Archiv für die Kategorie „Thüringer OLG (Jena)“

OLG Jena, Urteil vom 26.01.2024 – 9 U 364/18

Freitag, 26. Januar 2024

Anwaltshaftung

§ 195 BGB, § 199 Abs 1 BGB, § 199 Abs 3 S 1 Nr 1 BGB, § 204 Abs 1 Nr 4 BGB, § 214 Abs 1 BGB, §§ 249ff BGB, § 254 Abs 1 BGB, § 276 Abs 1 S 1 BGB, § 280 Abs 1 BGB, § 288 BGB, § 421 BGB, § 291 BGB, § 675 Abs 1 BGB, Art 229 § 6 Abs 1 BGBEG, Art 229 § 6 Abs 4 S 1 BGBEG, § 13 KapMuG, § 52 Abs 2 BRAO, § 86 Abs 1 S 1 VVG, § 139 Abs 2 ZPO, § 253 Abs 1 ZPO, § 253 Abs 2 Nr 2 ZPO, § 261 Abs 1 ZPO, § 264 Nr 1 ZPO, § 269 Abs 1 ZPO, § 287 ZPO, § 543 Abs 2 S 1 Nr 1 ZPO, § 543 Abs 2 S 1 Nr 2 ZPO, § 697 Abs 2 S 1 ZPO, § 717 Abs 2 ZPO

1.

Zu den Beratungspflichten eines Rechtsanwalts bei Wegfall der Erfolgsaussicht eines Rechtsstreits nach Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung.

2.

Einheitlichkeit des Streitgegenstandes einer Schadensersatzklage wegen anwaltlicher Beratungspflichtverletzung in Bezug auf die Einleitung und Fortführung eines aussichtslosen bzw. aussichtslos gewordenen Rechtsstreits.

3.

Der Annahme der Aussichtlosigkeit der Rechtsverfolgung steht es hier nicht entgegen, dass sich der Bundesgerichtshof in einschlägigen Urteilen in Parallelverfahren nicht ausdrücklich mit der Vereinbarkeit seiner Entscheidung mit dem Unionsrecht auseinandergesetzt hat.

4.

Die Möglichkeit einer Verfassungsbeschwerde gegen eine letztinstanzliche Entscheidung rechtfertigt die Fortführung eines nach der einschlägigen Rechtsprechung der Fachgerichte aussichtslosen Rechtsstreits grundsätzlich nicht.

5.

An der der anwaltlichen Beratung zugrunde zu legenden fehlenden Erfolgsaussicht der weiteren Rechtsverfolgung ändert auch die Tatsache nichts, dass die Rechtsanwälte beim Bundesgerichtshof die Durchführung des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens in Parallelverfahren befürwortet haben.

6.

Die aktuelle einschlägige höchstrichterliche Rechtsprechung hat ein auf das betroffene Rechtsgebiet spezialisierter Rechtsanwalt, der mit einer Vielzahl ähnlich gelagerter Verfahren mandatiert ist, im besonderen Maße zeitnah zur Kenntnis zu nehmen und bei seiner Beratung zu berücksichtigen. Er ist gehalten, sich über die online verfügbare Entscheidungsdatenbank des Bundesgerichtshofs über die fortlaufende Rechtsprechung zu informieren.

7.

Ein auf Kapitalanlagerecht spezialisierter Rechtsanwalt, der für die von ihm vertretenen Anleger massenhaft Güteanträge zur Hemmung der VerjährungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Hemmung
Hemmung der Verjährung
Verjährung
gestellt hatte und bundesweit Klageverfahren betrieb, musste die Entwicklung der Rechtsprechung zu den Güteanträgen im besonderen Maße verfolgen. Dass im Jahr 2015 zahlreiche Revisions- bzw. Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren beim Bundesgerichtshof anhängig waren, bei denen (auch) die Hemmungswirkung von Güteanträgen gegenständlich war, musste einem auf diesem Feld tätigen Rechtsanwalt bekannt sein, so dass er die höchstrichterliche Entscheidung zu erwarten und zeitnah zur Kenntnis zu nehmen hatte. Dieser Zeitpunkt ist zum 30.09.2015 eingetreten.

8.

Mit einem Inzidentantrag nach § 717 Abs. 2 Satz 2 1. Alt. ZPO können Rechtshängigkeitszinsen gem. § 717 Abs. 2 Satz 2 2. Alt. ZPO nur dann verlangt werden, wenn zugleich ein Vollstreckungsschaden i.S.d. § 717 Abs. 2 Satz 1 ZPO geltend gemacht wird.

Tenor

Das Urteil des Landgerichts G. vom 24.04.2018 – 3 O 582/17 – wird unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels der Beklagten teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 6.004,20 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 1.189,13 EUR seit dem 31.12.2016, aus weiteren 2.457,44 EUR seit dem 21.04.2017 und aus weiteren 2.357,63 EUR seit dem 21.11.2017 zu zahlen.

2. Hinsichtlich des Zahlungsanspruchs in Höhe von 2.415,55 EUR wird die Klage auf Grund des Verzichts abgewiesen.

3. Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

2. Der Inzidentantrag der Beklagten wird abgewiesen.

3. Die Klägerin hat 28 % und die Beklagten haben als Gesamtschuldner 72 % der Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Von den Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens haben die Klägerin 34 % und die Beklagten als Gesamtschuldner 66 % zu tragen.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

5. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Klägerin, ein Rechtsschutzversicherer, nimmt die beklagten Rechtsanwälte aus übergegangenem Recht ihrer Versicherungsnehmer, der Eheleute A. (im Folgenden: die Mandanten oder die Zeugen), auf Ersatz eines Kostenschadens in Anspruch. Der Schaden soll dadurch verursacht worden sein, dass die Beklagten für ihre Mandanten einen von vornherein aussichtslosen Rechtsstreit geführt bzw. fortgeführt haben.Randnummer2

Das Landgericht hat mit Urteil vom 24.04.2018 die Beklagten als Gesamtschuldner zu einer Zahlung in Höhe von 8.419,75 EUR verurteilt, weil die Beklagten für ihre Mandanten einen bereits zum Zeitpunkt der Klageerhebung im Juni 2013 aussichtslosen Rechtsstreit eingeleitet hätten und den Mandanten durch diese Pflichtverletzung ein Prozesskostenschaden entstanden sei. Dagegen wenden sich die Beklagten mit ihrer Berufung.Randnummer3

Ferner begehren die Beklagten im Wege eines Inzidentantrags Zinsen für den Zeitraum der von ihnen im Wege der Hinterlegung erbrachten Sicherheitsleistung.Randnummer4

Die Beklagten beantragen,Randnummer5

1. das Endurteil des Landgerichts Gera vom 24.04.2018, Az. 3 O 582/17, abzuändern und die Klage abzuweisen,Randnummer6

2. die Klägerin zu verurteilen, an die Beklagten Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 8.419,75 EUR seit dem 03.07.2018 (Tag der Einzahlung der Sicherheitsleistung) bis zum 27.09.2019 (Tag der Herausgabe) zu zahlen.Randnummer7

Die Klägerin beantragt,Randnummer8

1. die Berufung der Beklagten gegen das Endurteil des Landgerichts Gera, Az. 3 O 582/17, wegen des Kostenschadens in Höhe von 6.004,20 EUR zurückzuweisen,Randnummer9

2. den Inzidentantrag der Beklagten zurückzuweisen.Randnummer10

Sie hat in Höhe von 2.415,55 EUR die Rücknahme der Klage und den Verzicht auf die Ansprüche erklärt. Die Beklagten haben der Klagerücknahme widersprochen.Randnummer11

Der Senat hat in der mündlichen Verhandlung vom 21.12.2023 den Zeugen K. A. vernommen.Randnummer12

Von der Darstellung des Tatbestandes wird im Übrigen abgesehen (§ 540 Abs. 2, § 313a Abs. 1 Satz 1, § 313b Abs. 1 Satz 1, § 544 Abs. 2 ZPO).

II.

Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§ 511 Abs. 1, 2 Nr. 1, §§ 517, 519, 520 ZPO). Sie hat teilweise Erfolg.Randnummer14

Der Klägerin steht gegen die Beklagten aus übergegangenem Recht ein Schadensersatzanspruch wegen einer Pflichtverletzung aus Anwaltsvertrag in Höhe von 6.004,20 EUR zu (§ 280 Abs. 1, § 675 Abs. 1 BGB, § 86 Abs. 1 Satz 1 VVG).Randnummer15

Zwischen den Beklagten und ihren Mandanten bestand seit 2011 ein Anwaltsvertrag (§ 675 BGB), wobei die Beklagten eine Vollmacht für die außergerichtliche und gerichtliche Vertretung in Bezug auf Schadensersatzansprüche wegen einer von ihren Mandanten getätigten Beteiligung an dem „S. KG“ erhielten. Die Beklagten betrieben ab dem Jahr 2013 im Auftrag ihrer Mandanten ein Klageverfahren, das im Jahr 2015 – für die Beklagten erkennbar – aussichtslos geworden war und zu einem Kostenschaden der Mandanten führte.Randnummer16

1. Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung vom 21.12.2023 einen Teilverzicht auf die Klageforderung in Höhe von 2.415,55 EUR wirksam erklärt.Randnummer17

Die Klage ist in dieser Höhe ohne Sachprüfung durch Teilverzichtsurteil als unbegründet abzuweisen (§§ 306, 525 Satz 1 ZPO), ohne dass es eines dahingehenden Antrags der Beklagten bedurft hat (vgl. BGH, Urteil vom 21. Dezember 1967 – VII ZR 166/63 –, juris Rn. 18; OLG NürnbergBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG Nürnberg
, Urteil vom 23. Oktober 1980 – 8 U 137/79 –, juris Rn. 25; Althammer, in: Stein/Jonas, ZPO, 23. Aufl. 2018, § 306 ZPO Rn. 20; Musielak, in: Münchener Kommentar zur ZPO, 6. Aufl. 2020, § 306 ZPO Rn. 6). Die Beklagten haben zwar keinen Antrag auf Erlass eines Teilverzichtsurteils gestellt, aber beantragt, das erstinstanzliche Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen. Einem Antrag auf Erlass eines streitigen Urteils fehlt insoweit das Rechtsschutzbedürfnis (vgl. Feskorn, in: Zöller, ZPO, 35. Aufl. 2024, § 306 ZPO, Rn. 5; Althammer, a.a.O. Rn. 20). Ein Ausnahmefall, etwa die Vereinbarung eines Musterverfahrens, ist nicht gegeben (vgl. dazu: Althammer, a.a.O. Rn. 5, 22).Randnummer18

2. Der ebenfalls von der Klägerin erklärten Teilrücknahme der Klage haben die Beklagten widersprochen (§ 269 Abs. 1 ZPO), so dass sie nicht wirksam geworden ist.Randnummer19

Soweit die Beklagten einer Klageänderung widersprochen haben, weil sie in dem Schadensersatzbegehren der Klägerin, das sich zumindest teilweise auf die Fortführung eines aussichtslos gewordenen Rechtsstreits gründet, einen anderen und im erstinstanzlichen Verfahren nicht rechtshängig gewordenen Streitgegenstand sehen, geht dieser Widerspruch ins Leere.Randnummer20

Der von der Klägerin geltend gemachte Kostenschaden ist von dem Streitgegenstand ihrer ursprünglichen Klage, wie er sich aus den Mahnbescheiden vom 27.12.2016 und der Anspruchsbegründung vom 13.04.2017 ergibt, umfasst.Randnummer21

a) Der von der Rechtskraft erfasste Streitgegenstand wird durch den Klageantrag, in dem sich die vom Kläger in Anspruch genommene Rechtsfolge konkretisiert, und den Lebenssachverhalt (Anspruchsgrund), aus dem der Kläger die begehrte Rechtsfolge herleitet, bestimmt (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Zum Anspruchsgrund sind alle Tatsachen zu rechnen, die bei einer natürlichen, vom Standpunkt der Parteien ausgehenden und den Sachverhalt seinem Wesen nach erfassenden Betrachtung zu dem zur Entscheidung gestellten Tatsachenkomplex gehören, den der Kläger zur Stützung seines Rechtsschutzbegehrens dem Gericht vorträgt (vgl. st. Rspr. BGH, Urteil vom 22. Oktober 2013 – XI ZR 57/12 –, juris Rn. 15; vom 25. Oktober 2012 – IX ZR 207/11 –, juris Rn. 14). Vom Streitgegenstand werden damit alle materiell-rechtlichen Ansprüche erfasst, die sich im Rahmen des gestellten Antrags aus dem zur Entscheidung unterbreiteten Lebenssachverhalt herleiten lassen. Das gilt unabhängig davon, ob die einzelnen Tatsachen des Lebenssachverhalts von den Parteien vorgetragen worden sind oder nicht, und auch unabhängig davon, ob die Parteien die im Vorprozess nicht vorgetragenen Tatsachen des Lebensvorgangs damals bereits kannten und hätten vortragen können (vgl. Urteil vom 22. Oktober 2013 – XI ZR 57/12 –, juris Rn. 15).Randnummer22

In dem Urteil vom 16.09.2021 (IX ZR 165/19) hat der Bundesgerichtshof dargelegt, dass ein und derselbe Kostenschaden zwei unterschiedlichen, sich wechselseitig ausschließenden Streitgegenständen unterfallen kann (dort Rn. 25, juris). Der Mandant kann behaupten, der Vorprozess wäre bei pflichtgemäßem Vorgehen des Anwalts gewonnen und ihm folglich keine Kostenpflicht auferlegt worden. Hier tritt der Kostenschaden neben den Schaden, der im Verlust der Hauptsache liegt. Zum anderen kann der Mandant geltend machen, der Anwalt habe den nicht gewinnbaren Vorprozess gar nicht erst einleiten oder fortführen dürfen (BGH, a.a.O.). Anders als die Beklagten meinen, liegen in der zweiten Alternative nicht nochmals zwei unterschiedliche Streitgegenstände, nämlich die Einleitung und die Fortführung des Rechtsstreits über mehrere Instanzen. Vielmehr bilden die Einleitung und die Fortführung nach den Ausführungen des Bundesgerichtshofs erkennbar einen einheitlichen Streitgegenstand. Dies ergibt sich aus Randnummer 31 des Urteils, in der der Bundesgerichtshof ausdrücklich die Beratungspflicht über die Erfolgsaussichten über die Einleitung hinaus auf die Fortführung des Verfahrens ausweitet und insbesondere bei Änderung der tatsächlichen oder rechtlichen Ausgangslage die Beratung des Mandanten über diese Umstände verlangt.Randnummer23

b) Der Einwand der Beklagten, diesem Verständnis stehe das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 13.03.2008 (IX ZR 136/07) entgegen, geht fehl. Denn im dortigen Verfahren war der Vorwurf an den beklagten Rechtsanwalt allein mit der Behauptung begründet worden, überhaupt Klage erhoben zu haben. Die erst mit der Revision vorgetragene mangelhafte Begründung dieser Klage, die zur Erfolglosigkeit des Rechtsstreits geführt hat, war zuvor nicht Gegenstand des Rechtsstreits gewesen (vgl. BGH, Urteil vom 13. März 2008 13.03.2008 – IX ZR 136/07 –, juris Rn. 24; dazu auch Urteil vom 22. Oktober 2013 – XI ZR 57/12 –, juris Rn. 25). Diese Konstellation liegt hier aber gerade nicht vor. Die Klägerin hat nämlich zu keinem Zeitpunkt vorgetragen, dass die Ausgangsverfahren bei einer pflichtgemäßen Prozessführung hätten gewonnen werden können.Randnummer24

c) Vielmehr beinhaltet die Behauptung der Klägerin, die Beklagten hätten den prozess schon nicht führen bzw. fortführen dürfen, zugleich den impliziten Vortrag, dass an der Weiterführung des Rechtsstreits trotz Aussichtslosigkeit, die sich auch zu einem späteren Zeitpunkt ergeben kann, noch nach der Klageabweisung bzw. Berufungszurückweisung festgehalten wurde. Einem Rechtsanwalt kommt nämlich die Verpflichtung zu, den Rechtsstreit kontinuierlich im Hinblick auf dessen Erfolgschancen zu beobachten. Es handelt sich insoweit nicht um immer wieder neu einsetzende Pflichten, sondern um eine dynamische, der Entwicklung des Rechtsstreits wie auch der Rechtsprechung folgende Verpflichtung (vgl. BGH, Urteil vom 16. September 2021 – IX ZR 165/19 –, juris Rn. 31; so auch: OLG ZweibrückenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG Zweibrücken
, Urteil vom 9. März 2023 – 4 U 97/22 –, juris Rn. 42, 44). Es handelt sich gerade nicht um einen anderen Lebenssachverhalt, denn die Pflicht, einen Rechtsstreit nicht bei Aussichtslosigkeit zu führen, setzt sich während des gesamten Rechtsstreits bis zu dessen rechtskräftigen Abschluss fort und kann auch mehrere Pflichtverletzungen umfassen. Von dieser Bestimmung des Streitgegenstands ist auch der Bundesgerichtshof (vgl. BGH, a.a.O.) ausgegangen, denn sonst hätte er die Revision hinsichtlich der Kosten, die nach dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 18.06.2015 (III ZR 198/14) entstanden sind, also die im dortigen Verfahren geltend gemachten Kosten der Berufung und des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens, zurückweisen müssen, weil es sich um einen anderen Streitgegenstand oder um sich gegenseitig ausschließende Streitgegenstände handelt.Randnummer25

d) Aber selbst wenn insoweit von zwei unterschiedlichen Streitgegenständen auszugehen wäre, weil eine neue Pflichtverletzung der Beklagten erst mit der Rechtsprechungsänderung durch den Bundesgerichtshof begründet worden sei, so hätte die Klägerin beide Pflichtverletzungen von Anfang an zum Gegenstand des Klageverfahrens gemacht (§ 260 ZPO). Ausdrücklich führt sie in der Anspruchsbegründung nämlich aus, dass die Beklagten nach dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 18.06.2015 (III ZR 198/14) pflichtwidrig Berufung eingelegt haben bzw. die Berufung nicht zurückgenommen haben. Dementsprechend macht sie auch den danach durch die Durchführung des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens entstandenen Kostenschaden mit der Anspruchsbegründung geltend. Damit hat sie bereits mit der Anspruchsbegründung schlüssig behauptet, dass auch diese Pflichtverletzung für den Kostenschaden ursächlich sein soll. Sich gegenseitig ausschließende Streitgegenstände liegen dabei nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ebenfalls nicht vor (vgl. BGH, Urteil vom 16. September 2021 – IX ZR 165/19 –, juris Rn. 25).Randnummer26

3. Die Schadensersatzansprüche der Mandanten gegen die Beklagten wegen einer Pflichtverletzung aus Anwaltsvertrag gemäß § 280 Abs. 1, § 675 Abs. 1 BGB sind gemäß § 86 Abs. 1 Satz 1 VVG auf die Klägerin übergegangen (vgl. BGH, Urteil vom 16. September 2021 – IX ZR 165/19 –, juris Rn. 15 ff.). Die Klägerin hat den Mandanten, ihren Versicherungsnehmern, den Schaden ersetzt, indem sie entsprechende Leistungen aus dem Versicherungsvertrag erbracht hat. Die Geltendmachung der Schadensersatzansprüche durch die Klägerin verstößt nicht gegen Treu und Glauben (vgl. BGH, a.a.O. Rn. 22).Randnummer27

4. Die Beklagten haben die ihnen zukommenden Pflichten aus dem Anwaltsvertrag mit ihren Mandanten B. verletzt, weil sie sie vor der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht Gera am 11.07.2016 nicht zum Wegfall der Erfolgsaussichten ihrer Klage beraten und nicht von der Einlegung dieses Rechtsmittels abgeraten haben.Randnummer28

a) Ein Rechtsanwalt ist grundsätzlich zur allgemeinen, umfassenden und möglichst erschöpfenden Beratung des Auftraggebers verpflichtet (vgl. BGH, Urteil vom 16. September 2021 – IX ZR 165/19 –, juris Rn. 27). Unkundige muss er über die Folgen ihrer Erklärungen belehren und vor Irrtümern bewahren. In den Grenzen des Mandats hat er dem Mandanten diejenigen Schritte anzuraten, die zu dem erstrebten Ziel zu führen geeignet sind, und Nachteile für den Auftraggeber zu verhindern, soweit solche voraussehbar und vermeidbar sind. Dazu hat er dem Auftraggeber den sichersten und gefahrlosesten Weg vorzuschlagen und ihn über mögliche Risiken aufzuklären, damit der Mandant zu einer sachgerechten Entscheidung in der Lage ist (BGH, a.a.O. Rn. 27, juris). Ziel der anwaltlichen Rechtsberatung ist es danach, dem Mandanten eigenverantwortliche, sachgerechte (Grund-)Entscheidungen („Weichenstellungen”) in seiner Rechtsangelegenheit zu ermöglichen. Dazu muss sich der Anwalt über die Sach- und Rechtslage klarwerden und diese dem Auftraggeber verständlich darstellen (BGH, a.a.O. Rn. 28). Auch im Blick auf die Erfolgsaussichten eines in Aussicht genommenen Rechtsstreits geht es darum, den Mandanten in die Lage zu versetzen, eigenverantwortlich seine Rechte und interessen zu wahren und eine Fehlentscheidung in seinen rechtlichen Angelegenheiten vermeiden zu können. Aufgrund der Beratung muss der Mandant in der Lage sein, Chancen und Risiken des Rechtsstreits selbst abzuwägen. Hierzu reicht es nicht, die mit der Erhebung einer Klage verbundenen Risiken zu benennen. Der Rechtsanwalt muss auch das ungefähre Ausmaß der Risiken abschätzen und dem Mandanten das Ergebnis mitteilen (BGH, a.a.O. Rn. 29). Zwar besteht keine mandatsbezogene Pflicht, einen von Anfang an aussichtslosen Rechtsstreit nicht zu führen, jedoch muss der Rechtsanwalt seiner Pflicht zur Beratung des Mandanten über die Erfolgsaussichten des in Aussicht genommenen Rechtsstreits genügen (vgl. BGH a.a.O. Rn. 26). Ist danach eine Klage praktisch aussichtslos, muss der Rechtsanwalt dies klar herausstellen. Er darf sich nicht mit dem Hinweis begnügen, die Erfolgsaussichten seien offen. Vielmehr kann der Rechtsanwalt nach den gegebenen Umständen gehalten sein, von der beabsichtigten Rechtsverfolgung ausdrücklich abzuraten (BGH a.a.O. Rn. 29 m.w.N.).Randnummer29

Bei der Beratung kommt der aktuellen einschlägigen höchstrichterlichen Rechtsprechung überragende Bedeutung zu (BGH a.a.O. Rn. 30). Diese hat ein auf das betroffene Rechtsgebiet spezialisierter Rechtsanwalt, der mit einer Vielzahl ähnlich gelagerter Verfahren mandatiert ist, im besonderen Maße zeitnah zur Kenntnis zu nehmen und bei seiner Beratung zu berücksichtigen. Der Rechtsanwalt hat seine Hinweise, Belehrungen und Empfehlungen in der Regel an dieser Rechtsprechung auszurichten, dies sogar dann, wenn er diese für unzutreffend hält (BGH a.a.O. m.w.N.). Seine Pflicht, den Mandanten über die Erfolgsaussichten eines in Aussicht genommenen Rechtsstreits aufzuklären, endet nicht mit dessen Einleitung (vgl. BGH a.a.O. Rn. 31). Verändert sich die rechtliche oder tatsächliche Ausgangslage im Laufe des Verfahrens, muss der Rechtsanwalt seinen Mandanten über eine damit verbundene Verschlechterung der Erfolgsaussichten aufklären (BGH a.a.O.). Dies kommt in Betracht, wenn eine zu Beginn des Rechtsstreits noch ungeklärte Rechtsfrage in einem Parallelverfahren höchstrichterlich geklärt wird und danach das Rechtsschutzbegehren des Mandanten keine Aussicht auf Erfolg mehr hat. In dieser Situation hat er von einer Fortführung der Rechtsverfolgung abzuraten (BGH a.a.O.).Randnummer30

Über die Aussichtslosigkeit der Rechtsverfolgung hat der Tatrichter zu befinden (vgl. BGH, Urteil vom 16. September 2021 – IX ZR 165/19 –, juris Rn. 40). Ausgangspunkt der Beurteilung ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der bei pflichtgemäßem Handeln des Rechtsanwalts zu erteilenden Beratung. Die Annahme der Aussichtslosigkeit unterliegt hohen Anforderungen. Die Rechtsverfolgung muss aus der maßgeblichen Sicht ex ante aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen objektiv aussichtslos gewesen sein. Dies kommt etwa in Betracht, wenn eine streitentscheidende Rechtsfrage höchstrichterlich abschließend geklärt ist. Regelmäßig ist dies dann der Fall, wenn eine einschlägige Entscheidung ergangen ist. Auch dann können aber im Schrifttum geäußerte Bedenken, mit denen sich die Rechtsprechung noch nicht auseinandergesetzt hat, Veranlassung zu der Annahme geben, die Rechtsprechung werde noch einmal überdacht. Die niemals auszuschließende Möglichkeit einer zugunsten des Mandanten ergehenden Fehlentscheidung steht der Aussichtslosigkeit der Rechtsverfolgung indes nicht entgegen (vgl. BGH a.a.O.).Randnummer31

Das Recht des Mandanten, nach entsprechender Beratung durch den Rechtsanwalt eigenverantwortlich über die Einleitung und Fortführung der Rechtsverfolgung zu entscheiden, wird durch eine bestehende Rechtsschutzversicherung nicht berührt (BGH a.a.O. Rn. 33, juris).Randnummer32

b) Gemessen an diesen Grundsätzen waren die Beklagten verpflichtet gewesen, vor der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht Gera am 11.07.2016 zur Rücknahme der Klage zu raten, weil diese infolge des Urteils des Bundesgerichtshofs vom 18.06.2015 (III ZR 198/14) praktisch aussichtslos geworden war und die Beklagten ihre Beratung mit dem 30.09.2015 danach hätten ausrichten müssen. Im vorliegenden Rechtsstreit kommt hinzu, dass nach dem Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 28.01.2016 (III ZB 88/15), der am 23.02.2016 auf der Homepage des Bundesgerichtshofs veröffentlicht wurde, weiträumig vor dem Termin vor dem Landgericht eine höchstrichterliche Entscheidung vorlag, die einerseits den von den Beklagten formulierten Güteantrag und andererseits eine Auseinandersetzung mit unionsrechtlichen Fragen enthielt. Die rechtliche Einschätzung der Beklagten, dass über den 30.09.2015 bzw. den 28.01.2016 hinaus weiterhin Erfolgsaussichten bestanden hätten, war objektiv unzutreffend, für einen sorgfältig arbeitenden Rechtsanwalt erkennbar und damit pflichtwidrig.Randnummer33

Ausgangspunkt des Vorprozesses war ein von den Beklagten am 29.12.2011 für die Mandanten gefertigter Güteantrag, mit dem die Verjährung von Ansprüchen wegen der Verletzung von Beratungspflichten vor Abschluss einer Beteiligung an dem „S. GmbH & Co. KGBitte wählen Sie ein Schlagwort:
GmbH
GmbH & Co. KG
GmbH & Co. KG
KG
“ gehemmt werden sollte (vgl. Anlage K 3). Die Beklagten reichten diesen „Antrag auf außergerichtliche Streitschlichtung“ bei der Gütestelle Rechtsanwalt D. in L. ein. Dieser Güteantrag vermochte die Verjährung nicht zu hemmen, so dass die Schadensersatzansprüche bereits vor der Klageerhebung im Jahr 2013 verjährt waren (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 28.01.2016 (III ZB 88/15); Beschluss vom 18. August 2016 – III ZR 336/15 – juris; Thüringer Oberlandesgericht, Urteil vom 5. Juli 2019 – 4 U 359/18 –, juris Rn. 57).Randnummer34

Der Vorprozess begann im Juni 2013 mit der Klage gegen die S. Deutschland GmbH (im Folgenden: S. L.) zum Landgericht G. (4 O 658/13), vor dem am 11.07.2016 die mündliche Verhandlung erfolgte und das mit Urteil vom 22.08.2016 die Klage abwies (vgl. Anlage K 6).Randnummer35

Gegen das Urteil des Landgerichts G. legten die Beklagten im Auftrag der Mandanten Berufung beim Thüringer Oberlandesgericht (5 U 663/16) ein. Das Thüringer Oberlandesgericht erließ am 01.02.2017 einen Hinweisbeschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO und nach Verlängerung der Frist zur Stellungnahme am 09.05.2017 einen Zurückweisungsbeschluss nach dieser Vorschrift (vgl. Anlage K 16).Randnummer36

Während des erstinstanzlichen Verfahrens, nämlich mit Urteil des Bundesgerichtshofs vom 18.06.2015 (III ZR 198/14), änderte sich die Rechtsprechung zur Hemmungswirkung eines Güteantrags. Der Bundesgerichtshof stellte nunmehr erhöhte Anforderungen an eine Individualisierung des im Güteantrag geltend gemachten Anspruchs. Diesen Anforderungen wurde der Güteantrag vom 29.12.2011 nicht gerecht. Dass die weitere Rechtsverfolgung dadurch aussichtslos geworden war, mussten die Beklagten jedenfalls vor dem Termin am 11.07.2016 erkennen und ihre Mandanten zur Rücknahme der 2013 eingereichten Klage raten.Randnummer37

Im Einzelnen:Randnummer38

aa) Mit der durch das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 18.06.2015 (III ZR 198/14) eingeleiteten Rechtsprechungsänderung zu den Anforderungen an einen Güteantrag war objektiv davon auszugehen, dass die Klage keinen Erfolg mehr haben konnte.Randnummer39

In dieser Grundsatzentscheidung hat der Bundesgerichtshof zur hinreichenden Individualisierung eines Güteantrages für die Bewirkung der Verjährungshemmung gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB Folgendes ausgeführt: Der Güteantrag muss in Anlageberatungsfällen regelmäßig die konkrete Kapitalanlage bezeichnen, die Zeichnungssumme sowie den (ungefähren) Beratungszeitraum angeben und den Hergang der Beratung mindestens im Groben umreißen. Ferner ist das angestrebte Verfahrensziel zumindest soweit zu umschreiben, dass dem Gegner (und der Gütestelle) ein Rückschluss auf Art und Umfang der verfolgten Forderung möglich ist (vgl. BGH, Urteil vom 18. Juni 2015 – III ZR 198/14 –, juris Rn. 25 m.w.N.). Eine genaue Bezifferung der Forderung muss der Güteantrag demgegenüber grundsätzlich nicht enthalten (BGH a.a.O. m.w.N.).Randnummer40

Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe war der Güteantrag vom 29.12.2011 nicht hinreichend individualisiert mit der Folge, dass die Schadensersatzansprüche des Mandanten wegen Ablaufs der kenntnisunabhängigen Verjährungsfrist nach § 199 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BGB insgesamt verjährt waren (§ 214 Abs. 1 BGB). Er vermochte damit keine Hemmung der VerjährungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Hemmung
Hemmung der Verjährung
Verjährung
nach § 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB herbeizuführen. Die kenntnisunabhängige zehnjährige Verjährungsfrist nach § 199 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BGB, die gemäß Art. 229 § 6 Abs. 4 Satz 1 EGBGB am 01.01.2002 begonnen hatte, war damit am Ende des 02.01.2012 (Montag) und somit bereits vor Einreichung der Klage im Juni 2013 abgelaufen gewesen. Dies hat der Bundesgerichtshof für einen von den Beklagten verwandten vergleichbaren Güteantrag im Januar 2016 ausdrücklich bestätigt (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Januar 2016 – III ZB 88/15 –, juris).Randnummer41

(1) Der Güteantrag vom 29.12.2011 (vgl. Anlage K 3) wies keinen Bezug zum konkreten Beratungshergang auf.Randnummer42

(a) Er enthielt als individuelle Angaben lediglich den Namen der Mandanten, die Bezeichnung des Anlagefonds nebst einer Nummer und die Höhe der geleisteten Einlagen (zzgl. 5 % Agio). Nicht genannt waren die Zeichnungssumme und der zumindest ungefähre jeweilige Beratungszeitraum oder andere die getätigten Anlagen hinreichend individualisierende Tatsachen (vgl. auch OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG München
, Urteil vom 19. Februar 2016 – 3 U 618/15 –, juris Rn. 46). Dies war nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht ausreichend (vgl. BGH, Urteil vom 18. Juni 2015 – III ZR 198/14 –, juris Rn. 27).Randnummer43

(b) Der Güteantrag unterschied sich von dem durch den Bundesgerichtshof im Urteil vom 18.06.2015 beurteilten Güteantrag nur dahingehend, dass neben der Bezeichnung des Anlagefonds die „Vertragsnummer“ bzw. Beteiligungsnummer genannt wurde.Randnummer44

Soweit die Beklagten die Auffassung vertreten, statt der Angabe des ungefähren Beratungszeitraumes sei zusätzlich die nur einmal vergebene Beteiligungsnummer benannt, mit der die beratende Vertriebsgesellschaft alle weiteren Umstände der Beratung hätte eruieren können, so dass durch die Beteiligungsnummer der Lebenssachverhalt unverwechselbar gekennzeichnet und von anderen denkbaren Streitgegenständen, also anderen Anlagevermittlungsgeschäften, abgegrenzt sei, genügte diese Angabe der Beteiligungsnummer im Güteantrag nicht, um eine hinreichende Individualisierung herzustellen.Randnummer45

Der Bundesgerichtshof hielt es in seinem Urteil vom 18.06.2015 nämlich für maßgeblich, dass es der dortigen Beklagten, die im Strukturvertrieb eine große Zahl von Kapitalanlagen unter Mithilfe einer Vielzahl von für sie tätigen Beratern und Vermittlern vertrieben hat, allenfalls unter größeren Mühen möglich war festzustellen, um welche Anlageberatung es ging (vgl. BGH, Urteil vom 18. Juni 2015 – III ZR 198/14 –, juris Rn. 27). Um den Jahreswechsel 2011/2012 habe sich die dortige Beklagte angesichts des Ablaufs der für die vor dem Jahr 2002 stattgefundenen Anlageberatungsfälle geltenden kenntnisunabhängigen Verjährungsfrist des § 199 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BGB am 2. Januar 2012 (Art. 229 § 6 Abs. 1 und 4 EGBGB) einer Vielzahl von Güteanträgen gegenüber gesehen, während die handelsrechtlichen Aufbewahrungsfristen (§ 257 HGB) für diese Beratungsfälle in den allermeisten Fällen bereits abgelaufen gewesen seien (vgl. BGH, Urteil vom 18. Juni 2015 – III ZR 198/14 –, juris Rn. 27).Randnummer46

Diese Maßgabe galt für die im hiesigen Vorprozess Beklagte gleichermaßen. Diese hatte ebenfalls im Strukturvertrieb eine große Zahl von Kapitalanlagen unter Mithilfe einer Vielzahl von für sie tätigen Beratern und Vermittlern vertrieben und sah sich um den Jahreswechsel 2011/2012 aufgrund des Ablaufs der kenntnisunabhängigen Verjährungsfrist einer Vielzahl von Güteanträgen ausgesetzt. Daher war auch in ihrem Fall die Angabe der Beteiligungsnummer für die Individualisierung nicht ausreichend (vgl. ebenso OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG München
Urteil vom 19. Februar 2016 – 3 U 618/15 –, juris Rn. 47).Randnummer47

(c) Der Ansicht der Beklagten, die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vom 18.06.2015 sei nicht auf den Güteantrag vom 29.12.2011 übertragbar, weil dieser ausschließlich eine nicht anlagegerechte Beratung durch Verwendung fehlerhafter Emissionsprospekte zum Gegenstand gehabt habe, während der durch den Bundesgerichtshof beurteilte Güteantrag eine nicht anlegergerechte Beratung zum Gegenstand gehabt hatte, folgt der Senat nicht. Im vorliegenden Fall ging es nämlich um eine Prospekthaftung im weiteren Sinne, nämlich eine Haftung von Anlageberatern und Prospektbenutzern aufgrund einer konkreten Beratung (vgl. Thüringer Oberlandesgericht, Urteil vom 5. Juli 2019 – 4 U 359/18 –, juris Rn. 68). Insofern galten die gleichen Anforderungen und nicht diejenigen, die im Fall einer Prospekthaftung im engeren Sinne zur Anwendung kamen (vgl. Thüringer Oberlandesgericht, a.a.O.) Letztere richteten sich nämlich lediglich an Güteanträge, die Schadensersatzansprüche gegen die Prospektverantwortlichen und die Prospektverfasser betrafen.Randnummer48

(2) Auch das angestrebte Verfahrensziel war in dem Güteantrag vom 29.12.2011 nicht ausreichend beschrieben.Randnummer49

Die Behauptung der Beklagten, erstmals am 28.01.2016 habe der Bundesgerichtshof, im Gegensatz zu seinen Entscheidungen aus dem Jahr 2015, die Angabe zum angestrebten Verfahrensziel als maßgeblich angesehen, entspricht nicht den Tatsachen.Randnummer50

So hatte der Bundesgerichtshof bereits im Urteil vom 18.06.2015 hervorgehoben, dass das Verfahrensziel ausreichend beschrieben und damit die Größenordnung des geltend gemachten Anspruches für den Schuldner erkennbar sein muss (vgl. BGH, Urteil vom 18. Juni 2015 – III ZR 198/14 –, juris Rn. 28). Zudem war anhand der Begründung des Urteils zu erkennen, dass die Beschreibung des Verfahrensziels in dem Güteantrag den Anforderungen an die gebotene Individualisierung nicht genügte.Randnummer51

(a) So führte der Bundesgerichtshof aus, dass der Güteantrag für den Schuldner erkennen lassen muss, welcher Anspruch gegen ihn geltend gemacht werden soll, damit dieser prüfen kann, ob eine Verteidigung erfolgversprechend ist und ob er in das Güteverfahren eintreten möchte (BGH, Urteil vom 18. Juni 2015 – III ZR 198/14 –, juris Rn. 22 m.w.N.). Dementsprechend muss der Güteantrag einen bestimmten Rechtsdurchsetzungswillen des Gläubigers unmissverständlich kundgeben und hierzu die Streitsache darstellen sowie das konkrete Begehren erkennen lassen (BGH, Urteil vom 18. Juni 2015 – III ZR 198/14 –, juris Rn. 23). Der verfolgte Anspruch ist hinreichend genau zu bezeichnen (BGH a.a.O. Rn. 23), wobei keine allzu strengen Anforderungen zu stellen sind (BGH a.a.O. Rn. 24). Zudem ist zu berücksichtigen, dass der Güteantrag an die Gütestelle als neutralen Schlichter und Vermittler gerichtet wird und diese zur Wahrnehmung ihrer Funktion ausreichend über den Gegenstand des Verfahrens informiert werden muss (BGH a.a.O. Rn. 24). Der Gütestelle muss es möglich sein, im Wege eines Schlichtungsversuchs einen Vergleichsvorschlag zu unterbreiten (BGH, Urteil vom 18. Juni 2015 – III ZR 198/14 –, juris Rn. 28).Randnummer52

(b) Diesen Anforderungen genügte der Güteantrag vom 29.12.2011 nicht. Zwar sprach der Güteantrag davon, dass „die antragstellende Partei (…) den Ersatz des gesamten durch die Beteiligungsabschlüsse ursächlich entstandenen Schadens geltend“ macht (S. 3 des Güteantrags). In der Schlussbemerkung (S. 7 des Güteantrags) wurde gefordert, dass der antragstellenden Partei „alle im Zusammenhang mit den Beteiligungen entstandenen Schäden zu ersetzen [sind]“ und sie „so zu stellen [ist], als ob keine Beteiligung zustande gekommen wäre“. Weiter hieß es: „Der Schadensersatz umfasst somit sämtliche aufgebrachten Kapitalbeträge sowie entgangenen Gewinn und ggf. vorhandene sonstige Schäden (z.B. aus Darlehensfinanzierung oder Steuerrückzahlungen).“ Verwiesen wurde schließlich noch auf die Kosten der Rechtsverfolgung und künftige Schäden aus der Beteiligung.Randnummer53

Die Größenordnung des geltend gemachten Anspruchs war daraus aber weder für die seinerzeitige Antragsgegnerin noch für die Gütestelle im Ansatz zu erkennen und auch nicht wenigstens im Groben einzuschätzen. Es wurden in dem Güteantrag über die getätigten Einlagen hinaus gerade keine Beträge genannt (vgl. BGH, Urteil vom 18. Juni 2015 – III ZR 198/14 –, juris Rn. 28). So wurde weder die Zeichnungssumme mitgeteilt – nur erbrachte Einlagen -, noch die Höhe erhaltener Ausschüttungen. Es fehlte eine Angabe, ob und wenn ja, in welcher Höhe fremdfinanziert wurde und damit ggf. Finanzierungskosten angefallen sein können. Auf welcher Basis entgangener Gewinn berechnet werden könnte, blieb ebenfalls unerwähnt. Was unter „ggf. vorhandene(n) sonstige(n) Schäden“ neben Steuerrückzahlungen, zu deren Höhe ebenso wie zum entgangenen Gewinn nichts ausgeführt wurde, und den notwendigen Kosten der Rechtsverfolgung zu verstehen war, wurde im Güteantrag an keiner weiteren Stelle erklärt (vgl. auch OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG München
, Urteil vom 19. Februar 2016 – 3 U 618/15 –, juris Rn. 49).Randnummer54

Auch aus der Nennung der Beteiligungsnummer oder Vertragsnummer ließ sich die Größenordnung nicht abschätzen, da die geltend gemachten Schäden hieraus nicht hervorgingen (vgl. auch OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG München
, Urteil vom 19. Februar 2016 – 3 U 618/15 –, juris Rn. 50). Ein vorgängiges Anspruchsschreiben des Mandanten, auf dessen Inhalt hätte Bezug genommen und das als Anlage dem Güteantrag hätte beigefügt werden können, lag ebenso wenig vor (vgl. auch OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG München
a.a.O.).Randnummer55

