zu erfüllen seien, so dass ein besonderer Gerichtsstand nach § 29 Abs. 1 ZPO eröffnet wäre (vgl. Haas/Kolmann/Pauw in Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2015, § 92 Rn. 192). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes handelt es sich bei dem geltend gemachten, zugunsten der Insolvenzgläubiger bestehenden Anspruch nach § 64 S.1 GmbHG jedoch um eine Ersatzforderung eigener Art, die nicht unmittelbar an die Geschäftsführerpflichten gegenüber der Gesellschaft anknüpft (vgl. BGH, Beschluss vom 11.02.2008 – II ZR 291/06 = NJW-RR 2008, 1066). Es bestehen daher zumindest erhebliche Zweifel, ob Ersatzansprüche nach dieser Vorschrift dem Anwendungsbereich des § 29 Abs. 1 ZPO unterfallen (vgl. Haas in Baumbach/Hueck, GmbHG, 20. Aufl. 2013, § 64 Rn. 14a). Ein gemeinsamer besonderer Gerichtsstand wird auch nicht durch § 19a ZPO begründet, weil diese Vorschrift allein auf Passivprozesse des Insolvenzverwalters Anwendung findet (vgl. BGH, Urteil vom 27.05.2003 – IX ZR 203/02 = NJW 2003, 2916). Die Zweifel am Bestehen eines gemeinsamen besonderen Gerichtsstands sind für die Eröffnung einer Bestimmung des zuständigen Gerichts durch das nächsthöhere Gericht nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO ausreichend. Da diese Norm eine Bestimmung des zuständigen Gerichts auch bereits vor Einleitung des gerichtlichen Verfahrens zulässt, kommt es insoweit auch nicht darauf an, ob eines der zuerst befassten Gerichte bereits Zweifel an seiner Zuständigkeit hat erkennen lassen (vgl. zu letzterem: BayObLG, Beschluss vom 10.11.2003 – 1Z AR 114/03 = NJW-RR 2004, 944; OLG KarlsruheBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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, Beschluss vom 11.10.2005 – 15 AR 44/05 = OLGR 2006, 357). Entscheidend ist vielmehr, dass derartige Zweifel bereits jetzt gegeben sind und durch eine Bestimmung des zuständigen Gerichts zum jetzigen Zeitpunkt Zuständigkeitsstreitigkeiten für das weitere Verfahren vermieden werden können (vgl. OLG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 06.02.2014 – 1 AR 28/13, zitiert nach Juris; OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG München
, Beschluss vom 08.01.2013 – 34 AR 336/12 = ZIP 2013, 435). Denn die Vorschrift des § 36 ZPO dient in erster Linie der prozessökonomie durch Vermeidung von Verfahrensverzögerungen durch Streitigkeiten über das zuständige Gericht. Einer Bestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO stehen auch keine schützenswerten Belange der Antragsgegner entgegen. Insbesondere ist ein entsprechender Antrag auch im Mahnverfahren nach Abgabe der Verfahren an die Prozessgerichte des jeweiligen allgemeinen Gerichtsstands noch möglich, soweit der Antragsteller noch keine Antragsbegründung eingereicht bzw. in einer solchen einen Antrag auf Bestimmung des zuständigen Gerichts angekündigt hat (vgl. BGH, Beschluss vom 17.09.2013 – X ARZ 423/13 = NJW-RR 2013, 1531). Zwar ist der Antragsteller vorliegend in sämtlichen Verfahren bereits zur Begründung seines Antrags aufgefordert worden. Er hat hierauf jedoch unverzüglich den am 14.09.2015 beim Oberlandesgericht eingegangenen Antrag auf Bestimmung des zuständigen Gerichts gestellt.

Als örtlich zuständiges Gericht ist das Landgericht X zu bestimmen, weil eine Verhandlung vor diesem Gericht zweckmäßig erscheint (vgl. BGH, Beschluss vom 20.05.2008 – X ARZ 98/08 = NJW-RR 2008, 1514). Insbesondere befindet sich im dortigen Bezirk der Sitz der Insolvenzschuldnerin, so dass sich dort auch die für die vorliegenden Streitigkeiten relevanten Zahlungsvorgänge zugetragen haben. Zudem haben der Antragsteller und der Antragsgegner Ziffer 2 sich für die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts X ausgesprochen. Schließlich wäre das Landgericht X auch bei Annahme des Vorliegens eines gemeinsamen besonderen Gerichtsstands nach § 29 Abs. 1 ZPO das örtlich zuständige Gericht. Demgegenüber sind Gründe, die eine Verhandlung vor dem Landgericht Y zweckdienlich erscheinen ließen, nicht erkennbar.

Schlagworte: allgemeiner Gerichtsstand am Sitz der GmbH, Gerichtsstand, GmbHG § 64 Satz 1, Haftung Geschäftsführer, Haftung wegen Insolvenzverschleppung gemäß § 15a Abs. 1 Satz 1 InsO, Insolvenzverschleppung

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OLG Stuttgart, Beschluss vom 16.11.2015 – 14 AR 2/15

Montag, 16. November 2015

GmbHG § 64

1. Zum Teil wird die Ansicht vertreten, dass es sich bei der Rückzahlungspflicht des § 64 S. 1 GmbHG um ein Fortwirken der Geschäftsführerpflichten handele, die grundsätzlich am Sitz der GesellschaftBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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zu erfüllen seien, so dass ein besonderer Gerichtsstand nach § 29 Abs. 1 ZPO eröffnet wäre (vgl. Haas/Kolmann/Pauw in Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2015, § 92 Rn. 192).

2. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes handelt es sich bei dem Anspruch nach § 64 S.1 GmbHG jedoch um eine Ersatzforderung eigener Art, die nicht unmittelbar an die Geschäftsführerpflichten gegenüber der Gesellschaft anknüpft (vgl. BGH, Beschluss vom 11.02.2008 – II ZR 291/06 = NJW-RR 2008, 1066). Es bestehen daher zumindest erhebliche Zweifel, ob Ersatzansprüche nach dieser Vorschrift dem Anwendungsbereich des § 29 Abs. 1 ZPO unterfallen (vgl. Haas in Baumbach/Hueck, GmbHG, 20. Aufl. 2013, § 64 Rn. 14a).

Schlagworte: Geschäftsführerhaftung GmbH, GmbHG § 64 Satz 1

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Oberlandesgericht Stuttgart, Urteil vom 8. Juli 2015 – 20 U 2/14 –

Mittwoch, 8. Juli 2015

§ 93 AktG, § 116 AktG, § 120 AktG, § 131 AktG, § 161 AktG, § 243 AktG, § 246 AktG

1. Für die isolierte Anfechtung eines Beschlusses der Hauptversammlung, mit dem der Antrag auf Abwahl des Versammlungsleiters abgelehnt wurde, besteht kein Rechtsschutzbedürfnis. Statthaft und zulässig wäre demgegenüber eine Anfechtungsklage gegen den ablehnenden Beschluss in Kombination mit einer positiven Feststellungsklage gerichtet auf Feststellung der Abwahl des Versammlungsleiters.

2. Vorgänge, die sich nicht auf die Tätigkeit des Versammlungsleiters beziehen, so ein eventuelles Fehlverhalten außerhalb der Hauptversammlung sowie charakterliche Defizite, die sich nicht auf die Hauptversammlungsleitung auswirken, sind grundsätzlich nicht geeignet, einen wichtigen Grund für die Abwahl des Versammlungsleiters darzustellen. Erst recht stellt ein außerhalb der Hauptversammlung liegendes Verhalten regelmäßig keinen Grund dar, der die Treuwidrigkeit der Ablehnung des Abwahlantrags durch die Mehrheit begründen und die Mehrheit der Aktionäre aus Gründen der Treuepflicht gegenüber der Minderheit verpflichten könnte, einem Abwahlantrag zuzustimmen.

3. Die Anfechtbarkeit eines Entlastungsbeschlusses scheidet dann aus, wenn die tatsächlichen Umstände, die den Vorwurf einer schwerwiegenden und eindeutigen Pflichtverletzung begründen sollen, aus der Perspektive der Hauptversammlung nicht aufgeklärt sind. Auf Umstände, die erst im Rahmen eines Anfechtungsprozesses aufgeklärt werden sollen, kann eine Anfechtung nicht gestützt werden.(Rn.188

4. Durch die Entlastung wird grundsätzlich nur das Verhalten des zu Entlastenden in dem der Entlastung zu Grunde liegenden Zeitraum gebilligt. Eine Pflicht zur Verweigerung der Entlastung kann sich demnach in der Regel nur auf Grund von eindeutigen und schwerwiegenden Gesetzesverstößen ergeben, die in der Entlastungsperiode begangen wurden. Auf Handlungen in früheren Zeiträumen kann die Anfechtung des Entlastungsbeschlusses deshalb grundsätzlich nicht gestützt werden.(Rn.189)

5. Die Verfahrenskosten eines Anfechtungsverfahrens gegen einen Entlastungsbeschluss, das wegen Entlastung trotz einer eindeutigen und schwerwiegenden, der Hauptversammlung erkennbaren Pflichtverletzung des zu entlastenden Organs Erfolg hat, stellen keinen Schaden dar, der der Pflichtverletzung des Organs zuzurechnen ist. Das Dazwischentreten der Entscheidung der Hauptversammlung unterbricht den Zurechnungszusammenhang.(Rn.238)

6. Der Aufsichtsrat ist grundsätzlich nicht verpflichtet, in sich abgeschlossene Entscheidungen des Aufsichtsrats der vergangenen Jahre immer wieder daraufhin zu überprüfen, ob diese rechtmäßig waren. Er muss ohne besondere Veranlassung nicht jährlich erneut darüber befinden, ob vor mehreren Jahren auf Grund einer Aufsichtsratsentscheidung gezahlte Vorstandsvergütungen und Abfindungen damals zu Recht bezahlt wurden. Etwas anderes gilt dann, wenn der Aufsichtsrat Kenntnis von der Unwirksamkeit der damals abgeschlossenen Vereinbarungen hatte oder sich ihm diese – auch auf Grund neuerer Erkenntnisse – aufdrängen musste.(Rn.286)

7. Zur Anfechtung wegen Informationspflichtverletzungen im Zusammenhang mit behaupteten unzureichenden Auskunftserteilungen in der Hauptversammlung betreffend die Entlastung der Organe sowie die wahl des Aufsichtsrats.(Rn.329)

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 23.09.2014, Az. 31 O 54/13 KfH, wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 23.09.2014, Az. 31 O 54/13 KfH, sowie dieses Urteil sind im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrags leistet.

Berufungsstreitwert: 125.000 Euro

Gründe

A.

Die Klägerin, ein eingetragener VereinBitte wählen Sie ein Schlagwort:
eingetragener Verein
Verein
, wendet sich als stimmrechtslose (Vorzugs-) Aktionärin der Beklagten gegen die in der ordentlichen Hauptversammlung der Beklagten am 30.04.2013 gefassten Beschlüsse über die Ablehnung ihres Antrags auf Abwahl des Hauptversammlungsleiters, die Entlastung des Vorstands (TOP 3) und die Entlastung des AufsichtsratsBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Entlastung
Entlastung des Aufsichtsrats
(TOP 4) jeweils für das Geschäftsjahr 2012 sowie die wahl von fünf Aufsichtsratsmitgliedern (TOP 6).Randnummer2

Die Beklagte ist eine börsennotierte Gesellschaft in der Rechtsform der Europäischen Aktiengesellschaft (SE). Sämtliche Stammaktien wurden seit Juni 2013 – nach Rückkauf der 10%igen Beteiligung des E. K. – von den Familien X und Y gehalten (Geschäftsbericht 2013, S. 44 und 58 unter www…com, … … sowie Bl. 69). Die Beklagte war im Jahr 2013 mit einem Anteil von rund 50,7 % der Stimmrechte und rund 32,2 % des Grundkapitals an der Z AG (Z) beteiligt (Bl. 69 sowie Geschäftsbericht 2013, S. 458). Der Aufbau der Beteiligung an Z erfolgte seit 2005 sukzessive. Neben dem unmittelbaren Erwerb von Z-Stammaktien hatte die Beklagte Derivatgeschäfte auf Z-Aktien abgeschlossen. Sie erwarb dabei Call-Optionen und veräußerte Put-Optionen, die auf Barausgleich gerichtet waren („cash settled“; Klagerwiderung Rn. 448, Bl. 173).Randnummer3

Zum 1. August 2012 brachte die Beklagte ihren operativen Holding-Geschäftsbetrieb und damit ihre verbliebenen Anteile an dem operativen X-Geschäft in Z ein gegen Erhalt einer Stammaktie sowie Barmitteln von 4,5 Milliarden Euro (Pressemitteilung vom 30.10.2012, www…com unter …, … …). In der Pressemitteilung wird zudem ausgeführt, dass die verbliebenen Put- und Call-Optionen zum 1. August 2012 auf Z übergegangen seien. In den Geschäftsberichten wird ausgeführt, dass die Geschäftstätigkeit seit der Einbringung des operativen Geschäftsbetriebs der X SE in die Z AG mit Wirkung zum 1. August 2012 im Wesentlichen im Halten und Verwalten der Beteiligung an Z bestehe (Geschäftsbericht 2013, S. 56; Geschäftsbericht 2012, B 8, S. 14).Randnummer4

In der Hauptversammlung der Beklagten am 30.04.2013 wurden u.a. ein Antrag der Klägerin auf Abwahl des Hauptversammlungsleiters Dr. W. X. abgelehnt sowie die Entlastung des Vorstands sowie des Aufsichtsrats und die wahl der neuen Anteilseignervertreter des Aufsichtsrats beschlossen. Gewählt wurden – jeweils einstimmig – Dr. W. X., Prof. Dr. U. L., Prof. Dr. F. Y., Dr. H. M. Y., Dr. F. O. X. und S. J. B. A. B. J. A. (Niederschrift B 3, Seite 20), die alle bereits zuvor Aufsichtsräte der Beklagten gewesen waren. Gegen die Ablehnung der Abwahl sowie die Entlastungs- und Wahlbeschlüsse – mit Ausnahme der wahl von S. A. – wendet sich die Klägerin.Randnummer5

Wegen des weiteren Sach- und Streitstands erster Instanz wird auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils sowie die erstinstanzlichen Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.Randnummer6

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.Randnummer7

Die Anfechtungsklage gegen den Beschluss, mit dem die Hauptversammlung den Antrag der Klägerin auf Abwahl des Hauptversammlungsleiters Dr. W. X. abgewiesen habe, sei bereits unzulässig. Es fehle an einem Rechtsschutzinteresse. Durch die Aufhebung des Beschlusses würde die rechtliche und tatsächliche Lage der Klägerin nicht verändert. Eine mögliche Verbindung mit einer positiven Beschlussfeststellungsklage habe die Klägerin nicht vorgenommen.Randnummer8

Der Entlastungsbeschluss für den Vorstand sei weder anfechtbar noch nichtig. Die Klägerin sei mit dem eventuellen Anfechtungsgrund des Gesetzesverstoßes gegen §161 AktG i.V.m. Ziff. 5.5 ff. des Deutschen Corporate Governance Kodex (DCGK – falsche Entsprechenserklärung) präkludiert, da sie diesen möglichen Anfechtungsgrund nicht zumindest in seinem Kerngehalt bereits mit der Anfechtungsklage in den Rechtsstreit eingeführt habe. Zum einen bezögen sich mögliche Interessenkonflikte im Zusammenhang mit der Beteiligung der Aufsichtsratsmitglieder Dr. W. X. und Prof. Dr. Y. an der X S GmbH nicht auf das Entlastungsjahr 2012. Zum anderen führe die Klägerin eine Verletzung des Gesetzes durch eine unrichtige Entsprechenserklärung erstmals mit Schriftsatz vom 09.12.2013 und damit weit nach Ablauf der Monatsfrist des § 246 Abs. 1 AktG ein. Im Übrigen verbleibe der Klagvortrag hinsichtlich der Darlegung von Interessenkonflikten im Bereich bloßer Vermutungen.Randnummer9

Auch ein Anfechtungsgrund wegen unzutreffender, irreführender und bewusst verharmlosender Äußerungen der Vorstandsmitglieder liege nicht vor. Der Vortrag der Klägerin sei unsubstantiiert. Zudem sei die Frage, ob in den Jahren 2008 und 2009 marktmanipulatives Verhalten der Organmitglieder nebst gefährdender Derivatespekulationen vorgelegen hätten, offen. Die laufenden staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren und anhängigen Strafverfahren sowie zivilrechtlichen Schadensersatzklagen im Zusammenhang mit der letztlich gescheiterten Übernahme der Z AG durch die Beklagte in den Jahren 2008 und 2009 seien weiterhin im Stadium eines mehr oder weniger gesicherten Verdachts. Eine Beschlussanfechtung könne aber nicht auf Rechtsverstöße gestützt werden, die im Anfechtungsprozess erst aufgeklärt und bewiesen werden sollen.Randnummer10

Keine die Entlastung hindernde Pflichtverletzung liege auch darin, dass der Vorstand keine Schadensersatzansprüche gegen das Aufsichtsratsmitglied Prof. Dr. Y. im Zusammenhang mit seiner S…-Äußerung anhängig gemacht habe. Das Unterlassen der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen sei nicht pflichtwidrig. Einer gerichtlichen Anspruchserhebung stünden vernünftige Gründe entgegen: Es sei spekulativ, ob, wie und in welchem Umfang die S…-Äußerung die Vermögensinteressen der Beklagten nachhaltig berührt habe. Zudem würde sich ein in justiziabler Weise zuordenbarer konkreter Vermögensschaden aller Voraussicht nach nicht beweisen lassen. Ein derartiger Rechtsstreit könne sich zudem rufgefährdend für das Unternehmen auswirken.Randnummer11

Auch hinsichtlich der Nichtgeltendmachung von Schadensersatzansprüchen, eventuellen Honorarrückforderungsansprüchen und Rückforderungsansprüchen bezüglich Abfindungszahlungen gegen die ehemaligen Vorstände Dr. W. und H. liege keine Pflichtverletzung des Vorstands vor. Es sei nicht vorgetragen und ersichtlich, dass sich insoweit Erkenntnisse im Entlastungszeitraum bezüglich der Vorwürfe der Marktmanipulation und der Derivatspekulationen so verdichtet hätten, dass die Ermessensentscheidung der Vorstände, derzeit keine gerichtlichen Ansprüche geltend zu machen, einen pflichtverletzenden Ermessensfehlgebrauch darstellte.Randnummer12

Der Vorstandsentlastungsbeschluss sei auch nicht wegen Verletzung von Auskunftspflichten anfechtbar. Die gestellten Fragen 1-10 und 12 hätten keinen Bezug zur Entlastung des Vorstands. Frage Nr. 11 sei vollständig und richtig beantwortet.Randnummer13

Auch eine Anfechtbarkeit des Beschlusses über die Entlastung der Aufsichtsratsmitglieder bestehe nicht. Insbesondere liege auch ein Anfechtungsgrund wegen pflichtverletzender Nichtverfolgung von Schadensersatzansprüchen gegen ehemalige Vorstände und Nichtrückforderung von Vergütungen und Abfindungen nicht vor. Es bestünden weiterhin keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass die früheren Vorstände bei der nicht geglückten Übernahme von Z in einem ihren unternehmerischen Handlungsspielraum überschreitenden Umfang Marktmanipulationen und Derivatspekulationen getätigt hätten. Auch hinsichtlich des rechtskräftig verurteilten ehemaligen Vorstandsmitglieds H. sei weder vorgetragen noch ersichtlich, ob und in welchem Umfang ein tatsächlicher Schaden für das Unternehmen eingetreten sei.Randnummer14

Auch die Entlastung des Aufsichtsratsmitglieds Prof. Dr. Y. begründe trotz der im Entlastungsjahr 2012 bekannt gewordenen Pflichtverletzung im Zusammenhang mit der …-Äußerung vom Mai 2009 keine Anfechtbarkeit. Diese Pflichtverletzung aus 2009 führe nicht dazu, dass im Jahr 2012 die Entlastung zu versagen sei.Randnummer15

Auch Anfechtungsgründe wegen Informationspflichtverletzungen nach § 243 Abs. 4 AktG lägen nicht vor. Hinsichtlich der Fragen 1-10 liege kein Zusammenhang mit der Entlastung für 2012 vor. Frage 11 sei vollständig und richtig beantwortet. Frage 12 sei ausreichend beantwortet.Randnummer16

Auch die wahl der neuen Aufsichtsratsmitglieder sei nicht anfechtbar. Für die Hauptversammlung bestehe der Grundsatz der Wahlfreiheit.Randnummer17

Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des landgerichtlichen Urteils verwiesen.Randnummer18

Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung und dem Ziel, dass das Urteil aufgehoben und das Verfahren an das Landgericht zurückverwiesen wird, hilfsweise mit dem Ziel der Stattgabe der erstinstanzlichen Anträge.Randnummer19

Die Klägerin habe den von ihr gegen Organe der Beklagten erhobenen Vorwurf eindeutiger und schwerer Gesetzesverletzungen, insbesondere den Vorwurf der Marktmanipulation durch unrichtige oder irreführende Veröffentlichungen im Jahr 2008 durch erst jetzt zugänglich gewordene Untersuchungsergebnisse der zuständigen Strafverfolgungsbehörden untermauert. Insbesondere das OLG Stuttgart komme in dem Beschluss vom 18. August 2014, Az. 1 Ws 68/14 (Eröffnung des Hauptverfahrens gegen die ehemaligen Vorstände Dr. W. und H. wegen Marktmanipulation), zu dem Ergebnis, dass die Organe der Beklagten wider ihren bisherigen Behauptungen bereits im Jahr 2005 den Entschluss zur Übernahme der Z AG gefasst hatten und spätestens im März 2008 die Kapitalmarktteilnehmer über ihre Absicht hätten informieren müssen, mit der Z AG einen Beherrschungs- und GewinnabführungsvertragBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag
Gewinnabführungsvertrag
abzuschließen.Randnummer20

Die Beklagte habe die erstinstanzlichen Darlegungen der Klägerin (im Einzelnen Berufungsbegründung Seite 12 ff.) nicht lediglich einfach Bestreiten dürfen, sondern sei gehalten gewesen, alle Umstände, die gegen die Feststellungen des Bundesgerichtshofs in dem Beschluss vom 10.04.2014, Az. 1 StR 649/13 (Verwerfung der Revision gegen die Verurteilung des ehemaligen Vorstands H. wegen Kreditbetrugs), sowie den o.g. Beschluss des OLG Stuttgart vom 18.08.2014 sprechen würden, näher darzulegen. Nach den Feststellungen des OLG Stuttgart in diesem Beschluss hätten Vorstand und Aufsichtsrat mit Unterstützung ihrer anwaltlichen Berater über Jahre hinweg die übrigen Marktteilnehmer über ihre wahren Absichten, nämlich die Beherrschung der Z AG, getäuscht. Es sei neben der bereits eröffneten Anklage gegen die früheren Vorstände Dr. W. und H. auch mit einer Anklage gegen Dr. W. X. und Prof. Dr. F. Y. sowie weitere Mitglieder des „Familienclans“ zu rechnen.Randnummer21

Im September 2014 habe die Staatsanwaltschaft ein weiteres Ermittlungsverfahren gegen die früheren Vorstände Dr. W. und H. eingeleitet wegen des Vorwurfs der Marktmanipulation deshalb, weil in der Pressemitteilung vom 26.09.2008 die Put-Optionen nicht erwähnt seien. Der Beklagten drohe die Verhängung eines Bußgelds nach § 30 OWiG. Die Staatsanwaltschaft habe hinsichtlich der bereits angeklagten Taten von Dr. W. und H. die Anordnung der Nebenbeteiligung beantragt und prüfe dies auch hinsichtlich der neuen Ermittlungsverfahren. Die Beklagte weise diese Vorwürfe zurück und leugne wie bislang in allen Verfahren die von dem Bundesgerichtshof und dem Oberlandesgericht Stuttgart festgestellten Tatsachen. Sie verstoße damit gegen ihre Wahrheitspflicht. Mit einfachem Bestreiten genüge sie auch ihrer sekundären Darlegungs- und Beweislast nicht.Randnummer22

Hinsichtlich der einzelnen angefochtenen Beschlüsse trägt die Klägerin zusammengefasst vor:Randnummer23

1. Zu dem Beschluss über die Abwahl des VersammlungsleitersRandnummer24

Der Beschluss, mit dem der Antrag auf Abberufung des VersammlungsleitersBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Abberufung
Abberufung des Versammlungsleiters
abgelehnt wurde, sei anfechtbar. Voraussetzung für die Abberufung sei lediglich das Vorliegen eines wichtigen Grundes. Die Klägerin habe ihr Ziel, nämlich die Feststellung der Unwirksamkeit der von der Hauptversammlung gefassten Beschlüsse wegen deren Feststellung durch eine nicht dazu berufene Person, nicht durch eine positive Beschlussfeststellungsklage erreichen können. Voraussetzung der positiven Beschlussfeststellungsklage sei, dass feststellbar sei, dass und welcher andere Beschluss in Wahrheit tatsächlich gefasst worden sei. Darum gehe es hier nicht. Unzutreffend führe das Landgericht aus, dass bei Ablehnung des Versammlungsleiters die Hauptversammlung einen neuen, von dem Aufsichtsrat benannten Versammlungsleiter bestellt hätte. Eine Bestellung des Versammlungsleiters durch die Hauptversammlung sehe die Satzung nicht vor. Es gehe hier nicht darum, welchen anderen Beschluss die Hauptversammlung gefasst hätte, sondern darum, dass der angefochtene Beschluss nichtig sei, weil ein wichtiger Grund für die Abberufung vorgelegen habe. Folge sei die Nichtigkeit aller gefassten Beschlüsse, weil die Beschlüsse der Hauptversammlung von einer hierzu nicht bestimmten Person festgestellt worden seien.Randnummer25

Die Klägerin sei jedenfalls nicht dazu verpflichtet gewesen, eine positive Beschlussfeststellungsklage zu erheben – allenfalls habe sie das Recht hierzu gehabt.Randnummer26

Das Berufungsgericht dürfe nicht selbst über die Frage entscheiden, ob ein wichtiger Grund vorgelegen habe, weil den Parteien ansonsten eine Tatsacheninstanz verloren ginge. Das Verfahren sei deshalb zurückzuverweisen.Randnummer27

Hilfsweise sei der Klagantrag Ziff. 1 aber auch begründet. Dem Hauptversammlungsleiter Dr. W. X. seien gravierende Interessenkonflikte durch Verfolgung persönlicher Investitionsinteressen sowie schwere Gesetzesverstöße zur Last zu legen. Damit hätten wichtige Gründe vorgelegen, die die Leitung der Hauptversammlung durch ihn ausschließen würden. Der Hauptversammlung sei es nicht zuzumuten gewesen, an ihm festzuhalten. Bei Vorliegen von schwerwiegenden und eindeutigen Gesetzes- oder Satzungsverstößen sei die Neutralitätspflicht des Versammlungsleiters gefährdet. Der Beschluss sei zudem wegen unrichtiger, unvollständiger oder verweigerter Erteilung von Informationen nach § 243 Abs. 4 Satz 1 AktG anfechtbar.Randnummer28

Zu angeblichen Gesetzes- und Satzungsverstößen des Versammlungsleiters trägt die Klägerin vor:Randnummer29

Gegen Dr. W. X. sei ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der gemeinschaftlichen Beihilfe durch Unterlassen zu informationsgestützter Marktmanipulation im Zeitraum 10. März bis 2. Oktober 2008 eingeleitet worden. Solche Ermittlungsverfahren weckten bereits grundsätzliche Zweifel an der Eignung als Versammlungsleiter. Es handele sich im Hinblick auf die Feststellungen des Oberlandesgerichts Stuttgart (Beschluss vom 18.08.2014, 1 Ws 68/14) bei den Vorwürfen nicht mehr bloß um Vermutungen. Die Eröffnung des Hauptverfahrens setze einen hinreichenden Tatverdacht voraus, die spätere Verurteilung müsse also wahrscheinlich sein. Dr. W. X. habe die Öffentlichkeit, die Aktionäre sowie die Klägerin und die Gerichte über seine Tatbeteiligung immer getäuscht. Die Unschuldsvermutung führe nicht dazu, dass der Beklagten und den außenstehenden Aktionären sein Verbleib als Versammlungsleiter zumutbar wäre.Randnummer30

Zudem stehe auf Grund der rechtskräftigen Verurteilung des früheren Finanzvorstands H. wegen Kreditbetrugs fest, dass dieser die finanzierenden Banken über die Risiken der Derivatespekulationen getäuscht habe. Diese hätten zu Milliardenverlusten geführt. Es sei unverständlich und nur mit Komplizenschaft zu erklären, dass bis heute keine Rückforderung der Abfindungszahlungen an H. erfolgt seien. Sofern diese verjährt seien, bestünde ein Anspruch gegen die hierfür verantwortlichen Organe, der es unzumutbar mache, an der Person des Versammlungsleiters fest zu halten.Randnummer31

Sofern das Gericht den Ausgang des Strafverfahrens für erheblich halte, solle das Verfahren ausgesetzt werden bis zum Abschluss der Strafverfahren.Randnummer32

Es habe hier nicht nur der Anschein, sondern die konkrete Gefahr einer Interessenkollision des Versammlungsleiters vorgelegen. Auf Grund der schwerwiegenden und eindeutigen Gesetzes- und Satzungsverstöße habe die konkrete Gefahr bestanden, dass eine ordnungsgemäße Versammlungsleitung nicht gewährleistet sei. Dies Gründe auf der Gefahr des Selbstschutzes, indem der Versammlungsleiter etwa Auskunftsverlangen zu Vorgängen, die der strafrechtlichen Ermittlung unterlägen, nicht zulasse oder sachlich nicht korrekt behandele. Es komme nicht darauf an, dass dem Versammlungsleiter tatsächlich solche Verfehlungen zur Last gelegt würden, weil nicht bis zum Eintritt von Verfehlungen abgewartet werden müsse. Bei einem neutralen nicht von Gesetzes- und Satzungsverstößen belasteten Versammlungsleiter hätte einer Aufarbeitung der von Bundesgerichtshof und Oberlandesgericht Stuttgart festgestellten Straftaten nichts im Wege gestanden.Randnummer33

Ein Interessenkonflikt folge zudem daraus, dass Dr. W. X. als Gesellschafter der X GmbH, S., in Aktien/Derivate der Z AG investiert gewesen sei. Er habe unter Verletzung seiner Treuepflicht Informationen ausgenutzt, die ihm nur in seiner Eigenschaft als Organmitglied der Beklagten zugänglich gemacht worden seien. Es sei somit die Gefahr begründet gewesen, dass er persönliche interessen verfolge, weil er auch Geschäftschancen nutzte, die der Beklagten selbst zustanden.Randnummer34

Unstreitig sei die X GmbH, S., mit mindestens 2,37 Prozent der Stammaktien am Grundkapital der Z AG beteiligt gewesen. Die Klägerin habe unwidersprochen eine Gesamtstückzahl von 7.005.262 Aktien genannt. Offenbar seien diese Aktien aus Erlösen von milliardenschweren Derivatetransaktionen in Z-Aktien in den Jahren 2006 bis 2008 erworben worden. Diese Gesellschaft habe die Aktien auf Aufforderung und in Absprache mit den früheren Vorständen W. und H. erworben.Randnummer35

Dr. W. X. sei an der X GmbH, S., wesentlich im Sinne von § 17 Abs. 1 S. 1 EStG, also mit mindestens einem Prozent, beteiligt gewesen. Hierdurch habe er einem Interessenkonflikt unterlegen. Denn diese Gesellschaft habe die nur den Organen der Beklagten bekannten Insider-Informationen ausgenutzt, wonach die Beklagte bereits vor dem 26. Oktober 2008 den Beschluss gefasst habe, die Z AG zu übernehmen. Der Versammlungsleiter habe also über die X GmbH, S., auf Kursgewinne gewettet, was ihn als Aufsichtsratsvorsitzenden untragbar mache. Er habe damit auch gegen Ziffer 5.5.1 des Deutschen Corporate Governance Kodex verstoßen.Randnummer36

2. Zu den Beschlüssen über die Entlastung von Vorstand und AufsichtsratRandnummer37

Die Beschlüsse seien schon deshalb nichtig oder jedenfalls anfechtbar, weil sie nicht von der hierzu nach § 130 Abs. 2 S. 1 AktG berufenen Person festgestellt worden seien. Darüber hinaus lägen weitere Anfechtungsgründe vor:Randnummer38

a. Anfechtbarkeit der Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat wegen fehlerhafter Entsprechenserklärung nach § 161 AktGRandnummer39

Die Annahme des Landgerichts, die Klägerin sei mit diesem Anfechtungsgrund präkludiert, sei falsch. Das Gericht verstoße gegen den Grundsatz „da mihi factum, dabo tibi jus“.Randnummer40

Ein Nachschieben von Anfechtungsgründen sei nur dann anzunehmen, wenn dies zu einer Klagänderung im Sinne von § 263 ZPO führe. Bei der Beschlussmängelklage sei Streitgegenstand nach der Rechtsprechung allein das mit der Klage verfolgte prozessuale Ziel der Klärung der Nichtigkeit oder Anfechtbarkeit eines Beschlusses, so dass alle Mängel, die einem Beschluss anhafteten, einheitlich als Streitgegenstand anzusehen seien. Dies entspreche auch der Rechtsprechung des EuGH.Randnummer41

Die Klägerin habe die Interessenkonflikte und deren Behandlung in Bezug auf die X GmbH, S., dargestellt, mithin rechtzeitig die Tatsachen benannt, die die Fehlerhaftigkeit der Entsprechenserklärung begründeten.Randnummer42

Die für das Geschäftsjahr 2013 im Oktober 2013 abgegebene Entsprechenserklärung (K 9) enthalte keine Aussage gemäß Ziff. 5.5.3 DCGK bezüglich aufgetretener Interessenkonflikte und keine Erklärung dazu, dass Ziff. 5.5 des Kodex nicht entsprochen worden sei.Randnummer43

Derartige Interessenkonflikte hätten bei den Aufsichtsräten Dr. W. X., Prof. Dr. F. Y., Dr. H. Y. und Dr. F. X. vorgelegen auf Grund der Beteiligung an der X GmbH, S., die Optionen auf mindestens 7.005.262 Stammaktien der Z AG gehalten habe und diese Beteiligung in Absprache mit der Beklagten eingegangen sei. Unerheblich sei, ob die X GmbH, S., tatsächlich Gewinne aus der Beteiligung an Z erzielt habe. Allein die gleichzeitige Beteiligung der Aufsichtsräte an Z, die Beteiligung der Beklagten an Z, die Beteiligung der Aufsichtsräte an der X GmbH, S., deren Beteiligung an Z bei gleichzeitiger Möglichkeit zur Einflussnahme auf die Anlageentscheidung sowohl der Beklagten als auch der X GmbH, S., führe zu dem anzuzeigenden Interessenkonflikt. Zudem bestehe ein Interessenkonflikt auf Grund der gegen die Aufsichtsratsmitglieder eingeleiteten Strafverfahren. Der Vorwurf von StraftatenSE bei den betroffenen Personen einen Interessenkonflikt aus.Randnummer44

Folge des Verstoßes gegen den DCGK und damit gegen § 161 AktG sei die Anfechtbarkeit der Entlastungsbeschlüsse. Es fehle auch nicht an dem für eine Anfechtbarkeit nötigen Gewicht. Straftaten ließen grundsätzlich Zweifel an der persönlichen Eignung aufkommen. Die Beteiligung an der X GmbH, S., führe zu einer Gefahr divergierender Interessenlagen, die sich schon an dem Short-Squeeze 2008 gezeigt habe. Die gleichzeitige Bestellung als Organ in Gesellschaften mit möglicherweise widerstreitenden interessen führe unweigerlich zu einem berichtspflichtigen Interessenkonflikt.Randnummer45

b. Anfechtung des Entlastungsbeschlusses des Vorstands wegen unrichtiger oder verschleiernder Angaben über die Verhältnisse der Gesellschaft (Bl. 633 ff.)Randnummer46

Im Kern gehe es bei diesem Anfechtungsgrund um den Wahrheitsgehalt der Behauptungen über die wahren Absichten der Beklagten zur Übernahme von Z sowie den Charakter der von ihr erworbenen Derivate.Randnummer47

Das Landgericht habe den Vortrag der Klägerin insoweit zu Unrecht als unsubstantiiert zurückgewiesen und zudem gegen § 138 ZPO verstoßen.Randnummer48

Das Landgericht habe den Tatsachenvortrag der Klägerin dazu, dass der Vorstand die Verhältnisse der Gesellschaft unrichtig dargestellt habe, unter Verstoß gegen das Grundrecht auf rechtliches Gehör zurückgewiesen und dabei die Beweisangebote durch Vorlage von ad-hoc-Mitteilungen, Pressemitteilungen und den Geschäftsbericht 2012 übergangen. Der Rechtsstreit sei deshalb nach § 538 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO an das Landgericht zurück zu verweisen. Das Landgericht habe zudem zu keinem Zeitpunkt darauf hingewiesen, dass es den Tatsachenvortrag der Klägerin hinsichtlich des Vorwurfs der unrichtigen Darstellung der Verhältnisse der Gesellschaft für ungenügend hielt. Die Verletzung dieser prozessualen Fürsorgepflicht stelle ebenfalls einen wesentlichen Verfahrensmangel dar.Randnummer49

Der anfechtungsbegründende Vorwurf sei, dass der Vorstand über die Hintergründe der gescheiterten Übernahme von Z unrichtige Angaben gemacht habe und dadurch die Risiken der Gesellschaft aus möglicher zivilrechtlicher Haftung für Schadensersatz, aus Bußgeldverfahren und ordnungswidrigkeitsrechtlicher Abschöpfung der wirtschaftlichen Vorteile zu niedrig dargestellt habe.Randnummer50

Die Klägerin habe zum Beweis dafür, dass die Beklagte schon vor dem 26.10.2008 die Absicht gehabt habe, Z zu übernehmen und dass die von ihr erworbenen Derivate unmittelbar dem Aufbau einer solchen Beteiligung dienten, die Beschlüsse des BGH im Strafverfahren gegen den früheren Vorstand H. (10.04.2014, Az. 1 StR 649/13) sowie des OLG Stuttgart vom 18.08.2014 (Az. 1 Ws 68/14) vorgelegt. Das Landgericht ignoriere diese Entscheidungen und lege statt dessen allein den diesen Entscheidungen zuwider laufenden Tatsachenvortrag der Beklagten zu Grunde. Das Landgericht verstoße damit gegen seine Pflicht, die Schutzbehauptungen der Beklagten auf Wahrheit zu überprüfen.Randnummer51

Der Tatsachenvortrag der Beklagten zur Übernahme von Z sei falsch. Vorstand und Aufsichtsrat hätten nicht erst am 26.10.2008, sondern bereits im Jahr 2005 den Plan gefasst, Z zu beherrschen. Spätestens im März 2008 hätte die Beklagte diese Absicht bekannt machen müssen. Die anders lautenden Erklärungen der Beklagten in der Klagerwiderung und Duplik stünden den Feststellungen des OLG Stuttgart in dem Beschluss vom 18.08.2014 diametral entgegen.Randnummer52

Unwahr sei auch der Vortrag der Beklagten, wonach die von ihr eingesetzten Derivate allein der Kurssicherung dienten, was das Landgericht Stuttgart bereits bei der Verurteilung des früheren Vorstands H. wegen Kreditbetrugs festgestellt habe. Schon allein aus den Feststellungen des Oberlandesgerichts Stuttgart zur Absicht der Beherrschung von Z durch die Beklagte folge, dass die von der Beklagten eingesetzten Optionen dem unmittelbaren Aufbau der Beteiligung an Z dienten. Zudem habe die Beklagte die Behauptung der Klägerin, dass durch Put-Optionen verdeckte Verbindlichkeiten in Milliardenhöhe begründet worden seien und diese Verbindlichkeiten über Optionsprämien enorme Kosten für die Beklagte verursachten, unzutreffend bestritten. Bereits die Entscheidung des BGH vom 10.04.2014 (1 StR 649/13) zeige, dass durch die Optionsstrategie Aktien von Z übernommen sowie durch von ihr begebene Put-Optionen Verbindlichkeiten in Milliardenhöhe begründet worden seien.Randnummer53

Folge der Verstöße gegen die Wahrheitspflicht sei, dass das Gericht von ihm offensichtlich als unwahr erkannte Behauptungen unbeachtet lassen müsse. Der Beklagten sei wegen des Verdachts der Verdeckung von Straftaten ein einfaches Bestreiten von Behauptungen der Klägerin versagt. Die Tatsachenfeststellungen des BGH und des OLG Stuttgart seien zu Grunde zu legen. Diese erhärteten den Verdacht, dass die Beklagte und deren Prozessvertreter in diesem, aber auch in früheren Verfahren unwahre Tatsachen behauptet hätten, so dass das Gericht selbst Beweis über die von der Klägerin behaupteten Tatsachen erheben müsse oder das Verfahren nach § 149 Abs. 1 ZPO aussetzen müsse.Randnummer54

c. Anfechtung der Entlastung des Vorstands wegen Unterlassung der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen (Bl. 649 ff.).Randnummer55

Der Beschluss der Hauptversammlung zur Entlastung des Vorstands sei auch deshalb anfechtbar, weil der Vorstand seiner gesetzlichen Pflicht nach §§ 78, 93, 116 AktG zur Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen den Aufsichtsrat Prof. Dr. Y. sowie gegen Berater der Gesellschaft nicht nachgekommen sei. Hierin liege ein eindeutiger und schwerwiegender Gesetzesverstoß, der den gefassten Entlastungsbeschluss treuwidrig erscheinen lasse und damit anfechtbar mache.Randnummer56

Die Begründung des Landgerichts sei in sich widersprüchlich.Randnummer57

Die Klägerin habe geltend gemacht, dass wenigstens die Gerichts- und Beraterkosten des durch die schwerwiegende Pflichtverletzung von Prof. Dr. Y. verursachten Anfechtungsverfahrens von diesem zu tragen und gegenüber ihm geltend zu machen seien. Es sei durch die Entscheidung des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 29.02.2012 (Az. 20 U 3/11 – betrifft die Entlastung des AufsichtsratsBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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für das Geschäftsjahr 2008/2009) festgestellt, dass durch die sog. …-Äußerung von Prof. Dr. Y. eine Kreditgefährdung gegeben war. Dem widerspreche die Aussage des Landgerichts, dass es völlig spekulativ sei, ob die …-Äußerung die Vermögensinteressen der Beklagten nachhaltig berührt haben könnten. Die Geltendmachung der Beratungs- und Gerichtskosten für das Anfechtungsverfahren sei davon im Übrigen unabhängig. Zudem widerspreche die Erwägung des Landgerichts, dass die Anstrengung eines zivilgerichtlichen Prozesses sich in rufgefährdender Weise auswirken könne, der Rechtsprechung des BGH, wonach durchsetzbare Schadensersatzansprüche grundsätzlich zu verfolgen seien. Im Übrigen sei über die erfolgreiche Anfechtung des Entlastungsbeschlusses bereits medial berichtet worden, so dass keine darüber hinausgehende Schädigung des Ansehens der Gesellschaft durch die Verfolgung von Schadensersatzansprüchen drohe.Randnummer58

Hinsichtlich des Vorwurfs der Klägerin der pflichtwidrigen Nichtgeltendmachung von Schadensersatzansprüchen, eventuellen Honorarrückforderungsansprüchen und Rückforderungsansprüchen bezüglich erfolgter Abfindungszahlungen gegen die ehemaligen Vorstände Dr. W. und H. habe das Landgericht die Feststellungen des BGH und des OLG Stuttgart in den Strafverfahren gegen Dr. W. und H. ignoriert. Mit diesen Beschlüssen hätten sich die Vorwürfe der Marktmanipulation und der hoch riskanten Optionsstruktur soweit verdichtet, dass die Nichtverfolgung von Schadensersatzansprüchen einen pflichtverletzenden Ermessensfehlgebrauch darstelle. Zudem komme eine Schadensersatzpflicht jedenfalls des Aufsichtsrats Prof. Dr. Y. nicht nur wegen Marktmanipulationen in Betracht, sondern auch, weil er – wie das OLG Stuttgart in dem Urteil vom 29.02.2012, Az. 20 U 3/11 festgestellt habe – entweder die ihm obliegende Beurteilung der mit den Derivatgeschäften verbundenen Risiken Unterlassen habe oder einen unternehmensinternen Konflikt nach außen getragen habe. In ersterem Fall komme eine Schadensersatzpflicht für die bei der Gesellschaft im Jahr 2008/2009 eingetretenen Verluste in Betracht, in letzterem Fall eine Schadensersatzpflicht wegen Kreditgefährdung.Randnummer59

d. Anfechtung der Entlastung des AufsichtsratsBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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wegen Treuepflichtverletzungen durch InteressenkonflikteRandnummer60

Das Landgericht habe die von der Klägerin behauptete Treuepflichtverletzung einzelner Aufsichtsratsmitglieder wegen Ausnutzung der ihnen nur in ihrer Funktion bekannt gewordenen Informationen über die wahren Absichten der Beklagten zur Beherrschung der Z AG übergangen und damit einen Anfechtungsgrund übersehen, so dass der Rechtsstreit an das Landgericht zurückzuverweisen sei.Randnummer61

e. Anfechtung der Entlastung des AufsichtsratsBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Entlastung
Entlastung des Aufsichtsrats
wegen strafbarer MarktmanipulationRandnummer62

Das Landgericht setze sich auch nicht mit dem von der Klägerin geltend gemachten Anfechtungsgrund wegen strafbarer Marktmanipulation auseinander.Randnummer63

f. Anfechtung der Entlastung des AufsichtsratsBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Entlastung
Entlastung des Aufsichtsrats
wegen unterlassener Geltendmachung von Schadensersatz- und RückforderungsansprüchenRandnummer64

Das Landgericht ignoriere die Sachverhaltsfeststellungen des Bundesgerichtshofs und des Oberlandesgerichts in den Strafverfahren wegen Marktmanipulation und Kreditbetrugs. Das Oberlandesgericht Stuttgart habe das Hauptverfahren gegen die früheren Vorstände Dr. W. und H. eröffnet, weil es hinreichende Anhaltspunkte dafür gebe, dass diese bei der nicht geglückten Übernahme von Z in einem ihren unternehmerischen Handlungsspielraum überschreitenden Umfang Marktmanipulationen und Derivatspekulationen getätigt hätten. Der Beklagten drohe die Inanspruchnahme auf Schadensersatz wegen unerlaubter Marktmanipulation sowie die Abschöpfung der unrechtmäßig erzielten Gewinne nach § 17 Abs. 4 Satz 2 OWiG.Randnummer65

Den Vorwurf der Klägerin, der Aufsichtsrat habe nichts unternommen, um überhöhte Vergütungen und Abfindungen von den früheren Vorständen Dr. W. und H. sowie Beratungshonorare von Dritten zurückzufordern, übergehe das Landgericht vollständig.Randnummer66

3. Zu dem Beschluss über die wahl der AufsichtsräteRandnummer67

a. Anfechtbarkeit wegen fehlerhafter EntsprechenserklärungRandnummer68

Der Beschluss über die wahl der neuen Aufsichtsräte sei deshalb anfechtbar, weil es an einer zutreffenden Erklärung über potenzielle Interessenkonflikte und deren Behandlung im Sinne des DCGK fehle. Werde für die wahl des Aufsichtsrats ein Beschlussvorschlag unterbreitet, der inhaltlich im Widerspruch zu den Empfehlungen des DCGK stehe, ohne die Abweichungen offen zu legen, seien die Wahlen anfechtbar. Aufsichtsratsbeschlüsse, die gegen gesetzliche Vorschriften verstießen, seien nicht nur anfechtbar, sondern nichtig. Auch ein Verstoß gegen § 161 AktG komme somit als Nichtigkeitsgrund in Betracht. Verstöße gegen die Bekanntmachungsvorschriften hätten zur Folge, dass eine darauffolgende wirksame Beschlussfassung nicht möglich sei (Bl. 628 ff.).Randnummer69

b. Anfechtbarkeit der wahl wegen InteressenskonfliktenRandnummer70

Aus der persönlichen Beziehung der Aufsichtsräte zu den im Zusammenschluss kontrollierenden Familienaktionären X. und Dr. Y. folge ein nicht nur vorübergehender Interessenkonflikt, der dazu führe, dass die Aufsichtsratsmitglieder hätten abberufen werden können. Dem entsprechend hätten sie schon gar nicht erneut gewählt werden dürfen.Randnummer71

c. Anfechtbarkeit der wahl wegen StrafverfahrenRandnummer72

Die Anfechtbarkeit folge daraus, dass gegen alle Aufsichtsratsmitglieder, soweit geltend gemacht, Strafverfahren wegen gemeinschaftlicher Beihilfe durch Unterlassen zu informationsgestützter Marktmanipulation im Zeitraum 10. März bis 2. Oktober 2008 eingeleitet worden seien. Dass diese Aufsichtsräte in die den früheren Vorständen Dr. W. und H. vorgeworfenen Straftaten verwickelt seien, habe bereits das OLG Stuttgart in dem Eröffnungsbeschluss bezüglich Dr. W. und H. ausgeführt. Eine unabhängige, nicht der Verdeckung dieser Straftaten untergeordnete Tätigkeit sei diesen Aufsichtsratsmitgliedern daher nicht mehr möglich, so dass sie zur Bekleidung ihrer Ämter ungeeignet seien.Randnummer73

d. Anfechtbarkeit wegen privater Derivate-Spekulationen in Z-AktienRandnummer74

Die Aufsichtsratsmitglieder Dr. W. X., Prof. Dr. F. Y., Dr. H. M. Y. und Dr. F. O. X. unterlägen im Hinblick auf ihre Beteiligung an der X GmbH, S., Interessenkonflikten, die eine unabhängige Tätigkeit unmöglich machten und über die zumindest hätte berichtet werden müssen.Randnummer75

4. Zur Anfechtbarkeit sämtlicher angefochtener Beschlüsse wegen InformationspflichtverletzungenRandnummer76

Alle Beschlüsse seien wegen Verletzung von Auskunftspflichten anfechtbar. Das Landgericht verkenne, dass die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegenüber den früheren Vorständen Dr. W. und H., den Aufsichtsräten sowie den Beratern der Beklagten jährlich neu zu überprüfen sei. Die von der Klägerin verlangten Informationen seien deshalb danach zu beurteilen, ob sie geeignet seien, neue Informationen zu solchen Schadensersatzforderungen ans Tageslicht zu fördern bzw. ob sich von der Beklagten früher erteilte Informationen zu möglichen Schadensersatzforderungen sowie schwerwiegenden Gesetzes- und Satzungsverstößen objektiv als unrichtig herausstellten.Randnummer77

Wegen des Vortrags zu den einzelnen Fragen wird auf die Berufungsbegründung ab S. 129 (Bl. 673 ff.) verwiesen.Randnummer78

5. AussetzungRandnummer79

Die Klägerin beantragt die Aussetzung des Verfahrens nach § 149 Abs. 1 ZPO bis zur rechtkräftigen Entscheidung der Strafverfahren gegen die früheren Vorstände Dr. W. und H. wegen des Verdachts der Marktmanipulation sowie der Strafverfahren gegen die Aufsichtsräte wegen des Verdachts der Beihilfe hierzu sowie des Ordnungswidrigkeitenverfahrens gegen die Beklagte.Randnummer80

In der Sache beantragt die Klägerin,Randnummer81

das Verfahren unter Aufhebung der Entscheidung des Landgerichts Stuttgart vom 23.09.2014, Az. 31 O 54/13 KfH, zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts und zur Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen.Randnummer82

hilfsweise:Randnummer83

unter Abänderung der Entscheidung des Landgerichts Stuttgart vom 23.09.2014 mit der Geschäftsnummer 31 O 54/13 KfH wie in der ersten Instanz beantragt zu entscheiden.Randnummer84