Damit war aus dem Güteantrag vom 29.12.2011 weder für die Antragsgegnerin noch für die Gütestelle erkennbar, welcher Anspruch oder welche konkreten Ansprüche geltend gemacht werden sollten. Dass die Anforderungen an die Individualisierung nicht erfüllt waren, stand nach dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 18.06.2015 fest.Randnummer56

(3) Aufgrund der bis zum 03.09.2015 nachfolgenden Entscheidungen des Bundesgerichtshofs zu weiteren Güteanträgen bestand dann endgültig keine Aussicht mehr darauf, dass sich die höchstrichterliche Rechtsprechung zu den Güteanträgen noch ändern wird und dem Güteantrag vom 29.12.2011 aus anderen Gründen doch noch hemmende Wirkung zukommen könnte.Randnummer57

Am 13.08.2015 entschied der Bundesgerichtshof, dass bei einem Güteantrag, dem die Summe des eingebrachten Kapitals nebst Agio (52.500 DM = 26.842,82 €) entnommen werden konnte, gleichwohl die Größenordnung des geltend gemachten Anspruchs für die Antragsgegnerin und Schuldnerin sowie für die Gütestelle nicht zu erkennen und auch nicht wenigstens im Groben einzuschätzen gewesen war (vgl. BGH, Beschluss vom 13. August 2015 – III ZR 358/14 –, juris Rn. 4). Obwohl in diesem Güteantrag angegeben war, dass „die für die jeweilige Anteilsfinanzierung erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen“ als Schadensersatz gefordert werden, war dies für die Individualisierung nicht ausreichend. Zur Begründung verwies der Bundesgerichtshof darauf, dass der wenigstens ungefähre Umfang der Kreditkosten, des entgangenen Gewinns sowie der abzuziehenden „etwaigen“ Ausschüttungen nicht genannt wurde (vgl. BGH, Beschluss vom 13. August 2015 – III ZR 358/14 –, juris Rn. 4).Randnummer58

Dass es dem Bundesgerichtshof zudem maßgeblich auch auf die Frage der Fremd- oder Eigenfinanzierung ankam, ergab sich eindeutig aus seiner Entscheidung vom 20.08.2015 (III ZR 373/14). Bei einem Güteantrag, mit dem beschrieben wurde, dass dem Antragsteller wegen fehlerhafter Anlageberatung Schadensersatz- und Rückabwicklungsansprüche zustünden und „die Antragstellerseite so zu stellen sei, wie sie gestanden hätte, wenn sie die Fondsbeteiligung nicht gezeichnet hätte“, war die Größenordnung der Ansprüche ebenfalls nicht zu erkennen. Auch wenn in diesem Güteantrag ausgeführt wurde, dass auch der entgangene Gewinn zu ersetzen sei, da die Zeichnungssumme jederzeit festverzinslich zu einem Zinssatz von mindestens 4 % hätte angelegt werden können und erhaltene Ausschüttungen und Steuervorteile in Abzug zu bringen seien, reichte dies zur Individualisierung nicht aus (vgl. BGH, Urteil vom 20. August 2015 – III ZR 373/14 –, juris Rn. 22). In diesem Fall war dem Güteantrag nämlich nicht zu entnehmen, ob das eingebrachte Beteiligungskapital fremdfinanziert war, so dass ein etwaiger Schaden auch oder gar in erster Linie in den aufgebrachten Zins- und Tilgungsleistungen bestanden haben könnte (vgl. BGH, Urteil vom 20. August 2015 – III ZR 373/14 –, juris Rn. 22). Die Bedeutung der Fremd- oder Eigenfinanzierung für die Individualisierung bestätigte der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 03.09.2015 (III ZR 347/14) nochmals. Dem dort zu beurteilenden Güteantrag konnte ebenfalls nicht entnommen werden, ob das eingebrachte Beteiligungskapital fremdfinanziert gewesen war (vgl. BGH, Urteil vom 3. September 2015 – III ZR 347/14 –, juris Rn. 18). Spätestens zu diesem Zeitpunkt bestanden endgültig keine Zweifel mehr daran, dass im Güteantrag eine Angabe zur Fremd- oder Eigenfinanzierung und der damit im Zusammenhang stehenden Kosten erforderlich war.Randnummer59

Der von den Beklagten gefertigte Güteantrag vom 29.12.2011 enthielt keine Angaben dazu, ob die Anlagen fremdfinanziert gewesen waren. Ebenso ergaben sich aus ihm weder der Umfang des entgangenen Gewinns noch etwaige Ausschüttungen. Deswegen durfte mit der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 03.09.2015 keinesfalls mehr davon ausgegangen werden, dass der Güteantrag der Beklagten vom 29.12.2011 die Verjährung der Schadensersatzansprüche gehemmt hatte.Randnummer60

bb) Auch die weitere Entwicklung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und deren Aufnahme durch die Instanzgerichte und in der juristischen Literatur ließ nicht erwarten, dass es zu einer Änderung der in dem Urteil vom 18.06.2015 (III ZR 198/14) aufgestellten Grundsätze kommen würde. Dies gilt auch für Frage der Vereinbarkeit dieser Rechtsprechung mit dem Grundgesetz und dem Unionsrecht.Randnummer61

(1) Zehn Tage nach seiner Grundsatzentscheidung vom 18.06.2015 erließ der Bundesgerichtshof insgesamt vier Beschlüsse, mit denen er an seiner Entscheidung vom 18.06.2015 festhielt (BGH, Beschluss vom 16. Juli 2015 – III ZR 164/14 –, juris Rn. 3 (veröffentlicht: 03.08.2015); Beschluss vom 16. Juli 2015 – III ZR 302/14 –, juris Rn. 5 (veröffentlicht: 03.08.2015); Beschluss vom 16. Juli 2015 – III ZR 218/14 –, juris (veröffentlicht: 04.08.2015); Beschluss vom 16. Juli 2015 – III ZR 248/14 –, juris (veröffentlicht: 06.08.2015)). Eine im Verfahren III ZR 302/14 erhobene Anhörungsrüge verwarf der Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 13.08.2015, die am 24.08.2015 in die Entscheidungsdatenbank des Bundesgerichtshofs aufgenommen wurde, und führte dabei aus:Randnummer62

„Die gegen die Rechtsauffassung des Senats betreffend die Anforderungen an Güteanträge in Kapitalanlagefällen angeführten Argumente hat der Senat im vorliegenden Fall ebenso wie bereits bei den Senatsbeschlüssen vom 18. Juni 2015 – III ZR 198/14 u.a. erwogen und für nicht durchgreifend erachtet.“ (BGH, Beschluss vom 13. August 2015 – III ZR 302/14 –, juris).Randnummer63

Wie bereits ausgeführt, bestätigte der Bundesgerichtshof im Anschluss daran seine Rechtsprechung auch mehrfach, so unter anderem durch Beschluss vom 13.08.2015 sowie Urteile vom 20.08.2015 (III ZR 373/14; veröffentlicht in der Datenbank am 10.09.2015), 03.09.2015 (III ZR 347/15; veröffentlicht am 22.09.2015) und 15.10.2015 (II ZR 170/14; veröffentlicht am 05.11.2015).Randnummer64

Mit Beschluss vom 16.07.2015 stellte der Bundesgerichtshof zudem klar, dass die Grundsatzfrage, welche Anforderungen in Anlageberatungsfällen an die Individualisierung des geltend gemachten (prozessualen) Anspruchs in einem Güteantrag zu stellen sind, durch die Entscheidung vom 18.06.2015 bereits höchstrichterlich geklärt ist (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Juli 2015 – III ZR 164/14 –, juris Rn. 2 und 4).Randnummer65

(2) Den Beklagten ist zwar zuzugeben, dass sich der Bundesgerichtshof erstmals mit Beschluss vom 28.01.2016 (III ZB 88/15) ausdrücklich zur Frage der Europarechtskonformität seiner mit Urteil vom 18.06.2015 aufgestellten Anforderungen an eine hinreichende Individualisierung von Güteanträgen zur Herbeiführung einer Hemmungswirkung nach § 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB geäußert hat (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Januar 2016 – III ZB 88/15 –, juris). Er hat festgestellt, dass die unionsrechtlichen Normen offensichtlich keine Vorgaben für die Anforderungen an die Individualisierung des in einem Güteantrag geltend gemachtem Anspruchs enthalten (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Januar 2016 – III ZB 88/15 –, juris Rn. 18). Dies lässt aber nicht die Schlussfolgerung zu, der Bundesgerichtshof habe diese Rechtsfrage zuvor nicht geprüft oder gar übersehen.Randnummer66

Der Bundesgerichtshof hat – wie jedes nationale Gericht – den Anwendungsvorgang des primären und sekundären Unionsrechts und die Grundsätze der richtlinienkonformen Auslegung des nationalen Rechts auch ohne entsprechenden Vortrag der Parteien zu beachten (vgl. Streinz, in: ders. EUV/AUV, 3. Aufl. 2018, Art. 4 EUV Rn. 35 ff., 61 ff.). Es ist daher davon auszugehen, dass der Bundesgerichtshof bei dem Urteil vom 18.06.2015 (III ZR 198/14) die maßgeblichen Richtlinien, die Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25.05.1999 zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter (ABl. EG L 171/12) und die Richtlinie 2013/11/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21.05.2013 über die alternative Beilegung verbraucherrechtlicher Streitigkeiten und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 sowie der Richtlinie 2009/22/EG (ABl. EU L 165/63), berücksichtigt hat. Auf diese Frage kommt es im vorliegenden Rechtsstreit jedoch nicht an, weil der Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 28.01.2016 sich ausdrücklich mit dieser unionsrechtlichen Frage beschäftigt hat und von einem acte clair ausgegangen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Januar 2016 – III ZB 88/15 – juris, Rn. 18). Der Termin am Landgericht Gera fand erst im Juli 2016 statt, so dass die Beklagten vor diesem Zeitpunkt auch nicht mehr von einer geringfügigen Erfolgsaussicht wegen ungeklärter unionsrechtlicher Fragen ausgehen durften.Randnummer67

Soweit die Beklagten meinen, dass durch die Vorlage eines Instanzgerichts nach Art. 267 AEUV eine Befassung des Gerichtshofs der Europäischen Union mit der Rechtsfrage möglich gewesen wäre, vermag dies an der Aussichtslosigkeit der weiteren Rechtsverfolgung nichts ändern. Denn wie der Bundesgerichtshof im Beschluss vom 28.01.2016 (III ZB 88/15) ausführte, lag evident kein Verstoß gegen Unionsrecht vor. Die von den Beklagten in Bezug genommenen Vorlagen des Landgerichts Ravensburg (EuGH-Vorlage vom 7. Januar 2020 – 2 O 315/19 –, juris) und des Landgerichts Saarbrücken (EuGH-Vorlage vom 17. Januar 2019 – 1 O 164/18 –, juris) führen zu keiner anderen Beurteilung. Diese Vorlagen an den Europäischen Gerichtshof betrafen nämlich andere Rechtsfragen und zeigen lediglich auf, dass ein nationales Gericht dem Gerichtshof der Europäischen Union eine Frage nach Art. 267 AEUV vorlegen darf. Die theoretisch immer bestehende Möglichkeit, dass ein Gericht trotz der gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine Rechtsfrage dem Gerichtshof der Europäischen Union zur Klärung vorlegt und sich infolge dessen eine Rechtsprechungsänderung ergeben kann, steht der Annahme der Aussichtslosigkeit hier aber nicht entgegen. Dies ergibt sich zum einen aus der vom Bundesgerichtshof festgestellten offensichtlichen Konformität mit Unionsrecht und zum anderen daraus, dass eine anderweitige Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union bislang nicht ergangen ist.Randnummer68

(3) Das Bundesverfassungsgericht nahm die gegen das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 18.06.2015 (III ZR 198/14) gerichtete Verfassungsbeschwerde zeitnah nicht zur Entscheidung an (vgl. BVerfG, Beschluss vom 10. September 2015 – 1 BvR 1817/15 –, juris). Dies gilt auch für andere Verfassungsbeschwerden, die gegen weitere Entscheidungen des Bundesgerichtshofs zu den Anforderungen an Güteanträge eingelegt worden waren (vgl. etwa: BVerfG, Beschluss vom 10. September 2015 – 1 BvR 2072/15 –, juris, zum Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 16. Juli 2015 – III ZR 302/14 –, Rn. 1, juris).Randnummer69

(4) Die Oberlandesgerichte folgten der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, ohne dass Bedenken gegen die im Urteil vom 18.06.2015 (III ZR 198/14) enthaltenen strengeren Anforderungen erhoben wurden. So schlossen sich noch im Jahr 2015 das Brandenburgische Oberlandesgericht mit Urteil vom 22.07.2015 (7 U 48/14), das Oberlandesgericht Frankfurt mit Urteil vom 31.07.2015 (19 U 207/14) und Hinweisbeschluss vom 10.09.2015 sowie anschließendem Zurückweisungsbeschluss vom 18.11.2015 (25 U 57/15), das Oberlandesgericht München mit Hinweisbeschluss vom 25.09.2015 und Zurückweisungsbeschluss vom 19.11.2015 (15 U 2273/15), das Oberlandesgericht Hamm in mehreren Beschlüssen vom 20.10.2015 (34 U 65/15) vom 29.10.2015 (34 U 52/15), vom 05.11.2015 (34 U 206/15), vom 10.11.2015 (34 U 208/15), vom 24.11.2015 (34 U 69/15), vom 25.11.2015 (24 U 118/15), vom 26.11.2015 (34 U 98/15), vom 03.12.2015 (34 U 122/15) und das Oberlandesgericht Köln mit Beschluss vom 25.11.2015 (24 U 118/15) und Urteilen vom 17.12.2015 (24 U 133/14, 24 U 137/14 und 24 U 136/14) der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 18.06.2015 an.Randnummer70

(5) Schließlich stieß die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Verjährungshemmung durch Güteanträge in dem ganz überwiegenden Teil des Schrifttums auf Zustimmung (z.B. Grüneberg, BKR 2015, S. 485 (494 ff.); Deiß, EWiR 2015, S. 737; Antomo, JZ 2015, S. 1109 ff.; Gilberg, NJW 2015, S. 2410 ff.; Ellenberger, in: Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, § 204 BGB Rn. 19; Henrich, in: BeckOK, Stand 01.05.2016, § 204 BGB Rn. 26; Lakkis, in: jurisPK-BGB, Stand 13.04.2016, § 204 BGB, Rn. 57.5 bis 57.9; Martens, WuB 2016, S. 143 f.; Meller-Hannich, LMK 2015, 372470; Nobbe, WM 2016, S. 337, 341 ff.).Randnummer71

Nach alledem bestanden nach dem 03.09.2015 keine Zweifel an der objektiven Aussichtslosigkeit der Rechtsverfolgung mehr.Randnummer72

cc) Die mangelnde Individualisierung des Güteantrages vom 29.12.2011 musste daher von einem sorgfältig arbeitenden und auf das Kapitalanlagerecht spezialisierten Rechtsanwalt jedenfalls vor dem erstinstanzlichen Termin am 11.07.2016 erkannt werden. Bei einer entsprechenden rechtlichen Prüfung wäre ein Rechtsanwalt jedenfalls vor diesem Termin zu der Schlussfolgerung gelangt, dass der Güteantrag, obwohl er inhaltliche Unterschiede zu den dort gegenständlichen Güteanträgen aufwies, die Verjährung nicht gehemmt hatte.Randnummer73

Ein Rechtsberater ist verpflichtet, die höchstrichterliche Rechtsprechung zeitnah zur Kenntnis zu nehmen und seine Rechtsberatung daran auszurichten (vgl. BGH, Urteil vom 29. April 2003 – IX ZR 54/02 –, juris Rn. 16; Thüringer Oberlandesgericht, Urteil vom 5. Juli 2019 – 4 U 359/18 –, juris Rn. 113, Vill, in: Fischer/Vill/Fischer/Pape/Chab, Handbuch der Anwaltshaftung, 5. Aufl. 2020, § 2 Rn. 79). Dieser Zeitpunkt ist im Hinblick auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu den Anforderungen an Güteanträge bereits zum 30.09.2015 eingetreten.Randnummer74

(1) Über die höchstrichterliche Rechtsprechung hat sich der Rechtsanwalt anhand von amtlichen Sammlungen und einschlägigen Fachzeitschriften zu informieren (vgl. BGH, Urteil vom 25. September 2014 – IX ZR 199/13 –, juris Rn. 11). Ferner findet sich diese Rechtsprechung in Kommentaren, Lehrbüchern und elektronischen Datenbanken (vgl. Vill, in: Fischer/Vill/Fischer/Pape/ Chab, Handbuch der Anwaltshaftung, 5. Aufl. 2020, § 2 Rn. 80). Der Bundesgerichtshof hat in einer Entscheidung aus dem Jahr 2010 hierbei bewusst offengelassen, ob bei einer fortschreitenden, einen einfachen, raschen und kostengünstigen Zugriff gestattenden Informationstechnologie in Zukunft strengere Anforderungen an die Kenntnis höchstrichterlicher Entscheidungen zu stellen sind (vgl. BGH, Urteil vom 23. September 2010 – IX ZR 26/09 –, juris Rn. 26).Randnummer75

Ein auf Kapitalanlagerecht spezialisierter Rechtsanwalt war nach Auffassung des Senats gehalten, sich über die online verfügbare Entscheidungsdatenbank des Bundesgerichtshofs über die fortlaufende Rechtsprechung zu informieren. Der Begriff der amtlichen Sammlung ist im Hinblick auf Entscheidungen des Bundesgerichtshofs nicht allein auf Druckwerke beschränkt. Vielmehr muss berücksichtigt werden, dass gerade angesichts der Entwicklung des allgemeinen Medienkonsums (vgl. Frees/Koch, Media Perspektiven 9/2015, S. 366 ff. zur ARD/ZDF-Onlinestudie 2015) und der zunehmenden Digitalisierung im Arbeitsbereich eine immer stärker werdende Verlagerung der Wahrnehmung höchstrichterlicher Rechtsprechung hin zu digitalen Angeboten erfolgt. Dies gebietet es, dass nicht allein die Druckwerke amtlicher Sammlungen (BGHZ und BGHSt) als maßgebliches Erfassungsmittel der höchstrichterlichen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in den Blick genommen werden müssen, sondern auch dessen online verfügbare Entscheidungsdatenbank, in der die seit dem 01.01.2000 ergangenen Entscheidungen veröffentlicht werden (in diese Richtung bereits OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG München
, Urteil vom 17. Juli 2007 – 4 UF 108/07 -, juris; Rott, in: Blocher/Heckmann/Zech, DGRI Jahrbuch 2016, 1. Aufl. 2017, Legal Tech aus Verbraucherperspektive, Rn. 43; ablehnend Heinemann, NZF 2015, 438, (441)). Die von Heinemann angeführten ablehnenden Stimmen von Fischer (AnwBl. 1993, S. 597 (599)) und Lange (DB 2003, S. 869 (871)) betreffen jeweils Zeiträume, in denen die digitale Recherche und allgemein die Internetnutzung noch nicht derart stark ausgeprägt waren wie 2015. So nutzten 1997 gerade einmal 6,5 % der Deutschen das Internet und im Jahr 2000 28,6 %. Seitdem hat sich die zumindest gelegentliche Internetnutzung auf 79,5 % im Jahr 2015 deutlich gesteigert (im Einzelnen: Frees/Koch, Media Perspektiven 9/2015, S. 366 f.). Dabei geht es, anders als Heinemann (in: Vollkommer/ Greger/Heinemann, Anwaltshaftung, 5. Auflage 2021, § 11 Rn. 19 ff., 28) meint, nicht darum, dem Anwalt letzten Endes eine (insbesondere zeitlich) unbegrenzte Überwachungspflicht solcher Quellen aufzugeben, sondern eine vom ihm geforderte Informationsbeschaffung an die sich weiter entwickelnden Medien und Informationsquellen anzupassen. Gerade bei der Online-Entscheidungsdatenbank des Bundesgerichtshofs handelt es sich um eine einfach zugängliche und kostenfreie Recherchemöglichkeit, die nach Ansicht des Senats ein Äquivalent zu der gedruckten amtlichen Sammlung darstellt. Ihr kommt die für amtliche Sammlungen kennzeichnende besondere Autorisierung vor.Randnummer76

Zwar ist von einem Rechtsanwalt grundsätzlich nicht zu erwarten, dass er sämtliche Entscheidungen in dieser Datenbank durchsieht. Jedoch besteht zumindest die Pflicht, die für seinen konkreten Tätigkeitsbereich als „Leitsatzentscheidungen“ in der Datenbank benannten Entscheidungen zeitnah zur Kenntnis zu nehmen. Für den Fall, dass der Tätigkeitsbereich des Rechtsanwalts auf einen eng zugeschnittenen Rechtsbereich begrenzt ist, kann sich die Verpflichtung derart steigern, dass er auch darüberhinausgehende Entscheidungen des für seinen Tätigkeitsbereich zuständigen Senats des Bundesgerichtshofs zur Kenntnis zu nehmen hat. Dies wird insbesondere dann anzunehmen sein, wenn er massenhaft Verfahren zu vergleichbaren Sachverhalts- und Rechtsfragenkonstellationen betreibt. Gerade in diesen Fällen ist eine besondere Sorgfalt für den Fall geboten, dass entscheidungserhebliche Rechtsfragen dieser Fälle bislang nicht geklärt sind. Insoweit hatte der Bundesgerichtshof schon bisher eine gesteigerte Pflicht zur Kenntnisnahme der Rechtsprechung der Instanzgerichte und des Schrifttums einschließlich der Aufsatzliteratur angenommen, soweit ein Rechtsgebiet auf Grund eindeutiger Umstände in der Entwicklung begriffen und neue höchstrichterliche Rechtsprechung zu erwarten ist (BGH, Urteil vom 25. September 2014 – IX ZR 199/13 -, juris Rn. 12; Urteil vom 21. September 2000 – IX ZR 127/99 –, juris Rn. 49; OLG DüsseldorfBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG Düsseldorf
, Urteil vom 16. Juli 2019 – I-23 U 180/18 –, juris Rn. 21).Randnummer77

In welchen Zeitabständen ein Rechtsanwalt diese Quellen zu durchsuchen hat, ist dabei abhängig von dem ihm zur Kenntnisnahme zuzubilligenden Karenzzeitraum. Dem Rechtsanwalt muss zur Erfassung der höchstrichterlichen Rechtsprechung ein realistischer Toleranzrahmen zugebilligt werden, wobei es hinsichtlich dessen Bestimmung auf die besonderen Umstände des Einzelfalls ankommt (BGH, Urteil vom 25. September 2014 – IX ZR 199/13 –, juris Rn. 12; BGH, Urteil vom 21. September 2000 – IX ZR 127/99 –, juris Rn. 49; Vill, in: Fischer/Vill/Fischer/Pape/Chab, Handbuch der Anwaltshaftung, 5. Aufl. 2020, § 2 Rn. 81). Die grundsätzliche Karenzzeit von vier bis sechs Wochen (vgl. OLG DüsseldorfBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG Düsseldorf
, Urteil vom 20. November 2001 – 23 U 20/01 -, juris; Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Urteil vom 11. April 2013 – 11 U 80/12 –, juris Rn. 28) kann unter Umständen auch kürzer zu bemessen sein, soweit beispielsweise das Mandat eine höchstrichterlich noch nicht abschließend geklärte Rechtsfrage betrifft (vgl. Heinemann, in: Vollkommer/Greger/Heinemann, Anwaltshaftung, 5. Auflage 2021, § 11 Rn. 23 ff.).Randnummer78

(2) Die Grundsatzentscheidung des Bundesgerichtshofs vom 18.06.2015 (III ZR 198/14) wurde nach der amtlichen Auskunft des Bundesgerichtshofs am 06.07.2015 in die Entscheidungsdatenbank des Bundesgerichtshofs eingestellt. Sie wurde danach in der Neuen Juristischen Wochenschrift, Heft Nr. 33 vom 13.08.2015, veröffentlicht (dort S. 2407 ff.). Die nachfolgenden Urteile des Bundesgerichtshofs vom 20.08.2015 (III ZR 373/14) und vom 03.09.2015 (III ZR 347/15) wurden am 10.09.2015 und am 22.09.2015 in die Datenbank eingestellt.Randnummer79

(3) Ein auf Kapitalanlagerecht spezialisierter Rechtsanwalt, der für die von ihm vertretenen Anleger massenhaft Güteanträge zur Hemmung der VerjährungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Hemmung
Hemmung der Verjährung
Verjährung
gestellt hatte und bundesweit Klageverfahren betrieb, musste die Entwicklung der Rechtsprechung zu den Güteanträgen im besonderen Maße verfolgen. Dass im Jahr 2015 zahlreiche Revisions- bzw. Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren beim Bundesgerichtshof anhängig waren, bei denen (auch) die Hemmungswirkung von Güteanträgen gegenständlich war, musste einem auf diesem Feld tätigen Rechtsanwalt bekannt sein, so dass er die höchstrichterliche Entscheidung zu erwarten und zeitnah zur Kenntnis zu nehmen hatte.Randnummer80

(4) Bei den Beklagten handelte es sich um eine auf Kapitalanlagen spezialisierte Kanzlei, die im Jahr 2011 massenhaft Güteanträge zur Hemmung der VerjährungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Hemmung
Hemmung der Verjährung
Verjährung
eingereicht hatte und Anleger bundesweit gerichtlich vertrat. Sie waren daher verpflichtet, die Entwicklung der Rechtsprechung zu dieser Frage zu verfolgen und insbesondere die höchstrichterlichen Entscheidungen zeitnah zur Kenntnis zu nehmen.Randnummer81

Dies betraf vor allem das Grundsatzurteil des Bundesgerichtshofs vom 18.06.2015, aber auch die nachfolgenden Entscheidungen vom 13.08.2015, vom 20.08.2015 und vom 03.09.2015. Die Beklagten hatten das Urteil vom 18.06.2015 auch spätestens am 10.07.2015 zur Kenntnis genommen, da sie in einem Serienschreiben an die von ihnen vertretenen Mandanten vom 10.07.2015 auf diese Entscheidung des Bundesgerichtshofs Bezug nahmen (Anlage K 17 zum Schriftsatz der Klägerin vom 11.03.2022). Selbst wenn ihnen zu diesem Zeitpunkt nur die entsprechende Presseerklärung des Bundesgerichtshofs und noch nicht die Entscheidungsgründe bekannt gewesen sein sollten, so waren sie gehalten, sich den Volltext des Urteils bis spätestens Ende Juli 2015 aus der Datenbank zu beschaffen und nicht erst mit deren Veröffentlichung in der Neuen Juristischen Wochenschrift im August 2015 davon Kenntnis zu nehmen. Die Pflicht zur Kenntnisnahme und Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung war bei den Beklagten zu diesem Zeitpunkt nämlich im Vergleich zu einem in einer allgemeinen Beratungs- und Prozesspraxis tätigen Rechtsanwalt in besonderem Maße gesteigert, weil sie in dieser Zeit in zahlreichen Verfahren fristgebundene Handlungen, vor allem die Einlegung von Einsprüchen gegen Versäumnisurteile oder von Rechtsmitteln, zu prüfen hatten (vgl. Vill, in: Fischer/Vill/Fischer/ Pape/Chab, Handbuch der Anwaltshaftung, 5. Aufl. 2020, § 2 Rn. 81). Das Urteil vom 18.06.2015 gab aber zugleich auch Anlass, die weitere Entwicklung der Rechtsprechung engmaschig zu verfolgen.Randnummer82

Im vorliegenden Fall waren die Beklagten jedenfalls vor der mündlichen Verhandlung in erster Instanz am 11.07.2016 verpflichtet, ihre Beratung an der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auszurichten. Ihnen war nach der Kenntnisnahme des Urteils vom 18.06.2015 bis spätestens zum 31.07.2015 in der Folge ein weiterer angemessener Zeitraum zur Prüfung der Urteilsgründe und zur Anpassung ihrer Beratung zunächst bis Ende August 2015 zuzugestehen. Dabei berücksichtigt der Senat zugunsten der Beklagten, dass die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs Auswirkungen auf eine Vielzahl der von ihnen betriebenen Verfahren hatte und sie sich einem außergewöhnlich hohen Beratungsaufwand gegenübersahen. Da aber in dieser Zeitspanne bis Ende August/Anfang September 2015 weitere Entscheidungen des Bundesgerichtshofs ergingen, die von den Beklagten ebenfalls auf ihre Bedeutung für die von ihnen gestellten Güteanträge analysiert werden durften und mussten, verlängerte sich die Karenzzeit entsprechend. Dies betrifft insbesondere die oben aufgeführten Entscheidungen des Bundesgerichtshofs bis zum 03.09.2015.Randnummer83

Falls die Beklagten von der Entscheidung des Bundesgerichtshof vom 03.09.2015 nicht bereits durch eine Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs Kenntnis erhalten hatten, hätten sie sich diese unverzüglich nach der Veröffentlichung des Urteils am 22.09.2015 (Dienstag) verschaffen müssen, wobei der Senat danach nur noch einen Zeitraum von einer Woche bis einschließlich dem 29.09.2015 (Dienstag) für die Beschaffung und Prüfung als angemessen erachtet, da die Beklagten mit den Grundsätzen der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bereits auf Grundlage der vorangegangenen Entscheidungen vertraut sein mussten. Der Senat legt daher hinsichtlich der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 03.09.2015 einen deutlich kürzer zu bemessenden Toleranzrahmen zur Kenntnisnahme und zur inhaltlichen Prüfung zugrunde. Eine darüberhinausgehende Überlegungszeit war den Beklagten nicht mehr zuzugestehen.Randnummer84

Die Beklagten hätten daher spätestens am 30.09.2015 davon ausgehen müssen, dass die von ihnen gestellten Güteanträge die Verjährung nicht gehemmt hatten und die weitere Rechtsverfolgung bei Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung aussichtslos für ihre Mandanten geworden war. Sie waren ab diesem Zeitpunkt gehalten, ihre Mandanten entsprechend zu beraten.Randnummer85

dd) Die Beklagten durften in der Folge auch nicht aus anderen Gründen vom Fortbestehen einer zumindest geringen Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung ausgehen, etwa wegen kritischer Stimmen in der juristischen Literatur zu der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Das betrifft aber auch die etwaige Erhebung einer Verfassungsbeschwerde, das von den Beklagten betriebene Kapitalanleger-Musterverfahren und die von den Rechtsanwälten bei dem Bundesgerichtshof vertretenen Auffassungen zur Erfolgsaussicht der von den Beklagten betriebenen Verfahren.Randnummer86

(1) Es war nicht anzunehmen, dass der Bundesgerichtshof wegen den von den Beklagten aufgeführten Äußerungen im juristischen Schrifttum seine Rechtsprechung ändern würde. Das Urteil vom 18.06.2015 fand nämlich nur vereinzelt kritische Stimmen in der Literatur, die auch keine neuen, vom Bundesgerichtshof bis dahin nicht berücksichtigten Gesichtspunkte enthielten. Die im Schrifttum geäußerten Bedenken konnten damit keine Veranlassung zu der Annahme geben, die Rechtsprechung werde noch einmal überdacht (vgl. dazu BGH, Urteil vom 16. September 2021 – IX ZR 165/19 –, juris Rn. 40).Randnummer87

(a) Soweit die Literaturstimmen vordergründig die Anforderungen an das Verfahrensziel kritisieren, handelt es sich dabei nicht um Bedenken, mit denen sich die Rechtsprechung noch nicht auseinandergesetzt hatte. Zudem weisen nahezu alle Autoren ausdrücklich darauf hin, dass die Rechtspraxis die durch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs aufgestellten Anforderungen an einen Güteantrag bei der Beratungspraxis zu beachten habe.Randnummer88

(aa) Die Kritik von Lindner (jurisPR-BGHZivilR 20/2015 Anm. 1 vom 13.11.2015), der als Rechtsanwalt beim Bundesgerichtshof in einem Parallelverfahren tätig gewesen war, beinhaltete keine neuen, vom Bundesgerichtshof bisher nicht behandelten Gesichtspunkte.Randnummer89

Lindner führte aus, aus seiner Sicht könne es nicht überzeugen, „wenn für die Anspruchsindividualisierung im Güteantrag mehr verlangt wird, als dass der Antragsgegner die erhobene Forderung hinreichend klar erkennen kann“. Dabei sei eine „ausreichende Individualisierung […] aber häufig schon gewährleistet, wenn die Anlage als solche und der Anleger/Antragsteller bestimmt bezeichnet werden. Kommt insoweit auch aus Sicht des Antragsgegners nur eine Anlageberatung bzw. -vermittlung in Betracht, weil der konkret benannte Anleger bei ihm nur einmal diese bestimmte Anlage gezeichnet hat, ist der anspruchsbegründende Lebenssachverhalt an sich ausreichend, weil eindeutig identifizierbar umschrieben, sofern er ihn – wie regelmäßig – aus den bei ihm noch vorhandenen Unterlagen rekonstruieren kann.“ Soweit man sich an der Klage orientiere, seien die Anforderungen sogar noch geringer, da es in solchen Fällen genüge, wenn der Anspruch identifizierbar sei. Dabei müsse die Klage für die Hemmung weder schlüssig noch zulässig oder gar begründet sein. Dann sei es auch nicht sinnvoll, vom Gläubiger bereits im Rahmen des Güteantrages die Mitteilung zu verlangen, ob er den großen oder kleinen Schadensersatz verlange.Randnummer90

Gerade mit den Unterschieden des Klage-, Mahn- und Güteverfahrens hatte sich der Bundesgerichtshof aber bereits in der Entscheidung vom 18.06.2015 unter Randnummer 24 insbesondere unter Bezugnahme auf die Entscheidungen des Oberlandesgerichts Frankfurt vom 09.07.2014 (17 U 172/13) und des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 11.11.2014 (WM 2015, S. 474, 475 f.) sowie auf einen Aufsatz von Duchstein (NJW 2014, S. 342) auseinandergesetzt. Dabei stellten die zitierten Quellen eindrücklich die Gründe dar, die für die vom Bundesgerichtshof angestellten Anforderungen an die Güteanträge sprachen.Randnummer91

Soweit Lindner der Ansicht war, der Anspruch wäre grundsätzlich schon mit der Forderung, so gestellt zu werden, wie wenn die Anlage nicht erworben worden wäre, ausreichend umrissen, hatte der Bundesgerichtshof dieser Einschätzung deutlich eine Absage erteilt und argumentiert, dass der Güteantrag einen bestimmten Rechtsdurchsetzungswillen des Gläubigers unmissverständlich kundgeben und hierzu die Streitsache darstellen sowie das konkrete Begehren erkennen lassen muss (vgl. BGH, Urteil vom 18. Juni 2015 – III ZR 198/14 –, juris Rn. 23).Randnummer92

Der Bundesgerichtshof hatte in seinem Urteil vom 18.06.2015 auch die besondere Rolle der Gütestelle in dem Schlichtungsverfahren berücksichtigt und dieser eine andere Bedeutung beigemessen als Lindner, so dass auch aus diesem Grund höhere Anforderungen an den Güteantrag zu stellen waren. Die pauschale Behauptung Lindners, ohnehin werde der Antragsgegner regelmäßig wissen, um welchen Anspruch es gehe, wenn er sich für die Durchführung des Güteverfahrens entscheide, ist aufgrund des durch den Bundesgerichtshof betonten Umstands, dass sich die Anlagenberatungsgesellschaft im konkreten Fall einer Vielzahl von Güteanträgen ausgesetzt sah, ebenfalls nicht haltbar.Randnummer93

Vielmehr weist Lindner selbst zum Schluss darauf hin, dass bis “zu einer Korrektur dieser Grundsätze […] sich die Praxis jedoch daran [den Anforderungen des BGH] orientieren [wird] müssen, zumal die gegen die Entscheidung erhobene Verfassungsbeschwerde gescheitert ist“.Randnummer94

Die Ausführungen von Lindner konnten somit nicht die Annahme rechtfertigen, der Bundesgerichtshof würde seine Haltung unter Berücksichtigung dieser Stimme noch einmal überdenken.Randnummer95

(bb) Auch die kritische Haltung zur Frage des mit dem Güteverfahren verfolgten Verfahrensziels von Höger (jurisPR-BGHZivilR 22/2015 Anm. 4) vermochte keine für die Beklagten abweichende Beurteilung zu rechtfertigen. Die Anmerkung bezieht sich auf das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 15.10.2015 (III ZR 170/14), mit der er die Entscheidung vom 18.06.2015 bestätigte. Für Höger ist dabei die „strenge Handhabung der Voraussetzungen einer Anspruchsindividualisierung für die Verjährungshemmung nach § 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB […] grundsätzlich richtig und zu begrüßen. Denn sie erleichtert die Arbeit der Gütestellen und korrespondiert mit dem originären Sinn und Zweck der Güteverfahren. Das Güteverfahren hat nämlich primär das Ziel einer abschließenden Schlichtung ohne Anrufung der Gerichte und nicht das Ziel einer bloßen Verjährungshemmung als Zeitgewinn vor Anrufung der Gerichte“.Randnummer96

Lediglich zu dem mit den Güteverfahren verfolgten Verfahrensziel und damit letztlich der Darlegung der Schadenshöhe hat er Bedenken geäußert und ausgeführt, im „Klageverfahren wäre insoweit eine nachträgliche Substantiierung der Schadenshöhe möglich, ohne dass sich dies auf die verjährungshemmende Wirkung der Klage auswirken würde (…)“.Randnummer97

Jedoch hat Höger dahinstehen lassen, ob die Anforderungen an die Darlegung des Verfahrensziels und damit letztlich der Darlegung der Schadenshöhe gerechtfertigt seien sowie herausgestellt, dass das Bundesverfassungsgericht durch Beschluss vom 10.09.2015 (1 BvR 1817/15) jedenfalls die ersten Entscheidungen des Bundesgerichtshofs vom 18.06.2015 durch Nichtannahme der hiergegen gerichteten Verfassungsbeschwerden „abgesegnet“ habe.Randnummer98

Es war daher auch für die Beklagten fernliegend, dass der Bundesgerichtshof seine Haltung unter Berücksichtigung dieser Urteilsbesprechung noch einmal geändert hätte.Randnummer99

(cc) Dass der Bundesgerichtshof seine Rechtsprechung wegen des Aufsatzes von Borowski (VuR 2015, S. 469 f.) geändert hätte, war ebenfalls nicht anzunehmen.Randnummer100

Soweit Borowski meint, dass „die genaue Schadenshöhe, beispielsweise im Falle von Steuerstreitigkeiten auf Fondsebene, von den fehlinformierten Verbrauchern gar nicht mitgeteilt werden könnte, werde vom BGH ebenso wenig berücksichtigt, wie die Überforderung des Verbrauchers mit der genauen Schadensberechnung (…)“, hat er bereits nicht verdeutlicht, warum der Verbraucher überfordert und eine Mitteilung insofern nicht möglich sein soll. Der Einschätzung von Borowski, es sei für den Antragsgegner erkennbar, in welcher Höhe er in Anspruch genommen werde, weil diesem die Zeichnungsunterlagen vorliegen würden und diese regelmäßig Angaben zur Fremdfinanzierung enthielten, ist der Bundesgerichtshof mit dem überzeugenden Argument entgegengetreten, dass die Vielzahl von Güteanträgen eine Zuordnung wesentlich erschwert.Randnummer101

Auch das Argument von Borowski, dass der mit dem Güteverfahren befasste Schlichter erst nach einer möglichen Stellungnahme des Antragsgegners einen Einigungsvorschlag unterbreiten könne, verkennt, dass ein etwaiges Bestreiten des Antragsgegners nicht über eine unzureichende Darlegung der Größenordnung hinweghilft. Auch in diesem Fall ist der Gütestelle nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs aber nicht möglich, einen fallangemessenen Einigungsvorschlag zu erstellen.Randnummer102

(dd) Auch der Aufsatz von Rechtsanwalt Fuxman (GbR 2015, S. 324) führt nicht zur Annahme, der Bundesgerichtshof werde seine Rechtsprechung ändern.Randnummer103

Soweit Fuxmann die Notwendigkeit der Eingrenzung zwischen „großem“ und „kleinem“ Schadensersatz bezweifelt, weil der Antragsgegner schon aus der Beteiligungshöhe den maximalen Forderungsumfang ersehen könne, hat der Bundesgerichtshof ausgeführt, warum das gerade nicht der Fall ist. Wenn es für Fuxmann überdies nicht sachgerecht erscheint, eine derart genaue Schadenseingrenzung in Anlageberatungsfällen zu verlangen, da der VI. Zivilsenat bei der Prospekthaftung nicht einmal die Angabe einer Beteiligungssumme verlange, bleibt der bereits oben dargelegte Unterschied von Anlagenberatungsfällen zur Prospekthaftung unbeachtet. Zustimmend stellt Fuxmann dann heraus, dass die zur Individualisierung notwendigen Angaben nicht vollständig zwingend im Güteantrag enthalten sein müssten, sondern sich auch aus einem beigefügten Anspruchsschreiben ergeben könnten. Im Gegensatz zum formalisierten Mahnverfahren, das nicht auf eine gütliche Einigung ausgerichtet sei und folglich eine Bezugnahme genügen lasse – sofern das Anspruchsschreiben dem Gegner zugegangen sei –, könne eine Gütestelle nur dann einen sinnvollen Vergleichsvorschlag erarbeiten, wenn ihr die nötigen Informationen vollständig zur Verfügung gestellt werden würden. Auch äußert Fuxmann, dass das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 18.06.2016 insgesamt für mehr Rechtssicherheit sorge. Es halte Anlegeranwälte zu größerer Sorgfalt bei der Abfassung von Güteanträgen an. In Anbetracht dieser Ausführungen hält es der Senat für ausgeschlossen, dass diese den Bundesgerichtshof zu einer Rechtsprechungsänderung veranlasst hätten.Randnummer104

(ee) Ferner ließ auch die Urteilsbesprechung von Harnos (BKR 2015, S. 386 ff.) nicht den Rückschluss zu, dass der Bundesgerichtshof seine Rechtsprechung noch abändern wird. Harnos vertritt die Auffassung, dass es bei der Darstellung des Verfahrensziels im Regelfall genügen dürfte, wenn der Antragsteller die Beteiligungshöhe nenne. Auf dieser Grundlage könne die Gütestelle einen Vergleichsvorschlag unterbreiten. Solchen Überlegungen ist der Bundesgerichtshof in mehreren Entscheidungen mit dem Argument entgegengetreten, dass auf dieser Grundlage gerade kein fallgerechter Vergleichsvorschlag unterbreitet werden kann.Randnummer105

Soweit Harnos unterschiedliche Streitgegenstände in dem entgangenen Zinsgewinn beziehungsweise in dem Finanzierungsschaden einerseits und dem Anspruch auf Rückabwicklung des Anlagegeschäfts andererseits sieht und deswegen eine Hemmungswirkung hinsichtlich des Rückabwicklungsanspruchs annehmen will, hat der Bundesgerichtshof anders entschieden und an dieser Rechtsprechung festgehalten. Hinzu kommt, dass der Güteantrag der Beklagten gerade nicht auf den Rückabwicklungsanspruch begrenzt war, sondern den Ersatz sämtlicher Schäden beinhaltete. Eine Hemmung durch Teilindividualisierung hatte der Bundesgerichtshof vor dem Termin vor dem Landgericht Gera ebenfalls abgelehnt.Randnummer106

(ff) Schließlich werden in der Anmerkung von Knops und Spiegelberg zum Urteil des Bundesgerichtshofs vom 20. August 2015 (III ZR 373/14) keine neuen, bislang vom Bundesgerichtshof nicht behandelten Grundsätze angeführt, sondern die hohen Anforderungen an Güteanträge kritisiert (WuB 2016, S. 14 ff.). Dabei stellen die Autoren weniger die aufgestellten Grundsätze als die Subsumtion im konkreten Fall in Frage. Insofern erachten sie die Formulierung des Güteantrages hinsichtlich des Verfahrensziels in dem vom Bundesgerichtshof am 20.08.2015 entschiedenen Fall für ausreichend. Soweit sie die vom Bundesgerichtshof geforderten Angaben, „ob das eingebrachte Beteiligungskapital fremdfinanziert war nebst eventueller Freistellungsansprüche und etwaig abzuziehender Ausschüttungen“ kritisch hinterfragen, geht dies nicht über allgemeine Bedenken hinaus, die jedoch ebenfalls keine neuen, bislang unberücksichtigten Gesichtspunkte betreffen.Randnummer107

(b) Die von Lindner und Borowski vertretene Auffassung, dass die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 18.06.2015 gegen europäisches Recht verstoße, rechtfertigte nicht die Annahme, der Bundesgerichtshof werde seine Rechtsprechung auf dieser Grundlage noch einmal überdenken und ändern.Randnummer108

(aa) Soweit Lindner meint, die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vom 18.06.2015 widerspreche „der Intention des europäischen (…) Gesetzgebers, außergerichtliche Streitbeilegungsverfahren zu fördern und so eine auch für Laien zugängliche, kostengünstigere Alternative für die Rechtsdurchsetzung zu schaffen“, postuliert er – unzutreffend (vgl. nur deutlich OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG München
, Urteil vom 19. Februar 2016 – 3 U 618/15 –, juris Rn. 57 ff. m.w.N.) – einen vermeintlichen Verstoß gegen die Absicht des europäischen Gesetzgebers, ohne dies näher dazulegen. Ohne eine weitergehende Begründung seiner Ansicht hält es der Senat für ausgeschlossen, dass der Bundesgerichtshof seine Rechtsprechung noch einmal überdacht hätte.Randnummer109

(bb) Auch aufgrund der Ausführungen von Borowski (VuR 2015, S. 467 (470)), der meint, es blieben die Ziele der neueren europäischen Gesetzgebungsverfahren unberücksichtigt, war keine Rechtsprechungsänderung des Bundesgerichtshofs zu erwarten. Soweit sich Borowski dabei auf die bereits oben aufgeführte Richtlinie 2013/11/EU des europäischen Parlaments und des Rates vom 21.05.2013 über die alternative Beilegung von Streitigkeiten und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 und der Richtlinie 2009/22/EG bezieht, hat er verkannt, dass § 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB den Anforderungen des Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie 2013/11/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21.05.2013 über die alternative Beilegung verbraucherrechtlicher Streitigkeiten und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 und der Richtlinie 2009/22/EG (ABl. EU L 165/63) genügt. Dies hat der Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 28.01.2016 (III ZB 88/15) später ausdrücklich festgestellt (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Januar 2016 – III ZB 88/15 –, juris Rn. 18).Randnummer110

(c) Die übrigen durch die Beklagten angeführten Literaturstimmen aus dem Jahr 2016 können unberücksichtigt bleiben. Nachdem der Bundesgerichtshof bis Januar 2016, insbesondere mit Beschluss vom 28.01.2016 (III ZB 88/15), seine Rechtsprechung mehrfach bestätigt hat, hält es der Senat für ausgeschlossen, dass eine anhaltende kritische Diskussion in Teilen der juristischen Literatur noch eine Rechtsprechungsänderung hätte herbeiführen können.Randnummer111

(2) Die Möglichkeit, nach Erschöpfung des Rechtswegs eine Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht einzulegen, steht der Annahme der Aussichtslosigkeit der Verfahrensfortsetzung im hiesigen Vorprozess nicht entgegen. Schon bei abstrakter Betrachtung dieser Möglichkeit, ist die Annahme selbst geringer Erfolgsaussichten fernliegend. Ferner teilt der Senat die Auffassung der Beklagten, ihre Mandanten hätte trotz der Aussichtslosigkeit das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren vor dem Bundesgerichtshof durchführen müssen, um sich den Weg für eine Verfassungsbeschwerde offen zu halten oder um die Durchführung anderer Verfassungsbeschwerdeverfahren abzuwarten, weil diese Erfolgsaussichten für sein Verfahren hätten begründen können, nicht.Randnummer112

(a) Die Stellung der Verfassungsbeschwerde im Rechtsschutzsystem des Grundgesetzes zeigt bereits auf, dass diese bei der Prüfung der Erfolgsaussichten nur in besonderen Ausnahmefällen Bedeutung erlangen kann. Der Bundesgerichtshof hat in dem Urteil vom 16.09.2021 (IX ZR 165/19) in seinen Ausführungen zu den Erfolgsaussichten eines Rechtsstreits dementsprechend nur auf den Instanzenzug der ordentlichen Gerichtsbarkeit abgestellt, nicht aber auf das Verfassungsbeschwerdeverfahren (vgl. Urteil vom 16. September 2021 – IX ZR 165/19 –, juris Rn. 40). Das liegt darin begründet, dass es sich bei der Verfassungsbeschwerde um einen außerordentlichen Rechtsbehelf außerhalb des vom Gesetzgeber vorgesehenen Instanzenzugs handelt und dieser für die Beurteilung der Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung allenfalls bei Verstößen gegen verfassungsrechtliche geschützte Rechte Bedeutung erlangen könnte. Die Verfassungsbeschwerde ist nämlich kein zusätzlicher Rechtsbehelf zum fachgerichtlichen Verfahren, der sich diesem in gleicher Funktion ohne Weiteres anschlösse. Vielmehr ist sie eine besondere Vorkehrung zur Durchsetzung von Grundrechten und grundrechtsgleichen Rechten, mithin ein außerordentlicher Rechtsbehelf, mit dem der Träger des vermeintlich verletzten Rechts Eingriffe der öffentlichen Gewalt abwehren kann (vgl. BVerfG, Beschluss vom 30. April 2003 – 1 PBvU 1/02 –, BVerfGE 107, 395-418, Rn. 60). Als Teil der Rechtsschutzgewährleistung sind Verfassungsbeschwerden von anderer Qualität als die an die Fachgerichte adressierten Rechtsbehelfe. Dies zeigt sich nicht nur an dem besonderen Prüfungsmaßstab und an den Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG. Verfassungsbeschwerden hindern den Eintritt der Rechtskraft der angegriffenen Entscheidungen nicht; auch können Verfassungsbeschwerdeverfahren regelmäßig erst zu einem Zeitpunkt eingeleitet werden, in dem das fachgerichtliche Verfahren seinen Abschluss gefunden hat und die Phase der Vollstreckung oder des Vollzugs eröffnet ist (vgl. BVerfG a.a.O.). Das Verfassungsbeschwerdeverfahren setzt das fachgerichtliche Verfahren nicht einfach fort. Es dient nur der Überprüfung auf Verfassungsverstöße. Die Prüfungsintensität ist eingeschränkt (vgl. BVerfG a.a.O.). Nicht jeder Fehler bei der Rechtsanwendung durch die Gerichte kann mit Erfolg angegriffen werden, sondern nur die Verletzung spezifischen Verfassungsrechts. Dies ist nur dann der Fall, wenn die in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte verletzt worden sind. Mit einer sog. „Urteilsverfassungsbeschwerde“ kann ein Rechtssuchender also lediglich rügen, dass er durch die Gerichtsentscheidungen in seinen Grundrechten verletzt worden ist. Dabei kann er insbesondere eine willkürliche Rechtsanwendung (Art. 3 Abs. 1 GG; vgl. etwa BVerfG, Beschluss vom 13. November 1990 – 1 BvR 275/90 –, juris Rn. 9) anführen oder sich auf die Verletzung des Rechts auf Gewähr des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) stützen. Ferner kann sich der Beschwerdeführer auf Gewährleistungen berufen, die aus dem allgemeinen Justizgewährungsanspruchs (Art. 20 Abs. 3 GG) abgeleitet werden. Nicht erfolgreich wird ein Rechtssuchender dann sein, wenn er lediglich weiter auf einer anderen Rechtsmeinung beharrt. Vielmehr muss er darlegen, dass die Rechtsanwendung in seinem Verfahren unter keinem denkbaren Aspekt mehr rechtlich vertretbar ist und sich der Schluss aufdrängt, dass diese auf sachfremden und damit willkürlichen Erwägungen beruht. Dementsprechend nimmt das verfassungsrechtlich gewährleistete Rechtsschutzsystem im Interesse der Rechtssicherheit und des Rechtsfriedens bei der Überprüfung eines Verhaltens ein verbleibendes Risiko falscher Rechtsanwendung durch das Gericht in Kauf (vgl. BVerfG, Beschluss vom 30. April 2003 – 1 PBvU 1/02 –, BVerfGE 107, 395-418, Rn. 19, 50). Allein die abstrakt immer bestehende Möglichkeit, diesen außerordentlichen Rechtsbehelf der Verfassungsbeschwerde zu ergreifen, vermag daher nach der höchstrichterlichen Klärung einer Rechtsfrage durch die Fachgerichte nur bei Hinzutreten ganz besonderer Umstände allenfalls eine geringfügige Erfolgsaussicht zu begründen.Randnummer113

(b) Ein Rechtsanwalt ist nach Erschöpfung des Rechtswegs zwar grundsätzlich verpflichtet, den Auftraggeber über die Möglichkeit der Verfassungsbeschwerde aufzuklären (vgl. Vill, in: Fischer/ Vill/Fischer/Pape/Chab, Handbuch der Anwaltshaftung, 5. Aufl. 2020, § 2 Rn. 256). Dies ist aber nur dann veranlasst, wenn der Rechtsweg von den ordentlichen Gerichten bereits abgeschlossen wurde und zu diesem Zeitpunkt Erfolgsaussichten für eine Verfassungsbeschwerde bestehen. Davon durften die Beklagten hier aber nicht ausgehen. Der Grundsatzentscheidung des Bundesgerichtshofs vom 18.06.2015 (III ZR 198/14) und den nachfolgenden Entscheidungen zu Güteanträgen lag weder eine willkürliche Rechtsanwendung zugrunde noch war eine Verletzung des Rechts auf Gewähr des rechtlichen Gehörs oder des Rechts auf den gesetzlichen Richter gegeben. Die Verfassungsbeschwerde gegen das Urteil vom 18.06.2015 wurde dementsprechend bereits mit Beschluss vom 10.09.2015 (1 BvR 1817/15) nicht zur Entscheidung angenommen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 10. September 2015 – 1 BvR 1817/15 –, juris).Randnummer114

Soweit die Beklagten auf die Einlegung einer Verfassungsbeschwerde am 21.09.2017 gegen den in einem Parallelverfahren ergangenen Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 10.08.2017 (III ZR 37/17) verweisen, führt dies nicht zu einer anderen Beurteilung der Erfolgsaussichten. Denn auch diese Verfassungsbeschwerde wurde vom Bundesverfassungsgericht, wie auch andere Verfassungsbeschwerden gegen andere Entscheidungen des Bundesgerichtshofs zu Güteanträgen, nicht zur Entscheidung angenommen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 16. November 2017 – 1 BvR 2137/17 –, Anlage BK 26 im Verfahren 9 U 348/18; Beschluss vom 10. September 2015 – 1 BvR 2072/15 –, juris). Zudem wurde diese Verfassungsbeschwerde erst nach Abschluss des Verfahrens ihrer Mandanten B. eingelegt.Randnummer115

Ferner ist ergänzend zu würdigen, dass die Beklagten im hiesigen Vorprozess gerade keine Verfassungsbeschwerde eingelegt haben. Die Beklagten haben dazu jedenfalls keinen Vortrag gehalten. Die Rechtskraft des Urteils des Landgerichts Gera vom 22.08.2016 hatte damit Bestand. Eine erfolgreiche Verfassungsbeschwerde in einem anderen von den Beklagten geführten Ausgangsverfahren hätte für ihre Mandanten keine rechtlichen Folgen oder sonstigen Vorteile gebracht. Es wäre bei der rechtskräftigen Abweisung ihrer Klage geblieben.Randnummer116

(c) Bei der Beurteilung der Erfolgsaussicht dieses außerordentlichen Rechtsbehelfs kann schließlich aus rechtstatsächlicher Sicht nicht unberücksichtigt bleiben, dass aus dem Jahresbericht des Bundesverfassungsgerichts für das Jahr 2022 hervorgeht, dass bei der Betrachtung eines Zeitraums von zehn Jahren lediglich 1,69 % der Verfassungsbeschwerden erfolgreich gewesen waren (vgl. dort S. 53). Auch vor diesem Hintergrund ist – selbst bei Berücksichtigung der abstrakten Möglichkeit einer Verfassungsbeschwerde – von der Aussichtslosigkeit der Verfahrensfortführung auszugehen. Denn die Erfolgsaussichten einer etwaigen Verfassungsbeschwerde, bei der die Verletzung von verfassungsrechtlichen Gewährleistungen nicht greifbar auf der Hand liegt, sind rechtstatsächlich als aussichtslos einzustufen.Randnummer117

Auch daher mussten die Beklagten jedenfalls vor der ersten mündlichen Verhandlung am 11.07.2016 von der Aussichtslosigkeit der weiteren Rechtsverfolgung ausgehen und ihre Mandanten entsprechend beraten.Randnummer118

(3) Anders als die Beklagten vortragen, ergaben sich aufgrund der von den Beklagten seit 2014 betriebenen Kapitalanleger-Musterverfahren vor dem Kammergericht ab dem 30.09.2015 keine (mittelbaren) Erfolgsaussichten für den für ihre Mandanten B. betriebenen Rechtsstreit mehr. Auch die von einem Kapitalanleger-Musterverfahren im Allgemeinen ausgehende Breitenwirkung (vgl. BGH, Beschluss vom 9. März 2017 – III ZB 135/15 –, juris Rn. 17) hätte hier nicht dazu geführt, dass die Weiterführung des Rechtsstreits für die Mandanten sinnvoll gewesen wäre. Zwar mag es sein, dass der „S. Beteiligung Objekt Nr. …“ Gegenstand eines Kapitalanleger-Musterverfahrens gewesen war, wie die Beklagten unwidersprochen behaupten. Gleichwohl hätten die Beklagten ihren Mandanten nicht dazu raten dürfen, ihren Rechtsstreit wegen dieses Kapitalanleger-Musterverfahrens ab dem 30.09.2015 fortzuführen. Denn es bestand ab diesem Zeitpunkt keine Aussicht mehr, auf diesem Weg eine Änderung der gefestigten Rechtsprechung des III. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs zur Bestimmtheit der Güteanträge bzw. zu deren Hemmungswirkung herbeizuführen. Jedenfalls vor dem Termin am Landgericht Gera stand endgültig fest, dass es wegen der eingetretenen Verjährung auf die Feststellungen im dem Kapitalanleger Musterverfahren nicht mehr ankam (vgl. BGH, Beschluss vom 25. Februar 2016 – III ZB 76/15 –, Rn. 11, juris; Beschluss vom 28. Januar 2016 – III ZB 88/15 –, Rn. 13, juris).Randnummer119

Den Beklagten ist zwar zuzugeben, dass das Kammergericht nicht, wie der Bundesgerichtshof in seinem Beschluss vom 09.03.2017 (III ZB 135/15) festgestellt hat, das Fehlen des Rechtsschutzbedürfnisses für das Kapitalanleger-Musterverfahren aufgrund einer eigenen Prüfung der Verjährung annehmen durfte. Denn das Rechtsschutzbedürfnis entfällt nur in besonderen Ausnahmefällen, etwa, wenn sämtliche Aussetzungsbeschlüsse aufgehoben wurden, weil sich herausgestellt hatte, dass die Entscheidungen der jeweiligen Ausgangsverfahren von den Feststellungszielen nicht mehr abhingen (vgl. BGH, Beschluss vom 9. März 2017 – III ZB 135/15 –, juris Rn. 13 ff.). In diesem Fall ist das Musterverfahren zu beenden (vgl. Kruis, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, Bd. 13, 5. Aufl. 2022, § 13 KapMuG Rn. 29 f.¸ Kotschy, in: Vorwerk/Wolf, KapMuG, 2. Aufl. 2020, KapMuG § 13 Rn. 13). Jedoch stand, wie der Senat bereits festgestellt hat, ab dem 18.06.2015 objektiv fest, dass die Ansprüche der von den Beklagten vertretenen Anleger in diesem sowie in zahlreichen weiteren von ihnen betriebenen Verfahren verjährt waren. Dies hatte für die Beklagten zum 30.09.2015 erkennbar zur Folge, dass bei Berücksichtigung der gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs alle Aussetzungsbeschlüsse der Ausgangsgerichte aufzuheben waren. Das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 18.06.2015 (III ZR 198/14) bedeutete für die Anlegerverfahren nämlich, dass es auf etwaige Feststellungen in dem Kapitalanleger-Musterverfahren wegen der eingetretenen Verjährung nicht mehr ankam (vgl. dazu: BGH, Beschluss vom 25. Februar 2016 – III ZB 76/15 –, Rn. 11, juris).Randnummer120

Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, insbesondere des III. Zivilsenats, war zu diesem Zeitpunkt auch derart verfestigt, dass die Beklagten davon ausgehen mussten, dass selbst bei Fortführung des Kapitalanleger-Musterverfahrens keine Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu erwarten ist. Daher ist von einem zeitlichen Gleichlauf der Erfolgsaussichten für die individuellen Anlegerverfahren und für das Kapitalanleger-Musterverfahren auszugehen. Wie bereits dargelegt, ist die theoretisch niemals auszuschließende Möglichkeit einer Rechtsprechungsänderung oder einer Fehlentscheidung (vgl. BGH, Urteil vom 16. September 2021 – IX ZR 165/19 –, juris Rn. 40), hier über den Weg des Kapitalanleger-Musterverfahrens, nicht ausreichend, um eine zumindest geringfügige Erfolgsaussicht des Verfahrens anzunehmen.Randnummer121

Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass einige wenige Gerichte nach dem 18.06.2015 ihre Aussetzungsbeschlüsse aufrechterhielten oder weitere Verfahren aussetzten. Denn diese Entscheidungen waren spätestens in Anbetracht der gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ab dem 18.06.2015 rechtlich unzutreffend. Ausweislich der verfahrensbeendenden Entscheidung des Kammergerichts vom 08.09.2017 (14 Kap 2/15) waren dementsprechend in der Folge sämtliche Aussetzungsbeschlüsse der Ausgangsgerichte aufgehoben worden (vgl. Anlage BK 21 im Verfahren 9 U 348/18).Randnummer122

(4) An der fehlenden Erfolgsaussicht der weiteren Rechtsverfolgung ändert auch die Tatsache nichts, dass die Rechtsanwälte beim Bundesgerichtshof X. und Y., auch über den 29.09.2015 bzw. den 28.01.2016 hinaus die Durchführung des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens in anderen von den Beklagten betriebenen Verfahren befürwortet haben. Die Beklagten waren zunächst unabhängig von deren Tätigkeit in Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren verpflichtet, die Erfolgsaussichten der Klage zu prüfen (vgl. BGH, Urteil vom 6. Juli 1989 – IX ZR 75/88 –, juris Rn. 8, vom 27. März 2003 – IX ZR 399/99 –, juris Rn. 19; OLG ZweibrückenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG Zweibrücken
, Urteil vom 9. März 2023 – 4 U 97/22 –, juris Rn. 41; Vill, in: Fischer/Vill/Fischer/Pape/Chab, Handbuch der Anwaltshaftung, 5. Aufl. 2020, § 2 Rn. 257). Wie der Bundesgerichtshof ausgeführt hat, hätten die Streithelfer der Beklagten bei der objektiven Aussichtslosigkeit des Rechtsstreits allenfalls den gleichen Fehler begangen wie die Beklagten (vgl. BGH, Urteil vom 16. September 2021 – IX ZR 165/19 –, juris Rn. 46). Diese Frage ist jedoch nicht Gegenstand des hiesigen Verfahrens und von dem Senat nicht zu beurteilen.Randnummer123

Damit steht fest, dass die Beklagten jedenfalls vor dem 11.07.2016 ihre ab dem 30.09.2015 gegenüber ihrem Mandanten bestehende Beratungspflicht verletzt haben, indem sie ihnen nicht von der weiteren Rechtsverfolgung abgeraten haben.Randnummer124

5. Die anwaltliche Pflichtverletzung beruht auf Fahrlässigkeit (§ 276 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BGB). Insoweit haben sich die Beklagten nach § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB zu entlasten (vgl. BGH, Urteil vom 20. Juni 1996 – IX ZR 106/95 –, juris Rn. 30; G. Fischer, in: Fischer/Vill/Fischer/Pape/Chab, Handbuch der Anwaltshaftung, 5. Aufl. 2020, § 4 Rn. 50). Solchen Vortrag haben die Beklagten nicht gehalten. Die Beklagten hätten bei Beachtung der erforderlichen Sorgfalt die Pflichtwidrigkeit ihres Vorgehens erkennen und die sich daraus ergebenden Nachteile für ihre Mandanten vermeiden können. Ein Rechtsirrtum ist in der Regel zu vertreten (vgl. G. Fischer, a.a.O. Rn. 43). Er wird auch nicht dadurch entschuldigt, dass andere Rechtskundige möglicherweise denselben Fehler begangen haben (vgl. G. Fischer, a.a.O.). Jedenfalls dann, wenn – wie hier – eine mehrfach bestätigte höchstrichterliche Entscheidung vorliegt, ist von einem schuldhaften Irrtum auszugehen.Randnummer125

6. Der Senat geht davon aus, dass sich die Mandanten der Beklagten bei pflichtgemäßer Beratung gegen die Fortführung des Rechtsstreits entschieden hätten. Die schuldhafte Pflichtverletzung der Beklagten ist für den Schaden kausal geworden.Randnummer126

a) Fällt dem Rechtsanwalt eine schuldhafte Verletzung der ihm obliegenden Beratungspflicht zur Last, kommt es darauf an, wie sich der Mandant im Falle pflichtgemäßer Unterweisung verhalten hätte. Diese Frage stellt sich im Rahmen der haftungsausfüllenden Kausalität, die der Anspruchsteller nach dem Maßstab des § 287 ZPO zu beweisen hat (vgl. BGH, Urteil vom 16. September 2021 – IX ZR 165/19 –, Rn. 35 f., juris). Zu Gunsten des Anspruchstellers ist jedoch zu vermuten, der Mandant wäre bei pflichtgemäßer Beratung den Hinweisen des Rechtsanwalts gefolgt, sofern im Falle sachgerechter Aufklärung aus der Sicht eines vernünftig urteilenden Mandanten eindeutig eine bestimmte tatsächliche Reaktion nahegelegen hätte. Eine solche Vermutung kommt hingegen nicht in Betracht, wenn nicht nur eine einzige verständige Entschlussmöglichkeit bestanden hätte, sondern nach pflichtgemäßer Beratung verschiedene Handlungsweisen ernsthaft in Betracht gekommen wären, die unterschiedliche Vorteile und Risiken in sich geborgen hätten. Anders verhält es sich wiederum, wenn von einer objektiven Aussichtslosigkeit der (weiteren) Rechtsverfolgung auszugehen ist. Dann wirkt die Vermutung beratungsgerechten Verhaltens trotz des Bestehens einer bestandskräftigen Deckungszusage eines Rechtsschutzversicherers zugunsten des Geschädigten (vgl. BGH, Urteil vom 16. September 2021 – IX ZR 165/19 –, juris Rn. 39, juris). In diesem Fall ist nämlich nicht mehr davon auszugehen, dass sogar ganz geringe Erfolgsaussichten einen rechtsschutzversicherten Mandanten dazu veranlassen könnten, den Rechtsstreit zu führen oder fortzusetzen. Greift die Vermutung beratungsgerechten Verhaltens ein, so liegt hierin keine Beweislastumkehr, sondern ein Anscheinsbeweis, der durch den Nachweis von Tatsachen entkräftet werden kann, die für ein atypisches Verhalten des Mandanten im Falle pflichtgemäßer Beratung sprechen (vgl. BGH, Urteil vom 16. September 2021 – IX ZR 165/19 –, juris Rn. 36 m.w.N.).Randnummer127

Wie bereits dargelegt, war die Fortführung des Rechtsstreits für die Beklagten erkennbar ab dem 30.09.2015 aussichtslos geworden. Der Anscheinsbeweis wirkt hier zugunsten der Klägerin.Randnummer128

Die mit dem Gegenbeweis belastete Partei kann dann die ernsthafte Möglichkeit eines atypischen Ablaufs beweisen (vgl. BGH, Urteil vom 3. Juli 1990 – VI ZR 239/89 –, juris Rn. 16; Greger, in: Zöller, ZPO, 35. Auflage 2024, Vorbemerkungen zu § 284, Rn. 29). Die Umstände, aus denen sich die ernsthafte Möglichkeit einer anderen Ursache ergeben soll, müssen von der Partei zur Überzeugung des Tatrichters nachgewiesen werden (vgl. BGH, Urteil vom 3. Juli 1990 – VI ZR 239/89 –, juris Rn. 16, Urteil vom 13. Dezember 2016 – VI ZR 32/16 –, juris Rn. 11).Randnummer129

b) Die Beklagten haben den (vereinfachten) Gegenbeweis jedoch nicht geführt.Randnummer130

Auf die Vernehmung der Zeugin Ka. B. haben die Beklagten im Termin vom 21.12.2023 verzichtet.Randnummer131

Der Senat sieht auf Grundlage der Vernehmung ihres weiteren Mandanten, des Zeugen K.A., den Anschein des beratungsgerechten Verhaltens als nicht erschüttert an. Der Senat ist nicht von dem ernsthaften Vorliegen eines atypischen Verhaltens der Mandanten der Beklagten überzeugt.Randnummer132

Der Zeuge A. hat einen glaubwürdigen Eindruck auf den Senat gemacht und auch seine Aussage ist glaubhaft. Er hat geschildert, dass er und seine Ehefrau seinerzeit 30.000 DM über den Rechtsvorgänger der vormaligen Beklagten angelegt hatten. Er sei von den Beklagten angeschrieben worden und habe sich nach einem persönlichen Gespräch mit einem Rechtsanwalt der Beklagten zur Klage entschlossen. Dann hat der Zeuge sehr bestimmt geäußert, dass er sich, wenn er von den Rechtsanwälten über die Rechtsprechungsänderung des Bundesgerichtshofs und die dadurch eingetretene Aussichtslosigkeit ihres Rechtsstreits beraten worden wäre, dafür entschieden hätte, den Rechtsstreit nicht fortzuführen. Er hat dies auch ausdrücklich bekräftigt, nachdem ihn der Senat gefragt hat, ob er trotz der Absicherung durch den Rechtsschutzversicherer sich zu einer Beendigung des Rechtsstreits entschlossen hätte. Er hat dies nachvollziehbar mit seiner allgemeinen humanen Einstellung begründet, dass er niemand Schaden oder etwas wegnehmen wolle. Ernsthafte Zweifel an der Richtigkeit dieser Bekundung ergeben sich auch nicht aus der Beantwortung der durch die Beklagten gestellten Frage, ob er sich für die Fortführung des Rechtsstreits entschieden hätte, wenn die Beklagten ihn zwar auf die Aussichtslosigkeit nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hingewiesen hätten, aber zugleich auf die Tatsache, dass ein Rechtsanwalt beim Bundesgerichtshof noch Erfolgsaussichten sehe und der Rechtsschutzversicherer Deckung zugesagt habe. Hier hat der Zeuge zwar ausgesagt, dass er in diesem Fall den Rechtsstreit fortgesetzt hätte. Diese Aussage erschüttert den Anschein des beratungsgerechten Verhaltens aber nicht. Die Beklagten hätten ihre Mandanten dann auch darauf hinweisen müssen, dass der Bundesgerichtshof den Anträgen der mit diesen oder ähnlichen Güteanträgen befassten Rechtsanwälte beim Bundesgerichtshof in allen bislang entschiedenen Fällen gerade nicht gefolgt sei. Diese Sachlage war vor dem 11.07.2016 offenkundig, denn zwischenzeitlich waren auch die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 28.01.2016 zu einem Güteantrag der Beklagten (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Januar 2016 – III ZB 88/15 –, juris) und zahlreiche weitere Entscheidungen zu vergleichbaren Güteanträgen ergangen, und hätte im Rahmen einer pflichtgemäßen Beratung dargelegt werden müssen. Dass der Zeuge und seine Ehefrau auch dann den Rechtsstreit hätten fortsetzen wollen, ist nicht ersichtlich. Vielmehr ist, weil der Zeuge zuvor gerade eindeutig und bestimmt ausgesagt hat, dem Rechtsstreit bei Aussichtslosigkeit nicht fortführen zu wollen, vom Gegenteil auszugehen.Randnummer133

Es bleibt dabei, dass davon auszugehen ist, dass sich die Mandanten der Beklagten beratungsgerecht gegen die Fortführung des Rechtsstreits entschieden hätten.Randnummer134

c) Die Prüfung der Erfolgsaussichten von Nichtzulassungsbeschwerden in anderen Verfahren durch den Rechtsanwalt beim Bundesgerichtshof unterbricht den Zurechnungszusammenhang nicht (vgl. BGH, Urteil vom 16. September 2021 – IX ZR 165/19 –, juris Rn. 46). Dies gilt auch für die von der Klägerin erteilten Deckungszusagen im Vorprozess und für die von den Beklagten in Parallelverfahren beabsichtigten Verfassungsbeschwerdeverfahren in den Jahren 2016 und 2017.Randnummer135

7. Den Mandanten der Beklagten ist durch die Pflichtverletzung der Beklagten vor dem 11.07.2016 ein Kostenschaden entstanden, für den die Klägerin Versicherungsleistungen erbracht hat.Randnummer136

a) Die Beklagten hätten ihre Mandanten nach dem 29.09.2015, aber spätestens vor der nächsten kostenauslösenden Maßnahme, also vor der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht Gera am 11.07.2016, darauf hinweisen müssen, dass die weitere Rechtsverfolgung aussichtslos ist. Sie hätten ihren Mandanten zur Rücknahme der Klage raten müssen. Die Kläger hätten vor dem 11.07.2016 ihre Klage auch ohne Zustimmung der Beklagten des Vorprozesses zurücknehmen können, da zuvor noch keine mündliche Verhandlung in dem Rechtsstreit stattgefunden hatte (§ 269 Abs. 1 ZPO). Bei zutreffender Beratung wären auch die Kosten für das Berufungsverfahren vor dem Thüringer Oberlandesgericht nicht entstanden.Randnummer137

Auf den Ersatz von Kosten, die vor der mündlichen Verhandlung durch die Einreichung der Klage entstanden sind, hat die Klägerin verzichtet.Randnummer138

b) Die Höhe des Schadens ist unter Anwendung der Maßstäbe des § 287 Abs. 1 Satz 1 2. Alt. ZPO zu bestimmen (vgl. BGH, Urteil vom 6. Dezember 2012 – VII ZR 84/10 –, juris Rn. 17). Im Unterschied zu den strengen Anforderungen des § 286 Abs. 1 ZPO reicht bei der Entscheidung über die Schadenshöhe eine erhebliche, auf gesicherter Grundlage beruhende Wahrscheinlichkeit für die richterliche Überzeugungsbildung aus (vgl. BGH, Urteil vom 29. Mai 2013 – VIII ZR 174/12 –, juris Rn. 20). Zwar ist es Sache des Anspruchstellers, diejenigen Umstände vorzutragen und gegebenenfalls zu beweisen, die seine Vorstellungen zur Schadenshöhe rechtfertigen sollen. Enthält der diesbezügliche Vortrag Lücken oder Unklarheiten, so ist es in der Regel jedoch nicht gerechtfertigt, dem jedenfalls in irgendeiner Höhe Geschädigten jeden Ersatz zu versagen. Der Tatrichter muss vielmehr nach pflichtgemäßem Ermessen beurteilen, ob nach § 287 ZPO nicht wenigstens die Schätzung eines Mindestschadens möglich ist, und darf eine solche Schätzung erst dann gänzlich unterlassen, wenn sie mangels jeglicher konkreter Anhaltspunkte völlig in der Luft hinge und daher willkürlich wäre (vgl. BGH, Urteil vom 29. Mai 2013 – VIII ZR 174/12 –, juris Rn. 20). Es entspricht dem Zweck des § 287 ZPO, durch den der Gesetzgeber dem Richter das Recht gegeben und damit die Pflicht auferlegt hat, einen Schaden trotz unvollständiger Aufklärung des Sachverhalts durch Schätzung festzulegen (vgl. BGH, Urteil vom 6. Dezember 2012 – VII ZR 84/10 –, juris Rn. 24).Randnummer139

c) Dementsprechend hat der Senat einen Schaden in Höhe von 6.004,20 EUR bestimmt. Der Senat ist überzeugt, dass Kosten in dieser Höhe entstanden und von der Klägerin auch beglichen worden sind. Die Klägerin hat verschiedene Urkunden vorgelegt, deren Inhalt von den Beklagten nicht weiter bestritten worden ist und deren inhaltliche Aussagekraft der Senat auch nicht aus anderen Gründen anzweifelt.Randnummer140

aa) Der Klägerin steht der Ersatz der Gerichtsgebühren in Höhe von 438 EUR zu. Die Zahlung von Gerichtsgebühren in Höhe von 657 EUR durch die Klägerin ist unstreitig. Für das erstinstanzliche Verfahren fallen 3,0 Gerichtsgebühren an (Nr. 1210 KV GKG). Bei einer Rücknahme vor dem 11.07.2016 wäre nur 1,0 Gerichtsgebühr zu entrichten gewesen (Nr. 1211 KV GKG). Bei einem Gegenstandwert von 12.884,56 EUR (vgl. Anlage K 6) beträgt eine Gebühr 219 EUR (Anlage 2 zu § 34 GKG in der zum Zeitpunkt der Klageerhebung gültigen Fassung). Der Klägerin steht daher der Ersatz von 2,0 Gerichtsgebühren, insgesamt 438 EUR) zu.Randnummer141

bb) Die Beklagten haben der Klägerin ferner die Kosten für ihre Teilnahme an dem Termin vom 11.07.2016 in Höhe von 751,13 EUR zu erstatten. Hierfür haben die Beklagten u.a. 1,2 Terminsgebühren (Nr. 3104 VV RVG) erhalten, die in der unstreitig erfolgten Zahlung der Klägerin an die Beklagten für die erstinstanzliche Vertretung enthalten waren. Die Beklagten sind der Höhe dieses Betrags nicht weiter entgegengetreten.Randnummer142

cc) Der Klägerin steht auch der Ersatz der Kosten zu, die der S. L. für die Teilnahme an dem Termin vom 11.07.2016 entstanden sind.Randnummer143

(1) Die Klägerin verlangt nach Teilverzicht noch 862,51 EUR für die Terminsgebühr sowie Reisekosten in Höhe von 321,30 EUR. Diese Beträge sind gebührenrechtlich und rechnerisch richtig. Sie gehen zudem aus dem Kostenfestsetzungsantrag der Prozessbevollmächtigten der S. L. hervor und wurden in dem Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Gera vom 26.06.2017 antragsgemäß festgesetzt (vgl. Anlagen 12 und 14 zum Schriftsatz vom 11.03.2022). Diesem neuen und konkreten Vortrag sind die Beklagten inhaltlich nicht mehr entgegengetreten.Randnummer144

(2) Der Senat geht auch von der Zahlung dieses Betrags an die S. L. aus. Mit Schreiben vom 06.11.2017 hat die S. L. eine Zahlung in Höhe von 3.579,88 EUR durch die Klägerin bestätigt, die sich ausdrücklich auf das erst- und zweitinstanzliche Verfahren der Zeugen A. bezieht (Anlage K 18). Dieser Betrag ist zwar höher als der Betrag in dem Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Gera vom 26.06.2017 (3.488,55 EUR), weil darin nach dem Vortrag der Klägerin Zinsen enthalten sind. Es liegen keinerlei objektive Anhaltspunkte dafür vor, dass diese Bestätigung wahrheitswidrig erfolgt sei oder Fehler enthält.Randnummer145

dd) Für das Berufungsverfahren vor dem Thüringer Oberlandesgericht waren von der Klägerin für die Mandanten der Beklagten 4,0 Gerichtsgebühren (Nr. 1220 KV-GKG) in Höhe von 1.068 EUR zu entrichten. An der Zahlung durch die Klägerin bestehen keine Zweifel. Sie hat diese durch die Einzahlungsbestätigung des Thüringer Oberlandesgerichts vom 19.04.2022 (Anlage 18 zum Schriftsatz vom 28.04.2022) nachgewiesen. Diesen Betrag haben die Beklagten zu erstatten.Randnummer146

ee) Die Höhe der an die Beklagten erfolgten Zahlung für die im Berufungsverfahren erbrachten Leistungen in Höhe von insgesamt 1.389,44 EUR ist unstreitig.Randnummer147

ff) Die Beklagten haben der Klägerin auch die Kosten der vormaligen Berufungsbeklagten zu erstatten.Randnummer148

(1) Die Klägerin macht hierfür 1.173,82 EUR geltend. Mit Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Gera vom 26.06.2017 wurde der Betrag in dieser Höhe festgesetzt (vgl. Anlage 14 zum Schriftsatz vom 11.03.2022). Die Beklagten sind diesem Vortrag nicht mehr entgegengetreten.Randnummer149

bb) Der Senat geht auch hier davon aus, dass die Klägerin diesen Betrag an die S. L. bezahlt hat. Wie bereits dargelegt, hat die S. L. mit Schreiben vom 06.11.2017 eine Zahlung in Höhe von 3.579,88 EUR durch die Klägerin bestätigt, die sich auf das erst- und zweitinstanzliche Verfahren bezieht (Anlage K 18).Randnummer150

Damit steht der Klägerin gegen die Beklagten ein Schadensersatzanspruch in Höhe von 6.004,20 EUR zu. Die Beklagten haften als Gesamtschuldner (§ 421 BGB, § 52 Abs. 2 Satz 1 BRAO).Randnummer151

8. Ein Mitverschulden (§ 254 Abs. 1 BGB) der Mandanten der Beklagten ist nicht ersichtlich und von den Beklagten auch nicht behauptet worden. Eine Zurechnung eines etwaigen Verschuldens der Klägerin bei der Prüfung der Deckungsanfragen erfolgt nicht. Im Verhältnis zu den Beklagten trafen die Klägerin schon keine Pflichten (vgl. BGH, Urteil vom 16. September 2021 – IX ZR 165/19 –, juris Rn. 23). Zudem kommt ein Rechtsschutzversicherer bei der Prüfung der Deckungsanfrage seinen Pflichten aus dem Versicherungsverhältnis nach, die nicht deckungsgleich mit den Pflichten der Rechtsanwälte aus deren Anwaltsvertrag mit ihren Mandanten sind und die auch nicht die Vermeidung der Haftung von Rechtsanwälten bezwecken. Die Prüfungsobliegenheit der Versicherer dient auch nicht dazu, Schaden von ihrem Versicherungsnehmer fernzuhalten, sondern der Erfüllung ihrer vertraglichen Pflichten aus dem Versicherungsvertrag und der Wahrung ihrer wirtschaftlichen interessen. Damit kommt auch keine Zurechnung eines etwaigen Verschuldens der Klägerin in Betracht.Randnummer152

9. Die Beklagten können die Leistung nicht nach § 214 Abs. 1 BGB verweigern. Die der Klägerin zustehenden Ansprüche sind nicht verjährt.Randnummer153