Die Beklagte beantragt die Zurückweisung der Berufung der Klägerin.Randnummer85

Die Beklagte hält das Urteil des Landgerichts für zutreffend. Die Hauptversammlungsbeschlüsse seien weder anfechtbar noch nichtig und die Anfechtungsklage demnach unbegründet.Randnummer86

Das Landgericht habe die allgemeinen Regeln der Darlegungs- und Beweislast zutreffend angewandt. Die Berufung auf die Aussagen des Bundesgerichtshofs in dem Kreditbetrugsverfahren sowie des 1. Strafsenats des OLG Stuttgart in dem Marktmanipulationsverfahren änderten nichts an der Darlegungslast. Gerichtliche Entscheidungen in einem anderen Verfahren, an dem die hier beteiligten Parteien nicht beteiligt waren, änderten nichts an der Darlegungslast. Eine substantiierte Erwiderungslast habe allenfalls bezüglich substantiiertem und schlüssigem erstinstanzlichem Vortrag von anfechtungsbegründenden Umständen bestanden, nicht dagegen hinsichtlich unschlüssigen Vortrags oder ins Blaue hinein aufgestellter Behauptungen. Auch das behauptete „strukturelle Informationsgefälle“ führe nicht zu einer sekundären Darlegungslast der Beklagten. Zum Ausgleich dieses Informationsgefälles bestünden die Auskunftsansprüche des § 131 AktG. Soweit die Beklagte eine sekundäre Darlegungslast getroffen habe, sei sie dieser auch nachgekommen.Randnummer87

Das Landgericht habe entgegen der Auffassung der Klägerin keine fehlerhaften Feststellungen getroffen. Zu dem Thema „Übernahmeabsicht vor dem 26. Oktober 2008“ habe das Landgericht gar keine Feststellungen getroffen, ebenso wenig dazu, ob der von der Klägerin erhobene Vorwurf der Marktmanipulation oder Derivatespekulation zutreffe. Das landgerichtliche Urteil beruhe auch nicht auf einer fehlerhaften Tatsachenfeststellung. Zu der angeblichen Absicht der Beklagten, Z zu übernehmen oder zum Zweck der Derivatgeschäfte habe das Landgericht keine Feststellungen treffen müssen, vielmehr zu Recht darauf abgestellt, dass eine Beschlussanfechtung nicht auf Rechtsverstöße gestützt werden könne, die im Anfechtungsprozess erst aufgeklärt und bewiesen werden sollen.Randnummer88

Hinsichtlich der einzelnen angefochtenen Beschlüsse trägt die Beklagte zusammengefasst vor:Randnummer89

1. Zu dem Beschluss über die Abwahl des VersammlungsleitersRandnummer90

Es fehle bereits das Rechtsschutzbedürfnis für die Anfechtung des ablehnenden Beschlusses. Mit der isolierten Anfechtung des den Abwahlantrag ablehnenden Beschlusses könne die Klägerin ihre Feststellungsziele – die angebliche Unwirksamkeit aller Sachbeschlüsse und die Unzumutbarkeit der Versammlungsleitung durch Dr. W. X. – nicht erreichen. Die Klägerin hätte die Anfechtungsklage mit einer positiven Beschlussfeststellungsklage verbinden müssen. Deren Zulässigkeit sei allgemein anerkannt. Der Gesichtspunkt der angeblichen Treuwidrigkeit der Stimmabgabe begründe hier das von dem BGH betonte besondere Bedürfnis für eine positive Beschlussfeststellungsklage. Gegenstand der positiven Beschlussfeststellungsklage sei nur, ob der Versammlungsleiter abzuwählen war, nicht, wer im Falle der Abwahl VersammlungsleiterBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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Versammlungsleiter
geworden wäre. Die isolierte Anfechtungsklage sei unzulässig.Randnummer91

Die angebliche Rechtswidrigkeit des Ablehnungsbeschlusses führe nicht dazu, dass alle in der Hauptversammlung gefassten Beschlüsse anfechtbar bzw. nichtig wären. Eine Anfechtung der nachfolgenden Sachbeschlüsse wegen eines Verfahrensmangels setze voraus, dass der Mangel die Vernichtbarkeit der angegriffenen Sachbeschlüsse wegen eines rechtswidrigen Eingriffs in die Mitgliedschaftsrechte der Aktionäre als Rechtsfolge gebiete. Ein etwaiger Mangel bei der Ablehnung des Abwahlantrags sei für die nachfolgenden Entlastungsbeschlüsse sowie die Aufsichtsratswahl nicht relevant.Randnummer92

Der Antrag auf Zurückverweisung des Verfahrens an das Landgericht sei zurückzuweisen. Die Voraussetzungen des § 538 Abs. 2 Nr. 3 ZPO seien nicht erfüllt.Randnummer93

Der die Abwahl ablehnende Beschluss sei auch nicht wegen wichtiger Gründe anfechtbar. Ein wichtiger Grund setze voraus, dass die Versammlungsleitung unzumutbar sei, dem Versammlungsleiter also schwerwiegende Verstöße bei der Leitung der Hauptversammlung vorgeworfen würden. Die von der Klägerin vorgebrachten Gründe hätten mit der Leitung der Versammlung nichts zu tun. Zudem seien die Vorwürfe unberechtigt. Eine Pflichtverletzung von Dr. W. X. liege nicht vor. So fehle den Vorwürfen, die Gegenstand der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen seien, schon der Bezug zu der Versammlungsleitung. Die Ermittlungen belegten das Vorliegen einer Pflichtverletzung auch nicht und das Ermittlungsverfahren führe auch nicht zu einer Befangenheit oder einem Interessenkonflikt, der die Leitung der Hauptversammlung unzumutbar machen würde. Auch die Aktien- und Derivatgeschäfte der X GmbH, S., und die Beteiligung des Versammlungsleiters an dieser hätten keinen Bezug zur Versammlungsleitung. Zudem liege hierin keine Pflichtverletzung. Ein konkretes an persönlichen interessen ausgerichtetes Handeln sei nicht vorgetragen und auch nicht vorgekommen, ebenso wenig sei eine der Beklagten zuzuordnende Geschäftschance genutzt worden. Die unterlassene Geltendmachung von Schadenersatz- und Rückforderungsansprüchen gegen die früheren Vorstandsmitglieder habe die Klägerin in erster Instanz schon nicht als Grund für die Anfechtung des ablehnenden Beschlusses angegeben, so dass sie hiermit präkludiert sei. Zudem fehle auch hier ein Bezug zur Versammlungsleitung und es liege keine Pflichtverletzung vor.Randnummer94

Abgesehen davon habe die Hauptversammlung den Antrag ohne Gegenstimme abgelehnt. Diese Entscheidung sei allenfalls eingeschränkt gerichtlich überprüfbar. Anhaltspunkte für eine Überschreitung des Beurteilungsspielraums durch die Hauptversammlung lägen nicht vor.Randnummer95

2. Zu den Beschlüssen über die Entlastung von Vorstand und AufsichtsratRandnummer96

a. Anfechtbarkeit der Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat wegen fehlerhafter Entsprechenserklärung nach § 161 AktGRandnummer97

Zutreffend habe das Landgericht den Vortrag für präkludiert erachtet. Die Klägerin hätte zur tatsächlichen Begründung des Vorwurfs der Veröffentlichung einer unzutreffenden Entsprechenserklärung zumindest darlegen müssen, dass und warum im Geschäftsjahr 2012 tatsächlich Interessenkonflikte aufgetreten seien, dass hierüber nicht oder unzureichend berichtet worden sei und in der Entsprechenserklärung keine Abweichung hinsichtlich Ziff. 5.5.3 Satz 1 DCGK erklärt worden sei. Keines dieser Sachverhaltselemente sei von der Klägerin behauptet worden.Randnummer98

Der Vorwurf einer unzutreffenden Entsprechenserklärung sei im Übrigen unbegründet. Ein Verstoß gegen Ziff. 5.5.3 DCGK liege im Geschäftsjahr 2012 nicht vor. Die Klägerin habe schon nicht dargelegt, bei welchen Entscheidungen des Aufsichtsrats im Geschäftsjahr 2012 auf Grund der mittelbaren Beteiligung einzelner Aufsichtsratsmitglieder an der X GmbH, S., Interessenkonflikte aufgetreten sein sollen. Auch das im Frühjahr 2013 eröffnete Ermittlungsverfahren habe im Geschäftsjahr 2012 keinen Interessenkonflikt begründet.Randnummer99

Die Klägerin habe auch nicht dargelegt, dass eine schwerwiegende und eindeutige Pflichtverletzung vorliege und die Hauptversammlung hiervon Kenntnis gehabt habe.Randnummer100

b. Anfechtung des Entlastungsbeschlusses des Vorstands wegen unrichtiger oder verschleiernder Angaben über die Verhältnisse der GesellschaftRandnummer101

Zutreffend habe das Landgericht das Vorbringen als unsubstantiiert zurückgewiesen. Aus dem Vorbringen der Klägerin gehe nicht hervor, welches Vorstandsmitglied wo und wie welche Äußerung getätigt haben solle. Das Beweisangebot durch Vorlage von ad-hoc-Mitteilungen und Pressemitteilungen sowie des Geschäftsberichts 2012 ersetze keinen substantiierten Parteivortrag und beziehe sich noch nicht einmal auf den in der Klagschrift erhobenen Vorwurf unzutreffender Aussagen zu dem Kurssicherungscharakter sowie der Liquiditätssituation. Auf eine Verletzung des rechtlichen Gehörs wegen fehlenden Hinweises auf die ungenügende Substantiierung könne sich die Klägerin schon nicht berufen, weil die Beklagte auf die mangelnde Substantiierung hingewiesen habe. Zudem habe die Klägerin den angeblichen Verfahrensfehler in der Berufungsbegründung nicht schlüssig dargelegt. Auch in der Berufung habe sie nicht dargelegt, wann welche Vorstandsmitglieder welche unzutreffenden Äußerungen getätigt haben sollen.Randnummer102

Abgesehen davon seien die Angaben des Vorstands zu den Vorgängen im Geschäftsjahr 2008 zutreffend. Aus der Verurteilung in dem Kreditbetrugsverfahren ergebe sich hierzu nichts. Es sei zudem kein Bezug zum Entlastungszeitraum 2012 gegeben. Letztlich fehle es auch an der erforderlichen Eindeutigkeit und Schwere der behaupteten Pflichtverletzungen sowie der Kenntnis der Hauptversammlung.Randnummer103

c. Anfechtung der Entlastung des Vorstands wegen Unterlassung der Geltendmachung von SchadensersatzansprüchenRandnummer104

Eine Pflichtverletzung wegen unterlassener Verfolgung von Ansprüchen gegen Prof. Dr. Y. liege nicht vor. Der Vorstand habe sich im Entlastungszeitraum mit der Frage der Geltendmachung von Ansprüchen befasst und dabei rechtliche Beratung in Anspruch genommen mit dem Ergebnis, keine Ansprüche geltend zu machen. Zutreffend habe das Landgericht schon einen konkreten Schaden nicht für nachweisbar gehalten. Soweit die Klägerin in der Berufungsbegründung erstmals eine Schadensersatzpflicht für die bei der Gesellschaft im Geschäftsjahr 2008/2009 eingetretenen Verluste anspreche, sei der Vortrag wegen Ablaufs der Anfechtungsfrist präkludiert und in der Berufung schon nach §§ 529 ff. ZPO ausgeschossen. Auch die Gerichts- und Beratungskosten betreffend das Anfechtungsverfahren, das im Hinblick auf die …-äußerungen von Prof. Dr. Y. Erfolg hatte, seien kein kausaler Schaden. Die Entlastung sei von der Hauptversammlung beschlossen worden. Die Kosten des hiergegen gerichteten Verfahrens könnten deshalb nicht Prof. Dr. Y. zugerechnet werden.Randnummer105

Zutreffend habe das Landgericht im Übrigen auch die mit der Geltendmachung von Ansprüchen verbundenen Reputationsschäden berücksichtigt. Dies stehe im Einklang mit der ARAG-Garmenbeck-Entscheidung des BGH. Der Vorstand habe durch ein Schadensersatzverfahren einen zusätzlichen Reputationsschaden befürchtet, der deutlich schwerer wiege als der mögliche geringe Vorteil einer gerichtlichen Aus-einandersetzung.Randnummer106

Es fehle auch an dem Vortrag, dass eine eindeutige und schwere Pflichtverletzung vorliege sowie dass die Hauptversammlung hiervon Kenntnis gehabt habe.Randnummer107

Der Entlastungsbeschluss sei auch nicht treuwidrig wegen unterlassener Geltendmachung von Ansprüchen gegen Aufsichtsratsmitglieder und Berater im Zusammenhang mit den an die früheren Vorstandsmitglieder gezahlten Abfindungen. Dieser Anfechtungsgrund sei erst in der Berufungsbegründung nachgeschoben worden und damit präkludiert. Der Vorwurf, das Landgericht habe diesen Anfechtungsgrund nicht berücksichtigt, gehe deshalb fehl. Abgesehen davon sei weder eine Pflichtverletzung im Geschäftsjahr 2012 noch deren Eindeutigkeit und Schwere noch die Kenntnis der Hauptversammlung gegeben.Randnummer108

d. Anfechtung der Entlastung des AufsichtsratsBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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Entlastung des Aufsichtsrats
wegen Treuepflichtverletzungen durch InteressenkonflikteRandnummer109

Das Landgericht habe im Zusammenhang mit der Versammlungsleitung zutreffend festgestellt, dass der Vortrag hinsichtlich der Darlegung von Interessenkonflikten im Bereich bloßer Vermutungen bleibe. Der Anfechtungsgrund sei im Übrigen präkludiert. Zudem liege eine schwerwiegende und eindeutige Pflichtverletzung nicht vor, ebenso keine Kenntnis der Hauptversammlung.Randnummer110

e. Anfechtung der Entlastung des AufsichtsratsBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Entlastung
Entlastung des Aufsichtsrats
wegen strafbarer MarktmanipulationRandnummer111

Das Landgericht habe sich zutreffend mit dem Anfechtungsgrund des Verdachts der Begehung von Straftaten auseinander gesetzt und darauf hingewiesen, dass die Beschlussanfechtung nicht auf Rechtsverstöße gestützt werden könne, die im Anfechtungsprozess erst aufgeklärt und bewiesen werden sollen. Der Umstand strafrechtlicher Ermittlungen belege schon keine eindeutige und schwerwiegende Pflichtverletzung. Zudem hätten die Umstände nicht den erforderlichen Bezug zum Entlastungszeitraum. Die Vorgänge, die Gegenstand des Verfahrens seien, lägen in 2008. Die Eröffnung des Ermittlungsverfahrens sei der Beklagten erst im Laufe des Jahres 2013 bekannt geworden.Randnummer112

f. Anfechtung der Entlastung des AufsichtsratsBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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Entlastung des Aufsichtsrats
wegen unterlassener Geltendmachung von Schadensersatz- und RückforderungsansprüchenRandnummer113

Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs liege nicht vor wegen Ignorierens der Entscheidung des BGH in dem Kreditbetrugsverfahren sowie der Eröffnungsentscheidung des OLG Stuttgart in dem Strafverfahren wegen Marktmanipulation. Die angeblichen Sachverhaltsfeststellungen des BGH und des OLG Stuttgart seien für die Beurteilung einer eindeutigen und schwerwiegenden Pflichtverletzung der Aufsichtsratsmitglieder im Geschäftsjahr 2012 unerheblich. Den Aufsichtsratsmitgliedern im Jahr 2012 hätten die erst 2013 und 2014 ergangenen Entscheidungen bei der Prüfung, ob sie Schadensersatz geltend zu machen hätten, nicht vorgelegen. Zudem begründeten strafrechtliche Entscheidungen keinen zivilrechtlichen Anspruch. Selbst eine Verurteilung wegen informationsgestützter Marktmanipulation nach § 20 a WpHG führte nicht zur Begründetheit zivilrechtlicher Ansprüche. Voraussetzung wäre insbesondere ein Schaden, der von der Klägerin nicht vorgetragen sei.Randnummer114

Eine Pflicht zur Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen gegen die früheren Vorstandsmitglieder habe zudem nicht bestanden. Aus dem Eröffnungsbeschluss ergebe sich das Bestehen eines Anspruchs nicht. Sämtliche in zivilrechtlichen Verfahren gegen die Beklagte ergangenen Entscheidungen hätten zivilrechtliche Ansprüche abgewiesen, ohne dass es auf die Klärung der strafrechtlichen Vorwürfe angekommen sei.Randnummer115

Nicht bestritten habe die Klägerin, dass der Aufsichtsrat im Jahr 2012 die Entwicklungen im Zusammenhang mit den staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen verfolgt und behandelt habe. Damit habe er sich pflichtgemäß verhalten.Randnummer116

Auch die unterlassene Rückforderung von Vergütungen und Abfindungen sowie von Beraterhonoraren stelle keine Pflichtverletzung dar. Die Rückforderung von Beraterhonoraren falle schon nicht in den Zuständigkeitsbereich des Aufsichtsrats. Für die Rückforderung von Vergütungen und Abfindungen des damaligen Vorstands habe kein Anlass bestanden. Eine Anspruchsgrundlage hierfür sei nicht gegeben. Aus den nach Ablauf des Geschäftsjahrs 2012 erfolgten Entscheidungen des BGH sowie des OLG Stuttgart könne sich schon aus zeitlichen Gründen nichts ergeben. Zudem habe der Aufsichtsrat die Entwicklung unbestritten verfolgt und damit pflichtgemäß gehandelt. Aus den strafrechtlichen Entscheidungen ergebe sich zudem nicht, dass die früheren Vorstandsmitglieder ihren unternehmerischen Handlungsspielraum überschritten hätten, so dass es auch an einer Pflichtverletzung der früheren Vorstandsmitglieder fehle.Randnummer117

Eine der Hauptversammlung bekannte schwerwiegende und eindeutige Pflichtverletzung liege nicht vor.Randnummer118

3. Zu dem Beschluss über die wahl der AufsichtsräteRandnummer119

Die Klägerin verkenne die maßgeblichen rechtlichen Grundsätze für das Vorliegen von Bestellungshindernissen. Die Rechtmäßigkeit der Aufsichtsratswahl bestimme sich allein nach §§ 100, 105 AktG, die die persönlichen Voraussetzungen, die ein Aufsichtsratsmitglied erfüllen müsste, abschließend regelten.Randnummer120

a. Anfechtbarkeit wegen fehlerhafter EntsprechenserklärungRandnummer121

Die Klägerin sei mit diesem Vortrag bereits präkludiert, zudem habe kein Interessenkonflikt im Geschäftsjahr 2012 vorgelegen, über den hätte berichtet werden müssen, so dass auch kein Verstoß gegen § 161 AktG vorliege. Ein Verstoß hätte im Übrigen für die wahl auch keine Bedeutung. Eine Abweichung von Empfehlungen des DCGK führe nicht zur Nichtigkeit des Beschlussvorschlags des Aufsichtsrats.Randnummer122

b. Anfechtbarkeit der wahl wegen InteressenkonfliktenRandnummer123

Interessenkonflikte stellten kein Bestellungshindernis dar.Randnummer124

Mit dem Anfechtungsgrund „persönliche Beziehungen zu den kontrollierenden Familien X. und Dr. Y.“ sei die Klägerin schon präkludiert, im Übrigen hinderten diese die wahl nicht. Auch eine Abweichung von Ziff. 5.4.2 DCGK liege nicht vor. Nach den maßgeblichen Fassungen vom 26.05.2010 und 15.05.2012 soll dem Aufsichtsrat eine angemessene Anzahl unabhängiger Mitglieder angehören. Dies sei mit Prof. Dr. U. L. und S. J. B. A. B. J. A. erfüllt. Zudem sei in dem Bericht an die Hauptversammlung über potentielle Interessenkonflikte auf Grund der persönlichen Beziehungen vorsorglich berichtet worden.Randnummer125

c. Anfechtbarkeit der wahl wegen StrafverfahrenRandnummer126

Die laufenden Ermittlungen schlössen eine wahl nicht aus. Zum einen lägen nach Auffassung der Beklagten schon keine Straftaten vor. Zum anderen würden diese eine wahl nicht ausschließen und auch keinen Interessenkonflikt begründen.Randnummer127

d. Anfechtbarkeit wegen privater Derivate-Spekulationen in Z-AktienRandnummer128

Auch der behauptete Interessenkonflikt wegen Beteiligung an der X GmbH, S., stelle kein Wahlhindernis dar. Abgesehen liege ein Interessenkonflikt schon nicht vor.Randnummer129

4. Zur Anfechtbarkeit sämtlicher angefochtener Beschlüsse wegen InformationspflichtverletzungenRandnummer130

Die Klägerin könne nicht jedes Jahr aufs Neue von der Beklagten Auskunft zu allen Einzelheiten des Beteiligungserwerbs an der Z AG in den Jahren 2005 bis 2008 verlangen mit der Behauptung von Schadensersatzansprüchen gegen die früheren Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder.Randnummer131

Soweit es um die Entlastung gehe, bestehe ein Auskunftsrecht nur, wenn und soweit die Fragen auf den Entlastungzeitraum gerichtet seien oder bezüglich von Vorgängen außerhalb des Entlastungszeitraums, wenn diese ausnahmsweise in den Entlastungszeitraum fortwirkten oder es neue Gesichtspunkte gebe, die einen zurückliegenden Vorgang in einem neuen Licht erscheinen ließen. Ein solcher Bezug zum Entlastungszeitraum sei bei allen Fragen der Klägerin, die sich mit den Einzelheiten des Erwerbs der Z-Beteiligung in den Jahren 2005 bis 2009 befassten, nicht ansatzweise erkennbar. Allein die von der Klägerin unverändert pauschal behaupteten Schadensersatzansprüche vermögen einen Bezug einzelner Fragen zum Entlastungszeitraum nicht herzustellen.Randnummer132

Hinsichtlich der Wahlen zum Aufsichtsrat seien nur solche Umstände beurteilungserheblich, die eine Beurteilung der Kandidaten im Hinblick auf das zu vergebende Amt zuließen. Die hinterfragten Vorgänge, aus denen sich nach Auffassung der Klägerin Schadensersatzansprüche ergeben sollen, lägen Jahre zurück und ließen keinen Rückschluss auf die fachliche und persönliche Eignung der Kandidaten zu.Randnummer133

Hinsichtlich des Vortrags zu den einzelnen Fragen wird auf die Berufungserwiderung ab Rn. 405 (Bl. 832 ff.) verwiesen.Randnummer134

5. AussetzungRandnummer135

Dem Aussetzungsantrag sei nicht stattzugeben. Durchführung und Ergebnis der Hauptverhandlung im Strafverfahren wegen Marktmanipulation bzw. wegen Beihilfe zur Marktmanipulation hätten auf die im vorliegenden Rechtsstreit zu treffenden Entscheidungen keinen Einfluss. Zudem würde die Aussetzung das Verfahren erheblich verzögern und habe auch deshalb zu unterbleiben.Randnummer136

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf deren Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.Randnummer137

Am 19.06.2015 fand die mündliche Verhandlung statt. Auf das Protokoll wird verwiesen.Randnummer138

Die Klägerin trug in einem Schriftsatz vom 30.06.2015 ergänzend vor und nahm zu der mündlichen Verhandlung Stellung. Auf den Inhalt dieses Schriftsatzes wird verwiesen.

B.Randnummer139

Die Berufung der Klägerin ist zulässig, aber unbegründet. Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Landgericht die Klage gegen die angegriffenen Beschlüsse der Hauptversammlung der Beklagten vom 30.04.2013 abgewiesen.Randnummer140

Auf die in der Rechtsform der Europäischen Aktiengesellschaft (SE) organisierte Beklagte finden nach Art. 9 Abs. 1 c) ii) der Verordnung (EG) Nr. 2157/2001 des Rates über das Statut der Europäische Gesellschaft (SE-VO) grundsätzlich die Bestimmungen des Aktiengesetzes Anwendung, sofern die Verordnung – wie für den hier relevanten Bereich – keine Vorschriften enthält. Soweit im Folgenden ohne weitere Erläuterungen die Vorschriften des Aktiengesetzes angewandt werden, beruht dies auf dieser Verweisung.Randnummer141

Nach den einschlägigen Vorschriften des Aktiengesetzes ist die Anfechtungsklage nicht erfolgreich. Das rein isolierte Vorgehen gegen die Ablehnung des Antrags auf Abwahl des Versammlungsleiters ist bereits unzulässig, zudem auch unbegründet (hierzu unter I.). Auch die weiteren angegriffenen Beschlüsse sind weder nichtig noch bestehen die jeweils geltend gemachten Anfechtungsgründe (hierzu unter II.). Eine Aussetzung des Verfahrens kommt nicht in Betracht (hierzu unter III.)

I.Randnummer142

Die Klage gegen die Ablehnung des Antrags auf Abwahl des Versammlungsleiters ist bereits unzulässig. Der Klägerin fehlt ein Rechtsschutzbedürfnis für die Erhebung dieser Klage (hierzu unter 1). Abgesehen davon wäre die Klage auch unbegründet, da die Entscheidung der Hauptversammlung, den Antrag auf Abwahl des Versammlungsleiters abzulehnen, weder nichtig noch anfechtbar ist (hierzu unter 2).

1.Randnummer143

Der Klägerin fehlt bereits das Rechtsschutzbedürfnis für eine isolierte Nichtigkeitsfeststellungs- bzw. Anfechtungsklage gegen den Beschluss der Hauptversammlung, mit der ihr Antrag auf Abwahl des Versammlungsleiters abgelehnt wurde.Randnummer144

Zu Recht hat das Landgericht die Klage insoweit für unzulässig gehalten. Das hiergegen gerichtete Vorbringen der Klägerin in der Berufungsinstanz hat keinen Erfolg:

a.Randnummer145

Sowohl bei der Nichtigkeitsklage als auch bei der Anfechtungsklage ist das Rechtsschutzbedürfnis Zulässigkeitsvoraussetzung (allgem. Meinung, vgl. MünchKomm AktG/Hüffer, 3. Aufl., § 246 Rn. 17; Hüffer/Koch, AktG, 11. Aufl., § 249 Rn. 11 und § 246 Rn. 9; Mehrbrey/Bussian, Gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten, § 8 Rn. 273 und Mehrbrey/Zimmerling/Koy, § 8 Rn. 49). Das Rechtsschutzbedürfnis für diese Klagen ist zwar grundsätzlich zu bejahen, ohne dass es auf eine persönliche Betroffenheit ankommt, weil nur hierdurch rechtswidrige Beschlüsse vernichtet werden können (vgl. mwN Hüffer/Koch, AktG, 11. Aufl., § 246 Rn. 9). Es fehlt aber regelmäßig dann, wenn ein Beschluss angegriffen wird, der einen Antrag ablehnt, weil sich in diesem Fall auch bei Erfolg der Klage keine relevante Veränderung der Rechtslage ergibt. Der Beschlussantrag bleibt trotz Anfechtung oder Nichtigkeit des ablehnenden Beschlusses erfolglos (vgl. BGH WM 1964, 1188, 1191, juris Rn. 54; MünchKomm AktG/Hüffer, 3. Aufl., § 246 Rn. 17; Spindler/Stilz/Dörr, AktG, 2. Aufl., § 246 Rn. 4; GroßkommAktG/Schmidt, 4. Aufl., § 246 Rn. 60; Mehrbrey/Zimmerling/Koy, Gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten, § 8 Rn. 49). Ein Rechtsschutzinteresse ist allerdings dann regelmäßig zu bejahen, wenn der Kläger seine Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage mit einer positiven Beschlussfeststellungsklage verbindet (vgl. MünchKomm AktG/Hüffer, 3. Aufl., § 246 Rn. 17, 84 ff.; Spindler/Stilz/Dörr, AktG, 2. Aufl., § 246 Rn. 4 und 59; GroßkommAktG/Schmidt, 4. Aufl., § 246 Rn. 60; Mehrbrey/Zimmerling/Koy, Gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten, § 8 Rn. 49; Henssler/Strohn/Drescher, Gesellschaftsrecht, 1. Aufl., § 246 Rn. 50; zur Zulässigkeit einer positiven Beschlussfeststellungsklage: BGH NJW 1980, 1465, juris Rn. 27 ff.; BGH NJW 1984, 489, juris Rn. 30).

b.Randnummer146

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist die Klage gegen den die Abwahl des Versammlungsleiters ablehnenden Beschluss der Hauptversammlung unzulässig. Für die isolierte Anfechtung des die Abwahl ablehnenden Beschlusses besteht kein Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin.Randnummer147

Die Klägerin kann das von ihr erstrebte Ziel, nämlich die Anfechtbarkeit oder Nichtigkeit der nachfolgend gefassten Beschlüsse der Hauptversammlung wegen der Mitwirkung eines nicht zuständigen Versammlungsleiters (vgl. Vortrag Bl. 574; Bl. 578), nicht durch die isolierte Klage gegen den die Abwahl ablehnenden Beschluss erreichen. Selbst bei Erfolg der Klage hätte dies nur zur Folge, dass der ablehnende Beschluss als nicht gefasst gelten würde. Dies führte aber nicht positiv dazu, dass der Versammlungsleiter als abgewählt gelten würde. Im Gegenteil änderte sich an der Stellung des Dr. W. X. als satzungsmäßig bestimmter Versammlungsleiter nichts. Entgegen der Auffassung der Klägerin wären damit alle folgenden Beschlüsse weiterhin von dem satzungsmäßig bestimmten Versammlungsleiter festgestellt und auch alle sonstigen Handlungen des Versammlungsleiters wirksam. Selbst eine treuwidrige Ablehnung der Abwahl führte nicht dazu, dass die nachfolgenden Beschlüsse anfechtbar oder nichtig wären, sofern nicht positiv die Abwahl des Versammlungsleiters festgestellt ist. Solange der ablehnende Beschluss nicht durch Anfechtung beseitigt und ein die Abwahl aussprechender Beschluss gefasst bzw. im Wege der positiven Beschlussfeststellungsklage festgestellt ist, bleibt der Versammlungsleiter bestellt und kann wirksam handeln (gegen eine Anfechtbarkeit nachfolgender Beschlüsse bei Ablehnung eines Antrags auf Abwahl eines Versammlungsleiters auch Hüffer, AktG, 10. Aufl., § 243 AktG Rn. 16; Rose NZG 2007, 241, 245; wohl anders, aber ohne Begründung und nicht nachvollziehbar Hüffer/Koch, AktG, 11. Aufl., § 243 Rn. 16 und MünchKomm/Kubis, AktG, 3. Aufl., § 119 Rn. 115). Das Ziel, die Anfechtbarkeit oder Nichtigkeit aller nachfolgend gefassten Beschlüsse wegen der Tätigkeit eines nicht zuständigen Versammlungsleiters geltend machen zu können, kann demnach entgegen der Auffassung der Klägerin im Wege der Anfechtung des ablehnenden Beschlusses nicht erreicht werden.Randnummer148

Dieses Ziel könnte nur durch eine zugleich erhobene positive Beschlussfeststellungsklage erreicht werden.Randnummer149

Zwar besteht – wie die Klägerin zutreffend vorbringt – keine Pflicht der Klägerin, eine positive Beschlussfeststellungsklage zu erheben. Ohne diese aber fehlt ihr das Rechtsschutzbedürfnis für eine Anfechtungsklage, das nur bei einer Verbindung mit einer positiven Beschlussfeststellungsklage gegeben ist.Randnummer150

Eine positive Beschlussfeststellung gerichtet auf Feststellung der Abwahl des Versammlungsleiters durch die Hauptversammlung wäre in Kombination mit der Anfechtung des ablehnenden Beschlusses statthaft gewesen. Durch die Beseitigung des Ablehnungsbeschlusses mittels der Anfechtungsklage wird der Weg frei für die Feststellung dessen, was tatsächlich beschlossen worden ist (vgl. BGH NJW 1980, 1465, juris Rn. 28). Dies gilt nicht nur im Falle von fehlerhaften Stimmzählungen, sondern auch im Falle von treuwidrigen Stimmabgaben. Eine treuwidrig abgegebene Stimme ist unwirksam und somit nicht mitzuzählen (vgl. Spindler/Stilz/Cahn/v. Spannenberg, AktG, 2. Aufl., § 53 a Rn. 56; MünchKomm AktG/Bungeroth, 3. Aufl., vor § 53 Rn. 42; für die GmbH BGH AG 1993, 514, juris Rn. 13; OLG Stuttgart, 14 U 52/13, juris Rn. 57). Durch die Beseitigung der ablehnenden Stimme durch eine erfolgreiche Anfechtung ist die Möglichkeit gegeben, den wirkungslos abgelehnten Antrag zur Geltung zu bringen, sofern dann eine mehrheitliche Zustimmung vorliegt (vgl. BGH NJW 1984, 489, juris Rn. 30).Randnummer151

Auch die Tatsache, dass hier ausweislich des notariellen Protokolls der Hauptversammlung keine Stimme für den Beschlussantrag abgegeben wurde (vgl. S. 12 des Protokolls, B 3), allein auf Grund der Nichtigkeit der ablehnenden Stimmen demnach also nach wie vor ein ablehnender Beschluss vorliegt und kein positiver Beschluss über die Abwahl festgestellt werden kann, ändert nichts daran, dass einer isolierten Anfechtungsklage gegen den ablehnenden Beschluss das Rechtsschutzbedürfnis fehlt. Gerade in dieser Situation könnte eine Anfechtungsklage allenfalls dann Erfolg haben, wenn eine positive Stimmpflicht der Mehrheit bestünde und die Feststellung einer Beschlussablehnung deshalb unzutreffend ist, weil die positive Stimmpflicht im Rahmen der Feststellung nicht beachtet wurde und die ablehnenden Stimmen nicht wegen der positiven Stimmpflicht als zustimmende Stimmen gewertet wurden. Allein die Nichtigkeit der ablehnenden Stimmen würde nämlich bei fehlender zustimmender Stimme nicht dazu führen, dass die Feststellung der Ablehnung des Beschlusses unzutreffend wäre und damit der ablehnende Beschluss anfechtbar wäre. Selbst wenn aber eine positive Stimmpflicht bestanden hätte und dies deshalb zum Erfolg der Anfechtungsklage führen würde, führte dies nicht zu dem erklärten Rechtsschutzziel der Klägerin und würde ihr keinen Vorteil bringen. Denn auch in diesem Fall wäre durch den Erfolg der Anfechtungsklage nur festgestellt, dass kein wirksamer ablehnender Beschluss mehr vorliegt. Eine Abwahl des Versammlungsleiters mit dem von der Klägerin beabsichtigten Ziel der Anfechtbarkeit der nachfolgenden Beschlüsse läge dennoch nicht vor.Randnummer152

Die Tatsache, dass keine Stimme für den Antrag abgegeben wurde, schließt eine positive Beschlussfeststellungsklage nicht zwingend aus: Wäre die Zustimmung zu dem Abwahlantrag das einzige nicht treuwidrige Abstimmungsverhalten, könnte diese Zustimmung im Rahmen einer positiven Beschlussfeststellungsklage ersetzt werden (vgl. hierzu Spindler/Stilz/Cahn/v. Spannenberg, AktG, 2. Aufl., § 53 a Rn. 56; Großkomm/Henze/Notz, Anh. § 53 a Rn. 137; Bürgers/Körber/Westermann, AktG, 3. Aufl., § 53 a Rn. 14; GroßkommAktG/Schmidt, 4. Aufl., § 246 Rn. 111 sowie zur positiven Beschlussfeststellungsklage und dem Verhältnis zur Anfechtungsklage in Rn. 98 ff.; ausführlich zu positiven Stimmpflichten und den prozessualen Folgen für die GmbH Scholz/Schmidt, GmbHG, 11. Aufl., § 45 Rn. 113, § 47 Rn. 32).Randnummer153

Entgegen der Ansicht der Klägerin scheitert die Geltendmachung einer positiven Beschlussfeststellungsklage nicht daran, dass der bei Abwahl des Versammlungsleiters zuständige Versammlungsleiter nicht benannt und bestimmt werden kann. Es geht bei der positiven Beschlussfeststellungsklage nicht darum, einen neuen Versammlungsleiter zu bestimmen, sondern festzustellen, dass die Hauptversammlung den bisherigen Versammlungsleiter abgewählt hat. Folge wäre, dass der Versammlungsleiter nicht mehr als solcher hätte wirken dürfen mit den entsprechenden Auswirkungen auf die unter seiner Mitwirkung zu Stande gekommenen Beschlüsse. Nur eine erfolgreiche positive Feststellungsklage würde demnach das bewirken, was die Klägerin ohne Erfolg mit der Anfechtung des ablehnenden Beschlusses zu bewirken sucht, nämlich eine Auswirkung auf die nachfolgend unter der Versammlungsleitung von Dr. W. X. gefassten Beschlüsse.Randnummer154

Es spielt entgegen der Auffassung der Klägerin dem entsprechend auch keine Rolle, dass sich nachträglich nicht mehr feststellen lässt, ob der Vorsitzende des Aufsichtsrats oder bei dessen Untätigkeit der Aufsichtsrat selbst eine andere Person als Versammlungsleiter benannt hätte und ggf. welche. Auf die bei Abwahl des Versammlungsleiters ersatzweise zum Versammlungsleiter bestimmte Person kommt es nicht an. Entscheidend ist, dass bei einem Abwahlbeschluss ein nicht (mehr) zuständiger Versammlungsleiter gehandelt hätte. Eine Rechtsunsicherheit wie sie die Klägerin befürchtet entsteht durch die Zulassung einer positiven Beschlussfeststellungsklage des Inhalts, dass ein Abwahlbeschluss gefasst wurde, demnach nicht.Randnummer155

Das Rechtsschutzbedürfnis für eine isolierte Anfechtungsklage ergibt sich auch nicht daraus, dass bei erfolgreicher Anfechtung der ablehnende Beschluss als nicht gefasst gelten würde und deshalb eine Situation wie ohne Beschlussfassung vorläge. Zwar kann die unterlassene Beschlussfassung über einen Abwahlantrag eine Anfechtbarkeit der nachfolgenden Beschlüsse begründen (vgl. Bürgers/Körber/Reger, AktG, 3. Aufl., § 129 Rn. 38a; Spindler/Stilz/Wicke, AktG, 2. Aufl., Anh. § 119 Rn. 4; zu dieser Konstellation erging auch die von der Klägerin zitierte Entscheidung des LG Frankfurt v. 11.1.05, AG 2005, 892; zu den Voraussetzungen eines Abwahlantrags: OLG Stuttgart, 20 AktG 1/14, juris Rn. 100 ff.). Eine erfolgreiche Anfechtung der Ablehnung führte aber nicht dazu, dass eine unterlassene Beschlussfassung vorliegt. Vielmehr liegt noch immer der Tatbestand einer Beschlussfassung vor, wenn auch der Beschluss selbst bei erfolgreicher Anfechtungsklage unwirksam wäre (vgl. OLG Stuttgart, NZG 2013, 1146, juris Rn. 53; Scholz/Schmidt, GmbHG, 11. Aufl., § 45 Rn. 21). Die Situation einer erfolgten, aber treuwidrigen Abstimmung ist nicht vergleichbar mit der einer unterlassenen Abstimmung über einen schlüssig begründeten Abwahlantrag: Während in letztgenanntem Fall das Handeln des Versammlungsleiters, nämlich die unterlassene Abstimmung, einen Verfahrensfehler begründet, der möglicherweise zur Anfechtung der nachfolgend gefassten Beschlüsse berechtigt, richtet sich der Vorwurf in dem Fall der erfolgten, aber treuwidrigen Ablehnung des Antrags inhaltlich gegen die Beschlussfassung über den Abwahlantrag und die Treuepflichtverletzung durch die Mehrheit. Rechtsschutz bei unter Treuepflichtverletzung erfolgten Beschlussfassungen gewährt das Aktienrecht mit den Beschlussmängelklagen sowie der positiven Beschlussfeststellungsklage gerichtet gegen den konkreten Beschluss (hier die Ablehnung der Abwahl), während Verfahrensfehler wie eine unterlassene Abstimmung über den Abwahlantrag im Zuge der Anfechtung der nachfolgend gefassten Beschlüsse zu berücksichtigen sind. Es besteht demnach schon auf Grund der unterschiedlichen Zielrichtung der Angriffe sowie auf Grund des unterschiedlichen Rechtsschutzsystems keine Grundlage dafür, die nicht ordnungsgemäße Abstimmung nach erfolgter Anfechtung einer nicht durchgeführten Abstimmung gleich zu stellen.

c.Randnummer156

Ohne Erfolg hat sich die Klägerin erstinstanzlich auch auf eine Verletzung der Hinweispflicht nach § 139 ZPO berufen (Bl. 451). Abgesehen davon, dass dies in der Berufungsinstanz nicht mehr geltend gemacht wird, lag eine relevante Hinweispflichtverletzung auch nicht vor. Zum einen hat die Beklagte bereits in der Klagerwiderung auf die Unzulässigkeit einer isolierten Anfechtungsklage hingewiesen, zum anderen wurde die Frage nach eigenem Vorbringen der Klägerin (Bl. 451) in der mündlichen Verhandlung erörtert. Zudem fehlt es unabhängig von der Frage einer etwaigen Verfristung bereits an der Relevanz der behaupteten Hinweispflichtverletzung schon deshalb, weil die Klägerin zu keinem Zeitpunkt eine entsprechende positive Beschlussfeststellungsklage erhoben hat, vielmehr auch in der Berufungsinstanz weiterhin an ihrer Auffassung festhält, ein entsprechender Antrag sei nicht erforderlich.

2.Randnummer157

Abgesehen davon wären sowohl eine Anfechtungsklage als auch eine positive Beschlussfeststellungsklage unbegründet.Randnummer158

Voraussetzung für den Erfolg beider Klagen wäre, dass die Ablehnung des Antrags auf Abwahl des Versammlungsleiters treuwidrig gewesen wäre und eine Pflicht zur Abwahl des Versammlungsleiters bestanden hätte.Randnummer159

Eine derartige Pflicht zur Abwahl des Versammlungsleiters bestand nicht.Randnummer160

Nach ganz überwiegender und zutreffender Ansicht ist die Abberufung eines satzungsmäßig bestimmten Versammlungsleiters bei Vorliegen eines wichtigen Grundes zulässig, insbesondere wenn es der Hauptversammlung auf Grund schwerwiegender Verfahrensverstöße oder aus ähnlichen, ebenso gewichtigen Gründen nicht zumutbar gewesen wäre, an der Person des Versammlungsleiters festzuhalten (vgl. OLG Stuttgart, 20 AktG 1/14, juris Rn. 105; OLG Frankfurt, Urteil v. 02.10.2012, 5 U 10/12, juris Rn. 61; OLG Bremen, AG 2010, 256, juris Rn. 32; OLG Hamburg, AG 2001, 359, juris Rn. 89; Wicke in Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl., Anh. § 119 Rn. 4). Eine Abstimmung über einen Abwahlantrag setzt zumindest voraus, dass ein wichtiger Grund in diesem Sinne schlüssig vorgetragen ist (vgl. OLG Stuttgart, 20 AktG 1/14, juris Rn. 105; OLG Bremen, AG 2010, 256, juris Rn. 33 f; OLG Hamburg, AG 2001, 359, juris Rn. 89; Wicke in Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl., Anh. § 119 Rn. 4).Randnummer161

Die Zulässigkeit der Abwahl besagt aber nicht, dass die Hauptversammlung den Versammlungsleiter abwählen muss. Grundsätzlich steht es im Ermessen der Hauptversammlung, auch bei einem wichtigen Grund weiterhin an der Person des Versammlungsleiters festzuhalten. Ob und unter welchen Voraussetzungen sich im Einzelfall aus der Treuepflicht der Aktionärsmehrheit gegenüber der Minderheit Schranken ergeben können, die zu einer Abwahlpflicht führen können (hierzu OLG Frankfurt NZG 2008, 429, juris Rn. 29: bei offenbaren und schweren Leitungsfehlern; OLG Frankfurt, 17 U 176/07, juris Rn. 131), kann dahingestellt bleiben, weil eine derartige Treuepflichtverletzung hier fernliegt.Randnummer162

Die Klägerin begründete ihren Abwahlantrag ausweislich ihres eigenen Vorbringens in der Hauptversammlung damit, dass der Versammlungsleiter und weitere Aufsichtsratsmitglieder „in das Visier der Ermittler“ geraten seien und seitens der Staatsanwaltschaft untersucht werde, ob der Aufsichtsrat im Zusammenhang mit dem Vorwurf der Marktmanipulation gegen die früheren X-Vorstände W. und H. seine Aufsichtspflicht verletzt habe oder sich der Beihilfe schuldig gemacht habe. Die Unterlagen, die den Aktionären für die Hauptversammlung zur Verfügung gestellt worden seien, enthielten keine Informationen hierüber. Das Unterlassen, die Aktionäre über Inhalt und Gegenstand der den Versammlungsleiter persönlich betreffenden Tätigkeiten der strafrechtlichen Ermittlungsbehörden zu informieren, stelle einen wichtigen Grund für die Abwahl dar (vgl. im Einzelnen der wörtlich wiedergegebene Redebeitrag, Bl. 11).Randnummer163

Die Tatsache staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen wegen eines Verhaltens mehrere Jahre vor der streitgegenständlichen Hauptversammlung stellt – auch unter Berücksichtigung der Aussagefreiheit im Strafprozess nach § 136 StPO – schon keinen wichtigen Grund dar, der zu einer Abwahl des Versammlungsleiters berechtigen würde, erst recht aber keinen Grund, der die Mehrheit aus Gründen der Treuepflicht gegenüber der Minderheit verpflichten würde, den Versammlungsleiter abzuwählen. Der Versammlungsleiter hat die Aufgabe, für die sachgemäße Abwicklung der Hauptversammlung und einen geordneten Verfahrensablauf zu sorgen. Angesichts dieser formalen, auf die Hauptversammlungsleitung bezogenen Funktion sind grundsätzlich Vorgänge, die sich nicht auf die Tätigkeit des Versammlungsleiters beziehen, Fehlverhalten außerhalb der Hauptversammlung sowie charakterliche Defizite, die sich nicht auf die Verhandlungsführung auswirken können, schon nicht geeignet, einen wichtigen Grund für eine Abwahl darzustellen (vgl. MünchKomm AktG/Kubis, 3. Aufl., § 119 Rn. 113; Spindler/Stilz/Wicke, AktG, 2. Aufl., Anh. § 119 Rn. 4; Hüffer/Koch, AktG, 11. Aufl., § 129 Rn. 21; Rose NZG 2007, 241, 244). Ob und wann hiervon im Einzelfall Ausnahmen gemacht werden können und auch außerhalb der Hauptversammlung liegendes Fehlverhalten oder laufende oder abgeschlossene Strafverfahren Grund für eine Abwahl sein können (vgl. LG Frankfurt, ZIP 2005, 1176 zur Abstimmungspflicht bei Vorliegen eines eingestellten Ermittlungsverfahrens; abwägend Rose NZG 2007, 241, 244) kann hier dahingestellt bleiben. Außerhalb der Versammlungsleitung liegendes Fehlverhalten und Ermittlungsverfahren können jedenfalls regelmäßig keine Pflicht der Mehrheit begründen, einem Abwahlantrag der Minderheit zuzustimmen. Eine aus der Treuepflicht begründete Zustimmungspflicht zu einem Beschluss kann nur in Ausnahmefällen angenommen werden (hierzu ausführlich GroßkommAktG/Henze/Notz, 4. Aufl., Anh. § 53 a Rn. 57 ff). Außerhalb der Hauptversammlung liegendes Verhalten des Versammlungsleiters, das nicht konkret die Rechte der Minderheit in der Hauptversammlung beeinträchtigt oder bedroht, bietet regelmäßig keinen Grund, das Stimmrecht der Mehrheitsaktionäre wegen der Treuepflicht gegenüber der Minderheit einzuschränken.Randnummer164

So liegt der Fall auch hier: Der Vorgang, der Grund des Ermittlungsverfahrens ist, hat keinen Bezug zu dem konkreten Verhalten des Versammlungsleiters in der Hauptversammlung und nicht einmal Bezug zu dem Geschäftsjahr, auf das sich die Hauptversammlung bezieht. Ein die Rechte der Minderheit in der Hauptversammlung schwerwiegend beeinträchtigender Tatbestand, der es für die Minderheit unzumutbar machen würde, ihre Rechte sachgerecht in der Hauptversammlung auszuüben und deshalb die Mehrheit verpflichten würde, den Versammlungsleiter abzuwählen, liegt weder in dem Verhalten, das Grund des Ermittlungsverfahrens ist, noch in der Tatsache der Einleitung des Ermittlungsverfahrens. Dies gilt unabhängig davon, wann das Ermittlungsverfahren eingeleitet und dessen Einleitung bekannt wurde: Für die Frage, ob die Leitung der Hauptversammlung durch einen Versammlungsleiter zumutbar ist, ist nicht entscheidend, wann eventuelle Ermittlungen aufgenommen wurden, sondern, ob die den Ermittlungen zu Grunde liegenden Handlungen die Unzumutbarkeit der Versammlungsleitung und die Verpflichtung der Mehrheit zur Abwahl begründen.Randnummer165

Die behauptete Gefahr von Interessenkollisionen auf Grund der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen (Bl. 225 ff.) ändert hieran nichts. Auch insoweit liegen keine konkreten Handlungen vor, die eine Beeinträchtigung der Rechte der Minderheit auf der Hauptversammlung darstellten. Lediglich die Gefahr derartiger Handlungen begründet keine Pflicht der Mehrheit, den Versammlungsleiter quasi vorsorglich abzuwählen. Die Minderheit ist ausreichend dadurch geschützt, dass sie bei tatsächlich auftretenden schweren Pflichtverletzungen einen Abwahlantrag hierauf gestützt stellen kann und eventuelle Verfahrensfehler bei Relevanz im Rahmen von Beschlussmängelklagen vorbringen kann. Soweit die Klägerin behauptet, die Gefahr habe sich realisiert (Bl. 592 f.), ist dies schon nicht nachvollziehbar begründet, jedenfalls aber für die Beurteilung der Treuwidrigkeit der Ablehnung des Antrags nicht relevant: Mögliche nach Abstimmung über den Abwahlantrag verübte Pflichtverletzungen begründeten keine Treuwidrigkeit der Abstimmung, da sich diese nur auf bereits verwirklichte Umstände beziehen kann.Randnummer166

Auf die Frage, ob die den Ermittlungsverfahren zu Grunde liegenden Verdachtsmomente begründet sind, welcher Grad des Verdachts vorliegt und ob tatsächlich die behaupteten Straftaten begangen wurden sowie die Darlegungs- und Beweislast hierfür, kommt es im Rahmen der Entscheidung über die Treuwidrigkeit der Ablehnung des Abwahlantrags nicht an: Selbst wenn im Rahmen des Anfechtungsverfahrens durch eine Beweisaufnahme oder durch spätere Erkenntnisse das Vorliegen der Straftat erwiesen wäre, begründete dies nicht die Treuwidrigkeit der Ablehnung des Abwahlantrags zum Zeitpunkt der Hauptversammlung. Eine Pflicht zur Abwahl des Versammlungsleiters für die Hauptversammlung im Jahr 2013 wäre demnach auch in diesem Fall nicht anzunehmen.Randnummer167

Ohne Erfolg beruft sich die Klägerin auch darauf, dass laufende Ermittlungsverfahren bezüglich der ehemaligen Vorstände W. und H. Vorstand und Aufsichtsrat in der Hauptversammlung vom 29.01.2010 zu dem Vorschlag bewogen hätten, die Entscheidung über die Entlastung für das Geschäftsjahr 2008/09 zu vertagen (Bl. 224 f., 227). Die Vertagung der Entscheidung über die Entlastung des Vorstands für das Geschäftsjahr, auf das sich die im Ermittlungsverfahren untersuchten Handlungen beziehen, ist mit der Entscheidung über die Abwahl des Versammlungsleiters für eine Hauptversammlung im Jahr 2013 nicht ansatzweise vergleichbar. Argumente dafür, dass die Nichtabwahl des Versammlungsleiters treuwidrig war, lassen sich hieraus nicht schöpfen.Randnummer168