Ansprüche wegen einer anwaltlichen Pflichtverletzung nach § 280 Abs. 1. § 675 Abs. 1 BGB, § 86 VVG verjähren nach der regelmäßigen Verjährungsfrist (§ 195 BGB). Der Beginn der regelmäßigen Verjährungsfrist bestimmt sich nach § 199 Abs. 1 BGB. Für die Frage, wann ein Schaden eingetreten ist, gilt die Risiko-Schaden-Formel des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH, Urteil vom 16. Juli 2015 – IX ZR 197/14 –, juris Rn. 75). Danach ist eine bloße Vermögensgefährdung infolge der Pflichtverletzung des Beraters nicht ausreichend. Vielmehr entsteht ein Schaden erst dann, wenn sich die Vermögenslage des Betroffenen durch die Pflichtverletzung des Beraters gegenüber seinem früheren Vermögensstand objektiv verschlechtert hat. Dafür genügt, dass der Schaden wenigstens dem Grunde nach erwachsen ist, mag auch seine Höhe noch nicht beziffert werden können. Es muss nicht feststehen, dass eine Vermögenseinbuße bestehen bleibt und damit endgültig wird (vgl. BGH, a.a.O.). Im Fall der Durchführung eines aussichtslosen Rechtsstreits entsteht der Schaden mit der Klageerhebung und wird zu diesem Zeitpunkt auch dann fällig (vgl. BGH, Urteil vom 7. Februar 1995 – X ZR 32/93 –, juris Rn. 35; Chab, in: Fischer/Vill/Fischer/Pape/ Chab, Handbuch der Anwaltshaftung, 5. Aufl. 2020, § 7 Rn. 25). Die Verjährungsfrist hätte in diesem Fall hier bei Kenntnis von dem Schadenseintritt mit dem Schluss des Jahres 2013 zu laufen begonnen und hätte am 31.12.2016 geendet. Durch die Zustellung der Mahnbescheide am 30.12.2016 wäre die Verjährung noch im Jahr 2016 gehemmt worden (§ 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB). Für die Hemmungswirkung ist auch der den Streitgegenstand bildende prozessuale Anspruch maßgeblich (vgl. BGH, Urteil vom 18. Juni 2015 – III ZR 198/14 –, juris Rn. 15; Chab, in: Fischer/Vill/Fischer/Pape/Chab, Handbuch der Anwaltshaftung, 5. Aufl. 2020, § 7 Rn. 38). Dieser umfasst hier, wie bereits dargelegt, nicht nur die Einleitung des Verfahrens, sondern auch dessen Fortsetzung nach der Änderung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Ferner ist hier zusätzlich zu berücksichtigen, dass die Mandanten der Beklagten frühestens mit der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 18.06.2015 – wie die Beklagten auch – Kenntnis davon erlangen konnte, dass ihr Rechtsstreit aussichtslos geworden war und die Beklagten mit ihrem Rat, den Rechtsstreit fortzuführen, die ihnen zukommenden Pflichten verletzt haben. Daher ist erst ab diesem Zeitpunkt die nach § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB ebenfalls erforderliche Kenntnis von dem Schaden eingetreten. Demnach begann die Verjährungsfrist erst mit dem 31.12.2015 zu laufen und endete am 31.12.2018. Der Lauf der Verjährungsfrist wurde dadurch auch für die von der Klägerin erstmals mit der Anspruchsbegründung geltend gemachten Schadenspositionen rechtzeitig gehemmt.Randnummer154

Sollten, wie die Beklagten meinen, hingegen zwei Streitgegenstände mit jeweils unterschiedlichen Pflichtverletzungen vorliegen, so wäre der hier noch zu beurteilende Schaden erst mit der unzureichenden Beratung ab dem 30.09.2015 entstanden (vgl. BGH, Urteil vom 18. Juni 2015 – III ZR 198/14 –, juris Rn. 14 zur Anlageberatung) bzw. hätten die Mandanten erst zu diesem Zeitpunkt Kenntnis von der Pflichtverletzung erhalten. Der Anspruch wäre dann erst am 31.12.2018 verjährt. Mit Zustellung der Anspruchsbegründung der Beklagten wäre die Verjährung dann rechtzeitig im Jahr 2017 gehemmt worden.Randnummer155

10. Die Zinsen stehen der Klägerin gemäß §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB zu. Der Mahnbescheid, der den Beklagten jeweils am 30.12.2016 zugestellt worden war, beinhaltet die Schadensersatzansprüche der Klägerin hinsichtlich der Gerichtskosten der ersten Instanz und die dortige anwaltliche Vertretung durch die Beklagten. Damit sind diese Ansprüche rechtshängig geworden (§ 696 Abs. 3 ZPO). Mit Zustellung der Anspruchsbegründung am 20.04.2017 bzw. der Klageerweiterung am 20.11.2017 sind die weiteren Kostenschäden im Wege des § 264 Nr. 1 ZPO rechtshängig geworden (§ 697 Abs. 2 Satz 1, § 253 Abs. 1, § 261 Abs. 1 ZPO).Randnummer156

11. Der Inzidentantrag der Beklagten hat keinen Erfolg. Ihnen steht kein Anspruch auf Zinsen nach § 717 Abs. 2 Satz 1 bzw. Satz 2 ZPO, §§ 291, 288 Abs. 1 BGB auf die geltend gemachten Rechtshängigkeitszinsen zu.Randnummer157

Die Beklagten haben zur Abwendung der von der Klägerin ausgebrachten Sicherungsvollstreckung am 03.07.2018 eine Sicherheitsleistung in Höhe von 8.419,75 EUR hinterlegt, die am 27.09. 2019 freigegeben wurde (vgl. Anlagen BK 4 bis 6).Randnummer158

Nach § 717 Abs. 2 Satz 1 2. Alt. ZPO wird der Vollstreckungsschaden ersetzt, wenn der Vollstreckungsschuldner Leistungen zur Abwendung der Vollstreckung erbracht hat. Zwar haben die Beklagten nicht konkret vorgetragen, dass ihnen die Vollstreckung drohte (vgl. Münzberg, in: Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl. 2002, § 717 ZPO Rn. 31), dies ergibt sich aber bereits aus dem Vorliegen eines Zahlungstitels (vgl. KG Berlin, Urteil vom 25. Januar 2018 – 8 U 58/16 –, juris Rn. 63).Randnummer159

Der Umfang des Schadensersatzanspruchs richtet sich nach §§ 249 ff. BGB. Grundsätzlich ist Naturalrestitution geschuldet, unter den Voraussetzungen der §§ 250 f. BGB auch Geldersatz. Ob ein zu ersetzender Vermögensschaden im Sinne der §§ 249 ff. BGB vorliegt, beurteilt sich im Ansatz nach einem Vergleich der infolge des haftungsbegründenden Ereignisses eingetretenen Vermögenslage mit derjenigen, die sich ohne jenes Ereignis ergeben hätte (sog. Differenzhypothese; vgl. BGH, Urteil vom 3. Juli 1984 –VI ZR 264/82 –, juris, Rn. 13). Es ist der Zustand herzustellen, der ohne die Vollstreckung bestehen würde; die Folgen des Vollstreckungszugriffs bzw. ihrer Abwendung sind auszugleichen (vgl. Lackmann, in: Musielak/Voit/Lackmann, ZPO, 20. Aufl. 2023, § 717 ZPO Rn. 12). Die Beklagten haben einen solchen weiteren Vollstreckungsschaden nicht konkret dargelegt. Fiktive Schäden werden nicht ersetzt (vgl. Hess, in: Wiezcorek/Schütze, ZPO, 4. Aufl. 2013, § 717 ZPO, Rn. 19; Schuschke/Braun, in: Schuschke u.a., Vollstreckung und Vorläufiger RechtsschutzBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Rechtsschutz
Vorläufiger Rechtsschutz
, 7. Aufl. 2020, § 717 ZPO Rn. 11; Herget in: Zöller, ZPO, 35. Aufl. 2024, § 717 ZPO, Rn. 8; BGH, Urteil vom 3. Juli 1984 – VI ZR 264/82 –, juris Rn. 14 zu einem besonders gelagerten Fall). Daher können sich die Beklagten hier auch nicht auf eine Verzinsung nach § 291 BGB für die Zeit der Hinterlegung berufen, denn dies würde den Ersatz eines fiktiven oder pauschalierten Schadens bedeuten, der von dem Gesetzgeber in der vorliegenden prozessualen Situation nicht vorgesehen ist.Randnummer160

Von diesem Schaden nach § 717 Abs. 2 Satz 1 ZPO ist die Verzinsung eines solchen Schadensersatzanspruches nach § 717 Abs. 2 Satz 2 ZPO, § 291 BGB zu unterscheiden. Ein Inzidentantrag, mit dem ein Schaden nach § 717 Abs. 2 Satz 1 ZPO im anhängigen Rechtsstreit nach § 717 Abs. 2 Satz 2 ZPO geltend gemacht wird, bewirkt die Rechtshängigkeit des Schadensersatzanspruchs mit Rückwirkung zur Zeit der Zahlung oder des Bewirkens der Leistung (vgl. Herget, in: Zöller, ZPO, 35. Auflage 2024, § 717 ZPO, Rn. 14). Prozesszinsen nach § 291 BGB können dann ab diesem Zeitpunkt verlangt werden (vgl. Saenger, ZPO, § 717 ZPO Rn. 10). Hier ist jedoch kein solcher Schaden konkret geltend gemacht oder rechtshängig worden. § 291 BGB kann daher wegen der fehlenden Rechtshängigkeit eines Schadens nicht – auch nicht für die Zeit der Hinterlegung – zur Anwendung gelangen.Randnummer161

Das Bundesarbeitsgericht hat zwar entschieden, dass auch ein fiktiver Zinsverlust zu ersetzen ist und hat § 288 BGB entsprechend angewandt (vgl. BAG, Beschluss vom 12. November 2014 – 7 ABR 86/12 –, juris Rn. 32, juris; ähnlich wohl Münzberg, in: Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl. 2002, § 717 ZPO Rn. 26). Jedoch war in diesem Verfahren auch die Rückzahlung der Leistung begehrt worden, so dass § 291 BGB zur Anwendung gelangen konnte. Lediglich für die Höhe der Zinsen hat das Bundesarbeitsgericht auf § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB verwiesen (dort Rn. 31 f.). Das Amtsgericht Hamburg hat die Verzinsung nach § 717 Abs. 2 Satz 2 ZPO, § 288 BGB zugesprochen in einem Fall, bei dem die nach einem Versäumnisurteil zu Unrecht vollstreckte Leistung noch nicht zurückbezahlt, aber die Rückzahlung auch nicht im Wege der Inzidentklage geltend gemacht wurde (vgl. AG Hamburg Urteil vom 25. März 2022 – 48 C 483/19, BeckRS 2022, 6628 beck-online Rn. 62). Dieses Urteil gewährt aber zu Unrecht den Ersatz eines fiktiven Zinsschadens.Randnummer162

Dadurch werden die Beklagten auch nicht schlechter gestellt als Antragsteller, die ihre Sicherheitsleistung noch nicht zurückerlangt haben und diese im Wege des Inzidentantrags geltend machen, so dass ihnen die Verzinsung nach § 291 BGB zugutekommt. Denn den Beklagten hätte jederzeit die Möglichkeit offen gestanden, einen konkreten Schaden geltend zu machen. Vor diesem Hintergrund besteht für die analoge Anwendung von § 291 BGB im Rahmen des § 717 Abs. 2 Satz 1 ZPO kein Raum.Randnummer163

Den Beklagten war auch kein Hinweis nach § 139 Abs. 2 ZPO zu erteilen. Die Klägerin hat in ihrem Schriftsatz vom 24.09.2020 ausführlich und unmissverständlich darauf hingewiesen, dass ein (Zins-)Vollstreckungsschaden nicht pauschal unter Verweis auf § 291 BGB begründet werden kann. Bei derartigen unmissverständlichen Hinweisen durch die Gegenseite ist ein gerichtlicher Hinweis entbehrlich (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Dezember 2007 – IX ZR 207/05 –, juris Rn. 2).

III.Randnummer164

1. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO. Im Umfang des Teilverzichts hat die Klägerin die Kosten zu tragen (vgl. Althammer, in: Stein/Jonas, ZPO, 23. Aufl. 2018, § 306 ZPO Rn. 30). Hinsichtlich der Kostentragung in erster Instanz war die rechtskräftig gewordene Abweisung der Klage in Höhe von 681,04 EUR zu berücksichtigen.Randnummer165

2. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 708 Nrn. 1, 10, §§ 713, 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.Randnummer166

3. Die Revision ist nicht zuzulassen (§ 543 Abs. 2 ZPO).Randnummer167

a) Der Fall hat keine grundsätzliche Bedeutung. Diese kommt nach § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO einer Rechtssache zu, wenn sie eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage dann, wenn sie zweifelhaft ist, also über Umfang und Bedeutung einer Rechtsvorschrift Unklarheiten bestehen. Derartige Unklarheiten bestehen unter anderem dann, wenn die Rechtsfrage vom Bundesgerichtshof bisher nicht entschieden ist und von einigen Oberlandesgerichten unterschiedlich beantwortet wird oder wenn in der Literatur unterschiedliche Meinungen vertreten werden (vgl. BGH, Beschluss vom 23. Februar 2022 – IV ZR 150/20 –, juris Rn. 14).Randnummer168

aa) Eine solche Rechtsfrage liegt hier nicht vor. Der Bundesgerichtshof hat mit seinem Urteil vom 16.09.2021 (IX ZR 165/19) die auch in diesem Rechtsstreit klärungsbedürftigen Rechtsfragen, insbesondere zur Beratungspflicht bei objektiv aussichtsloser Rechtsverfolgung und zur haftungsausfüllenden Kausalität in einem solchen Fall geklärt. Die Feststellungen zu den Fragen, ob Aussichtslosigkeit vorliegt und ab welchem Zeitpunkt, hat der Bundesgerichtshof ausdrücklich der Entscheidung des Tatrichters überantwortet, der die dafür relevanten Tatsachen feststellen und würdigen muss (vgl. Urteil vom 16. September 2021 – IX ZR 165/19 –, juris Rn. 37, 40; vom 29. September 2022 – IX ZR 204/21 –, juris Rn. 26). Dass die Würdigung der festgestellten Tatsachen möglicherweise Auswirkungen auf weitere Verfahren, die zwischen den Parteien oder den Beklagten und anderen Rechtsschutzversicherern rechtshängig sind, haben, vermag eine grundsätzliche Bedeutung nicht begründen. Denn es steht keine Rechtsfrage im Raum, die vom Bundesgerichtshof bislang nicht entschieden worden ist.Randnummer169

bb) Eine Grundsatzbedeutung einer Rechtsfrage kann sich im Einzelfall auch aus ihrem Gewicht für die beteiligten Verkehrskreise ergeben (vgl. BGH, Beschluss vom 18. September 2003 – V ZB 9/03 –, juris Rn. 2). Allein der Umstand, dass eine Entscheidung für eine Vielzahl von ähnlich gelagerten Verfahren Bedeutung erlangen kann, begründet aber noch keine grundsätzliche Bedeutung (vgl. BGH, Beschluss vom 21. November 2018 – VII ZR 232/17 –, juris Rn. 14; Feskorn in: Zöller, ZPO, 35. Aufl. 2024, § 543 ZPO, Rn. 13). Denn es ist nicht ersichtlich, dass das tatsächliche oder wirtschaftliche Gewicht dieser Verfahren, bei denen die Beklagten Regressansprüchen von verschiedenen Rechtsschutzversicherern ausgesetzt sind, Allgemeininteressen in besonderem Maße berühren (vgl. dazu BGH, a.a.O.).Randnummer170

b) Ein Zulassungsgrund nach § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO ist ebenfalls nicht gegeben.Randnummer171

aa) Zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung ist in Fällen einer Divergenz die Revision zuzulassen, wenn die anzufechtende Entscheidung von der Entscheidung eines höher- oder gleichrangigen Gerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht. Eine Abweichung liegt aber nur vor, wenn die anzufechtende Entscheidung dieselbe Rechtsfrage anders beantwortet als die Vergleichsentscheidung, mithin einen Rechtssatz aufstellt, der von einem in anderen Entscheidungen eines höheren oder eines gleichgeordneten Gerichts aufgestellten abstrakten Rechtssatz abweicht (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Oktober 2018 – II ZR 70/16 –, juris Rn. 17; Feskorn, in: Zöller, ZPO, 35. Aufl. 2024, § 543 ZPO, Rn. 16).Randnummer172

bb) Ein solcher Fall liegt nicht vor, auch wenn die Beklagten eine Divergenz zu dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 16.09.2021 (IX ZR 165/19) behaupten. Wie bereits dargelegt, ist hinsichtlich der Pflichtverletzung der Beklagten von einem einheitlichen Lebenssachverhalt auszugehen, nämlich keinen von vornherein aussichtslosen Rechtsstreit zu führen bzw. bei einer Veränderung der rechtlichen und tatsächlichen Ausgangslage den Mandanten zu beraten. Anders als die Beklagten meinen, behandelt der Bundesgerichtshof diese Fragen in einem ähnlich gelagerten Verfahren als einen einheitlichen Streitgegenstand, wie sich insbesondere aus Randnummern 25 und 31 dieses Urteils ergibt (vgl. BGH, a.a.O.; so auch OLG ZweibrückenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG Zweibrücken
, Urteil vom 9. März 2023 – 4 U 97/22 –, juris Rn. 6). Auch zur Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 13.03.2008 (IX ZR 136/07) besteht keine Divergenz, denn dort war zu dem nicht pflichtgemäßen Vorgehen des Anwalts, wegen dem der prozess nicht gewonnen hätte werden können, erst mit der Revision vorgetragen worden. Insoweit handelte es sich – anders als hier – um einen anderen Streitgegenstand, da in den Tatsacheninstanzen lediglich die Aussichtslosigkeit des Rechtsstreits behauptet worden war (vgl. BGH, Urteil vom 13. März 2008 – IX ZR 136/07 – juris Rn. 24; Urteil vom 16. September 2021 – IX ZR 165/19 – Rn. 25, juris). Aber selbst wenn von zwei Streitgegenständen auszugehen wäre, hätte dies für den Rechtsstreit keine Folgen, da die Klägerin in der Anspruchsbegründung schlüssig zu beiden Streitgegenständen vorgetragen hat und deswegen keine Verjährung eingetreten ist.Randnummer173

cc) Eine Divergenz liegt auch nicht wegen der Abweisung des Inzidentantrags vor. Hinsichtlich des Beschlusses des Bundesarbeitsgerichts vom 12. November 2014 (7 ABR 86/12) besteht keine Divergenz, weil dort zugleich die Leistung zurückverlangt worden war. Auch von dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 20. November 2008 (IX ZR 139/07) weicht der Senat nicht ab, denn dort waren die Finanzierungskosten für die Sicherheit konkret dargelegt und beziffert worden. Dies gilt auch für die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 3. Juli 1997 (IX ZR 122/96), denn hier war der konkret bezifferte Zinsschaden von dem Tatrichter festgestellt worden und ist vom Bundesgerichtshof insoweit als weitergehender Schaden im Sinne des § 717 Abs. 2 ZPO eingeordnet worden.

Schlagworte: Anwalt bei Anwaltshaftung, Anwaltshaftung

Veröffentlicht in Thüringer OLG (Jena) | Kommentare geschlossen

OLG Jena, Urteil vom 29.03.2023 – 2 U 834/18

Mittwoch, 29. März 2023

§ 138 Abs. 1 BGB

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Mühlhausen vom 08.11.2018, Az. HK O 11/.15, abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreites beider Instanzen hat die Klägerin zu tragen.

Das Urtell ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch die Beklagte durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

1.

Die Klägerin hat die Untersagung des Vollzuges bestimmter Kauf- und Pachtverträge der Beklagten mit der Landgut U. GmbH (im Folgenden: die Landgut) und der Agrarprodukte G. GmbH (im Folgenden: die Agrarprodukte), die Untersagung des Abschlusses von Kaufverträgen, Pachtverträgen und Nutzungsverträgen zwischen der Beklagten und der Landgut bzw. der Agrarprodukte, die Feststellung der Nichtigkeit bestimmter zwischen der Beklagten und der Landgut bzw. der Agrarprodukte geschlossener Kauf- und Pachtverträge sowie die Feststellung der Verpflichtung zum Schadensersatz beantragt.

Mit dem angefochtenen Urteil hat das Landgericht die Klage weit überwiegend zugesprochen. Es wird gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO ergänzend auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen.

Die Beklagte und Berufungsklägerin trägt vor,

das Landgericht habe ihren Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, da es sich mit ihrem Vortrag nicht bzw. nur bruchstückhaft befasst habe.

Mit dem Urteilstenor zu 1 habe das Landgericht hinsichtlich der Zahlungsansprüche, die der Beklagten zugewiesen waren, über Anträge entschieden, die infolge der Erledigungs-erklärung nicht mehr als Sachanträge zur Entscheidung gestanden hätten.

Die Klage sei unzulässig. Die Anträge zu 1 und 2 seien unbestimmt, da nicht klar sei, welche weiteren aktivierten oder aktivierbaren Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens die Beklagte besitzen solle. Den Feststellungsanträgen fehle es am Feststellungsinteresse bzw. am Rechtsschutzbedürfnis. Die Feststellung der Unwirksamkeit eines Vertrages sei unzulässig. Die Klagen hätten keine Auswirkungen auf das Rechtsverhältnis der Beklagten mit der Landgut und der Agrarprodukte. Das Urteil sei daher für die Klägerin objektiv wertlos. Die Klägerin habe kein unmittelbares rechtliches Interesse an der Feststellung der Unwirk-samkeit der Drittrechtsgeschäfte; eine vermögensmäßige Besserstellung genüge dafür nicht Die Zahlungsansprüche seien nicht mehr existent, weswegen die Klägerin insoweit keines Rechtsschutzes bedürfe. Die Unterlassungsanträge beträfen nur den Abschluss schuldrecht-licher Verträge, durch den die Klägerin jedoch nicht in ihren Rechten beeinträchtigt werde. Eine Beeinträchtigung könne allein durch das Verfügungsgeschäft erfolgen. Die Nichtigkeits-feststellungsanträge zu 6 – 9 seien gegenüber einer Leistungsklage subsidiär, da die Klägerin in erster Linie die Zahlung der Teilgewinnabführungsbeträge begehre. Auch der Antrag zu 10 scheitere am Vorrang der Leistungsklage, da die Klägerin im Wege der Stufenklage auf Leistung habe klagen können.

Nebenpflichtverletzungen könnten keinen Unterlassungsanspruch. begründen. Ein Rechtsgut der Klägerin könne allenfalls durch das dingliche Rechtsgeschäft betroffen sein, nicht durch den Abschluss der Kauf- und Nutzungsverträge auf schuldrechtlicher Ebene.

Die Teilgewinnabführungsvereinbarung sei unwirksam. Da der Zustimmungsbeschluss der Beklagten nicht notariell beurkundet und nicht in das Handelsregister eingetragen worden sei, liege ein unbehebbarer Mangel vor. Die zwingend einzuhaltenden gesetzlichen Voraussetzungen für die Wirksamkeit strukturverändernder Unternehmensverträge seien nicht eingehalten worden, da die Vereinbarung entgegen § 293 Abs. 3 AktG keine Schrift-form aufweise, der Zustimmungsbeschluss der Beklagten nicht notariell beurkundet worden sei und es an einer Handelsregistereintragung fehle, die auch nicht mehr zu erreichen sei.

Die Teilgewinnabführungsvereinbarung sei jedenfalls wirksam gekündigt worden, da die Klägerin sich weigere, Auskunft über den Erhalt und die Verwendung der Gelder zu erteilen, die Entschuldung verhindert habe, die Altschulden nicht tilge und die Beklagte gegenüber den übrigen einer Teilgewinnabführungsvereinbarung unterworfenen Gesellschaften benachteilige. Das Vertrauensverhältnis sei damit unwiederbringlich zerstört.

Die Beklagte müsse keinen Kapitaldienst leisten, weil die Klägerin die Altschulden nicht tilge.

Die Klägerin habe zudem im Jahre 2005 die Möglichkeit, sich von sämtlichen bis dato noch bestehenden Altschulden zu befreien, verstreichen lassen. Dies könne keinen anderen Grund gehabt haben, als dass die Klägerin nicht auf den Zahlungsdienst der Beklagten verzichten wolle, um die abgeführten Zahlungen zweckwidrig einzusetzen.

Es liege keine Verletzung einer Leistungstreuepflicht vor. Die Teilgewinnabführungsvereinbarung bezwecke die Teilhabe an einer fremden Gewinnchance. Die Klägerin habe damit eine bloße Gewinnchance gehabt, die durch die Veräußerung von Vermögensgegenständen nicht vereitelt oder gefährdet werde, da das Teilhaberecht an der Gewinnchance fortbestehe.

Die Berufung auf die Verletzung der Leistungstreuepflicht sei zudem rechtsmissbräuchlich, da die Klägerin selbst vertragsbrüchig geworden sei, indem sie die zugeleiteten Gewinne nicht zur Altschuldentilgung weitergeleitet habe, nicht offengelegt habe, wann sie welche Jahresüberschussbeträge an die Gläubigerbank weitergeleitet habe, auch nicht offengelegt habe, wie hoch der Schuldenstand ist und die Möglichkeit zur Befreiung von den Altschulden im Jahre 2005 vereitelt habe.

Die streitgegenständlichen Rechtsgeschäfte seien nicht Sittenwidrig. Eine Sittenwidrigkeit aus § 138 BGB komme bei ausschließlich geltend gemachter Gläubigerbenachteiligung ohnehin nicht in Betracht, da diesbezüglich die Anfechtungs-tatbestände der lnsO und des AnfG vorrangig seien.

Eine Gläubigerbenachteiligung komme unter keinem Gesichtspunkt in Betracht. Die Beklagte sei mit frischen Bareinlagen und Sacheinlagen der Gründer errichtet worden.

Es habe keine Ausgründung/Ausgliederung o.ä. aus der ehemaligen LPG stattgefunden und die Beklagte sei beim Gründungsakt nicht mit Wirtschaftsgütern der ehemaligen LPG ausgestattet worden. Die Beklagte habe sämtliche Wirtschaftsgüter auf der Grundlage von schuldrechtlichen Verträgen zu marktgerechten/angemessenen Konditionen gekauft oder gemietet/gepachtet. Diese angemessenen Gegenleistungen hätte die Klägerin zur Altschuldentilgung einsetzen müssen. Die Beklagte sei für die Altschuldentilgung nicht (mehr) verantwortlich, da sie sämtliche Wirtschaftsgüter zu marktgerechten/ angemessenen Konditionen gekauft oder gemietet/gepachtet habe. Die Beklagte sei kein landwirtschaftliches Produktionsunternehmen mehr, sondern rein vermögensverwaltend tätig. Es habe sich die Notwendigkeit aufgetan, sich neu auszurichten, um überlebensfähig zu bleiben. Mithin habe es einer unternehmerischen wie rechtlich organisatorischen Umstrukturierung bedurft, die in die heutige Erscheinungsform der Beklagten gemündet habe. Die vertragsgegenständlichen Maschinen, Anlagen und Geräte seien für die Beklagte daher nutzlos geworden. Sie benötige auch keine Zahlungsansprüche mehr, da diese von der tatsächlichen Bewirtschaftung landwirtschaftlicher Flächen abhingen, welche die Beklagte nicht mehr betreibe. Die Zahlungsansprüche seien zudem mittlerweile verfallen.

Die Teilgewinnabführungsvereinbarung räume der Klägerin nicht die rechtliche Stellung ein, die Beklagte an der Veräußerung landwirtschaftlicher Flächen zu hindern und zur Fortführung ihres landwirtschaftlichen Betriebs zu zwingen. Die Verträge seien nicht objektiv nachteilig für die Beklagte und hätten keine Auswirkungen auf die Ertragssituation der Beklagten gehabt. Die Beklagte habe in den Jahren 2015 und 2016 wegen des schädigenden Verhaltens der Klägerin und des Herrn Wilk Verluste erwirtschaftet. Seit dem Kalenderjahr 2017 erwirtschafte die Beklagte jedoch kontinuierlich wieder positive Jahresergebnisse.

Kollusives Handeln bei Abschluss der Verträge habe das Landgericht nicht festgestellt.

Die beteiligten Gesellschaften und deren Gesellschafter seien nicht identisch. Die  – bestrittene – Kenntnis der Vertragspartnerinnen von den etwaigen schädigenden Wirkungen der Rechtsgeschäfte genüge nicht. Es müsse eine besonders rücksichtslose Gesinnung hinzukommen.

Die Beklagte habe deutlich mehr an die Klägerin gezahlt, als sie an den Altschulden wirtschaftlich beteiligt wäre. Der Anteil der Beklagten an der Altschuldenbelastung betrage – je nach Szenario – zwischen 462.216,37 Euro und 687.242,75 Euro. Die Beklagte habe seit 1993 Zahlungen in Höhe von insgesamt 2.592.994,02 Euro an die Klägerin geleistet. Da das Verfügungsgeschäft rechtlich neutral sei, bleibe es wirksam. Mit der Durchführung der Verfügungsgeschäfte hätten die Vertragsparteien lediglich das umgesetzt, wozu sie sich vertraglich verpflichtet hätten.

Unterverpachtungen erfolgten in der Regel 1 :1 zu den Konditionen des Hauptpachtvertrages.

Das Verfahren sei nicht auszusetzen. Es sei unklar, ob das genannte Ermittlungsverfahren existiere; es werde davon ausgegangen, dass es eingestellt worden sei. Zudem sei zu berücksichtigen, dass das angebliche Verfahren aus dem Jahre 2015 stamme, ohne dass es Anhaltspunkte für eine Strafbarkeit gebe.

Es bestehe keine Wiederholungsgefahr. Die Kaufverträge und die dinglichen Verfügungs-geschäfte seien wirksam. Es gebe damit für die Untersagung keinen Anwendungsfall mehr.

Die Behauptung der Klägerin, die Beklagte sei als leere Hülle zurückgeblieben, mache sich die Beklagte prozessual zu eigen. Damit gestehe die Klägerin ein, dass die streitgegenständlichen Verträge bereits vollzogen wurden, so dass die Klageanträge wegen Erledigung ins leere gingen und das Rechtsschutzbedürfnis fehle, da eine leere Hülle weder Wirtschaftsgüter allgemein noch gleichartig wie geschehen veräußern könne.

Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Schadensersatz. Es fehle am Verschulden, es fehle an einem Schaden und die Klägerin dürfe sich wegen rechtsmissbräuchlichen und eigenen vertragsbrüchigen Verhaltens nicht auf einen Schadensersatzanspruch berufen. Der Klägerin habe allenfalls ein Teilhaberecht an einer ungewissen, höhenmäßig nicht garantierten Gewinnchance zugestanden. Dieses Teilhaberecht bestehe bei unterstellter Wirksamkeit des Teilgewinnabführungsvertrages nach wie vor. Allein die Verletzung vertraglicher oder gesetzlicher Pflichten könne den Vorwurf sittenwidrigen Verhaltens nicht rechtfertigen. Weitere Umstände, die die besondere Verwerflichkeit des Verhaltens der Beklagten belegen würden, seien nicht gegeben. Das Eigeninteresse der Beklagten, sich neu auszurichten, um sich die Grundlage für einen beständigen unternehmerischen Erfolg aufzubauen, sei legitim. Wegen der Unsicherheit über die Wirksamkeit der Teilgewinnab-führungsvereinbarung habe sich die Beklagte in einem unvermeidbaren Verbotsirrtum befunden, der den Vorsatz entfallen lasse.

Da die Klägerin nach eigenem Bekunden seit der 37. KW 2014, spätestens aber seit dem 29.09.2014 Kenntnis von den Grundstückskaufverträgen und Auflassungen vom 26.03.2014 und vom 06.06.2014 gehabt habe, seien diese Schadensersatzansprüche verjährt.

Sämtliche Ansprüche seien verjährt, wen die Klägerin spätestens seit Ende 2014 Kenntnis von den gegenständlichen Verträgen und ihren behaupteten streitgegenständlichen Ansprüchen gehabt habe, die Aussetzung mit der Entscheidung des BGH am 16.07.2019 geendet habe, so dass nach Ablauf von 6 Monaten ein Verfahrensstillstand eingetreten sei, der zum Ende der Verjährungshemmung geführt habe, und durch das weitere Nichtbetreiben des Verfahrens durch die Klägerin zwischenzeitlich Verjährung eingetreten sei.

Die Grenze zur Willkür sei insoweit überschritten worden, als das Landgericht der Klägerin trotz Unterliegens mit einem wesentlichen Teil der Anträge zu 1 und 2 nur eine Kostenquote von 5% auferlegt habe.

Zumindest der Tatsachenvortrag der Klägerin auf Seiten 1- 33 ihres Schriftsatzes vom 29.11.2022 sowie sämtlicher Tatsachenvortrag im Schriftsatz vom 31.01.2023 sei verspätet und präkludiert, da die Klägerin die Frist zur Einreichung ihrer Berufungserwiderung versäumt habe.

Die Beklagte und Berufungsklägerin beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Mühlhausen vom 15.11.2018, Az. HK 0 11/15, die Klage insgesamt einschließlich der in der mündlichen Verhandlung am 01.02.2023 gestellten Hilfsanträge abzuweisen,

hilfsweise, das Urteil des Landgerichts Mühlhausen vom 15.11.2018, Az. HK O 11 /15, aufzuheben und das Verfahren zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen,

hilfsweise für den Fall des Unterliegens, die Revision zuzulassen.

Die Klägerin und Berufungsbeklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen,

hilfsweise:

1.

hilfsweise zu Ziffer 1 des Urteilstenors des angefochtenen Urteils,

der Beklagten zu untersagen, Kaufverträge mit dem Inhalt der Veräußerung von Maschinen, Geräten, baulichen Anlagen, zugewiesenen Zahlungsansprüchen für die Beantragung von Direktzahlungen der einheitlichen Betriebsprämie mit der Landgut GmbH abzuschließen, so wie betreffend Kaufverträge mit dem Inhalt einer Veräußerung von Maschinen, Geräten, baulichen Anlagen mit Kaufvertrag vom 02.01.2014, so wie betreffend die Zahlungsan-sprüche mit Vertrag vom 01.04.2014 jeweils mit der Landgut GmbH geschehen,

2.

hilfsweise zu Ziffer 2 des Urteilstenors des angefochtenen Urteils, der Beklagten zu untersagen, Kaufverträge mit dem Inhalt einer Veräußerung von zugewiesenen Zahlungsansprüchen für die Beantragung von Direktzahlungen der einheitlichen Betriebsprämie mit der Agrarprodukte GmbH abzuschließen, so wie bei dem Kaufvertrag mit dem Inhalt der Veräußerung von Zahlungsansprüchen vom 01.04.2014 mit der Agrarprodukte GmbH geschehen,

3.

hilfsweise zu Ziffer 3 des Urteilstenors des angefochtenen Urteils, der Beklagten zu untersagen, den mit der im Handelsregister des Amtsgerichts Jena unter HRB XXX eingetragenen Landgut GmbH abgeschlossenen Pachtvertrag mit dem lnhalt einer Überlassung von Grundstücken mit einer Gesamtfläche von 12,68 ha in der Gemarkung XY an die Landgut GmbH in Gestalt einer Überlassung des Gebrauchs und des Fruchtgenusses zu vollziehen und Pachtverträge und/oder sonstige Nutzungsverträge mit der Landgut GmbH mit dem Inhalt einer Überlassung von Grundstücken an die Landgut GmbH abzuschließen, so wie bei dem Pachtvertrag vom 02.01.2014 mit der Landgut GmbH geschehen,

4.

hilfsweise zu Ziffer 4 des Urteilstenors des angefochtenen Urteils, der Beklagten zu untersagen, den mit der im Handelsregister des Amtsgerichts Jena unter HRB XXX eingetragenen Agrarprodukte GmbH geschlossenen Pachtvertrag mit dem Inhalt einer Überlassung von Grundstücken mit einer Gesamtfläche von 1.104,8 ha in den Gemarkungen X, Y und Z an die Agrarprodukte GmbH in Gestalt einer Überlassung des Gebrauchs und des Fruchtgenusses zu vollziehen und Pachtverträge und/oder sonstige Nutzungsverträge mit der Agrarprodukte GmbH mit dem Inhalt einer Überlassung von Grundstücken an die Agrarprodukte GmbH abzuschließen, so wie bei dem Pachtvertrag vom 02.01.2014 mit der Agrarprodukte GmbH geschehen, das Verfahren bis zum rechtskräftigen Abschluss des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens gegen die Herren H. und F. (Az: xxxx StA Mühlhausen) auszusetzen.

Die Klägerin und Berufungsbeklagte trägt vor,

die Teilgewinnabführungsabrede sei wirksam. Die Klägerin habe Altschulden nicht tilgen können, weil ihre Ausgaben in den Jahren von 1993 – 2019 die Einnahmen überstiegen.

Nicht die Klägerin, sondern die Beklagte habe in den Jahren 2005/2006 die Altschuldenablöse vereitelt.

Die Beklagte habe durch die streitgegenständlichen Verfügungs- und Verpflichtungs-geschäfte mit der Landgut und der Agrarprodukte ihre Leistungspflicht aus der Teilgewinnabführungsvereinbarung mit der Klägerin verletzt und die streitgegenständlichen Rechtsgeschäfte seien Sittenwidrig. Es sei die Absicht der Beklagten, die Wirtschaftsgüter und Gewinnchancen dem Zugriff der Klägerin als Gläubigerin der  Teilgewinnabführungs-abrede zu entziehen.

Das Urteil des Thüringer Oberlandesgerichts im Verfahren xxxx sei nicht präjudiziell.

Mit den Kaufverträgen vom 01.04.2014 habe die Beklagte die Zahlungsansprüche weit unter Verkehrswert veräußert, wodurch ein Vermögensnachteil zu Lasten der Beklagten und ein Schaden in Höhe von mindestens 567.692,86 Euro entstanden sei. Der Geschäftsführer F. habe vorsätzlich gehandelt, da von langer Hand geplant gewesen sei, den Geschäfts-betrieb der Beklagten kompensationslos auf die Parallelgesellschaften, die Agrarprodukte und die Landgut, zu verlagern. Zu dieser Untreue habe der Geschäftsführer H. angestiftet oder zumindest Beihilfe geleistet.

Die Beklagte habe sich die Grundlage für die Erwirtschaftung von Gewinnen aus der Unterhaltung eines landwirtschaftlichen Betriebs entzogen, was dazu geführt habe, dass sie ihre Verpflichtung gegenüber der Klägerin nicht mehr erfüllen könne. In Bezug auf die am 02.01.2014 mündlich abgeschlossenen Unterpachtverträge habe die Beklagte keine Gegenleistungen erhalten, da sie die Flächen kompensationslos zu exakt gleichen Konditionen unterverpachtet habe. Die Beklagte berufe sich falsch darauf, dass die Pachtverträge zum 31.10.2015 ausgelaufen seien. Tatsächlich habe die Beklagte schon im Jahre 2010 dafür gesorgt, dass ihre Pachtverträge über den 31.10.2015 hinaus bis zum 31.10.2025 verlängert wurden. Im Übrigen berufe sich die Beklagte auf ein von vorneherein ungeeignetes Geschäftsmodell. Dass sich die Beklagte auf eine wie auch immer geartete Holdingfunktion konzentrieren könne, sei mangels Bestehen von entsprechenden Beteiligungen von vorneherein ausgeschlossen gewesen. Für die streitgegenständlichen Verkäufe seien der Beklagten insgesamt 410.824,85 Euro zugeflossen, aus denen höchstens ein Zinsertrag von ca. 20.000.- Euro Je Geschäftsjahr zu erzielen gewesen sei. Die Beklagte sei allein deshalb in eine Aktiengesellschaft umgewandelt worden, um es Herrn Dr. W. zu erschweren, seine Rechte als Gesellschafter wahrzunehmen. Das vorgebliche Geschäftsmodell sei auch nicht umgesetzt worden. Die Beklagte habe in den Jahren 2015 – 2019 in keinem der in dem neuen Unternehmensgegenstand genannten Bereiche irgendwelche Umsätze erzielt, sondern allein über den landwirtschaftlichen Geschäftsbetrieb.

Sie habe unter keinem erdenklichen Gesichtspunkt auch nur ansatzweise irgendwelche unternehmerischen Aktivitäten innerhalb des neuen Untemehmensgegenstandes der Vermögens- und Beteiligungsverwaltung entfaltet. Sie habe vielmehr einfach die landwirtschaftliche Tätigkeit in einem sehr eingeschränkten Maß fortgesetzt.

Auch die weiteren vom BGH gestellten Anforderungen für die Annahme der Sittenwidrigkeit seien erfüllt. Die Beklagte habe Wirtschaftsgüter übernommen. Auf deren Übereignung komme es insoweit nicht an. Der prozentuale Anteil der Beklagten an den Altschulden belaufe sich auf 23,5% bei Einbeziehung der Ackerflächen, die die Beklagte seit dem 01.01.1993 erhalten habe. Bei Zugrundelegung der zum 01.07.1990 bestehenden Kreditverbindlichkeiten in Höhe von 6.081.794,28 Euro habe die Beklagte demnach 1.429.221,66 Euro zu tragen. Lasse man die Ackerflächen außer Betracht, ergebe sich immer noch ein Anteil von 12,5% und habe die Beklagte einen Anteil von 760.224,28 Euro zu tragen. Die Beklagte habe lediglich 138.675,75 Euro auf der Grundlage der Teilgewinnab-führungsvereinbarung an die Klägerin abgeführt. Auf die sonstigen Zahlungen komme es nicht an. Jedenfalls seien der Beklagten mit der stark vergünstigten Überlassung der Wirtschaftsgüter wirtschaftliche Vorteile zugewendet worden, die zu berücksichtigen seien.

Sämtliche Ansprüche seien nicht verjährt. Die Verjährung sei bereits im Jahr 2014 gehemmt worden, denn die Klägerin habe nach Kenntnis des Abschlusses der Verträge noch im Jahr 2014 den Erlass einer einstweiligen Verfügung hinsichtlich aller Ansprüche beantragt. Die Verjährung habe frühestens am 16.01.2020 begonnen und sei spätestens mit dem Wiederaufnahmeschriftsatz der Beklagten vom 30.06.2022 wieder gehemmt worden.

Die durch die Klageerweiterung in der mündlichen Verhandlung am 20.10.2016 geltend gemachten Feststellungsanträge seien ebenfalls nicht verjährt, da sich die Hemmung der mit den Klageanträgen zu 1 – 5 geltend gemachten Unterlassungsansprüche auf diese erstrecke, denn sie beruhten auf demselben Grund. Auch der Feststellungsantrag zu 10 sei nicht verjährt, da die erfassten Schadensersatzansprüche jährlich neu entstünden, wenn der Beklagten keine Gewinne entstehen. Zudem habe die Klägerin den Jahresabschluss 2014 erst im Jahre 2021 erlangt und dieser sei auch erst am 13.01.2016 sowie der Jahresabschluss für 2015 erst am 16.03.2017 veröffentlicht worden.

Das Verfahren sei bis zum Abschluss der strafrechtlichen Ermittlungen auszusetzen.

Falls sich der Untreuevorwurf bestätige, seien die Verträge nach §§ 134 BGB iVm 266 StGB nichtig.

Mit Beschluss vom 19.09.2019 (BI. 983 – 985 d.A.) hat der Senat den Rechtsstreit bis zu einer Entscheidung des BGH in dem Verfahren II ZR 175/18 (2 U 79/15) ausgesetzt. Das Verfahren ist vom Senat mit Verfügung vom 05.07.2021 (BI. 1004 d.A.) wieder aufgenommen worden.

II.

Auf die Berufung der Beklagten ist das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.

1.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf die Untersagung des Abschlusses von Kaufverträgen, Pachtverträgen und Nutzungsverträgen mit der Landgut und der Agrarprodukte, wie ihn das Landgericht antragsgemäß in den Ziffern 1 – 4 des angefochtenen Urteils zugesprochen hat.

a)

Die Klage ist mit den dieser Verurteilung entsprechenden Untersagungsanträgen zulässig.

aa)

Die Beklagte wendet ein, die Anträge zu 1 und 2 seien unbestimmt und nicht vollstreckungsfähig, da nicht erkennbar sei, welche weiteren aktivierten oder zu aktivierenden Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens die Beklagte besitzen/eignen solle. Dem ist nicht zu folgen.

(1)

Gemäß § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO muss die Klageschrift die bestimmte Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Anspruchs enthalten. Damit wird der Streitgegenstand abgegrenzt und zugleich die Grundlage für eine etwa erforderlich werdende Zwangsvollstreckung geschaffen. Daran gemessen ist ein Klageantrag grundsätzlich hinreichend bestimmt wenn er den erhobenen Anspruch konkret bezeichnet, dadurch den Rahmen der gerichtlichen Entscheidungsbefugnis(§ 308 ZPO) absteckt, Inhalt und Umfang der materiellen Rechtskraft der begehrten Entscheidung(§ 322 ZPO) erkennen lässt, das Risiko eines Unterliegens des Klägers nicht durch vermeidbare Ungenauigkeit auf den Beklagten abwälzt und schließlich eine Zwangsvollstreckung aus dem Urteil ohne eine Fortsetzung des Streits im Vollstreckungsverfahren erwarten lässt (BGH, Urteil vom 21. März 2018-VIII ZR 68/17 -, BGHZ 218, 139~162, Rn. 15). Weit gefasste, auslegungsbedürftige und auch mehrdeutige Umschreibungen sind nicht schlechthin unzulässig, sondern im Sinne der „Kerntheorie“ hinzunehmen, wenn über ihren Sinngehalt kein Zweifel besteht (Münchener Kommentar zur ZPO/Becker-Eberhard, 6. Aufl. 2020, ZPO § 253 Rn. 136). Anders liegt es aber dann, wenn die Bedeutung der verwendeten Begriffe fraglich bleibt und damit der Inhalt und der Umfang des Unterlassungsgebotes nicht eindeutig feststehen (BGH, Versäumnisurteil vom 26. Oktober 2000 -1 ZR 180/98, Rn. 18, juris). Zu unbestimmt ist der Antrag und Urteilstenor, wenn durch eine unbestimmte Wendung der gesamte Streit, ob spätere angebliche Verletzungsformen unter das Verbot fallen, in das Vollstreckungsverfahren verlagert wird (BGH, Urteil vom 4. Mai 2005 -1 ZR 127/02-, Rn. 16, juris).

(2)

Unter Anwendung dieser Grundsätze sind die Anträge und die entsprechende Untersagung hinreichend bestimmt.

Die Vollstreckung der Untersagung richtet sich nach § 890 Abs. 1 ZPO, wird also auf Antrag durch das Prozessgericht des ersten Rechtszuges angeordnet. Der Begriff des „aktivierten oder aktivierbaren Wirtschaftsgutes“ lässt sich durch das Gericht anhand rechtlicher Kriterien bestimmen. Nach ständiger Rechtsprechung beinhaltet der Begriff des zu aktivierenden „Wirtschaftsguts“ in Anlehnung an den Begriff „Vermögensgegenstand“ im Handelsrecht nicht nur Sachen und Rechte iSd BGB, sondern auch sonstige Vorteile. Darunter sind tatsächliche Zustände sowie konkrete Möglichkeiten und Vorteile für den Betrieb zu verstehen, deren Erlangung der Kaufmann sich etwas kosten lässt und die nach der Verkehrsauffassung einer besonderen Bewertung zugänglich sind. Das Merkmal der selbständigen Bewertbarkeit wird üblicherweise weiter dahingehend konkretisiert, dass ein Erwerber des gesamten Betriebs in dem Vorteil einen greifbaren Wert sehen würde, für den er im Rahmen des Gesamtpreises ein ins Gewicht fallendes besonderes Entgelt ansetzen würde. Zum jeweiligen Stichtag muss ein wirtschaftlich ausnutzbarer Vermögensvorteil vorliegen, der als realisierbarer Vermögenswert angesehen werden kann. Der Begriff des Wirtschaftsguts setzt hingegen nicht voraus, dass es dem Betrieb einen Nutzen für mehrere Jahre erbringt (BFH, Urteil vom 12. März 2020 – IV R 9/17, DStR 2020, 1421, Rn. 25, beck-online). Da es um „aktivierte oder aktivierbare“ Wirtschaftsgüter geht, muss es sich um bilanzierungsfähige Wirtschaftsgüter handeln. Hierfür sind die Vorschriften der§§ 247ff. HGB, 266 Abs. 2 HGB maßgeblich. Ob es sich um ein aktiviertes Wirtschaftsgut handelt, lässt sich dem Jahresabschluss der Beklagten entnehmen. Ob es sich um ein aktivierbares Wirtschaftsgut handelt, lässt sich durch Subsumtion unter die Vorschriften des HGB feststellen. Eine Beschränkung der in Betracht kommenden Lebenssachverhalt. e ergibt sich des Weiteren daraus, dass es sich um Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens handeln muss(§ 266 Abs. 2 A) HGB), die im Rahmen eines Kaufvertrages veräußert werden.

bb)

Die Beklagte wendet weiter ein, es fehle am erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis für die Untersagungsanträge, weil nur schuldrechtliche Verträge erfasst würden, nicht aber die korrespondierenden dinglichen Verfügungsgeschäfte, und eine Rechtsbeeinträchtigung der Klägerin nur durch die Verfügungen, nicht aber schon durch die Verpflichtungsgeschäfte entstehen könne. Auch diesem Einwand ist nicht zu folgen.

(1)

Wie jede Leistungsklage verlangt auch die Unterlassungsklage als Prozessvoraussetzung ein allgemeines Rechtsschutzinteresse im Sinne eines Interesses an ihrer gerichtlichen Geltendmachung (BGH, Urteil vom 14. Dezember 1988 – VIII ZR 31/88 -, Rn. 17, juris).

Das Merkmal soll objektiv sinnlose Klagen verringern (Zöller – Greger, ZPO, 34. A., vor § 253 ZPO, Rn. 18). Ein Rechtsschutzbedürfnis besteht, wenn zu besorgen ist, dass der Schuldner seiner Unterlassungsverpflichtung zuwider handeln wird (vgl. OLG DüsseldorfBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG Düsseldorf
, Urteil vom 23. Oktober 2015-1-22 U 37/15-, Rn. 48, juris).

(2)

Die Beklagte macht zwar zu Recht geltend, dass die kaufvertragsgegenständlichen Wirtschaftsgüter erst mit der Vornahme des jeweiligen Verfügungsgeschäftes aus dem Vermögen der Beklagten ausscheiden und die Beklagte erst damit die Möglichkeit verliert, damit zu wirtschaften. Dass die Verpflichtung der Beklagten aus dem schuldrechtlichen Vertrag bilanziell als Verbindlichkeit zu passivieren ist, hat keinen Einfluss auf die Höhe des abzuführenden Gewinnanteils, da die Teilgewinnabführungsvereinbarung (vorgelegt in Anlage K 1) auf den Jahresüberschuss abstellt, der sich aus der Gewinn- und Verlust-rechnung ergibt(§ 275 Abs. 2 Nr. 17, Abs. 3 Nr. 17 HGB), als solcher auf der Passivseite der Bilanz einzustellen (§ 266 Abs. 3 A V HGB ) und vom Bilanzgewinn zu unterscheiden ist, denn der Jahresüberschuss. ist der im Geschäftsjahr neu erzielte Gewinn vor Ergebnisver-wendung (Hopt – Merkt, HGB, 40. A., § 275 AktG, Rn. 21, 22), welcher sich als Saldo aller unter§ 275 Abs. 2 Nrn. 1-14, 16 HGB ausgewiesenen Erträge und Aufwendungen ergibt (Meyer in: Staub, HGB, 6. Aufl. 2021, § 275 HGB), wohingegen der Bilanzgewinn aus der Summe des Jahresergebnisses abzüglich des bereits verwendeten Teils (z. 8. Bildung von Rücklagen) zuzüglich einer Rücklagenauflösung gebildet und das „Jahresergebnis“ aus der Summe von Jahresüberschuss zuzüglich Gewinnvortrag und abzüglich Verlust-vortrag besteht (H. Bart! in: Bartl/Bartl/Beine/Koch/Schlarb/Schmitt, GmbH-Recht, 8. Aufl. 2019, § 29 Ergebnisverwendung, Rn. 6).

Dennoch ist das Rechtsschutzbedürfnis für die der Verurteilung zu Grunde liegenden Untersagungsanträge gegeben, da auf der Grundlage des – streitigen – Vortrages der Klägerin angesichts der bereits abgeschlossenen Kaufverträge die Besorgnis besteht, dass die Beklagte Wirtschaftsgüter veräußert und sich damit letztlich der Verpflichtung entzieht, gemäß der streitgegenständlichen Teilgewinnabführungsvereinbarung einen Teil ihres Jahresüberschusses an die Klägerin abzuführen. Bereits der Abschluss der schuldrecht-lichen Verträge schafft die konkrete Gefahr eines weiteren Verstoßes gegen die Leistungstreuepflicht, da die Beklagte schuldrechtlich zur Vertragserfüllung verpflichtet ist.

Schon die Verhinderung des Abschlusses solcher schuldrechtlicher Verträge vermindert damit die nach Auffassung der Klägerin bestehende Gefahr, dass die Beklagte zur Umgehung ihrer Leistungspflichten Wirtschaftsgüter veräußert, da sie diese ansonsten ohne Rechtsgrund veräußern müsste, wodurch. sich ihre Organe in die Gefahr einer Haftung begeben würden. Die Klage auf Untersagung ist daher nicht objektiv sinnlos.

b)

Das Landgericht hat der Klägerin mit der Untersagung in den Ziffern 1 und 2 des angefochtenen Urteils nicht mehr zugesprochen, als diese beantragt hat.

Nach § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO ist das Gericht nicht befugt, einer Partei etwas zuzusprechen, was nicht beantragt ist. Dagegen hätte das Landgericht verstoßen, wenn die Klägerin, wie die Beklagte meint, ihre Klageanträge zu Ziffern 1 und 2· für erledigt erklärt, das Landgericht die Beklagte aber dennoch entsprechend der für erledigt erklärten Ursprungsanträge verurteilt hätte. Dies ist aber nicht der Fall.

Ausweislich der gerichtlichen Niederschrift zur mündlichen Verhandlung am 20.10.2016 (dort Seite 3, Blatt 453 der Akte) hat die Klägerin erklärt: ,,Hinsichtlich des Klageantrages zu 1 und des Klageantrages zu 2 werden diese für erledigt erklärt, soweit es um einen Kaufvertrag vom 01.04.2014 über den Erwerb von 7,41 Zahlungsansprüchen zu einem Kaufpreis von 1.047,45 Euro geht und soweit es im Antrag zu 2 um den Kaufvertrag vom 01.04.2014 über den Erwerb von 1.131,72 Zahlungsansprüchen zum Kaufpreis von 164.099,40 Euro geht“.

Im Übrigen hat die Klägerin die Anträge zu 1 – 5 aus der Klageschrift gestellt, soweit keine Erledigung erklärt wurde. Die in der Teilerledigungserklärung näher bezeichneten beiden Kaufverträge finden sich schon in den Ziffern 1 und 2 der Anträge aus der Klageschrift vom 16.02.2015 (dort Seite 2, BI. 35 d.A.) nur, soweit es um die Untersagung des Vollzugs geht. Soweit es um die Untersagung des Abschlusses von Kaufverträgen mit dem Inhalt einer Veräußerung von zugewiesenen Zahlungsansprüchen für die Beantragung von Direktzahlungen der einheitlichen Betriebsprämie geht, werden die Verträge hingegen nicht genannt. Die Teilerledigungserklärung bezog sich daher nur auf die Untersagung des Vollzuges dieser Verträge, welcher aber auch nicht mehr Gegenstand der angefoch-tenen Verurteilung ist.

c)

Die Klage ist mit den dieser Verurteilung entsprechenden Untersagungsanträgen unbegründet weil die Klägerin unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt einen Anspruch darauf hat, dass die Beklagte den Abschluss von Kauf-, Pacht- und Nutzungsverträgen der antragsgegenständlichen Art unabhängig von den konkreten Vertragsbedingungen unterlässt.

aa)

Ein Anspruch der Klägerin auf die Untersagung des Abschlusses bestimmter schuldrechtlicher Verträge kommt – den Ansatz der Klägerin unterstellt – im Ausgangspunkt unter schuldrechtlichen und deliktischen Gesichtspunkten in Betracht.

bb)

Ein Unterlassungsanspruch kann aus einer Verletzung der Leistungstreuepflicht erwachsen, §§ 241 Abs. 1 BGB iVm § 280 Abs. 1. BGB.

Wie zwischenzeitlich auf der Grundlage des Urteils des Senats vom 16.05.2018 (2 U 79/15) rechtskräftig feststeht, ist die Teilgewinnabführungsvereinbarung wirksam und die Beklagte war daher auch noch zur Zeit der hier streitgegenständlichen Vertragsabschlüsse verpflichtet, einen Teil ihres jährlichen Gewinnes vertragsgemäß an die Pro Max abzuführen.

Die Leistungstreuepflicht dient als ergänzende Nebenpflicht der Sicherung der Hauptpflicht.

Jeder Vertragspartner hat im Rahmen des Zumutbaren den ihm bekannten Interessen des anderen Rechnung zu tragen. Die Vertragspartner sind zum einen verpflichtet, an der Erreichung und Verwirklichung von Ziel und Zweck des Vertrages mitzuwirken und sich, soweit sich dies mit den eigenen Interessen vernünftigerweise vereinbaren lässt, gegenseitig zu unterstützen. Sie haben zum anderen alles zu Unterlassen, was die Erreichung des Vertragszwecks und den Eintritt des Leistungserfolgs gefährden oder beeinträchtigen könnte. Der Schuldner hat alles zu tun, um den Erfolg vorzubereiten, herbeizuführen und zu sichern (BGH, Urteil vom 19. Januar 2018 – V ZR 273/16 -, Rn. 19, juris; BGH, Urteil vom 13. März 1996,… Vill ZR 99/94 -, Rn. 8, juris; BGH, Teilurteil vom 15. Oktober 2004 – V ZR 100/04 -, juris Rn. 18; Urteil vom 20. April 1989 – 1 ZR 40/87 -, juris Rn. 20 f.; Grüneberg in: Grüneberg, 82. Aufl., § 242 BGB, Rn. 24, 27 ff.). In Bezug auf Nebenpflichten, die die Hauptpflicht und die Abwicklung des Schuldverhältnisses sichern, ohne dass ihnen ein Eigenzweck zukommt, besteht zwar in der Regel kein Erfüllungsanspruch. Ein Erfüllungsanspruch ist aber anzuerkennen, wenn ein schutzwürdiges Interesse an der klageweisen Durchsetzung der Pflicht besteht (Grüneberg „ Grüneberg, aaO, § 242 BGB, Rn. 25). Solange eine Vertragsverletzung oder der pflichtwidrig geschaffene Zustand andauert; kann sich aus § 280 Abs. 1 BGB ein Unterlassungsanspruch ergeben (OLG DüsseldorfBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG Düsseldorf
, Urteil vom 23. Oktober 2015-1-22 U 37/15 -, Rn. 58, juris). In einem Verstoß gegen schuldrecht-liche Nebenpflichten liegt eine Vertragsverletzung, die nicht nur Schadensersatzpflichten des Verletzers begründet, soweit der Verletzungstatbestand beendet ist. Jedenfalls solange die Verletzungshandlung noch. andauert bzw. der daraus resultierende Schaden noch nicht irreparabel ist, können sie auch Unterlassungsansprüche des Vertragspartners auslösen (BGH, Urteil vom 11. September 2008 -1 ZR 74/06-, BGHZ 178, 63-79, Rn. 17; BGH, Urteil vom 12. Januar 1995 – III ZR 136/93 -, Rn. 21 – 23, juris; OLG FrankfurtBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG Frankfurt
, Urteil vom 18. September 2014 – 10 W 40/14 -, Rn. 13, juris).

cc)

Ein Unterlassungsanspruch kann sich darüber hinaus aus der entsprechenden Anwendung des § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB iVm § 826 BGB bzw. § 823 Abs. 2 BGB lvm einem Schutz-gesetz ergeben.

§ 1004 BGB gilt analog als sogenannter quasinegatorischer Beseitigungs- oder Unterlassungsanspruch für alle deliktisch geschützten Rechtsgüter und für die durch ein Schutzgesetz im Sinne von § 823 Abs 2 BGB abgesicherten Interessensphären (Staudinger/Thole (2019) BGB§ 1004, Rn. 7; Grüneberg – Herrler, aaO, § 1004 BGB, Rn. 4; Erman – Ebbing, BGB, 16. A., § 1004 BGB, Rn. 10).

§ 1004 Abs 1 S 2 BGB begründet einen materiell rechtlichen Unterlassungsanspruch (Staudinger/Thole (2019) BGB § 1004Bitte wählen Sie ein Schlagwort:
BGB
BGB § 1004
, Ril. 447). Geschuldet wird ein Verhalten, dass den Nichteintritt der drohenden Beeinträchtigung bewirkt (Grüneberg – Herrler, aaO, § 1004 BGB, Rn. 33).

dd)

Voraussetzung des Unterlassungsanspruches ist es, dass die Beklagte mit den zu untersagenden Vertragsabschlüssen die Verletzung ihrer vertraglichen Pflichten oder die Beeinträchtigung deliktisch geschützter Rechtsgüter verursacht, fortführt oder vertieft. Dies geschieht nicht durch jeglichen Vertragsabschluss, sei es auch mit der Landgut oder der Agrarprodukte. Schon im Ansatz besteht kein Anspruch auf die Unterlassung des Abschlusses von Verträgen, die einen Leistungsaustausch unter marktüblichen Bedingungen beinhalten bzw. die Vermögenssituation der Beklagten verbessern. Es kommt daher in jedem Falle auf die konkreten Bedingungen eines gegebenenfalls zu untersagenden Vertragsschlusses an; ein Anspruch auf generelle Untersagung ohne Rücksicht auf die konkreten Vertragsbedingungen besteht nicht.

2.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf die Untersagung des Abschlusses von Kaufverträgen, Pachtverträgen und Nutzungsverträgen mit der Landgut und der Agrarprodukte, wie sie zum Gegenstand der in der mündlichen Verhandlung am 01.02.2023 gestellten Hilfsanträge gemacht worden sind.

a)

Die in der Stellung der Hilfsanträge liegende Klageänderung in der Berufungsinstanz ist gemäߧ 533 ZPO zulässig.

Die Stellung mehrerer innerprozessual bedingter Hilfsanträge enthält eine Eventualklagenhäufung (Zöller- Greger, ZPO, 34. A., § 260 ZPO, Rn. 4). Die nachträgliche Stellungeines Hilfsantrages ist einer nachträglich objektive Klagenhäufung, auf die die Vorschriften über die Klageänderung nach §§ 533, 263, 264 ZPO entsprechend anwendbar sind (BGH, Urteil vom 22. Januar 2015-1 ZR 127/13 -, Rn. 13, juris).

Die zulässige Stellung der Hilfsanträge erfordert keine Anschlussberufung. Der in erster Instanz in vollem Umfang erfolgreiche Berufungsbeklagte muss sich der Berufung der Gegenseite gemäߧ 524 ZPO anschließen, wenn er das erstinstanzliche Urteil nicht nur verteidigen, sondern die von ihm im ersten Rechtszug gestellten Anträge erweitern oder auf einen neuen Klagegrund stellen will. Allerdings stellt nicht jeder Hilfsantrag, den der in erster Instanz erfolgreiche Kläger in der Berufungsinstanz zusätzlich verfolgt, zwangsläufig eine Erweiterung der Klage dar, die eine Anschlussberufung erforderlich macht. Eine Anschlussberufung ist nicht erforderlich, wenn in dem Hilfsantrag eine Beschränkung des Hauptantrags liegt (BGH, Urteil vom 22. Januar 2015-1 ZR 127/13 -, Rn. 12 – 13, juris).

Hier liegt in den jeweiligen Hilfsanträgen eine Beschränkung des Hauptantrags, weil nach den Hilfsanträgen nicht mehr jeglicher Vertragsschluss der Beklagten mit der Landgut bzw. der Agrarprodukte untersagt werden soll, sondern nur solche, die so erfolgen, wie mit den in den Hilfsanträgen genannten Verträgen vom 02.01.2014 bzw. 01.04.2014.

Die Einwilligung der Beklagten liegt vor. Über § 525 ZPO kommt auch die Vermutung des § 267 ZPO zur Anwendung. Da die Beklagte sich rügelos auf die Verhandlung über die Hilfsanträge eingelassen und deren Abweisung beantragt hat, wird ihre Einwilligung unwiderleglich vermutet (BGH, Urteil vom 6. Dezember 2004-11 ZR 394/02 .;., Rn. 10, juris).

Damit der Stellung der Hilfsanträge keine Änderung des Tatsachenvortrags einhergeht, liegen auch die Voraussetzungen des § 533 Nr. 2 ZPO vor.

b)

Die Hilfsanträge sind aber unzulässig, weil sie nicht hinreichend bestimmt sind. Wie bereits ausgeführt, muss die Klageschrift gemäß § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO die bestimmte Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Anspruchs enthalten. Ein Unter-lassungsantrag und eine darauf beruhende Verurteilung darf nicht derart undeutlich gefasst sein, dass der Streitgegenstand und der Umfang der Prüfungs- und Entscheidungsbefugnis des Gerichts nicht mehr klar umrissen sind, sich der Beklagte deshalb nicht erschöpfend verteidigen kann und im Ergebnis dem Vollstreckungsgericht die Entscheidung darüber überlassen bleibt, was dem Beklagten verboten ist (BGH, Urteil vom 24. November 1999 -1 ZR 189/97 -, Rn. 44, juris). Die Verwendung auslegungsbedürftiger Begriffe in Klageantrag und Urteilsformel ist zwar nicht schlechthin unzulässig. Sie kann hinge-nommen werden, wenn über den Sinngehalt der verwendeten Begriffe oder Bezeichnungen kein Zweifel besteht, so dass die Reichweite von Antrag und Urteil feststeht (BGH, Urteil vom 1. Dezember 1999-1 ZR 49/97 -, BGHZ 143, 214-232, Rn. 39)

Die Umschreibung „so wie“ lässt die Reichweite der Untersagung aber nicht erkennen. In der Regel ist ein Unterlassungsantrag hinreichend bestimmt, wenn lediglich das Verbot der Handlung begehrt wird, so wie sie begangen worden ist (BGH, Urteil vom 20. Dezember 2018 – 1 ZR 112/17 -, Rn. 12, juris ). Darum geht es der Klägerin aber nicht. Auf die tatsächlich bereits abgeschlossenen Verträge bezieht sich die Antragstellung nicht, deren nachträgliche Untersagung wäre auch sinnlos. Die Klägerin ist der Auffassung, dass die Beklagte versucht, sich durch die Veräußerung ihrer Wirtschaftsgüter ihres Vermögens zu entledigen, um sich pflichtwidrig der Verpflichtung zur Abführung eines Teiles ihres Gewinnes an die Klägerin zu entledigen. Es geht daher um die Verhinderung des zukünftigen Abschlusses weiterer Verträge über weitere Wirtschaftsgüter der Beklagten. Damit umschreibt der Antrag auch nicht konkrete Verletzungsformen, deren Verbot begehrt wird, sondern die Untersagung künftiger Handlungen, ohne dass aber den Anträgen selbst entnommen werden kann, welche konkreten Handlungen dem Verbot unterfallen (vgl. BGH, Urteil vom 17. Juli 2003-1 ZR 259/00-, BGHZ 156, 1~19, Rn. 42; BGH, Versäumnisurteil vom 26. Oktober 2000-1 ZR 180/98-, Rn. 19, juris),

3.

Die Anträge auf Feststellung der Nichtigkeit der Kaufverträge vom 02.01.2014 und 01.04.2014 und der Unterpachtverträge vom 02.01.2014 mit der Landgut und der Agrarprodukte sind zulässig, aber unbegründet.

a)

Nach§ 256.Abs. 1 ZPO kann auf die Feststellung des Nichtbestehens eines Rechtsver-hältnisses Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen Feststellung hat. Diese Voraussetzungen sind hier gegeben.

Rechtsverhältnis im Sinne des § 256 Abs. 1 ZPO ist jedes Schuldverhältnis, insbesondere dessen Wirksamkeit (Zöller- Greger, aaO, § 256 ZPO; Rn. 4). Gegenstand der Feststellungs-klagen ist das Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses, nämlich die Nichtigkeit der in den Klageanträgen genannten schuldrechtlichen Verträge; insoweit handelt es sich nicht lediglich um die Beurteilung einer bloßen Vorfrage oder eines Elements eines Rechtsverhältnisses, bei denen eine Feststellungsklage nach § 256 Abs. 1 ZPO ausgeschlossen wäre (BGH, Beschluss vom ·21. Januar 2014 – II ZR 87/13 -, Rn. 5, juris).

Nach der Rechtsprechung des BGH kann nach§ 256 ZPO, wenn die weiteren Voraus-setzungen vorliegen, auch die Feststellung verlangt werden, dass zwischen dem Kläger oder dem Beklagten und einem Dritten oder gar zwischen zwei am Rechtsstreit nicht beteiligten Personen ein Rechtsverhältnis bestehe oder nicht bestehe (BGH; Urteil vom 14.Mai 1990-11 ZR 125/89 -, Rn. 6, juris). Maßgeblich ist insoweit, ob der Kläger ein rechtliches Interesse an der Feststellung hat. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein rechtliches Interesse an einer alsbaldigen Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses gegeben, wenn dem Recht oder der Rechtsposition des Klägers eine gegenwärtige Gefahr oder Unsicherheit droht und das erstrebte Urteil geeignet ist, diese Gefahr zu beseitigen (BGH, Urteil vom 25. Juli 2017 – II ZR 235/15-, Rn. 16, juris).

Das rechtliche Interesse an der beantragten Feststellung ergibt sich daraus, dass die Beklagte – nach dem Vortrag der Klägerin, welcher für die Beurteilung des Feststellungsinteresses maßgeblich ist – ihre Verpflichtungen aus der Teilgewinn-abführungsvereinbarung abstreitet und mit den streitgegenständlichen Verträgen versucht, ihr Vermögen auf andere Gesellschaften zu verlagern, um die mit der wirtschaftlichen Nutzung der vertragsgegenständlichen Wirtschaftsgüter verbundenen Gewinne auszulagern und damit ihre Verpflichtung zur Gewinnabführung zu unterlaufen.

Schon im Verfahren 2 U 89/17 beantragte die Klägerin aus diesen Gründen u.a. die Feststellung der Nichtigkeit der Grundstückskaufverträge vom 26.03.2014 und vom 06,06.2014 mit der Landgut und der Agrarprodukte. Mit Urteil vom 16. Juli 2019 (II ZR 426/17) hat der BGH zur Zulässigkeit der Feststellungsklage ausgeführt: ,,Das Berufungsgericht hat mit Recht angenommen, dass es der Klägerin nicht an dem nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderlichen Interesse an der Fest-stellung der Nichtigkeit der Grundstücks-kaufverträge und der diese vollziehenden Geschäfte fehlt. Das auch in der Revisionsinstanz von Amts wegen zu prüfende Feststellungsinteresse wird von der Revision nicht erheblich in Frage gestellt. Entgegen der Sicht der Revision hat die Klägerin ein Interesse an der Feststellung des zwischen der Beklagten und den Erwerbergesellschaften bestehenden Rechtsverhältnisses. Voraussetzung für die Zulässigkeit einer auf die Feststellung eines Rechtsverhältnisses zwischen dem Prozessgegner und einem Dritten gerichteten Klage ist, dass es zugleich für die Rechtsbeziehungen der Parteien untereinander von Bedeutung ist und der Kläger ein rechtliches Interesse an einer alsbaldigen Klärung dieser Frage hat. Dabei ist es ausreichend, wenn der Kläger von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses zwischen dem Beklagten und einem Dritten in seinem Rechtsbereich nur mittelbar betroffen wird. Diese Voraussetzungen liegen vor.

Nach dem für die Beurteilung des Senats insoweit maßgeblichen Klägervortrag kann die Frage, ob die Kaufverträge und Auflassungen aus den von der Klägerin behaupteten Gründen nach§ 138 Abs. 1 BGB nichtig sind, als Vorfrage für das Bestehen und den Umfang von Ansprüchen gegen die Beklagte aus dem mit der Vereinbarung vom 5. Oktober 1992 begründeten Rechtsverhältnis und zu ihrer Erfüllung relevant sein.“. Der Bestand oder Nichtbestand der damals streitgegenständlichen Grundstückskaufverträge war aus den-selben Gründen für das Interesse der Klägerin an der Erfüllung der Gewinnabführungs-verpflichtung aus dem Teilgewlnnabführungsvertrag von Bedeutung wie Bestand oder Nichtbestand der nunmehr streitgegenständlichen weiteren Verträge. Die Entscheidung des BGH ist daher auf den nunmehr zu Entscheidung stehenden Sachverhalt zu übertragen.

Dem Feststellungsinteresse steht es nicht entgegen, dass die Klägerin die Vertragspartnerinnen der Beklagten, die Landgut und die Agrarprodukte, nicht mit verklagt hat. Eine Einbeziehung Dritter, die an dem im Streit stehenden Rechtsverhältnis beteiligt sind, ist unter dem Gesichtspunkt des Feststellungsinteresses nicht geboten. Die grundsätzlich bestehende Gefahr, dass in mehreren, zwischen unterschiedlichen Parteien geführten Rechtsstreitigkeiten über ein Vertrags- oder sonstiges Rechtsverhältnis, an dem mehrere Personen beteiligt sind, inhaltlich divergierende Entscheidungen ergehen, ist hinzunehmen, sofern nicht die Voraussetzungen einer diese Gefahr ausschließenden notwendigen Streitge-nossenschaft erfüllt sind. Eine notwendige Streitgenossenschaft im Sinne des § 62 Abs. 1 ZPO besteht, wenn das Rechtsverhältnis aus prozessualen oder materiell-rechtlichen Gründen allen Streitgenossen gegenüber nur einheitlich festgestellt werden kann. Eine prozessual begründete notwendige Streitgenossenschaft, die insbesondere in Fällen der Rechtskrafterstreckung vorliegen kann, liegt nicht vor. Im Falle der notwendigen Streitgenossenschaft aus materiell-rechtlichen Gründen nach§ 62 Abs. 1 2. Alt. ZPO ist die Klage nur eines oder gegen nur einen Streitgenossen mangels Prozessführungsbefugnis unzulässig. Eine notwendige Streitgenossenschaft aus materiell-rechtlichen Gründen ist aber nicht schon deshalb anzunehmen, weil aus Gründen der Logik eine einheitliche Entschei- dung notwendig oder angesichts der Folgeprobleme wünschenswert wäre. So hat der Bundesgerichtshof eine notwendige Streitgenossenschaft unter anderem verneint für die Klage eines Gesellschafters auf Feststellung, dass einer seiner Mitgesellschafter aus der Gesellschaft ausgeschieden ist, für die Klage auf Feststellung der Auflösung einer Partner-schaftsgesellschaft und für die auf die Unwirksamkeit eines Ausschließungsbeschlusses in einer Personengesellschaft gerichtete Feststellungsklage. Die Möglichkeit, dass in getrennt geführten Prozessen des Klägers mit der Beklagten einerseits und den Vertragspartnerinnen andererseits die Wirksamkeit der Vereinbarungen unterschiedlich beurteilt werden könnte, genügt für die Annahme einer notwendigen Streitgenossenschaft nicht (zu Allem: BGH, Urteil vom 25. Juli 2017 – II ZR 235/15 -, Rn. 18- 23, juris).

b)

Die streitgegenständlichen Kauf- und Pachtverträge sind nicht gemäߧ 138 BGB nichtig.

a)

Die Voraussetzungen des § 138 Abs. 2 BGB liegen in Bezug auf die Vertragspartner der Beklagten und die Beklagte selbst ersichtlich nicht vor.

b)

Nach § 138 Abs. 1 BGB ist ein Rechtsgeschäft nichtig, dass gegen die guten Sitten verstößt.

Auch diese Voraussetzungen sind hier nicht festzustellen.

aa)

Die Sondervorschriften der Insolvenz- bzw. Gläubigeranfechtung stehen der Anwendung des § 138 Abs. 1 BGB nicht entgegen. Weist das Rechtsgeschäft besondere und über die bloße objektive Gläubigerbenachteiligung hinausgehende Umstände auf, steht dies einer durch § 138 Abs. 1 BGB vermittelten Nichtigkeit nicht entgegen (BGH, Urteil vom 19. März 1998 – IX ZR 22/97 -, BGHZ 138, 291-311, Rn. 36) . Hierfür genügt es bereits, wenn – wie die Klägerin dies geltend macht – eine Vermögensübertragung mit einem Schädigungsvorsatz einhergeht, wobei es ausreicht, wenn die Vertragspartner mit der Möglichkeit einer Schädigung anderer Gläubiger gerechnet haben und diese Möglichkeit billigend in Kauf genommen haben (BGH, aaO, Rn. 36, 37).

bb)

Ein Rechtsgeschäft ist Sittenwidrig im Sinne von § 138 Abs. 1 BGB, wenn es nach seinem Inhalt oder Gesamtcharakter, der durch umfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu ermitteln ist, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Verstößt das Rechtsgeschäft nicht bereits seinem Inhalt nach gegen die grund-legenden Wertungen der Rechts- oder Sittenordnung, muss ein persönliches Verhalten des Handelnden hinzukommen, das diesem zum Vorwurf gemacht werden kann. Hierfür genügt es im Allgemeinen nicht, dass vertragliche Pflichten verletzt werden. Vielmehr muss eine besondere Verwerflichkeit des Verhaltens hinzutreten, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln oder der zutage tretenden Gesinnung ergeben kann. Bei einem sittenwidrigen Verhalten gegenüber der Allgemeinheit oder Dritten muss das Rechtsgeschäft außerdem objektiv nachteilig für den Dritten sein und die Beteiligten müssen subjektiv Sittenwidrig handeln. Die Sittenwidrigkeit kann darin begründet sein, dass die Beteiligten mit einem Rechtsgeschäft den Zweck verfolgen, in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken schuldrechtliche Ansprüche Dritter zu vereiteln (BGH, Urteil vom 16. Juli 2019-11 ZR 426/17 -, Rn. 24 – 25, juris).

Für die Feststellung eines Verstoßes der Beklagten gegen die Pflichten aus der Teilgewinn-abführungsvereinbarung kommt es zunächst darauf an, welche konkreten Auswirkungen die Kauf- und Pachtverträge auf die Ertragssituation der Beklagten haben (BGH, Urteil vom 16. Juli 2019 – II ZR 426/17, Rn. 28). Denn die Klägerin hat aus der Teilgewinnabführungs-vereinbarung keinen Anspruch gegen die Beklagte, den ursprünglichen Unternehmensgegenstand beizubehalten und ihre Erträge gerade aus landwirtschaftlicher Erwerbstätigkeit zu erzielen. Neben einem Verstoß gegen die der Beklagten aus dem Teilgewinnabführungs-vertrag obliegenden Leistungstreuepflicht hängt die Beurteilung der Sittenwidrigkeit zudem auch von der Frage ab welchen Anteil der Altschulden die Beklagte bei wirtschaftlicher Betrachtung im Hinblick auf die von ihr übernommenen Wirtschaftsgüter zu tragen hat und welcher Anteil angesichts der bisherigen Gewinnabführungen bereits getragen wurde (BGH, Urteil vom 16. Juli 2019 – II ZR 426/17 -. Rn. 28, 29, juris).

cc)

Es lässt sich auf der Grundlage des klägerischen Vortrags nicht feststellen, dass das Verhalten der Beklagten angesichts des Anteiles, den sie bei wirtschaftlicher Betrachtung im Hinblick auf die von ihr übernommenen Wirtschaftsgüter zu tragen hat und des Anteiles, den sie bereits getragen hat, als verwerflich anzusehen ist.

(1)

Wesentlich für die Beurteilung, ob die Beklagte mit den Verkäufen Sittenwidrig gehandelt hat ist nach Auffassung des Senats, dass im Verlauf des vorangegangenen Rechtsstreits zwischen der Klägerin und der Beklagten klargestellt wurde, dass der Beklagten bei der Umstrukturierung der LPG überhaupt kein Vermögen zu Eigentum übertragen wurde, sondern sie nur über Pacht- und Mietverträge ihren Betrieb führte. Sie zahlte hierfür Mieten und Pachten an die Klägerin. Die mit den Kaufverträgen weiterveräußerten Grundstücke musste sie somit aus eigenen Mitteln erworben haben. Insoweit ist es auch nicht möglich, aus einem übertragenen Vermögen und dem Gesamtvermögen der LPG einen Anteil zu errechnen, welchen die Beklagte vom LPG-Vermögen erhalten hat, und daraus einen prozentualen Anteil an den Altschulden zu ermitteln. Es kann entgegen den Vorstellungen der Klägerin auch nicht darauf abgestellt werden, zu welchen Prozentanteilen der Betrieb der ehemaligen LPG von der neuen Gesellschaft weitergeführt worden ist und dabei zu vernach-lässigen, dass sie hierfür neben der Gewinnabführung Gegenleistungen in Form von Miet- und Pachtzahlungen leisten musste.

Die von der Klägerin behaupteten günstigen Konditionen der Pacht-, Unterpachtverträge und Mietverträge stehen einer Eigentumsübertragung nicht gleich. Die Klägerin berück-sichtigen nicht, dass es immer vom Einzelfall abhängig· ist, zu welchen Konditionen solche Verträge abgeschlossen werden können. Zudem war die Vermietung an die neu gegründete ortsansässige Beklagte bereits Grundlage des von der LPG-Versammlung beschlossenen Konzeptes und kein einseitiges Entgegenkommen der Klägerin. Die Klägerin kann deshalb nicht damit gehört werden, dass das Verhalten der Beklagten schon deshalb Sittenwidrig sei, weil der Beklagten ohne die Mitwirkung der Klägerin bei Abschluss der Verträge die Grundlage für die Aufnahme des Betriebes gefehlt hätte und sie deshalb Sittenwidrig handele, wenn sie vor Tilgung der Altschulden ihr Grundeigentum nicht zur Erzielung von Einkünften aus der Landwirtschaft einsetze. Die Gesellschafter haben sich seinerzeit bewusst dafür entschieden, den ehemaligen Betriebsteil G. nicht weiterzubetreiben, sondern ihn im Rahmen der Umstrukturierung von einer der aus den Reihen der ehemaligen Gesell-schafter bestehenden neu gegründeten Gesellschaft über Pacht und Mietverträge bewirtschaften zu lassen, in der Folgezeit wurde dann sukzessive von der Beklagten dort Eigentum erworben. Dadurch hat sich die Klägerin der dort bestehenden Chancen begeben, andererseits aber auch sich der damit verbundenen Arbeit und Risiken entledigt.

Das gilt auch für die Auffassung, es sei zu berücksichtigen, dass die Klägerin das Land auch an Dritte zu höheren Pachtzinsen hätte unterverpachten können und den von ihr bzw. ihrem Geschäftsführer Wilk und Herrn Frank abgeschlossenen zehnjährigen Pachtverträgen mit den Grundstückseigentümern sei ein hoher finanzieller Wert zuzurechnen, welcher der Beklagten bei der Neustrukturierung zu Gute gekommen sei. Selbst wenn die Klägerin darauf verzichtet haben sollte, aus der Vermietung und Verpachtung Gewinne zu erzielen, steht dies einer Übertragung von Vermögen nicht gleich. Die Fortführung des Geschäftsbe-triebes durch die von den Parteien als „ Betreibergesellschaften“ bezeichneten neuen Gesellschaften war Grundlage des ursprünglichen LPG-Beschlusses und an ihnen konnten sich die alten LPG-Mitglieder beteiligen.

Eine Sittenwidrigkeit der Verkäufe und Verpachtungen kann nicht bereits daraus hergeleitet werden, dass nach Auffassung der Klägerin von sonstigen Dritten weit höhere Preise hätten erzielt werden können. Ein Sachverständigengutachten zu dieser Behauptung ist deswegen nicht einzuholen. Eine sittliche Verpflichtung, ihr selbst erwirtschaftetes Eigentum einer Auktion zuzuführen und zu Höchstpreisen an Interessenten zu verkaufen, bestand nicht. Verkauf und Verpachtungen sind für die Klägerin insofern nachteilig, als nunmehr auf diesen Flächen nicht mehr die teilgewinnabführungspflichtige Beklagte selbst die Landwirtschaft betreibt und aus der Bewirtschaftung dieser Flächen und den damit verbundenen staatlichen Zuwendungen Einkünfte erzielt. Dementsprechend hatte die Klägerin im vorangegangenen Rechtsstreit den Verkauf weiterer Grundstücke deshalb angegriffen, weil dadurch ihre Rechte aus der Teilgewinnabführungsverpflichtung verletzt würden. Dies reicht aber nach der Entscheidung des BGH nicht aus, um eine Sittenwidrigkeit zu begründen.