Dies gilt auch für den Vorwurf der Klägerin, der Versammlungsleiter habe über das laufende Ermittlungsverfahren nicht im Vorgang zur Hauptversammlung berichtet. Wenn schon die Tatsache des laufenden Ermittlungsverfahrens keinen Grund für die Pflicht zur Abwahl des Versammlungsleiters darstellte, stellte erst recht die unterlassene Information hierüber keinen Grund dar, der die Mehrheitsaktionäre zur Abwahl verpflichtete.Randnummer169

Auch eine Anfechtung des Ablehnungsbeschlusses wegen einer Informationspflichtverletzung scheidet aus. Hinsichtlich der vor der Entscheidung über den Abwahlantrag gestellten Fragen (Klagschrift, Bl. 11 sowie Fragen 1.1.-1.4, B 4) hat die Klägerin schon den Anfechtungsgrund einer Informationspflichtverletzung nicht schlüssig dargelegt. Bis auf die unsubstantiierte und damit ungenügende Behauptung in der Klagschrift, die Fragen seien nicht bzw. nicht ordnungsgemäß beantwortet worden (Bl. 12) und sie seien lediglich oberflächlich und ausweichend dahingehend beantwortet worden, dass man von keiner Strafbarkeit ausgehe, und eine inhaltliche Beantwortung jeder Teilfrage sei nicht erfolgt (Bl. 39), hat die Klägerin hierzu nichts vorgebracht. Aus den von der Beklagten vorgelegten Frage- und Antwortblättern (B 4) ergibt sich entgegen dem Vorbringen der Klägerin aber, dass die im Zuge des Abwahlantrags gestellten Fragen umfassend beantwortet wurden. Ein Anfechtungsgrund wegen Informationspflichtverletzung ist hieraus weder ersichtlich noch dargetan. Die Klägerin hat sich hierauf nach Klagerhebung und im Berufungsverfahren auch nicht mehr berufen.Randnummer170

Ohne Erfolg beruft sich die Klägerin zur Anfechtung des Abwahlantrags in der Berufungsinstanz auch auf die Nichtbeantwortung einzelner weiterer Fragen, die erst nach dem Beschluss über den Abwahlantrag gestellt worden sind (Frage 2, Berufungsbegründung Rn. 594, Bl. 131; Frage 3, Berufungsbegründung Rn. 608, Bl. 678). Zum einen ist die Klägerin hiermit schon präkludiert, da sie in der Klagschrift die Anfechtung der Ablehnung des Abwahlantrags hierauf nicht gestützt hat. Zum anderen können Antworten auf Fragen, die im Zeitpunkt der Beschlussfassung noch gar nicht gestellt waren, hinsichtlich dieses Beschlusses keine Informationspflichtverletzung begründen.Randnummer171

Der weitere in der Klagschrift geltend gemachte Anfechtungsgrund hinsichtlich des Beschlusses über den Abwahlantrag, nämlich „die Involvierung einer privaten Beteiligungsgesellschaft in private Zockereien bei der versuchten Übernahme der Z AG im Jahr 2008 und im Raume stehende schwerste Pflichtverletzungen“ (Bl. 12) und die „persönliche Involvierung von Dr. W. X. in seiner Eigenschaft als Aufsichtsratsvorsitzender und persönlicher Profiteur als (mittelbar) Aktionär der Beklagten und Gesellschafter der X S. GmbH, die … durch parallele Zockereien an der Beklagten vorbei Milliarden erlöst habe“ (Bl. 12; zu diesem Anfechtungsgrund auch Berufungsbegründung Rn. 186 ff., Bl. 594 ff.), begründet ebenfalls die Anfechtbarkeit des ablehnenden Beschlusses über die Abwahl des Versammlungsleiters nicht. Dies gilt schon deshalb, weil dieser behauptete Abwahlgrund in der Hauptversammlung im Rahmen des Abwahlantrags nicht vorgebracht wurde. Wie ausgeführt könnte sich eine Anfechtbarkeit nur dann ergeben, wenn das Abstimmungsverhalten der Mehrheit treuwidrig gegenüber der Minderheit gewesen wäre. Eine Abstimmung über die Abwahl eines Versammlungsleiters hat nur dann zu erfolgen, wenn der Abwahlantrag zumindest schlüssig einen wichtigen Grund zur Abwahl enthält. Treuwidrig kann eine Ablehnung dieses Antrags nur dann sein, wenn dieser vorgebrachte, schlüssig dargelegte Abwahlgrund tatsächlich bestand und so gravierend ist, dass die Mehrheit ausnahmsweise auf Grund ihrer Treuepflicht gegenüber der Minderheit verpflichtet war, dem Antrag zuzustimmen. Dies setzt – wie ausgeführt – eine gravierende Beeinträchtigung der Rechte der Minderheit voraus. Dem antragstellenden Aktionär obliegt es, diese Gründe im Rahmen seines Abwahlantrags darzulegen. Gründe, die von dem antragstellenden Aktionär schon nicht vorgebracht wurden, um seinen Abwahlantrag zu begründen, müssen von der Mehrheit auch nicht berücksichtigt werden, nachdem schon über den Abwahlantrag an sich nur auf Grund schlüssig vorgebrachter Gründe zu entscheiden ist und selbst bei Vorliegen möglicher Abwahlgründe von vornherein keine Pflicht der Mehrheit besteht, ohne Antrag über die Abwahl des Versammlungsleiters zu beschließen.Randnummer172

Abgesehen davon stellte auch die behauptete Beteiligung an der X GmbH, S., sowie eventuelle Gewinne dieser Gesellschaft im Zusammenhang mit dem Erwerb von Aktien und Derivaten an Z keinen Grund dar, der die Nichtabwahl des Versammlungsleiters als treuwidrig erscheinen ließe. Auch dieses vorgeworfene Verhalten liegt in seinem Kern in den Jahren weit vor der streitgegenständlichen Hauptversammlung und hat keinen Bezug zu der Tätigkeit als Versammlungsleiter sowie zu der Versammlungsleitung im Jahr 2013. Die Gefahr von Interessenkollisionen, die die Klägerin zur Begründung ihrer Anfechtung des ablehnenden Beschlusses heranzieht, verpflichtete die Mehrheit ebenfalls nicht, der Abwahl zuzustimmen. Das zu Interessenkollisionen im Zusammenhang mit laufenden Ermittlungsverfahren Ausgeführte gilt entsprechend. Auf die Richtigkeit des Vorbringens der Klägerin bezüglich der Beteiligung an der X GmbH, S., deren Beteiligung an Z und möglichen – auch pflichtwidrig erlangten – Gewinnen kommt es nicht an.Randnummer173

Hinsichtlich des erstmals in der Replik vorgebrachten Anfechtungsgrunds eines Verstoßes gegen die Geschäftschancenlehre im Zusammenhang mit der Beteiligung der X GmbH, S., an Z (Bl. 221 ff.; ebenso Berufungsbegründung Bl. 596 ff) gilt Entsprechendes: Die Anfechtbarkeit scheidet schon aus, weil ein derartiger Grund im Rahmen des Abwahlantrags nicht genannt wurde und deshalb keinen Treuepflichtverstoß der Mehrheit bei der Ablehnung über den Antrag darstellen kann. Darüber hinaus liegt auch insoweit kein Bezug zur Leitung der Hauptversammlung 2013 und der Funktion als Versammlungsleiter vor, der die Treuwidrigkeit seiner Nichtabwahl begründen könnte. Auch insoweit ist es unerheblich, ob der behauptete Verstoß gegen die GeschäftschancenlehreBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Geschäftschancenlehre
Verstoß gegen die Geschäftschancenlehre
vorlag.Randnummer174

Nichts anderes gilt, soweit die Klägerin erstmals in der Replik einen Verstoß gegen Ziff. 5.5.1 des DCGK und gegen Ziff. 5.5.3 DCGK behauptet und damit die Anfechtung des die Abwahl ablehnenden Beschlusses begründet (Rn. 70, Bl. 222; Berufungsbegründung Rn. 204 ff., Bl. 597). Weder wurden diese Gründe im Rahmen des Abwahlantrags genannt noch haben sie einen in o.g. Sinne hinreichenden Bezug zur Tätigkeit des Versammlungsleiters.Randnummer175

Soweit die Klägerin in der Berufungsbegründung auch die unterlassene Rückforderung der Zahlungen an die ehemaligen Vorstände H. und W. als Grund vorbringt, der die Versammlungsleitung durch Dr. W. X. unzumutbar mache (Bl. 591), begründet dies ebenfalls nicht die Anfechtbarkeit des die Abwahl ablehnenden Beschlusses. Auch dieser Grund ist weder im Rahmen des Abwahlantrags genannt noch hat er einen hinreichenden Bezug zur Tätigkeit als Versammlungsleiter. Eine Treuwidrigkeit der Ablehnung des Abwahlantrags ergibt sich somit auch diesbezüglich nicht. Zutreffend verweist die Beklagte insoweit zudem auf eine Präklusion nach § 246 Abs. 1 AktG.Randnummer176

Insgesamt bestand somit keine Verpflichtung der Mehrheit aus der ihr obliegenden Treuepflicht, den Versammlungsleiter abzuwählen. Die Ablehnung des Antrags war mithin rechtmäßig, die Anfechtung dieser Ablehnung wäre unbegründet. Eine – nicht erhobene – positive Beschlussfeststellungsklage hätte demnach ebenfalls keinen Erfolg gehabt.

II.Randnummer177

Zutreffend hat das Landgericht auch die Nichtigkeitsklage sowie die Anfechtung der Beschlüsse über die Entlastung des Vorstands, die Entlastung des AufsichtsratsBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Entlastung
Entlastung des Aufsichtsrats
und die wahl des Aufsichtsrats für unbegründet gehalten. Die neben den gerügten Informationspflichtverletzungen geltend gemachten Nichtigkeits- und Anfechtungsgründe bestehen weder hinsichtlich der Entlastung des Vorstands (hierzu unter 1.), noch hinsichtlich der Entlastung des AufsichtsratsBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Entlastung
Entlastung des Aufsichtsrats
(hierzu unter 2.) noch hinsichtlich der wahl des Aufsichtsrats (hierzu unter 3.). Auch eine Verletzung von Informationspflichten bezüglich der in der Hauptversammlung gestellten Fragen, die zur Anfechtbarkeit dieser Beschlüsse oder eines dieser Beschlüsse führen könnte, liegt nicht vor (hierzu unter 4.).Randnummer178

1. Beschluss über die Entlastung des VorstandsRandnummer179

Der Beschluss über die Entlastung des Vorstands ist weder nichtig noch mit den vorgebrachten Gründen anfechtbar.Randnummer180

Nichtigkeitsgründe nach § 241 AktG sind weder dargetan noch ersichtlich.Randnummer181

Auch die vorgetragenen Anfechtungsgründe greifen nicht durch.

a.Randnummer182

Der Entlastungsbeschluss ist nach § 243 Abs. 1 AktG wie jeder andere Hauptversammlungsbeschluss nur anfechtbar, soweit er gegen das Gesetz oder die Satzung verstößt. Im Rahmen der Anfechtung eines Entlastungsbeschlusses hat das Gericht demnach – anders als beispielsweise bei einem Regressprozess gegen ein Mitglied der Verwaltung oder bei einem Verfahren zur Bestellung eines Sonderprüfers nach § 142 Abs. 2 Satz 1 AktG – nicht unmittelbar das Handeln der Verwaltung, sondern das Handeln der Hauptversammlung zu überprüfen (OLG Stuttgart, AG 2012, 298, juris Rn. 148; Decher in Festschrift Hopt, 2010, 499, 501; Schmidt/Lutter/Spindler, AktG, 2. Aufl., § 120 Rz. 33). Die Eröffnung der Möglichkeit, einen Beschluss über die Entlastung der Verwaltung anzufechten, dient jedenfalls nicht der umfassenden gerichtlichen Kontrolle des Verwaltungshandelns im abgelaufenen Geschäftsjahr, sondern ausschließlich der Kontrolle der Beschlussfassung der Hauptversammlung (OLG Stuttgart, AG 2012, 298, juris Rn. 147).Randnummer183

Das Verwaltungshandeln spielt im Rahmen der Anfechtung eines Entlastungsbeschlusses nur insoweit eine Rolle, als bei der Prüfung der Rechtsmäßigkeit der Entlastungserteilung durch die Hauptversammlung zu klären ist, ob die Hauptversammlung das ihr zukommende Ermessen angesichts von Pflichtverletzungen des Entlasteten überschritten hat. Dabei ist nicht zu prüfen, ob die Erteilung der Entlastung im Sinne von § 315 BGB billigem Ermessen entspricht. Es kommt nur darauf an, ob sich die Entlastungserteilung als Treuepflichtverletzung der den Entlastungsbeschluss tragenden Mehrheit der Hauptversammlungsteilnehmer darstellt und dadurch die Beschlussfassung einen Rechtsverstoß im Sinne von § 243 Abs. 1 AktG begründet (BGHZ 153, 47, juris Rn. 15 – „Macrotron“; OLG Stuttgart, AG 2012, 298, juris Rn. 149; OLG Stuttgart, AG 2011, 93, juris Rn. 373; Spindler/Stilz/Hoffmann, AktG, 2. Aufl., § 120 Rn. 27 und 49).Randnummer184

Da die Entlastungsentscheidung grundsätzlich im Ermessen der Gesellschafter liegt, ist ein Entlastungsbeschluss nicht schon dann fehlerbehaftet im Sinne von § 243 Abs. 1 AktG, wenn es Gründe gegeben hätte, die Entlastung zu verweigern. Ein Entlastungsbeschluss ist wegen eines Gesetzesverstoßes aber anfechtbar, wenn damit ein tatsächliches Verhalten gebilligt wird, das einen schwerwiegenden und eindeutigen Gesetzes- oder Satzungsverstoß darstellt (BGH AG 2013, 90; BGHZ 194, 14, juris Rn. 9 – Fresenius; BGHZ 153, 47, juris Rn. 15 – Macrotron). Eine Entlastung trotz eines schwerwiegenden und eindeutigen Gesetzesverstoßes verstößt gegen § 120 Abs. 2 Satz 1 AktG, ist mit der Treuepflicht der Mehrheit gegenüber der Minderheit nicht vereinbar und ist deshalb nach § 243 Abs. 1 AktG anfechtbar (vgl. BGH AG 2013, 90; BGHZ 194, 14, juris Rn. 9 – Fresenius; BGHZ 153, 47, juris Rn. 15 – Macrotron).Randnummer185

Dabei beurteilt sich die Schwere des Verstoßes anhand einer wertenden Betrachtung. Zu berücksichtigen ist, ob trotz des Verstoßes die Anerkennung des Verhaltens als im Großen und Ganzen gesetzes- und satzungskonform noch vertretbar erscheint (vgl. OLG Stuttgart, AG 2012, 298, juris Rn. 152; Spindler/Stilz/Hoffmann, AktG, 2. Aufl., § 120 Rz. 49). Das Erfordernis der schwerwiegenden Pflichtverletzung soll die Entlastungsanfechtung wegen Bagatellverstößen ausschließen (Litzenberger, NZG 2010, 854, 856).Randnummer186

An der nötigen Eindeutigkeit eines Verstoßes fehlt es jedenfalls dann, wenn sich der Entlastete nicht über eine zweifelsfreie Rechtslage hinweggesetzt hat, sondern sein Verhalten nach maßgeblichen Stimmen in der Literatur zulässig war und die Rechtslage nicht obergerichtlich oder höchstrichterlich geklärt ist (BGHZ 194, 14, juris Rn. 23; OLG Stuttgart, AG 2012, 298, juris Rn. 153; OLG Stuttgart, AG 2011, 93, juris Rn. 366; OLG München, ZIP 2008, 1237, juris Rn. 52 f., bestätigt durch BGH, AG 2010, 79).Randnummer187

Eine Anfechtbarkeit des Entlastungsbeschlusses setzt voraus, dass die eindeutige und schwerwiegende Pflichtverletzung den Teilnehmern der Hauptversammlung bekannt oder auf Grund der ihnen zugänglichen Informationen zumindest erkennbar war (vgl. OLG Stuttgart, AG 2012, 298, juris Rn. 214; OLG Köln, NZG 2009, 1110, juris Rn. 22; Spindler/Stilz/Hoffmann, AktG, 2. Aufl., § 120 Rn. 49; Bürgers/Körber/Reger, AktG, 3. Aufl., § 120 Rn. 5; MünchKommAktG/Kubis, 3. Aufl., § 120 Rn. 15; Hüffer/Koch, AktG, 11. Aufl., § 120 Rn. 12). Die Erkennbarkeit kann sich insbesondere auch daraus ergeben, dass die tatsächlichen Umstände der Hauptversammlung durch einen Redebeitrag vor Augen geführt wurden, wenn diese Umstände aus Sicht eines objektiven Durchschnittsaktionärs als unstreitig angesehen werden können (vgl. OLG Stuttgart, AG 2012, 298, juris Rn. 246 ff.; Bürgers/Körber/Reger, AktG, 3. Aufl., § 120 Rn. 5).Randnummer188

Eine Anfechtbarkeit des Entlastungsbeschlusses scheidet dann aus, wenn die tatsächlichen Umstände, die den Vorwurf einer schwerwiegenden und eindeutigen Pflichtverletzung begründen, aus Perspektive der Hauptversammlung nicht aufgeklärt sind. Auf Umstände, die erst im Rahmen eines Anfechtungsprozesses aufgeklärt und bewiesen werden sollen, kann eine Anfechtung deshalb nicht gestützt werden (vgl. OLG Stuttgart, AG 2012, 298, juris Rn. 244; Spindler/Stilz/Hoffmann, AktG, 2. Aufl., § 120 Rn. 49; Hüffer/Koch, AktG, 11. Aufl., § 120 Rn. 12). Umstände, die erst nachträglich bekannt werden und die Ablehnung der Entlastung begründet hätten, können somit eine Anfechtung des Entlastungsbeschlusses nicht begründen (vgl. GroßkommAktG/Mülbert, 4. Aufl., § 120 Rn. 121).Randnummer189

Eine Pflicht zur Verweigerung der Entlastung kann sich grundsätzlich nur aus eindeutigen und schwerwiegenden Gesetzesverstößen ergeben, die in der Entlastungsperiode begangen wurden. Durch die Entlastung wird grundsätzlich nur das Verhalten der zu Entlastenden in dem Entlastungszeitraum gebilligt (vgl. GroßkommAktG/Mülbert, 4. Aufl., § 120 Rn. 94; Schmidt/Lutter/Spindler, AktG, 2. Aufl., § 120 Rn. 31), weshalb früheres Verhalten für die Entlastungsentscheidung grundsätzlich nicht relevant ist. Nicht gestützt werden kann die Verweigerung der Entlastung deshalb in der Regel auf Handlungen in früheren Zeiträumen, für die bereits Entlastung erteilt worden ist (vgl. OLG Stuttgart, AG 2011, 93, juris Rn. 369; MünchKomm AktG/Kubis, 3. Aufl., § 120 Rn. 54; Bürgers/Körber/Reger, AktG, 3. Aufl., § 120 Rn. 11; Schmidt/Lutter/Spindler, AktG, 2. Aufl., § 120 Rn. 37).Randnummer190

Nach allgemeinen Grundsätzen obliegt dem klagenden Aktionär die Darlegung und gegebenenfalls der Beweis sämtlicher Umstände, welche die Anfechtbarkeit des Beschlusses begründen (OLG Stuttgart, AG 2009, 124, juris Rn. 81; Spindler/Stilz/Würthwein, AktG, 2. Aufl., § 243 Rn. 264). Demgegenüber kann sich die Klägerin nicht pauschal auf ein „strukturelles Informationsgefälle“ zwischen Gesellschaft und Aktionär berufen. Zwar kann unter bestimmten Voraussetzungen nach den allgemeinen zivilprozessualen Grundsätzen der Vortrag des primär darlegungspflichtigen Anfechtungsklägers nach § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden anzusehen sein, wenn die Gesellschaft einer ihr obliegenden sekundären Darlegungslast in Bezug auf Tatsachen in ihrem Wahrnehmungsbereich nicht nachkommt (OLG Stuttgart, AG 2009, 124, juris Rn. 83). Für die Annahme einer sekundären Darlegungslast der Gesellschaft genügt aber weder die Berufung auf den Aspekt des Minderheitenschutzes (OLG Stuttgart, AG 2009, 124, juris Rn. 82; BGH II ZR 142/76, BGHZ 71, 40, juris Rn. 17) noch die Behauptung, dass dem Anfechtungskläger die Darlegung bestimmter Umstände wesentlich schwerer falle als der Gesellschaft (OLG Stuttgart, AG 2009, 124, juris Rn. 82; BGH IX ZR 293/95, NJW 1997, 128, juris Rn. 17).Randnummer191

Hinzu kommt, dass Umstände, die für die Teilnehmer der Hauptversammlung nicht erkennbar waren, für die Anfechtbarkeit der erteilten Entlastung nicht entscheidungserheblich sind. Umstände, die nach den allgemeinen Grundsätzen der sekundären Darlegungslast im Anfechtungsprozess von der Gesellschaft vorzutragen wären, weil sie der Klägerin und der Hauptversammlung im Zeitpunkt der Entscheidung über die Entlastung nicht erkennbar waren, sind demnach im prozess über die Anfechtung eines Entlastungsbeschlusses nicht entscheidungserheblich.Randnummer192

Kann ein Aktionär nicht darlegen, dass die Verwaltung im Entlastungszeitraum einen eindeutigen und schwerwiegenden, für die Hauptversammlung erkennbaren Rechtsverstoß begangen hat, mag er allenfalls Anträge auf Zulassung der gerichtlichen Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen der Gesellschaft gegen die angeblich pflichtwidrig handelnde Verwaltung nach § 148 Abs. 1 AktG oder auf die gerichtliche Bestellung eines Sonderprüfers nach § 142 Abs. 2 Satz 1 AktG in Betracht ziehen. In beiden Fällen hat der Gesetzgeber jedoch die Antragsberechtigung des Aktionärs vom Erreichen eines bestimmten Quorums abhängig gemacht (§§ 142 Abs. 2 Satz 1, 148 Abs. 1 Satz 1 AktG). Auch diese Entscheidung des Gesetzgebers spricht dagegen, den vom Erreichen eines Quorums unabhängigen prozess über die Anfechtung eines Entlastungsbeschlusses in ein Verfahren zur „umfassenden gerichtlichen Kontrolle des Handelns der Verwaltung“ umzufunktionieren. In der Literatur wird daraus jedenfalls zu Recht ein Gebot des restriktiven Vorgehens bei der Feststellung eines Rechtsverstoßes im Rahmen der Entlastungsanfechtung abgeleitet (Spindler in Schmidt/Lutter/Spindler, AktG, 2. Aufl., § 120 Rn. 33).

b.Randnummer193

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hat die Anfechtungsklage der Klägerin gegen die Entlastung des Vorstands keinen Erfolg. Die vorgebrachten Anfechtungsgründe liegen nicht vor.Randnummer194

aa. Tätigkeit des Versammlungsleiters Dr. W. X.Randnummer195

Wie bereits ausgeführt war Dr. W. X. rechtmäßiger und nicht abgewählter Versammlungsleiter der Hauptversammlung. Ein Anfechtungsgrund wegen Leitung der Versammlung und Feststellung durch einen unzuständigen Versammlungsleiter scheidet deshalb ebenso aus wie ein Nichtigkeitsgrund.Randnummer196

bb. Fehlerhafte EntsprechenserklärungRandnummer197

Zutreffend hat das Landgericht eine Präklusion der Klägerin mit dem Anfechtungsgrund „fehlerhafte Entsprechenserklärung nach § 161 AktG“ angenommen.Randnummer198

Nach § 246 Abs. 1 AktG muss die Anfechtungsklage innerhalb eines Monats nach der Beschlussfassung erhoben werden. Es handelt sich hierbei um eine materiell-rechtliche Präklusionsfrist, deren Versäumung zur Unbegründetheit der Klage führt, was von Amts wegen zu berücksichtigen ist (vgl. Hüffer/Koch, AktG, 11. Aufl., § 246 Rn. 21; Spindler/Stilz/Dörr, AktG, 2. Aufl., § 246 Rn. 12; Bürgers/Körber/Göz, AktG, 3. Aufl., § 246 Rn. 7).Randnummer199

Die Anfechtungsgründe sind abtrennbare Teile des Streitstoffs. Der Streitgegenstand der aktienrechtlichen Anfechtungsklage wird durch die jeweils geltend gemachten Beschlussmängelgründe als Teil des zugrunde liegenden Lebenssachverhalts bestimmt (BGH II ZR 63/08, AG 2010, 452, juris Rn. 3 mN; BGH II ZR 153/03, ZIP 2005, 706, juris Rn. 17 in Klarstellung zu BGHZ 152, 1 (II ZR 286/01)).Randnummer200

Erforderlich ist, dass der konkrete Anfechtungsgrund innerhalb der Monatsfrist wenigstens in seinem tatsächlichen Kern dargelegt ist (vgl. BGH II ZR 230/91, BGHZ 120, 141, juris Rn. 42; BGH II ZR 153/03, ZIP 2005, 706, juris Rn. 17 in Klarstellung zu BGHZ 152, 1 (II ZR 286/01); Hüffer/Koch, AktG, 11. Aufl., § 246 Rn. 26; Spindler/Stilz/Dörr, AktG, 2. Aufl., § 246 Rn. 19 f.; Bürgers/Körber/Göz, AktG, 3. Aufl., § 246 Rn. 13). Die Substantiierung des bereits in seinem Tatsachenkern vorgebrachten Anfechtungsgrundes ist auch nachträglich noch möglich (vgl. MünchKomm Akt/Hüffer, 3. Aufl., § 246 Rn. 44; Bürgers/Körber/Göz, AktG, 3. Aufl., § 246 Rn. 13). Der von der Klägerin aus der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 22.07.2002 (BGHZ 152,1II ZR 286/01) abgeleiteten Argumentation (vgl. Berufungsbegründung, Bl. 604 ff.), wonach auch bei mehreren Anfechtungsgründen ein einheitlicher Streitgegenstand vorliege, hat der Bundesgerichtshof in den genannten späteren Entscheidungen zu Recht und unter ausdrücklichem Bezug zu der Entscheidung vom 22.07.2002 eine Absage erteilt. Auch aus der von der Klägerin zitierten Entscheidung des EuGH vom 24.05.2011, C-83/09 P, ergibt sich nichts anderes.Randnummer201

Dem entsprechend ist auch das Nachschieben von Anfechtungsgründen unzulässig; nachgeschobene Anfechtungsgründe sind nicht mehr zu berücksichtigen (vgl. BGH AG 2010, 452, juris Rn. 3 mN; Hüffer/Koch, AktG, 11. Aufl., § 246 Rn. 26; Spindler/Stilz/Dörr, AktG, 2. Aufl., § 246 Rn. 20; MünchKomm Akt/Hüffer, 3. Aufl., § 246 Rn. 45 f; Bürgers/Körber/Göz, AktG, 3. Aufl., § 246 Rn. 13).Randnummer202

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist die Klägerin mit dem Anfechtungsgrund einer fehlerhaften Entsprechenserklärung präkludiert. Zutreffend hat das Landgericht unter Zitat des Vortrags der Klägerin dargelegt, dass in der Anfechtungsfrist der tatsächliche Kern dieses Anfechtungsgrundes nicht vorgebracht wurde. Zu dem tatsächlichen Kern der Anfechtung wegen einer fehlerhaften Entsprechenserklärung gehört die Darlegung, welche Entsprechenserklärung mit welchem Inhalt abgegeben wurde und warum diese fehlerhaft sein soll. Derartige Ausführungen finden sich in der Klagschrift nicht, wie das Landgericht zutreffend und von der Berufung nicht angegriffen festgestellt hat. Dort wird zwar allgemein der behauptete Interessenkonflikt aus der Beteiligung an der X GmbH, S., geschildert, der auch Grundlage des Vorwurfs einer falschen Entsprechenserklärung ist. Dies genügt aber nicht als tatsächliches Vorbringen, um den Vorwurf einer falschen Entsprechenserklärung zu begründen. Nicht das Bestehen eines Interessenkonflikts, sondern die fehlerhaften Angaben hierzu in der Entsprechenserklärung sind Kern des Anfechtungsgrunds „falsche Entsprechenserklärung“. Ohne einen tatsächlichen Vortrag dazu, dass und warum eine fehlerhafte Entsprechenserklärung abgegeben wurde, ist der Anfechtungsgrund „fehlerhafte Entsprechenserklärung“ demnach nicht seinem tatsächlichen Kern nach eingeführt.Randnummer203

Entgegen dem Vorbringen der Klägerin in der Berufungsbegründung liegt kein Verstoß des Landgerichts gegen den Grundsatz „da mihi factum, dabo tibi jus“ vor. Die Klägerin hat die Tatsachen, die den Anfechtungsgrund „fehlerhafte Entsprechenserklärung“ stützen, nämlich die Abgabe einer Entsprechenserklärung, deren Inhalt und die Unrichtigkeit dieses Inhalts, nicht in der Klagschrift vorgetragen. Es fehlt also bereits an dem erforderlichen Tatsachenvortrag, was das Landgericht zutreffend festgestellt hat.Randnummer204

cc. Unrichtige oder verschleiernde Angaben über die Verhältnisse der GesellschaftRandnummer205

Auch insoweit liegt kein Grund vor, der zur Nichtigkeit oder Anfechtbarkeit des Entlastungsbeschlusses führen würde.

(1)Randnummer206

Der Vortrag der Klägerin, welche falschen Angaben im Entlastungszeitraum gemacht worden sein sollen, variiert in den verschiedenen Schriftsätzen. Als möglicher inhaltlich zu überprüfender Anfechtungsgrund kommt – wie oben ausgeführt – aber nur ein Anfechtungsgrund in Betracht, der in seinem tatsächlichen Kern bereits in der Klagschrift vorgetragen ist. Zu dem tatsächlichen Kern einer behaupteten schwerwiegenden und eindeutigen Pflichtverletzung durch unrichtige und verschleiernde Angaben über die Verhältnisse der Gesellschaft gehört der Vortrag, welche von wem wann getätigten Aussagen warum unrichtig oder verschleiernd sein sollen. Insbesondere die angeblich unzutreffende Angabe muss individualisierbar bezeichnet sein, stellt diese doch den Kern des Vorwurfs dar. Dieser Kern des Vorwurfs, also welche falsche Aussage getätigt worden sein soll, ist nicht austauschbar. Soweit die Klägerin im Laufe des Verfahrens wechselnde andere Angaben als in der Klagschrift als falsch und damit anfechtungsbegründend bezeichnet, kann dies mithin nicht zum Erfolg führen: Insoweit ist bereits Präklusion nach § 246 Abs. 1 AktG eingetreten.Randnummer207

Abgesehen davon, dass nicht jede fehlerhafte Angabe einen Anfechtungsgrund für die Entlastungsentscheidung begründete, sondern nach den Umständen des Einzelfalls zu prüfen ist, ob hierin ein schwerwiegender und eindeutiger Gesetzesverstoß liegt, ist entscheidend zudem, dass eine Anfechtung der Entlastungsentscheidung allenfalls dann in Betracht kommt, wenn sich Angaben auch für die Hauptversammlung als falsch darstellten. Anfechtungsgrund kann nur eine treuwidrige Entlastungserteilung durch die Hauptversammlung sein. Um eine allgemeine Rechtmäßigkeitskontrolle des Verwaltungshandelns geht es dagegen nicht. Die Klägerin kann demnach in dem Anfechtungsverfahren nicht erreichen, dass das Verhalten der Organe in den Jahren 2008/2009 sowie spätere Äußerungen hierzu geprüft und mittels Beweisaufnahme aufgeklärt werden. Wie ausgeführt können Vorwürfe, die erst im Anfechtungsprozess aufgeklärt werden sollen, die Anfechtung der Entlastungsentscheidung schon nicht rechtfertigen. Vor diesem Hintergrund sind auch etwaige neuere Erkenntnisse aus den Strafverfahren gegen die ehemaligen Vorstände H. und Dr. W. (Berufungsbegründung Rn. 17 ff, Bl. 558 ff.) nicht relevant: Die Hauptversammlung kannte diese bei der Entscheidung über die Entlastung nicht, so dass ihr auch nicht vorgehalten werden kann, diese bei ihrer Entscheidung nicht berücksichtigt zu haben. Etwas anderes ergibt sich nicht aus der pauschalen Behauptung der Klägerin, den stimmberechtigten Aktionären der Hauptversammlung sei die Tatsachengrundlage, auf denen die Entscheidung des Oberlandesgerichts Stuttgart (1 Ws 68/14 – Eröffnung der Hauptverhandlung in dem Verfahren wegen Marktmanipulation) sowie die Entscheidung des Bundesgerichtshofs in dem Verfahren gegen H. wegen Kreditbetrugs (1 StR 649/13) beruhten, sehr wohl bekannt gewesen, weil diese allesamt in den Organen vertreten gewesen seien (Schriftsatz vom 09.06.2015). Schon die Behauptung, dass alle Stammaktionäre in den Organen vertreten gewesen seien, ist nur pauschal und nicht prüfbar. Zwar waren bis zum Rückkauf der Aktien von dem E. K. bis auf die dem E. zuzurechnenden Aktien in Höhe von 10 % alle Stammaktien den Familien X. und Y. zuzurechnen, wie beide Parteien übereinstimmend vortragen, nach dem Rückkauf der 10 % sogar alle Stammaktien. Dies bedeutet aber nicht, dass alle Stammaktionäre in den Organen vertreten waren. Es ist schon nicht vorgetragen, wer überhaupt konkret welchen Anteil an der Beklagten hält und wie diese Anteilseigner in den Organen vertreten gewesen sein sollen. Allein die Tatsache, dass 90 % der Anteile bzw. inzwischen 100 % der Anteile den Familien X. und Y. zuzurechnen sind, besagt nichts darüber, dass diese Anteile den als Organen tätigen Mitgliedern der Familie zuzurechnen sind oder die Anteilseigner in den Organen vertreten waren. Darüber hinaus ist nicht vorgetragen oder ersichtlich, dass die Stammaktionäre auf Grund einer etwaigen Vertretung in den Organen Kenntnis aller behaupteten Umstände gehabt hätten, insbesondere auf dem Kenntnisstand der Organe gewesen seien – weder ist die konkrete Information der Stammaktionäre über etwaige Vertreter in den Organen dargelegt noch ist vorgetragen oder ersichtlich, dass die Kenntnis von Organen einzelnen Anteilseignern zuzurechnen wäre. Auch allein aus der Tatsache, dass die Mehrheit bzw. inzwischen alle Stammaktien mittelbar Personen aus den Familien Y. und X. zuzurechnen sind, ergibt sich eine umfassende Kenntnis aller Stammaktionäre von den Vorgängen in den Jahren 2008/2009 nicht. Aus der familiären Verbundenheit kann nicht auf eine Kenntnis der Mehrheit der Stammaktionäre geschlossen werden, vielmehr wäre diese für die einzelnen Aktionäre gesondert festzustellen. Eine derartige differenzierte Betrachtungsweise nimmt die Klägerin nicht vor. Eine allumfassende Kenntnis der stimmberechtigten Aktionäre der Hauptversammlung oder zumindest der Mehrheit der stimmberechtigten Aktionäre der Hauptversammlung kann entgegen der Auffassung der Klägerin deshalb nicht auf Grund der pauschalen Behauptung der Klägerin, diese seien in den Organen vertreten gewesen, unterstellt werden. Dem entsprechend kommt es darauf an, was konkret im Zeitpunkt der Hauptversammlung allgemein oder jedenfalls den Aktionären bekannt war. Umstände, die erst nach der Hauptversammlung bekannt wurden oder werden oder im Laufe des Anfechtungsverfahrens erst ermittelt werden sollen, sind demnach auch für die Hauptversammlung als neu anzusehen und können deshalb zur Begründung der Treuwidrigkeit der Entscheidung der Hauptversammlung nicht herangezogen werden.Randnummer208

Auch die Ausführungen der Klägerin zur Darlegungs- und Beweislast, deren Umkehr sowie unzulässigem schlichtem Bestreiten führen deshalb nicht weiter: Tatsächliche Umstände, die im Zeitpunkt der Hauptversammlung nicht geklärt waren, von deren Vorliegen die Hauptversammlung also nicht ausgehen musste, können den Vorwurf der Treuwidrigkeit einer Entlastungsentscheidung nicht begründen. Umstände, die die Klägerin noch nicht einmal im Anfechtungsprozess konkret benennen kann, können demnach erst recht nicht der Hauptversammlung bekannt gewesen sein, nachdem eine grundsätzliche Kenntnis der Hauptversammlung wie ausgeführt nicht angenommen werden kann. Der Verweis der Klägerin darauf, dass die Beklagte selbst aus Gründen der sekundären Darlegungslast konkret vortragen müsse, weil ihr dies nicht möglich sei, führt deshalb nicht zum Erfolg.

(2)Randnummer209

Vor diesem Hintergrund besteht ein Anfechtungsgrund wegen unrichtiger oder verschleiernder Angaben über die Verhältnisse der Gesellschaft nicht.

(2.1)Randnummer210

In der Klagschrift hatte die Klägerin zu diesem Anfechtungsgrund als unrichtige oder verschleiernde Angaben über die Verhältnisse der Gesellschaft zum einen vorgetragen, der Vorstand habe „noch im Entlastungszeitraum und im laufenden Geschäftsjahr in gerichtlichen Verfahren und Aussagen in Hauptversammlung behauptet, dass die bis zum Jahr 2008 aufgebauten Derivate zur Übernahme der Z AG bloße Kurssicherungsgeschäfte gewesen seien, die keine existenzgefährdenden Risiken für die Beklagte begründeten, sondern lediglich die freiwillige Optionalität einer weiteren Übernahme zu festgelegten Preisen gewährleisteten“ (Klagschrift, Bl. 29 f.). Als weitere falsche und damit anfechtungsbegründende Aussage benannte die Klägerin Äußerungen von Vorstandsseite, wonach es bei der Beklagten Ende 2008 weder Liquiditätsschwierigkeiten noch Insolvenzrisiken gegeben habe (Klagschrift Bl. 30).Randnummer211

Zu Recht hat das Landgericht dieses Vorbringen als unsubstantiiert angesehen. Hieraus ergibt sich noch nicht einmal, wer wann was gegenüber wem gesagt haben soll und ob dies überhaupt den Entlastungszeitraum betrifft. Trotz ausdrücklichen Hinweises der Beklagten auf die fehlende Substantiierung (Klagerwiderung Bl. 97) hat die Klägerin auch in der Replik hierzu nicht konkreter vorgetragen, vielmehr nur wiederholt, dass der Vorstand dies „nach wie vor verbreite“ (Bl. 231). Entgegen der Behauptung der Klägerin in der Berufungsbegründung wurde zu den unsubstantiiert vorgetragenen Behauptungen auch kein Beweis angeboten. Beweis angeboten durch Vorlage von ad-hoc-Mitteilungen und Pressemitteilungen sowie des Geschäftsberichts 2012 wurde nur hinsichtlich des neu in der Replik aufgeführten Vorwurfs, der Vorstand verbreite in allen diesbezüglichen ad-hoc-Mitteilungen und Pressemitteilungen sowie im Geschäftsbericht für das Wirtschaftsjahr 2012, dass die gegenläufigen Klagen geschädigter Finanzinvestoren sowie die strafrechtlichen Vorwürfe gegen die – jetzigen wie früheren – Organe der Beklagten völlig unbegründet seien (Replik Rn. 116, Bl. 231). Insoweit handelt es sich aber um einen anderen Anfechtungsgrund, der präkludiert ist: Zu dem tatsächlichen Kern des Vorwurfs einer falschen Aussage des Vorstands gehört die Darlegung, welche Aussage falsch gewesen sein soll. Eine angebliche falsche Aussage über den Zweck der Derivate und die hieraus folgende Existenzbedrohung sowie über die behaupteten Liquiditätsschwierigkeiten und Insolvenzrisiken Ende 2008 ist etwas anderes als eine angebliche falsche Aussage zur Begründetheit der laufenden Zivil- und Strafverfahren.Randnummer212

Ohne Erfolg beruft sich die Klägerin auch auf einen Verstoß gegen § 138 ZPO. Ein Hinweis war schon deshalb nicht erforderlich, weil die Beklagte die fehlende Substantiierung ausdrücklich gerügt hat. Abgesehen davon hat die Klägerin auch in der Berufungsinstanz den Vortrag nicht weiter konkretisiert und nicht dargelegt, was sie bei Erteilung eines Hinweises Entscheidungserhebliches und die Entscheidung Änderndes vorgetragen hätte.

(2.2)Randnummer213

Davon abgesehen ergibt sich aus dem Vorbringen der Klägerin auch nicht, dass die angeblichen Aussagen der Vorstände falsch waren. Die Klägerin behauptet dies zwar, ohne hierzu allerdings näher vorzutragen oder substantiiert Beweis anzubieten.

(2.2.1)Randnummer214

Die Verwendung des Begriffs „Kurssicherungsgeschäfte“ für die Derivatgeschäfte stellt keine Pflichtverletzung dar, die die Anfechtung der Entlastung rechtfertigen würde. Der Begriff „Kurssicherungsgeschäfte“ ist auslegungsfähig. Die Beklagte hat ausführlich dargelegt, was sie unter „Kurssicherungsgeschäft“ versteht (Klagerwiderung, Rn. 434 ff.). Diese Auslegung ist für den Senat nachvollziehbar. Die unstreitig cash-gesettelten Call-Optionen sicherten der Beklagten die Möglichkeit, auch nach einem Kursanstieg der Z-Aktie weitere Z-Aktien faktisch zu dem Basispreis zu erwerben, indem sie zwar die Z-Aktien zu dem teureren Kurs erwerben musste, bei Ausübung der Option aber die Differenz zwischen dem teureren Kurs und dem Basispreis von dem Stillhalter ausbezahlt bekam. Damit dienten die Optionen offensichtlich der Kurssicherung, nämlich der wirtschaftlichen Absicherung vor Kursanstiegen. Daran ändert sich nichts dadurch, dass die Beklagte zugleich Put-Optionen ausgab, also selbst zum Barausgleich verpflichtet war, falls der Kurs unter den Basispreis fallen würde. Wirtschaftlich stellte sich die Beklagte so, als hätte sie die Aktien zu dem Basispreis erworben – bei einem Kursanstieg führte dies zu einem Gewinn, bei einem Kursverlust zu einem Verlust. Dass die Klägerin die Derivatgeschäfte selbst nicht als Kurssicherungsgeschäfte bezeichnen möchte und diese Begrifflichkeit für falsch hält, vielmehr von „Zockereien“ und „Wetten“ spricht, führt nicht dazu, dass die Verwendung des Begriffs „Kurssicherungsgeschäfte“ durch die Vorstände pflichtwidrig wäre. Hierbei handelt es sich um subjektive Wertungen der Klägerin, die zum Ausdruck bringen, dass sie die Derivatgeschäfte für unseriös und wirtschaftlich spekulativ hält. Diese Auffassung erscheint vertretbar, sie führt aber nicht dazu, dass der Vorstand diese Begrifflichkeiten übernehmen müsste. Vielmehr steht es dem Vorstand frei, die Geschäfte mit der obigen nachvollziehbaren Begründung als Kurssicherungsgeschäfte zu bezeichnen. Eine Täuschung vermag der Senat hierin nicht zu erkennen.Randnummer215

Die Argumentation der Klägerin, die Angaben seien falsch, weil es sich nicht um Kurssicherungsgeschäfte gehandelt habe, sondern um eine Finanzierungsstruktur, die der heimlichen Übernahme von Z diente (Klagschrift, Bl. 23), ist nicht schlüssig. Natürlich und von der Beklagten auch offen gelegt dienten die Derivate dazu, mögliche spätere Erwerbe von Aktien an Z wirtschaftlich abzusichern. Im weiteren Sinne dienten diese Derivate damit der „Finanzierung“ der weiteren Beteiligung, indem sie diese wirtschaftlich absicherten. Dies ist aber von dem Begriff „Kurssicherungsgeschäfte“ abgedeckt. Eine sonstige „Finanzierungsfunktion“, die nicht von dem Begriff Kurssicherungsgeschäfte gedeckt wäre, ist weder ersichtlich noch von der Klägerin dargetan. Die Bezeichnung der Optionsprämien als „Zinsen“ durch den Kundenberater der M. Bank ändert hieran nichts.Randnummer216

Der Senat vermag auch die Argumentation der Klägerin in der Replik hierzu nicht nachzuvollziehen (Replik Rn. 118 ff., Bl. 232). Schon die Behauptung, die Beklagte trage vor, dass die Optionen auf Aktien von Z alleine der Kurssicherung, keinesfalls jedoch dem Aufbau der Beteiligung gedient hätten (Rn. 119, Bl. 232), ist so nicht zutreffend. Aus der Einlassung der Beklagten ergibt sich sehr wohl, dass die Optionsgeschäfte mittelbar durch Absicherung vor Kursanstiegen dem möglichen späteren Aufbau der Beteiligung gedient haben, die Beklagte erklärt nur, dass die Entscheidung über einen möglichen weiteren Beteiligungsaufbau noch nicht gefallen sei (Klagerwiderung Rn. 448 f, Bl. 173). Angesichts der unstreitigen Tatsache, dass die Optionen auf Barausgleich gerichtet waren, ist auch die Argumentation der Klägerin, dass mit den Optionen eine Möglichkeit zum physischen Erwerb von Z-Aktien bestanden haben müsse, weil ansonsten das Ziel des Beteiligungsaufbaus nicht hätte erreicht werden können (Berufungsbegründung Rn. 458 f., Bl. 648), nicht nachvollziehbar. Schon aus der rechtlichen Konstruktion von auf Barausgleich gerichteten (cash-settled) Call-Optionen ergibt sich, dass ein unmittelbarer Erwerb von Aktien damit nicht erreicht werden konnte, sondern lediglich ein anderweitiger Erwerb zu bestimmten Konditionen wirtschaftlich abgesichert werden konnte.Randnummer217

Diskrepanzen ergeben sich dagegen zwischen der Auffassung von Staatsanwaltschaft und OLG Stuttgart in dem Strafverfahren wegen Marktmanipulation, die sich die Klägerin zu eigen macht, und der Auffassung der Beklagten zu der Frage, ob bereits im Frühjahr 2008 die Absicht zu einer Erhöhung der Beteiligung der Beklagten an Z auf 75 % gefasst worden ist. Mit der Frage, ob die von der Klägerin gerügte Aussage zu den Derivaten (Kurssicherungsgeschäfte und keine Existenzbedrohung) zutreffend ist, hat dies nichts zu tun. Auch bei einer von vornherein bestehenden Absicht zur Beteiligungserhöhung hätten die Derivate der Kurssicherung in o.g. Sinne gedient, nur dass der Bedarf für die Kurssicherung von vornherein festgestanden hätte. Die Unrichtigkeit der behaupteten Aussage ergibt sich hieraus dagegen nicht. Nichts anderes gilt dem entsprechend auch für die zwischenzeitliche Eröffnung des Hauptverfahrens wegen Marktmanipulation durch Beschluss des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 18.08.2014 (1 Ws 68/14). Neue Erkenntnisse hieraus wären im Übrigen mangels Kenntnis der Hauptversammlung nicht geeignet, einen Anfechtungsgrund für die Entlastungsentscheidung zu begründen. Zuletzt ist auch insoweit darauf hinzuweisen, dass allein der Verweis auf Pressemitteilungen der Staatsanwaltschaft sowie Beschlüsse in Ermittlungsverfahren einen substantiierten Vortrag im Zivilprozess weder ersetzen noch zu einer Umkehr der Darlegungs- und Beweislast führen.Randnummer218

Auch aus der Entscheidung des Bundesgerichtshofs in dem Strafverfahren gegen den früheren Vorstand H. wegen Kreditbetrugs (BGH 1 StR 649/13) ergibt sich entgegen der Auffassung der Klägerin (Berufungsbegründung Rn. 451, Bl. 102 f.) nicht, dass die Aussage, die Optionsgeschäfte seien Kurssicherungsgeschäfte gewesen, falsch ist. Es ergibt sich hieraus nicht, dass durch die Optionsstrategien Aktien unmittelbar übernommen wurden. Dies entspräche auch nicht der Konstruktion cash-gesettelter Optionen. Dass die von der Beklagten erworbenen Derivate dem Aufbau der Beteiligung dienten, ist demgegenüber nicht bestritten und auch unter den Begriff „Kurssicherungsgeschäfte“ zu subsumieren. Lediglich die Frage, wann die Absicht zum Aufstocken der Beteiligung bestand, ist umstritten. Hierzu enthält die Verurteilung des früheren Vorstands H. wegen Kreditbetrugs aber keine Aussage, weil dies hierfür nicht relevant war.Randnummer219

Ohne Auswirkungen für das laufende Verfahren ist weiter die von der Klägerin vorgetragene, seitens des Bundesgerichtshofs in der Entscheidung vom 10.04.2014 (1 StR 649/13) nicht beanstandete Feststellung des Landgerichts Stuttgart in dem Verfahren gegen den früheren Vorstand H. wegen Kreditbetrugs, wonach die Beklagte auch 45 Mio. isolierte Verkaufsoptionen gehalten habe (o.g. Urteil, juris Rn. 7). Aus der Entscheidung ergibt sich jedenfalls nicht, dass die Bezeichnung der Derivatgeschäfte als „Kurssicherungsgeschäfte“ eine Pflichtverletzung darstellte oder/und diese Geschäfte eine existenzbedrohende Lage der Beklagten bewirkten. Auch insoweit gilt zudem, dass das Zitat aus einer strafrechtlichen Entscheidung keinen Tatsachenvortrag ersetzt. Zudem waren Erkenntnisse aus dem Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 10.04.2014 der Hauptversammlung bei der Entlastungsentscheidung schon nicht bekannt und können deshalb keinesfalls die Treuwidrigkeit einer Entlastungsentscheidung begründen.

(2.2.2)Randnummer220

Die behauptete Aussage, es hätten keine existenzgefährdenden Risiken vorgelegen, ist ebenfalls nicht widerlegt. Die Klägerin beruft sich insoweit maßgeblich auf die Aussagen der Staatsanwaltschaft Stuttgart in einer Pressemitteilung vom 19.12.2012 (Klagschrift, Bl. 25 f.). Darin heißt es insbesondere, dass sich aus den Ermittlungen ergeben habe, dass sich aus den von X bis Oktober 2008 erworbenen Optionen auf Z-Stamm- und Vorzugsaktien im Falle eines Kursverfalls der Z-Aktie zu diesem Zeitpunkt Zahlungsverpflichtungen in einer Größenordnung ergeben hätten, die die liquiden Mittel X`s um ein Vielfaches überstiegen. Die Wahrscheinlichkeit eines solchen Kurseinbruchs habe sich nach Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft im Laufe des untersuchten Zeitraums zunehmend erhöht (Zitat aus Klagschrift, Bl. 26). Allein hieraus ergibt sich schon nicht, dass ein Kurseinbruch so wahrscheinlich war, dass tatsächlich von existenzgefährdenden Risiken gesprochen werden konnte. Allein die von der Klägerin vorgetragene Einschätzung des von der Staatsanwaltschaft Stuttgart eingesetzten Gutachters Prof. Dr. S., wonach spätestens seit 16. Oktober 2008 der Kurs der Stammaktie von Z nicht mehr kontrollierbar und kalkulierbar gewesen sei, beweist eine derartige Wahrscheinlichkeit des Kurseinbruchs nicht.Randnummer221

Auch das Vorliegen einer existenzbedrohenden Lage der Beklagten im Falle eines Kursverlusts ist nicht hinreichend dargelegt und unter Beweis gestellt. Weder der Hinweis auf die zitierte Aussage der Staatsanwaltschaft Stuttgart noch auf die Einschätzung von deren Sachverständigen, wonach im Falle eines unkontrollierten Kursrutsches die unmittelbare Gefahr bestanden habe, dass die dadurch ausgelösten Zahlungsverpflichtungen die Beklagte überforderten (Bl. 24), legt die existenzbedrohende Lage der Beklagten hinreichend dar. Allein der Verweis auf die Einschätzung einer am Zivilverfahren nicht beteiligten Ermittlungsbehörde und deren Sachverständigen ersetzt den Sachvortrag im Zivilverfahren ebenso wenig wie Zitate aus Entscheidungen im Strafverfahren. Zudem hat die Beklagte ausführlich dargelegt, dass selbst bei einem Kurseinbruch und dem Fälligwerden von Zahlungspflichten aus den Put-Optionen genug liquide Mittel vorhanden waren oder akquiriert werden konnten, so dass keine existenzgefährdende Lage vorgelegen habe (Klagerwiderung Rn. 462 ff, Bl. 176). Dieses Vorbringen hat die Klägerin weder substantiiert angegriffen noch widerlegt.Randnummer222

Letztlich ist die behauptete Aussage, es hätten keine existenzbedrohenden Risiken vorgelegen, offensichtlich auch eine Bewertung der damaligen Risikosituation aus der Sicht im Zeitpunkt der Aussage und berücksichtigt die tatsächliche Entwicklung. Vor diesem Hintergrund ist die Aussage auch nicht so zu verstehen, dass Derivatgeschäfte in dem getätigten Umfang grundsätzlich nicht zu existenzbedrohenden Risiken führen könnten. Die Aussage besagt aber, dass sie tatsächlich nicht zu derartigen Risiken geführt haben. Es ist nicht belegt, dass dem entgegen derartige konkrete Risiken bestanden.