Soweit die Klägerin eine Sittenwidrigkeit daraus herleiten will, dass bei den Kaufverträgen Gesellschafter bzw. Aktionäre der Beklagten benachteiligt worden seien, ist dies im Verhältnis der Parteien irrelevant. Die Klägerin hat nicht die Rechte der Gesellschafter/ Aktionäre innerhalb der Beklagten zu wahren. Die Rechtsprechung des Bundesgerichts-hofes, dass ein wucherähnliches Geschäft vorliege, wenn der Verkehrswert um 90 % unter-schritten werde und dies den Schluss auf eine verwerfliche Gesinnung des Begünstigten zulasse, soll den benachteiligten Vertragspartner schützen und kann deshalb nicht angewendet werden, wenn der Verkäufer selbst geschäftserfahren ist und in Kenntnis des heiß umkämpften Marktes für landwirtschaftliche Flächen diese Vertragsgestaltung selbst wählt.

Bei der erforderlichen Gesamtbetrachtung ist schließlich zu berücksichtigen, dass die Beklagte und die anderen Betreibergesellschaften nicht unerhebliche Gelder an die Klägerin gezahlt haben, die ebenso wie die Mietzahlungen für Gebäude und Technik und Veräußer-ungserlöse aus dem Verkauf ehemaligen LPG-Vermögens nicht in die Rückführung der Altschulden geflossen sind. Es wurde von der Klägerin lediglich die jährliche Verwaltungs-pauschale gezahlt. Weiter ist zu berücksichtigen, dass durch die vertraglichen Gestaltungen auch seinerzeit nicht sichergestellt. worden ist, dass die Zahlungen aus den Teilgewinnab-führungsverträgen der von den Parteien als „Betreibergesellschaften“ genannten Gesell- schaften zur Tilgung von Altschulden eingesetzt werden. Es ist auch keine Obergrenze vereinbart worden, bis zu welchem Betrag sie sich an den Altschulden beteiligen sollen. Die Klägerin ist gegenüber der Bank nicht zur Tilgung von Altschulden verpflichtet, solange sie Jahresfehlbeträge erwirtschaftet. Auf die Geschäftsführung der Klägerin und die Verwendung der abgeführten Gelder im Betrieb der Klägerin hat die Beklagte keinerlei Einfluss. Auch die Teilgewinnabführungen der anderen Gesellschaften und die Verwendung dieser Gelder im Betrieb der Klägerin kann sie nicht beeinflussen. Unter Berücksichtigung all dieser Umstände kommt einem Vertragsverstoß gegen die Gewinnabführungsverpflichtung nicht die Qualität einer sittenwidrigen Handlung zu. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Klägerin es verschuldet hat, dass sie keine Gewinne erzielt hat, oder ob sie die Zahlungen zur Altschuldentilgung hätte einsetzen können.

An dieser Rechtsauffassung, die er Senat bereits seinem Urteil vom 25.08.2021 (2 U89/17) zu Grunde gelegt hat, hält der Senat auch angesichts des im vorliegenden Verfahren neuerlich gehaltenen Vortrags fest. Da die Nichtzulassungsbeschwerde gegen dieses Urteil zurückgewiesen wurde (Beschluss des BGH vom 24. Mai 2022 – II ZR 154/21), erkennt der Senat auch keinen Anhaltspunkt dafür, die vorangegangene Entscheidung des BGH falsch interpretiert zu haben.

(2)

Selbst dann, wenn man entgegen der Auffassung des Senats in die wirtschaftliche Betrachtung des von der Beklagten zu tragenden Anteils an den Altschulden die an die Beklagte verkauften, vermieteten und verpachteten Wirtschaftsgüter einbezieht, kommt man nach den Umständen des Falles nicht zur Feststellung der Sittenwidrigkeit des Handelns der Beklagten.

(2.1)

Die Altschulden, die von der Klägerin zu bedienen blieben, belaufen sich unstreitig auf umgerechnet 6.081.794,28 Euro.

(2.2)

Bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise und unter Zugrundelegung des – im Einzelnen streitigen – Vortrages der Klägerin beläuft sich der von der Beklagten zu tragende Anteil auf 12,5% der Altschulden, mithin 760.224,28 Euro. Die Pachtflächen sind in diese Betrachtungsweise nicht einzubeziehen. Denn zu Recht macht die Beklagte insoweit geltend, dass diese Flächen weder für die LPG noch für die Klägerin eine gesicherte Rechtsposition darstellten, weil nach der Wiedervereinigung kein Recht zum Besitz mehr bestand und die Pachtverträge vielmehr neu ausgehandelt werden mussten. Der Wert der landwirtschaftlichen Nutzflächen konnte daher bilanziell nicht aktiviert und den Schulden gegenübergestellt werden und die Klägerin konnte den Wert dieser Flächen nicht realisieren und zur Altschuldentilgung einsetzen.

(2.3)

Bei der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise ist nicht nur auf die Zahlungen abzustellen, die die Klägerin von der Beklagten durch Gewinnabführungen erhielt – unstreitig 138.675,75 Euro -, sondern auch auf die weiteren Zahlungen, die die Beklagte als Kaufpreis, Miete und Pacht an die Klägerin zahlte und die die Beklagte im Schriftsatz vom 19.09.2022 auf Seiten 47, 49 – 54 )Blatt 1076 -1082 d.A.) dargestellt hat.

Die Beklagte macht insoweit zu Recht geltend, dass die Klägerin die Altschulden aus jedweder Einnahme zu bedienen hatte, nicht nur aus den im Rahmen der Teilgewinnab- führungsvereinbarungen mit den Betreibergesellschaften erlangten Zahlungen. Die Teilgewinnabführungsvereinbarung und deren Zusammenhang mit der Rangrücktritts-vereinbarung, welche die Klägerin mit der DG Bank am 05.10.1992/23.07.1993 schloss, war bereits Gegenstand der Entscheidung des Senats vom 16.05.2018 (2 U 79/15). Es kann daher zunächst auf die den Parteien bekannten Feststellungen zum Abschluss der Rangrücktrittsvereinbarung und der Teilgewinnabführungsvereinbarung auf Seiten 3 und 4 sowie zum Inhalt der Rangrücktrittsvereinbarung auf Seite 55 dieses Urteils Bezug genom-men werden. Wesentlich ist nach Auffassung des Senats, dass nach dem Inhalt der Rangrücktrittsvereinbarung die Klägerin – bei der auch nach ihrem eigenen Vortrag kaum operative Aufgaben verblieben – sich verpflichtete, die Altschulden zurückzuführen. Nach Ziffer 8 der Rangrücktrittsvereinbarung hat die Klägerin eine Verwaltungskostenpauschale an die Bank zu zahlen. Nach Ziffer 6 berechnet sich, welcher Teil geleisteter Zahlungen zur Zinstilgung verwendet wird und welcher Teil der Schuldentilgung dient. Nach Ziffer 1 sind Kapitalforderung und Zinsen nur aus dem Jahresüberschuss der Klägerin zu bedienen. Nach Ziffer 2d) sind für die Berechnung Gewinne und Verluste der Vermögensverwaltungs- und der Betreiberunternehmen zusammenzufassen. Nach dem Inhalt der Rangrücktrittsvereinbarung war die Verpflichtung der Klägerin zur Tilgung der Altschulden auf eine Zahlung aus Jahresüberschüssen, Liquidationsüberschüssen oder Erlösen aus dem Verkauf betrieblich nicht benötigter Anlagegüter beschränkt. Die Klägerin war daher in dem Umfang zur Tilgung verpflichtet, in dem solche Überschüsse oder Erlöse erzielt wurden.

Bei Berücksichtigung dieser weiteren Zahlungen im Verhältnis zum oben dargestellten wirtschaftlich anzunehmenden Anteil der Beklagten an den Altschulden ergibt sich eine derartige Zahlungsleistung der Beklagten, dass ihr streitgegenständliches Verhalten nach den obengenannten Vorgaben des BGH nicht als Sittenwidrig anzusehen ist.

4.

Die Verträge sind nicht wegen des Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot gemäß §

134 BGB iVm § 266 StGB nichtig.

a)

Verbote im Sinne des § 134 BGB sind Vorschriften, die eine nach unserer Rechtsordnung grundsätzlich mögliche rechtsgeschäftliche Regelung wegen ihres Inhalts oder wegen der Umstände ihres Zustandekommens untersagen (Grüneberg – Ellenberger, aaO, § 134 BGB, Rn. 5). Strafvorschriften sind nach allgemeiner Meinung zwar nicht ausnahmslos, aber im Zweifel Verbotsgesetze im Sinne des§ 134 BGB. Maßgebend für die Annahme des Verbots-charakters sind in jedem Fall Sinn und Zweck des Gesetzes (BGH, Urteil vom 10. Juli 1991 -VIII ZR 296/90-, BGHZ 115, 123-131, Rn. 20). Allerdings hat der Verstoß gegen ein Verbots-gesetz in der Regel die Nichtigkeit eines Rechtsgeschäfts nur dann zur Folge, wenn sich das Verbot gegen beide Seiten richtet. Einseitige Verbote führen nur ausnahmsweise zur Nichtigkeit des Rechtsgeschäftes, nämlich dann, wenn es mit dem Zweck des Verbots-gesetzes unvereinbar wäre, die durch das Rechtsgeschäft getroffene rechtliche Regelung hinzunehmen und bestehen zu lassen (BGH, Urteil vom 10. Juli 1991-VIII ZR 296/90-, BGHZ 115, 123-131, Rn. 21). Dies kann sich u.a. aus dem angestrebten Schutz Dritter ergeben (Arnold·in: Erman BGB, 16.A., § 134, Rn. 17). § 266 StGB bezweckt den Schutz des Vermögens (Schönke/Schröder/Perron, 30. Aufl. 2019, StGB § 266 Rn. 1 ); der Schutz des Vermögens bedingt auch die zivilrechtliche Nichtigkeit der Untreuehandlungen. Bei Verträgen, die das Untreueverbot des § 266 StGB verletzen, kommt es darauf an, ob ein einseitiger oder beidseitiger Verstoß vorliegt. Bezwecken beide Parteien mit dem Vertrag Untreue gegenüber einem Dritten, so ist der Vertrag nach § 134 BGB nichtig. Wenn dagegen nur einer der beiden Vertragspartner mit dem Abschluss eines Vertrags gegenüber einem Dritten. Untreue begeht und der andere Vertragspartner nichts davon weiß, ergreift die Nichtigkeitsfolge des§ 134 BGB weder das Kausalgeschäft noch das Erfüllungsgeschäft (Staudinger/Fischinger/Hengstberger (2021) BGB § 134, Rn. 453). Nach dem – streitigen – Vortrag der Klägerin sollen die Vertreter der Vertragspartnerinnen an der Untreuehandlung teilgenommen haben, so dass eine Nichtigkeit der Verträge in Betracht kommt.

b)

Die Erfüllung des Tatbestandes des § 266 Abs. 1 StGB scheitert aber daran, dass die Gesellschafter der Beklagten In ihrer großen Mehrheit (unter Berücksichtigung der Gegenstimmen des Herrn Dr. Wilk mit einer Mehrheit von 97,30%) den Vertragsabschlüssen zustimmten, wie sich an der Beschlussfassung über die Genehmigung der Verträge in der Gesellschafterversammlung am 29.12.2014 zeigt (Anlage B 1, Blatt 200ff. d .A. ).

Der Untreuetatbestand bezweckt allein den Schutz des Vermögens, das der Pflichtige zu betreuen hat. Dieser verletzt seine Pflicht dementsprechend nicht, wenn sein Vorgehen im Einverständnis des Vermögensinhabers erfolgt. Handelt es sich um das Vermögen einer GmbH, fehlt es infolgedessen grundsätzlich an der Pflichtwidrigkeit, wenn sich die  Gesellschafter mit dem Vorgehen des Pflichtigen einverstanden erklärt haben. Allerdings ist es im Hinblick auf die eigene Rechtspersönlichkeit der GmbH(§ 13 Abs. 1 GmbHG) anerkannt, dass eine Strafbarkeit wegen Untreue in Betracht kommt, wenn die Zustimmung der Gesellschafter zu einem Rechtsgeschäft der GmbH gegenüber treuwidrig und somit wirkungslos ist. Da jedoch die Gesellschafter nach der gesetzlichen Konzeption grundsätzlich frei sind, über das Gesellschaftsvermögen zu verfügen, hat der Bundesgerichtshof den erweiterten Anwendungsbereich unwirksamer Zustimmungen auf Handlungen des Pflichtigen beschränkt, die die wirtschaftliche Existenz der GmbH gefährden und dies schließlich dahingehend präzisiert, dass die Gesellschafter über das Gesellschaftsvermögen nicht verfügen dürfen, wenn dadurch eine konkrete Existenzgefährdung für die Gesellschaft entsteht, insbesondere durch eine Gefährdung des Stammkapitals (BGH, Urteil vom 20. Juli 1999 -1 StR 668/98 -, Rn. 12 -16, juris). Auch nach der Rechtsprechung des 2. Zivilsenats des BGH schulden die Gesellschafter einer GmbH dieser grundsätzlich weder wegen Treuepflichtverletzung noch unter dem Gesichtspunkt der unerlaubten Handlung Schadensersatz, wenn sie ihr einvernehmlich handelnd Vermögen entziehen, das zur Deckung des Stammkapitals nicht benötigt wird; unter diesen Voraussetzungen haftet auch der Geschäftsführer, der eine Weisung der GesellschafterBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Gesellschafter
Weisung
Weisung der Gesellschafter
befolgt oder selbst alleiniger Gesellschafter ist, nicht (BGH, Urteil vom 21. Juni 1999 – II ZR 47/98-, BGHZ 142, 92-96, Rn. 11 ). Für eine konkrete Existenzgefährdung als Folge der streitgegenständlichen Vertragsab-schlüsse ergibt sich aus dem Vortrag der Parteien nichts; die vorgelegten Jahresabschlüsse zeigen vielmehr, dass das Stammkapital auch nach dem Abschluss der Verträge erhalten und die Beklagte auch nach dem Abschluss der streitgegenständlichen Verträge lebensfähig und in der Lage blieb, ihre Verbindlichkeiten zu erfüllen.

4.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Untersagung des Vollzuges der Pachtverträge vom 02.01.2014 in Gestalt einer Überlassung des Gebrauchs und des Fruchtgenusses gemäß Ziffern 3 und 4 des angefochtenen Urteils.

Unstreitig schloss die Beklagte am 02.01.2014, wie in der Einladung zur Gesellschafterversammlung am 29.12.2014 (Anlage K21, Teil 111, Ziffer 7, 9) aufgeführt, mündliche Unterpachtverträge über Pachtflächen in den Gemarkungen G., K., N. und M. mit der Landgut U. GmbH und der Agrarprodukte G. GmbH. Die Klägerin hat nicht bestritten, dass die Beklagte den Pächterinnen den Besitz an den Pachtflächen im Januar 2014 einräumte und die Pächterinnen die Flächen seitdem bewirtschafteten. Damit wurde der Gebrauch und Fruchtgenuss bereits überlassen, so dass nunmehr ein actus contrarius erforderlich wäre – Kündigung der Verträge und Entzug des Gebrauches – welcher auch als solcher zum Gegenstand der Klage zu machen gewesen wäre. Wie unter Ziffer 3. ausgeführt, sind die Pachtver-träge nicht nichtig. Solange die Pachtverträge in Geltung sind, ist es der Beklagten rechtlich unmöglich, den Pächterinnen den vertragsgemäßen Gebrauch zu entziehen.

5.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Feststellung, dass die Beklagte ihr sämtlichen Schaden zu ersetzen hat, welcher ihr im Zusammenhang mit dem Abschluss und der Durchführung der streitgegenständlichen von der Beklagten mit der Landgut und der Agrarprodukte abgeschlossenen Verträge entstanden ist oder noch entstehen wird, denn die Beklagte hat Verjährung eingewendet und ist gemäß § 214 Abs. 1 BGB berechtigt. die Leistung zu verweigern.

a)

Das Recht, von einem anderen ein Tun oder Unterlassen zu verlangen, unterliegt der Verjährung (§ 194 Abs. 1 BGB). Auf sämtliche hier zu behandelnden Ansprüche findet die regelmäßige Verjährungsfrist des§ 195 BGB Anwendung. Die Verjährungsfrist beträgt daher 3 Jahre.

b)

Der Lauf der Verjährungsfrist begann nach Auffassung des Senats mit dem Ablauf des 31.12.2014, spätestens aber mit dem Ablauf des 31.12.2015.

Nach §199 Abs. 1 BGB beginnt die regelmäßige Verjährungsfrist mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den, den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit Kenntnis erlangen müsste.

Der Anspruch entstand, den Vortrag der Klägerin zu Grunde gelegt, im Jahre 2014. Der Schadensersatzanspruch soll nach dem Vortrag der Klägerin darauf beruhen, dass die Beklagte zu ihrer „kalten Liquidation“ Wirtschaftsgüter veräußerte, die sie zur Führung ihres landwirtschaftlichen Betriebes benötigte und sich damit der notwendigen Mittel begab, um ihre Pflichten aus der Teilgewinnabführungsvereinbarung mit der Klägerin zu erfüllen. Der Schadensersatzanspruch entstand daher schon mit dem Abschluss der streitgegenständ-lichen Verträge zwischen dem 02.01.2014 und dem 06.06.2014. Denn die Klägerin macht geltend, dass die Beklagte mit den Verträgen ihre Grundstücke, nahezu ihr gesamtes Anlagevermögen und nahezu den gesamten Bestand der Zahlungsansprüche, die der Beklagten zugewiesen waren, veräußert und mit den Pachtverträgen den gesamten von der Beklagten selbst gepachteten Bestand an landwirtschaftlichen Flächen verpachtet habe, um sich der Möglichkeit zu begeben, weiter Gewinne zu erwirtschaften und sich damit ihren Pflichten aus der Teilgewinnabführungsvereinbarung zu entziehen. Nach dem Grundsatz der Schadenseinheit gilt der gesamte Schaden, der auf einem bestimmten einheitlichen Verhalten beruht, bereits mit der ersten Vermögenseinbuße als eingetreten, sofern mit den einzelnen Schadensfolgen bereits beim Auftreten des ersten Schadens gerechnet werden konnte (BGH, Urteil vom 8. November 2016- VI ZR 200/15 -, Rn.12,juris).

Die Klägerin erlangte von den, den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners – hier der Beklagten – noch im Jahre 2014 Kenntnis.

Maßgeblich ist die Kenntnis von den Vertragsabschlüssen, da sich die negativen Auswir-kungen auf die Fähigkeit der Beklagten, Gewinne zu erwirtschaften und daraus ihren Pflichten zur Teilgewinnabführung nachzukommen, nach dem Vortrag der Klägerin bereits aus der Tatsache ergeben sollen, dass die Beklagte sich mit den Verträgen schon durch die Veräußerung und Verpachtung ihrer Wirtschaftsgüter der erforderlichen Mittel begab, um weiterhin Gewinne zu erwirtschaften. Zur Hemmung der VerjährungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Hemmung
Hemmung der Verjährung
Verjährung
war die Erhebung einer Leistungs- oder Feststellungsklage erforderlich. Dem Geschädigten ist in aller Regel zuzu-muten, sich schon aufgrund der Kenntnis von der haftungsbegründenden (Erst-) Schädigung durch eine Feststellungsklage bezüglich aller weiteren Schadensfolgen gegen Verjährung zu sichern (BGH, Urteil vom 8. November 2016 -VI ZR 200/15-, Rn. 15, juris).

Von den Vertragsabschlüssen erlangte die Klägerin im Jahre 2014 Kenntnis. Der Klägerin ist die Kenntnis des Geschäftsführers der persönlich haftenden Gesellschafterin, Herrn Dr. W., zuzurechnen. Dessen Kenntnis von den streitgegenständlichen Kaufverträgen seit der 37. Kalenderwoche 2014 (dem 08.09.2014 – 14.09.2014) ergibt sich aus der in Anlage BK 2 vorgelegten eidesstattlichen Versicherung vom 29.09.2014 (dort Ziffer X.) und die Kenntnis der Weiteren aus der Einladung vom 09.12.2014 (Anlage K21), die Herr Dr. W. am 09.12.2014 erhielt.

Noch im Jahre 2014, spätestens aber im Jahre 2015 war es für die Klägerin zumutbar, zumindest eine Klage auf Feststellung der Verpflichtung der Beklagten zur Leistung von Schadensersatz zu erheben. Jedenfalls aus der Klageschrift im hiesigen Verfahren vom 16.02.2015 ergeben sich bereits die Argumente und die Auffassung der Klägerin zur Verletzung der Teilgewinnabführungsvereinbarung und sittenwidrigen Schädigung durch die Vertragsabschlüsse, die auch dem später im Laufe des Verfahrens erhobenen Feststellungs-antrag zu Grunde liegen.

c)

Die Verjährung wurde gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB durch die Zustellung des Schriftsatzes vom 30.12.2017 (Blatt 634 d.A.) mit Rückwirkung auf den 31.12.2017 gehemmt.

Die Verjährung wurde nicht schon durch die Zustellung der Klageschrift vom 16.02.2015 und auch nicht durch die Klageerweiterung durch die Stellung der Anträge auf Feststellung der Nichtigkeit von Kaufverträgen und Pachtverträgen und der Verfügungsgeschäfte in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht am 20.10.2016 (Blatt 453 d.A.) gehemmt.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs unterbricht die Erhebung der Klage die Verjährung nur für Ansprüche in der Gestalt und in dem Umfang, wie sie mit der Klage geltend gemacht werden, also nur für den streitgegenständlichen prozessualen Anspruch (BGH, Urteil vom 4. Mai 2005 – VIII ZR 93/04 -, Rn. 15, juris). Maßgebend ist damit der den prozessualen Leistungsanspruch bildende Streitgegenstand, der bestimmt wird durch den Klageantrag, in dem sich die vom Kläger begehrte Rechtsfolge konkretisiert, und den Lebenssachverhalt, aus dem die begehrte Rechtsfolge hergeleitet wird (BGH, Urteil vom 20. Januar 2016-VIII ZR 77/15 -, Rn. 19, jurls). Die Klage auf Untersagung des Abschlusses und der Vollziehung von Verträgen und auf Feststellung der Nichtigkeit von Verträgen und Verfügungsgeschäften hat ein anderes Rechtsschutzziel und einen anderen Gegenstand als eine Klage auf Schadensersatz. Die Regelung des § 213 BGB führt zu keiner anderen Beurteilung. Zwar erstreckt diese Bestimmung eine Hemmung der VerjährungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Hemmung
Hemmung der Verjährung
Verjährung
auf Ansprüche, die aus demselben Grund wahlweise neben dem Anspruch oder an seiner Stelle gegeben sind (BGH, Urteil vom 20. Januar 2016 – VIII ZR 77/15 -, Rn. 20, juris). Der weitere Anspruch muss aber wahlweise oder an Stelle des Erstanspruches gegeben sein, und sich daher auf das gleiche Interesse richten (Grüneberg – Ellenberger, aaO, § 213 BGB, Rn. 3). Dies ist hier nicht der Fall.

Der Schriftsatz vom 30.12.2017 wurde per Fax am 31.12.2017 anhängig (Blatt 668 d.A.) und der Beklagten am 31.01.2018 zugestellt (Blatt 667c d.A.). Die Zustellung wirkt gemäß § 167 ZPO auf den Zeitpunkt der Anhängigkeit zurück, weil der Zeitablauf zwischen Anhängigkeit und Zustellung nicht auf dem Verhalten der Klägerin beruht.

d)

Die Verjährung vollendete aber im Verlaufe des Rechtsstreites.

Mit Beschluss des Senats vom 19.06.2019 wurde das Verfahren bis zu einer Entscheidung des BGH im Verfahren II ZR 175/18 ausgesetzt (BI. 983 – 986 d.A. ). Die Entscheidung des BGH erging durch Urteil am 16.07.2019. An diesem Tag endete die Aussetzung ohne Weiteres (Zöller – Greger, ZPO, 34. A., § 148 ZPO, Rn. 8; BGH, Urteil vom 24. Januar 1989 -XI ZR 75/88-, BGHZ 106, 295-300, Rn. 10). Gemäߧ 204 Abs. 2 Satz 1, Satz 3 BGB endete die Hemmung, da zunächst keine der Parteien das Verfahren weiter betrieb, 6 Monate später, also mit dem 16.01.2020 (Zöller – Greger, aaO, § 148 ZPO, Rn. 8; Grüneberg – Ellenberger, aaO, § 204 BGB, Rn. 48). Frühestens mit dem Antrag der Beklagten auf Akteneinsicht am 18.10.2021 (BI. 988 d.A.) wurde das Verfahren dann weiter betrieben.

Gemäß § 209 BGB wird der Zeitraum, während dessen die Verjährung gehemmt ist, in die Verjährungsfrist nicht eingerechnet. Der Zeitablauf vom 17.01.2020 bis zum 17.10.2021 führte zur Vollendung der Verjährung. Dies gilt auch dann, wenn man von einem Beginn der Verjährung mit Ablauf des 31.12.2015 ausgeht, denn in diesem Falle waren von der Verjährungsfrist 2 Jahre bereits abgelaufen und noch 1 Jahr übrig. Die Verjährung vollendete daher mit dem Ablauf des 17.01.2021.

6.

Die Kostenentscheidung beruht auf§§ 97 Abs. 1, 91. Abs. 1 ZPO und die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf§§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da es sich um die Entscheidung eines Einzelfalles ohne grundsätzliche Bedeutung handelt und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichtes erfordert, § 543 Abs. 2 ZPO.

Löffler I www.K1.de I www.gesellschaftsrechtskanzlei.com I Gesellschaftsrecht I GmbH-Recht I Gesellschafterstreit I Erfurt I Thüringen I Sachsen I Sachsen-Anhalt I Hessen I Deutschland 2023

Schlagworte: Sittenwidrigkeit

Veröffentlicht in Thüringer OLG (Jena) | Kommentare geschlossen

OLG Jena, Urteil vom 22.03.2023 – 2 U 948/21

Mittwoch, 22. März 2023

Einziehung eigener AktienBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Aktien
Einziehung
Einziehung eigener Aktien
nach § 237 AktG

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Mühlhausen vom 04.08.2021, Az. HK O 28/19, wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Mühlhausen ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Der zwischenzeitlich verstorbene R. und W. haben zwei Beschlüsse der Hauptversammlung der Beklagten vom 04.06.2019 angegriffen. Mit dem angefochtenen Urteil hat das Landgericht die Klage des W. abgewiesen. Auf die Klage des R. hat es die angegriffenen Beschlüsse insoweit als nichtig erklärt, als jeweils 580 Aktien mit den Aktiennummern 21471 bis 22050 betroffen waren und die weitergehende Klage abgewiesen. Es wird gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO ergänzend auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen.

Herr W. hat gegen die Abweisung seiner Klage keine Berufung eingelegt und ist daher im Berufungsverfahren nicht Partei. R. verstarb am 01.12.2021 und wurde von seinem Bruder R. beerbt. Dieser trat die Aktien an T.R. und an T.R. ab.

Mit ihrer Berufung trägt die Beklagte vor,

es werde der Mangel der Vollmacht des Klägervertreters gerügt, da es nach dem Kenntnisstand der Beklagten keinen Kontakt zwischen dem Klägervertreter und den Rechtsnachfolgern des verstorbenen R. gegeben habe.

Ein rechtliches Interesse der Rechtsnachfolger an der Fortführung des Rechtsstreites sei nicht zu erkennen, da die Klage nur im Interesse des W. geführt werde. Die Rechtsstellung der Rechtsnachfolger der verstorbenen R. verbessere sich sogar durch den streitgegenständlichen Beschluss.

Der Rechtsstreit sei auszusetzen bis zur Rechtskraft der Entscheidung im Parallelverfahren.

Die Klage sei rechtsmissbräuchlich, da der Kläger lediglich für den nicht anfechtungsbefugten

W. als Strohmann handele und ohne Eigeninteresse zur Klageerhebung instrumentalisiert werde.

Der Berufungsbeklagte habe keinen wirksamen Widerspruch zu Protokoll der Hauptversammlung erklärt, da er nur rechtliche Bedenken geäußert und sich die Äußerung auch nicht ausdrücklich gegen alle Beschlüsse gerichtet habe. Die Anmeldung rechtlicher Bedenken reiche nicht aus. Zudem sei unklar, gegen welchen Beschluss sich der angebliche Widerspruch richten solle, da es an einer eindeutigen Zuordnung fehle.

Die Rechtsgrundlage für die Einziehung der eigenen Aktien sei in § 237 AktG zu finden. Lediglich argumentativ bekräftigend sei darauf hingewiesen worden, dass die Beklagte neben der Einziehungsmöglichkeit nach § 237 AktG nach § 71 c Abs. 3 AktG auch zur Einziehung gesetzlich verpflichtet sei. Wegen der Rechtsfolgenverweisung bleibe aber auch hier § 237 AktG die alleinige Rechtsgrundlage für die Einziehung. Das Landgericht habe die rechtliche Systematik verkannt, wonach § 237 AktG die Einziehung eigener AktienBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Aktien
Einziehung
Einziehung eigener Aktien
jederzeit zulasse, wohingegen § 71 c Abs. 3 AktG unter bestimmten Voraussetzungen eine Einziehungspflicht anordne.

Die Einziehung setze kein derivatives Erwerbsgeschäft voraus. Unabhängig von der Herkunft

oder der Art des Erwerbs gefährde das nachfolgende Halten der eigenen Anteile die Kapitalerhaltung und ermächtige die Gesellschaft nach § 237 AktG bzw. verpflichte sie nach § 71c Abs. 3 AktG zur Einziehung der eigenen Anteile. Auf andere Formen der Erlangung eigener Aktien ohne derivatives Erwerbsgeschäft seien diese Normen analog anzuwenden.

Die Beklagte habe die Aktien aber auch im Sinne des § 237 AktG erworben. Der Erwerbsbegriff sei weit auszulegen. Es sei darunter jede Rechtshandlung zu verstehen, die darauf gerichtet ist, die Gesellschaft zumindest vorübergehend zur (Mit)inhaberin eigener Aktien zu machen. Dies umfasse – wie vorliegend geschehen – die Einziehung und Revalorisierung. Die Beklagte sei im Einziehungszeitpunkt formell und materiell dingliche Inhaberin der Aktien gewesen.

Zudem sei die Beklagte analog § 71 c Abs. 3 AktG zur Einziehung der Aktien verpflichtet gewesen. Die eigenen Anteile seien zwar von der GmbH vor dem Formwechsel ohne Verstoß gegen § 33 GmbHG erworben worden, unter dem Regime des Aktienrechts hätte jedoch für den gleichen Erwerb das Erwerbsverbot des § 71 Abs. 1 AktG eingegriffen. Um zu verhindern, dass in solchen Fallkonstellationen das Erwerbsverbot umgangen werde, sei ab Wirksamkeit des Formwechsels zwingend eine Veräußerungspflicht analog § 71 c Abs. 3 AktG anzunehmen.

Die Beklagte und Berufungsklägerin beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichtes Mühlhausen vom 04.08.2021, Az. HK O 28/19, die Klage abzuweisen.

Der Kläger und Berufungsbeklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen,

hilfsweise,

dem Kläger und Berufungsbeklagten die beschränkte Erbenhaftung vorzubehalten.

Der Berufungsbeklagte trägt vor,

die Abtretung der Aktien durch den Erben des verstorbenen R. habe gemäß § 265 Abs. 2 Satz 1 ZPO keinen Einfluss auf das vorliegende Verfahren. Das rechtliche Interesse an der Fortführung des Rechtsstreites sei gegeben. Mit kompensationslosen Verlagerungen der Wirtschaftsgüter der Beklagten im Jahre 2014 auf die Parallelgesellschaften L. GmbH und A.  GmbH, an denen die Kläger im Unterschied zu den übrigen Gesellschaftern nicht beteiligt worden seien, solle die Beklagte kalt liquidiert werden, welche als leere Hülle zurückbleibe, wohingegen sie ohne diese Verlagerungen einen Wert von 4,5 Mio. Euro aufweisen würde.

Das Vorgehen der Beklagten sei rechtsmissbräuchlich und diene allein dazu, Herrn W. von der Inanspruchnahme seiner Gesellschafterrechte abzuhalten.

Der Berufungsbeklagte sei anfechtungsbefugt und seine Klage nicht rechtsmissbräuchlich. Herr Rechtsanwalt S. habe für Herrn R. in zulässiger Weise vor der Abstimmung gegen die Beschlussfassung Widerspruch erklärt.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht sei umfassend erörtert worden,

dass sich. eine Rechtsgrundlage für die Einziehung weder aus § 71 c Abs. 3 AktG noch aus § 237 AktG ergebe. Einen Erwerb eigener Anteile habe es weder vor noch nach der Umwandlung der Beklagten in eine Aktiengesellschaft gegeben. Der Beschluss vom 29.12.2014 über die Einziehung der Geschäftsanteile, dessen Neubildung und Übernahme durch die Beklagte sei rechtswidrig. Das Gesetz trenne eindeutig zwischen Erwerb und Zwangseinziehung.

Ergänzend wird auf die zwischen den Parteien im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die Berufung ist unbegründet. Die streitgegenständlichen Beschlüsse sind anfechtbar, weil die Voraussetzungen für die Einziehung eigener AktienBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Aktien
Einziehung
Einziehung eigener Aktien
nach § 237 AktG nicht vorliegen. Die Aussetzung des Rechtsstreites bis zur Rechtskraft der Entscheidung im Verfahren 2 U 492/17 ist nicht erforderlich.

1.

R. ist am 01.12.2021 verstorben, nach Zustellung der Berufung, welche am 24.11.2021 erfolgte (Blatt 308a, b der Akte). Da er durch einen Rechtsanwalt im Verfahren vertreten worden ist, greift § 246 Abs. 1 ZPO ein und ist das Verfahren nicht unterbrochen. Keine der Parteien hat einen Antrag auf Aussetzung des Verfahrens gestellt.

Die Beklagte hat gerügt, dass der Klägervertreter keine Vollmacht für die Durchführung des Berufungsverfahrens habe, was nach § 80 Abs. 1 ZPO in jeder Lage des Rechtsstreits zulässig ist. Der Senat hat sich in der mündlichen Verhandlung am 01.02.2023 die Prozessvollmacht vorlegen lassen und festgestellt, dass M.R., der Erbe des verstorbenen R., dem Klägervertreter am 17.01.2022 die Vollmacht für das Berufungsverfahren erteilte (BI. 373 der Akte).

2 ..

Das Landgericht hat die angefochtenen Beschlüsse zutreffend für nichtig erklärt.

a)

Der verstorbene R. war als Aktionär der Beklagten (UA LG Seite 4) gemäß § 245 Nr. 1 AktG zur Anfechtung der Beschlüsse befugt. Er war, vertreten durch RA S. (UA LG Seite 4, s.a. Anlage 1 zur Niederschrift über die Hauptversammlung, Anlage B2, Blatt 128 der Akte), in der Hauptversammlung erschienen. Hierfür ist ein persönliches Erscheinen nicht erforderlich, offene Stellvertretung ist ausreichend (Koch, AktG, 17. A., § 245 AktG, Rn. 12).

b)

RA S. erklärte für den verstorbenen R. in wirksamer Weise gegen die beiden Beschlüsse Widerspruch zur Niederschrift. RA S. erklärte einen Widerspruch zur Niederschrift (UA LG Seite 5, vgl. a. Anlage B2, Blatt 127 der Akte). Schon aus der Niederschrift ergibt sich, dass RA S. in aller Deutlichkeit einen Widerspruch gegen die Beschlussfassung erklärte und nicht lediglich rechtliche Bedenken anmeldete. Die Bezugnahme auf „materiell-rechtliche Bedenken“ diente lediglich zur – nicht erforderlichen (Koch, aaO, § 245 AktG, Rn. 14) – Begründung des Widerspruchs. Die Erklärung des Widerspruchs ist schon vor Beschlussfassung zulässig und wirksam (BGH, Beschluss vom 11. Juni 2007 – II ZR 152/06-, Rn. 6, juris).

Ein genereller Widerspruch ist ebenfalls möglich; der Aktionär muss aber deutlich machen,

dass sich der Widerspruch gegen sämtliche Beschlüsse richtet (Hüffer/Koch, aaO, § 245 AktG, Rn. 14 ). Dies ist hier geschehen. Schon aus der niedergeschriebenen Formulierung des Widerspruchs ergibt sich, dass er vor der Abstimmung aus materiell-rechtlichen Bedenken wegen der von der Gesellschaft gehaltenen Aktien angesichts ruhender

Verfahren erklärt wurde, da noch nicht rechtskräftig festgestellt sei, dass die Ausschließung

des Dr. W. als Aktionär rechtmäßig war. Aus dem den Beteiligten schon zur Zeit der Beschlussfassung bekannten Zusammenhang ergibt sich, dass sich der Widerspruch gegen die Beschlussfassung über die Einziehung von eigenen Aktien der Gesellschaft richtet, da sich aus dem Widerspruch die auch im vorliegenden Verfahren vertretene Auffassung des Klägers ergibt, dass die Gesellschaft jedenfalls nicht Inhaberin der Aktien des Aktionärs Dr. Wilk sei. Da die einzigen beiden angekündigten Beschlussvorschläge (vgl. Anlage K10, Blatt 90 der Akte) zudem in einem erkennbaren Zusammenhang standen, weil die Beschluss-fassung über die Änderung der Satzung in Bezug auf die Höhe und die Einteilung des Grundkapitals der satzungsmäßigen Umsetzung des Beschlusses über die Einziehung der Aktien diente, wurde auch deutlich ersichtlich, dass sich der Widerspruch gegen beide Beschlussfassungen richtete.

c)

Die Klageerhebung durch den verstorbenen R. ist nicht rechtsmissbräuchlich.

Die Ausübung der Anfechtungsbefugnis unterliegt den für die private Rechtsausübung auch sonst geltenden Schranken und somit auch dem aus § 242 BGB folgenden Verbot des (individuellen) Rechtsmissbrauchs (Koch, aaO, § 245 AktG, Rn. 24). In Ausnahmefällen kann eine eigensüchtige Interessenverfolgung den Vorwurf des Rechtsmißbrauchs begründen, etwa dann, wenn der Kläger Anfechtungsklage mit dem Ziel erhebt, die verklagte Gesellschaft in grob eigennütziger Weise zu einer Leistung zu veranlassen, auf die er keinen Anspruch hat und billigerweise auch nicht erheben kann (BGH, Urteil vom 22. Mai 1989-11 ZR 206/88-, BGHZ 107, 296-315, Rn. 30).

Die Behauptung der Beklagten, der Kläger handele ohne Eigeninteresse als Strohmann für den offensichtlich nicht anfechtungsbefugten Dr. W., ist aber nicht geeignet, den Vorwurf einer rechtsmissbräuchlichen Klageerhebung zu begründen. Die Zulässigkeit der Anfechtungsklage bedarf keiner Darlegung eines besonderen Rechtsschutzinteresses. Die gesellschaftsrechtliche Nichtigkeits- und AnfechtungsklageBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Anfechtungsklage
Nichtigkeits- und Anfechtungsklage
ist als Instrument zur Kontrolle der Gesetz- und Rechtmäßigkeit des Organhandelns einer Kapitalgesellschaft ausgestaltet und in die Hände der Gesellschafter gelegt, so dass sich das Rechtsschutzinteresse für eine solche Klage bereits daraus ergibt, dass ihre Erhebung der Herbeiführung eines Gesetz und Satzung entsprechenden Rechtszustandes dient. Gegenstand des als Gestaltungsklagerecht ausgeformten Anfechtungsrechts ist die gerichtliche Überprüfung von Hauptversammlungs-beschlüssen auf ihre Vereinbarkeit mit Gesetz und Satzung, deren Durchführung das Gesetz in die Hände u.a. des einzelnen Aktionärs gelegt hat. Die Wahrnehmung eines darüber hinausgehenden Eigeninteresses ist für die Erhebung der Anfechtungsklage nicht erforderlich (BGH, Urteil vom 22. Mai 1989 – II ZR 206/88 -, BGHZ 107, 296-315, Rn. 24, 28, 30; BGH, Urteil vom 20. Mai 1989 – II ZR 106/88 -, Rn. 24, juris; OLG Stuttgart, Urteil vom 28. Januar 2004 – 20 U 3/03 -, Rn. 3, juris). Ein Rechtsmissbrauch ist daher nicht schon beim Fehlen einer eigenen Betroffenheit des klagenden Aktionärs zu bejahen (Koch, aaO, § 245 AktG, Rn. 27; Grigoleit – Ehmann, AktG, 2. A., § 245 AktG, Rn. 2).

d)

M.R. wurde mit dem Erbfall am 01.12.2021 als Alleinerbe des verstorbenen S.R. dessen Gesamtrechtsnachfolger(§ 1922 Abs. 1 BGB). R. verstarb nach der Begründung des Prozessrechtsverhältnisses im Berufungsverfahren, da die Berufung am 10.09.2021 zugestellt wurde (BI. 284a der Akte). Da kein Aussetzungsantrag gestellt worden ist, ist keine Unterbrechung des Rechtsstreites eingetreten (§ 246 Abs. 1 ZPO). Der Alleinerbe ist als Gesamtrechtsnachfolger auch Partei im vorliegenden Rechtsstreit geworden und die mündliche Verhandlung ist ohne einen ausdrücklichen Ausspruch über die Rechtsnachfolge fortgesetzt worden. Die Rechtsnachfolge ist durch die Aufnahme des Erben in das Rubrum berücksichtigt worden (vgl. Zöller – Greger, ZPO, 34. A., § 239 ZPO, Rn. 11 ).

Unstreitig trat R. das verbriefte Recht nach dem Erbfall und damit im laufe des anhängigen

Rechtsstreites ab. Die Abtretung der ererbten Aktien an T.R. und T.R. hat auf den Rechtsstreit im vorliegenden Fall keinen Einfluss; M.R. ist zur Fortführung des Prozesses befugt.

Die Klagebefugnis des verstorbenen R. ging auf den Alleinerben als den Gesamtrechts-nachfolger über. Mit dem Verlust der Gesellschafterstellung geht im Grundsatz der

Verlust der Klagebefugnis einher (vgl. BGH, Urteil vom 9. Oktober 2006 – II ZR 46/05 -,

BGHZ 169, 221-232, Rn. 20). Die Rechtsfolge der fehlenden Klagebefugnis ist die Unbegründetheit der Klage (BGH, Urteil vom 24. April 2006-11 ZR 30/05 -, BGHZ 167,

204-214, Rn. 15). Soweit ein Anfechtungsberechtigter alle seine Anteile veräußert, geht

das Anfechtungsrecht auf den Erwerber über (BGH, Urteil vom 25. Februar 1965 – II ZR

287/63-, BGHZ 43, 261-269, Rn. 43; Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Urteil

vom 16. März 2000- 5 U 244/97 -, Rn. 30, juris). Bei Abtretung eines Geschäftsanteils

während der Rechtshängigkeit der gesellschaftsrechtlichen Anfechtungs- und/oder Nichtigkeitsklage gilt aber der Rechtsgedanke des § 265 ZPO {Lutter/Hommelhoff – Bayer,

GmbHG, 20. A., Anh. § 47 GmbHG, Rn. 30, 72). Ein Gesellschafter, der einen Beschluss

mit der Nichtigkeits- und/oder Anfechtungsklage angegriffen hat, kann den Rechtsstreit

nach § 265 ZPO auch nach der Veräußerung seines Geschäftsanteils fortsetzen, sofern

er daran noch ein rechtliches Interesse hat. Da die Anfechtungsbefugnis ein aus der Mitgliedschaft unmittelbar folgendes Verwaltungsrecht ist und nach dem Normzweck des §

265 Abs. 2 ZPO außer der verklagten Partei zumindest auch das Interesse des ursprüng-lichen Rechtsinhabers und Klägers an der Weiterführung des Prozesses geschützt werden soll, ist der Rechtsgedanke dieser Vorschrift auf den Fall der Veräußerung der Mitgliedschaft während des laufenden Prozesses anzuwenden (BGH, Urteil vom 9. Oktober

2006-11 ZR 46/05.-, BGHZ 169, 221-232, Rn. 15).

Das rechtliche Interesse des Veräußerers an der Fortsetzung des Rechtsstreites kann

nicht allein auf die Verletzung von Gesetz und/oder Satzung gestützt werden (Münchener

Kommentar zum AktG – Schäfer, 5. A., § 245 AktG, Rn. 27). Andererseits sind an die Begründung des rechtlichen Interesses auch keine hohen Anforderungen zu stellen (Bayer,

GmbHG 2015, 505, 511 ). Die bloße Möglichkeit eines Schadensersatzanspruchs reicht

aus, um darzutun, dass der Gesellschafter auch nach seinem Ausscheiden aus der Gesellschaft noch ein rechtliches Interesse an der Fortsetzung des Rechtsstreits hat (BGH,

Urteil vom 25. Februar 1965-11 ZR 287/63 -, BGHZ 43, 261-269, Rn. 48). Die Möglichkeit

eines Schadensersatzanspruches ergibt sich im vorliegenden Fall aus der Behauptung

des Klägers, es seien die Wirtschaftsgüter der Beklagten treuwidrig auf Parallel-gesellschaften verlagert worden, an denen nur er und Dr. W. nicht beteiligt wurden, so dass die Beklagte, die ohne dies einen Wert von 4,5 Mio. Euro haben müsste, als leere Hülle zurückgeblieben sei. Vor diesem Hintergrund ist das Interesse daran zu berücksichtigen, dass auch Dr. W. auf die Entscheidungs-findung in der Gesellschafterversammlung einwirken kann. Auch Gründe der Prozesswirtschaftlichkeit finden Beachtung (vgl. (BGH, Urteil vom 9. Oktober 2006-11 ZR 46/05-, BGHZ 169, 221-232, Rn. 24); die Regelung in § 265 Abs. 2 ZPO dient auch der Prozessökonomie (OLG KoblenzBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG Koblenz
, Urteil vom 27.

Januar 2005- 6 U 342/04 -, Rn. 12, juris; Nietsch, NZG 2007, 451, 453). Um dem Erfordernis

der Prozesswirtschaftlichkeit gerecht zu werden, ist auch die Sachdienlichkeit der

Prozessfortführung zu beurteilen. Sie liegt nach allgemeiner Definition vor, wenn die Fortsetzung des Prozesses dazu beiträgt, den sachlichen Streitstoff zwischen den Parteien im Rahmen des anhängigen Verfahrens auszuräumen und einen weiteren Prozess zu vermeiden, wenn  zusammen-gehörendes in demselben Prozess verhandelt und nicht auseinandergerissen wird (Nietsche, aaO). Deswegen ist vorliegend auch zu berücksichtigen, dass der Rechtsstreit zur Entscheidungsreife‘ gelangt ist.

e)

Die Anfechtungsklage ist fristgerecht(§ 246 Abs. 1 AktG) erhoben worden.

Der Beschluss wurde in der Hauptversammlung am 04.06.2019 gefasst. Die Klage ist am 04.07.2019 anhängig gemacht (BI. 1 d.A.) und am 13.07.2019 zugestellt worden (BI. 96a – e d.A.). Die Zustellung wirkt gemäߧ 167 ZPO auf die Anhängigkeit zurück. Ausgehend vom Fristablauf am 04.07.2019 liegt schon im Ansatz keine die Rückwirkung verhindernde Verzögerung vor, da die allenfalls schädliche Verzögerung von mehr als 14 Tagen (Zöller – Greger, ZPO, 34. A., § 167 ZPO, Rn. 11; BGH, Versäumnisurteil vom 25. September 2015-V ZR 203/14-, Rn. 9, juris) nicht erreicht worden ist. Im Übrigen beruht auch diese Verzögerung nicht auf dem Verhalten des Klägers, da der Gerichts-kostenvorschuss am 08.07.2019 angefordert (BI. 1 d.A.) und schon am 10.07.2019 bezahlt worden ist (BI. II d.A.).

f)

Die Beklagte hat sich erstinstanzlich u.a. darauf berufen, die eingezogenen Anteile seien

vernichtet, weil die Satzungsänderung – als Einziehungshandlung – in das Handelsregister

eingetragen worden sei (Blatt 118, 119 d.a.). Dies steht der Prüfung der Fehlerhaftigkeit

des Beschlusses der Hauptversammlung nicht entgegen.

Nach § 237 Abs. 4 Satz 5 AktG ist der Beschluss der Hauptversammlung zur Eintragung

in das Handelsregister anzumelden. Gemäß § 238 Satz 1 AktG ist das Grundkapital der

Gesellschaft um den auf die eingezogenen Aktien entfallenden Anteil herabgesetzt,

wenn kumulativ die Eintragung des Beschlusses in das Handelsregister erfolgte und die

Einziehungshandlung vorgenommen wurde (Koch, aaO, § 238 AktG, Rn. 2,5; Münchener

Kommentar zum AktG – Oechsler, 5. A., § 238 AktG, Rn. 1 ). Ist die Einziehungshandlung

fehlerhaft, ist sie als Vorstandsmaßnahme nicht rechtswirksam. Das hat zur Folge, dass

das mit dem Gesellschaftsanteil verbundene Mitgliedschaftsrecht fortbesteht, auch wenn

der Hauptversammlungsbeschluss oder seine Durchführung in das Handelsregister eingetragen wurden. Das Handelsregister ist dann unrichtig (Grigoleit – Rieder, AktG, 2. A., § 238 AktG, Rn. 10; Koch, aaO, § 238 AktG, Rn. 10; Münchener Kommentar zum AktG – Oechsler, aaO, § 238 AktG, Rn. 6). Die Eintragung der Durchführung gemäߧ 239 AktG wirkt nur deklaratorisch (Koch, aaO, § 239 AktG, Rn. 1; Münchener Kommentar zum AktG – Oechsler, aaO, § 239 AktG, Rn. 1 ).

g)

Die Beschlussfassung ist anfechtbar, weil die tatbestandlichen Voraussetzungen für die

Einziehung nach § 237 Abs. 1 Satz 1 AktG zur Zeit der Beschlussfassung fehlten, weil

die Beklagte nicht die dingliche Inhaberin der eingezogenen Gesellschaftsanteile war.

§ 237 Abs. 1 Satz 1 AktG setzt voraus, dass die Gesellschaft die einzuziehenden Aktien

erworben hat. § 71 c Abs. 3 AktG hat insofern keine weitergehende Bedeutung, denn diese

Regelung begründet unter bestimmten Voraussetzungen eine Pflicht zur Einziehung eigener

Aktien, setzt aber ebenfalls deren Erwerb durch die Gesellschaft voraus und verweist auf § 237 AktG. Die 580 Aktien mit den Aktiennummern 21471-bis 22050, auf die sich die landgerichtliche Nichtigerklärung bezieht, hat die Beklagte bis zur Beschlussfassung

am 04.06.2019 nicht erworben. Es fehlt daher an einer tatbestandlichen Voraussetzung

für die Einziehung nach § 237 Abs. 1 Satz 1 AktG und die Beschlussfassung über

die Einziehung ist gemäߧ 243 Abs. 1 AktG anfechtbar.

aa)

Die Aktiengesellschaft muss Inhaberin der einzuziehenden Aktien sein. Entscheidend ist

ausschließlich die dingliche Rechtslage (Koch, aaO, AktG § 237Bitte wählen Sie ein Schlagwort:
AktG
AktG § 237
Rn. 20; Hölters/Weber –

Haberstock/Greitemann, AktG, 4. A., § 237 AktG, Rn. 53).

bb)

Die Beklagte stützt sich zunächst auf den Umstand, dass die Aktien mit den Aktiennummern

21471 – 22050 zur Zeit der Hauptversammlung am 04.06.2019 als eigene AktienBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Aktien
eigene Aktien

der Beklagten geführt wurden, weswegen sie unwiderleglich als Aktien der Beklagten gälten

(BI. 116 d.A.). Dem ist nicht zu folgen.

Ausweislich Ziffer 4. – 6. des Umwandlungsbeschlusses vom 29.12.2014 ist das Grundkapital

der Beklagten in auf Namen lautende Stückaktien eingeteilt (Anlage K1, Seite 35,

Blatt 34 d.A.). Es ist daher§ 67 AktG anwendbar. Nach§ 67 Abs. 1 Satz 1 AktG sind Namensaktien in das Aktienregister der Gesellschaft einzutragen. Nach § 67 Abs. 2 Satz 1 AktG bestehen im Verhältnis zur Gesellschaft Rechte und Pflichten aus Aktien nur für und gegen den im Aktienregister Eingetragenen.

Dies führt aber nicht dazu, dass die Beklagte schon deswegen auch materiell-rechtlich als Erwerberin dieser Aktien anzusehen wäre. Die Eintragung oder Nichteintragung im Aktienregister lässt die materielle Rechtslage außerhalb des Aktienregisters unberührt und zeitigt Wirkung allein gegenüber der Gesellschaft. Die gesetzliche Regelung will sicher-stellen, wer im Verhältnis zur Gesellschaft mitgliedschaftliche Rechte ausüben darf und mitgliedschaftliche Pflichten erfüllen muss. Sie begründet eine unwiderlegliche Vermutung für – bzw. gegen – das Bestehen von Rechten und Pflichten aus den Aktien der Gesellschaft.

Erfasst werden von der Vermutung des § 67 Abs. 2 alle mitgliedschaftlichen Rechte

und alle mitgliedschaftlichen Pflichten. Grundsätzlich ist daher nur der eingetragene Namensaktionär zur Ausübung seiner mitgliedschaftlichen Vermögensrechte und seiner mitgliedschaftlichen Herrschafts- und Kontrollrechte befugt. Die unzutreffende Eintragung bzw. Nichteintragung im Aktienregister ist aber für die materielle Rechtslage ohne jede Bedeutung. Alle Verfügungen über die Aktie erfolgen außerhalb des Aktienregisters, d.h. die (nachfolgende) Eintragung ist weder Voraussetzung für die Wirksamkeit der Rechtsüber-tragung, noch können Übertragungsmängel durch die Eintragung geheilt werden. Das Aktienregister begründet insbesondere auch keinerlei Gutglaubensschutz. Die Legitimations-wirkung des § 67 Abs. 2 ist vielmehr von der materiellen Rechtslage entkoppelt und zwar sowohl zu Lasten als auch zugunsten des Eingetragenen (Münchener Kommentar zum AktG – Bayer, 5.A., § 67 AktG, Rn. 1, 46).

Für die Tatbestandsvoraussetzung des § 237 Abs. 1 Satz 1 AktG kommt es nicht darauf an, wer im Verhältnis zur Gesellschaft als legitimiert gilt, die aus dem Gesellschaftsanteil rührenden mitgliedschaftlichen Rechte geltend zu machen und Pflichten zu erfüllen, sondern auf die dingliche Inhaberschaft der betroffenen Gesellschaftsanteile und damit auf die materielle Rechtslage.

cc)

Dr. W. wurde im Zuge der am 29.12.2014 beschlossenen Umwandlung der Beklagten deren Aktionär mit den 580 Stückaktien mit den Nummern 21471 – 22050.

Wie das Landgericht festgestellt hat, wurden Dr. W. im Rahmen der Umwandlung diese 580 Stückaktien für den Fall zugeteilt, dass dieser weder in der Gesellschafterversammlung vom 22.08.2013 noch in der Gesellschafterversammlung vom 29.12.2014 aus geschlossen worden sein sollte.

Die Beklagte wurde auf der Grundlage des Umwandlungsbeschlusses vom 29.12.2014 (Anlage AS 1, Blatt 33ff.) von einer GmbH in eine AG umgewandelt. Wie dem Senat aus dem Berufungsverfahren mit dem Az. 2 U 79/15 dienstlich bekannt ist, wurde die Umwandlung der Beklagten am 26.01.2016 in das Handelsregister (HRB 511960) eingetragen und damit wirksam (Urteil vom 16.05.2018 – 2 U 79/15 -, Seite 13). Die Umwandlung der Beklagten von einer GmbH in eine AG beendete die Stellung des Herrn Dr. Wilk als Gesellschafter nicht. Die Eintragung hat konstitutive Wirkung; die Umwandlung wurde daher mit ihrer Eintragung wirksam, § 202 Abs. 1 Nr. 1 UmwG (Kallmeyer-Meister/Klöcker, UmwG, 5. A., § 202 UmwG, Rn. 1, 5, 7; Lutter-Decker/Hoger, UmwG, 5. A., § 202 UmwG, Rn. 5, 6). Mit der Wirksamkeit des Formwechsels besteht der formwechselnde Rechtsträger in der in dem Umwandlungsbeschluss bestimmten Rechtsform weiter, § 202 Abs. 1 Nr. 1 UmwG. Es besteht eine Identität des Rechtsträgers. Das Vermögen des formwechselnden Rechtsträgers ist nach dem Formwechsel Vermögen des Rechtsträgers neuer Rechtsform, es besteht Vermögensidentität (Decher/Hager in: Lutter, Umwandlungs-gesetz, 5. A., § 202 UmwG,Rn. 9) und eine Kontinuität der Mitgliedschaft,§ 202 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 UmwG (Semler/Stengel – Leonard, UmwG, 4. A.,, § 202 UmwG, Rn. 18ff.). Darauf beruht auch die Beschlussfassung der Beklagten am 29.12.2014 zu Ziffern 6. – 8. des Umwandlungsbeschlusses.

dd)

Dass Dr. W. nicht schon mit Beschluss der Gesellschafterversammlung der Beklagten vom 22.08.2013 ausgeschlossen wurde, steht fest, weil dieser Beschluss rechtskräftig für nichtig erklärt wurde (UA LG Seite 3J.

ee)

Die Beklagte erwarb die Aktien des Dr. W. nicht durch die Beschlussfassung am 29.12.2014.

(1)

Wie das Landgericht festgestellt hat, wurde am 29.12.2014 in der Gesellschafterver-sammlung der Beklagten beschlossen den Gesellschafter Dr. W. aus der Gesellschaft auszuschließen, seinen Geschäftsanteil im Nennbetrag von DM 11.600 einzuziehen und anstelle des eingezogenen Geschäftsanteils einen neuen Geschäftsanteil im Nennbetrag von DM 11.600 zu bilden, der von der Gesellschaft als eigener Geschäftsanteil übernommen wurde.

(2)

Der Beschluss vom 29.12.2014 beinhaltete die Revalorisierung der eingezogenen Geschäftsanteile des Dr. W.

Mangels anderweitiger Satzungsregelung tritt die Wirksamkeit der Einziehung bereits mit der Mitteilung des Einziehungsbeschlusses an den betroffenen Gesellschafter und nicht erst mit Zahlung der Abfindung ein, sofern der Einziehungs-Beschluss weder nichtig ist noch für nichtig erklärt wird. Nach einer Einziehung durch die GmbH stimmt die Stammkapitalziffer nicht mehr mit der Summe der Nennbeträge der Geschäftsanteile überein, da der eingezogene Anteil untergeht. Es entsteht eine Differenz zwischen den Nennwerten der verbleibenden Geschäftsanteile und dem Stammkapital. Es ist möglich, die Lücke zwischen den Nennwerten der verbleibenden Geschäftsanteile und dem Stammkapital durch Bildung eines oder mehrerer neuer Geschäftsanteile in Höhe des Nennwerts des eingezogenen Anteils ohne Kapitalerhöhung zu schließen (sog. Revalorisierung). Die neuen Geschäftsanteile stehen nach h. M. zunächst der Gesellschaft als eigene Anteile zu(Becksches Notarhandbuch – Mayer/Weiler, 7. A., § 22, Rn. 143).

Auch der Erwerb eigener Anteile durch Revalorisierung unterfällt der Anwendung des §

237 AktG. Dem Wortlaut der Norm folgend kommt es entscheidend auf die dingliche Wirksamkeit des Erwerbs und nicht auf die Wirksamkeit eines zugrunde liegenden Verpflichtungsgeschäftes an. überhaupt kommt es nach den in§ 237 AktG verfolgten Schutzzwecken nicht darauf an, ob die AG zum Erwerb berechtigt war oder nicht; entscheidend ist allein die Wirksamkeit des Erwerbs. Dem Zweck von § 237 Abs. 1 S. 1 AktG entsprechend genügt es, dass die AG im Zeitpunkt der Einziehung Inhaberin der Aktien ist (Münchener Kommentar zum AktG/Oechsler, 5. A., AktG § 237Bitte wählen Sie ein Schlagwort:
AktG
AktG § 237
Rn. 73, 74; Grigoleit/Rieder, AktG, 2. A., AktG § 237Bitte wählen Sie ein Schlagwort:
AktG
AktG § 237
Rn. 28). Der Rechtsgrund des Erwerbs ist unerheblich (Koch, aaO, AktG § 237Bitte wählen Sie ein Schlagwort:
AktG
AktG § 237
Rn. 20; (Henssler/Strohn – Galla, Gesellschaftsrecht, 5. A., AktG § 237Bitte wählen Sie ein Schlagwort:
AktG
AktG § 237
Rn. 10).

(3)

Der Beschluss der Gesellschafterversammlung vom 29.12.2014 über die Einziehung

des Geschäftsanteils des Dr. W. und die Bildung eines neuen, von der Beklagten als eigenen

Anteil übernommenen Geschäftsanteils ist seinerseits anfechtbar und durch den Senat im Verfahren 2 U 492/17 für nichtig erklärt worden.

Mit dem am 22.03.2023 verkündeten Urteil hat der Senat den Beschluss zu Punkt 6 der Tagesordnung: ,,Der Gesellschafter Dr. W. wird aus der Gesellschaft ausgeschlossen. Der Geschäftsanteil des Herrn Dr. W. im Nennbetrag von DM 11.600 wird eingezogen und der Geschäftsführer A.F. wird beauftragt, gegenüber dem Gesellschafter Dr. W. die Einziehung zu erklären. Anstelle des eingezogenen Geschäftsanteils wird ein neuer Geschäftsanteil im Nennbetrag von DM 11.600 gebildet, der von der Gesellschaft als eigener Geschäftsanteil übernommen wird“, für nichtig erklärt.

Zur Begründung hat der Senat ausgeführt, der Beschluss der Gesellschafterversammlung

vom 29.12.2014 betreffend den Ausschluss des Klägers Dr. W. sei auf die Anfechtungsklagen beider Kläger hin für nichtig zu erklären, weil die gesellschaftsvertraglich erforderte Voraussetzung für den Ausschluss – eine grob schuldhafte Verletzung von Gesellschaftspflichten – nicht vorliege. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die weitere Begründung im dortigen Urteil (Ziffer II. 8., Seiten 47 – 57) Bezug genommen.

Zugleich hat der Senat im Verfahren 2 U 492/17 die widerklagend erhobene Ausschluss-klage der Beklagten gegen Herrn Dr. Wilk als unbegründet abgewiesen und zur Begründung weiter ausgeführt, dass es sowohl an dem durch die Satzung der Beklagten erforderten grob schuldhaften Verletzung von Gesellschaftspflichten – auf den es nach Auffassung des Senats ankommt – als auch an einem wichtigen Grund für den Ausschluss fehle. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die weitere Begründung in dem dortigen Urteil (Ziffer II. 14., Seiten 73 – 76) Bezug genommen.

ff)

Die Aussetzung des hiesigen Rechtsstreits bis zur Rechtskraft der Entscheidung im Verfahren 2 U 492/17 ist nicht erforderlich.

(1)

Gesellschafterbeschlüsse, die an einem nicht zur Beschlussnichtigkeit führenden Mangel leiden, sind trotz dieses Mangels zunächst rechtswirksam. Ihre Nichtigkeit lässt sich erst und allein durch ein kassatorisch-gestaltendes Anfechtungsurteil herbeiführen, vorausgesetzt, dass der ordnungsgemäß bestimmte oder einvernehmlich agierende Versammlungsleiter das Beschlussergebnis wirksam festgestellt hat (Bayer in: Lutter/Hommelhoff,GmbH-Gesetz Kommentar, 20. Aufl. 2020, Anhang zu§ 47 GmbHG, Rrr. 38). Die Vernichtung des angefochtenen Beschlusses erfolgt mit ex-tune-Wirkung (Noack – Noack, aaO, Anh. § 47 GmbHG, Rn. 178), also rückwirkend (BGH, Urteil vom 12. Juli 1993 – II ZR 65/92 -, Rn. 8, juris). Die Gestaltungswirkung tritt mit der Rechtskraft ein

(Karsten Schmidt/Bochmann in: Scholz, GmbHG, 12. A., § 45 GmbHG, Rn. 168). Die Nichtigkeit des Beschlusses führt dazu, dass der Beschluss als niemals gefasst gilt. Wurde er schon vollzogen, muss die Ausführung, soweit möglich, rückgängig gemacht werden. Der nichtige Einziehungsbeschluss führt dazu, dass der Gesellschafter nicht ausgeschieden war (Altmeppen, GmbHG, 11. A., Anh. § 47 GmbHG, Rn. 109)

(2)

Es kann offen bleiben, ob eine verbindliche Beschlussfeststellung durch Herrn F. vorliegt. Das Protokoll der Gesellschafterversammlung vom 29.12.2014 ist in Anlage K1 (BI. 25ff. der Akte) vorgelegt worden. Ausweislich der Feststellung unter lit. B) (Seite 5) wurde Herr F. mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen zum Versammlungsleiter gewählt. Dieser stellte ausweislich Seite 16 des Protokolls fest, dass der Beschluss über die Ausschließung des Dr. W. angenommen worden ist. Es ergibt sich aus dem Protokoll zugleich, dass RA Sch. namens des Klägers Dr. W. verschiedentlich erklärte, dass dieser die Beschlussfeststellung durch Herrn F. nicht akzeptierte. Der Gesellschaftsvertrag der Beklagten, der dem Senat aus dem Verfahren 2 U 492/17 gerichtsbekannt geworden ist (2 U 492/17, Anlage K11) enthält keine Regelung zur Versammlungsleitung. Herr F. wurde zwar mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen wirksam zum Versammlungsleiter gewählt, weil insoweit eine Wahl mit einfacher Mehrheit ausreichend und wirksam ist (Noack- Noack, aaO, § 48 GmbHG, Rn. 16; Lutter/Hommelhoff- Bayer, aaO, § 48 GmbHG, Rn. 14; BGH, Urteil vom 04. Mai 2009 – II ZR 166/07-, Rn. 7, juris). Es ist aber streitig, ob mit dieser Wahl bereits die Kompetenz zur verbindlichen Beschlussfeststellung verbunden ist (dagegen: Noack – Noack, aaO,

Anh. § 47 Gri1bHG, Rn. 120; 48 GmbHG, Rn. 16, 17a; OLG FrankfurtBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG Frankfurt
, Beschluss vom 04.

Dezember 1998 – 5 W 33/98 -, Rn. 11, juris; dafür: Münchener Kommentar zur GmbH/Liebscher, 3. Aufl. 2019, GmbHG § 48 Rn. 107b; Henssler/Strohn/Hillmann, Gesellschaftsrecht, 5. Aufl. 2021, GmbHG § 48 Rn. 14; Bayer in: Lutter/Hommelhoff, GmbH-Gesetz Kommentar, 20. Aufl. 2020, § 48 GmbHG, Rn. 17a; Wertenbruch, GmbHR 2020, 875, 879). Da RA Sch. namens des Klägers Dr. W. mehrfach erklärte, dass dieser die Beschlussfeststellung durch Herrn F. nicht akzeptierte, liegt auch

keine widerspruchslose Feststellung vor (dazu: Lutter/Hommelhoff – Bayer, aa0, Anh. § 47 GmbHG, Rn. 38; § 48 GmbHG, Rn. 17a).

Unabhängig davon kann die Nichtigkeit eines zweiten Beschlusses als Folge der Nichtigerklärung eines vorausgegangenen Beschlusses auf Anfechtungsklage hin zusammen mit der Nichtigerklärung festgestellt werden (Noack- Noack, aaO, Anh. § 47 GmbHG, Rn.180). Der Grundsatz, wonach ein lediglich anfechtbarer Beschluss – im Gegensatz zum nichtigen Beschluss – bis zur rechtskräftigen Feststellung der Nichtigkeit als wirksam zu betrachten ist, findet seine Grenze jedenfalls dort, wo gleichzeitig über den anfechtbaren Beschluss zur Ausschließung eines Gesellschafters und über die Nichtigkeit eines nachfolgenden Beschlusses zu befinden ist, die ihrerseits vom Ergebnis der Anfechtung abhängt.

Die Nichtigerklärung eines Beschlusses wirkt nämlich mit Rechtskraft des Urteils grundsätzlich auf den Zeitpunkt der Beschlussfassung zurück, so dass der Beschluss mit Rechtskraft des Urteils als niemals gefasst angesehen werden muss. Ist bei zwei Beschlüssen die Unwirksamkeit des einen von der Nichtigerklärung des anderen abhängig, dann liegen die Voraussetzungen für eine negative Entscheidung über den zweiten Beschluss mithin in dem Zeitpunkt vor, in dem die gesamte Entscheidung rechtskräftig wird.

Mit Rechtskraft der Entscheidung entfällt somit der Widerspruch zwischen der Nichtigkeits-Feststellung über den zweiten Beschluss und der zunächst mangels Rechtskraft der Entscheidung über die Ausschließung noch bestehenden schwebenden Wirksamkeit des ersten Beschlusses. Daraus folgt, dass auch schon vor Eintritt der Rechtskraft beider Beschlüsse die gerichtliche Nichtigerklärung des Ausschließungsbeschlusses der Entscheidung über den weiteren Beschluss zu Grunde gelegt werden kann. Dem steht nicht der Schutzzweck der „schwebenden Wirksamkeit“ des angefochtenen Beschlusses entgegen. Grund dafür, dass Beschlussmängel, die nicht von solcher Schwere sind,

dass sie zur Nichtigkeit führen, die Wirksamkeit des Beschlusses zunächst nicht beeinträchtigen, ist allein die Notwendigkeit, Dritte vor unklaren Beschlusslagen und daraus resultierenden Konsequenzen zu schützen. Dieser Regelungszweck geht zumindest in den Fällen verloren, in denen lediglich interne Belange der Gesellschaft betroffen sind.

Die Gesellschafter, die einen Mitgesellschafter aufgrund eines anfechtbaren Beschlusses aus der Gesellschaft ausgeschlossen haben, bedürfen nicht des besonderen Schutzes vor den negativen Folgen einer erfolgreichen Anfechtung für weitere Beschlüsse, die auf der wirksamen Ausschließung aufbauen. Gesellschafter sind, anders als gesellschaftsfremde Dritte, die zudem zumindest bei eintragungsfähigen Beschlüssen durch §15 HGB geschützt sind, regelmäßig in der Lage, sich über die Umstände, die zur Anfechtbarkeit des Beschlusses führen, zu informieren und diese bei ihren weiteren Entscheidungen zu berücksichtigen (Brandenburgisches OLG, Urteil vom 15. Oktober 1997 – 7 U 56/95-, GmbHR 1998, 193, 196/197).

gg)

Die nachfolgend in der Gesellschafterversammlung am 04.11.2019 beschlossene Einziehung

der Gesellschaftsanteile des Dr. W. ist für die Prüfung der hier streitgegenständlichen Beschlussfassung vom 04.06.2019 rechtlich unerheblich.

3.

Die Kostenentscheidung beruht auf§ 97 Abs. 1 ZPO und die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf§§ 708 Nr. 10, 713, 544 Abs. 2 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da es sich um die Entscheidung eines Einzelfalles ohne

grundsätzliche Bedeutung handelt und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichtes erfordert, § 543 Abs. 2 ZPO

Löffler I www.K1.de I www.gesellschaftsrechtskanzlei.com I Gesellschaftsrecht I GmbH-Recht I Gesellschafterstreit I Erfurt I Thüringen I Sachsen I Sachsen-Anhalt I Hessen I Deutschland 2022

Schlagworte: AktG § 237, AktG § 237 Abs 3 Nr 2, Aktienrecht, Einziehung eigener Aktien

Veröffentlicht in Thüringer OLG (Jena) | Kommentare geschlossen

OLG Jena, Urteil vom 22.03.2023 – 2 U 492/17

Mittwoch, 22. März 2023

GesellschafterstreitGmbHG § 34

Tenor

Auf die Berufungen des Klägers Dr. W. und der Beklagten werden die Urteile des Landgerichts M. vom 11.07.2017, Az. HK O 9/15, und vom 26.10.2017, HK O 16/15, abgeändert und wie folgt neu gefasst:

a)

Es wird festgestellt, dass die folgenden Beschlüsse der Gesellschafterversammlung der Beklagten vom 29.12.2014 nichtig sind:

Punkt 2 der Tagesordnung:

Die Gesellschafter beschließen den Jahresabschluss der Gesellschaft zum 31.12.2013 mit einem ausgewiesenen Jahresüberschuss in Höhe von insgesamt 23.382,84 Euro festzustellen.

Die Gesellschafter beschließen, den Jahresabschluss der Gesellschaft zum 31.12.2013 mit der Maßgabe, dass auf Seite 31 des Berichtes der Betrag von 625.000.- Euro nicht als Ausschüttung dargestellt und um diesen Betrag gewinnvortragserhöhend korrigiert und die Gegenposition zu dieser Position ebenfalls korrigiert wird, festzustellen.

Punkt 3 der Tagesordnung:

Die Gesellschafter beschließen, den sich aus dem Jahresabschluss ergebenden Jahresüberschuss in Hohe von insgesamt 23.382,84 Euro auf neue Rechnung vorzutragen.

Punkt 8.2.2 der Tagesordnung:

Die Geschäftsanteile der Gesellschafter betragen:

54Geschäftsanteil zu DM 11.600,00Geschäftsanteil zu EUR 5.930,99

b)

Die folgenden Beschlüsse der Gesellschafterversammlung der Beklagten vom 29.12.2014 werden für nichtig erklärt:

Punkt 4 der Tagesordnung:

Dem Geschäftsführer E. H. wird für das Geschäftsjahr 2013 die Entlastung erteilt. Dem Geschäftsführer A. F. wird für das Geschäftsjahr 2013 die Entlastung erteilt.

Punkt 5 der Tagesordnung:

Den Aufsichtsratsmitgliedern, namentlich …, wird für das Geschäftsjahr 2013 die Entlastung erteilt.

Punkt 6 der Tagesordnung:

Der Gesellschafter Dr. H. W. wird aus der Gesellschaft ausgeschlossen. Der Geschäftsanteil des Herrn Dr. H. W. im Nennbetrag von DM 11.600 wird eingezogen und der Geschäftsführer A. F. wird beauftragt, gegenüber dem Gesellschafter Dr. H. W. die Einziehung zu erklären. Anstelle des eingezogenen Geschäftsanteils wird ein neuer Geschäftsanteil im Nennbetrag von DM 11.600 gebildet, der von der Gesellschaft als eigener Geschäftsanteil übernommen wird.

Punkt 9 der Tagesordnung:

Die folgenden Verträge werden genehmigt und der Geschäftsführung wird die Anweisung erteilt, folgende Verträge umzusetzen:

Kaufvertrag vom .., UR-Nr. … des Notars R. T. mit Amtssitz in M., zwischen der A. GmbH und der L. U. GmbH

Kaufvertrag vom …, UR-Nr. … des Notars R. T. mit Amtssitz in M., zwischen der A. GmbH und der Agrarp. … GmbH

Kaufvertrag vom… über Sachanlagevermögen etc. zwischen der A. GmbH und der L. U. GmbH

Kaufvertrag vom… über Zahlungsansprüche zwischen der A. GmbH und der L. U. GmbH

Kaufvertrag vom … über Zahlungsansprüche zwischen der A. GmbH und der Agrarp. … GmbH

– mündlicher Unterpachtvertrag vom … zwischen der A. GmbH und der Agrarp. … GmbH über … ha in den Gemarkungen …, … und …

– mündlicher Unterpachtvertrag vom … zwischen der A. GmbH und der L. U. GmbH … über … ha in der Gemarkung …

Punkt 10 der Tagesordnung:

Dem Geschäftsführer A. F. wird für den Abschluss der in TOP 7 und TOP 9 genannten Verträge die Entlastung erteilt.

Punkt 11 der Tagesordnung:

Den Aufsichtsratsmitgliedern, namentlich …, wird für ihre Beschlussfassung vom 30.12.2013, mit dem die Geschäftsführung angewiesen wurde, die in TOP 7 und TOP 9 genannten Verträge abzuschließen, die Entlastung erteilt.

c)

Im Übrigen werden die Klagen abgewiesen, die Klage des Klägers Dr. W. auf Feststellung der Nichtigkeit von § 2 der Satzung der Beklagten in der geänderten Fassung als unzulässig. Die Widerklage der Beklagten wird abgewiesen.

2.

Die weitergehenden Berufungen des Klägers Dr. W. und der Beklagten werden zurückgewiesen.

3.

Von den Gerichtskosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte 65 % zu tragen. Die Kläger haben von den Gerichtskosten des Berufungsverfahrens nach Kopfteilen 23 % zu tragen, der Kläger Dr. W. hat weitere 12 % zu tragen. Von den außergerichtlichen Kosten der Beklagten im Berufungsverfahren haben die Kläger nach Kopfteilen 23 % und hat der Kläger Dr. W. weitere 12 % zu tragen. Von den außergerichtlichen Kosten des Klägers R. im Berufungsverfahren hat die Beklagte 77 % zu tragen und von den außergerichtlichen Kosten des Klägers Dr. W. im Berufungsverfahren 52 %. Im Übrigen haben die Parteien ihre außergerichtlichen Kosten im Berufungsverfahren selbst zu tragen.

4.

Die Kosten des Rechtsstreits in erster Instanz des Verfahrens HK O 9/15 (Dr. W. ./. A. AG) werden gegeneinander aufgehoben.

5.

Von den Kosten des Rechtsstreites in erster Instanz des Verfahrens HK O 16/15 (R. ./. A.) hat der Kläger 27 % zu tragen und hat die Beklagte 73 % zu tragen.

6.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch die Beklagte durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des auf Grund dieses Urteils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch die Kläger durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des auf Grund dieses Urteils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

7.

Dem Kläger R. wird bezüglich der Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen, die bis zum 01.12.2021 entstanden sind, die Beschränkung der Haftung auf den Nachlass des am 01.12.2021 verstorbenen Herrn S. R. vorbehalten.

8.

Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Kläger greifen eine Reihe von Beschlüssen der Gesellschafterversammlung der Beklagten – damals noch in der Rechtsform einer GmbH – vom 29.12.2014 an. Der Kläger Dr. W. greift zugleich § 2 der Satzung der Beklagten (Unternehmensgegenstand) in der am 29.12.2014 beschlossenen neuen Fassung an.

Mit dem angefochtenen Urteil vom 06.07.2017 hat das Landgericht im Verfahren HK O 9/15 auf die Klage des Klägers Dr. W. die Beschlüsse der Gesellschafterversammlung vom 29.12.2014 betreffend den Ausschluss des Klägers aus der Gesellschaft, hilfsweise die Erhebung der Ausschlussklage und betreffend die Genehmigung und Umsetzung mehrerer Kaufverträge und Unterpachtverträge für nichtig erklärt. Im Übrigen hat das Landgericht die Klage wie auch die widerklagend erhobene Ausschlussklage abgewiesen. Es wird gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO ergänzend auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen.

Mit dem weiteren angefochtenen Urteil vom 26.10.2017 hat das Landgericht im Verfahren HK O 16/15 auf die Klage des Klägers R. antragsgemäß die Beschlüsse der Gesellschafterversammlung vom 29.12.2014 über die Feststellung des JahresabschlussesBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Feststellung
Feststellung des Jahresabschlusses
zum 31.12.2013 mitsamt dem hilfsweise gefassten Beschluss über dessen Korrektur sowie die Vortragung des Jahresüberschusses auf neue Rechnung, die Entlastung der GeschäftsführerBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Entlastung
Entlastung der Geschäftsführer
Geschäftsführer
und der Aufsichtsratsmitglieder, den Ausschluss des GesellschaftersBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Ausschluss
Ausschluss des Gesellschafters
Dr. W. mitsamt dem hilfsweise gefassten Beschluss über die Erhebung der Ausschlussklage, die Änderung des § 2 der Satzung, den Ausweis der Geschäftsanteile der Gesellschafter und die Genehmigung und Umsetzung mehrerer Kaufverträge und Unterpachtverträge für nichtig erklärt. Es wird gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO ergänzend auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen.

Der Senat hat die Ausgangsverfahren 2 U 492/17 (W. ./. A. AG) und 2 U 673/17 (R. ./. A. AG) durch Beschluss vom 13.02.2018 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden (vgl. 2 U 492/17, Blatt 1775, 1776 der Akte).

Der Kläger S. R. verstarb am 01.12.2021 und wurde von seinem Bruder M. G. R. beerbt. Dieser trat die Aktien an Frau T. R. und Herrn T. R. ab.

Mit seiner Berufung trägt der Kläger Dr. W. vor, das Landgericht habe die Vorgaben für eine auch im Recht der GmbH einzuhaltende Klagefrist nicht richtig angewendet. Die nach dem Leitbild des § 246 Abs. 1 AktG anwendbare Monatsfrist zur Anfechtung von Gesellschafterbeschlüssen habe erst mit Zugang des Beschlussprotokolls vom 06.01.2015 beim Kläger am 31.01.2015 begonnen und frühestens am 02.03.2015 geendet. Da das Protokoll bereits am 06.01.2015 erstellt, aber erst nach Ablauf eines Monats nach BeschlussfassungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Beschlussfassung
nach Beschlussfassung
übersandt worden sei, sei offensichtlich, dass manipulativ eingegriffen worden sei. Auf die mit Schreiben vom 16.02.2015 verlangte Berichtigung des Protokolls sei erst am 27.02.2015 eine Nachtragsniederschrift erstellt und diese zudem erst mit Schreiben vom 04.03.2015, dem Kläger am 06.03.2015 zugegangen, übermittelt worden. Auch hier sei die Übersendung offensichtlich von Beklagtenseite so gesteuert worden, dass diese dem Kläger erst nach Ablauf der Monatsfrist nach Übermittlung des unrichtigen Ausgangsprotokolls zuging. Die Beklagte sei daher nicht schutzwürdig, zumal der Kläger schon im Verlauf der GesellschafterversammlungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Gesellschafterversammlung
Verlauf der Gesellschafterversammlung
am 29.12.2014 mehrfach bekannt gegeben habe, dass die gefassten Beschlüsse rechtswidrig seien und im Wege der Beschlussmängelklage überprüft würden. Im Verlauf der GesellschafterversammlungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Gesellschafterversammlung
Verlauf der Gesellschafterversammlung
sei unvorhergesehen ein angeblich am 30.12.2013 gefasster Beschluss des AufsichtsratsBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Beschluss
Beschluss des Aufsichtsrats
mit dem Inhalt der Aufgabe des operativen Geschäftsbetriebs und dem Ziel der Vorbereitung der Liquidation der Beklagten thematisiert worden. Dem Bevollmächtigten des Klägers sei eine Ablichtung des Beschlussprotokolls vom 30.12.2013 zur Einsicht unter Aufsicht übergeben worden. Als er davon eine Aufnahme habe fertigen wollen, sei ihm das Beschlussprotokoll entrissen worden. Das Beschlussprotokoll sei sodann als Anlage 10 zum Protokoll vom 06.01.2015 übersandt worden. Erst damit habe der Kläger sich verbindlich und vollumfänglich Kenntnis verschaffen können. Der Inhalt des Beschlussprotokolls habe erhebliche Auswirkungen auf die Beschlussmängelanträge zu Ziffern 3 – 5, 7, 10 und 11. In Bezug auf den hilfsweise gefassten Beschluss zur Korrektur des Jahresabschlusses 2013 sei der Kläger auf die Übersendung des Protokolls angewiesen gewesen, denn der frei formulierte Beschlussinhalt habe nicht hinreichend sicher dokumentiert werden können. Dies habe Auswirkungen auf die Beschlussmängelanträge zu Ziffern 1 und 2. Da der Kläger die vollständige korrigierte Fassung in Gestalt der Nachtragsniederschrift erst am 06.03.2015 erhalten habe, sei ohnehin davon auszugehen, dass die Monatsfrist erst an diesem Tag begonnen habe. Was die Nichtigkeitsfeststellung betreffend den Beschluss über die Feststellung des JahresabschlussesBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Feststellung
Feststellung des Jahresabschlusses
2013 angehe, verkenne das Landgericht schon, dass es in diesem Zusammenhang nicht auf die Wahrung einer Anfechtungsfrist ankomme.