(2.2.3)Randnummer223

Nichts anderes gilt hinsichtlich der behaupteten falschen Angaben zu einer existenzgefährdenden Lage Ende 2008. Insoweit hat die Klägerin in der Klagschrift lediglich aus der Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft vom 19.12.2012 im Verfahren wegen informationsgestützter Marktmanipulation zitiert (Bl. 25). Wie ausgeführt ergibt sich hieraus weder das Vorliegen einer existenzgefährdenden Lage, noch genügt die Klägerin mit der Vorlage dieser Pressemitteilung ihrer Darlegungslast. Darüber hinaus steht der Behauptung einer existenzgefährdenden Lage Ende 2008 der substantiierte Vortrag der Beklagten zur den vorhandenen oder erreichbaren liquiden Mitteln (Klagerwiderung Rn. 462 ff, Bl. 176) gegenüber, der von der Klägerin nicht widerlegt ist.

(2.3)Randnummer224

Abgesehen davon liegt jedenfalls kein eindeutiger und schwerwiegender Pflichtverstoß des Vorstands im Entlastungszeitraum vor, der die Entlastungserteilung treuwidrig werden ließe und deren Anfechtung rechtfertigte. Wie ausgeführt dient das Anfechtungsverfahren betreffend die Entlastung des Vorstands nicht der allgemeinen Rechtmäßigkeitskontrolle des Vorstandshandelns. Entscheidend ist allein, ob der Gewährung der Entlastung durch die Hauptversammlung ein Anfechtungsgrund anhaftet. Über den Weg der Anfechtung der Entlastungsentscheidung für die nachfolgenden Geschäftsjahre, hier das Geschäftsjahr 2012, kann die Klägerin demnach nicht die Aufklärung der Vorgänge aus dem Jahr 2008/2009 erreichen. Aus Sicht der Hauptversammlung und auch im Zeitpunkt dieses Verfahrens ist nicht eindeutig, dass die von der Klägerin behaupteten Angaben der Vorstände zu Derivaten und zu der finanziellen Lage der Gesellschaft Ende 2008 unrichtig waren. Vielmehr stehen die – pauschalen – Behauptungen der Klägerin weiterhin dem Vortrag der Beklagtenseite entgegen, der sich weder aus Sicht der Hauptversammlung noch für das Gericht als offensichtlich unrichtig darstellt. Die Erteilung der Entlastung trotz der Behauptung der Klägerin, dass der Vorstand in dieser Hinsicht unwahre Angaben gemacht habe, ist vor diesem Hintergrund keinesfalls treuwidrig und damit nicht anfechtbar.

(3)Randnummer225

Dem Antrag auf Beiziehung der Strafakten sowie der Akten aus dem Zivilverfahren gegen X (Bl. 23) war nicht stattzugeben. Ein Beweisantritt liegt hierin nicht. Ein solcher setzte voraus, dass konkret die Vorlage einer bestimmten Urkunde zu einem bestimmten Beweisthema beantragt wird (vgl. BGH V ZR 2/71, WM 1973, 644, juris Rn. 45; Zöller/Geimer, ZPO, 30. Aufl., § 432 Rn. 2). Das Gericht ist nicht gehalten, die Ermittlungsakten auf möglicherweise für die Klägerin günstige Ergebnisse durchzusehen. Die Beiziehung lässt im Übrigen keine Erkenntnisse erwarten, die für die Anfechtung der Entlastungsentscheidung relevant wären. Wie ausgeführt ist entscheidend die Kenntnis der Hauptversammlung, der der Akteninhalt nicht bekannt war.

(4)Randnummer226

Nach obigen Grundsätzen präkludiert ist die Klägerin mit dem in der Replik erstmals erhobenen Vorwurf, der Vorstand behaupte unzutreffend, dass die gegenläufigen Klagen geschädigter Finanzinvestoren sowie die strafrechtlichen Vorwürfe gegen die Organe der Beklagten unbegründet seien, und die Vorstände hätten hierdurch die Verhältnisse der Gesellschaft bezüglich bestehender Risiken aus Schadensersatzansprüchen auf Grund informationsgestützter Marktmanipulation unrichtig wiedergegeben (Replik Rn. 114 und 116, Bl. 231; hierzu schon oben unter 1.b.cc.(2.).(2.1)). Kern eines hierauf gestützten Anfechtungsgrundes wäre die behauptete unzutreffende Aussage zu den Erfolgsaussichten der Klagen und Strafverfahren sowie zu daraus resultierenden Risiken. Ein derartiger Vortrag erfolgte in der Monatsfrist des § 246 Abs. 1 AktG nicht. Abgesehen davon enthält eine Aussage zu dem vermeintlichen Ausgang von laufenden Straf- und Zivilverfahren naturgemäß die eigene Bewertung der Erfolgsaussichten laufender Verfahren. Einen greifbaren Tatsachenkern enthält diese Aussage dagegen grundsätzlich nicht. Allein dadurch, dass der Verfahrensausgang anders als prognostiziert ist, wird die Aussage über die eigene Bewertung der Erfolgsaussichten nicht falsch. Zudem ist nicht einmal dargelegt, dass die Prognosen falsch waren.Randnummer227

Präkludiert ist auch der weitere Vorwurf der Klägerin, die Vorstände würden die frühere fehlerhafte Kapitalmarktinformation, die Gegenstand der Strafverfahren wegen Marktmanipulation gegen die früheren Vorstände Dr. W. und H. sowie der Verfahren wegen Beihilfe hierzu gegen die damaligen Aufsichtsräte ist, weiterhin unwahr darstellen und damit das frühere rechtswidrige Handeln schützen (Replik Rn. 121, Bl. 233). Der Kern des Vorwurfs wäre insoweit die Entlastung trotz falscher Aussage betreffend die frühere Kapitalmarktinformation, wonach ein weiterer Beteiligungsaufbau bis 75 % nicht geplant gewesen sei. Diesen tatsächlichen Vortrag zur Begründung einer Anfechtbarkeit wegen falscher Aussagen oder wegen eines Verstoßes gegen § 400 Abs. 1 AktG enthält die Klagschrift nicht. Auch insoweit fehlte im Übrigen ein eindeutiger und schwerwiegender sowie für die Hauptversammlung erkennbarer Gesetzesverstoß. Ob und wann die Absicht zum weiteren Ausbau der Beteiligung firmenintern gefasst worden war, ist weiterhin ungeklärt. Allein die Tatsache, dass das Oberlandesgericht Stuttgart die Anklage wegen Marktmanipulation zugelassen hat (Beschluss vom 18.08.2014, 1 Ws 68/14), belegt nicht, dass die Absicht der Beteiligungsaufstockung auf 75 % schon im Frühjahr 2008 bestand. Bejaht wird hierin nur ein für die Eröffnung erforderlicher hinreichender Tatverdacht. Das Oberlandesgericht Stuttgart, geht in dieser Entscheidung davon aus, dass „der Schluss auf eine verdeckte Beschlusslage bereits am 3. März 2008 ebenso nahe liege wie das Gegenteil“ (juris Rn. 7), an anderer Stelle etwas weitergehend, dass „die gebotene Gesamtschau eine verdeckte Beschlusslage zum 3. März 2008 als durchaus wahrscheinlich erscheinen lasse“ (juris Rn. 10) bzw. wieder in Nuancen anders „eine zum Schuldspruch führende Beweisführung denkbar sei“ (juris Rn. 38). Ob der Vorwurf tatsächlich berechtigt ist, wird allenfalls im Laufe der Hauptverhandlung geklärt werden, die gerade aus diesem Grund zugelassen wurde. Auch insoweit gilt im Übrigen, dass das Zitat aus dieser Entscheidung im Zivilprozess weder Vortrag noch Beweisführung ersetzt. Eine weitere Aufklärung in diesem prozess ist – abgesehen von der sowieso vorliegenden Präklusion sowie der fehlenden substantiierten Darlegung und Beweisführung – schon deshalb nicht geboten, weil der im Zeitpunkt der Hauptversammlung unklare Sachverhalt die Treuwidrigkeit der Entlastungsentscheidung nicht begründen konnte und sich hieran auch bei einer späteren Aufklärung nichts ändern würde. Dass die stimmberechtigten Aktionäre der Hauptversammlung unabhängig von eventuellen nachträglichen und künftigen Erkenntnissen bereits im Zeitpunkt der Hauptversammlung vollständig auf dem Kenntnisstand der Organe gewesen sind, mithin die behaupteten marktmanipulativen Handlungen gekannt hätten, ist – wie ausgeführt – nicht substantiiert dargelegt und kann demnach nicht zu Grunde gelegt werden.Randnummer228

Auch die Behauptung der Klägerin in der Berufungsbegründung, dass es bei dem Anfechtungsgrund „unrichtige Darstellung der Verhältnisse der Gesellschaft“ im Kern um den Wahrheitsgehalt der Behauptung der Beklagten über die wahren Absichten zur Übernahme von Z sowie den Charakter der von ihr erworbenen Derivate gehe (Berufungsbegründung Rn. 378, Bl. 633), entspricht nicht dem in der Klagschrift vorgetragenen und damit nicht präkludierten Anfechtungsgrund. Der Wahrheitsgehalt der Behauptungen über die wahren Absichten zur Übernahme von Z war wie dargelegt nicht Gegenstand der Klage. Gleiches gilt für die Erklärung der Klägerin in der Berufungsbegründung, es gehe im Kern um den Vorwurf, der Vorstand habe die Verhältnisse der Gesellschaft unrichtig dargestellt, weil er über die Hintergründe der gescheiterten Übernahme von Z unrichtige Angaben gemacht habe und dadurch die Risiken der Gesellschaft aus möglicher zivilrechtlicher Haftung, Bußgeldverfahren und ordnungwidrigkeitsrechtlicher Abschöpfung der wirtschaftlichen Vorteile zu niedrig dargestellt habe. Wie ausgeführt hat die Klägerin ihre Anfechtungsklage in der Klagschrift nicht darauf gestützt, dass der Vorstand zu Risiken von Schadensersatzprozessen, Strafverfahren oder Bußgeldverfahren falsche Angaben gemacht hat. Wie ausgeführt fehlt auch insoweit zudem die Darlegung einer eindeutigen und schwerwiegenden, für die Hauptversammlung erkennbaren Pflichtverletzung.

(5)Randnummer229

Der Angriff gegen das landgerichtliche Urteil mit dem Argument, das Landgericht habe die Feststellungen des Bundesgerichtshofs im Verfahren gegen den ehemaligen Vorstand H. wegen Kreditbetrugs (BGH 1 StR 649/13) sowie die Entscheidung des Oberlandesgerichts Stuttgart über die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen die ehemaligen Vorstände H. und Dr. W. wegen informationsgestützter Marktmanipulation ignoriert (Berufungsbegründung Rn. 394 ff., B, 636 f.), ist nicht berechtigt. Nicht zutreffend ist bereits die Behauptung der Klägerin, sie habe diese Entscheidungen zum Beweis der Tatsache, dass die Beklagte schon vor dem 26.10.2008 die Absicht gehabt habe, Z zu übernehmen und dass die von ihr erworbenen Derivate unmittelbar dem Aufbau einer solchen Beteiligung dienten, vorgelegt (Berufungsbegründung Rn. 392, Bl. 636). Die Klägerin hat diese Urteile mit Schriftsatz vom 15.09.2014 lediglich mit dem Hinweis auf die offensichtliche Relevanz für das Verfahren, aber ohne hierauf gestützten konkreten Beweisantritt vorgelegt (Bl. 472). Wie bereits ausgeführt ergibt sich zudem aus diesen Entscheidungen die Unrichtigkeit der mit der Klagschrift vorgeworfenen falschen Angaben nicht. Erneut ist im Übrigen darauf hinzuweisen, dass die Vorlage von Entscheidungen anderer Gerichte weder eigenen Tatsachenvortrag im prozess ersetzt noch als Beweismittel für die diesen Entscheidungen zu Grunde gelegten Tatsachen taugt und es zudem auf den Kenntnisstand der Hauptversammlung ankommt.Randnummer230

dd. Unterlassene Geltendmachung von SchadensersatzansprüchenRandnummer231

Der Entlastungsbeschluss ist nicht deshalb anfechtbar, weil der Vorstand es Unterlassen hat, Schadensersatzansprüche gegenüber dem Aufsichtsrat Prof. Dr. Y. sowie gegenüber den Beratern der Gesellschaft geltend zu machen (Klagschrift Bl. 30). Er ist auch nicht deshalb anfechtbar, weil der Vorstand es Unterlassen hat, „verjährungshemmende Maßnahmen gegen Prof. Dr. Y. und die weiteren Aufsichtsratsmitglieder, soweit sie im Visier staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen wegen Marktmanipulation stehen, sowie gegen die in der Übernahme der Z AG, insbesondere im Herbst 2008, tätigen Berater“ (Klagschrift Bl. 31) geltend zu machen.

(1)Randnummer232

Die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen den Aufsichtsrat sowie gegen Berater der Gesellschaft obliegt nach § 78 AktG dem Vorstand. Der Vorstand ist grundsätzlich verpflichtet, Schadensersatzansprüche gegen den Aufsichtsrat aus § 116 AktG zu prüfen und ggf. zu verfolgen. Der Bundesgerichtshof hat für die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen durch den Aufsichtsrat gegen den Vorstand folgende Grundsätze entwickelt: Die Entscheidung, ob ein Vorstandsmitglied auf Schadensersatz in Anspruch genommen werden solle, erfordere zunächst die Feststellung des zum Schadensersatz verpflichtenden Tatbestandes in tatsächlicher wie rechtlicher Hinsicht sowie eine Analyse des Prozessrisikos und der Beitreibbarkeit der Forderung. Eine Entscheidungsprärogative bestehe insoweit nicht. Führe eine sorgfältig und sachgerecht vorgenommene Prozessrisikoanalyse zu dem Ergebnis, dass der Gesellschaft voraussichtlich Schadensersatzansprüche gegen eines ihrer Vorstandsmitglieder zustünden, könne sich die Frage stellen, ob der Aufsichtsrat gleichwohl von einer Verfolgung des Anspruchs absehen könne. Auch bei dieser Entscheidung stehe dem Aufsichtsrat kein autonomer unternehmerischer Ermessensspielraum zu. Da die Entscheidung dem Unternehmenswohl verpflichtet sei, das grundsätzlich die Wiederherstellung des geschädigten Gesellschaftsvermögens verlange, werde der Aufsichtsrat von der Geltendmachung voraussichtlich begründeter Schadenersatzansprüche gegen einen pflichtwidrig handelnden Vorstand nur dann ausnahmsweise absehen dürfen, wenn gewichtige interessen und Belange der Gesellschaft dafür sprechen, den ihr entstandenen Schaden ersatzlos hinzunehmen (vgl. grundlegend BGH II ZR 175/95, BGHZ 135, 244 – ARAG/Garmenbeck).Randnummer233

Diese Grundsätze gelten für die Prüfung und Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen den Aufsichtsrat durch den Vorstand entsprechend (vgl. MünchKommAktG/Habersack, 4. Aufl., § 116 Rn. 30; Spindler/Stilz/Spindler, AktG, 2. Aufl., § 116 Rn. 119; Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, 2. Aufl., § 93 Rn. 89).Randnummer234

Der Vorstand muss auch sonstige Ansprüche der Gesellschaft grundsätzlich durchsetzen, rechtzeitig geltend machen und deren Verjährung verhindern. Ein Absehen hiervon kann in begründeten Fällen pflichtgemäß sein, z.B. bei zweifelhafter Zahlungsfähigkeit (vgl. m.w. Beispielen Fleischer, Handbuch des Vorstandsrechts, § 7 Rn. 69 f.).

(2)Randnummer235

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze stellt hier die fehlende Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen den Aufsichtsrat Prof. Dr. Y. keinen eindeutigen und schwerwiegenden, für die Hauptversammlung erkennbaren Pflichtverstoß dar, der zur Anfechtung der Entlastung berechtigte.Randnummer236

Schon ein bestehender Anspruch auf Schadensersatz gegen Prof. Dr. Y. ist von der für das Vorliegen eines Anfechtungsgrundes darlegungs- und beweisbelasteten Klägerin nicht dargelegt. Zwar hat der Senat in der Entscheidung vom 29.02.2012 die unstreitig getroffene sog. …äußerung von Prof. Dr. Y. als schwerwiegende Pflichtverletzung gewertet, die bei einer der beiden möglichen Auslegungsvarianten objektiv die Kreditwürdigkeit der Beklagten gefährde (OLG Stuttgart, 20 U 3/11, AG 2012, 298, juris Rn. 154, 184). Hieran hält der Senat weiterhin fest. Damit steht aber nicht fest, dass ein Schaden entstanden ist. Ausdrücklich hat der Senat diese Frage in der o.g. Entscheidung offen gelassen (Rn. 202). Nur wenn aber tatsächlich ein Schaden entstanden wäre, bestünde ein Schadensersatzanspruch, dessen Verfolgung dem Vorstand oblegen hätte und dessen Nichtverfolgung die Anfechtbarkeit der Entlastung begründen könnte.Randnummer237

Die Kreditgefährdung an sich stellt keinen messbaren Schaden dar, der zu einem Schadenersatz führen würde. Die Ausführungen der Klägerin in der Berufungsbegründung zu dem Vorliegen einer Kreditgefährdung (Rn. 473 ff., Bl. 107 f.) sind deshalb nicht geeignet, um einen Schadensersatzanspruch zu begründen. Dass hieraus messbare und bezifferbare wirtschaftliche Nachteile entstanden sind, ist nicht ersichtlich und nicht vorgetragen. Der Vortrag der Klägerin, als Folge der „…-Äußerung“ sei der Beklagten die Prolongation des zu diesem Zeitpunkt auslaufenden Kreditvertrags über 10 Mrd. Euro nicht mehr gelungen (Bl. 242), ist von der Beklagten substantiiert bestritten unter Vorlage einer Pressemitteilung vom 25.03.2009 (B 30), wonach der Kredit bereits Ende März 2009 erfolgreich refinanziert worden sei (Bl. 352). Die …-Äußerung, auf die der Senat die Nichtigerklärung der Entlastung für das Geschäftsjahr 2008/09 stützte, erfolgte erst am 11.05.2009 (OLG Stuttgart, 20 U 3/11, AG 2012, 298, juris Rn. 31).Randnummer238

Keinen zurechenbaren Schaden der „…-Äußerung“ stellen entgegen der Auffassung der Klägerin (Bl. 30; Bl. 108 sowie Berufungsbegründung Rn. 483, Bl. 652) die Gerichts- und Beratungskosten des wegen Entlastungserteilung trotz dieser Äußerung erfolgreichen früheren Anfechtungsverfahrens dar. Das Anfechtungsverfahren richtete sich gegen die autonome Entscheidung der Hauptversammlung, die Entlastung zu erteilen. Es war deshalb erfolgreich, weil die Hauptversammlung entgegen der bestehenden Treuepflicht trotz eines eindeutigen und schwerwiegenden Pflichtverstoßes des Aufsichtsrats dessen Entlastung beschlossen hat. Durch das Dazwischentreten der eigenständigen und eigenverantwortlichen treuwidrigen Handlung des Organs Hauptversammlung wurde der Zurechnungszusammenhang zwischen der Pflichtverletzung des Aufsichtsrats Prof. Dr. Y. und dem Schaden in Form der Gerichts- und Beraterkosten des Anfechtungsverfahrens unterbrochen. Nicht der Pflichtverstoß des Aufsichtsrats Prof. Dr. Y., sondern das treuwidrige Handeln der Hauptversammlung steht im Zurechnungszusammenhang mit dem Erfolg des Anfechtungsverfahrens. Die Pflichtverletzung des Aufsichtsrats war zwar Hintergrund dafür, dass der Entlastungbeschluss als treuwidrig angesehen wurde, nicht aber Grund für den Erfolg des Anfechtungsverfahrens. Damit sind die in dem Anfechtungsverfahren entstandenen Kosten nicht zurechenbar auf die Pflichtverletzung des Vorstands zurückzuführen.Randnummer239

Soweit die Klägerin als mögliche Folge der „..-Äußerung“ auch eine Schadensersatzpflicht von Prof. Dr. Y. für die bei der Gesellschaft 2008/09 entstandenen Verluste nennt (Berufungsbegründung Rn. 513, Bl. 659), ist auch dieser Vortrag zu pauschal und legt einen tatsächlich entstandenen kausalen Schaden nicht dar. Abgesehen davon ist dieser Vortrag in der Berufungsinstanz neu und ein Zulassungsgrund nach § 531 ZPO nicht ersichtlich.Randnummer240

Abgesehen davon, dass schon ein Anspruch gegen Prof. Dr. Y. nicht dargetan ist, hat die Beklagte unbestritten vorgetragen, dass der Vorstand das Bestehen von Ansprüchen unter Einholung von Rechtsrat geprüft hat und zu dem Ergebnis gekommen sei, dass eine Geltendmachung mangels ersichtlichen Schadens nicht aussichtsreich sei. Der Vorstand habe hinsichtlich der Verfahrenskosten die Rechtsunsicherheiten hinsichtlich der Zurechenbarkeit eines solchen Schadens, die vergleichsweise geringe Höhe der entstandenen Verfahrenskosten mit den Belangen der Beklagten und der zu erwartenden höheren Geltendmachungskosten abgewogen mit dem Ergebnis, dass ein Vorgehen gegen Prof. Dr. Y. nicht im Gesellschaftsinteresse liege (Bl. 108 f.). Diese unbestrittene Vorgehensweise stellt unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Erwägungen des Vorstands nachvollziehbar sind und auf Grundlage juristischer Beratung erfolgten, kein zu beanstandendes Verhalten dar. Erst recht liegt hierin keine eindeutige und schwerwiegende Pflichtverletzung, die die Treuwidrigkeit der Entlastung begründete.

(3)Randnummer241

Die unterlassene Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen oder von verjährungshemmenden Maßnahmen gegen die Aufsichtsratsmitglieder, gegen die wegen Beihilfe zur Marktmanipulation ermittelt wird, stellt ebenfalls keinen Grund dar, der eine Anfechtung der Entlastungentscheidung rechtfertigen würde.Randnummer242

Die Klägerin hat schon das Vorliegen eines Anspruchs gegen die Aufsichtsratsmitglieder nicht dargelegt und bewiesen. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist eine Darlegung der angeblichen Ansprüche, deren Nichtgeltendmachung die Klägerin rügt, nicht deshalb obsolet, weil ein strukturelles Informationsgefälle zwischen der Beklagten und den Aktionären bestünde. Die Klägerin übersieht erneut, dass es bei der Anfechtung einer Entlastungsentscheidung nicht um die allgemeine Rechtmäßigkeitskontrolle des Handelns der Verwaltung geht, sondern um die Kontrolle der Rechtmäßigkeit der Entlastungsentscheidung der Hauptversammlung. Es ist deshalb nicht zutreffend, dass durch eine derartige Darlegungs- und Beweislast dem durchschnittlichen Aktionär die Beschlussmängelkontrolle vollständig entzogen wäre. Dem Ziel einer Anfechtungsklage gegen Entlastungsbeschlüsse, nämlich die Verhinderung treuwidriger Entlastungsentscheidungen, steht die Darlegungs- und Beweislast für einen schwerwiegenden und eindeutigen Gesetzesverstoß nicht entgegen. Wie ausgeführt können Umstände, die erst im Anfechtungsverfahren aufgeklärt werden sollen, die Anfechtbarkeit des Entlastungsbeschlusses nicht rechtfertigen. Das gilt gerade auch für Umstände, für die nach Auffassung der Klägerin die sekundäre Darlegungslast gelten soll.Randnummer243

Weder ist die behauptete Pflichtverletzung der Aufsichtsratsmitglieder hinreichend dargelegt und bewiesen noch ein hieraus entstandener Schaden. Die pauschalen Ausführungen der Klägerin in der Klagschrift, der Replik und der Berufungsbegründung sind nicht ausreichend. In der Klagschrift führt die Klägerin nicht einmal aus, welche Ansprüche sich aus welchem Rechtsgrund ergeben sollen. Die Klagschrift enthält allein den Verweis auf die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen wegen Marktmanipulation (Bl. 31). In der Replik finden sich hierzu ebenfalls keine weitergehenden Ausführungen, ebenso wenig in der Berufungsbegründung.Randnummer244

Schon das Bestehen eines Anspruchs ist damit überhaupt nicht dargelegt, so dass auch ein eindeutiger und schwerwiegender Pflichtverstoß wegen des Unterlassens der Geltendmachung oder der Ergreifung von verjährungshemmenden Maßnahmen bereits deshalb ausscheidet, zudem aber auch auf Grund fehlender Kenntnis der Hauptversammlung.

(4)Randnummer245

Nichts anders gilt, soweit die Klägerin in der Berufungsbegründung andeutet, die Nichtgeltendmachung von Ansprüchen gegen Aufsichtsratsmitglieder „im Zusammenhang mit den skandalösen Abfindungszahlungen von mehr als 50 Mio. Euro“ könne eine schwerwiegende Pflichtverletzung darstellen (Berufungsbegründung S. 4, Bl. 548). Dieser Anfechtungsgrund war in der Klagschrift nicht vorgetragen und ist bereits präkludiert nach § 246 Abs. 1 AktG. Abgesehen davon ist weder ein eindeutiger und schwerwiegender Pflichtverstoß des Vorstands diesbezüglich noch die Kenntnis der Hauptversammlung hiervon dargetan: Schon eine Pflichtverletzung der Aufsichtsräte in diesem Zusammenhang ist nicht dargelegt (hierzu unten 2.e.cc), erst recht nicht ein Anspruch gegen die Aufsichtsräte, der von dem Vorstand hätte geltend gemacht werden müssen.

(5)Randnummer246

Auch das Unterlassen verjährungshemmender Maßnahmen gegen die im Herbst 2008 für die Beklagte tätigen Berater rechtfertigt die Anfechtung der Entlastungsentscheidung nicht.Randnummer247

Insoweit hat die Klägerin schon nicht vorgetragen, gegen welche Berater aus welchem Grund welcher Anspruch bestehen soll. Auch insoweit führt das von der Klägerin behauptete Informationsgefälle entsprechend den obigen Ausführungen nicht dazu, dass die Beklagte alle Umstände eines möglichen Anspruchs darlegen müsste. Weder ist demnach das Bestehen eines Anspruchs gegen Berater dargetan noch deren Pflichtverletzung noch ein kausal hieraus entstandener Schaden, so dass schon nicht ersichtlich ist, dass der Vorstand pflichtwidrig tatsächlich bestehende Ansprüche nicht geltend gemacht hat. Auch eine Erkennbarkeit für die Hauptversammlung ist nicht dargetan.

(6)Randnummer248

Ohne Erfolg beruft sich die Klägerin auch auf das angebliche Unterlassen der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen Berater der Beklagten im Zusammenhang mit der Gewährung überhöhter Vergütungen und Abfindungen an die früheren Vorstände W. und H..Randnummer249

Dieser Anfechtungsgrund ist bereits präkludiert. Zum Kern der Anfechtung einer Entlastungsentscheidung wegen schwerwiegender und eindeutiger Pflichtverletzung des zu Entlastenden gehört die Darlegung dieser Pflichtverletzung in seinem wesentlichen tatsächlichen Kern. Zu einer Pflichtverletzung durch Unterlassen der Verfolgung von Ansprüchen gehört auch die Darlegung, auf welcher tatsächlichen Grundlage gegen wen ein Anspruch bestehen soll. Soweit der Anspruch sich auf eine fehlerhafte Beratung bezieht, gehört zu dem Kern des Vorwurfs, zu welchem Thema beraten worden sein soll. Hierzu hat die Klägerin in der Klagschrift im Zusammenhang mit dem Verweis auf die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen wegen Marktmanipulation lediglich erklärt, es gehe um die „in der Übernahme der Z AG, insbesondere auch im Herbst 2008, tätigen“ Berater (Bl. 31). Ein Schadensersatzanspruch wegen fehlerhafter Beratung zu Vorstandsvergütung und Vorstandsabfindung und Vereinbarungen diesbezüglich ist von diesem Vortrag nicht umfasst. Der Vortrag schildert vielmehr einen davon unabhängigen Sachverhalt, der Gegenstand von Ansprüchen gegen Berater sein soll.Randnummer250

Abgesehen davon ist auch insoweit nicht konkret vorgetragen, gegen welche Berater wegen welcher Beratung Ansprüche bestehen sollen, dass in der Nichtverfolgung eine grobe PflichtverletzungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
grobe Pflichtverletzung
Pflichtverletzung
liegt und dies für die Hauptversammlung erkennbar war.Randnummer251

2. Beschluss über die Entlastung des AufsichtsratsRandnummer252

Der Beschluss über die Entlastung des AufsichtsratsBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Entlastung
Entlastung des Aufsichtsrats
ist weder nichtig noch mit den vorgebrachten Gründen anfechtbar.Randnummer253

Nichtigkeitsgründe nach § 241 AktG sind weder dargetan noch ersichtlich.Randnummer254

Auch die vorgetragenen Anfechtungsgründe greifen nicht durch.Randnummer255

Hinsichtlich der Grundlagen für die Anfechtbarkeit der Entlastungsentscheidung wird auf die obigen Ausführungen zur Anfechtbarkeit der Entlastungsentscheidung von Vorständen verwiesen.Randnummer256

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze liegt kein Grund vor, der die Entlastung der Aufsichtsräte anfechtbar macht.Randnummer257

a. Tätigkeit des Versammlungsleiters Dr. W. X.Randnummer258

Wie bereits ausgeführt war Dr. W. X. rechtmäßiger Versammlungsleiter der Hauptversammlung. Ein Anfechtungsgrund wegen Leitung der Versammlung und Feststellung durch einen unzuständigen Versammlungsleiter scheidet deshalb ebenso aus wie ein Nichtigkeitsgrund.Randnummer259

b. Fehlerhafte EntsprechenserklärungRandnummer260

Zutreffend hat das Landgericht auch den in erster Instanz vorgebrachten Anfechtungsgrund „fehlerhafte Entsprechenserklärung“ wegen Präklusion zurückgewiesen. Die Ausführungen zur Präklusion dieses Anfechtungsgrundes bezüglich der Entlastung des Vorstands gelten entsprechend.Randnummer261

c. Treuepflichtverletzung wegen InteressenskonfliktenRandnummer262

Ohne Erfolg beruft sich die Klägerin in der Berufungsbegründung darauf, das Landgericht habe die von der Klägerin behauptete Treuepflichtverletzung einzelner Aufsichtsratsmitglieder wegen Ausnutzung der ihnen nur in ihrer Funktion bekannt gewordenen Informationen über die wahren Absichten der Beklagten zur Beherrschung der Z AG völlig übergangen (Berufungsbegründung Rn. 521 ff., Bl. 116 ff.).Randnummer263

Der behauptete Anfechtungsgrund liegt nicht vor. Zum einen ist dieser bereits nach § 246 AktG präkludiert. Die Klägerin hat diesen Anfechtungsgrund erstmals in der Replik vorgebracht. Abgesehen davon bezieht sich die Klägerin hierbei auf Handlungen des Aufsichtsrats im Jahr 2008/2009. Die Vorwürfe – Ausnutzung der Informationen über den beabsichtigten, nicht offen gelegten Beteiligungsaufbau für private Spekulationen mittels der X GmbH, S., Nutzung von Geschäftschancen der Beklagten, Interessenkonflikt – haben keinen Bezug zu den Handlungen des Aufsichtsrats im Entlastungszeitraum. Auch die Klägerin stellt einen solchen Bezug im Rahmen der Behauptungen dieses Anfechtungsgrundes nicht dar, sondern schildert lediglich das Verhalten aus dem Jahr 2008/2009, das sie für pflichtwidrig hält (Replik Rn. 167 ff., Bl. 245 ff; Berufungsbegründung Rn. 521 ff, Bl. 660 ff.).Randnummer264

Erneut ist darauf hinzuweisen, dass die Aufklärung des Geschehens im Geschäftsjahr 2008/2009 nicht Gegenstand und auch nicht Sinn und Zweck des Anfechtungsverfahrens betreffend die Entlastung für das Geschäftsjahr 2012 ist.Randnummer265

d. Verdacht strafbarer Handlungen von AufsichtsrätenRandnummer266

Ohne Erfolg beruft sich die Klägerin in der Berufungsbegründung darauf, das Landgericht setze sich nicht mit dem von der Klägerin geltend gemachten Anfechtungsgrund schwerer und eindeutiger Gesetzesverletzungen wegen strafbarer Marktmanipulation auseinander (Berufungsbegründung Rn. 535 ff., Bl. 662).Randnummer267

Ein Anfechtungsgrund für die Entlastung für das Geschäftsjahr 2012 wegen strafrechtlicher Ermittlungen zu Handlungen aus dem Geschäftsjahr 2008/2009 scheidet aus. Die Entlastung bezieht sich – wie oben ausgeführt – auf das Handeln des zu entlastenden Organs in dem Entlastungszeitraum. Mögliches früheres strafrechtlich relevantes Verhalten wird durch die Entlastungsentscheidung nicht gebilligt. Die Entlastung für das Geschäftsjahr 2012 ist deshalb auch nicht treuwidrig, wenn wegen früherer Handlungen noch Ermittlungsverfahren offen sind. Etwas anderes ergibt sich entgegen der Auffassung der Klägerin auch nicht daraus, dass auf der Hauptversammlung vom 29.01.2010 die Entscheidung über die Entlastung der ehemaligen Vorstandsmitglieder Dr. W. und H. für das Geschäftsjahr 2008/2009 vertagt wurde im Hinblick auf die laufenden Ermittlungen wegen des Verdachts der Kursmanipulation, der verspäteten Veröffentlichung einer Ad-hoc-Mitteilung und der unbefugten Weitergabe von Insider-Informationen (Vortrag Kläger Replik Rn. 83, Bl. 224 f. und Rn. 190, Bl. 252). Die Entlastung betraf damals genau den Zeitraum, in dem die behaupteten Straftaten begangen worden sein sollen. Insofern war die Vertagung der Entlastungsentscheidung sachgerecht. Mit der Entlastung der Aufsichtsräte für das Jahr 2012 trotz Ermittlungen zu möglichen Straftaten im Jahr 2008/2009 ist dies nicht vergleichbar.Randnummer268

Entgegen der Ansicht der Klägerin (Bl. 254) kommt es für die Entlastungsentscheidung nicht darauf an, wann die Anteilseigner von dem Ermittlungsverfahren Kenntnis erlangten. Die Kenntniserlangung von der Aufnahme der Ermittlungen im Entlastungszeitraum änderte nichts daran, dass die Handlungen, wegen derer ermittelt wird, nicht im Entlastungszeitraum vorgenommen wurden und somit nicht Gegenstand der Entlastungsentscheidung sind, so dass sie eine Treuwidrigkeit der Entlastungsentscheidung nicht begründen können. Dies führt entgegen der Auffassung der Klägerin (Bl. 254) nicht zur vollständigen Aufgabe der Rechtsprechung des BGH zur Treuwidrigkeit von Entlastungsentscheidungen. Auch insoweit gilt, dass das Anfechtungsverfahren betreffend die Entlastungsentscheidung nicht der allgemeinen Rechtmäßigkeitskontrolle des Handelns der Organe, erst recht nicht des Handelns der Organe außerhalb des Entlastungszeitraums, dient, sondern ausschließlich der Rechtmäßigkeitskontrolle der Entlastungsentscheidung durch die Hauptversammlung. Abgesehen davon erfolgte auch die Bekanntmachung der Ermittlungen nicht im Entlastungszeitraum, sondern nach unbestrittenem Vortrag der Beklagten erst Anfang 2013.Randnummer269

Auf die Frage, ob im Hinblick auf die Ermittlungen wegen Beihilfe zur Marktmanipulation ein eindeutiger und schwerwiegender Gesetzesverstoß vorläge, kommt es mithin schon nicht an. Nur ergänzend wird darauf hingewiesen, dass das Vorliegen einer Beihilfe zur Marktmanipulation nicht bewiesen ist. Die Aufnahme von Ermittlungen durch die Staatsanwaltschaft bedeutet nicht, dass eine Straftat erwiesen wäre (vgl. hierzu auch OLG Stuttgart, 20 U 2/10, AG 2011, 93, juris Rn. 676; 20 W 5/11, AG 2012, 317, juris Rn 484). Nicht einmal die Haupttat, zu der die Aufsichtsräte Beihilfe geleistet haben sollen, ist bislang erwiesen. Vielmehr ist insoweit bislang lediglich das Hauptverfahren eröffnet. Ob die Aufsichtsräte tatsächlich die ihnen vorgeworfene Straftat begangen haben, war im Zeitpunkt der Hauptversammlung völlig ungeklärt und ist es auch im Zeitpunkt dieses Verfahrens. Wie ausgeführt bedarf sie in Rahmen des Verfahrens auch keiner Klärung. Eine Treuwidrigkeit der Entlastung könnte sich nicht aus einem Sachverhalt ergeben, der erst im Rahmen des Anfechtungsverfahrens aufgeklärt wird.Randnummer270

e. Unterlassung der Geltendmachung von Schadensersatz- und RückforderungsansprüchenRandnummer271

Ohne Erfolg beruft sich die Klägerin für die Anfechtung der Entlastung der Aufsichtsräte auch darauf, dass diese gegen die früheren Vorstände Dr. W. und H. keine Schadensersatzansprüche geltend gemacht und die gezahlten, nach Auffassung der Klägerin überhöhten Vergütungen und Abfindungen von diesen sowie Beratungshonorare von Dritten nicht zurückgefordert haben.Randnummer272

Für die Geltendmachung von Ansprüchen der Beklagten gegen den – auch ehemaligen – Vorstand gelten dieselben Grundsätze wie oben für die Geltendmachung von Ansprüchen gegen den Aufsichtsrat durch den Vorstand. Die Entscheidung, ob ein Vorstandsmitglied auf Schadensersatz in Anspruch genommen werden soll, erfordert zunächst die Feststellung des zum Schadensersatz verpflichtenden Tatbestandes in tatsächlicher wie rechtlicher Hinsicht sowie eine Analyse des Prozessrisikos und der Beitreibbarkeit der Forderung. Eine Entscheidungsprärogative besteht insoweit nicht. Führt eine sorgfältig und sachgerecht vorgenommene Prozessrisikoanalyse zu dem Ergebnis, dass der Gesellschaft voraussichtlich Schadensersatzansprüche gegen eines ihrer Vorstandsmitglieder zustehen, kann sich die Frage stellen, ob der Aufsichtsrat gleichwohl von einer Verfolgung des Anspruchs absehen kann. Auch bei dieser Entscheidung steht dem Aufsichtsrat kein autonomer unternehmerischer Ermessensspielraum zu. Da die Entscheidung dem Unternehmenswohl verpflichtet ist, das grundsätzlich die Wiederherstellung des geschädigten Gesellschaftsvermögens verlangt, wird der Aufsichtsrat von der Geltendmachung voraussichtlich begründeter Schadenersatzansprüche gegen einen pflichtwidrig handelnden Vorstand nur dann ausnahmsweise absehen dürfen, wenn gewichtige interessen und Belange der Gesellschaft dafür sprechen, den ihr entstandenen Schaden ersatzlos hinzunehmen (vgl. grundlegend BGH II ZR 175/95, BGHZ 135, 244 – ARAG/Garmenbeck).Randnummer273

Auch insoweit ist Voraussetzung eines eindeutigen und schwerwiegenden Pflichtverstoßes des Aufsichtsrates, der zur Anfechtbarkeit der Entlastungsentscheidung führen könnte, dass der Aufsichtsrat tatsächlich bestehende Ansprüche nicht geltend gemacht hat, ohne dass ein Grund vorlag, ausnahmsweise hiervon abzusehen, und dass dies für die Hauptversammlung bei ihrer Entlastungsentscheidung tatsächlich erkennbar war.Randnummer274

Diese Voraussetzungen sind von der für das Vorliegen des Anfechtungsgrundes darlegungs- und beweisbelasteten Klägerin nicht dargetan.

aa.Randnummer275

Ohne Erfolg beruft sich die Klägerin auf Ansprüche wegen Marktmanipulation durch die ehemaligen Vorstände Dr. W. und H..Randnummer276

In der Klagschrift fehlt zu einem möglichen Anspruch auf Schadensersatz im Zusammenhang mit dem Ermittlungsverfahren wegen Marktmanipulation jeglicher konkrete Vortrag zu den vorgeworfenen Pflichtverletzungen sowie einem möglichen Schaden hieraus. Weder ist die behauptete Pflichtverletzung hinreichend dargelegt und bewiesen noch ein hieraus entstandener Schaden. Die pauschalen Ausführungen der Klägerin in der Klagschrift sowie der Replik sind nicht ausreichend. Allein mit dem Verweis auf das staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren ist der Darlegungslast der Klägerin zu einer schadensersatzbegründenden Pflichtverletzung nicht Genüge getan. Auch der Verweis auf rechtshängige Schadensersatzklagen in Milliardenhöhe ersetzt einen Vortrag zu einem kausal durch die Pflichtverletzung bewirkten Schaden nicht. Risiken stellen keinen Schaden dar. Auch in der Replik wird zu den angeblich bestehenden Ansprüchen nichts Näheres ausgeführt und lediglich auf die laufenden Ermittlungen sowie die wegen des strukturellen Informationsgefälles nach Auffassung der Klägerin bestehende sekundäre Darlegungs- und Beweislast der Beklagten verwiesen (Replik, Rn. 203 ff., Bl. 255).Randnummer277

Das Vorbringen in der Berufungsbegründung ändert hieran nichts. Auch insoweit wird nur auf die strafrechtlichen Verfahren und den Eröffnungsbeschluss des Oberlandesgerichts Stuttgart betreffend die Anklage gegen Dr. W. und H. verwiesen, was nicht ausreicht. Auch der neue Verweis auf einen drohenden Schaden durch Verhängung von Bußgeldern (Berufungsbegründung Rn. 547, Bl. 665, und Rn. 57 ff, Bl. 568 ff.) stellt keine hinreichende Darlegung eines Schadens dar. Abgesehen davon wurde der Antrag auf Nebenbeteiligung nach Angaben in der Zwischenmitteilung der Beklagten (01.01.-10.11.2014, K 16), auf die die Klägerin sich selbst bezieht, erst im Jahr 2014 gestellt. Unabhängig von dem Vorliegen eines Anspruchs kann demnach den Aufsichtsräten schon deshalb kein Vorwurf gemacht werden, insoweit im Jahr 2012 keine Regressmaßnahmen eingeleitet zu haben. Aus demselben Grund trägt auch der Vorwurf einer Treuwidrigkeit der Entlastungsentscheidung im Frühjahr 2013 für das Geschäftsjahr 2012 nicht.Randnummer278

Die Klägerin hat damit schon das Vorliegen eines Anspruchs gegen die ehemaligen Vorstände nicht dargelegt und bewiesen. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist eine Darlegung der angeblichen Ansprüche, deren Nichtgeltendmachung die Klägerin rügt, nicht deshalb obsolet, weil ein strukturelles Informationsgefälle zwischen der Beklagten und den Aktionären bestünde. Die Klägerin übersieht erneut, dass es bei der Anfechtung einer Entlastungsentscheidung nicht um die allgemeine Rechtmäßigkeitskontrolle des Handelns der Verwaltung geht, sondern um die Kontrolle der Rechtmäßigkeit der Entlastungsentscheidung der Hauptversammlung. Wie ausgeführt können Umstände, die erst im Anfechtungsverfahren aufgeklärt werden sollen, die Anfechtbarkeit des Entlastungsbeschlusses nicht rechtfertigen. Das gilt gerade auch für Umstände, für die nach Auffassung der Klägerin die sekundäre Darlegungslast gelten soll. Entgegen der Auffassung der Klägerin in der Berufungsbegründung (Rn. 546, Bl. 665) ist dem Landgericht demnach auch nicht das Unterlassen einer „eigenverantwortlichen Sachverhaltsaufklärung unter kritischer Würdigung der Tatsachenbehauptungen der Beklagten und ihrer Prozessvertreter“ vorzuwerfen.Randnummer279

Abgesehen davon hat die Beklagte dargelegt, dass der Aufsichtsrat sich mit der Geltendmachung von Ansprüchen befasst hat und hierzu externen rechtlichen Rat eingeholt hat (Klagerwiderung Rn. 260, Bl. 123 ff.). Führt die Einholung von externem, qualifiziertem Rechtsrat zu dem Ergebnis, dass Ansprüche nicht bestehen, kann die Nichtgeltendmachung dieser Ansprüche regelmäßig nicht als eindeutige und schwerwiegende Pflichtverletzung angesehen werden.

bb.Randnummer280

Auch im Hinblick auf die Verurteilung des ehemaligen Vorstands H. wegen Kreditbetrugs und die unterlassene Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen diesbezüglich hat die Anfechtung der Entlastungsentscheidung keinen Erfolg.Randnummer281

Dieser Grund für die Anfechtung wurde in der Klagschrift bereits nicht in seinem tatsächlichen Kern dargelegt. Hinsichtlich der Anfechtung der Entlastung des AufsichtsratsBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Entlastung
Entlastung des Aufsichtsrats
wegen unterlassener Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen bezieht sich die Klägerin – auch insoweit nur pauschal – lediglich auf Ansprüche beim Derivataufbau und auf die Anklageerhebung der Staatsanwaltschaft (Klagschrift, Bl. 32). Zum Kern der Anfechtung des Entlastungsbeschlusses wegen der Pflichtverletzung durch Unterlassen von Schadensersatzansprüchen gehört aber auch der Vortrag, wegen welcher Pflichtverletzung ein Schadensersatzanspruch bestehen soll. Die Klägerin ist deshalb mit diesem Anfechtungsgrund „unterlassene Geltendmachung von Ansprüchen gegen den ehemaligen Vorstand H. wegen Kreditbetrugs“ bereits nach § 246 Abs. 1 AktG präkludiert.Randnummer282

Abgesehen davon sind keine Schadensersatzansprüche dargetan und ersichtlich, deren unterlassene Geltendmachung eine Anfechtung der Entlastungsentscheidung begründen könnte. Die Klägerin hat auch insoweit das Bestehen eines Schadensersatzanspruchs schon nicht dargelegt, insbesondere nicht, welcher Schaden der Beklagten auf Grund des Kreditbetrugs entstanden sein soll. Die Klägerin verweist lediglich darauf, dass der Aufsichtsrat hätte prüfen müssen, ob Ansprüche wegen einer Verschlechterung von Konditionen zur Aufnahme von Eigen- oder Fremdmitteln entstanden sind (Replik Rn. 208, Bl. 256). Dass derartige Verschlechterungen und damit ein Schaden eingetreten sind, behauptet die Klägerin nicht einmal. Schließlich hat die Beklagte substantiiert vorgetragen, dass der Aufsichtsrat sich mit der Geltendmachung von Ansprüchen befasst hat und hierzu externen rechtlichen Rat eingeholt hat (Klagerwiderung Rn. 260, Bl. 123 ff.). Führt die Einholung von externem, qualifiziertem Rechtsrat zu dem Ergebnis, dass Ansprüche nicht bestehen, kann die Nichtgeltendmachung dieser Ansprüche regelmäßig nicht als eindeutige und schwerwiegende Pflichtverletzung angesehen werden.

cc.Randnummer283

Die Entscheidung der Hauptversammlung über die Entlastung für das Jahr 2012 ist auch nicht deshalb anfechtbar, weil der Aufsichtsrat es Unterlassen hat, die im Jahr 2007/2008 auf Grund der bestehenden Vergütungsvereinbarung geschuldeten und ausbezahlten Vergütungen sowie die im Jahr 2009 gezahlten Abfindungen an die ehemaligen Vorstände Dr. W. und H. von diesen zurückzufordern. Eine schwerwiegende und offensichtliche Pflichtverletzung wegen unterlassener Rückforderung auf Grund von Sittenwidrigkeit der Vereinbarungen scheidet schon deshalb aus, weil der Aufsichtsrat die Sittenwidrigkeit der Vereinbarungen im Entlastungszeitraum nicht erneut zu prüfen hatte (hierzu unter (1)). Ein Rückforderungsanspruch aus sonstigem Grund ist nicht ersichtlich, so dass auch insoweit eine Pflichtverletzung ausscheidet (hierzu unter (2)).

(1)Randnummer284

Soweit die Klägerin sich zur Begründung des Rückforderungsanspruchs auf die nach ihrer Auffassung bereits von Beginn an bestehende Sittenwidrigkeit der Vergütungsvereinbarung und der Abfindungsvereinbarung sowie deren Auszahlungen bezieht, scheidet ein Anfechtungsgrund schon deshalb aus, weil diese Vereinbarungen und Auszahlungen auf der Entscheidung des damaligen Aufsichtsrats beruhen und die Rechtmäßigkeit dieser Entscheidungen im Entlastungszeitraum nicht erneut von dem Aufsichtsrat überprüft werden musste.

(1.1)Randnummer285

Das Verfahren über die Anfechtung der Entlastungsentscheidung für das Geschäftsjahr 2012 dient nicht der Kontrolle der Entscheidungen über die Vergütungsvereinbarung, die Vergütungsauszahlung, die Abfindungsvereinbarung und die Abfindungsauszahlung in vergangenen Geschäftsjahren. Über den Weg, die Anfechtung der Entlastung mit der unterlassenen Rückforderung der gezahlten Vergütungen und Abfindungen zu begründen, kann auch nicht jährlich erneut im Anfechtungsverfahren die Überprüfung der damaligen Vereinbarungen auf Sittenwidrigkeit oder sonstige Nichtigkeit erreicht werden, sofern sich keine neuen Umstände in dem Geschäftsjahr, das Gegenstand der Entlastung ist, ergeben haben.Randnummer286

Dies gilt schon deshalb, weil auch der Aufsichtsrat ohne besondere Veranlassung nicht gehalten ist, jährlich erneut darüber zu entscheiden, ob die vor mehreren Jahren gezahlten Vergütungen und Abfindungen damals zu Unrecht bezahlt wurden und deshalb zurückzufordern sind. Grundlage dieser Auszahlungen waren in Verantwortung des damaligen Aufsichtsrats geschlossene Vergütungsvereinbarungen und Abfindungsvereinbarungen. Der Aufsichtsrat muss diese Entscheidungen des damaligen Aufsichtsrats nicht jährlich neu auf ihre Richtigkeit überprüfen ebenso wenig wie er – sofern die Vereinbarungen in der eigenen Amtszeit geschlossen wurden – jährlich neu darüber zu befinden hat, ob seine eigenen abgeschlossenen Entscheidungen der Vergangenheit tatsächlich zutreffend waren. Er ist auch ansonsten grundsätzlich nicht gehalten, in sich abgeschlossene Entscheidungen des Aufsichtsrats der vergangenen Jahre bzw. eigene Entscheidungen der vergangenen Jahre immer wieder daraufhin zu überprüfen, ob diese rechtmäßig waren und ob auf Grund von vergangenen Entscheidungen des Aufsichtsrats in der Vergangenheit von der Gesellschaft gezahlte Beträge zu Recht bezahlt wurden.Randnummer287

Etwas anderes gilt dann, wenn der Aufsichtsrat wüsste, dass die abgeschlossenen Verträge unwirksam sind oder er – soweit diese während der eigenen Amtszeit geschlossen wurden – bewusst unwirksame Verträge geschlossen hat oder wenn ihm sich die Unwirksamkeit der Verträge – auch auf Grund neuer Erkenntnisse – aufdrängen musste. Der Aufsichtsrat könnte dann nicht früheres rechtswidriges Verhalten perpetuieren, indem er dessen Folgen weiterhin aufrecht erhält und die Rückforderung unterlässt. Er könnte sich auch nicht auf die Entscheidungskompetenz des damaligen Aufsichtsrats zurückziehen, wenn er dessen Handeln als offensichtlich rechtswidrig erkannt hätte und hieraus Rückforderungsansprüche der Gesellschaft resultierten. Ersichtlich eklatante Rechtsverstöße könnten nicht dadurch gedeckt werden, dass auf die nicht zu überprüfende Entscheidung des früheren Aufsichtsrats verwiesen wird. Auch bei sich aufdrängender Rechtswidrigkeit der Vereinbarungen und damit bestehender Rückforderungsansprüche dürfte der Aufsichtsrat nicht untätig bleiben. Kennt der Aufsichtsrat die Rechtswidrigkeit aber nicht und muss sich diese ihm auch nicht – etwa auf Grund neuer Erkenntnisse im Entlastungszeitraum – aufdrängen, besteht kein Anlass, jährlich neu zu prüfen, ob die vergangenen Entscheidungen und die auf Grund dieser Entscheidungen erfolgten Auszahlungen rechtmäßig waren oder ob ein Rückforderungsanspruch besteht.Randnummer288

Ein gewichtiges Argument gegen eine erneute Prüfungspflicht des Aufsichtsrats bezüglich der in der Vergangenheit getroffenen Entscheidungen stellt es auch dar, wenn der damals entscheidende Aufsichtsrat sich bei seiner Entscheidung sach- und rechtskundig beraten ließ. Der Aufsichtsrat hat grundsätzlich keine Veranlassung, die unter rechtskundiger Beratung von dem Aufsichtsrat in der Vergangenheit geschlossenen Vereinbarungen erneut auf deren Wirksamkeit zu prüfen, sofern sich keine neuen Erkenntnisse ergeben, die zu einer anderen Beurteilung führen könnten.

(1.2)Randnummer289

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze war der Aufsichtsrat schon nicht gehalten, die Wirksamkeit der damaligen Vereinbarungen über die Vergütung und die Abfindungszahlung und mögliche aus der ursprünglichen Unwirksamkeit der Vereinbarungen resultierende Rückforderungsansprüche erneut zu prüfen.Randnummer290

Dies gilt hier schon deshalb, weil sich selbst bei vollständiger Durchprüfung aus dem Vortrag der Klägerin in diesem Verfahren keine Sittenwidrigkeit oder sonstige Unwirksamkeit der Vergütungs- und Abfindungsvereinbarungen und damit kein Anspruch auf Rückzahlung der Vergütungen oder Abfindungen auf Grund ursprünglicher Unwirksamkeit der Vereinbarungen ergibt. Wie ausgeführt wäre nach den anzuwendenden rechtlichen Maßstäben die vollständige Prüfung von Rückforderungsansprüchen zwar nicht erforderlich, vielmehr reichte die Prüfung daraufhin, ob dem Aufsichtsrat im Entlastungszeitraum die ursprüngliche Unwirksamkeit bekannt war oder sich aufdrängen musste. Führt aber sogar die vollständige Prüfung dazu, dass Ansprüche nicht bestehen, scheidet eine Pflichtverletzung des Aufsichtsrats umso mehr aus.Randnummer291

Auf Grundlage des Vortrags der Klägerin ergeben sich keine Ansprüche auf Rückzahlung der an die damaligen Vorstände Dr. W. und H. gezahlten Vergütungen und Abfindungen:

(1.2.1)Randnummer292

Ein Anspruch auf Rückzahlung der Vergütung der damaligen Vorstände Dr. W. und H. aus dem Geschäftsjahr 2007/2008 ist nicht dargelegt. Eine Anspruchsgrundlage hierfür ist nicht ersichtlich.Randnummer293

Ohne Erfolg stützt sich die Klägerin auf die Sittenwidrigkeit der Vergütungsleistungen im Hinblick auf deren konkrete Höhe im Geschäftsjahr 2007/2008. Für die Frage der Sittenwidrigkeit einer Vergütung ist nicht der Zeitpunkt der Fälligkeit und Auszahlung relevant, sondern der Zeitpunkt des Abschlusses der Vergütungsvereinbarung (vgl. OLG Stuttgart, 20 U 2/10, AG 2011, 93, juris Rn. 447 mN; Palandt/Ellenberger, BGB, 74. Aufl., § 138 Rn. 9 f mN). Für eine Sittenwidrigkeit der Vergütungsvereinbarung im Zeitpunkt ihres Abschlusses liegt kein Vortrag vor. Die Klägerin stützt ihre Auffassung zur Sittenwidrigkeit vielmehr auf die konkrete Höhe der im Geschäftsjahr 2007/2008 gezahlten Vergütung und vergleicht diese mit anderweitig gezahlten Vergütungen. Für die Beurteilung der Sittenwidrigkeit der Vergütungsvereinbarung spielt die konkrete Höhe der Auszahlungen in späteren Jahren aber keine Rolle.Randnummer294

Auch eine Nichtigkeit der Vergütungsvereinbarung wegen eines Verstoßes der Vergütungsvereinbarung gegen § 87 Abs. 1 AktG besteht nicht. Weder ist ein Verstoß der Vereinbarung gegen § 87 Abs. 1 AktG dargelegt noch führte dieses zu einer Unwirksamkeit. Für die Frage eines Verstoßes gegen § 87 Abs. 1 AktG ist der Abschluss der Vergütungsvereinbarung entscheidend (vgl. Bürgers/Körber/Bürgers/Israel, AktG, 3. Aufl., § 87 Rn. 4; MünchKommAktG/Spindler, 4. Aufl., § 87 Rn. 119). Da die Vergütungsvereinbarungen betreffend die Vorstände Dr. W. und H. jedenfalls vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung vom 31.07.2009 – VorstAG – geschlossen wurden, gilt für diese die Neufassung noch nicht (vgl. Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, 2. Aufl., § 87 Rn. 38). Die vormalige Fassung des § 87 Abs. 1 AktG sah nur vor, dass der Aufsichtsrat bei der Festsetzung der Gesamtbezüge des einzelnen Vorstandsmitglieds dafür zu sorgen habe, dass diese in einem angemessenen Verhältnis zu den Aufgaben des Vorstandsmitglieds und zu der Lage der Gesellschaft stehen. Dass dies im Zeitpunkt des Abschlusses der Vergütungsvereinbarungen nicht der Fall gewesen sein soll, ergibt sich aus dem Vorbringen der Klägerin nicht. Abgesehen davon führte ein Verstoß gegen § 87 Abs. 1 AktG nicht zur Unwirksamkeit der Vergütungsvereinbarung – ein Verbotsgesetz liegt in dieser Vorschrift nicht (vgl. Bürgers/Körber/Bürgers/Israel, AktG, 3. Aufl., § 87 Rn. 7; Spindler/Stilz/Fleischer, AktG. 2. Aufl., § 87 Rn. 58 m. Hinweisen zur abweichenden Ansicht sowie Rechtsfolgen im Übrigen). Für eine ausnahmsweise mögliche Sittenwidrigkeit auf Grund eines Verstoßes gegen § 87 Abs. 1 AktG fehlen jegliche Anhaltspunkte, nachdem noch nicht einmal der Verstoß an sich dargetan ist.Randnummer295

Eine Sittenwidrigkeit oder sonstige Unwirksamkeit der Vergütungsvereinbarung ergibt sich auch nicht aus dem Anteil der erfolgsabhängigen Bestandteile der Vergütung. Feste gesetzliche Regelungen zur zulässigen Höhe der erfolgsabhängigen Bestandteile einer Vergütung an der Gesamtvergütung bestehen nicht einmal seit der Neuregelung von § 87 Abs. 1 AktG durch das VorstAG (zur Diskussion hierüber vgl. Henssler/Strohn/Dauner-Lieb, GesR, 2. Aufl., § 87 AktG Rn. 30; Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, 2. Aufl., § 87 Rn. 34), erst recht nicht vor dieser Neufassung des § 87 Abs. 1 AktG. Die damals geltende Fassung des § 87 Abs. 1 AktG enthielt überhaupt keine Regelung zu variablen Vergütungsbestandteilen und sah dem entsprechend auch keine Begrenzung des Anteils der variablen Vergütung an der Gesamtvergütung vor. Das von der Klägerin zitierte BMF-Schreiben zu Grundsätzen über die Anerkennung von Tantiemezusagen an Gesellschafter-Geschäftsführer (BMF v. 01.01.2002 – IV A 2 – S 2742 – 4/02) betrifft die körperschaftsteuerliche Anerkennung von Tantiemezusagen und hat nichts mit der Frage der zivilrechtlichen Wirksamkeit oder Sittenwidrigkeit einer Vergütungsvereinbarung zu tun. Selbst wenn im Übrigen – insbesondere nach heutiger Rechtslage – diskutiert wird, bis zu welchem Anteil an der Gesamtvergütung eine variable Vergütung zulässig ist, bedeutet dies nicht, dass eine höhere variable Vergütung Sittenwidrig und damit unwirksam wäre.Randnummer296

Der Vorwurf der Klägerin, die variablen Vergütungsbestandteile seien nicht an dem nachhaltigen Unternehmensgewinn orientiert gewesen und hätten nicht liquiditätswirksame Buchgewinne aus dem Abschluss von Derivatgeschäfte einbezogen, begründet ebenfalls weder eine Sittenwidrigkeit noch eine Nichtigkeit der Vergütungsvereinbarung. Wie ausgeführt bestand im Zeitpunkt des Abschlusses der Vergütungsvereinbarungen schon keine Regelung zu variablen Vergütungsbestandteilen und deren Bezug auf Nachhaltigkeit. Abgesehen davon stellte ein Verstoß gegen die heutige Regelung des § 87 Abs. 1 AktG, die eine Orientierung an dem nachhaltigen Unternehmensgewinn vorsieht, keinen nichtigkeitsbegründenden Umstand dar, da § 87 Abs. 1 AktG kein Verbotsgesetz ist. Dass die Grenze zur Sittenwidrigkeit überschritten wäre, ist ebenfalls nicht ersichtlich. Die von der Klägerin herangezogenen Regelungen der Versicherungs-Vergütungsverordnung finden auf den vorliegenden Sachverhalt schon keine Anwendung und sind im Übrigen auch nicht geeignet, die Unwirksamkeit oder Sittenwidrigkeit der Vergütungsvereinbarung zu begründen.Randnummer297

Weder verstößt die Vergütungsregelung demnach gegen ein gesetzliches Verbot noch gegen die guten Sitten, so dass eine Rückforderung wegen unwirksamer vertraglicher Grundlage ausscheidet.

(1.2.2)Randnummer298

Auch eine Sittenwidrigkeit oder sonstige Nichtigkeit der Abfindungsvereinbarungen und damit ein Rückforderungsanspruch hinsichtlich der gezahlten Abfindungen wegen fehlenden Rechtsgrunds ist nicht dargetan. Die Klägerin stützt die Sittenwidrigkeit darauf, dass nach ihren Berechnungen die Verdienstmöglichkeiten der Vorstände bis zur regulären Beendigung des Amtes am 30. September 2012 für Dr. W. maximal 24,5 Mio. Euro betragen hätten. Dabei geht die Klägerin davon aus, dass bei Berechnung der Abfindung für das Geschäftsjahr 2009/2010 ein Vorsteuerergebnis von 0, für die folgenden Geschäftsjahre ein Ergebnis von 1 Mrd. Euro zu berücksichtigen gewesen wäre (Replik Rn. 223, Bl.261). Diese Annahmen der Klägerin sind indes nicht zwingend in dem Sinne, dass andere Annahmen unvertretbar wären. Die Berechnung der voraussichtlichen künftigen Bezüge bis zum Ende der regulären Amtszeit beruhte auf Grund des hohen Anteils der variablen Vergütung zu einem großen Teil auf den Prognosen für die kommenden Jahre. Da es sich um Prognosen handelt, gibt es naturgemäß nicht eine einzig richtige Annahme. Dafür, dass die Prognosen, die der Aufsichtsrat bei der Berechnung der Abfindung zu Grunde legte, unvertretbar gewesen wären, bestehen keine Anhaltpunkte. Insbesondere ergibt sich dies nicht aus den eigenen Prognosen der Klägerin. Weder war im Zeitpunkt der Abfindungsvereinbarung zwingend anzunehmen, dass das Vorsteuerergebnis im Geschäftsjahr 2008/2009 negativ sein würde, noch, dass in den Folgejahren keine höheren Ergebnisse erzielt würden als im Jahr 2007/2008. Nur unter diesen Prämissen aber ist die Berechnung der Klägerin zutreffend. Kann demnach die Berechnung der Klägerin nicht als allein zutreffend angesehen werden, ergeben sich aus der Alternativberechnung der Klägerin damit auch keine Anhaltpunkte für die Unvertretbarkeit und Sittenwidrigkeit der vereinbarten Abfindungshöhe. Auch ansonsten ist nicht ersichtlich, dass der damalige Aufsichtsrat bei der Entscheidung über die Abfindungsvereinbarung unvertretbare Annahmen zur künftigen Entwicklung des Ergebnisses getroffen hätte, die eine Sittenwidrigkeit der Abfindungsvereinbarung bewirken könnten.

(1.3)Randnummer299

Der Aufsichtsrat hatte im Entlastungszeitraum demnach keine Veranlassung, die getroffenen Vergütungs- und Abfindungsvereinbarungen erneut auf deren Rechtmäßigkeit zu prüfen und Rückforderungsansprüche auf Grund Sittenwidrigkeit der Vereinbarungen geltend zu machen.Randnummer300

Gestützt wird dies hier auch dadurch, dass der Aufsichtsrat nach dem unbestrittenen Vorbringen der Beklagten bei der Entscheidung über die Abfindungszahlungen von anerkannten Experten rechtlich beraten war und dieser rechtlichen Beratung gefolgt ist (vgl. Duplik, Rn. 239, Bl. 373). Der Aufsichtsrat hat grundsätzlich keine Veranlassung, auf Grund Rechtsrats getroffene Entscheidungen zu vergangenen Sachverhalten zu einem späteren Zeitpunkt erneut zu überprüfen, sofern sich keine neuen Erkenntnisse ergeben, die zu einer anderen Beurteilung führen könnten.Randnummer301

Eine schwerwiegende und offensichtliche Pflichtverletzung durch unterlassene Rückforderung der Zahlungen gestützt auf Sittenwidrigkeit der den Zahlungen zu Grunde liegenden Vereinbarungen scheidet mithin aus.Randnummer302

Erst recht hatte die Hauptversammlung keinen Anlass, in der Nichtgeltendmachung der Rückforderungen eine eindeutige und schwerwiegende Pflichtverletzung zu sehen und die Entlastung zu verweigern.

(2)Randnummer303

Auch ein Anspruch auf Rückzahlung der Vergütungen sowie Abfindungen aus anderen Gründen als der ursprünglichen Unwirksamkeit der Vereinbarungen ist nicht dargetan, so dass auch insoweit eine Pflichtverletzung des Aufsichtsrats wegen unterlassener Rückforderung ausscheidet.Randnummer304

Ein Anspruch aus § 87 Abs. 2 AktG besteht nicht. Abgesehen davon, dass schon die Voraussetzungen des § 87 Abs. 2 AktG a.F. – wesentliche Verschlechterung der Verhältnisse der Gesellschaft und Unbilligkeit der Weitergewährung – nicht dargelegt sind, ermöglicht § 87 Abs. 2 AktG nur eine Herabsetzung der VergütungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Herabsetzung der Vergütung
Vergütung
für die Zukunft (vgl. MünchKommAktG/Spindler, 4. Aufl., § 87 Rn. 202; Schmidt/Lutter/Seibt, AktG, 2. Aufl., § 87 Rn. 20). Die Argumentation der Klägerin, dass § 87 Abs. 2 AktG einer Rückforderung nicht entgegen stehe, wenn die Vergütungsvereinbarungen Sittenwidrig und nichtig waren (Replik Rn. 211 ff, Bl. 257 ff.), ist zwar zutreffend. Wären die Vergütungsvereinbarungen nichtig, ergäbe sich ein Rückzahlungsanspruch aus Bereicherungsrecht, dem § 87 Abs. 2 AktG nicht entgegen stünde. Wie ausgeführt liegt in der unterlassenen Rückforderung gestützt auf eine ursprünglich bestehende Sittenwidrigkeit der Vereinbarungen aber kein Anfechtungsgrund. § 87 Abs. 2 AktG stellt dagegen keine eigene Anspruchsgrundlage für die Rückforderung bereits durch Arbeitstätigkeit verdienter Bezüge dar.Randnummer305

Für den von der Klägerin zumindest angedeuteten möglichen Anspruch auf Rückzahlung der Abfindungen auf Grund der Ermittlungen der Staatsanwaltschaft wegen Marktmanipulation fehlt jeder konkrete Vortrag. Allein der Hinweis auf eine Rückzahlungspflicht im Falle der Verurteilung wegen Marktmanipulation (Klagschrift Bl. 32) genügt nicht, abgesehen davon, dass eine Verurteilung auch bislang nicht erfolgte. Die Klägerin geht auf diesen in der Klagschrift angedeuteten Grund für eine Rückforderung im weiteren Verfahren auch nicht mehr ein, stützt sich vielmehr auf die Sittenwidrigkeit der Abfindung.

dd.Randnummer306

Letztlich folgt ein Anfechtungsgrund für die Entlastung des AufsichtsratsBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Entlastung
Entlastung des Aufsichtsrats
auch nicht aus der unterlassenen Geltendmachung von Ansprüchen gegen Berater der Beklagten. Die Geltendmachung von Ansprüchen gegen Berater der Beklagten gehört schon nicht zu den Aufgaben des Aufsichtsrats, sondern zu denen des Vorstands. Schon deshalb scheidet eine schwerwiegende und eindeutige Pflichtverletzung des Aufsichtsrats aus. Abgesehen davon ist auch insoweit ein Anspruch nicht dargelegt. Auf die obigen Ausführungen zur unterlassenen Geltendmachung von Ansprüchen gegen Berater durch den Vorstand wird verwiesen.Randnummer307

3. Beschluss über die wahl der AufsichtsratsmitgliederRandnummer308

Auch der Beschluss der Hauptversammlung über die wahl der Aufsichtsratsmitglieder (TOP 6) ist wirksam. Ein Anfechtungsgrund liegt nicht vor.Randnummer309

Die gesetzlich vorgeschriebenen persönlichen Voraussetzungen für die Aufsichtsratsmitglieder ergeben sich aus §§ 100 und 105 AktG. Weitergehende persönliche Voraussetzungen sind gesetzlich nicht vorgegeben. Insbesondere ist die Unabhängigkeit der Aufsichtsratsmitglieder keine Voraussetzung für die wahl und – auch ständige – Interessenkonflikte hindern nach bestehender Gesetzeslage die wahl nicht (vgl. MünchKommAktG/Habersack, 4. Aufl., § 100 Rn. 14, 46, 78 ff.; Spindler/Stilz/Spindler, AktG, 2. Aufl., § 100 Rn. 34 f.; Bürgers/Körber/Bürgers/Israel, AktG, 3. Aufl., § 100 Rn. 7 ; Schmidt/Lutter/Drygala, AktG, 2. Aufl., § 100 Rn. 27 f, der allerdings ein präventives Verbot bei massiven Interessenkonflikten befürwortet; Hüffer, AktG, 11. Aufl., § 100 Rn. 3; Henssler/Strohn/Henssler, GesR, 2.Aufl., § 100 AktG Rn. 4, 18). Die verweigerte Entlastung in vorangegangenen Geschäftsjahren stellt ebenfalls kein Wahlhindernis dar (vgl. Spindler/Stilz/Spindler, AktG, 2. Aufl., § 100 Rn. 36).Randnummer310

Der DCGK enthält für die Zusammensetzung des Aufsichtsrats in Ziff. 5.4.1 die Aussage, dass der Aufsichtsrat so zusammenzusetzen ist, dass seine Mitglieder insgesamt über die zur ordnungsgemäßen Wahrnehmung der Aufgaben erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und fachlichen Erfahrungen verfügen. Nach Ziff. 5.4.2 DCGK soll dem Aufsichtsrat eine nach seiner Einschätzung angemessene Anzahl unabhängiger Mitglieder angehören. Die Kodexempfehlungen stellen kein Gesetzesrecht dar, so dass die dortigen Empfehlungen keine Voraussetzungen für die Wählbarkeit begründen und allein eine Missachtung der Kodexempfehlungen nicht zur Nichtigkeit oder Anfechtbarkeit der wahl der Aufsichtsratsmitglieder führt (vgl. Hüffer, AktG, 11. Aufl., § 161 Rn. 31; Henssler/Strohn/Vetter, GesR, 2.Aufl., § 161 AktG Rn. 25; OLG München AG 2009, 294, juris Rn. 37; Habersack, Festschrift für Goette, 2011, S. 122). Allerdings sind Abweichungen von dem Kodex in der Entsprechenserklärung nach § 161 AktG aufzuführen. Auf die umstrittene Frage der Auswirkungen einer fehlerhaften Entsprechenserklärung im Zusammenhang mit der wahl von Aufsichtsratsmitgliedern (hierzu: OLG München AG 2009, 294; Hüffer, AktG, 11. Aufl., § 161 Rn. 31; Habersack, Festschrift für Goette, 2011, S. 122 ff.) kommt es hier wegen Präklusion des Anfechtungsgrunds schon nicht an (hierzu unten unter b).Randnummer311

Keine bindenden Wahlvoraussetzungen ergeben sich aus den Empfehlungen der Kommission der Europäischen Gemeinschaften vom 15. Februar 2005 zu den Aufgaben von nicht geschäftsführenden Direktoren/Aufsichtsratsmitgliedern börsennotierter Gesellschaften sowie zu den Ausschüssen des Verwaltungs-/Aufsichtsrats (2005/162/EG). Diese Empfehlungen entfalten für die Gesellschaften keinerlei Bindungswirkung (vgl. MünchKommAktG/Habersack, 4. Aufl., § 100 Rn. 14). Entgegen der Auffassung der Klägerin führte ein Verstoß gegen diese Empfehlungen deshalb auch nicht zur Nichtigkeit des Beschlussvorschlags des Aufsichtsrats und zur Anfechtbarkeit des Wahlbeschlusses.Randnummer312

Wie bereits oben ausgeführt ist jeder Anfechtungsgrund in seinem tatsächlichen Kern bereits in der Klagschrift darzulegen. Ein Nachschieben von Anfechtungsgründen ist nicht zulässig. Zum Kern der Anfechtung der wahl der Aufsichtsräte gehört die Darlegung, aus welchem Grund die wahl anfechtbar sein soll. Wird die Ungeeignetheit der Aufsichtsräte geltend gemacht, gehört zum Kern des Vortrags, aus welchem Grund die Aufsichtsräte ungeeignet sein sollen. Der Anfechtungsgrund „Ungeeignetheit der Aufsichtsräte“ wird nur durch die Angabe des Grundes für die behauptete Ungeeignetheit individualisiert und überhaupt prüfbar. Der Grund der Ungeeignetheit, der zur Anfechtbarkeit führen soll, kann im Laufe des Verfahrens deshalb auch nicht ausgetauscht werden, da hierdurch ein neuer Anfechtungsgrund vorgetragen würde, der präkludiert wäre. Wird die Anfechtung mit einem Interessenkonflikt begründet, gehört zu dem tatsächlichen Kern des Vortrags die Darlegung des konkreten Interessenkonflikts. Soll die Anfechtung mit einer fehlerhaften Entsprechenserklärung begründet werden, ist als Tatsachenkern darzulegen, dass und aus welchem Grund die Entsprechenserklärung fehlerhaft war.Randnummer313

Unter Berücksichtigung der o.g. Grundsätze führt keiner der von der Klägerin vorgebrachten Anfechtungsgründe zu einer erfolgreichen Anfechtung des Wahlbeschlusses.Randnummer314

a. Tätigkeit des Versammlungsleiters Dr. W. X.Randnummer315

Wie bereits ausgeführt war Dr. W. X. rechtmäßiger Versammlungsleiter der Hauptversammlung. Ein Anfechtungsgrund wegen Leitung der Versammlung und Feststellung durch einen unzuständigen Versammlungsleiter scheidet deshalb ebenso aus wie ein Nichtigkeitsgrund.Randnummer316

b. Ungeeignetheit und InteressenskonflikteRandnummer317

Kern des Vortrags in der Klagschrift war die Anfechtbarkeit wegen Ungeeignetheit der Aufsichtsräte, gestützt auf die laufenden Ermittlungsverfahren sowie hinsichtlich Prof. Dr. Y. auf die „…-Äußerung“ sowie auf die Verursachung von Milliardenrisiken und die behauptet unrichtigen Aussagen zu den Kurssicherungsgeschäften sowie der finanziellen Lage der Gesellschaft im Herbst 2008.Randnummer318

Keines dieser Argumente führt zur Anfechtbarkeit des Wahlbeschlusses.Randnummer319

Die laufenden Ermittlungsverfahren gegen die Aufsichtsräte begründen kein Wahlhindernis. Nicht einmal eine Verurteilung hinderte die wahl zum Aufsichtsrat (vgl. MünchKommAktG/Habersack, 4. Aufl., § 100 Rn. 47; Spindler/Stilz/Spindler, AktG, 2. Aufl., § 100 Rn. 36). Auch unter dem Aspekt eines Interessenkonflikts auf Grund laufender Ermittlungen, auf den sich die Klägerin in der Replik sowie der Berufungsbegründung stützt (Replik Rn. 250, 253, Bl. 266 f. und Berufungsbegründung Rn. 560 und 571 ff., Bl. 667 und 669 f.), ergibt sich kein Wahlhindernis. Es kann dahingestellt bleiben, ob ein Interessenkonflikt tatsächlich vorliegt. Wie ausgeführt führt das Vorliegen von Interessenkonflikten nach der bestehenden Gesetzeslage nicht einmal bei dauerhaften Interessenkonflikten zu einem Wahlhindernis, erst recht aber nicht bei punktuellen Interessenkonflikten wie sie laufende Ermittlungen bezüglich eines Teilbereichs der früheren Tätigkeit allenfalls darstellen würden. Bestehende Interessenkonflikte lassen die Bindung des jeweiligen Aufsichtsrats an das Unternehmensinteresse unberührt und können zu Stimmrechtsausschlüssen für die betroffenen Teilbereiche führen, nicht aber zur Unwählbarkeit.Randnummer320

Die …-Äußerung von Prof. Dr. Y. und die hierauf gestützte erfolgreiche Anfechtungsklage gegen die Entlastung des AufsichtsratsBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Entlastung
Entlastung des Aufsichtsrats
für das Geschäftsjahr 2008/2009 begründet ebenfalls kein Wahlhindernis. Weder führt die versagte Entlastung für ein vergangenes Geschäftsjahr noch das damalige pflichtwidrige Verhalten dazu, dass Prof. Dr. Y. nicht mehr wählbar wäre.Randnummer321

Hinsichtlich der angeblich falschen Aussagen zu den Kurssicherungsgeschäften sowie der finanziellen Lage der Gesellschaft im Herbst 2008 wurde bereits im Rahmen der Ausführungen zur Entlastung des Vorstands dargelegt, dass sich aus dem Vorbringen der Klägerin nicht ergibt, dass diese angeblichen Aussagen falsch waren. Auf die dortigen Ausführungen wird verwiesen. Abgesehen davon stellten auch derartige Aussagen, selbst wenn sie unzutreffend gewesen sein sollten, nach obigen Grundsätzen kein Wahlhindernis dar.Randnummer322

Gleiches gilt für die behauptete Verursachung von Milliardenrisiken im Zusammenhang mit den Derivatgeschäften und der behaupteten Marktmanipulation. Abgesehen davon, dass das Bewirken von Milliardenrisiken lediglich behauptet und nicht dargelegt ist und auch ein tatsächlicher Schaden nicht ersichtlich und dargelegt ist, läge auch hierin nach obigen Grundsätzen kein Wahlhindernis.Randnummer323

Die pauschale Aussage in der Klagschrift, die Aufsichtsräte seien auch wegen ihrer persönlichen Betroffenheit ungeeignet, das Amt mit der gebotenen Würde und ausschließlich im Unternehmensinteresse auszuüben (Klagschrift Bl. 33), ist ebenfalls nicht geeignet, eine Anfechtbarkeit des Wahlbeschlusses zu begründen. Ein konkreter im Rahmen der wahl nach obigen Kriterien relevanter Grund für die Anfechtung ergibt sich hieraus nicht.Randnummer324

Der weitere in der Replik vorgebrachte Anfechtungsgrund einer fehlerhaften Entsprechenserklärung wegen fehlenden Hinweises auf ein Abweichen von Ziff. 5.4.1 DCGK und Ziff. 5.5.3 DCGK, daraus folgender Nichtigkeit des Beschlussvorschlags des Aufsichtsrats und daraus resultierender Anfechtbarkeit des Wahlbeschlusses (Replik Rn. 256 ff., Bl. 67 ff; Berufungsbegründung Rn. 353 ff. Bl. 628 ff.), ist bereits präkludiert. Wie ausgeführt gehört zu einer Anfechtung, die sich auf eine fehlerhafte Entsprechenserklärung stützt, die Darlegung, welche Entsprechenserklärung mit welchem Inhalt abgegeben wurde und warum dieser unzutreffend sein soll. Solche Ausführungen finden sich in der Klagschrift nicht. Dort wird vielmehr die Ungeeignetheit der gewählten Aufsichtsratsmitglieder auch auf Grund der strafrechtlichen Ermittlungen als unmittelbarer Anfechtungsgrund angesehen. Eine fehlerhafte Entsprechenserklärung wird dort nicht erwähnt, ebenso wenig wie eine Nichtigkeit des Wahlvorschlags auf Grund fehlerhafter Entsprechenserklärung.Randnummer325

Gleiches gilt auch für den neu in der Berufungsbegründung vorgebrachten Anfechtungsgrund, wonach aus den persönlichen Beziehungen der Aufsichtsräte zu den kontrollierenden Familienaktionären X. und Y. ein nicht nur vorübergehender Interessenkonflikt folge, der dazu führe, dass die Aufsichtsräte schon gar nicht hätten gewählt werden dürfen (Berufungsbegründung Rn. 561 ff., Bl. 668 f.). Der Anfechtungsgrund ist bereits präkludiert, da er in seinem Kern nicht bereits in der Klagschrift geltend gemacht wurde. Abgesehen von der bestehenden Präklusion weist schon die Klägerin selbst zutreffend darauf hin, dass die Unabhängigkeit des Aufsichtsratsmitglieds aktienrechtlich nicht vorausgesetzt ist (Berufungsbegründung Rn. 563, Bl. 668). Ein Anfechtungsgrund ergäbe sich auch bei fehlender Unabhängigkeit nicht.Randnummer326

Nichts anderes gilt, soweit die Klägerin die Anfechtbarkeit auf Grund der persönlichen Beziehung mit einer fehlerhaften Entsprechenserklärung wegen Nichtoffenlegung des Abweichens von Ziff. 5.4.2. S. 2 DCGK begründen wollte. Auch insoweit ist Präklusion eingetreten. Das Vorliegen fehlerhafter Entsprechenserklärungen bzw. nicht nachträglich korrigierter Entsprechenserklärungen im Hinblick auf die persönlichen Beziehungen hat die Klägerin erstmals in der Berufungsbegründung vorgebracht. Auch hier ist das Vorbringen im Übrigen zu pauschal – es ist schon nicht konkret dargelegt, dass dem vorgeschlagenen Aufsichtsrat entgegen Ziff. 5.4.2 S. 1 nicht eine angemessene Anzahl unabhängiger Mitglieder im Sinne dieser Definition angehören.Randnummer327

Auch für den weiteren in der Berufungsbegründung vorgebrachten Anfechtungsgrund wegen eines Interessenkonflikts auf Grund der Beteiligung an der X GmbH, S., gilt dasselbe. Der Interessenkonflikt auf Grund einer Beteiligung an der X GmbH, S., wurde in der Klagschrift nicht als Grund für die Anfechtung des Wahlbeschlusses genannt, sondern erstmals am Rande in der Replik. Der Anfechtungsgrund ist deshalb bereits präkludiert. Abgesehen davon ist schon nicht ersichtlich, warum sich auf Grund der Beteiligung an der X GmbH, S., für die Zukunft Interessenkonflikte ergeben sollten. Darüber hinaus gilt auch hier, dass etwaige Interessenkonflikte die wahl nicht hinderten. Sollte die Klägerin – was aus ihrem Vortrag nicht eindeutig hervorgeht – auch insoweit eine fehlerhafte Entsprechenserklärung mit möglichen Auswirkungen auf den Wahlbeschluss als Anfechtungsgrund ansehen, ergäbe sich auch diesbezüglich eine Präklusion.Randnummer328

4.InformationspflichtverletzungenRandnummer329

Eine Verletzung von Informationspflichten, die zur Anfechtbarkeit eines der angegriffenen Beschlüsse führen würde, scheidet aus. Zu Recht hat das Landgericht die Verletzung von Informationspflichten verneint.

a.Randnummer330

Nach § 131 Abs. 1 S. 1 AktG ist jedem Aktionär auf Verlangen in der Hauptversammlung von dem Vorstand Auskunft über Angelegenheiten der Gesellschaft zu geben, soweit sie zur sachgerechten Beurteilung des Gegenstands der Tagesordnung erforderlich ist. Nach § 243 Abs. 4 S.1 AktG kann wegen unrichtiger, unvollständiger oder verweigerter Erteilung der Information nur angefochten werden, wenn ein objektiv urteilender Aktionär die Erteilung der Information als wesentliche Voraussetzung für die sachgerechte Wahrnehmung seiner Teilnahme- und Mitgliedschaftsrechte angesehen hätte.Randnummer331

Voraussetzung eines Auskunftsrechts der Aktionäre ist somit, dass die Auskunft aus Sicht eines objektiv urteilenden Aktionärs zur Beurteilung des Gegenstands der Tagesordnung erforderlich bzw. die Information in diesem Sinne wesentlich ist. Die Begriffe „erforderlich“ in § 131 Abs. 1 AktG und „wesentlich“ in § 243 Abs. 4 S. 1 AktG sind inhaltsgleich: Auskünfte, die aus der Sicht eines objektiven Durchschnittsaktionärs zur sachgemäßen Beurteilung eines Gegenstands der Tagesordnung nicht erforderlich sind, können aus Sicht eines objektiv urteilenden Aktionärs für die sachgerechte Wahrnehmung seiner Teilnahme- und Mitgliedschaftsrechte bei der Beschlussfassung zu diesem Tagesordnungspunkt nicht wesentlich sein (vgl. OLG Stuttgart, AG 2015, 163, juris Rn. 117; OLG Stuttgart, AG 2011, 73, juris Rn. 524; Würthwein in Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl., § 243 Rn. 251 und Veil in Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl., § 293 g Rn. 8). Soweit im Folgenden der Begriff Erforderlichkeit im Sinne von § 131 Abs. 1 Satz 1 AktG verwendet wird, ist damit zugleich die Wesentlichkeit im Sinne von § 243 Abs. 4 S. 1 AktG angesprochen.Randnummer332

Maßstab für die Erforderlichkeit bzw. Wesentlichkeit einer Auskunft ist die Sicht eines objektiv urteilenden Durchschnittsaktionärs, der die Gesellschaftsverhältnisse nur auf Grund allgemein bekannter Tatsachen kennt und daher die begehrte Auskunft als wesentliches Beurteilungselement benötigt (vgl. BGH WM 2014, 618, juris Rn. 26; BGHZ 160, 385, juris Rn. 9; BGHZ 180, 9 juris Rn. 39; OLG Stuttgart, AG 2015, 163, juris Rn. 118; OLG Stuttgart AG 2011, 73, juris Rn. 510). Hierdurch wird der Auskunftsanspruch des Aktionärs sowohl in quantitativer und qualitativer Hinsicht als auch in Bezug auf seinen Detaillierungsgrad begrenzt (BGH WM 2014, 618, juris Rn. 26; BGHZ 180, 9, juris Rn. 39).Randnummer333

Nicht jede marginale Information ist in diesem Sinne zur Beurteilung eines Beschlussgegenstandes erforderlich. Vielmehr muss somit eine gewisse Maßgeblichkeitsschwelle überschritten sein (vgl. OLG Stuttgart, AG 2015, 163, juris Rn. 119; OLG Stuttgart, AG 2012, 377, juris Rn. 356; OLG Stuttgart, AG 2011, 73, juris Rn. 511; Spindler/Stilz/Siems, AktG, 2. Aufl., § 131 Rn. 28; Bürgers/Körber/Reger, AktG, 2. Aufl., § 131 Rn. 11; MünchKommAktG/Kubis, 34. Aufl., § 131 Rn. 38; ähnlich Großkommentar AktG/Decher, 4. Aufl., § 131 Rn. 144 [„wesentliches Element für die Beurteilung“]; ebenso Schmidt/Lutter/Spindler, AktG, 2. Aufl., § 131 Rn. 30; Spindler/Stilz/Würthwein, AktG, 2. Aufl., § 243 Rn. 250 [Ausscheiden „unerheblicher“ Informationen]). Das Auskunftsrecht des § 131 AktG dient nicht der allgemeinen Kontrolle der Verwaltung durch die Aktionäre, sondern nur der sachgerechten Ausübung der Mitgliedschaftsrechte im Zusammengang mit der konkreten Tagesordnung (vgl. OLG Stuttgart, AG 2015, 163, juris Rn. 119; OLG Stuttgart, AG 2012, 377, juris Rn. 355; Großkommentar AktG/Decher, 4. Aufl., § 131 Rn. 245).Randnummer334

Soweit die Verletzung des Auskunftsrechts wie hier im Rahmen der Anfechtung eines Hauptversammlungsbeschlusses geltend gemacht wird, kann nur die unzureichende Erteilung von Auskünften gerügt werden, die gerade zur sachgemäßen Beurteilung des Gegenstands der Tagesordnung erforderlich waren, zu dem der angefochtene Beschluss gefasst wurde (vgl. OLG Stuttgart, AG 2015, 163, juris Rn. 120; OLG Stuttgart, AG 2011, 73, juris Rn. 507).Randnummer335

Hinsichtlich der Entlastungentscheidung muss sich das Auskunftsbegehren auf Vorgänge von einigem Gewicht richten, die für die Beurteilung der Vertrauenswürdigkeit der Verwaltung von Bedeutung sind (vgl. BGH II ZR 250/02, BGHZ 160, 385, juris Rn. 10; BGH II ZR 48/11, BGHZ 194, 14, juris Rn. 37). Die Organe haben bei der Beschlussfassung über die Entlastung darüber zu entscheiden, ob die Tätigkeit der Organmitglieder im abgelaufenen Geschäftsjahr zu billigen ist, sie in der Unternehmensführung eine „glückliche Hand“ bewiesen haben und ihnen das Vertrauen auch für ihre künftige Tätigkeit auszusprechen ist (BGH II ZB 28/12, BGHZ 198, 354, juris Rn. 39 mwN). Grundsätzlich beschränkt sich das Auskunftsrecht nur auf Vorgänge im Entlastungszeitraum (vgl. OLG Stuttgart, AG 2011, 93, juris Rn. 615; MünchKommAktG/Kubis, 3. Aufl., § 131 Rn. 55; Großkommentar AktG/Decher, 4. Aufl., § 131 Rn. 150). Im Einzelfall kann sich das Auskunftsrecht auch auf Vorgänge außerhalb des Geschäftsjahres, für das Entlastung erteilt wird, erstrecken, wenn diese Geschehnisse in den Entlastungszeitraum hinein fortwirken oder es sich um neue Gesichtspunkte handelt, die einen zurückliegenden Vorgang in einem neuen Licht erscheinen lassen (vgl. BGH II ZR 250/02, BGHZ 160, 385; OLG Stuttgart, AG 2012, 377, juris Rn. 373; OLG Stuttgart, AG 2011, 93, juris Rn. 615 jeweils mwN).Randnummer336

Inhaltlich hat die Auskunft nach § 131 Abs. 2 Satz 1 AktG den Grundsätzen einer gewissenhaften und getreuen Rechenschaft zu entsprechen. Sie muss demnach vollständig und sachlich zutreffend sein (vgl. OLG Stuttgart, AG 2015, 163, juris Rn. 122; OLG Stuttgart, AG 2012, 377, juris Rn. 397 und 405; OLG Stuttgart AG 2011, 73, juris Rn. 606). Ob der Gegenstand der Frage vollständig beantwortet wurde, bestimmt sich nach dem Detaillierungsgrad der Frage, wobei die Antwort umso weniger konkret ausfallen muss je pauschaler die Frage gestellt wird (vgl. OLG Stuttgart, AG 2015, 163, juris Rn. 122; OLG Stuttgart, AG 2012, 377, juris Rn. 400; OLG Stuttgart, AG 2011, 73, juris Rn. 607 m.w.N.). Besteht das Informationsbedürfnis des Aktionärs danach fort, muss er dies durch eine erneute, detailliertere Frage kundtun (vgl. OLG Stuttgart, AG 2015, 163, juris Rn. 122; OLG Stuttgart, AG 2012, 377, juris Rn. 400; OLG Stuttgart, AG 2005, 94, juris Rn. 47; Hüffer, AktG, 11. Aufl., § 131 Rn. 21; Bürgers/Körber/Reger, AktG, 3. Aufl., § 131 Rn. 17; Schmidt/Lutter/Spindler, AktG, 2. Aufl., § 131 Rn. 63).Randnummer337

Der Auskunftsanspruch des Aktionärs wird nur durch eine sachlich zutreffende Auskunft erfüllt (vgl. OLG Stuttgart, AG 2015, 163, juris Rn. 123; OLG Stuttgart, AG 2012, 377, juris Rn. 400; OLG Stuttgart, AG 2011, 73, juris Rn. 527; MünchKommAktG/Kubis, 3. Aufl., § 131 Rn. 73 und 69; Spindler/Stilz/Siems, AktG, 2. Aufl., § 131 Rn. 69). Richtet sich die Frage auf eine subjektive Einschätzung des Vorstands, kann diesem jedoch nicht entgegen gehalten werden, die von ihm dazu erteilte Auskunft sei objektiv falsch (vgl. OLG Stuttgart, AG 2015, 163, juris Rn. 123; OLG Stuttgart, AG 2012, 377, juris Rn. 400; OLG Stuttgart, AG 2011, 73, juris Rn. 571). Kann man über die Richtigkeit einer Aussage geteilter Meinung sein, so genügt der Vorstand seiner Auskunftspflicht im Übrigen grundsätzlich, wenn er die nach seiner Auffassung richtige Auskunft erteilt (OLG Stuttgart, AG 2015, 163, juris Rn. 123; Großkommentar AktG/Decher, 4. Aufl., § 131 Rn. 246).Randnummer338

Die Beantwortung verschiedener inhaltsgleicher oder inhaltsähnlicher Fragen kann auch in einer einzigen umfassenden Antwort zusammengefasst werden (vgl. MünchkommAktG/Kubis, 3. Aufl., § 131 Rn. 80).Randnummer339

Nach allgemeinen Grundsätzen obliegen dem klagenden Aktionär die Darlegung und gegebenenfalls der Beweis sämtlicher Umstände, die die Anfechtbarkeit des Beschlusses begründen. Hierzu gehört grundsätzlich auch die Verletzung einer Informationspflicht, so dass der klagende Aktionär insbesondere die Beweislast für die Erforderlichkeit der Auskunft und grundsätzlich auch für die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der Auskunft trägt (vgl. OLG Stuttgart, AG 2015, 163, juris Rn. 124; Würthwein in Spindler/Stilz, 2. Aufl., § 243 Rn. 264 ff.; Hüffer in Münchener Kommentar AktG, 3. Aufl., § 243 Rn. 144 f.). Im Hinblick auf die größere Sachnähe der Gesellschaft betreffend Sachfragen, die sich in ihrer Sphäre abspielen, können insbesondere in Bezug auf die Unrichtigkeit einer Auskunft die Grundsätze der sekundären Darlegungslast Anwendung finden. Diese entbinden allerdings nicht von der Verpflichtung zu schlüssigem Vortrag, weshalb die Anfechtungskläger ihrer Darlegungslast nicht schon durch schlichte Behauptungen genügen. Statt dessen haben sie zumindest ernsthafte Anhaltspunkte für die von ihnen behauptete Unrichtigkeit einer Auskunft aufzuzeigen (vgl. OLG Stuttgart, AG 2015, 163, juris Rn. 124; Würthwein in Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl., § 243 Rn 265; Hüffer in Münchener Kommentar AktG, 3. Aufl., § 243 Rn. 148).Randnummer340

Wie bereits im Rahmen der Entlastung des Vorstands ausgeführt (II.1.b.bb) ist es erforderlich, dass der konkrete Anfechtungsgrund innerhalb der Monatsfrist wenigstens in seinem tatsächlichen Kern dargelegt ist (vgl. BGH II ZR 230/91, BGHZ 120, 141, juris Rn. 42; BGH II ZR 153/03, ZIP 2005, 706, juris Rn. 17 in Klarstellung zu BGHZ 152, 1 (II ZR 286/01); Hüffer/Koch, AktG, 11. Aufl., § 246 Rn. 26; Spindler/Stilz/Dörr, AktG, 2. Aufl., § 246 Rn. 19 f.; Bürgers/Körber/Göz, AktG, 3. Aufl., § 246 Rn. 13). Die Anfechtung eines Hauptversammlungsbeschlusses wegen Informationspflichtverletzungen setzt dem entsprechend die konkrete Angabe der angeblich in der Hauptversammlung nicht beantworteten Fragen innerhalb der Frist des § 246 Abs. 1 AktG voraus (vgl. BGH AG 2009, 285, Leitsatz 6 und Rn. 34; OLG Stuttgart 20 AktG 1/14, AG 2015, 163, juris Rn. 159). Wird die Unrichtigkeit einer erteilten Antwort gerügt, muss auch die Antwort, die der Anfechtungskläger für unrichtig hält, vor Ablauf der Anfechtungsfrist vorgetragen werden (vgl. OLG Stuttgart, AG 2015, 163, juris Rn. 159; OLG Stuttgart, AG 2011, 93, juris Rn. 633; OLG Düsseldorf, AG 2013, 264, juris Rn. 73).

b.Randnummer341

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze liegt keine Auskunftspflichtverletzung vor, die zur Anfechtung einer der angefochtenen Beschlüsse berechtigen würde.Randnummer342

Hinsichtlich der einzelnen Fragen gilt folgendes (Nummerierung nach Bezifferung in der Klage):Randnummer343

Frage 2 (Frage-und Antwortblatt Nr. 5.3, B 5)Randnummer344

Die Beantwortung der FrageRandnummer345

„Wie viele Milliarden haben von Ihnen und den Dr. Y`s kontrollierte Gesellschaften durch die Derivatezockereien in den Jahren 2008 und 2009 gemacht?“Randnummer346

mitRandnummer347

„Herr Dr. W. fragt, wie viele Milliarden von Ihnen, Herr Dr. X., und von den Y`s kontrollierte Gesellschaften durch die Derivate gemacht wurden. Die Aktienderivatgeschäfte haben ausweislich der Jahresabschlüsse der X SE für die Geschäftsjahre 2005/2006 bis 2008/2009 einen positiven Ergebnisbeitrag in Höhe von rund EUR 8,2 Mrd. generiert, und zwar nach allen mit diesen verbundenen Kosten und Aufwendungen und unter Berücksichtigung des im Geschäftsjahr 2008/2009 angefallenen Abwertungsaufwands.“Randnummer348

begründet kein Anfechtungsrecht der Klägerin.Randnummer349

Soweit die Klägerin rügt, die Beklagte habe nur das Gesamtergebnis aus den Jahren 2005 bis 2008/2009 genannt und nicht wie gefragt das separate Ergebnis für das Jahr 2008/2009 ist dies zwar zutreffend. Eine anfechtungsbegründende Informationspflichtverletzung liegt dennoch nicht vor. Es ist weder ersichtlich noch vorgetragen, warum das Einzelergebnis aus den Derivatgeschäften in dem Geschäftsjahr 2008/2009 für einen objektiv urteilenden Aktionär für die Beurteilung der Entlastung der Aufsichtsräte oder der Vorstände betreffend das Geschäftsjahr 2012 oder für die wahl der Aufsichtsräte am 30.04.2013 relevant sein sollte. In der Berufung geht die Klägerin auf diesen Aspekt auch nicht mehr ein.Randnummer350

Soweit die Klägerin auch in der Berufungsinstanz weiterhin rügt, dass nur die Gewinne der Beklagten genannt wurden, während Gewinne von sonstigen von den Familien X. und Y. kontrollierten Gesellschaften, insbesondere der X GmbH, S., verschwiegen wurden, ist dies insoweit zutreffend, als keine Gewinne anderer Gesellschaften genannt wurden. Allerdings bestand insoweit schon kein Auskunftsrecht. Dieses besteht nur für Angelegenheiten der Gesellschaft (§ 131 Abs. 1 Satz 1 AktG). Hierzu gehören auch die rechtlichen und geschäftlichen Beziehungen der Gesellschaft zu einem verbundenen Unternehmen (§ 131 Abs. 1 S. 2 AktG, vgl. Hüffer, AktG, 11. Aufl., § 131 Rn. 16). Keine Angelegenheiten der Gesellschaft sind aber Gewinne von nicht verbundenen Unternehmen, auch wenn diese aus einer vergleichbaren Beteiligung an einem dritten Unternehmen entstanden sein sollten und sogar dann, wenn die Beteiligung bzw. die Derivatgeschäfte zwischen der Beklagten und diesen Gesellschaften abgesprochen worden sein sollten. Die Beklagte ist grundsätzlich weder in der Lage, zu Gewinnen nicht verbundener Gesellschaften aus bestimmten Geschäften Auskunft zu erteilen, noch muss und kann sie insoweit Erkundungen einholen. Dem steht die Argumentation der Klägerin nicht entgegen, wonach die Beklagte dann, wenn sie eine andere Gesellschaft dazu auffordere, mit ihr gemeinsam zu handeln, auch über diese Handlungen auskunftspflichtig sei (Replik Rn. 300, Bl. 276). Die Klägerin verlangt mit Frage 2 nicht Auskunft über die Handlungen der Beklagten, sondern über die Gewinne der fremden Gesellschaft aus den Derivatgeschäften, die nicht durch eine abgesprochene Beteiligung zu Angelegenheiten der Beklagten würden. Nichts anderes gilt für die Begründung der Klägerin für ein Auskunftsrecht, dass die Beklagte in Abstimmung mit der X GmbH, S., den Kurs der Z-Stammaktien seit 2005 manipuliert habe (Replik Rn. 298, Bl. 275). Abgesehen davon, dass dies eine lediglich pauschale, nicht belegte Behauptung der Klägerin ist, würden die Gewinne der X GmbH, S., auch hierdurch nicht zu Angelegenheiten der Beklagten.Randnummer351

Ein Auskunftsrecht ergibt sich auch nicht auf Grund der persönlichen Beteiligung der Aufsichtsräte an der X GmbH, S.. Auch auf Grund der persönlichen Beteiligung der Aufsichtsräte an einer anderen Gesellschaft werden deren Gewinne nicht grundsätzlich zu Angelegenheiten der Gesellschaft, über die sie Auskunft zu erteilen hätte.Randnummer352

Die Auskunft über die Gewinne der X GmbH, S., aus den Derivatgeschäften in den Jahren 2008/2009 war im Übrigen auch nicht erforderlich für die Beurteilung der angefochtenen Beschlussgegenstände. Weder war die Höhe der Gewinne der X GmbH, S., aus diesen Jahren für die Beurteilung der Vertrauenswürdigkeit der zu entlastenden Aufsichtsräte bei der Entscheidung über die Entlastung für das Geschäftsjahr 2012 wesentlich noch für die Beurteilung der Eignung bei der Entscheidung über die wahl der Aufsichtsräte. Unabhängig von der Frage, ob die engen Voraussetzungen, unter denen auch Vorgänge aus der Vergangenheit Gegenstand des Auskunftsbegehrens sein können, vorliegen, war jedenfalls entgegen der Auffassung der Klägerin aus Sicht eines objektiv urteilenden Aktionärs die Kenntnis der Gewinne der X GmbH, S., aus Derivatgeschäften in den Jahren 2008 und 2009 keine wesentliche Voraussetzung für die sachgerechte Entscheidung über die Entlastung des AufsichtsratsBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Entlastung
Entlastung des Aufsichtsrats
für das Jahr 2012 und die wahl der Aufsichtsräte. Die Höhe der Gewinne aus dem Jahr 2008/2009 hat keinen Bezug zu den Handlungen des Aufsichtsrats in dem Geschäftsjahr 2012 sowie zu der künftigen Tätigkeit des Aufsichtsrats. Eine Relevanz der Höhe der Gewinne der X GmbH, S., im Jahr 2008/2009 für die Entscheidung über die Entlastung der Aufsichtsräte für das Geschäftsjahr 2012 und die wahl ist nicht ersichtlich.Randnummer353

Ohne Erfolg beruft sich die Klägerin dagegen auf die Gefahr von Interessenkollisionen durch die Beteiligung an der X GmbH, S., die auf Grund der fortbestehenden Beteiligung fortwirke (Berufungsbegründung Rn. 595 f., Bl. 675; Replik Rn. 296, Bl. 275). Zum einen ist nicht ersichtlich, warum eine noch bestehende Beteiligung der Aufsichtsräte an der X GmbH, S. wegen deren Beteiligung an Z zu einem für die Entlastung und wahl der Aufsichtsräte relevanten Interessenkonflikt führen sollte. Zum anderen ist in Frage 2 nicht nach der (fortbestehenden) Beteiligung an der X GmbH, S., gefragt, sondern nach den Gewinnen aus dem Jahr 2008/2009, also einem in der Vergangenheit liegenden Sachverhalt, dessen Relevanz für die angefochtenen Beschlussgegenstände weder ersichtlich noch vorgetragen ist.Randnummer354

Frage 3: (Frage- und Antwortblatt Nr. 5.5, 5.9 und 10.6)Randnummer355

Als Frage 3 sind von der Klägerin mehrere Fragen zusammengefasst, die nach ihrer Auffassung wie folgt gestellt worden sein sollen:Randnummer356

„Wie kann es sein, dass X in den Jahren 2007 und 2008 angeblich weit mehr Gewinne mit dem Zocken in Derivate gemacht hat als mit dem Verkauf von Automobilen? Von wem stammen diese Gewinne, welche Marktteilnehmer wurden geschädigt? Wurden die Milliardengewinne durch marktmanipulatives Verhalten erwirtschaftet? Oder hatten Sie, Herr Dr. X., jenes Glück, das anderen Marktteilnehmern schon statistisch verwehrt bleibt? (Klagschrift Seite 40 und Replik Rn. 304, Bl. 276)“Randnummer357

Die Beklagte geht von einer in Nuancen anderen Fragestellung aus und hat die Fragen in mehrere Blöcke unterteilt beantwortet, wie sie sich aus dem Frage- und Antwortblatt unter Frage 5.5 und Frage 5.9 sowie Frage 10.6 ergibt (B 5). Inhaltlich ergibt sich hieraus kein wesentlicher Unterschied. Bei der von der Beklagten für zutreffend gehaltenen Fragestellung ist insbesondere ausdrücklich der Bezug der Frage nach den erzielten Gewinnen und der Schädigung anderer Marktteilnehmer zu den Jahren 2007 und 2008 enthalten, was die Beklagte auch für den relevanten Unterschied hält (Klagerwiderung Rn. 336, Bl. 140). Auch aus der Fragestellung, wie sie die Klägerin für zutreffend hält, ergibt sich dieser Bezug aber hinreichend deutlich: Die Verbindung der Frage nach den Gewinnen und der Schädigung der Marktteilnehmer mit der ersten Frage zur den Gewinnen aus dem „Zocken“ in den Jahren 2007 und 2008 durch die Formulierung „diese Gewinne“ in der zweiten Frage ergibt bei Auslegung nach dem objektiven Empfängerhorizont (§§ 133, 157 BGB, vgl. MünchKommAktG/Kubis, 3. Aufl., § 131 Rn. 28; Spindler/Stilz/Siems, AktG, 2. Aufl., § 131 Rn. 20), dass Gewinne und Schädigungen aus diesen Jahren gemeint waren. In der Sache ergibt sich also trotz unterschiedlicher Formulierung kein inhaltlicher Unterschied zwischen den von den Parteien für zutreffend gehaltenen genauen Formulierungen der Fragen.Randnummer358

Eine Auskunftspflichtverletzung ist nicht in anfechtungsbegründender Weise dargetan.Randnummer359

In der Klagschrift hat die Klägerin insoweit lediglich dargelegt, die Beklagte habe sinngemäß geantwortet, dass ihr nicht bekannt sei, ob überhaupt und welche Marktteilnehmer geschädigt wurden. Diese Auskunft sei falsch und die Frage nach den Milliardengewinnen durch marktmanipulatives Verhalten sowie dem „Glück“ der X./Y.`s somit nicht ordnungsgemäß beantwortet (Klagschrift S. 40, Bl. 40).Randnummer360

Dargelegt und von der Klägerin als unzutreffend gerügt ist damit lediglich der Teilbereich der Antworten, der sich auf die Frage nach der Schädigung anderer Marktteilnehmer bezieht. Die Antwort auf die von der Klägerin unter Frage 3 zusammengefassten Fragen war aber ausweislich des Frage- und Antwortblattes zu Fragen 5.5, 5.9 und 10.6 erheblich ausführlicher und ging nicht nur auf die Frage der Schädigung anderer Marktteilnehmer ein. Da die Klägerin lediglich die Antwort auf die Frage zu der Schädigung anderer Marktteilnehmer dargelegt hat, ist hinsichtlich der anderen unter Ziff. 3 zusammengefassten Fragen bereits Präklusion nach § 246 Abs. 1 AktG eingetreten.Randnummer361

Hinsichtlich der in der Klagschrift als unrichtig gerügten Antwort auf die Frage nach der Schädigung anderer Marktteilnehmer besteht kein Anfechtungsgrund, weil die Klägerin nicht dargelegt und bewiesen hat, dass die Antwort unzutreffend war. Die Beklagte hat mit ihrer Antwort (Frage- und Antwortblatt Frage 5.9, Bl 5) ihre Sicht zu den erhobenen Schadensersatzklagen dargestellt und die Verantwortlichkeit der Beklagten für die geltend gemachten Schäden zurückgewiesen. Damit hat die Beklagte die Frage hinreichend beantwortet. Dass diese Antwort objektiv falsch war, also tatsächlich der Beklagten zurechenbare Schäden entstanden waren und als solche der Beklagten auch bekannt waren, ist nicht dargetan. Die Tatsache, dass Klagen in erheblicher Höhe gegen die Beklagte erhoben wurden, besagt entgegen der Auffassung der Klägerin nicht, dass die dortigen Kläger tatsächlich geschädigt wurden, sondern belegt nur, dass sie sich geschädigt fühlen. Insofern ist die Behauptung der Klägerin, die Geschädigten stünden fest (Klagschrift Bl. 40), falsch und führt nicht zur Unrichtigkeit der Antwort der Beklagten.Randnummer362

Erst in der Replik und damit nach obigen Grundsätzen verspätet trägt die Klägerin vor, unzutreffend sei die Antwort auf die Frage nach dem „Glück in den Entscheidungen“ gewesen, wonach es sich um Kurssicherungsgeschäfte und nicht um Spekulationsgeschäfte gehandelt habe (Replik Rn. 309, Bl. 277). Abgesehen von der bestehenden Präklusion diesbezüglich gilt auch insoweit, dass die Verwendung des Begriffs „Kurssicherungsgeschäft“ nicht vorwerfbar ist und damit auch keine unrichtige Antwort darstellt (hierzu oben unter II.1.b.cc (2.2.1)).Randnummer363

Soweit die Klägerin die Unrichtigkeit der Antwort auf die unter Ziff. 3 zusammengefassten Fragen daraus herleitet, dass entgegen der Antwort der Beklagten tatsächlich eine Marktmanipulation vorgelegen habe (Replik Rn. 311 ff., bl. 278 f.), ist auch dies nach obigen Grundsätzen präkludiert. Zudem gilt auch insoweit, dass die Klägerin das Vorliegen einer Marktmanipulation – wie bereits an mehreren Stellen ausgeführt (vgl. I.2; II.1.b.cc (4); II.1.b.dd (3); II.2.d) – nicht dargelegt und bewiesen, sondern nur unter Verweis auf die laufenden Strafverfahren behauptet hat. Soweit die Klägerin in der Replik im Zusammenhang mit Frage 3 eine Marktmanipulation auf Grund des Erwerbs von Z-Aktien bzw. Kaufoptionen in 2005 getroffener Absprache mit der X GmbH, S., behauptet (Replik Rn. 312 ff., Bl. 278), ist im Übrigen schon nicht nachvollziehbar, wie hierin eine Marktmanipulation liegen soll. Der Erwerb von Z-Optionen oder Aktien an sich ist auch nicht Grund der laufenden Ermittlungsverfahren.Randnummer364

Die Behauptung in der Replik, die Antwort auf die unter Frage 3 zusammengefassten Fragen sei deshalb falsch, weil die Beklagte über den Interessenkonflikt der Organe auf Grund der Strafverfahren hätte aufklären müssen (Replik Rn. 315, Bl. 279), ist abwegig. Um das Bestehen von Interessenkonflikten ging es bei keiner dieser Fragen.Randnummer365

In der Berufung stützt sich die Klägerin hinsichtlich der unter Frage 3 zusammengefassten Fragen nur noch darauf, dass die Frage, ob die Milliardengewinne durch marktmanipulatives Verhalten erwirtschaftet wurde, unzutreffend damit beantwortet worden sei, dass es sich bei den Kurssicherungsgeschäften nicht um Spekulationsgeschäfte handele (Rn. 599 ff., Bl. 676). Wie ausgeführt ist diese Antwort auf diese Frage in der Klagschrift nicht dargestellt und als unzutreffend gerügt worden, so dass insoweit Präklusion vorliegt. Abgesehen davon gilt auch insoweit, dass die Verwendung des Begriffes Kurssicherungsgeschäft nicht vorwerfbar ist. Auf die obigen Ausführungen hierzu wird verwiesen. Ohne Substanz ist auch die Behauptung, die Beklagte habe unterschlagen, dass sie auf Grund parallel begebener Put-Optionen zur Abnahme der Z-Aktien verpflichtet gewesen sei, wie das Landgericht Stuttgart in dem Kreditbetrugsverfahren gegen den früheren Vorstand H. festgestellt habe (Berufungsbegründung Rn. 605, Bl. 677). Weder ist ersichtlich, dass das Landgericht Stuttgart eine derartige Feststellung über eine Verpflichtung zur Abnahme der Z-Aktien getroffen hätten, noch ersetzte der Verweis auf Feststellungen im Strafprozess Tatsachenvortrag noch ist der Vortrag schlüssig, nachdem unstreitig alle Optionen auf Barausgleich gerichtet waren.Randnummer366

Soweit die Klägerin weiter meint, die Unrichtigkeit der Antwort ergebe sich daraus, dass die Gewinne tatsächlich auf Marktmanipulation beruhten, und es lägen jahrelange Verstöße gegen Veröffentlichungspflichten nach § 15 a WpHG vor, gilt das oben Gesagte zur fehlenden Darlegung und fehlendem Nachweis der Marktmanipulation. Weder ist eine Marktmanipulation dargelegt und bewiesen noch ein Verstoß gegen Veröffentlichungspflichten.Randnummer367

Frage 4 (Frage- und Antwortblatt Nr. 5.4)Randnummer368

Die Beantwortung der FrageRandnummer369

„Wie kann es sein, dass – glaubt man den Worten des Herrn Professor Dr. Y. – hier Risiken im Spiel waren, von denen sich noch nicht einmal ein Mitglied des Aufsichtsrats wie Sie, Herr Professor Dr. Y., ein Bild machen konnte?“Randnummer370

mit der unter Frage 5.4 des Frage- und Antwortblattes dargelegten Antwort begründet kein Anfechtungsrecht der Klägerin.Randnummer371

Dies gilt schon deshalb, weil die Klägerin in der Klage lediglich vorgetragen hat, dass die Beklagte diese Frage überhaupt nicht beantwortet habe (Klagschrift Bl. 41). Dieser Vortrag war offensichtlich unzutreffend – unstreitig hat die Beklagte auf die Frage die in dem Frage- und Antwortblatt unter Frage 5.4 enthaltene Antwort gegeben. Die Klägerin stützt sich bereits in der Replik und auch in der Berufungsbegründung dem entsprechend auch darauf, dass die Antwort unrichtig bzw. unvollständig war. Zum Kern einer Anfechtung wegen unrichtig oder unvollständig erteilter Antwort gehört aber wie oben ausgeführt, dass die unrichtige oder unvollständige Antwort vorgetragen wird. Da dies innerhalb der Anfechtungsfrist nicht geschehen ist, ist die Klägerin mit diesem Vortrag bereits präkludiert.Randnummer372

Abgesehen davon ist schon nicht ersichtlich und dargetan, warum die Auskunft für die Entscheidung über die Entlastung und Wiederwahl der Aufsichtsräte für einen objektiv urteilenden Durchschnittsaktionär erforderlich gewesen sein sollte. Die Frage bezieht sich auf das Risiko von Geschäften im Geschäftsjahr 2008/2009 sowie die damalige „…-Äußerung“ von Prof. Dr. Y.. Für die Entlastung des AufsichtsratsBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Entlastung
Entlastung des Aufsichtsrats
im Geschäftsjahr 2012 sowie die Wiederwahl des Aufsichtsrats haben diese damalige Äußerung sowie deren Hintergründe wie ausgeführt keine Bedeutung, insbesondere hinderte diese Äußerung weder eine Entlastung im Jahr 2012 noch eine Wiederwahl. Warum die Auskunft hierüber für einen objektiv urteilenden Aktionär für seine eigene Entscheidungsfindung dennoch wesentlich sein sollte, ist nicht dargetan und ersichtlich.Randnummer373

Auch die in der Berufungsinstanz neu vorgebrachte Argumentation, wonach die Auskunft erforderlich gewesen sei für die Prüfung, ob der Vorstand die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegenüber Aufsichtsratsmitgliedern, insbesondere gegenüber Prof. Dr. Y. Unterlassen hat und ihm deshalb Entlastung zu verweigern ist, begründet keine Anfechtbarkeit. Zum einen hat die Klägerin im Hinblick auf die Entlastung des Vorstands den Anfechtungsgrund „Falschbeantwortung von Frage 4“ nicht in der Klagschrift und damit innerhalb der Frist des § 246 Abs. 1 AktG erhoben, sondern sich nur auf die Entlastung und wahl der Aufsichtsräte bezogen. Zum anderen lagen bereits die weiteren Voraussetzungen für einen Schadensersatzanspruch gegen Prof. Dr. Y. offensichtlich nicht vor, weil kein konkreter Schaden ersichtlich war, so dass für einen objektiv urteilenden Aktionär die Frage unterlassener Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen Prof. Dr. Y. keine wesentliche Bedeutung hatte.Randnummer374

Letztlich ist die von der Beklagten erteilte Antwort auch ausreichend. Aus der Auskunft der Beklagten ergibt sich, dass nach ihrer Auffassung der Aufsichtsrat über die Derivatgeschäfte hinreichend informiert war und die Risiken für vertretbar hielt. Damit ist die Frage, wie es sein könne, dass sich nicht einmal ein Aufsichtsratsmitglied wie Prof. Dr. Y. ein Bild habe machen können, dahingehend beantwortet, dass der Aufsichtsrat – also auch Prof. Dr. Y. – sich ein Bild gemacht habe und die Risiken bewertet und für vertretbar gehalten hat. Dass diese Auskunft falsch ist, ist nicht dargetan. Insbesondere ergibt sich dies nicht aus dem Urteil des OLG Stuttgart vom 29.02.2012 (Az. 20 U 3/11, AG 2012, 298). Das OLG Stuttgart hat in dieser Entscheidung ausdrücklich erklärt, dass die Äußerungen zur Vertretbarkeit der Risiken keine Aussagen enthielten (juris Rn. 183), und offen gelassen, ob Prof. Dr. Y. tatsächlich die Risiken nicht einschätzen konnte oder es sich um eine pointierte Meinungsäußerung gehandelt hat. Ist die letzte Alternative zutreffend, stimmte dies mit der Auskunft der Beklagten auf Frage 4 überein. Dass dann nach Einschätzung des OLG Stuttgart in obigem Verfahren eine Kreditgefährdung vorlag, ändert nichts daran, dass die Auskunft auf Frage 4 zutreffend wäre. Welche Alternative letztlich zutreffend ist, ist nach wie vor ungeklärt. Eine unrichtige Antwort auf Frage 4, die ein Anfechtungsrecht begründen könnte, ist damit jedenfalls nicht bewiesen.Randnummer375

Auch aus der Pressemitteilung der Beklagten vom 4.3.2012 (B 9) ergibt sich kein Widerspruch zu der Antwort der Beklagten. Aus der Pressemitteilung ergibt sich entgegen der Auffassung der Klägerin nicht, dass Prof. Dr. Y. die Risiken für unvertretbar gehalten hat, vielmehr ergibt sich daraus nur, dass er das verfolgte Konzept nicht mehr für richtig gehalten habe und deshalb die Optionen – und die damit verbundenen Risiken – nicht mehr aufrecht erhalten wollte. Dies lässt sich mit der Antwort auf Frage 4, dass der Aufsichtsrat die Risiken für vertretbar gehalten habe, ohne Widerspruch vereinbaren.Randnummer376

Frage 5 (Frage- und Antwortblatt Nr. 5.7)Randnummer377

Die Beantwortung der FrageRandnummer378

„Sie wussten doch damals nicht einmal wie Sie den ein paar Monate später auslaufenden Kreditvertrag über 10 Milliarden Euro refinanzieren sollten. Welche Aufsichtsratsbeschlüsse liegen zu diesem Thema vor?“Randnummer379

mit der unter Frage 5.7 des Frage- und Antwortblattes (B 5) dargelegten Antwort – der Aufsichtsrat habe über den angesprochenen Zeitraum die für die Maßnahmen erforderlichen Beschlüsse gefasst – begründet ebenfalls kein Anfechtungsrecht der Klägerin.Randnummer380

Zwar ist zutreffend, dass diese Antwort unkonkret ist und die gefassten Beschlüsse nicht aufführt. Ein Anfechtungsrecht ergibt sich hieraus aber nicht.Randnummer381

Innerhalb der Anfechtungsfrist geltend gemacht ist ein Anfechtungsgrund gestützt auf die unzureichende Beantwortung von Frage 5 nur bezüglich der Entlastung und Wiederwahl der Aufsichtsräte (Klagschrift Bl. 41, ebenso Replik Rn. 338, Bl. 286). Warum die Beschlussfassung des Aufsichtsrats zu der im Geschäftsjahr 2008/2009 erforderlichen und erfolgten Refinanzierung eines Kreditvertrags über 10 Milliarden Euro für die Entscheidung über die Entlastung des AufsichtsratsBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Entlastung
Entlastung des Aufsichtsrats
im Jahr 2012 und dessen (Wieder-) wahl für einen objektiv urteilenden Aktionär erforderlich sein sollte, ist nicht ersichtlich und auch nicht vorgetragen. Allein die Behauptung ersetzt einen Tatsachenvortrag nicht. Warum sich aus einer fehlenden Beschlussfassung des Aufsichtsrats zur Refinanzierung des auflaufenden Kreditvertrags der Verdacht ergeben soll, dass der Aufsichtsrat im eigennützigen Interesse, insbesondere auf Grund von Spekulationen in Aktien der Z AG, den weiteren – finanziell tatsächlich nicht abgesicherten – Erwerb von Aktien der Z AG gebilligt habe und hierzu falsche Angaben in Kreditverträgen durch die Mitglieder des Vorstands der Beklagten sowie Manipulationen des Börsenkurses der Z AG in Kauf genommen habe (Replik Rn. 338, Bl. 286 f.), ist nicht nachvollziehbar. Weder aus der Kenntnis, dass über die Refinanzierung des Kredits Beschlüsse gefasst worden sind noch dass keine Beschlüsse gefasst worden sind, lassen sich derartige Schlüsse ziehen. Das von der Klägerin behauptete Ziel ihrer Frage, nämlich die Feststellung von Interessenkonflikten der Aufsichtsräte, lässt sich nicht mit der Frage nach Beschlüssen des Aufsichtsrats zur Refinanzierung des Kredits im Jahr 2009 in Einklang bringen. Keine Aussage ergibt sich entgegen der Auffassung der Klägerin (Berufungsbegründung Rn. 649, Bl. 687) aus einer Beschlussfassung über die Kreditverlängerung auch dafür, ob die Aufsichtsräte für die Zukunft geeignet waren zur Kontrolle des Vorstands. Für einen objektiv urteilenden Aktionär war die Kenntnis, ob und welche Aufsichtsratsbeschlüsse im Jahr 2009 über die Refinanzierung des Kredits gefasst worden waren, unerheblich für seine Entscheidung über die Entlastung und die wahl des Aufsichtsrats.Randnummer382

Soweit die Klägerin in der Berufungsbegründung erstmals darauf abstellt, dass die Beantwortung der Frage zur Beurteilung der Entlastung des Vorstands erforderlich war (Berufungsbegründung Rn. 649, Bl. 684), ist bereits Präklusion eingetreten. Die Klägerin hat die Anfechtung der Entlastung des Vorstands nicht auf die unzutreffende Beantwortung von Frage 5 gestützt. Abgesehen davon waren auch insoweit die begehrten Auskünfte nicht erforderlich zur Beurteilung der Entlastung des Vorstands für das Geschäftsjahr 2012. Dass die Kenntnis von Beschlüssen über die Refinanzierung des Kredits für die Frage einer Schadensersatzpflicht von Aufsichtsräten eine Rolle spielen würde, ist jedenfalls nicht ohne weiteres erkennbar und auch nicht dargelegt. Weder ist diesbezüglich pflichtwidriges Handeln des damaligen Vorstands ersichtlich, noch inwieweit die Aufsichtsräte ihrer Überwachungspflicht nicht nachgekommen sein sollen noch ist ein Schaden hieraus erkennbar. Vor diesem Hintergrund war die Information über Beschlüsse des Aufsichtsrats zur Kreditrefinanzierung für einen objektiv urteilenden Aktionär nicht wesentlich zur Beurteilung der Entlastung des Vorstands im Jahr 2012.Randnummer383

Frage 6: (Frage- und Antwortblatt Nr. 5.2)Randnummer384

Kein Anfechtungsgrund ergibt sich auch im Hinblick auf die folgende Frage 6:Randnummer385

„Jedenfalls haben Sie es trotz dieser Milliardengewinne, die Sie nach dem 26.Oktober 2008 vereinnahmt haben, nicht geschafft, auch nur die bereits bestehenden Verbindlichkeiten in den Griff zu bekommen. Welcher ordentliche und pflichtbewusste Kaufmann verkündet denn solche Maßnahmen ohne auch nur im Ansatz die finanziellen Möglichkeiten dafür zu haben? Welche Beschlüsse des Aufsichtsrats liegen zu diesem Thema denn vor, Herr Dr. X.?“Randnummer386

Die Beklagte hat hierauf die in dem Frage- und Antwortblatt unter Frage 5.2 aufgeführte Antwort gegeben.Randnummer387

In der Berufungsbegründung erwähnt die Klägerin Frage 6 zwar noch in der Überschrift (Bl. 682), geht aber inhaltlich auf die unzureichende Beantwortung von Frage 6 als Anfechtungsgrund nicht ein, so dass davon auszugehen ist, dass sie sich gegen die Zurückweisung dieses Anfechtungsgrundes durch das Landgericht nicht wendet.Randnummer388

Jedenfalls aber erfolgte die Zurückweisung durch das Landgericht zu Recht. Ein Anfechtungsgrund wegen unzureichender Beantwortung von Frage 6 besteht nicht.Randnummer389

In der Klagschrift hat die Klägerin nur gerügt, die Frage sei unbeantwortet geblieben. Dies ist angesichts der unstreitigen Antwort laut Frage- und Antwortblatt zu Frage 5.2. offensichtlich falsch. Aus einer Nichtbeantwortung ergibt sich somit kein Anfechtungsgrund.Randnummer390

Die Klägerin berief sich schon in der Replik und auch in der Berufungsbegründung dem entsprechend auch nicht mehr auf eine Nichtbeantwortung, sondern auf eine ungenügende Beantwortung, ohne allerdings differenziert und von Frage 5 abtrennbar darzulegen, warum die Antwort auf diese Frage erforderlich gewesen sein soll. Mit dem Anfechtungsgrund „unzureichende oder unzutreffende Beantwortung von Frage 6“ ist die Klägerin jedenfalls präkludiert, da sie diese nicht bereits in der Klagschrift unter Angabe der ungenügenden Antwort gerügt hat. Die Rüge der Nichtbeantwortung einer Frage ist etwas anderes als die Rüge der unzureichenden Beantwortung dieser Frage.Randnummer391

Abgesehen davon ist die Erforderlichkeit der Auskunft für einen objektiv urteilenden Aktionär für die Entscheidung über die Entlastung von Aufsichtsrat und Vorstand sowie die Wiederwahl des Aufsichtsrats nicht dargelegt und nicht ersichtlich. Die Argumentation der Klägerin zur Erforderlichkeit der Auskunft in Replik und Berufungsbegründung bezieht sich nur auf die Auskunft über die Refinanzierung des Kredits, also Frage 5 (vgl. Replik Rn. 338, Bl. 287; Berufungsbegründung ab Rn. 634 ff). Wie bereits zu Frage 5 ausgeführt, überzeugt dieses Vorbringen nicht. Vielmehr ist auch hinsichtlich der unter Frage 6 verlangten Auskunft nicht ersichtlich, dass diese für einen objektiv urteilenden Aktionär wesentlich zur Beurteilung der Entscheidungen über die Entlastungen und die wahl gewesen wäre. Es ging auch bei Frage 6 um Vorgänge aus dem Jahr 2008/2009, die deutlich vor dem Entlastungszeitraum liegen. Schadensersatzansprüche aus dem damaligen Verhalten sind schon wegen des nicht erkennbaren Schadens nicht naheliegend und damit eine Wesentlichkeit der Auskunft für einen objektiv urteilenden Aktionär nicht erkennbar.Randnummer392

Frage 7Randnummer393

Die Nichtbeantwortung der FrageRandnummer394

„Liegt der wahre Grund für die Pflichtverletzung des Herrn Prof. Dr. Y. vielleicht darin, dass ihm dies noch lieber ist als Beihilfe zu einer Marktmanipulation, mit der er sich Milliarden an Gewinnen ergaunert hat?“Randnummer395

begründet keinen Anfechtungsgrund für die Klägerin.Randnummer396

Es handelt sich hierbei nach dem objektiven Empfängerhorizont nicht um eine Frage, die von der Beklagten zu beantworten war, sondern um eine rhetorische Frage im Rahmen der Rede des Vorstands der Klägerin auf der Hauptversammlung. Eine sinnvoll zu beantwortende Frage, die ein Auskunftsbegehren beinhaltet, war hierin nicht zu erkennen. Wie die Klägerin ausführt war mit der in dieser Frage angesprochenen Pflichtverletzung die …äußerung gemeint. Der Senat hat in seiner Entscheidung vom 29.02.2012 (20 U 3/11, AG 2012, 298) hierin eine Pflichtverletzung gesehen, weil entweder Prof. Dr. Y. tatsächlich die Risiken nicht einschätzen konnte oder es sich um eine pointierte Meinungsäußerung handelte, die die Kreditfähigkeit gefährdete. In keiner Variante stellt diese Pflichtverletzung eine Alternative zur einer Beihilfe zur Marktmanipulation dar, vielmehr handelt es sich um einen anderen Sachverhalt. Die Beihilfe zur Marktmanipulation, wegen der ermittelt wird, bezieht sich auf nach Auffassung der Staatsanwaltschaft unzutreffende Äußerungen dazu, dass der Erwerb der Beteiligung von 75 % geplant war. Die Herstellung eines Zusammenhangs zwischen diesen beiden verschiedenen Sachverhalten ist nicht nachvollziehbar und lässt eine sinnvolle Antwort hierauf nicht zu. Die Erklärung der Klägerin, sie habe mit der Frage wissen wollen, ob die Annahme des OLG Stuttgart zutreffend sei, dass Prof. Dr. Y. schwere Pflichtverletzungen zu Last zu legen sind oder ob der Vorwurf einer informationsgestützten Marktmanipulation zutrifft (Replik Rn. 348, Bl. 288), lässt sich mit der Fragestellung nicht in Einklang bringen. Die Klägerin hat nicht gefragt, ob eine Pflichtverletzung oder eine Beihilfe vorlag. Sie hat gefragt, ob der wahre Grund der Pflichtverletzung darin liegt, dass ihm diese lieber ist als eine Beihilfe. Im Hinblick darauf, dass die Sachverhalte nicht im Sinne eines Alternativverhältnisses miteinander verknüpft sind, ist die Frage schon nicht verständlich. Der Grund für die Pflichtverletzung kann nicht darin liegen, dass ihm diese lieber ist als eine Beihilfe. Die Fragestellung suggeriert, dass die Pflichtverletzung durch die …äußerung deshalb begangen wurde, um sich nicht dem Verdacht der Beihilfe zur Marktmanipulation auszusetzen. Auch dies ergibt aber keinen Sinn, weil durch die …äußerung eine Beihilfe zur Marktmanipulation, wie sie den Aufsichtsräten vorgeworden wird, nicht revidiert würde. Es ist auch nicht erkennbar, dass die Klägerin sich widersprechende Auffassungen – OLG Stuttgart zur …äußerung und Staatsanwaltschaft Stuttgart zur Beihilfe – wiedergegeben habe und Auskunft darüber verlangt habe, welche Annahme zutreffe (so Replik Rn. 348, Bl. 288). Zum einen widersprechen sich die Auffassungen nicht, vielmehr sind sie unabhängig voneinander, zum anderen hat die Klägerin nicht gefragt, welche Auffassung zutrifft, sondern was Prof. Dr. Y. lieber ist.Randnummer397

Nachdem das angebliche Ziel der Frage mit der Fragestellung nicht in Einklang zu bringen ist und diese auch im Übrigen keinen Sinn ergibt, kann hierin nach dem objektiven Empfängerhorizont nur ein pointiertes und polemisches Statement gesehen werden, auf das seitens der Beklagten nicht geantwortet werden muss. Ein wirkliches Auskunftsbegehren ist hierin nicht enthalten.Randnummer398

Nur ergänzend ist auch insoweit darauf hinzuweisen, dass die Erforderlichkeit einer Auskunft über das damalige Verhalten von Prof. Dr. Y. für die Entscheidung über die Entlastung des AufsichtsratsBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Entlastung
Entlastung des Aufsichtsrats
und die Wiederwahl nicht dargetan ist.Randnummer399

Fragen 8 und 9: (Frage- und Antwortblatt Nr. 5.8 und 10.8 sowie 5.11)Randnummer400

Die Beantwortung der FrageRandnummer401

„Herr Dr. X., haben Sie denn die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat damals ebenso ausführlich informiert wie Herrn Dr. Y.? Hatten diese Klarheit über das, was Sie hier veranstaltet haben? Welche Informationen wurden wann gegeben?“Randnummer402

mit der unter Frage 5.8 und Frage 10.8. in dem Frage- und Antwortblatt B 5 dargelegten Antwort begründet kein Anfechtungsrecht der Klägerin.Randnummer403

Gleiches gilt für die Beantwortung der FrageRandnummer404

„Waren diese Mitglieder des Gremiums denn in der Lage, jene Vorgänge zu verstehen, über die sich Herr Professor Dr. Y. angeblich keine Klarheit verschaffen konnte? Oder wurden diese einfach am Altar der Mehrung des Familienvermögens geopfert?“Randnummer405

mit der unter Frage 5.11 in dem Frage- und Antwortblatt B 5 dargelegten Antwort.Randnummer406

Innerhalb der Anfechtungsfrist geltend gemacht ist ein Anfechtungsgrund gestützt auf die unzureichende Beantwortung von Fragen 8 und 9 nur bezüglich der Entlastung und Wiederwahl der Aufsichtsräte (Klagschrift Bl. 42 und 43). Es ist schon nicht ersichtlich und dargetan, weshalb die begehrte Auskunft für die Entscheidung über die Entlastung des AufsichtsratsBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Entlastung
Entlastung des Aufsichtsrats
für das Geschäftsjahr 2012 sowie die wahl des Aufsichtsrats erforderlich sein sollte.Randnummer407

Die Klägerin erklärt hierzu, es sei ihr darum gegangen, zu erfahren, ob die Arbeitnehmervertreter auch Kenntnis von dem Interessenkonflikt der Anteilseignervertreter auf Grund der Beteiligung an der X GmbH, S., und deren Erwerb von Derivaten und Aktien an Z gehabt hätten, weil diese ansonsten die Risiken der Derivatgeschäfte nicht vollständig hätten beurteilen können (Replik Rn. 354 ff, Bl. 289 f.). Aus der Fragestellung ergibt sich nicht, dass gerade dieses Detail für die Klägerin von Interesse war, vielmehr sind die Fragen pauschal gestellt und konnten damit auch pauschal beantwortet werden. Bei einer pauschal gestellten Frage und einer dem entsprechend pauschalen Antwort muss die Klägerin durch eine Nachfrage deutlich machen, dass ihr Informationsinteresse auf bestimmte Detailauskünfte gerichtet ist (vgl. BGH II ZB 28/12, BGHZ 198, 354, juris Rn. 44).Randnummer408

Es ist zudem nicht ersichtlich, warum diese Kenntnis für die Risikoabschätzung entscheidend gewesen sein sollte. Soweit die Klägerin darauf abstellt, dass ohne die Offenlegung eine „vertrauensvolle Zusammenarbeit im Aufsichtsrat“ nicht möglich war (Berufungsbegründung Rn. 672, Bl. 689), ist dies für die Risikoeinschätzung hinsichtlich der Derivate nicht von Bedeutung. Abgesehen davon ergibt sich nicht, warum die Information darüber, ob die Arbeitnehmervertreter im Jahr 2008/2009 über die Beteiligung an der X GmbH, S., und deren Beteiligung an Z informiert gewesen sind, für die Entlastung für das Geschäftsjahr 2012 eine Rolle spielen sollte. Selbst wenn diese ohne Kenntnis dieser Umstände tatsächlich die Risiken der Derivatgeschäfte nicht hätten abschätzen können – was die Klägerin zwar behauptet, aber wie ausgeführt nicht nachvollziehbar ist -, hätte darin schon im damaligen Geschäftsjahr kein Grund für eine Entlastungsverweigerung der Arbeitnehmervertreter gelegen, schon weil dies keine ihnen vorwerfbare Pflichtverletzung begründete. Wären ihnen tatsächlich erhebliche Umstände bewusst vorenthalten worden, könnte ihnen nicht vorgeworfen werden, diese Umstände nicht berücksichtigt zu haben. Erst recht ist dies für die Entscheidung über die Entlastung im Geschäftsjahr 2012 irrelevant und damit für einen objektiv urteilenden Aktionär nicht wesentlich.Randnummer409

Eine Wesentlichkeit der begehrten Auskunft lässt sich entgegen der Auffassung der Klägerin auch nicht daraus ableiten, dass bei einer unterlassenen Risikobeurteilung eine Haftung der Arbeitnehmervertreter bestehe und diese deshalb einem Interessenkonflikt unterworfen sein könnten, der sich aus der Abwehr derartiger Schadensersatzansprüche ergebe (Berufungsbegründung Rn. 674, Bl. 689 f.). Das Bestehen eines Schadensersatzanspruchs gegen die Arbeitnehmervertreter war schon mangels erkennbaren Schadens im Zeitpunkt der Entscheidung über die Entlastung so wenig naheliegend, dass ein objektiv urteilender Aktionär diesen Aspekt nicht in seine Überlegungen zur Entlastung einbezogen hätte. Selbst bei bestehendem Schadensersatzanspruch bestünde im Übrigen kein Grund zur Entlastungsverweigerung. Auch nur entfernte Anhaltspunkte dafür, dass im Entlastungszeitraum eine Pflichtverletzung durch die Arbeitnehmervertreter auf Grund eines Interessenkonflikts wegen möglicher Schadensersatzansprüche gegen sie begangen worden sein könnten, sind nicht ersichtlich. Diese Frage war deshalb für einen objektiv urteilenden Aktionär für seine Entscheidung über die Entlastung des AufsichtsratsBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Entlastung
Entlastung des Aufsichtsrats
für das Geschäftsjahr nicht wesentlich.Randnummer410

Nicht zutreffend ist die Auffassung der Klägerin, die Beantwortung der Fragen sei erforderlich gewesen, um beurteilen zu können, ob den Mitgliedern des Aufsichtsrats wegen Nichtoffenlegung von Interessenkonflikten die Entlastung zu versagen war (Berufungsbegründung Rn. 671, Bl. 144). Schon das Vorliegen eines Interessenkonflikts der Anteilseignervertreter wegen der Beteiligung an der X GmbH, S., und deren Beteiligung an Z ist nicht dargetan und ersichtlich. Weder ist eine gesellschaftsrechtliche Verflechtung der Beklagten und der X GmbH, S., vorgetragen noch eine sonstige Geschäftsbeziehung, die zu einem Interessenkonflikt der Aufsichtsräte führen könnte. Die nach dem Vortrag der Klägerin sogar abgesprochene Beteiligung beider Gesellschaften an Z führt nicht zu gegenläufigen interessen, vielmehr gerade zu übereinstimmenden interessen dieser Gesellschaften. Woraus sich für die Aufsichtsräte in dieser Konstellation die konkrete Gefahr einer Kollision zwischen ihren Eigeninteressen und denen der Beklagten ergeben soll, vermag der Senat nicht nachzuvollziehen. Dies gilt bereits für das Geschäftsjahr 2008/2009, in dem die von der Klägerin angegriffenen Transaktionen bezüglich Z erfolgten, dies gilt aber erst recht für den streitgegenständlichen Entlastungszeitraum. Gegenläufige Sonderinteressen der Aufsichtsräte aus der Beteiligung an der X GmbH, S., mit den Unternehmensinteressen der Beklagten, die einen konkreten Interessenkonflikt für die Aufsichtsratstätigkeit im Entlastungszeitraum oder für die Zukunft bewirken könnten, sind weder dargetan noch ersichtlich.Randnummer411

Zudem war nach dem Bestehen von Interessenkonflikten und deren Offenlegung in den Fragen 8 und 9 nicht gefragt. Wie bereits ausgeführt ergab sich aus der Fragestellung schon nicht, dass die Klägerin über diese Fragen angeblich erfahren wollte, ob die Arbeitnehmervertreter von der Beteiligung an der X GmbH, S., und deren Derivate- und Aktiengeschäften Kenntnis hatten. Erst recht hat die erfragte Informationsgrundlage der Arbeitnehmervertreter für die Beurteilung der Risiken der Derivatgeschäfte mit einer Entlastungsverweigerung wegen Nichtoffenlegung von Interessenkonflikten im Geschäftsjahr 2012 nichts zu tun.Randnummer412

Soweit die Klägerin sich darauf beruft, dass die Arbeitnehmervertreter „aus dem Zweck des Selbstschutzes auf Grund der auch gegen sie eingeleiteten strafrechtlichen Ermittlungen“ einem Interessenkonflikt unterliegen würden, der sich auf die Beurteilung von deren Entlastung auswirke (Replik Rn. 357, Bl. 290; ebenso Berufungsbegründung Rn. 675, Bl. 690), hat dies mit Frage 8 und 9 schon nichts zu tun. Die Antwort auf Fragen 8 und 9 war nicht erforderlich, um beurteilen zu können, ob ein Interessenkonflikt auf Grund der strafrechtlichen Ermittlungen besteht. Mit den Risiken aus den Derivaten stehen die strafrechtlichen Ermittlungen nicht im Zusammenhang.Randnummer413

Hinsichtlich der wahl der Aufsichtsräte sind die Fragen 8 und 9 und die Information der Arbeitnehmervertreter schon deshalb irrelevant, weil diese nicht von der Hauptversammlung gewählt werden und wurden.Randnummer414

Soweit die Klägerin in der Berufungsbegründung erstmals darauf abstellt, dass die Beantwortung der Fragen zur Beurteilung der Entlastung des Vorstands erforderlich war (Berufungsbegründung Rn. 671, Bl. 688), ist bereits Präklusion eingetreten. Die Klägerin hat die Anfechtung der Entlastung des Vorstands nicht auf die unzutreffende Beantwortung von Fragen 8 und 9 gestützt. Abgesehen davon waren auch insoweit die begehrten Auskünfte nicht erforderlich zur Beurteilung der Entlastung des Vorstands für das Geschäftsjahr 2012. Die Antwort auf diese Fragen war entgegen der Auffassung der Klägerin auch nicht zur Einschätzung, ob der Vorstand es pflichtwidrig Unterlassen hat, Schadensersatzansprüche gegen die Arbeitnehmervertreter geltend zu machen, wesentlich. Weder bei aus Sicht der Klägerin hinreichender noch bei unzureichender Information wäre ein Schadensersatzanspruch gegen die Arbeitnehmervertreter so naheliegend, dass ein objektiv urteilender Aktionär diese Frage für die Prüfung der Entlastung überhaupt berücksichtigt, geschweige denn für wesentlich gehalten hätte.Randnummer415

Letztlich sind die in der Berufungsbegründung noch aufgeführten Gründe, warum die Antworten unzureichend gewesen sein soll, auch nicht tragfähig. Das Vorbringen, die Antworten ließen schon nicht erkennen, ob die Arbeitnehmervertreter Kontakt zum Vorstand gehabt hätten (Berufungsbegründung Rn. 669, Bl. 688; so auch Replik Rn. 352, Bl. 289), begründet die Unvollständigkeit der Antworten nicht. Nach einem Kontakt der Arbeitnehmervertreter zu dem Vorstand war schon nicht gefragt worden. Hätte die Klägerin eine Antwort auf dieses konkrete Detail gewünscht, hätte sie dies auch konkret nachfragen müssen. Die Frage, ob die Arbeitnehmervertreter ebenso informiert waren, wie die Anteilseignervertreter, hat die Beklagte dagegen beantwortet, indem sie mitteilte, dass den Arbeitnehmervertretern die von dem Vorstand erteilten Informationen ebenso zur Verfügung standen (Antwort auf Frage 10.8., Frage- und Antwortblatt B 5).Randnummer416

Fragen 10 (Frage- und Antwortblatt Nr. 5.14)Randnummer417

Die Beantwortung der FrageRandnummer418

„Meine unabhängigen Herren vom Aufsichtsrat, sagen Sie uns doch bitte, was haben Sie getan, was hat die Gesellschaft getan, um X vor den Risiken aus den Milliarden-Derivatezockereien der X.`s und Dr. Y.`s zu bewahren?“Randnummer419

mit der unter Ziff. 5.14 des Frage- und Antwortblatts genannten Antwort begründet kein Anfechtungsrecht der Klägerin.Randnummer420

Die Frage unterstellt, dass die Familien X. und Dr. Y. „Derivate-Zockereien“ begangen haben, vor denen die Beklagte zu bewahren gewesen wäre. Dies ist die Auffassung der Klägerin, die – wie ihr bekannt ist und war – von der Beklagten nicht geteilt wird. Dem entsprechend war die Frage für die Beklagte nicht sinnvoll zu beantworten. Die Beklagte muss sich nicht die Unterstellungen der Klägerin zu eigen machen, um eine Antwort geben zu können.Randnummer421

Im Übrigen begründet die Klägerin weder, warum die dennoch gegebene Antwort entsprechend Ziff. 5.14 unzureichend gewesen sein sollte noch warum eine weitergehende Antwort für einen objektiv urteilenden Aktionär zur Entscheidung über die Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat für das Geschäftsjahr 2012 sowie die wahl wesentlich sein sollte. Die Klägerin fasst ihre Begründung für eine Anfechtung dieser Beschlüsse für die Informationspflichtverletzung betreffend Frage 10 und 11 sowohl in der Berufungsbegründung als auch in der Replik zusammen und stützt ihre Argumentation auf die fehlende Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen wegen möglicher Kreditgefährdung gegen den früheren Vorstand H., wegen Marktmanipulation gegenüber den früheren Vorständen und den Aufsichtsräten sowie die fehlende Geltendmachung von Rückzahlungsansprüchen bezüglich von Abfindungen und Boni sowie von Zahlungen an Gutachter und Berater (Berufungsbegründung Rn. 676 ff., Bl. 690 ff.; Replik Rn. 358 ff., Bl. 290). Diese behaupteten Ansprüche stehen mit der in Frage 10 begehrten Auskunft über Maßnahmen zur Verhinderung der Risiken aus „Derivate-Zockereien“ in keinem Zusammenhang.Randnummer422

Frage 11 (Frage- und Antwortblatt Nr. 5.14 und 10.12)Randnummer423

Die Beantwortung der FrageRandnummer424

„Was haben Sie und der Vorstand auch im abgelaufenen Jahr unternommen, um den Schaden von den Verantwortlichen W., H., W. X., O. X., F. Dr. Y. und den teuren Beratern ersetzt zu bekommen?“Randnummer425

mit der in dem Frage- und Antwortblatt unter Frage 5.14 sowie – auf Nachfrage – unter Ziff. 10.12 aufgeführten Antwort begründet kein Anfechtungsrecht der Klägerin.Randnummer426

Die Frage ist ausreichend beantwortet mit der Auskunft, dass die Beklagte keine Ansprüche für gegeben hält und deshalb auch kein Anlass zur Verfolgung von Ansprüchen sieht. Damit ist klargestellt, dass die Beklagte nichts getan hat, um die von der Klägerin behaupteten Ansprüche zu verfolgen. Die Tatsache, dass die Klägerin die Auffassung der Beklagten für falsch und Ansprüche für gegeben hält, begründet nicht die Unrichtigkeit der Antwort der Beklagten. Es ist deshalb für die Frage einer Auskunftspflichtverletzung unerheblich, ob – wie die Klägerin meint – die Beklagte verkannt habe, dass gegen den früheren Vorstand H. wegen möglicher Gefährdung der Kreditwürdigkeit Ansprüche bestehen (Replik Rn. 362, Bl. 291) oder ob sie die Ansprüche betreffend Prof. Dr. Y. zu Unrecht als abhängig von den gegen die Gesellschaft erhobenen Ansprüchen ansieht (Berufungsbegründung Rn. 695, Bl. 694). Der Antwort konnte jedenfalls entnommen werden, dass keinerlei Schadensersatzansprüche geltend gemacht worden sind. Die Frage, was die Beklagte zur Verfolgung von Ansprüchen getan habe, ist mit „nichts“ demnach zutreffend beantwortet.Randnummer427

Die unzutreffende Beantwortung der weiteren unter Frage 5.14 aufgeführten Frage nach der Rückforderung von Boni und Abfindungszahlungen hat die Klägerin schon nicht gerügt, so dass ihre diesbezüglichen Ausführungen in der Replik (Rn. 363 f., Bl. 291) und der Berufungsbegründung (Rn. 689, 693, Bl. 692 f.) schon deshalb unerheblich sind. Auch insoweit gilt im Übrigen, dass die Beklagte die Frage hinreichend beantwortete, indem sie erklärte, die Ansprüche nicht für gegeben zu halten und somit auch nichts unternommen zu haben. Dass die Klägerin dies für falsch und Ansprüche für gegeben hält, ändert nichts daran, dass die Frage zutreffend beantwortet ist.Randnummer428

Frage 12 (Frage- und Antwortblatt Nr. 5.13)Randnummer429

Die Beantwortung der FrageRandnummer430

„Nennen Sie bitte die Gesellschaften, an denen Mitglieder des Aufsichtsrats direkt oder indirekt beteiligt waren oder sind, für die die X SE nach den Regeln des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes wegen Acting in concert bzw. nach allgemeinen deliktischen Regeln gesamtschuldnerisch haftet bzw. deren Verhalten der X SE zugerechnet wird. Nennen Sie bitte insbesondere solche Gesellschaften, welche in die abgestimmten Derivategeschäfte eingebunden waren. Ich bitte um vollständige Beantwortung, verweise auf § 400 AktG und werde bei Nichtbeantwortung den Herrn Notar um Protokollierung der Auskunftsverweigerung bitten.“Randnummer431

mit der unter Frage 5.13 des Frage- und Antwortblatts aufgeführten Antwort begründet kein Anfechtungsrecht der Klägerin.Randnummer432

Die Rüge der Klägerin, die Beklagte habe nicht auf die Angebotsunterlage zu dem im Jahr 2007 abgegebenen Pflichtangebot verweisen dürfen (Replik Rn. 370 ff., Berufungsbegründung Rn. 701 ff., Bl. 695), führt schon deshalb nicht zum Erfolg, weil weder erkennbar noch vorgetragen ist, warum nähere Kenntnisse zu den bei diesem Angebot mit der Beklagten gemeinsam handelnden Personen oder sonstige Informationen aus den Angebotsunterlagen, die sich auf die Frage 12 beziehen, für einen objektiv urteilenden Aktionär zur Beurteilung der angefochtenen Tagesordnungspunkte relevant sein sollten.Randnummer433

Ohne Erfolg macht die Klägerin weiter geltend, dass auf Frage 12 hin über die Beteiligung von Aufsichtsräten an der X GmbH, S., hätte Auskunft erteilt werden müssen (Berufungsbegründung Rn. 708, Bl. 696; Replik Rn. 372 ff., Bl. 293 f.).Randnummer434

Die Klägerin hatte nach einer „Haftung nach den Regeln des WpÜG wegen acting in concert“ gefragt. Ein acting in concert, das nach dem WpÜG zu einer Zurechnung von Stimmrechten mit den möglichen Folgen einer Angebotspflicht nach § 35 WpÜG oder einer Haftung nach § 38 WpÜG führt, liegt nach § 30 Abs. 2 WpÜG nur bei einem abgestimmten Verhalten vor. Nach der bis zu dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Begrenzung der mit Finanzinvestitionen verbundenen Risiken (Risikobegrenzungsgesetz) vom 12.08.2008 (BGBl. I 2008 Nr. 36, S.1666) mit Wirkung ab 19.08.2008 geltenden Fassung des § 30 Abs. 2 WpÜG setzte ein abgestimmtes Verhalten eine Verständigung über die Ausübung von Stimmrechten in der Hauptversammlung voraus (vgl. BGH II ZR 137/05, BGHZ 169, 98, juris Rn. 17). Die erweiterte Neufassung lässt auch ein Zusammenwirken in sonstiger Weise mit dem Ziel einer dauerhaften oder erheblichen Änderung der unternehmerischen Ausrichtung genügen. Dass diese Voraussetzungen für die X GmbH, S., vorlagen, die Beklagte also verpflichtet war, auf die Frage nach einer Zurechnung nach den Regeln des WpÜG wegen acting in concert, über die X GmbH, S., und deren Beteiligung an Z zu berichten, ist nicht ersichtlich. Selbst wenn die X GmbH, S., dem Vortrag der Klägerin entsprechend in Absprache mit der Beklagten Derivate und Aktien an Z gekauft haben sollte, läge allein darin weder nach der alten Fassung noch nach der neuen Fassung des WpÜG ein acting in concert im Sinne des WpÜG. Eine bloße Abstimmung bei dem Erwerb der Aktien genügte für die Annahme eines abgestimmten Verhaltens bis zum Inkrafttreten des Risikobegrenzungsgesetzes nicht und genügt auch nach der Neufassung nicht. Von der im ursprünglichen Gesetzesentwurf vorgesehenen Erweiterung der Vorschrift auch auf den Erwerb von Aktien hat der Gesetzgeber im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens ausdrücklich Abstand genommen mit der Begründung, dass nur ein Verhalten zu einer Zurechnung führen solle, das eine Abstimmung in Bezug auf den Emittenten bzw. die Zielgesellschaft beinhalte. Dies sei bei einem bloßen ggf. auch gemeinsam erfolgenden Aktienerwerb nicht zwangsläufig der Fall (vgl. BT-Drucks. 763/07, S. 11 und BT-Drucks. 16/9821, S. 11).Randnummer435

Für eine gesamtschuldnerische Haftung der Beklagten mit der X GmbH, S., aus Deliktsrecht, ist ebenfalls nichts ersichtlich. Es ist schon nicht klar, auf was für eine Haftung aus welchem Anlass sich dies beziehen soll. Wie die Beklagte für Handlungen der X GmbH, S., im Zusammenhang mit dem Derivate- oder Aktienaufbau gesamtschuldnerisch deliktisch haften soll, ist nicht erkennbar, so dass die Auskunft der Beklagten, sie sehe keine Anhaltspunkte für eine gesamtschuldnerische Haftung der Beklagten mit anderen Gesellschaften, nicht nachgewiesenermaßen falsch ist. Auch für eine Zurechnung von Verhalten der X GmbH, S., zu der Beklagten ist nichts ersichtlich, zumal die Klägerin nicht einmal schildert, was für ein Verhalten zugerechnet werden soll.Randnummer436

Die Beantwortung der Teilfrage nach Gesellschaften, die in die abgestimmten Derivatgeschäfte eingebunden waren, ist ebenfalls nicht deshalb falsch, weil die Beklagte die X GmbH, S., nicht erwähnt hat. Der Teil der Frage ist aus sich heraus nicht verständlich. Es bleibt unklar, was die Klägerin mit „Einbindung in die abgestimmten Derivatgeschäfte“ meint. Die Beklagte hat ausweislich ihrer Antwort die Frage offensichtlich so verstanden, dass die Klägerin nach den in die von der Beklagten getätigten Derivatgeschäfte einbezogenen Gesellschaften gefragt hat. Dieses Verständnis ist jedenfalls nachvollziehbar und die gegebene Antwort – Tätigung der Geschäfte mit der Bank und keine Dritten als Vertragspartner – bei diesem Verständnis der Frage schlüssig. Dass die Klägerin dagegen wissen wollte, ob andere Gesellschaften ebenfalls und mit der Beklagten abgesprochen Derivatgeschäfte tätigten, ergibt sich aus der Fragestellung nicht zwingend. Es ist nicht naheliegend, die eigenständige Durchführung von Derivatgeschäften durch eine unabhängige Gesellschaft unter „Einbindung in die abgestimmten Derivatgeschäfte“ zu subsumieren, selbst wenn die Tätigung von Derivatgeschäften auf Anregung der Beklagten erfolgt sein sollte. Es hätte der Klägerin angesichts des aus Sicht der Klägerin vorliegenden offensichtlichen Fehlverständnisses ihrer unklaren Fragestellung oblegen, durch Klarstellung und erneute Nachfrage auf dieses Missverständnis hinzuweisen (vgl. Bürgers/Körber/Reger, AktG, 3. Aufl., § 131 Rn. 6; Hüffer, AktG, 11. Aufl., § 131 R. 35 a bei offenkundigem Missverständnis; OLG Frankfurt 21 W 33/11, AG 2013, 302, juris Rn. 42 und 44). Da sie dies nicht getan hat, kann sie sich nicht in der Anfechtungsklage darauf berufen, ihre Frage sei nicht beantwortet worden.Randnummer437

Im Übrigen ist auch insoweit die Erforderlichkeit der Auskunft nicht ersichtlich und ergibt sich auch aus dem Vortrag der Klägerin nicht. Nicht zutreffend ist die Auffassung der Klägerin, die Beantwortung der Fragen sei für die Entscheidung über die Entlastung der Aufsichtsräte und deren wahl erforderlich gewesen, um den Interessenkonflikt erkennen zu können (Replik Rn. 377 f., Bl. 294) bzw. um zu entscheiden, ob wegen Nichtoffenlegung von Interessenkonflikten die Entlastung zu versagen war (Berufungsbegründung Rn. 709, Bl. 696). Wie bereits mehrfach ausgeführt, ist schon das Vorliegen eines in das Geschäftsjahr 2012 und in die Zukunft reichenden Interessenkonflikts der Anteilseignervertreter wegen der Beteiligung an der X GmbH, S., und deren Beteiligung an Z nicht dargetan und ersichtlich.

III.Randnummer438

Dem Antrag der Klägerin, das Verfahren bis zur Entscheidung über die Strafverfahren gegen die früheren Vorstände Dr. W. und H. sowie über die Strafverfahren gegen die Aufsichtsräte wegen Beihilfe zur Marktmanipulation sowie über die gegen die Beklagte eingeleiteten Ordnungswidrigkeitenverfahren auszusetzen, war nicht statt zu geben. Das Ergebnis der Strafverfahren und des Ordnungswidrigkeitenverfahrens hat auf den Ausgang dieses Anfechtungsverfahrens keinen Einfluss. Wie bereits ausgeführt dient das Anfechtungsverfahren nicht der Aufklärung der Vorgänge im Geschäftsjahr 2008/2009, die Gegenstand der Strafverfahren sind. Ob die dort untersuchten StraftatenMarktmanipulation durch unzutreffende Information über die Absichten zur Beteiligungsaufstockung im Zeitraum März bis Oktober 2008 – tatsächlich begangen wurden, ist für die Frage der Entlastungen sowie der wahl der Aufsichtsräte schon deshalb nicht relevant, weil es auf die Perspektive der Hauptversammlung ankommt, deren Beschlüsse angefochten werden. Erst nach der Hauptversammlung bekannt gewordene Erkenntnisse können die Anfechtbarkeit der Entscheidung der Hauptversammlung nicht begründen.Randnummer439

Auch auf die Anfechtung wegen Informationspflichtverletzungen hat die Entscheidung in den Strafverfahren keinen Einfluss. Wie im Einzelnen zu den Fragen ausgeführt, scheitert die Anfechtung jeweils aus anderen Gründen als aus denen, dass nicht geklärt ist, ob eine Marktmanipulation tatsächlich vorlag. Selbst für die Frage, ob andere Marktteilnehmer durch die behauptete Marktmanipulation geschädigt wurden, spielen die Erkenntnisse aus dem Strafverfahren nach zutreffender Auffassung des OLG Stuttgart (Urteil vom 26.03.2015, 2 U 102/14) keine Rolle, erst recht damit auch nicht für die hiermit im Zusammenhang stehende Frage Nr. 3 nach geschädigten Marktteilnehmern.Randnummer440

Jedenfalls hat eine Aussetzung in der Regel zu unterbleiben, wenn hierdurch mit einer Verzögerung von mehr als einem Jahr zu rechnen ist (Zöller/Greger, ZPO, 30. Aufl., § 149 Rn. 2; OLG BrandenburgBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG Brandenburg
, 12 W 62/09, NJW-RR 2010, 787, juris Rn. 9). Mit einem Abschluss der Strafverfahren innerhalb eines Jahres ist hier nicht zu rechnen. Die Verfahren gegen die ehemaligen Vorstände Dr. W. und H. sind zwar eröffnet, die Hauptverhandlung hat aber noch nicht begonnen. Die Verfahren gegen die Aufsichtsräte befinden sich noch im Stadium der Ermittlungen der Staatsanwaltschaft. Eine Abwägung der Verzögerung des Zivilprozesses gegen den zu erwartenden Erkenntnisgewinn für die hier zu entscheidenden Fragen führt zu einer Ablehnung der Aussetzung.

IV.Randnummer441

Aus dem nicht nachgelassenen Schriftsatz der Klägerin vom 30.06.2015 ergibt sich kein Grund zur Wiedereröffnung der Verhandlung nach § 156 ZPO.Randnummer442

Soweit in diesem Schriftsatz neuer Tatsachenvortrag enthalten ist, ist dieser schon nicht entscheidungserheblich.Randnummer443

Dies gilt insbesondere für den neuen Vortrag, wonach die M. Bank von der Beklagten im Oktober 2008 per E-Mail Nachschüsse verlangt habe, welche deren Liquiditätspolster vollständig aufgezehrt hätten. Die geltend gemachten Anfechtungsgründe werden hierdurch nicht begründet. Insbesondere führt der Vortrag nicht dazu, dass die Anfechtung wegen falscher Aussagen zu den Derivaten oder zu der existenzgefährdenden Lage der Gesellschaft entgegen den obigen Ausführungen hierzu begründet wäre. Schon an der dargelegten mangelnden Substantiierung des Anfechtungsgrundes ändert sich hierdurch nichts. Darüber hinaus ist auch der neue Vortrag nicht geeignet, um das Vorliegen eines schweren und eindeutigen Pflichtverstoßes auf Grund der Bezeichnung der Derivatgeschäfte als Kurssicherungsgeschäfte sowie der Aussagen zu den existenzgefährdenden Risiken zu begründen. Zum einen ersetzt das Zitat aus Presseartikeln einen substantiierten Vortrag im Zivilprozess nicht. Zum anderen ergibt sich auch hieraus weder, dass die Bezeichnung als Kurssicherungsgeschäft als pflichtwidrig anzusehen ist, noch, dass tatsächlich eine existenzbedrohende Lage der Beklagten gegeben war. Letztlich scheitert eine Anfechtung zudem an der fehlenden Kenntnis der Hauptversammlung. Dass die neu von der Klägerin vorgetragenen Erkenntnisse der Hauptversammlung bekannt gewesen sind, ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Auch an der Unbegründetheit der sonstigen Anfechtungsgründe ändert der neue Vortrag nichts.Randnummer444

Hinsichtlich des neuen Vortrags der Klägerin zu der weiteren Anklageerhebung der Staatsanwaltschaft Stuttgart vom 22.06.2015 gilt nichts anderes. An der Unbegründetheit der geltend gemachten Anfechtungsgründe für die streitgegenständlichen Beschlüsse entsprechend den obigen Ausführungen ändert sich hierdurch nichts.

C.Randnummer445

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.Randnummer446

Die Revision ist nicht zuzulassen. Revisionszulassungsgründe im Sinne von § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Die Entscheidung stimmt mit der gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und der Oberlandesgerichte überein und setzt diese fort. Entgegen der Auffassung der Klägerin entsprechen auch die angewandten rechtlichen Grundsätze zur Anfechtbarkeit von Entlastungsbeschlüssen denen des Bundesgerichtshofs; insbesondere liegt keine Divergenz zu den von der Klägerin genannten Entscheidungen des Bundesgerichtshofs vom 14.05.2013 (II ZR 196/12) und vom 10.07.2012 (II ZR 48/11) vor. Auch eine Divergenz zu den von der Klägerin aufgeführten Entscheidungen anderer Oberlandesgerichte (insbesondere OLG Köln 18 U 21/12; OLG DüsseldorfBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG Düsseldorf
I-26 W 14/14 (AktE); OLG Zweibrücken 4 U 7/10) besteht nicht.Randnummer447

Der Streitwert wurde entsprechend dem Streitwert der ersten Instanz auf 125.000 Euro festgesetzt.

Löffler I www.K1.de I www.gesellschaftsrechtskanzlei.com I Gesellschaftsrecht I Hauptversammlung Versammlungsleiter I Abwahl VersammlungsleiterBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Abwahl Versammlungsleiter
Versammlungsleiter
I Erfurt I Thüringen I Sachsen I Sachsen-Anhalt I Hessen I Deutschland 2022

Schlagworte: Abwahl Versammlungsleiter, Aktienrecht, Anfechtungsklage im Sinne der §§ 243 ff AktG, Hauptversammlung, Hauptversammlungsbeschluss, Versammlungsleiter

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OLG Stuttgart, Beschluss vom 03.02.2015 – 8 W 49/15

Dienstag, 3. Februar 2015

§ 2 Abs 2 GmbHG, § 9c Abs 1 S 1 GmbHG, § 11 Abs 2 GmbHG, § 141 S 1 BGB, § 180 S 1 BGB

1. Bei der Gründung einer Einmann-GmbH ist das Handeln eines Vertreters ohne Vertretungsmacht bzw. ohne formgültige Bevollmächtigung nach § 180 S. 1 BGB unwirksam. Eine nachträgliche Genehmigung der Gründungserklärung scheidet aus, weswegen die Erklärung nichtig ist.

2. Die Nichtigkeit der Errichtungserklärung des Einmann-Gründers hat zur Folge, dass auch der Gesellschaftsvertrag insgesamt nichtig ist.

3. Das Wirksamwerden des nichtigen Gesellschaftsvertrages ist mit ex-nunc-Wirkung nur dadurch möglich, dass der Gründer den Vertrag gemäß § 141 S. 1 BGB nachträglich bestätigt. Die Bestätigung bedarf dann wiederum der notariellen Beurkundung.

Es entspricht der ganz herrschenden Meinung, dass das Handeln eines Vertreters ohne Vertretungsmacht bzw. ohne formgültige Bevollmächtigung (§ 2 Abs. 2 GmbHG) bei der Gründung einer Einmann-GmbH nicht genehmigungsfähig und die Gründungserklärung daher nichtig ist. Denn diese erfolgt durch ein einseitiges Errichtungsgeschäft des Gründers. An die Stelle der vertraglichen Einigung tritt die einseitige, nicht empfangsbedürftige Willenserklärung des alleinigen Gründers. Dieser Organisationsakt ist ein einseitiges Rechtsgeschäft und unterliegt den dafür geltenden Vorschriften des BGB. Bei Vornahme durch einen vollmachtlosen bzw. nicht formgültig bevollmächtigten Vertreter ist die Gründung deshalb nach § 180 S. 1 BGB unwirksam. Eine nachträgliche Genehmigung scheitert bereits am Wortlaut des § 180 S. 1 BGB sowie vor allem an dessen Zweck. § 180 BGB dient der notwendigen Rücksichtnahme auf den Erklärungsempfänger. Empfänger der Errichtungserklärung des Einmann-Gründers ist der Rechtsverkehr. Aus seiner Sicht ist die Gründung einer juristischen Person ein wichtiger Vorgang, über dessen Wirksamkeit sogleich Klarheit herrschen muss. Es kann dem Alleingesellschafter nicht gestattet werden, den Gründungsvorgang längere Zeit offen zu halten und die Handlungsfähigkeit der Vor-GmbH, die Handelndenhaftung nach § 11 Abs. 2 GmbHG und die Vorbelastungshaftung des Alleingesellschafters in der Schwebe zu halten. Denn solche Unsicherheiten können sich nachteilig auf die Sicherheit des Rechtsverkehrs auswirken. Zutreffend ist damit davon auszugehen, dass die von dem Vertreter ohne (formgültige) Vertretungsmacht abgegebene Gründungserklärung nichtig ist. Die Nichtigkeit der Errichtungserklärung des Einmann-Gründers hat zur Folge, dass auch der Gesellschaftsvertrag insgesamt nichtig ist. Da die Gesellschaft in einem solchen Fall nicht ordnungsgemäß errichtet wurde, darf der Gesellschaftsvertrag weder von einem Notar beurkundet noch darf die Gesellschaft vom Registergericht eingetragen werden (§ 9c Abs. 1 S. 1 GmbHG). Das Wirksamwerden des nichtigen Gesellschaftsvertrages ist mit ex-nunc-Wirkung nur dadurch möglich, dass der Gründer den Vertrag gemäß § 141 S. 1 BGB nachträglich bestätigt. Die Bestätigung bedarf dann wiederum der notariellen Beurkundung. (Vergleiche hierzu: Grooterhorst NZG 2007, 605; Wachter – der Beteiligte Z. 2 im vorliegenden Verfahren – GmbHR 2003, 660; Fastrich in Baumbach/Hueck, GmbH-Gesetz, 20. Auflage 2013, § 2 GmbHG Rn. 7 und Rn. 22; Roth in Roth/Altmeppen, GmbH-Gesetz, 7. Auflage 2012, § 2 GmbHG Rn. 30; Schilken in Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2014, § 180 BGB Rn. 11; Schramm in Münchener Kommentar zum BGB, 6. Auflage 2012, § 180 BGB Rn. 3; LG Berlin GmbHR 1996, 123; OLG Schleswig, Beschluss vom 4. April 1993, Az. 9 W 26/93, in juris; je m.w.N.; anderer Auffassung: Hasselmann ZIP 2012, 1947, und Dürr GmbHR 2008, 408, denen der Senat jedoch aus den vorgenannten Gründen nicht folgt, sondern sich der herrschenden Meinung anschließt).

Schlagworte: Einmann-Gründung, GmbH § 11, Handelndenhaftung, Handelndenhaftung der Gesellschafter der Vor-GmbH, Handelndenhaftung Geschäftsführer, Vorbelastungshaftung

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OLG Stuttgart, Beschluss vom 02.12.2014 – 20 AktG 1/14

Dienstag, 2. Dezember 2014

AktG §§ 131, 243, 246a, 293g, 304, 305

1. Offensichtlich unbegründet nach § 246a Abs. 2 Nr. 1 AktG ist eine Anfechtungsklage, wenn sie – sei es auch aufgrund komplexer rechtlicher Erwägungen – nach der Rechtsauffassung des im Freigabeverfahren erkennenden Senats aufgrund des unstreitigen Sachverhalts eindeutig unbegründet ist oder – sofern ihr Erfolg von einer Beweisaufnahme abhängt – mit eindeutig überwiegender Wahrscheinlichkeit keinen Erfolg haben wird (OLG Stuttgart, AG 2013, 604, juris Rn. 119; OLG Stuttgart, AG 2009, 204, juris Rn. 31; OLG Stuttgart, AG 2004, 105, juris Rn. 5; OLG Stuttgart, AG 2003, 456, juris Rn. 36; OLG HamburgBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG Hamburg
, NZG 2005, 86; OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG München
, Der Konzern 2014, 108, juris Rn. 7: wenn eine andere Beurteilung nicht oder kaum vertretbar erscheint; vgl. auch Drescher in Henssler/Spohn, GesR, 2. Aufl., § 246a AktG Rn. 5; Hüffer in Münchener Kommentar AktG, 3. Aufl., § 246 a Rn. 20 ff. m.w.N.). Bei der Beurteilung von Rechtsfragen ist keine Eindeutigkeit im Sinne einer Evidenz zu fordern; es genügt vielmehr, wenn die Rechtsfragen aus Sicht des Senats eindeutig im Sinne einer Unbegründetheit der Klage zu beantworten sind, ohne dass es darauf ankommt, ob dazu auch andere Standpunkte vertreten werden (OLG Stuttgart, AG 2013, 604, juris Rn. 119; OLG Stuttgart, AG 2009, 204, juris Rn. 31 m.w.N.).

2. Nach §§ 304 Abs. 3 S. 2, 305 Abs. 5 S. 1 AktG kann die Anfechtung des Zustimmungsbeschlusses nicht darauf gestützt werden, dass der Vertrag keinen angemessenen Ausgleich bzw. keine angemessene Abfindung vorsieht. Der Anfechtungsausschluss umfasst sämtliche Bewertungsrügen, d.h. alle Rügen, die die Höhe des Ausgleichs betreffen (vgl. Veil in Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl., § 304 Rn. 86; Stephan in Schmidt/Lutter, AktG, 2. Aufl., § 304 Rn. 110; OLG DüsseldorfBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG Düsseldorf
, ZIP 2009, 518, juris Rn. 53). Bewertungsrügen sind im Spruchverfahren bei der Frage der Angemessenheit von Abfindung und Ausgleich zu prüfen.

3. Nach § 17 Abs. 2 AktG wird von einem im Mehrheitsbesitz stehenden Unternehmen vermutet, dass es von dem an ihm mit Mehrheit beteiligten Unternehmen abhängig ist. Dies führt nach § 18 Abs. 1 S. 3 AktG zur Vermutung des Vorliegens eines Konzerns. Wesentliches Merkmal eines Konzerns ist die Zusammenfassung unter einheitlicher Leitung (§ 18 Abs. 1 S. 1 AktG).

4. Besteht zwischen dem herrschenden Unternehmen und der abhängigen Gesellschaft keine Verbindung durch Unternehmensverträge, liegt ein faktischer KonzernBitte wählen Sie ein Schlagwort:
faktischer Konzern
Konzern
vor. Ein faktischer KonzernBitte wählen Sie ein Schlagwort:
faktischer Konzern
Konzern
ist rechtlich zulässig und wird von dem geltenden Aktienrecht als zulässige Form der Unternehmensverbindung angesehen (vgl. BGH NZG 2008, 831, juris Rn. 17). Die abhängige Gesellschaft wird durch die Regelungen in §§ 311 ff. AktG geschützt, die insbesondere eine Ausgleichspflicht bei durch das herrschende Unternehmen veranlassten nachteiligen Maßnahmen sowie besondere Berichts- und Prüfungspflichten vorsehen.

5. Rechtlich zulässig und tatsächlich üblich ist es, dass zwischen herrschenden und beherrschten Unternehmen personelle Verflechtungen auf Leitungsebene bestehen und herrschende Unternehmen den Vorstand der abhängigen Gesellschaft mit eigenen Vorstandsmitgliedern im Wege eines Vorstandsdoppelmandats oder mit Personen ihres Vertrauens besetzen (zur Zulässigkeit: BGH ZIP 2009, 1162, juris Rn. 14 f.).

6. Hieraus ergibt sich für die Vorstandsmitglieder aber trotz der hiermit verbundenen Einflussmöglichkeiten des herrschenden Unternehmens sowie des mit dem gleichzeitigen Einsatz bei zwei Gesellschaften verbundenen Loyalitätskonflikts kein Freibrief zu Gunsten der Konzernspitze, vielmehr haben die Vorstandsmitglieder bei ihren Entscheidungen die Interessen des jeweiligen Pflichtenkreises wahrzunehmen (BGH ZIP 2009, 1162, juris Rn. 16).

7. Weder die Bildung eines faktischen Konzerns noch die personellen Verflechtungen auf Vorstandsebene bis hin zu Doppelmandaten führen dazu, dass bereits ein vorweggenommener Beherrschungs- und/oder Gewinnabführungsvertrag vorliegt. Im Gegenteil ist die Bildung eines faktischen Konzerns und die einheitliche Leitung dieses Konzerns sowie die häufig damit verbundene und zulässige personelle Verflechtung auf Leitungsebene eine von dem geltenden Aktienrecht zugelassene Möglichkeit der Unternehmensverbindung neben der Unternehmensverbindung durch Unternehmensverträge. Die beherrschte Gesellschaft wird über die Regelungen in §§ 311 ff. AktG geschützt. Für die Vorstände der beherrschten Gesellschaft gelten die Pflichten des § 76 Abs. 1 AktG (vgl. Bürgers/Israel in Bürgers/Körber, AktG, 3. Aufl., § 76 Rn. 27).

8. Nach ganz überwiegender und zutreffender Ansicht ist die Abberufung eines satzungsmäßig bestimmten Versammlungsleiters nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes zulässig, insbesondere wenn es der Hauptversammlung auf Grund schwerwiegender Verfahrensverstöße oder aus ähnlichen, ebenso gewichtigen Gründen nicht zumutbar gewesen wäre, an der Person des Versammlungsleiters festzuhalten (vgl. OLG FrankfurtBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG Frankfurt
, Urteil v. 02.10.2012, 5 U 10/12, juris Rn. 61; OLG BremenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG Bremen
, AG 2010, 256, juris Rn. 32; OLG HamburgBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG Hamburg
, AG 2001, 359, juris Rn. 89; Wicke in Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl., Anh. § 119 Rn. 4).

9. Eine Abstimmung über einen Abwahlantrag setzt zumindest voraus, dass ein wichtiger Grund in diesem Sinne schlüssig vorgetragen ist (vgl. OLG BremenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG Bremen
, AG 2010, 256, juris Rn. 33 f; OLG HamburgBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG Hamburg
, AG 2001, 359, juris Rn. 89; Wicke in Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl., Anh. § 119 Rn. 4).

10. Die notarielle Niederschrift über die Hauptversammlung erbringt als öffentliche Urkunde vollen Beweis über die beurkundeten Vorgänge nach § 415 ZPO (vgl. Reger in Bürgers/Körber, AktG, 3. Aufl., § 130 Rn. 2; Hüffer, AktG, 11. Aufl., § 130 Rn. 2).

11. Allein die Tatsache einer Redezeitbeschränkung stellt grundsätzlich keinen wichtigen Grund für eine Abwahl des Versammlungsleiters dar, so dass auch der reine Bezug auf die erfolgte Redezeitbeschränkung keinen schlüssigen Vortrag eines wichtigen Grundes enthält.

12. Grundsätzlich sind Redezeitbeschränkungen in der Hauptversammlung sowohl auf Grundlage einer Satzungsermächtigung nach § 131 Abs. 2 Satz 2 AktG als auch auf Grundlage eigenen Rechts des Versammlungsleiters zulässig (vgl. BGH ZIP 2010, 575, juris Rn. 29; so auch der Gesetzgeber in der Begründung des UMAG, BT-Drucks. 15/5092, S. 17).

13. Es gehört zu den Aufgaben des Versammlungsleiters, für eine sachlich erschöpfende, gleichzeitig aber auch im Interesse aller Aktionäre zeitlich angemessene Abwicklung der Hauptversammlung Sorge zu tragen. Dabei sollte eine normale Hauptversammlung, in der keine tiefgreifenden unternehmensstrukturellen Maßnahmen zu erörtern sind, in vier bis sechs Stunden abgewickelt sein, während bei darüber hinausgehendem Inhalt eine Abwicklung zumindest an demselben Tag, an dem die Hauptversammlung begonnen wurde, erfolgen sollte (vgl. für die Dauer einer normalen HV: BT-Drucks. 15/5092, S. 17; BGH ZIP 2010, juris Rn. 29; für die Dauer auch bei schwierigeren Themen: Wicke in Spindler/Stilz, 2. Aufl., Anh. § 119 Rn. 9: an demselben Tag und nicht über 12 Stunden; ebenso Kubis in Münchener Kommentar AktG, 3. Aufl., 2013, § 121 Rn. 35 und 38; Hüffer, AktG, 11. Aufl., § 121 Rn. 17).

14. Eine Beschränkung der Redezeit mit dem Ziel, eine zeitlich angemessene und sachbezogene Abwicklung der Hauptversammlung zu gewährleisten, ist grundsätzlich zulässig. Bei einer generellen Redezeitbeschränkung ist eine Beschränkung auf 10 bis 15 Minuten pro Redner und zu einem späteren Zeitpunkt 5 Minuten regelmäßig zulässig (vgl. Kubis in Münchener Kommentar AktG, § 119 Rn. 166; Wicke in Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl., Anh. § 119 Rn. 11; Hüffer, AktG, 11. Aufl., § 129 Rn. 29).

15. In jedem Fall hat der Versammlungsleiter sich an dem Gebot der Sachdienlichkeit zu orientieren sowie das Gleichbehandlungsgebot und das Verhältnismäßigkeitsprinzip zu wahren und darf nur Maßnahmen anordnen, die zur sachgemäßen Erledigung der Geschäfte der Hauptversammlung notwendig sind. Das Ermessen des Versammlungsleiters ist unter Berücksichtigung der konkreten Umstände der Hauptversammlung pflichtgemäß auszuüben (vgl. BGH ZIP 2010, 575, juris Leitsatz 3 und Rn. 16).

16. Wird der Abwahlantrag des Versammlungsleiters mit unspezifizierten Schlagworten wie „offensichtliche Unfähigkeit und Überforderung“ begründet, liegt keine hinreichende schlüssige Darlegung eines wichtigen Grunds vor. Hierzu hätten konkrete Tatsachen vorgetragen werden müssen, die den Schluss auf die behauptete Unfähigkeit zuließen (vgl. OLG HamburgBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG Hamburg
, AG 2001, 359, juris Rn. 89).

17. Nach § 131 Abs. 1 S. 1 AktG ist jedem Aktionär auf Verlangen in der Hauptversammlung von dem Vorstand Auskunft über Angelegenheiten der Gesellschaft zu geben, soweit sie zur sachgerechten Beurteilung des Gegenstands der Tagesordnung erforderlich ist. Ist Gegenstand der Tagesordnung ein Unternehmensvertrag, ist jedem Aktionär nach § 293g Abs. 3 AktG in der Hauptversammlung Auskunft auch über alle für den Vertragsschluss wesentlichen Angelegenheiten des anderen Vertragsteils zu geben.

18. Nach § 243 Abs. 4 S.1 AktG kann wegen unrichtiger, unvollständiger oder verweigerter Erteilung der Information nur angefochten werden, wenn ein objektiv urteilender Aktionär die Erteilung der Information als wesentliche Voraussetzung für die sachgerechte Wahrnehmung seiner teilnahme- und Mitgliedschaftsrechte angesehen hätte.

19. Voraussetzung eines Auskunftsrechts der Aktionäre ist somit, dass die Auskunft aus Sicht eines objektiv urteilenden Aktionärs zur Beurteilung des Gegenstands der Tagesordnung erforderlich bzw. die Information in diesem Sinne wesentlich ist. Die Begriffe „erforderlich“ in § 131 Abs. 1 AktG und „wesentlich“ in § 243 Abs. 4 S. 1 AktG sowie § 293g Abs. 3 AktG sind inhaltsgleich: Auskünfte, die aus der Sicht eines objektiven Durchschnittsaktionärs zur sachgemäßen Beurteilung eines Gegenstands der Tagesordnung nicht erforderlich sind, können aus Sicht eines objektiv urteilenden Aktionärs für die sachgerechte Wahrnehmung seiner teilnahme- und Mitgliedschaftsrechte bei der Beschlussfassung zu diesem Tagesordnungspunkt nicht wesentlich sein (vgl. OLG Stuttgart, AG 2011, 73, juris Rn. 524; Würthwein in Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl., § 243 Rn. 251 und Veil in Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl., § 293 g Rn. 8). Soweit im Folgenden der Begriff Erforderlichkeit im Sinne von § 131 Abs. 1 Satz 1 AktG verwendet wird, ist damit zugleich die Wesentlichkeit im Sinne von § 243 Abs. 4 S. 1 AktG und § 293g Abs. 3 AktG angesprochen.

20. Maßstab für die Erforderlichkeit bzw. Wesentlichkeit einer Auskunft ist die Sicht eines objektiv urteilenden Durchschnittsaktionärs, der die Gesellschaftsverhältnisse nur auf Grund allgemein bekannter Tatsachen kennt und daher die begehrte Auskunft als wesentliches Beurteilungselement benötigt (vgl. BGH WM 2014, 618, juris Rn. 26; BGHZ 160, 385, juris Rn. 9; BGHZ 180, 9 juris Rn. 39; OLG Stuttgart AG 2011, 73, juris Rn. 510). Hierdurch wird der Auskunftsanspruch des Aktionärs sowohl in quantitativer und qualitativer Hinsicht als auch in Bezug auf seinen Detaillierungsgrad begrenzt (BGH WM 2014, 618, juris Rn. 26; BGHZ 180, 9, juris Rn. 39).

21. Nicht jede marginale Information ist in diesem Sinne zur Beurteilung eines Beschlussgegenstandes erforderlich. Vielmehr muss somit eine gewisse Maßgeblichkeitsschwelle überschritten sein (vgl. OLG Stuttgart, AG 2012, 377, juris Rn. 356; OLG Stuttgart, AG 2011, 73, juris Rn. 511; Siems in Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl., § 131 Rn. 28; Reger in Bürgers/Körber, AktG, 2. Aufl., § 131 Rn. 11; Kubis in Münchener Kommentar, AktG, 34. Aufl., § 131 Rn. 38; ähnlich Decher in Großkommentar, AktG, 4. Aufl., § 131 Rn. 144 [„wesentliches Element für die Beurteilung“]; ebenso Spindler in Schmidt/Lutter, AktG, 2. Aufl., § 131 Rn. 30; Würthwein in Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl., § 243 Rn. 250 [Ausscheiden „unerheblicher“ Informationen]).

22. Das Auskunftsrecht des § 131 AktG dient nicht der allgemeinen Kontrolle der Verwaltung durch die Aktionäre, sondern nur der sachgerechten Ausübung der Mitgliedschaftsrechte im Zusammengang mit der konkreten Tagesordnung (vgl. OLG Stuttgart, AG 2012, 377, juris Rn. 355; Decher in Großkommentar, AktG, 4. Aufl., § 131 Rn. 245).

23. Soweit die Verletzung des Auskunftsrechts im Rahmen der Anfechtung eines Hauptversammlungsbeschlusses geltend gemacht wird, kann nur die unzureichende Erteilung von Auskünften gerügt werden, die gerade zur sachgemäßen Beurteilung des Gegenstands der Tagesordnung erforderlich waren, zu dem der angefochtene Beschluss gefasst wurde (vgl. OLG Stuttgart, AG 2011, 73, juris Rn. 507).

24. Auf unrichtige, unvollständige oder unzureichende Information in der Hauptversammlung über die Ermittlung, Höhe oder Angemessenheit von Ausgleich, Abfindung, Zuzahlung oder über sonstige Kompensationen kann eine Anfechtungsklage nicht gestützt werden (§ 243 Abs. 4 Satz 2 AktG).

25. Inhaltlich hat die Auskunft nach § 131 Abs. 2 Satz 1 AktG den Grundsätzen einer gewissenhaften und getreuen Rechenschaft zu entsprechen. Sie muss demnach vollständig und sachlich zutreffend sein (vgl. OLG Stuttgart, AG 2012, 377, juris Rn. 397 und 405; OLG Stuttgart AG 2011, 73, juris Rn. 606). Ob der Gegenstand der Frage vollständig beantwortet wurde, bestimmt sich nach dem Detaillierungsgrad der Frage, wobei die Antwort umso weniger konkret ausfallen muss je pauschaler die Frage gestellt wird (vgl. OLG Stuttgart, AG 2012, 377, juris Rn. 400; OLG Stuttgart, AG 2011, 73, juris Rn. 607 m.w.N.). Besteht das Informationsbedürfnis des Aktionärs danach fort, muss er dies durch eine erneute, detailliertere Frage kundtun (vgl. OLG Stuttgart, AG 2012, 377, juris Rn. 400; OLG Stuttgart, AG 2005, 94, juris Rn. 47; Hüffer, AktG, 11. Aufl., § 131 Rn. 21; Reger in Bürgers/Körber, AktG, 3. Aufl., § 131 Rn. 17; Spindler in Schmidt/Lutter, AktG, 2. Aufl., § 131 Rn. 63).

26. Der Auskunftsanspruch des Aktionärs wird nur durch eine sachlich zutreffende Auskunft erfüllt (vgl. OLG Stuttgart, AG 2012, 377, juris Rn. 400; OLG Stuttgart, AG 2011, 73, juris Rn. 527; Kubis in Münchener Kommentar, AktG, 3. Aufl., § 131 Rn. 73 und 69; Siems in Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl., § 131 Rn. 69). Richtet sich die Frage auf eine subjektive Einschätzung des Vorstands, kann diesem jedoch nicht entgegen gehalten werden, die von ihm dazu erteilte Auskunft sei objektiv falsch (vgl. OLG Stuttgart, AG 2012, 377, juris Rn. 400; OLG Stuttgart, AG 2011, 73, juris Rn. 571). Kann man über die Richtigkeit einer Aussage geteilter Meinung sein, so genügt der Vorstand seiner Auskunftspflicht im Übrigen grundsätzlich, wenn er die nach seiner Auffassung richtige Auskunft erteilt (Decher in Großkommentar, AktG, 4. Aufl., § 131 Rn. 246).

27. Nach allgemeinen Grundsätzen obliegen dem klagenden Aktionär die Darlegung und gegebenenfalls der Beweis sämtlicher Umstände, die die Anfechtbarkeit des Beschlusses begründen. Hierzu gehört grundsätzlich auch die Verletzung einer Informationspflicht, so dass der klagende Aktionär insbesondere die Beweislast für die Erforderlichkeit der Auskunft und grundsätzlich auch für die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der Auskunft trägt (vgl. Würthwein in Spindler/Stilz, 2. Aufl., § 243 Rn. 264 ff.; Hüffer in Münchener Kommentar AktG, 3. Aufl., § 243 Rn. 144 f.). Im Hinblick auf die größere Sachnähe der Gesellschaft betreffend Sachfragen, die sich in ihrer Sphäre abspielen, können insbesondere in Bezug auf die Unrichtigkeit einer Auskunft die Grundsätze der sekundären Darlegungslast Anwendung finden. Diese entbinden allerdings nicht von der Verpflichtung zu schlüssigem Vortrag, weshalb die Anfechtungskläger ihrer Darlegungslast nicht schon durch schlichte Behauptungen genügen. Stattdessen haben sie zumindest ernsthafte Anhaltspunkte für die von ihnen behauptete Unrichtigkeit einer Auskunft aufzuzeigen (vgl. Würthwein in Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl., § 243 Rn 265; Hüffer in Münchener Kommentar AktG, 3. Aufl., § 243 Rn. 148).

28. Nach § 246 Abs. 1 AktG genügt es nicht, dass innerhalb der Frist des § 246 Abs. 1 AktG Klage erhoben wird. Vielmehr müssen innerhalb dieser Frist auch die Gründe, auf welche die Anfechtung gestützt wird, in den Rechtsstreit einführt und zumindest in ihrem wesentlichen tatsächlichen Kern dargelegt werden (BGHZ 120, 141, juris Rn. 42 m.w.N.; BGH, ZIP 2005, 706, juris Rn. 17; BGH, NZG 2010, 618, juris Rn. 3; Hüffer, AktG, 11. Aufl., § 246 Rn. 26 m.w.N.). Die Tatsachen, auf die die Anfechtungsklage gestützt wird, müssen so vorgetragen sein, dass der Streitgegenstand individualisiert und von anderen Anfechtungsgründen abgrenzbar ist (vgl. Dörr in Spindler/Stilz, AktG., 2. Aufl., § 246 Rn. 19). Gründe, die nicht in ihrem Kern bereits innerhalb der Anfechtungsfrist des § 246 Abs. 1 AktG vorgebracht wurden, sind präkludiert und können somit auch nicht mehr nachgeschoben werden (vgl. Hüffer, AktG, 11. Aufl., § 246 Rn. 26 mwN).

29. Auch der Nebenintervenient kann nach Ablauf der Frist des § 246 Abs. 1 AktG keine neuen Anfechtungsgründe mehr vortragen, vielmehr ist der Nebenintervenient mit solchem Vorbringen präkludiert, das beim Anfechtungskläger unter die Ausschlusswirkung des § 246 Abs. 1 AktG fällt (vgl. Hüffer, AktG, 11. Aufl., § 246 Rn. 6).

30. Die Anfechtung eines Hauptversammlungsbeschlusses wegen Informationspflichtverletzungen setzt die konkrete Angabe der angeblich in der Hauptversammlung nicht beantworteten Fragen innerhalb der Frist des § 246 Abs. 1 AktG voraus (vgl. BGH AG 2009, 285, Leitsatz 6 und Rn. 34). Wird die Unrichtigkeit einer erteilten Antwort gerügt, muss auch die Antwort, die der Anfechtungskläger für unrichtig hält, vor Ablauf der Anfechtungsfrist vorgetragen werden (vgl. OLG Stuttgart, AG 2011, 93, juris Rn. 633).

31. Der Gesetzgeber hat bei der Gewichtung der Nachteile der Anfechtungskläger einerseits und der Gesellschaft andererseits bewusst vorgesehen, dass bei Aktionären mit geringer Beteiligung regelmäßig die Abwägung zu Gunsten der Gesellschaft ausfallen wird (BT-Drucks. 16/13098, 42).

32. Die der Gesellschaft drohenden Nachteile sind von der Gesellschaft substantiiert darzulegen und glaubhaft zu machen, die aus Sicht der Antragsgegnerinnen ihnen drohenden Nachteile im Falle der Eintragung von diesen (vgl. Göz in Bürgers/Körber, AktG, § 246a Rn. 4; Dörr in Spindler/Stilz, § 246 a Rn. 32 f.).

33. Auf Seiten der Antragsgegner (Aktionäre) sind nur die Nachteile für sie selbst zu berücksichtigen, nicht hingegen die aller Aktionäre, die gegen den Hauptversammlungsbeschluss gestimmt haben oder nicht an der Hauptversammlung teilnahmen (vgl. Göz in Bürgers/Körber, § 246 a Rn. 4; Hüffer, AktG, 11. Aufl., § 246 a Rn. 21).

34. Ein vorrangiges Vollzugsinteresse kann schon dann zu bejahen sein, wenn ein schützenswertes Aufschubinteresse der Antragsgegner weder dargelegt noch ersichtlich ist (vgl. OLG Stuttgart, AG 2013, 604, juris Rn. 231).

Schlagworte: Abberufung des Versammlungsleiters, Abfindung, Anfechtungsfrist, Anfechtungsgründe, Anfechtungsklage im Sinne der §§ 243 ff AktG, angemessener Ausgleich, Auskunfts-/Einsichts-/Informations-/Kontrollrechte, Beherrschungsvertrag, Darlegungs- und Beweislast, faktischer Konzern, Freigabeverfahren, Gewinnabführungsvertrag, herrschendes Unternehmen, Konzernrecht, Nebenintervention, Nebeninterventionsfrist, Präklusion von Anfechtungsgründen nach Ablauf der Anfechtungsfrist, Redezeitbeschränkung, Spruchverfahren, Unternehmensvertrag, Versammlungsleiter, Vortrag der Anfechtungsgründe im Kern, Wichtiger Grund

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OLG Stuttgart, Urteil vom 01.10.2014 – 20 U 3/13

Mittwoch, 1. Oktober 2014

AktG § 87; BGB § 315

1. Es kann offen bleiben, ob für Entscheidungen nach § 87 Abs. 2 AktG (und für deren Aufhebung als actus contrarius) nach Insolvenzeröffnung weiterhin formal der Aufsichtsrat der Gesellschaft zuständig bleibt (vgl. Hirte in Uhlenbruck, InsO, 13. Aufl. 2010, § 11 Rn. 185) oder ob diese Zuständigkeit als Teil des Verdrängungsbereichs ebenfalls auf den Insolvenzverwalter übergeht (vgl. Hüffer, AktG, 11. Aufl. 2014, § 87 Rn. 30). Denn selbst im Falle der fortwirkenden Zuständigkeit des Aufsichtsrates hätte ein entsprechender Beschluss wegen § 80 Abs. 1 InsO jedenfalls der Zustimmung des Insolvenzverwalters bedurft, weil die Auswirkungen des Beschlusses unmittelbar die Insolvenzmasse betreffen, so dass jedenfalls ein Fall der Kompetenzüberschneidung zwischen Aufsichtsrat und Insolvenzverwalter gegeben ist (vgl. Ott/Vuia in Münchener Kommentar zur InsO, 3. Aufl. 2013, § 80 Rn. 111 u. 112; Hüffer, AktG, 11. Aufl. 2014, § 264 Rn. 10 f.).

2. Der der Anwendungsbereich des § 87 Abs. 2 AktG ist grundsätzlich eröffnet, wenn sich die Lage der Gesellschaft nach der Festsetzung der Bezüge so verschlechtert hat, dass die Weitergewährung der vereinbarten Bezüge unbillig für die Gesellschaft ist. Ausweislich der Gesetzesbegründung des Gesetzes zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung vom 31.07.2009, durch welches § 87 Abs. 2 AktG neu gefasst und inhaltlich verschärft wurde, ist bei Vorliegen eines Eröffnungsgrundes für das Insolvenzverfahren ohne weiteres von einer entsprechenden Verschlechterung der Lage der Gesellschaft und der daraus resultierenden Unbilligkeit der Fortzahlung der ungekürzten Bezüge des Vorstandes auszugehen (vgl. BT-Drs. 16/12278 S. 6; Hüffer, AktG, 11. Aufl. 2014, § 87 Rn. 25; Bürgers/Israel in Heidelberger Kommentar zum AktG, 3. Aufl. 2014, § 87 Rn. 14).

3. Nach der im Jahr 2009 erfolgten Neufassung des § 87 Abs. 2 AktG „soll“ der Aufsichtsrat bei Vorliegen der obigen Voraussetzungen die Bezüge des Vorstandes auf das in der konkreten Situation angemessene Niveau herabsetzen. Bei Ausübung dieses gesetzlichen Sonderrechts zur einseitigen Vertragsanpassung hat der Aufsichtsrat damit sowohl hinsichtlich des „Ob“ der Herabsetzung als auch des „Wie“ der konkreten Absenkung das ihm insoweit zukommende Ermessen fehlerfrei auszuüben.

4. Die grundsätzliche Entscheidung zur Herabsetzung der Vorstandsbezüge durch den Aufsichtsrat begegnet aufgrund der wirtschaftlich schwierigen Lage der Gesellschaft keinen Bedenken, weil auch der Vorstand einen Verantwortungsbeitrag zur späteren Krise der Gesellschaft geleistet hat. Unter diesen Umständen gibt § 87 Abs. 2 AktG als Regelfall eine Verpflichtung zur Herabsetzung der VergütungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Herabsetzung der Vergütung
Vergütung
des entsprechenden Vorstandsmitglieds vor, von der bei pflichtgemäßer Ermessensausübung nur bei Vorliegen besonderer Umstände Abstand genommen werden kann (vgl. BT-Drs. 16/13433 S. 10; Mertens/Cahn in Kölner Kommentar zum AktG, 3. Aufl. 2010, § 87 Rn. 99; Fleischer in Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl. 2010, § 87 Rn. 66). Die Ursachen des wirtschaftlichen Niedergangs der Gesellschaft, insbesondere die Vereinbarung langfristiger Abnahmeverpflichtungen zu später nicht mehr am Markt realisierbaren Preisen, fallen aber auch in die Amtszeit des Vorstands und sind damit von diesem objektiv mitverursacht (vgl. BT-Drs. 16/12278 S. 6). Eine darüber hinausgehende Pflichtwidrigkeit des Handelns des betroffenen Vorstandes setzt § 87 Abs. 2 AktG nicht voraus (vgl. Koch WM 2010, 49, 55).

5. Der Aufsichtsrat hat bei seiner Entscheidung nach § 87 Abs. 2 AktG zugleich nachvollziehbare und von sachfremden Gesichtspunkten freie Erwägungen zur künftigen Höhe der abgesenkten Bezüge anzustellen, was der sich auf die wirksame Herabsetzung Berufende darzulegen und beweisen hat (vgl. Würdinger in Münchener Kommentar zum BGB, 6. Aufl. 2012, § 315 Rn. 54 mwN).

6. Bei einem Ermessensausfall ist der Herabsetzungsbeschluss unwirksam.

7. Dies gilt ungeachtet der in der Literatur umstrittenen Frage, ob dem Aufsichtsrat hinsichtlich der angemessenen Höhe der neu festzusetzenden Bezüge ein gewisser Ermessenspielraum zukommt (vgl. Fleischer in Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl. 2010, § 87 Rn. 74; Annuß/Theusinger BB 2009, 2434, 2438) oder ob man aufgrund der Eingriffstiefe für den betroffenen Vorstand lediglich eine ganz bestimmte Entscheidung als angemessen ansehen will (vgl. Hüffer, AktG, 11. Aufl. 2014, § 87 Rn. 27), wobei aus Sicht des Senats die Nähe des § 87 Abs. 2 AktG zur Vergütungsregelung des § 87 Abs. 1 AktG dafür spricht, dass auch im Falle der Herabsetzung nicht nur eine ganz bestimmte Vorstandsvergütung als angemessen anzusehen ist, sondern sich die „angemessene Höhe“ der Bezüge im Sinne des § 87 Abs. 2 AktG stets in einem nicht trennscharf abgrenzbaren Bereich noch angemessener Entscheidungen bewegt (vgl. BT-Drs. 16/13433 S. 10). Insoweit wäre auch allein in der Tatsache einer etwaigen Ungleichbehandlung zwischen amtierenden und ausgeschiedenen Vorständen nicht per se eine pflichtwidrige Ermessensausübung zu sehen, soweit sich diese Differenzierung nachvollziehbar begründen lässt (vgl. OLG DüsseldorfBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG Düsseldorf
, Urteil vom 17.11.2003 – 15 U 225/02 = NZG 2004, 141; Seibt in Schmidt/Lutter, AktG, 2. Aufl. 2010, § 87 Rn. 19; Mertens/Cahn in Kölner Kommentar zum AktG, 3. Aufl. 2010, § 87 Rn. 98; Diller NZG 2009, 1006, 1008).

8. In jedem Fall ist es nach Auffassung des Senats ermessensfehlerhaft, bei der Neufestsetzung der Vorstandsvergütung durch den Aufsichtsrat ausschließlich auf die weiterhin durch den betroffenen Vorstand zu erbringende Tätigkeit und deren weiteren Nutzen für die Gesellschaft abzustellen. Zwar schließt die Neufassung des § 87 Abs. 2 AktG seit dem Jahr 2009 auch Eingriffe in die Rechtspositionen ausgeschiedener Vorstände nicht aus, was aus § 87 Abs. 2 S. 2 AktG folgt. Indes enthebt das bloße Ausscheiden – und damit die fehlende weitere Produktivität des früheren Vorstandes für die Gesellschaft – den Aufsichtsrat nicht von der Notwendigkeit einer Ermessensabwägung, in welcher Höhe die Bezüge für den ausgeschiedenen Vorstand weiterhin angemessen sind. Würde man hierbei mit dem Beklagten allein auf den weiteren Nutzen der Tätigkeit des jeweiligen Vorstandes für die Gesellschaft abstellen, könnten die Bezüge ausgeschiedener Vorstände im Falle einer ernsthaften Krise und insbesondere nach Insolvenzeröffnung stets ohne weiteres sogar bis auf null abgesenkt werden (vgl. aber offenbar in diese Richtung argumentierend Göcke/Greubel ZIP 2009, 2086, 2089). Ein solches Ergebnis würde im deutlichen Widerspruch zur Gesetzesbegründung stehen, wonach die amtierenden und ggf. früheren Vorstände aufgrund ihrer (nachwirkenden) Organpflichten einen eigenen Finanzierungsbeitrag zum Fortbestand der Gesellschaft leisten, nicht jedoch vollständig auf ihre Gehaltsansprüche zum Wohle der sonstigen Gläubiger verzichten sollen (vgl. BT-Drs. 16/12278 S. 6; Mertens/Cahn in Kölner Kommentar zum AktG, 3. Aufl. 2010, § 87 Rn. 97; Weller NZG 2010, 7, 10 f.). Zudem würden bei einer derartigen Abwägung die berechtigten interessen des ausgeschiedenen Vorstandsmitgliedes, welches regelmäßig auf die fortlaufenden Bezüge als Erwerbseinkommen angewiesen sein wird, vollkommen unberücksichtigt bleiben und einseitig auf die Interessenlage der übrigen Gesellschaftsgläubiger abgestellt.

9. Aufgrund des mit der Neubestimmung der Vorstandsbezüge nach § 87 Abs. 2 AktG verbundenen erheblichen Eingriffs in den Anstellungsvertrag und damit in den Grundsatz der Vertragstreue („pacta sunt servanda“) ist diese Vorschrift insgesamt restriktiv unter Berücksichtigung der berechtigten interessen auch ausgeschiedener Vorstandsmitglieder auszulegen und darf nicht zu übermäßigen Kürzungen der Vorstandsgehälter herangezogen werden (vgl. OLG DüsseldorfBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG Düsseldorf
, Urteil vom 17.11.2003 – 15 U 225/02 = NZG 2004, 141; Fleischer in Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl. 2010, § 87 Rn. 60; Mertens/Cahn in Kölner Kommentar zum AktG, 3. Aufl. 2010, § 87 Rn. 94 u. 104; Hüffer, AktG, 11. Aufl. 2014, § 87 Rn. 24; Diller NZG 2009, 1006, 1007; Dauner-Lieb/Friedrich NZG 2010, 688, 689). Insbesondere ist es nicht zu rechtfertigen, den Vorständen ein Sonderopfer abzuverlangen, welches diese im Ergebnis unter das Gehalt leitender Angestellter des Unternehmens – die keine Gehaltskürzung nach § 87 Abs. 2 AktG zu befürchten haben – absinken lassen würde (vgl. BT-Drs. 16/13433 S. 10; vgl. OLG DüsseldorfBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG Düsseldorf
, Urteil vom 17.11.2003 – 15 U 225/02 = NZG 2004, 141; Fleischer in Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl. 2010, § 87 Rn. 74; Koch WM 2010, 49, 57). Erwägenswert erscheint es demgegenüber, auf der Grundlage der konkreten Finanzsituation der Gesellschaft zu bestimmen, zu welchen Konditionen ein neu anzustellendes Vorstandsmitglied gewonnen werden bzw. ein neuer Anstellungsvertrag ausgehandelt werden könnte (vgl. Diller NZG 2009, 1006, 1007). Hierbei würde das angemessene Gehaltsniveau im Rahmen einer typisierten Vergleichsbetrachtung anhand der Kriterien des § 87 Abs. 1 AktG zu ermitteln sein (vgl. BT-Drs. 16/12278 S. 6; Fleischer in Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl. 2010, § 87 Rn. 71; Dauner-Lieb/Friedrich NZG 2010, 688, 689; Annuß/Theusinger BB 2009, 2434, 2438). Die angemessene Höhe der Vergütung richtet sich folglich zugleich nach den berechtigten interessen des Vorstands. Sie orientiert sich regelmäßig an der Vergütung, die ein vergleichbares Unternehmen für die Neuanstellung eines Vorstandsmitglieds aufwenden müsste.

10. Daneben sprechen nach Auffassung des Senats auch systematische Gründe gegen eine Anwendung des § 87 Abs. 2 AktG nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens, jedenfalls soweit der Insolvenzverwalter von der in § 113 InsO eingeräumten Möglichkeit der Kündigung des Anstellungsvertrages des Vorstandsmitglieds Gebrauch macht. Denn die Insolvenzordnung enthält bereits ein abgestuftes System, um einen Interessenausgleich zwischen den Organmitgliedern und den übrigen Gesellschaftsgläubigern herbeizuführen, indem § 113 InsO es dem Insolvenzverwalter gestattet, den bestehenden Anstellungsvertrag mit einer Frist von maximal drei Monaten ordentlich zu kündigen. Dem verbleibenden Verfrühungsschaden, der nach § 87 Abs. 3 AktG ohnehin auf zwei Jahre begrenzt ist, kommt dabei ebenso wie rückständigen Gehaltsansprüchen lediglich der Rang einer einfachen Insolvenzforderung zu. Somit wird die Insolvenzmasse allein mit den Gehaltsansprüchen aus der Zeit zwischen Insolvenzeröffnung und Wirksamkeit der ordentlichen Kündigung, mithin mit maximal drei Monatsgehältern, als Masseforderungen belastet. Weitergehende Begrenzungen der Vorstandsvergütung werden von der Insolvenzordnung dagegen nicht für notwendig erachtet. Es erscheint daher nicht interessengerecht, eine darüber hinausgehende umfassende Gehaltskürzung nunmehr über den Umweg des § 87 Abs. 2 AktG zuzulassen (vgl. Hirte in Uhlenbruck, InsO, 13. Aufl. 2010, § 11 Rn. 185; Göcke/Greubel ZIP 2009, 2086, 2087). Zudem bliebe bei einem derartigen Verständnis der Vorschrift ungeklärt, weshalb im Falle der Insolvenz allein der (ausgeschiedene) Vorstand einer Aktiengesellschaft und nicht zugleich der Geschäftsführer einer insolventen GmbH ein derartiges Sonderopfer erbringen müsste, weil die Vorschrift des § 87 Abs. 2 AktG als Sonderrecht der Aktiengesellschaft nicht analog auf andere Körperschaften angewendet werden kann (vgl. BT-Drs. 16/13433 S. 10; Rieble in Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2009, § 315 Rn. 219; Würdinger in Münchener Kommentar zum BGB, 6. Aufl. 2012, 315 Rn. 86; Hirte in Uhlenbruck, InsO, 13. Aufl. 2010, § 11 Rn. 127; Annuß/Theusinger BB 2009, 2434, 2438; aA OLG KölnBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG Köln
, Beschluss vom 06.11.2007 – 18 U 131/07, zitiert nach BeckOnline).

11. Der Aufsichtsratsbeschluss ist unwirksam, wenn er nicht ausreichend bestimmt ist; dies ist der Fall, wenn er weder den betroffenen Personenkreis noch die Höhe der herabgesetzten Vorstandsbezüge erkennen lässt (vgl. Mertens/Cahn in Kölner Kommentar zum AktG, 3. Aufl. 2010, § 87 Rn. 102; Rieble in Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2009, § 315 Rn. 296; Busche in Münchener Kommentar zum BGB, 6. Aufl. 2012, § 133 Rn. 39).

12. Eine Bestimmung der angemessenen Höhe der Vorstandsbezüge im Sinne des § 87 Abs. 2 AktG durch das Gericht setzt eine nachprüfbare Ermessensentscheidung des Aufsichtsrates voraus; fehlt es an dieser, müsste das Gericht eine eigene Erstentscheidung vornehmen, was der eindeutigen Zuweisung dieser Aufgabe an den Aufsichtsrat in § 87 Abs. 2 AktG widerspricht.

13. Bei den Gehaltsansprüchen ab Insolvenzeröffnung handelt es sich nach § 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO um Masseverbindlichkeiten, sodass der Gläubiger unmittelbar Zahlung verlangen kann (vgl. Hefermehl in Münchener Kommentar zur InsO, 3. Aufl. 2013, § 55 Rn. 171; Seibt in Schmidt/Lutter, AktG, 2. Aufl. 2010, § 87 Rn. 23).

Schlagworte: Aufsichtsrat, Entschließungs- Auswahlermessen, Ermessensentscheidung, Gesamtwürdigung, Gesellschaft, Herabsetzung der Vergütung, Insolvenz, Interessenabwägung, Krise, unangemessene Vergütung, Vergütung

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OLG Stuttgart, Beschluss vom 09.09.2014 – 14 U 9/14

Dienstag, 9. September 2014

GmbHG §§ 18, 38; BGB §§ 745, 2038

1. Die Anfechtungsbefugnis ist nach h. M. materiell-rechtliche Sachbefugnis, weshalb bei ihrem Fehlen die Klage als unbegründet abzuweisen ist (s. etwa OLG DüsseldorfBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG Düsseldorf
, GmbHR 1996, 443, 451; Großkommentar zum GmbHG/Raiser, 1. Aufl., Anh. § 47 Rn. 167; Münchener Kommentar zum GmbHG/Wertenbruch, 1. Aufl., § 47 Anh. Rn. 172; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 20. Aufl., Anh § 47 Rn. 135; a. A. K. Schmidt, in: Scholz, GmbHG, 11. Aufl., § 45 Rn. 127 m. w. N. zur h. M. in Fn. 2: Abweisung als unzulässig).

2. § 18 Abs. 1 GmbHG soll für den Fall der Berechtigung einer Miterbengemeinschaft an einem Gesellschaftsanteil (s. nur Thüringer OLG, GmbHR 2013, 149 – Tz. 51) nur verhindern, dass die Anteilsrechte von den einzelnen Mitberechtigten unterschiedlich ausgeübt werden (vgl. OLG KarlsruheBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG Karlsruhe
, GmbHR 2014, 254 – Tz. 15 f.; s. ferner etwa Thüringer OLG, NZG 2012, 782 – Tz. 40; Thüringer OLG, GmbHR 2013, 149 – Tz. 53; ebenso Münchener Kommentar zum GmbHG/Reichert/Weller, 1. Aufl., § 18 Rn. 57 ff.). Dazu kommt es nicht, wenn nur einer oder ein Teil der Miterben das Recht mit Wirkung für alle ausübt (BGHZ 108, 21 – Tz. 28). Die gemeinschaftliche Rechtsausübung kann insbesondere dadurch erfolgen, dass die Mitberechtigten einen gemeinsamen Vertreter bestellen (s. etwa BGHZ 49, 183, 191). So lag es hier.

3. Es ist in der Rechtsprechung seit langem geklärt, dass die Mehrheit der Miterben eine mehrheitlich beschlossene Maßnahme der ordnungsgemäßen Verwaltung des Nachlasses (§§ 2038 Abs. 2, 745 BGB) – zumindest, soweit sie nicht Verfügung ist – auch ohne die Mitwirkung der überstimmten Miterben mit Wirkung für und gegen die Erbengemeinschaft ausführen kann (so bereits BGHZ 56, 47 – Tz. 17 ff.; s. aus neuerer Zeit nur etwa KG, FamRZ 2011, 1254 – Tz. 43). § 18 Abs. 1 GmbHG steht einer solchen Ausführung nicht entgegen.

4. Bei der Abberufung des GeschäftsführersBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Abberufung
Abberufung des Geschäftsführers
einer Gesellschaft, deren Anteile sich noch im ungeteilten Nachlass befinden, handelt es sich nicht um eine außerordentliche Verwaltungsmaßnahme (die einen einstimmigen Beschluss aller Miterben erfordern würde), sondern entsprechend der eingehenden und überzeugenden Begründung des Thüringer OLG (GmbHR 2013, 149 – Tz. 49, 53) um eine Maßnahme ordnungsgemäßer Verwaltung.

5. Eine andere Bewertung ergibt sich auch nicht daraus, dass der Erblasser mit letztwilliger Verfügung den Willen bekundete, dass der Abberufene Geschäftsführer der Gesellschafter sein soll. Letzterem Umstand kann zwar Bedeutung zukommen, soweit der Erblasser seinen Willen in einer Form zur rechtlichen Geltung gebracht hat, die eine gegenwärtige Bindung der Erben bewirkt; jedoch ist selbst dies nicht geeignet, die Abberufung entgegen diesem Willen dem Bereich ordnungsgemäßer Verwaltung im Sinn von §§ 2038 Abs. 2, 745 BGB zu entziehen.

6. Die Ordnungsmäßigkeit einer Maßnahme – zur Nachlassverwaltung gehören alle Maßregeln zur Verwahrung, Sicherung, Erhaltung und Vermehrung sowie zur Gewinnung der Nutzung und Bestreitung der laufenden Verbindlichkeiten – ist aus objektiver Sicht zu beurteilen; entscheidend ist der Standpunkt eines vernünftig und wirtschaftlich denkenden Beurteilers (s. etwa BGHZ 183, 140 – Tz. 33). Ordnungsgemäßer Verwaltung entsprechen alle Maßnahmen, die nach den individuellen Gegebenheiten im Zeitpunkt der Beschlussfassung vernünftig erscheinen; eine allgemeine Zweckmäßigkeits- oder Inhaltskontrolle, bei der die Minderheit oder das Gericht die Auffassung der Mehrheit ersetzen könnte, findet indes nicht statt (vgl. Münchener Kommentar zum BGB/K. Schmidt, 6. Aufl., §§ 744, 745 Rn. 22; auch Staudinger/Langhein, BGB, Neubearbeitung 2008, § 745 Rn. 5), wenn auch die berechtigten Interessen der Minderheit nicht übergangen werden dürfen (vgl. Staudinger/Langhein, BGB, Neubearbeitung 2008, § 745 Rn. 5).

7. Es besteht jedoch ein Ermessensspielraum für die Mehrheit, auch ist ein Beschluss nicht schon dann nicht mehr ordnungsgemäß, wenn nicht die optimale, sondern eine weniger zweckmäßige Lösung beschlossen worden ist; die Voraussetzung ordnungsgemäßer Verwaltung verhilft nur in seltenen Ausnahmefällen zur Inhaltskontrolle (vgl. Münchener Kommentar zum BGB/K. Schmidt, 6. Aufl., §§ 744, 745 Rn. 28; vgl. auch Staudinger/Langhein, BGB, Neubearbeitung 2008, § 745 Rn. 5).

8. Ist eine Abberufung des GeschäftsführersBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Abberufung
Abberufung des Geschäftsführers
nach den einschlägigen gesellschaftsrechtlichen Bestimmungen gemäß § 38 Abs. 1 GmbHG jederzeit frei möglich, ist eine Abberufung (insbesondere wenn mit dem Geschäftsführer schwer wiegende Streitigkeiten ausgetragen werden) nicht als dermaßen sachwidrig einzustufen, dass sie nicht mehr als Maßnahme ordnungsgemäßer Verwaltung einzustufen wäre. An diesem Ergebnis änderte sich selbst dann nichts, wenn die Mehrheit bei der Entscheidung für die Abberufung des Klägers erbrechtlichen Vorgaben ausgesetzt gewesen wäre und diese verletzt hätte. Ein solcher Verstoß zeitigte ggf. eigenständige, von der Frage der mit der Einstufung in den Bereich ordnungsgemäßer Verwaltung verbundenen Wirkungen abgesetzte Rechtsfolgen, führte aber nicht zur Ausgrenzung der in Frage stehenden Maßnahme aus dem Bereich ordnungsgemäßer Verwaltung.

9. Beim Einfluss auf das Stimmrecht und die Geschäftsführung handelt es sich nicht um Früchte (§ 2184 S. 1 BGB), sondern um Vorteile/Nutzungen des vermachten Gegenstands (§ 2184 S. 2 BGB), welche der Gebrauch der Sache oder des Rechts gewährt (§ 100 BGB) (s. etwa RGZ 118, 266, 268; Staudinger/Jickeli/Stieper, BGB, Neubearbeitung 2011, § 100 Rn. 7; Demuth, BB 2001, 945).

10. Das relative Recht aus einem Vermächtnis kann dem Vermächtnisnehmer Rechte gegen die den Gesellschaftsanteil haltende Erbengemeinschaft vermitteln, sofern diese über den Gegenstand des Vermächtnisses, den dem Vermächtnisnehmer zugedachten Gesellschaftsanteil, in einer Art und Weise verfügt oder diesen sonst in einer Art und Weise verwaltet, die dem Vermächtnisnehmer nachteilig ist, insbesondere diesen Gegenstand schädigt (vgl. etwa Demuth, BB 2001, 945, 947); insofern kommt in Betracht, dass die Erben bei der Verwaltung des Gesellschaftsanteils die Interessen der Vermächtnisnehmer zu berücksichtigen haben (so etwa Demuth, BB 2001, 947; vgl. etwa auch Soergel/Wolf, BGB, 13. Aufl., § 2147 Rn. 6).

11. Ein wichtiger Grund zur Abberufung jedes von mehreren Geschäftsführern liegt bereits in dem Umstand, dass diese untereinander so zerstritten sind, dass eine Zusammenarbeit zwischen ihnen nicht mehr möglich ist, soweit der jeweils Abzuberufende durch sein – nicht notwendigerweise schuldhaftes – Verhalten zu dem Zerwürfnis beigetragen hat, wobei es für die Beurteilung, ob zwischen Geschäftsführern ein unheilbares Zerwürfnis eingetreten ist, nicht entscheidend auf ein etwaiges Verschulden der beteiligten Geschäftsführer, sondern vielmehr darauf ankommt, ob unter den gegebenen Umständen eine gedeihliche Zusammenarbeit noch zu erwarten ist (vgl. BGH, GmbHR 1992, 299, 300 f.; ferner z. B. BGH, GmbHR 2009, 434, 435 m. A. Werner, GmbHR 2009, 435, 436 f.; ebenso etwa Senat, GmbHR 2013, 414 – Tz. 167; OLG KölnBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG Köln
, GmbHR 2011, 135 – Tz. 27;Münchener Kommentar zum GmbHG/Stephan/Tieves, 1. Aufl., § 38 Rn. 88, 98 [„Zerrüttung“]; Schneider/Schneider, in: Scholz, GmbHG, 11. Aufl., § 38 Rn. 50); es ist auch nicht entscheidend, wessen Verschuldensanteil überwiegt (s. etwa OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG München
, Urt. v. 22.07.2010 – 23 U 4147/09 – Tz. 35 f.; vgl. auch Schneider/Schneider, in: Scholz, GmbHG, 11. Aufl., § 38 Rn. 50), auf die Verursachens- und Verschuldensbeiträge kommt es vielmehr nicht an (s. OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG München
, Urt. v. 22.07.2010 – 23 U 4147/09 – Tz. 35; Münchener Kommentar zum GmbHG/Stephan/Tieves, 1. Aufl., § 38 Rn. 88; tendenziell anders aber wohl etwa Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 20. Aufl., § 38 Rn. 13).

12. Im Falle dauerhaften Streits zwischen Geschäftsführern, der ein gedeihliches Zusammenwirken gefährdet oder gar ausschließt, im Falle unbehebbarer Verfeindung muss nicht der überwiegend schuldige Geschäftsführer, sondern es kann derjenige abberufen werden, auf dessen Mitwirkung weniger Wert gelegt wird (Münchener Kommentar zum GmbHG/Stephan/Tieves, 1. Aufl., § 38 Rn. 98; Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 20. Aufl., § 38 Rn. 13), ein Anspruch auf Gleichbehandlung besteht nicht (s. etwa Schneider/Schneider, in: Scholz, GmbHG, 11. Aufl., § 38 Rn. 50).

13. Streitig ist allerdings, ob auch ein Geschäftsführer aus wichtigem Grund abberufen werden kann, der zu dem Streit nichts beigetragen hat (bejahend Münchener Kommentar zum GmbHG/Stephan/Tieves, 1. Aufl., § 38 Rn. 88 m. N. zum Streitstand in Fn. 177).

Leitsatz

1. Die u.a. für den Fall der Berechtigung einer Miterbengemeinschaft an einem Gesellschaftsanteil anwendbare Vorschrift des § 18 Abs. 1 GmbHG soll nur verhindern, dass die Anteilsrechte von den einzelnen Mitberechtigten unterschiedlich ausgeübt werden. Dazu kommt es nicht, wenn nur einer oder ein Teil der Miterben das Recht mit Wirkung für alle ausübt. Die gemeinschaftliche Rechtsausübung kann insbesondere dadurch erfolgen, dass die Mitberechtigten einen gemeinsamen Vertreter bestellen.

2. Die Mehrheit der Miterben kann, hat sie abgedeckt durch §§ 2038 Abs. 2, 745 BGB eine ordnungsgemäße Maßnahme zur Verwaltung des Nachlasses – zumindest, soweit sie nicht Verfügung ist – beschlossen, die Maßnahme auch ohne die Mitwirkung der überstimmten Miterben mit Wirkung für und gegen die Erbengemeinschaft ausführen. § 18 Abs. 1 GmbHG steht einer solchen Ausführung nicht entgegen.

3. Zur Einordnung der Abberufung des GeschäftsführersBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Abberufung
Abberufung des Geschäftsführers
einer Gesellschaft, deren Anteile sich noch im ungeteilten Nachlass befinden, als Maßnahme ordnungsgemäßer Verwaltung des Nachlasses.

4. Zu den Auswirkungen eines noch unerfüllten Vermächtnisanspruchs an in ungeteilter Erbengemeinschaft gehaltenen GmbH-Anteilen auf Stimmrecht und Geschäftsführung in der GmbH.

5. Zu den Voraussetzungen einer Abberufung eines von mehreren GmbH-Geschäftsführern aus wichtigem Grund wegen eines zwischen den Geschäftsführern eingetretenen unheilbaren Zerwürfnisses.

Tenor

1. Die Parteien werden darauf hingewiesen, dass der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 21. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Tübingen vom 24.01.2014 – 21 O 33/13 – gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen.

2. Der Kläger erhält Gelegenheit zur Stellungnahme und gegebenenfalls auch zur Zurücknahme der Berufung bis 08.10.2014.

Streitwert des Berufungsverfahrens: 100.000,00 €.

Gründe

Die Berufung ist zulässig, jedoch unbegründet. Es liegen die Voraussetzungen für eine Entscheidung durch Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO vor. Der Senat rät zur Zurücknahme der Berufung.

I.

Es bedarf keiner Entscheidung, ob dem Kläger – wie die Beklagte meint – ganz oder teilweise bereits die Aktivlegitimation bzw. die Anfechtungsbefugnis fehlt und sich die Entscheidung des Landgerichts – die Anfechtungsbefugnis ist nach h. M., die der Senat teilt, materiell-rechtliche Sachbefugnis, weshalb bei ihrem Fehlen die Klage als unbegründet abzuweisen ist (s. etwa OLG DüsseldorfBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG Düsseldorf
, GmbHR 1996, 443, 451; Großkommentar zum GmbHG/Raiser, 1. Aufl., Anh. § 47 Rn. 167; Münchener Kommentar zum GmbHG/Wertenbruch, 1. Aufl., § 47 Anh. Rn. 172; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 20. Aufl., Anh § 47 Rn. 135; a. A. K. Schmidt, in: Scholz, GmbHG, 11. Aufl., § 45 Rn. 127 [m. w. N. zur h. M. in Fn. 2]: Abweisung als unzulässig) – insoweit schon deshalb als im Ergebnis richtig darstellt. Denn jedenfalls leidet der angegriffene Beschluss nicht an Mängeln, wie das Landgericht zutreffend entschieden hat. Zumindest deshalb ist die Entscheidung des Landgerichts richtig.

1. Ohne Erfolg beruft sich der Kläger in seiner Berufung auf § 2211 Abs. 1 BGB. Die Vorschrift ist unanwendbar, weil die Testamentsvollstreckung mit Kündigung durch Notar a. D. B vom 22.04.2013 ohne Benennung eines Nachfolgers beendet war, nachdem eine Ernennung durch das Nachlassgericht nach § 2200 Abs. 1 BGB nicht in Betracht kam (vgl. etwa Staudinger/Reimann, BGB, Neubearbeitung 2012, § 2211 Rn. 6). Hinsichtlich des zuletzt genannten Aspekts schließt sich der Senat jedenfalls in der Sache den Darlegungen des 8. Zivilsenats in seinem Beschluss 18.07.2013 (8 W 210/13) an; auf die Frage der Rechtskraftwirkung dieser Entscheidung (vgl. hierzu etwa Staudinger/Reimann, BGB, Neubearbeitung 2012, § 2211 Rn. 21 ff.) kommt es somit nicht an. Die Einwände der Berufung sind nicht geeignet, die Überlegungen des 8. Zivilsenats in Frage zu stellen. Dass es dem Erblasser nicht lediglich um das Ob der Testamentsvollstreckung ging, sondern ganz entscheidend auch um das Wie, zeigen die detaillierten Bestimmungen zur Person des bzw. der Testamentsvollstrecker in den letztwilligen Verfügungen nach Ansicht des Senats deutlich; wer ihm so hinreichend vertraut war, dass er ihn zum Testamentsvollstrecker bestimmte, konnte unabhängig davon nur der Erblasser selbst entscheiden, und er hat dies ja auch entschieden.

2. Zu Unrecht rügt die Berufung, das Landgericht habe verkannt, dass es im Streitfall hinsichtlich des Abberufungsbeschlusses gemeinschaftlicher Rechtsausübung und einstimmiger Beschlussfassung bedurft habe.

a) Die hier getroffene Mehrheitsentscheidung ist – wie die Berufung selbst wohl nicht mehr in Abrede stellt – nicht etwa bereits unabhängig davon, ob sie als Maßnahme ordnungsgemäßer Verwaltung des Nachlasses nach den einschlägigen erbrechtlichen Vorschriften der §§ 2038 Abs. 2, 745 BGB zulässig war, wegen eines Verstoßes gegen § 18 Abs. 1 GmbHG unzulässig, der angegriffene Beschluss ist folglich nicht schon im Hinblick darauf anfechtbar oder gar nichtig.

aa) Die allerdings u.a. für den Fall der Berechtigung einer Miterbengemeinschaft an einem Gesellschaftsanteil anwendbare (s. nur Thüringer OLG, GmbHR 2013, 149Tz. 51) und damit auch im Streitfall grundsätzlich einschlägige Vorschrift des § 18 Abs. 1 GmbHG soll – wie in der Rechtsprechung, der der Senat folgt und die auch in der Literatur (s. statt aller Münchener Kommentar zum GmbHG/Reichert/Weller, 1. Aufl., § 18 Rn. 57 ff.) überwiegend Billigung findet, seit langem geklärt ist (s. nur etwa die Darstellung mit umfangreichen Nachweisen bei OLG Karlsruhe, GmbHR 2014, 254Tz. 15 f.; s. ferner etwa Thüringer OLG, NZG 2012, 782Tz. 40; Thüringer OLG, GmbHR 2013, 149Tz. 53) – nur verhindern, dass die Anteilsrechte von den einzelnen Mitberechtigten unterschiedlich ausgeübt werden. Dazu kommt es nicht, wenn nur einer oder ein Teil der Miterben das Recht mit Wirkung für alle ausübt (BGHZ 108, 21Tz. 28). Die gemeinschaftliche Rechtsausübung kann insbesondere dadurch erfolgen, dass die Mitberechtigten einen gemeinsamen Vertreter bestellen (s. etwa BGHZ 49, 183, 191). So lag es hier.

bb) Es ist entgegen der Auffassung der Berufung in der Rechtsprechung, von der abzuweichen der Senat auch diesbezüglich keinen Anlass sieht, ferner seit langem geklärt, dass die Mehrheit der Miterben, hat sie abgedeckt durch §§ 2038 Abs. 2, 745 BGB eine ordnungsgemäße Maßnahme zur Verwaltung des Nachlasses – zumindest, soweit sie nicht Verfügung ist – beschlossen, die Maßnahme auch ohne die Mitwirkung der überstimmten Miterben mit Wirkung für und gegen die Erbengemeinschaft ausführen kann (so bereits BGHZ 56, 47Tz. 17 ff.; s. aus neuerer Zeit nur etwa KG, FamRZ 2011, 1254Tz. 43). § 18 Abs. 1 GmbHG steht einer solchen Ausführung – was die Berufung aber wohl auch nicht in Abrede stellt – ebenfalls nicht entgegen.

b) Der Senat folgt der Berufung auch nicht in ihrer Auffassung, bei der Abberufung des GeschäftsführersBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Abberufung
Abberufung des Geschäftsführers
einer Gesellschaft, deren Anteile sich noch im ungeteilten Nachlass befinden, handle es sich grundsätzlich nicht um eine Maßnahme ordnungsgemäßer Verwaltung, sondern um eine außerordentliche Verwaltungsmaßnahme, die einen einstimmigen Beschluss aller Miterben erfordere. Dass das Gegenteil der Fall ist, hat insbesondere das Thüringer OLG (GmbHR 2013, 149Tz. 49, 53) eingehend und überzeugend begründet, worauf sich sowohl das Landgericht als auch die Beklagte u.a. in ihrer Berufungserwiderung bezogen haben. Der Senat folgt dieser Sicht; die Berufung vermag nichts aufzuzeigen, was ihr entgegenstehen könnte.

aa) Aus den hier vorliegenden besonderen Umständen des Falles ergibt sich entgegen der Sicht der Berufung nichts anderes, und zwar weder im Hinblick darauf, dass der Kläger hier als einer von zwei Geschäftsführern abberufen wurde, und auch nicht im Hinblick darauf, dass der Erblasser in der letztwilligen Verfügung vom 14.01.2010 (Anlage KS & P 13) den Willen bekundete, der Kläger solle Geschäftsführer der Beklagten sein. Letzterem Umstand kann zwar Bedeutung zukommen, soweit der Erblasser seinen Willen in einer Form zur rechtlichen Geltung gebracht hat, die eine gegenwärtige Bindung der Erben bewirkt; jedoch ist selbst dies – noch ist es gar der Umstand, dass ein solcher Erblasserwille vorliegt – nicht geeignet, die Abberufung entgegen diesem Willen dem Bereich ordnungsgemäßer Verwaltung im Sinn von §§ 2038 Abs. 2, 745 BGB zu entziehen. Erst recht gilt dies für die hier vorliegende Konstellation einer Abberufung eines von zwei Geschäftsführern.

bb) Es liegt im Streitfall entgegen der Ansicht der Berufung schließlich auch nicht deshalb anders, weil hier ein tief greifendes Zerwürfnis einzelner Miterben untereinander vorliegt, insbesondere zwischen dem Kläger und dem (weiteren) Geschäftsführer der Beklagten. Wenn die Berufung unter Verweis darauf in Abrede stellt, dass es sich bei der Abberufung des Klägers um eine ordnungsgemäße Verwaltungsmaßnahme handelt, ist dementsprechend auch das nicht berechtigt.

(1) Die Ordnungsmäßigkeit einer Maßnahme – zur Nachlassverwaltung gehören alle Maßregeln zur Verwahrung, Sicherung, Erhaltung und Vermehrung sowie zur Gewinnung der Nutzung und Bestreitung der laufenden Verbindlichkeiten – ist aus objektiver Sicht zu beurteilen; entscheidend ist der Standpunkt eines vernünftig und wirtschaftlich denkenden Beurteilers (s. etwa BGHZ 183, 140Tz. 33). Ordnungsgemäßer Verwaltung entsprechen alle Maßnahmen, die nach den individuellen Gegebenheiten im Zeitpunkt der Beschlussfassung vernünftig erscheinen; eine allgemeine Zweckmäßigkeits- oder Inhaltskontrolle, bei der die Minderheit oder das Gericht die Auffassung der Mehrheit ersetzen könnte, findet indes nicht statt (vgl. Münchener Kommentar zum BGB/K. Schmidt, 6. Aufl., §§ 744, 745 Rn. 22; auch Staudinger/Langhein, BGB, Neubearbeitung 2008, § 745 Rn. 5), wenn auch die berechtigten Interessen der Minderheit nicht übergangen werden dürfen (vgl. Staudinger/Langhein, BGB, Neubearbeitung 2008, § 745 Rn. 5). Es besteht jedoch ein Ermessensspielraum für die Mehrheit, auch ist ein Beschluss nicht schon dann nicht mehr ordnungsgemäß, wenn nicht die optimale, sondern eine weniger zweckmäßige Lösung beschlossen worden ist; die Voraussetzung ordnungsgemäßer Verwaltung verhilft nur in seltenen Ausnahmefällen zur Inhaltskontrolle (vgl. Münchener Kommentar zum BGB/K. Schmidt, 6. Aufl., §§ 744, 745 Rn. 28; vgl. auch Staudinger/Langhein, BGB, Neubearbeitung 2008, § 745 Rn. 5).

(2) Ein solcher Ausnahmefall liegt hier entgegen der Ansicht der Berufung nicht vor. Die Abberufung des Klägers war hier zumindest im Ausgangspunkt und nach den einschlägigen gesellschaftsrechtlichen Bestimmungen gemäß § 38 Abs. 1 GmbHG jederzeit frei möglich, eine Beschränkung nach § 38 Abs. 2 Satz 1 GmbHG enthält der Gesellschaftsvertrag der Beklagten unstreitig nicht. Allein schon der ebenfalls unstreitige Umstand, dass zwischen dem Kläger und dem (weiteren) Geschäftsführer der Beklagten schwer wiegende Streitigkeiten ausgetragen werden, lässt die Abberufung des Klägers zumindest nicht in einem Maße sachwidrig erscheinen, dass hier auch nur entfernt der Bereich betroffen wäre, in dem die Abberufung nach den dargestellten Grundsätzen nicht mehr als Maßnahme ordnungsgemäßer Verwaltung einzustufen wäre, zumal im Gegenteil ein wichtiger Grund für die Abberufung des Klägers gegeben war (dazu noch unten unter I 4 b). An diesem Ergebnis änderte sich selbst dann nichts, wenn die Mehrheit bei der Entscheidung für die Abberufung des Klägers erbrechtlichen Vorgaben ausgesetzt gewesen wäre und diese verletzt hätte. Ein solcher Verstoß zeitigte – was separat zu prüfen wäre – ggf. eigenständige, von der Frage der mit der Einstufung in den Bereich ordnungsgemäßer Verwaltung verbundenen Wirkungen abgesetzte Rechtsfolgen, führte aber nicht zur Ausgrenzung der in Frage stehenden Maßnahme aus dem Bereich ordnungsgemäßer Verwaltung. Abgesehen davon liegt ein solcher Verstoß gegen erbrechtliche Vorgaben nicht vor (dazu sogleich näher).

3. Der Senat folgt der Berufung auch nicht darin, dass die erhobene Klage aus § 242 BGB begründet sei.

a) Unabhängig davon, dass sich der Kläger – worauf die Berufungserwiderung zutreffend hinweist – mit diesem Vorbringen in Widerspruch setzt zu seiner zu § 2211 BGB vertretenen Auffassung, teilt der Senat nicht die Ansicht der Berufung, die im Streit stehenden Beschlussfassungen seien treuwidrig angesichts des Umstands, dass die Miterbengemeinschaft die Erfüllung der ausgesetzten Vermächtnisse und damit die Übertragung der Gesellschaftsanteile an der Beklagten verweigere und sich nur dadurch die Möglichkeit verschafft habe, den angefochtenen Beschluss herbeizuführen. Für diese Sicht ist nach Ansicht des Senats – auch darauf weist die Berufungserwiderung zutreffend hin – schon angesichts des zeitlichen Ablaufs kein Raum, kündigte der Testamentsvollstrecker B doch erst mit Wirkung zum 10.05.2013. Abgesehen davon steht es den Miterben jedenfalls im Grundsatz frei, die Wirksamkeit der letztwilligen Verfügung, mit der die Vermächtnisse ausgesetzt wurden, auf dem Rechtsweg prüfen zu lassen; ob bei offensichtlich und eindeutig missbräuchlichem Beschreiten des Rechtswegs anderes gelten könnte, bedarf keiner Entscheidung, weil zumindest ein solcher Fall hier nicht vorliegt.

b) Die für den Fall der Wirksamkeit des ausgesetzten Vermächtnisses bestehende schuldrechtliche Bindung als solche gibt dem Kläger keine Rechtsposition, die seine Klage begründet machen könnte. Einfluss auf Stimmrecht und Geschäftsführung der Beklagten steht ihm allein aus dem relativen Recht, das ihm aufgrund der Vermächtnisanordnung im Falle ihrer Wirksamkeit zustünde, nicht zu: § 2184 Satz 1 weist dem Vermächtnisnehmer zwar seit dem Anfall des Vermächtnisses die Früchte zu, für die Vorteile, welche der Gebrauch der Sache oder des Rechts gewährt (§ 100 BGB), gilt jedoch gemäß § 2184 Satz 2 BGB gerade anderes. Um solche Vorteile handelt es sich indes beim Einfluss auf Stimmrecht und Geschäftsführung (s. etwa RGZ 118, 266, 268; Staudinger/Jickeli/Stieper, BGB, Neubearbeitung 2011, § 100 Rn. 7; Demuth, BB 2001, 945).

c) Immerhin mag das relative Recht aus dem ggf. wirksamen Vermächtnis dem Kläger Rechte gegen die den Gesellschaftsanteil haltende Erbengemeinschaft vermitteln, sofern diese über den Gegenstand des Vermächtnisses, den dem Kläger zugedachten Gesellschaftsanteil, in einer Art und Weise verfügt oder diesen sonst in einer Art und Weise verwaltet, die dem Kläger nachteilig ist, insbesondere diesen Gegenstand schädigt (vgl. etwa Demuth, BB 2001, 945, 947); und insofern – nicht aber in dem von der Berufung gewünschten, von ihr mit einem fehlgehenden Hinweis auf Münchener Kommentar zum BGB/Rudy, 6. Aufl., § 2174 Rn. 10 untermauerten, deutlich weiter gehenden Umfang – kommt in Betracht, dass die Erben bei der Verwaltung des Gesellschaftsanteils die Interessen der Vermächtnisnehmer zu berücksichtigen haben (so etwa Demuth, BB 2001, 947; vgl. etwa auch Soergel/Wolf, BGB, 13. Aufl., § 2147 Rn. 6). Ob dieser Ausgangspunkt indes tatsächlich richtig ist, kann für den Streitfall dahinstehen. Denn es fehlt jeder Anhaltspunkt dafür, dass die Abberufung des Klägers eine derart schädigende Wirkung gehabt hat. Das hat bereits das Landgericht – wenn auch unter einem anderen rechtlichen Ausgangspunkt – im Zusammenhang mit der Erörterung, inwieweit die Vermächtnisanordnung der im Streit stehenden Abberufung entgegenstehe, unter Hinweis darauf klargestellt, dass die Erhaltung des Nachlasses auch nach dem Vortrag des Klägers in keinster Weise gefährdet sei (s. S. 24 des angefochtenen Urteils). Hiergegen wendet sich die Berufung nicht (S. 13 der Berufungsbegründung).

4. Aus der in § 2 der als Anlage KS & P 13 vorgelegten letztwilligen Verfügung vom 14.01.2010 angeordneten Auflage folgt – unabhängig davon, ob die letztwillige Verfügung wirksam ist, was hier dahin steht – für den Streitfall kein anderes Ergebnis.

a) Das ergibt sich bereits daraus, dass diese Auflage lediglich die Bestellung des Klägers als Geschäftsführer der Beklagten unverzüglich nach dem Erbfall zum Gegenstand hat, nicht hingegen den Widerruf der einmal erfolgten Bestellung. Der Senat teilt im Ergebnis die Ansicht des Landgerichts, bereits die Bestellung des Klägers zum Geschäftsführer der Beklagten habe die Erfüllung dieser Auflage zur Folge, diese vermittle dem Kläger – wobei dahin steht, ob sich eine etwaige erbrechtliche Bindung der Miterben, die sich bei abweichendem Verständnis der Auflage ergeben könnte, überhaupt auf die hier allein entscheidende Wirksamkeit des Abberufungsbeschlusses auswirken könnte, was die Beklagte in ihrer Berufungserwiderung in Abrede stellt – von vornherein keine darüber hinausgehenden Rechte, unter Berufung auf die er sich gegen den hier im Streit stehenden Beschluss möglicherweise wenden könne.

aa) Die Auffassung, dass die in Rede stehende Auflage lediglich die Bestellung des Klägers als Geschäftsführer der Beklagten unverzüglich nach dem Erbfall zum Gegenstand hat, nicht hingegen den Widerruf der einmal erfolgten Bestellung, entspricht dem klaren Wortlaut der als Anlage KS & P 13 vorgelegten letztwilligen Verfügung vom 14.01.2010. Die Regelungen sind ihrem Text nach ausschließlich auf die Bestellung bezogen. Sie, wie von dem Kläger gewünscht, erweiternd auszulegen, liegt im Hinblick darauf nicht nahe, zudem deshalb nicht, weil es sich um ein notarielles Testament handelt. Abgesehen davon hat der Erblasser detailliert und mehrfach – notariell – von Todes wegen verfügt, er hat stets sehr detaillierte Anordnungen getroffen (vgl. auch schon OLG Stuttgart, Beschluss vom 18.07.2013 – 8 W 210/13 – Umdruck, S. 8 unten). Das gilt auch für die hier in Rede stehende Belastung der Miterben durch die Auflage. Er hat zudem diese Auflage durch den als Anlage KS & P 12 vorgelegten Gesellschafterbeschluss – auf dessen Wirksamkeit und Wirkungen es hier im Einzelnen nicht ankommt – ebenfalls vom 14.01.2010 flankiert, was gleichermaßen zeigt, dass er eine aus seiner Sicht vollständige, alle Eventualitäten berücksichtigende und regelnde Vereinbarung getroffen hat. Das erweiternde Verständnis, das der Kläger der Auflage beilegen möchte, überzeugt den Senat von hier aus nicht. Für diese Sicht spricht im Übrigen auch, dass dem Erblasser die gesellschaftsrechtliche Situation, die einen Widerruf der Geschäftsführerbestellung ohne wichtigen Grund erlaubte, bekannt gewesen sein muss. Hätte er insoweit in Bezug auf den Kläger abändernde Regelungen treffen wollen, ist anzunehmen, dass er diese ausdrücklich und zweifelsfrei getroffen hätte.

bb) Der Senat vermag der Berufung auch nicht darin zu folgen, ein solches Verständnis widerspreche dem Erblasserwillen, weil dieser ausweislich der Bemerkung in § 1 der letztwilligen Verfügung vom 14.01.2010 habe sicherstellen wollen, dass der Kläger Geschäftsführer wird. Auch diese Feststellung bezieht sich ihrer Formulierung nach allein auf die Bestellung des Klägers (… „Geschäftsführer“ … „wird“). Die getroffene Regelung stellt – insbesondere bei Berücksichtigung des Gesellschafterbeschlusses vom 14.01.2010 – zumindest aus Sicht des Erblassers sicher, dass der Kläger sogleich mit dem Erbfall die Position eines Geschäftsführers der Beklagten erlangt. Dafür, dass es für die Zeit danach nicht bei den nach dem Gesellschaftsvertrag geltenden Regelungen für die Abberufung verbleiben sollte, die immerhin auch in diesem Zeitraum eines an gewisse Voraussetzungen geknüpften positiven Tätigwerdens bedurfte, fehlt ein ausreichender Anhalt.

b) Selbst wenn jedoch die Auffassung der Berufung, aus der in § 2 der letztwilligen Verfügung vom 14.01.2010 angeordneten Auflage ergebe sich, dass nach Bestellung des Klägers zum Geschäftsführer seine Abberufung nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes möglich sei, würde dies im Ergebnis nichts ändern. Denn die im Streit stehende Abberufung des Klägers war jedenfalls durch einen wichtigen Grund im Sinne von § 38 Abs. 2 GmbHG getragen.

aa) Ein wichtiger Grund zur Abberufung jedes von mehreren Geschäftsführern liegt bereits in dem Umstand, dass diese untereinander so zerstritten sind, dass eine Zusammenarbeit zwischen ihnen nicht mehr möglich ist, soweit der jeweils Abzuberufende durch sein – nicht notwendigerweise schuldhaftes – Verhalten zu dem Zerwürfnis beigetragen hat, wobei es für die Beurteilung, ob zwischen Geschäftsführern ein unheilbares Zerwürfnis eingetreten ist, nicht entscheidend auf ein etwaiges Verschulden der beteiligten Geschäftsführer, sondern vielmehr darauf ankommt, ob unter den gegebenen Umständen eine gedeihliche Zusammenarbeit noch zu erwarten ist (vgl. BGH, GmbHR 1992, 299, 300 f.; ferner z. B. BGH, GmbHR 2009, 434, 435 m. A. Werner, GmbHR 2009, 435, 436 f.; ebenso etwa Senat, GmbHR 2013, 414Tz. 167; OLG KölnBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG Köln
, GmbHR 2011, 135 – Tz. 27;Münchener Kommentar zum GmbHG/Stephan/Tieves, 1. Aufl., § 38 Rn. 88, 98 [„Zerrüttung“]; Schneider/Schneider, in: Scholz, GmbHG, 11. Aufl., § 38 Rn. 50); es ist auch nicht entscheidend, wessen Verschuldensanteil überwiegt (s. etwa OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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, Urt. v. 22.07.2010 – 23 U 4147/09 – Tz. 35 f.; vgl. auch Schneider/Schneider, in: Scholz, GmbHG, 11. Aufl., § 38 Rn. 50), auf die Verursachens- und Verschuldensbeiträge kommt es vielmehr nicht an (s. OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG München
, Urt. v. 22.07.2010 – 23 U 4147/09 – Tz. 35; Münchener Kommentar zum GmbHG/Stephan/Tieves, 1. Aufl., § 38 Rn. 88; tendenziell anders aber wohl etwa Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 20. Aufl., § 38 Rn. 13). Im Falle dauerhaften Streits zwischen Geschäftsführern, der ein gedeihliches Zusammenwirken gefährdet oder gar ausschließt, im Falle unbehebbarer Verfeindung muss nicht der überwiegend schuldige Geschäftsführer, sondern es kann derjenige abberufen werden, auf dessen Mitwirkung weniger Wert gelegt wird (Münchener Kommentar zum GmbHG/Stephan/Tieves, 1. Aufl., § 38 Rn. 98; Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 20. Aufl., § 38 Rn. 13), ein Anspruch auf Gleichbehandlung besteht nicht (s. etwa Schneider/Schneider, in: Scholz, GmbHG, 11. Aufl., § 38 Rn. 50). Streitig ist allerdings, ob auch ein Geschäftsführer aus wichtigem Grund abberufen werden kann, der zu dem Streit nichts beigetragen hat (bejahend Münchener Kommentar zum GmbHG/Stephan/Tieves, 1. Aufl., § 38 Rn. 88 m. N. zum Streitstand in Fn. 177).

bb) Nach diesen Maßstäben war die im Streit stehende Abberufung des Klägers von einem wichtigen Grund getragen.

(1) Unter anderem er und der (weitere) Geschäftsführer der Beklagten sind – wie das Landgericht festgestellt hat – untereinander so zerstritten, dass eine Zusammenarbeit zwischen ihnen nicht mehr möglich ist. Dass diese Feststellung richtig ist, zeigt schon die Vielzahl der rechtlichen Streitigkeiten, die auch zwischen diesen beiden Personen unstreitig gerichtlich anhängig sind bzw. ausgetragen wurden. Das bestehende Zerwürfnis stellt die Berufung im Übrigen selbst nicht in Abrede.

(2) Dass der Kläger – wie die Berufung geltend macht – hierzu nichts beigetragen habe, trifft nicht zu. Weiterer Aufklärung durch den Senat bedarf dieser Aspekt nicht.

(a) Das Landgericht hat Feststellungen dazu getroffen, dass und wie der Kläger versucht hat, von ihm für notwendig erachtete Unterlagen zu erlangen und wie er versucht hat, dieses Begehren gegenüber Mitarbeitern des Betriebs durchzusetzen; der Senat verweist insofern auf die Darstellung auf S. 22 f. des angefochtenen Urteils. Hiergegen wendet sich der Kläger – lediglich – zum einen mit der Behauptung, seine Informationsverlangen seien als solche nicht unberechtigt gewesen, vielmehr habe ihm der (weitere) Geschäftsführer der Beklagten die zur Wahrnehmung von Aufgaben des Klägers erforderlichen Informationen vorenthalten. Zum anderen rechtfertigt der Kläger sein Herantreten an den Mitarbeiter E. damit, ein Geschäftsführer müsse sich nicht gefallen lassen, dass ihm ein Mitarbeiter des Unternehmens die Einsicht in Unterlagen verweigere mit Hinweis darauf, er wolle zunächst anwaltliche Auskunft abwarten; ferner stellt der Kläger in Abrede, dass er diesem Mitarbeiter – ebenso wenig wie der Mitarbeiterin K. – arbeitsrechtliche Konsequenzen angedroht habe. Schließlich bringt die Berufung vor, der Kläger habe niemals Mitarbeiter der Beklagten bedroht und er habe auch nicht zu einer Störung des Betriebsfriedens beigetragen.

(b) Die erwähnten, von der Berufung aufgegriffen Punkte bedürfen indes keiner weiteren Aufklärung. Es steht fest, dass zumindest auch die Art und Weise des Auftretens des Klägers gegenüber den Mitarbeitern E. und K. und sein darin jedenfalls zum Ausdruck gekommenes nachdrückliches Bemühen, an die von ihm für nötig gehaltenen Informationen zu gelangen, zu dem Zerwürfnis zwischen dem Kläger und dem (weiteren) Geschäftsführer der Beklagten beigetragen haben. Schon deshalb war die Abberufung des Klägers durch einen wichtigen Grund getragen. Erheblich ist hierfür allein, dass zwischen den Geschäftsführern ein unheilbares Zerwürfnis entstanden ist und im Übrigen noch immer besteht, zu dem der Kläger zumindest durch seine erwähnten Versuche, an Informationen zu gelangen, beigetragen hat. Auf ein Verschulden des Klägers kommt es nicht an. Auch die Frage, ob oder ggf. unter welchen Voraussetzungen die Informationsverlangen des Klägers an sich berechtigt waren oder gewesen sein könnten und ob ihm Informationen zu Unrecht vorenthalten worden sind, ist dementsprechend im hier entscheidenden Zusammenhang nicht erheblich. Ebenso wenig ist entscheidend, ob der Kläger die Mitarbeiter in einer Art und Weise „angegangen“ hat, die man geradezu als „Bedrohung“ der Mitarbeiter zu bezeichnen hat, insbesondere kommt es nicht darauf an, ob er ihnen gerade mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen gedroht hat. Und schließlich kann auch dahin stehen, ob und ggf. inwieweit der Kläger durch seine Informationsverlangen eine Situation geschaffen hat, die mit dem Begriff einer Störung des Betriebsfriedens zu beschreiben wäre. All diese Aspekte sind unerheblich, weil es nicht darum geht, die Streitigkeiten zwischen den Geschäftsführern zu bewerten und zu entscheiden, wer von ihnen hinsichtlich der Handhabung der Informationsrechte des Klägers in seiner seinerzeitigen Position als Geschäftsführer im Recht ist und wer nicht. Es geht allein darum, ob eine zumindest auch von dem Kläger wesentlich mitverursachte Situation bestanden hat, in der es zu Dauerkonflikten zwischen den beiden Geschäftsführern kam, die eine gedeihliche Zusammenarbeit nicht erwarten lassen und die so notwendigerweise den Erfolg des Unternehmens beeinträchtigen. Eine solche Situation lag hier vor. Bereits sie allein rechtfertigte die Abberufung eines der beiden sich in Konflikt befindenden Geschäftsführer, um Ruhe einkehren zu lassen, und zwar unabhängig von einem etwaigen Verschulden der beteiligten Geschäftsführer und insbesondere davon, wessen Verschuldensanteil überwog, sowie auch unabhängig von der Abgrenzung der Rechte und Pflichten, die ihnen jeweils im Einzelnen zustanden und die sie trafen.

II.

Auch die weiteren Voraussetzungen für eine Entscheidung durch Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO liegen vor.

1. Der Senat ist aus den dargelegten Gründen einstimmig davon überzeugt, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, § 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO. Eine Berufung ist offensichtlich aussichtslos, wenn für jeden Sachkundigen ohne längere Nachprüfung erkennbar ist, dass die vorgebrachten Berufungsgründe das angefochtene Urteil nicht zu Fall bringen können (so BT-Drucks. 17/6406, S. 9). Der Rechtsbegriff der Offensichtlichkeit bezieht sich allerdings allein auf den Erkenntnisprozess des Gerichts; ist sich dieses zweifelsfrei darüber klar, dass eine mündliche Verhandlung zu keinem höheren Erkenntnisgrad führen kann, ist offensichtlich mangelnde Erfolgsaussicht anzunehmen (s. Zöller/Heßler, ZPO, 30. Aufl., § 522 Rn. 36; dagegen Baumert, MDR 2013, 7, 8). Offensichtlichkeit setzt dabei nicht voraus, dass die Aussichtslosigkeit gewissermaßen auf der Hand liegt; sie kann – wie hier – auch das Ergebnis vorgängiger gründlicher Prüfung sein (vgl. BT-Drucks. 17/6406, S. 9; Zöller/Heßler, ZPO, 30. Aufl., § 522 Rn. 36; Meller-Hannich, NJW 2011, 3393, 3394). Entscheidend ist, dass der Senat die durch die Berufung aufgeworfenen Tat- und Rechtsfragen nicht nur einstimmig, sondern auch zweifelsfrei beantworten kann und sich von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung keine neuen Erkenntnisse verspricht (vgl. BT-Drucks. 17/6406, S. 9; Meller-Hannich, NJW 2011, 3393, 3394). Das ist hier der Fall.

2. Die Sache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO; vgl. zum Begriff etwa Zöller/Heßler, ZPO, 30. Aufl., § 522 Rn. 38), eine Entscheidung des Senats ist nicht zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO). Der Senat hält eine mündliche Verhandlung auch nicht für geboten, § 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 ZPO (vgl. zu dieser Voraussetzung etwa BT-Drucks. 17/6406, S. 9; Zöller/Heßler, ZPO, 30. Aufl., § 522 Rn. 40; Meller-Hannich, NJW 2011, 3393, 3395).

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