Die Regelung in § 2 Abs. 1 der Satzung sei nichtig. Das Landgericht habe sich mit den vorgetragenen Nichtigkeitsgründen nicht auseinandergesetzt, insbesondere nicht mit dem Umstand, dass sich die Beklagte durch diese Regelung ohne ein für die vermögensverwaltende Tätigkeit maßgebliches Vermögen alle Möglichkeiten zur Gewinnerzielung nehme.

Der Kläger und Berufungskläger Dr. W. beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichtes M. vom 06.07.2015, Az. HK O 9/15,

I.

die nachfolgenden Beschlüsse der Gesellschafterversammlung der Beklagten vom 29.12.2014, betreffend die Beschlüsse zu Ziffer 1. – 5. sowie 7. – 11. auch die hilfsweise Beschlussfassung unter Zulassung der Stimmabgabe Dr. W. für nichtig zu erklären:

1.

Die Gesellschafter beschließen den Jahresabschluss der Gesellschaft zum 31.12.2013 mit einem ausgewiesenen Jahresüberschuss in Höhe von insgesamt 23.382,84 Euro festzustellen

hilfsweise

Die Gesellschafter beschließen den Jahresabschluss der Gesellschaft zum 31.12.2013 mit der Maßgabe, dass auf Seite 31 des Berichtes der Betrag von 625.000,00 Euro nicht als Ausschüttung dargestellt und um diesen Betrag gewinnvortragserhöhend korrigiert und die Gegenposition zu dieser Ausschüttung ebenfalls korrigiert wird, festzustellen.

2.

Die Gesellschafter beschließen, den sich aus dem Jahresabschluss ergebenden Jahresüberschuss in Hohe von insgesamt 23.382,84 Euro auf neue Rechnung vorzutragen.

3.

Dem Geschäftsführer E. H. wird für das Geschäftsjahr 2013 die Entlastung erteilt.

4.

Dem Geschäftsführer A. F. wird für das Geschäftsjahr 2013 die Entlastung erteilt.

5.

Den Aufsichtsratsmitgliedern, namentlich …, wird für das Geschäftsjahr 2013 die Entlastung erteilt.

7.

§ 2 der Satzung wird wie folgt geändert:

„ 1. Gegenstand des Unternehmens ist der Erwerb, die Veräußerung und die Verwaltung eigenen Vermögens, die Gründung von Unternehmen sowie die Beteiligung an anderen Unternehmen und die Vermietung, die Verpachtung und die Verwaltung von mobilem und immobilem Vermögen.

2. Die Gesellschaft ist zu allen Geschäften und Maßnahmen berechtigt, die geeignet erscheinen, dem Gegenstand des Unternehmens zu dienen. Sie kann ihre Tätigkeit auf einen Teil der in Absatz 1 bezeichneten Tätigkeitsgebiete beschränken. Unternehmen, an denen sie mehrheitlich beteiligt ist, kann sie unter ihrer Leitung zusammenfassen oder sich auf die Verwaltung der Beteiligung beschränken.“

8.

Die Geschäftsanteile der Gesellschafter betragen:

Lfd. Nr.GesellschafterAdresseGeschäftsanteile DMGeschäftsanteile EUR
1  Geschäftsanteil zu DM 7.200,00Geschäftsanteil zu EUR 3.681,30
2  Geschäftsanteil zu DM 11.900,00Geschäftsanteil zu EUR 6.084,37
3  Geschäftsanteil zu DM 10.900,00Geschäftsanteil zu EUR 5.573,08
4  Geschäftsanteil zu DM 11.500,00Geschäftsanteil zu EUR 5.879,86
5  Geschäftsanteil zu DM 6.600,00Geschäftsanteil zu EUR 3.374,53
6  Geschäftsanteil zu DM 8.700,00Geschäftsanteil zu EUR 4.448,24
7  Geschäftsanteil zu DM 10.000,00Geschäftsanteil zu EUR 5.112,92
8  Geschäftsanteil zu DM 11.600,00Geschäftsanteil zu EUR 5.930,99
9  Geschäftsanteil zu DM 8.100,00Geschäftsanteil zu EUR 4.141,46
10  Geschäftsanteil zu DM 13.400,00Geschäftsanteil zu EUR 6.851,31
11  Geschäftsanteil zu DM 12.700,00Geschäftsanteil zu EUR 6.493,41
12  Geschäftsanteil zu DM 21.000,00Geschäftsanteil zu EUR 10.737,13
13  Geschäftsanteil zu DM 9.200,00Geschäftsanteil zu EUR 4.703,89
14  Geschäftsanteil zu DM 15.000,00Geschäftsanteil zu EUR 7.669,38
15  Geschäftsanteil zu DM 5.000,00Geschäftsanteil zu EUR 2.556,46
16  Geschäftsanteil zu DM 11.600,00Geschäftsanteil zu EUR 5.930,99
17  Geschäftsanteil zu DM 6.800,00Geschäftsanteil zu EUR 3.476,78
18  Geschäftsanteil zu DM 6.800,00Geschäftsanteil zu EUR 3.476,78
19  Geschäftsanteil zu DM 16.800,00Geschäftsanteil zu EUR 8.589,70
20    
21  Geschäftsanteil zu DM 10.600,00Geschäftsanteil zu EUR 5.419,69
22  Geschäftsanteil zu DM 5.000,00Geschäftsanteil zu EUR 2.556,46
23  Geschäftsanteil zu DM 7.700,00Geschäftsanteil zu EUR 3.936,95
24  Geschäftsanteil zu DM 6.900,00Geschäftsanteil zu EUR 3.527,91
25  Geschäftsanteil zu DM 10.800,00Geschäftsanteil zu EUR 5.521,95
26  Geschäftsanteil zu DM 13.200,00Geschäftsanteil zu EUR 6.749,05
27  Geschäftsanteil zu DM 12.200,00Geschäftsanteil zu EUR 6.237,76
28  Geschäftsanteil zu DM 38.800,00Geschäftsanteil zu EUR 19.838,13
29  Geschäftsanteil zu DM 10.800,00Geschäftsanteil zu EUR 5.521,95
30  Geschäftsanteil zu DM 20.700,00Geschäftsanteil zu EUR 10.583,74
31  Geschäftsanteil zu DM 11.000,00Geschäftsanteil zu EUR 5.624,21
32  Geschäftsanteil zu DM 15.600,00Geschäftsanteil zu EUR 7.976,15
33  Geschäftsanteil zu DM 8.200,00Geschäftsanteil zu EUR 4.192,59
34  Geschäftsanteil zu DM 7.400,00Geschäftsanteil zu EUR 3.783,56
35  Geschäftsanteil zu DM 7.500,00Geschäftsanteil zu EUR 3.834,69
36  Geschäftsanteil zu DM 12.700,00Geschäftsanteil zu EUR 6.493,41
37  Geschäftsanteil zu DM 9.000,00Geschäftsanteil zu EUR 4.601,63
38  Geschäftsanteil zu DM 13.100,00Geschäftsanteil zu EUR 6.697,92
39  Geschäftsanteil zu DM 7.200,00Geschäftsanteil zu EUR 3.681,30
40  Geschäftsanteil zu DM 5.000,00Geschäftsanteil zu EUR 2.556,46
41  Geschäftsanteil zu DM 5.000,00Geschäftsanteil zu EUR 2.556,46
42  Geschäftsanteil zu DM 10.100,00Geschäftsanteil zu EUR 5.164,05
43  Geschäftsanteil zu DM 5.000,00Geschäftsanteil zu EUR 2.556,46
44  Geschäftsanteil zu DM 12.900,00Geschäftsanteil zu EUR 6.595,67
45  Geschäftsanteil zu DM 6.000,00Geschäftsanteil zu EUR 3.067,75
46  Geschäftsanteil zu DM 5.000,00Geschäftsanteil zu EUR 2.556,46
47  Geschäftsanteil zu DM 10.000,00Geschäftsanteil zu EUR 5.112,92
48  Geschäftsanteil zu DM 12.600,00Geschäftsanteil zu EUR 6.442,28
49  Geschäftsanteil zu DM 7.300,00Geschäftsanteil zu EUR 4.703,89
50  Geschäftsanteil zu DM 7.300,00Geschäftsanteil zu EUR 3.732,43
51    
52  Geschäftsanteil zu DM 8.000,00Geschäftsanteil zu EUR 4.090,33
53  Geschäftsanteil zu DM 16.900,00Geschäftsanteil zu EUR 8.640,83
54  Geschäftsanteil zu DM 11.600,00Geschäftsanteil zu EUR 5.930,99
gesamt  DM 557.800,00EUR 285.198,61

soweit vorstehend unter lfd. Nr. 54 der Geschäftsanteil im Nennwert in Höhe von 11.600,00 DM/5.930,99 EUR der Beklagten als Inhaberin des Geschäftsanteils zugeordnet ist.

9.

Dem Geschäftsführer A. F. wird für den Abschluss der in TOP 7. und TOP 9. genannten Verträge die Entlastung erteilt.

10.

Den Aufsichtsratsmitgliedern, namentlich …, wird für ihre Beschlussfassung vom 30.12.2013 mit dem die Geschäftsführung angewiesen wurde, die in TOP 7. und TOP 9. genannten Verträge abzuschließen, die Entlastung erteilt.

II.

festzustellen, dass die Regelung in § 2 Abs. 1 der Satzung der A. AG nichtig ist.

Die Beklagte und Berufungsbeklagte beantragt zur Berufung des Klägers Dr. W.,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte und Berufungsbeklagte trägt zur Berufung des Klägers Dr. W. vor,

das Landgericht habe rechtsfehlerfrei angenommen, dass die Klageerweiterung vom 02.03.2015 verspätet gewesen sei. Die Auffassung des Klägers, dass die Anfechtungsfrist erst mit dem Zugang des Beschlussprotokolls beginne, sei unrichtig. Der Kläger habe bereits in der Versammlung am 29.12.2014 die Anfechtung angekündigt. Bei Anwesenheit des Gesellschafters sei die Rechtsprechung einheitlich, dass die Anfechtungsfrist ab Beschlussfassung zu laufen beginne. Der Inhalt der Beschlussfassung sei mit der Feststellung durch den Versammlungsleiter klar gewesen. Die Beschlüsse seien nicht komplex, in der Einladung angekündigt und ohne große Abweichungen gefasst worden. Zudem sei der Kläger in der Versammlung anwaltlich beraten gewesen. Der Bevollmächtigte sei in der Versammlung nicht an der Einsicht in das Beschlussprotokoll des Aufsichtsrats vom 30.12.2013 gehindert worden. Der Notar habe kein unrichtiges Protokoll erstellt. Auch im Übrigen würden die haltlosen Unterstellungen des Klägers zur verspäteten Übersendung des Protokolls bestritten. Die verspäteten Klageanträge des Dr. W. blieben auch nach der Prozessverbindung verspätet, denn jede der Klagen müsse erstmal für sich über die Zulässigkeits- und Sachentscheidungsvoraussetzungen hinwegkommen.·

Eine allgemeine Feststellungsklage auf Feststellung der Nichtigkeit des § 2 Abs. 1 der Satzung sei unzulässig, da sie sich nicht in das System des Kapitalgesellschaftsrechts einfüge und die Nichtigkeit des Unternehmensgegenstandes ausschließlich mit der Nichtigkeitsklage gemäߧ 275 AktG geltend gemacht werden könne. Mit der Klage auf Feststellung der Nichtigkeit von § 2 Abs. 1 der Satzung agiere der Kläger rechtsmissbräuchlich, denn es sei ihm bekannt, dass die zwingende Folge der Nichtigkeitsfeststellung die Liquidation der Beklagten sei. Zudem habe der Kläger den Beschluss zur Umwandlung der Beklagten in eine AG nicht angefochten, was das vorrangige und präventive Rechtsmittel gewesen wäre. Der Versuch des Klägers, nunmehr nachgelagert die Nichtigkeit erreichen zu wollen, sei rechtsmissbräuchlich. Es liege kein Nichtigkeitsgrund vor. Ohne Gesetzes- oder Sittenwidrigkeit gebe es keine Nichtigkeit der Satzungsregelung. Sittenwidrige Begleitumstände genügten nicht. Die Verwerflichkeit müsse sich aus dem Inhalt der Satzung selbst ergeben. Die Satzungsregelung verstoße weder gegen das Gesetz noch gegen die guten Sitten. Zudem sei die bestrittene Nichtigkeit der Satzungsregelung durch die Eintragung der formwechselnden Umwandlung in das Handelsregister am 26.01.2016 geheilt worden.

Im Jahresabschluss 2013 sei keine Rückstellung für Teilgewinnabführungen zu bilden gewesen. Es sei keine ex-post Betrachtung anzustellen. Maßgeblich sei, ob die Geschäftsführung aus ihrer ex-ante Sicht von der Teilgewinnabführungsverpflichtung überzeugt war. Die Geschäftsführung sei davon ausgegangen und gehe weiter davon aus, dass die Teilgewinnabführungsverpflichtung nicht wirksam begründet bzw. zwischenzeitlich durch Kündigungen beendet worden sei. Im Übrigen tangiere eine geringfügige Unter- oder Überbewertung den Schutzzweck der Norm nicht und führe nicht zur Nichtigkeit des Jahresabschlusses.

Nach dem Urteil des BGH vom 16.07.2019, II ZR 426/17, sei weiterhin von der Wirksamkeit der Grundstückskaufverträge auszugehen, so dass auch der Geschäftsführung und dem Aufsichtsrat die Entlastung erteilt werden durfte.

Die Beklagte und Berufungsklägerin beantragt mit ihrer Berufung,

I.

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Mühlhausen vom 06.07.2017, Az. HK O 9/15,

1.

die Klagen abzuweisen und

2.

Herrn H. W. aus der Beklagten, eingetragen im Handelsregister des Amtsgerichts Jena, HRB …, unter der aufschiebenden Bedingung, dass die Beklagte innerhalb von sechs Monaten ab Rechtskraft dieses Urteils Herrn W. 39.440.- Euro als Abfindung zahlt, auszuschließen und seiner Aktien dergestalt für verlustig zu erklären, dass die Beklagte befugt ist, nach ihrer wahl die Einziehung oder die Abtretung der Aktien des Herrn W. an sich oder an einen Dritten vorzunehmen,

3.

hilfsweise,

das Urteil des Landgerichts Mühlhausen vom 06.07.2017, Az. HK O 9/15, aufzuheben und den Rechtsstreit an das erstinstanzliche Gericht zurückzuverweisen.

II.

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Mühlhausen vom 26.10.2017, Az. HK O 16/15, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte und Berufungsklägerin trägt vor,

der Kläger R. habe nach der Abtretung seiner Geschäftsanteile kein berechtigtes Interesse an der Weiterführung des Rechtsstreites. Der Kläger R. könne nur dann ein berechtigtes Interesse an der Fortführung des Prozesses haben, wenn der Ausgang des Verfahrens erhebliche rechtliche Auswirkungen auf den Kaufpreis der Aktien habe. Es sei davon auszugehen, dass der Kläger einen festen Kaufpreis vereinbart habe, der unabhängig von dem Ausgang dieses Rechtsstreites sei.

Das Landgericht sei zutreffend davon ausgegangen, dass die durch den Kläger R. angegriffenen Beschlüsse nicht nichtig seien. Eine Verletzung des Teilnahmerechts eines GmbH-Gesellschafters begründe nur dann die Nichtigkeit der auf der Versammlung gefassten Beschlüsse, wenn die Versammlung vom Einberufungsorgan bewusst auf den Zeitpunkt der Verhinderung bestimmter Gesellschafter gelegt werde. Es gebe keine per se für eine Gesellschafterversammlung unzulässige Zeit. Die wahl eines Zeitpunktes könne daher nur dann in Relation zu einem Gesellschafter als zur Unzeit angesehen werden, wenn dem Einberufungsorgan zum Zeitpunkt der Ladung dessen Verhinderung positiv bekannt ist. Dass dem Einberufungsorgan der Beklagten die Verhinderung des Klägers R. am 09.12.2014, als die Einladung verschickt wurde, bekannt gewesen wäre, habe der Kläger nicht einmal behauptet. Bei dem 29.12. handele es sich nicht um eine typische Urlaubszeit; es gebe überhaupt keine typische Urlaubszeit. Dieser Termin sei gerade gewählt worden, weil bekanntlich viele Gesellschafter hier die Zeit zur Teilnahme hätten. Der Gesetzgeber habe davon abgesehen, Regelungen über die Versammlungszeit zu treffen; in § 121 Abs. 7 AktG gehe er sogar ausdrücklich davon aus, dass Versammlungen an Sonntagen, Sonnabenden oder Feiertagen stattfinden dürften. Der Vortrag des Klägers R. zum Zeitablauf, zur Rechtsunkundigkeit und zur Überrumpelung werde bestritten. Er sei mehr als zwei Wochen vor der Versammlung geladen worden. Eine darüber hinausgehende Vorbereitungszeit sei nicht erforderlich gewesen. Auch seine Behauptungen zur Verhinderung seien widersprüchlich.

Der Kläger R. habe die Anfechtungsfrist nicht gewahrt. Die einmonatige Anfechtungsfrist beginne mit der Beschlussfassung zu laufen und sei am 29.01.2015 abgelaufen. Den Kläger habe eine Erkundigungspflicht getroffen, der er nicht genügt habe, so dass die Anfechtungsfrist jedenfalls am 13.01.2015 begonnen und am 12.02.2015 geendet habe. Der Kläger habe seine Mitgesellschafter nach den gefassten Beschlüssen fragen müssen, habe aber nur die Beklagte um die Übersendung des Protokolls bis zum 15.01.2015 gebeten. Dieser Forderung habe die Beklagte nicht nachkommen können, weil der Notar die Niederschrift anhand seiner Notizen erst am 26.01.2015 errichtet habe. Der Kläger habe auch davon abgesehen, bei der Beklagten einfach nach dem Inhalt der gefassten Beschlüsse zu fragen.

Der Kläger R. sei schon tatsächlich nicht an der Teilnahme verhindert gewesen. Sein Vortrag sei substanzlos und widersprüchlich; Belege habe er nicht vorgelegt. Selbst im Falle einer tatsächlichen Verhinderung des Klägers wäre die Beklagte aber auch nicht verpflichtet gewesen, die Versammlung zu verlegen. Der Kläger habe seine Verhinderung nicht rechtzeitig mitgeteilt. Sein Schreiben sei am 23.12.2014 erst außerhalb der Geschäftszeiten in den Briefkasten gelangt und erst am 29.12.2014 zur Kenntnis genommen worden.

Die in der Gesellschafterversammlung am 29.12.2014 vorgetragenen Ausschlussgründe rechtfertigten den Ausschluss des Klägers Dr. W. Mit dem in Anlage B 10 vorgelegten Schreiben vom 18.12.2014 an die Landverpächter habe der Kläger Dr. W. sich Geschäftsführungsbefugnisse angemaßt und den wirtschaftlichen Ruf der Beklagten geschädigt. Dies habe dazu geführt, dass Landverpächter ihre Verträge mit der Beklagten nicht verlängerten. Der Kläger Dr. W. habe für die von ihm vertretene P. M. GmbH & Co KG verschiedene Pfändungs- und Arrestbeschlüsse erwirkt, die zu Kontensperrungen und Geldhinterlegungen bei Gericht führten. Insoweit wird auf Ziffer 2. des Schriftsatzes der Beklagten vom 12.10.2017 (2 U 492/17, Blatt 1596-1600 d.A.) Bezug genommen. Der Kläger habe des Weiteren die Freigabe von unrechtmäßig erwirkten Arresten und die Aufhebung von Pfändungsmaßnahmen verhindert. Insoweit wird auf Ziffer 3. des Schriftsatzes der Beklagten vom 16.01.2023 (2 U 492/17, Blatt 1952-1962 d.A.) Bezug genommen. Das schadenstiftende Verhalten des Klägers Dr. W. werde dadurch unterlegt, dass er den Antrag auf Feststellung der Nichtigkeit der Satzung gestellt habe, was zur Liquidation der Beklagten führen würde. Der Kläger Dr. W. habe für die von ihm vertretene P. M. GmbH & Co KG unrechtmäßig Teilgewinnabführungsbeträge eingefordert und durch dingliche Arreste sichern lassen, obwohl er die Beträge nicht zur Altschuldentilgung verwende, sondern zweckwidrig in der P. M. behalte. Die Beklagte habe bereits 79.267,69 Euro an Teilgewinnabführungen an die P. M. bezahlt, welche zur Altschuldentilgung zu verwenden gewesen seien. Der Kläger habe aber im Verfahren vor dem OLG mit dem Aktenzeichen 2 U 168/16 am 03.08.2016 erklärt, dass keine Altschulden getilgt würden. Die Teilgewinnabführungsvereinbarung vom 05.10.1992 sei zudem unwirksam. Die von dem Kläger vertretene P. M. weigere sich beharrlich, Auskunft darüber zu erteilen, welche Beträge sie aus den vereinnahmten Geldern aus Teilgewinnabführungen, Verkauf von Wirtschaftsgütern sowie Vermietung und Verpachtung von Wirtschaftsgütern erhalten habe und ob sie diese verwende, um die Altschulden zu bedienen. Dadurch könne nicht festgestellt werden, ob die Beklagte noch zur Teilgewinnabführung verpflichtet ist. Der Kläger benachteilige die Beklagte, indem er ausschließlich die Beklagte auf genau 20% in Anspruch nehme. Bis 2004 habe die Beklagte hingegen nie genau 20% abführen müssen. Die P. L. A. GmbH … habe in den letzten Jahren trotz gleichlautender Teilgewinnabführungserklärung ohne sachliche Rechtfertigung weniger als 4% ihres Gewinns an die P. M. abgeführt und die Betriebsmittel und Immobilien GmbH nur 6,18 % ihres Gewinns. Damit habe der Kläger die Beklagte schuldhaft wirtschaftlich geschädigt. Ein Verschulden sei zudem nicht einmal erforderlich, es lägen genügend Sachverhaltselemente vor, die zeigten, dass der Kläger zum Nachteil der Beklagten handele. Der Kläger Dr. W. habe eine Strafanzeige gegen Herrn H. eingebracht, was ebenfalls Ausschlussgrund sei. Das Verhalten des Klägers Dr. W. habe zu einer dauerhaften Zerrüttung zwischen ihm und den anderen Mitgesellschaftern geführt. Die Mitgesellschafter und der Kläger seien wegen der unberechtigten Klageflut des Klägers und deren Ausmaße, den Anschreiben an die Landverpächter, der Strafanzeigen gegen die Geschäftsführung und der Unverfrorenheit, Teilgewinnabführungen nicht zur Altschuldentilgung zu verwenden, derart zerstritten, dass eine sachgerechte Zusammenarbeit ausgeschlossen sei.

Da der Ausschluss des Klägers Dr. W. im Zeitpunkt der Beschlussfassung am 29.12.2014 wirksam erfolgt sei, sei auch die Abweisung der Widerklage fehlerhaft. Der Betrag von 39.440.- Euro entspreche dem Verkehrswert der Beteiligung des Klägers.

Die Anfechtung des Beschlusses, die genannten Kaufverträge und Unterpachtverträge der Beklagten mit der L. U. GmbH … und der Agrarp. … GmbH zu genehmigen, sei gegenstandslos. Da der zu Tagesordnungspunkt 7 am 29.12.2014 gefasste Beschluss, mit dem die Rückabwicklung der Verträge abgelehnt wurde, unanfechtbar wirksam sei, sei die Rückabwicklung der Verträge ausgeschlossen. Darin stecke zugleich die Genehmigung der Verträge. Dies sei mit jenen Konstellationen vergleichbar, in denen ein bestätigender oder wiederholender Beschluss gefasst werde, der seinerseits nicht angefochten werde. Dem Antrag fehle daher das Rechtsschutzbedürfnis. Zudem sei durch § 6b) und 6c) des Gesellschaftsvertrages die Kompetenz zur Zustimmung auf den Aufsichtsrat verlagert worden und die erforderliche Zustimmung liege mit dem Beschluss des AufsichtsratsBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Beschluss
Beschluss des Aufsichtsrats
vom 30.12.2013 vor. Die Gesellschafterversammlung sei in ihrer Abstimmungsentscheidung frei gewesen, zumal sogar ein Auflösungsbeschluss grundfrei erfolgen könne. Der Beschluss verstoße nicht gegen die Teilgewinnabführungsverpflichtung. Es werde bestritten, dass es sich bei den Vertragspartnern um „Parallelgesellschaften“ der Beklagten handele. Zu deren behaupteter Gewinnentwicklung erkläre sich die Beklagte mit Nichtwissen. Bei der Agrarp. GmbH habe es jedenfalls ausweislich der Jahresabschlüsse keine exorbitante Gewinnexplosion gegeben.

Im Jahresabschluss 2013 sei keine Rückstellung für Teilgewinnabführungen zu bilden gewesen. Es dürfe keine ex-post Betrachtung angestellt werden, sondern es sei maßgeblich, ob die Geschäftsführung aus ihrer ex-ante Sicht von dieser Verpflichtung überzeugt gewesen sei. Die Geschäftsführung sei davon ausgegangen, dass die Teilgewinnabführung nicht wirksam begründet worden bzw. zwischenzeitlich durch Kündigungen beendet worden sei. Ein diesbezüglicher Fehler sei für die Darstellung aber jedenfalls nicht erheblich.

Die Entlastungen seien wirksam. Es sei auch nach der Entscheidung des BGH im Verfahren II ZR 426/17 von der Wirksamkeit der Grundstückskaufverträge auszugehen. Damit habe der Geschäftsführung und dem Aufsichtsrat die Entlastung erteilt werden dürfen. Der Antrag, dem Kläger R. die beschränkte Erbenhaftung vorzubehalten, sei abzuweisen. Voraussetzung für einen Vorbehalt sei, dass der Erbe wegen einer reinen Nachlassverbindlichkeit in Anspruch genommen werde. Bei den Kosten des vom Erben aufgenommenen Rechtsstreites handele es sich um Eigenschulden und nicht um Nachlassverbindlichkeiten.

Die Kläger und Berufungsbeklagten beantragen zur Berufung der Beklagten,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Kläger tragen zur Berufung der Beklagten vor,

die in der Gesellschafterversammlung am 29.12.2014 gefassten Beschlüsse seien nichtig, weil sie unter Verletzung der Mitwirkungs- und Teilnahmerechte des Klägers R. zustande gekommen seien. Der Kläger R. sei urlaubsbedingt ortsabwesend gewesen. Ein zur Nichtigkeit der Beschlussfassung führender Einberufungsmangel liege vor, wenn er der Nichtladung des Gesellschafters gleichkomme. Mit der außerordentlichen Gesellschafterversammlung habe nicht gerechnet werden müssen und das Datum liege in einem Zeitraum, welcher erfahrungs- und erwartungsgemäß zur Urlaubs- und Familienzeit genutzt werde. Der Kläger R. sei dadurch an der Teilnahme gehindert worden. Nach der Satzung sei eine Vertretung durch einen Dritten nicht zulässig. Dem Kläger wäre es auch unmöglich gewesen, sich im Vorfeld in angemessenem Umfang auf die Versammlung vorzubereiten. Er sei bis einschließlich 23.12.2014 als Einzelhändler auf diversen Märkten tätig gewesen, was der Beklagten bekannt gewesen sei. Am 24.12. habe er seinen Urlaub begonnen, welcher bis zum 30.12. angedauert habe. Da in der Gesellschafterversammlung eine vollständige Neuausrichtung der Gesellschaft beschlossen werden sollte, hätte die Versammlung verlegt werden müssen. Er habe der Beklagten seine Verhinderung rechtzeitig mitgeteilt, da er das Schreiben am 23.12.2014 um 15 Uhr 10 durch den Gerichtsvollzieher habe zustellen lassen.

Der Kläger R. habe die Anfechtungsfrist gewahrt. Für die Frist sei auf den Zeitpunkt der Kenntniserlangung von den konkreten Beschlussinhalten abzustellen. Der Kläger habe alles Zumutbare unternommen, um den Beschlussinhalt in Erfahrung zu bringen. Er habe sowohl mehrfach die Gesellschaft als auch die Mitgesellschafter aufgefordert, mitzuteilen, welche Beschlüsse mit welchem Inhalt gefasst wurden. Die Erbschaft und die Abtretung der Aktien habe gemäß § 265 Abs. 2 ZPO keinen Einfluss auf das vorliegende Verfahren. Das rechtliche Interesse bestehe fort. Es werde versucht, die Kläger daran zu hindern, ihre berechtigten interessen im Zusammenhang mit der kalten Liquidation der Beklagten geltend zu machen, beispielsweise die Initiierung der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegenüber dem Vorstand.

Ein Grund für den Ausschluss des Klägers Dr. W. bestehe nicht im Ansatz. Es werde bestritten, dass Landverpächter der Beklagten in Folge des Schreibens des Klägers Dr. W. vom 18.12.2014 die Pachtverträge nicht verlängert hätten. Tatsächlich hätten die Organvertreter der Beklagten im kollusiven Zusammenwirken alles unternommen, um auf die rechtswidrige Überlassung von Pachtflächen durch den Abschluss der Unterpachtverträge und sodann Übertragung der Pachtverträge auf die Parallelgesellschaften hinzuwirken. Die Teilgewinnabführungsvereinbarung sei wirksam und die Beklagte sei zur Abführung ihres anteiligen Jahresüberschusses verpflichtet. Der Kläger Dr. W. habe in Wahrnehmung seiner Pflichten als Geschäftsführer der Komplementärin der P. M. die Rechte aus der Teilgewinnabführungsvereinbarung durchgesetzt. Es werde bestritten, dass die gezahlten Beträge nicht für die Rückführung der Altschulden eingesetzt würden. Die Tilgungsverpflichtung der P. M. ergäbe sich allein aus der mit der Bank abgeschlossenen Rangrücktrittsvereinbarung. Namentlich sei die P. M. allein dann zur Tilgung von Altschulden verpflichtet, wenn ihrerseits ein Jahresüberschuss entstehe und aus diesem dann anteilig ein Betrag zur Tilgung der Altschulden an die Bank abzuführen sei. Da Herr H. auf die Strafanzeige des Klägers Dr. W. hin im Juli 2014 wegen versuchten Prozessbetrugs rechtskräftig verurteilt worden sei, stehe fest, dass der Kläger mit der Einreichung der Strafanzeige keine Pflichten als Gesellschafter der Beklagten verletzt habe. In der Gesellschafterversammlung sei ausschließlich diese Strafanzeige thematisiert worden. Zudem sei Herr H. im Juli 2014 kein Mitglied der Geschäftsführung der Beklagten gewesen. Die Behauptung der Beklagten, der Kläger Dr. W. habe die Freigabe arrestierter Forderungen verhindert, beziehe sich auf die Zeit ab 2018. Dies könne als Grund für den Ausschluss nicht nachgeschoben werden. Der Kläger habe bezüglich der Erwirkung von Arresten und einstweiligen Verfügungen seine Pflichten als Geschäftsführer der P. M. wahrgenommen. Arrestanspruch und Arrestgrund seien gerichtlich bestätigt worden. Ihr Erlass sei zu keinem Zeitpunkt unter Darstellung falscher Tatsachen oder in sonstiger Weise unrechtmäßig erwirkt worden. Eine Übersicherung habe niemals vorgelegen.

Die Ausführungen der Beklagten zur vorgeblich durch den Kläger Dr. W. verursachten Zerrüttung seien zurückzuweisen. Die organschaftliche Vertretung der Beklagten sei mindestens seit 2005 nicht mehr der Pflicht nachgekommen, sich vertragskonform zu verhalten. Ferner sei zu berücksichtigen, dass der Großteil der Mitgesellschafter Gesellschafter der parallel gegründeten L. GmbH geworden seien, welche von den rechtswidrigen Transaktionen profitiere. Die Beklagte versuche, den wahren Hintergrund zu verschleiern, dass nämlich durch die fortwährende Verletzung der Legalitätspflicht unter Missachtung der Eigeninteressen der Beklagten allein in den Geschäftsjahren 2014 und 2015 ein Verlust in Höhe von 637.901,94 Euro entstanden sei, welchem Rechts- und Beratungskosten in Höhe von 458.846,01 Euro gegenüberstünden.

Die Behauptung sei absurd, der Kläger Dr. W. verfolge die Liquidation der Beklagten. Es sei umgekehrt so, dass der Kläger die interessen der Beklagten wahrnehme. Es sei die kompensationslose Verlagerung des Geschäftsbetriebes der Beklagten auf Parallelgesellschaften beabsichtigt. Die Beklagte habe sich in den zurückliegenden Geschäftsjahren selbst geschädigt. Insbesondere hätten im Jahre 2014 erhebliche Transaktionen zu Lasten der Beklagten und zu Gunsten der gegründeten Parallelgesellschaften, der L. U. GmbH und der Agrarp. … GmbH, stattgefunden. Es seien landwirtschaftliche Grundlagen und für die Aufrechterhaltung des landwirtschaftlichen Geschäftsbetriebs notwendige Wirtschaftsgüter und Rechte auf der Grundlage nichtiger Verträge und diesbezüglicher Auflassungen auf die Parallelgesellschaften übertragen worden. Den Verlusten der Beklagten stünden für die Jahre 2014 und 2015 Gewinne der Parallelgesellschaften gegenüber. Die Beklagte sei nach der Verlagerung der Wirtschaftsgüter als leere Hülle zurückgeblieben. Bei Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs ohne die kompensationslosen Verlagerungen auf die Parallelgesellschaften würde die Beklagte einen Wert von mindestens 4,5 Mio. Euro aufweisen.

Es stehe fest, dass die Beklagte trotz der formwechselnden Umwandlung an den Teilgewinnabführungsvertrag gebunden sei und auf dieser Grundlage 20% ihres Jahresüberschusses an die P. M. abzuführen habe. Deswegen sei im Jahresabschluss 2013 eine Rückstellung in Höhe von 20% des Jahresüberschusses zu bilden gewesen. Es handele sich um eine wesentliche Beeinträchtigung des Bildes der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage, da die Rückstellung ins Verhältnis zu dem ausschüttbaren Gewinn zu bringen sei. Eine Heilung des Mangels sei ausgeschlossen, da die Klage rechtzeitig anhängig gemacht worden sei.

Die Abweisung der Klage auf Feststellung der Nichtigkeit der Grundstückskaufverträge entfalte keine präjudizielle Wirkung, da die Feststellung der Nichtigkeit eines Vertrages an gänzlich andere Voraussetzungen geknüpft sei als die Feststellung der Nichtigkeit/Anfechtbarkeit von Gesellschafterbeschlüssen. Mit der Genehmigung der Verträge gemäß der Beschlussfassung zu TOP 9 werde gegen die Teilgewinnabführungsvereinbarung verstoßen. Der Geschäftsbetrieb der Beklagten werde kompensationslos, da ohne Realisierung des Firmenwertes, verlagert. Mit der Beschlussfassung werde gegen den Unternehmensgegenstand verstoßen. Das vermeintliche neue Geschäftsmodell der Beklagten sei von vorneherein ungeeignet gewesen, da keine Gewinnerzielungsmöglichkeit bestanden habe. Insoweit wird ergänzend auf die Darlegungen im Schriftsatz der Kläger vom 24.01.2023, Seiten 18ff. (BI. 1989ft. d.A.) Bezug genommen.

Der Kläger R. beantragt des Weiteren,

ihm die Beschränkung der Erbenhaftung vorzubehalten.

Hierzu beantragt die Beklagte, den Antrag abzuweisen.

Zur Begründung führt die Beklagte aus, der Vorbehalt käme nicht in Betracht, da es sich bei den Kosten des durch den Erben aufgenommenen Rechtsstreites nicht um Nachlassverbindlichkeiten handele, sondern um Eigenschulden des Erben.

Mit Beschluss vom 05.12.2018 (Blatt 1912 -1917 der Akte) hat der Senat die Verhandlung bis zur Entscheidung des BGH über die Nichtzulassungsbeschwerden bzw. Revisionen in den Verfahren II ZR 426/17 (betreffend 2 U 89/17) und II ZR 175/18 (betreffend 2 U 79/15) ausgesetzt. Nach Zulassung der Revision hat der BGH die Revision gegen das Urteil des Senats vom 16.08.2015 (2 U 79/15) zurückgewiesen. Nach Zulassung der Revision hat der BGH das Urteil des Senats vom 06.12.2017 (2 U 89/17) aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. Mit Urteil vom 25.08.2021 hat der Senat das angefochtene Urteil des Landgerichts Mühlhausen abgeändert und die Klage abgewiesen (2 U 89/17). Die dagegen erhobene Nichtzulassungsbeschwerde hat der Senat mit Beschluss vom 24.05.2022, Az. II ZR 154/21) zurückgewiesen. Das vorliegende Verfahren wurde mit Terminsbestimmung vom 01.07.2022 (Blatt 1924 der Akte) wieder aufgenommen.

II.

Auf die Berufungen des Klägers Dr. W. und der Beklagten sind die angefochtenen Urteile abzuändern.

1.

Herr M. G. R. wurde mit dem Erbfall am 01.12.2021 als Alleinerbe des verstorbenen Herrn S. R. dessen Gesamtrechtsnachfolger (§ 1922 Abs. 1 BGB). Da kein Aussetzungsantrag gestellt worden ist, ist keine Unterbrechung des Rechtsstreites eingetreten (§ 246 Abs. 1 ZPO). Der Alleinerbe ist als Gesamtrechtsnachfolger auch Partei im vorliegenden Rechtsstreit geworden und die mündliche Verhandlung ist ohne einen ausdrücklichen Ausspruch über die Rechtsnachfolge fortgesetzt worden. Die Rechtsnachfolge ist durch die Aufnahme des Erben in das Rubrum berücksichtigt worden (vgl. Zöller-Greger, ZPO, 34. A., § 239 ZPO, Rn. 11 ).

Die Abtretung der ererbten Aktien an Frau T. R. und Herrn T. R. hat auf den Rechtsstreit im vorliegenden Fall keinen Einfluss; der Kläger R. ist zur Fortführung des Prozesses befugt. Unstreitig trat Herr R. das verbriefte Recht nach dem Erbfall und damit im Laufe des anhängigen Rechtsstreites ab. In der GmbH ist jeder im Zeitpunkt der Klageerhebung in der in das Handelsregister aufgenommenen Gesellschafterliste genannte Gesellschafter klagebefugt (Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, 20. A., Anh. § 47 GmbHG, Rn. 70). Die Klagebefugnis des verstorbenen Herrn R. stand außer Streit; sie ging auf den Alleinerben als den Gesamtrechtsnachfolger über. Mit dem Verlust der Gesellschafterstellung geht im Grundsatz der Verlust der Klagebefugnis einher (vgl. BGH, Urteil vom 9. Oktober 2006-11 ZR 46/05-, BGHZ 169, 221-232, Rn. 20). Die Rechtsfolge der fehlenden Klagebefugnis ist die Unbegründetheit der Klage (BGH, Urteil vom 24. April 2006-11 ZR 30/05-, BGHZ 167, 204-214, Rn. 15). Soweit ein Anfechtungsberechtigter alle seine Anteile veräußert, geht das Anfechtungsrecht auf den Erwerber über (BGH, Urteil vom 25. Februar 1965 – II ZR 287/63 -, BGHZ 43, 261-269, Rn. 43; Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Urteil vom 16. März 2000 – 5 U 244/97 -, Rn. 30, juris). Bei Abtretung eines Geschäftsanteils während der Rechtshängigkeit der gesellschaftsrechtlichen Anfechtungs- und/oder Nichtigkeitsklage gilt aber der Rechtsgedanke des§ 265 ZPO (Lutter/Hommelhoff – Bayer, GmbHG, 20. A., Anh. § 47 GmbHG, Rn. 30, 72). Sowohl in der GmbH als auch in der AG kann ein Gesellschafter, der einen Beschluss mit der Nichtigkeits- und/oder Anfechtungsklage angegriffen hat, den Rechtsstreit nach § 265 ZPO auch nach der Veräußerung seines Geschäftsanteils fortsetzen, sofern er daran noch ein rechtliches Interesse hat. Da die Anfechtungsbefugnis ein aus der Mitgliedschaft unmittelbar folgendes Verwaltungsrecht ist und nach dem Normzweck des § 265 Abs. 2 ZPO außer der verklagten Partei zumindest auch das Interesse des ursprünglichen Rechtsinhabers und Klägers an der Weiterführung des Prozesses geschützt werden soll, ist der Rechtsgedanke dieser Vorschrift gleichermaßen im GmbH-Recht wie im Aktienrecht auf den Fall der Veräußerung der Mitgliedschaft während des laufenden Prozesses anzuwenden (BGH, Urteil vom 9. Oktober 2006 – II ZR 46/05, BGHZ 169, 221-232, Rn. 15). Das rechtliche Interesse des Veräußerers an der Fortsetzung des Rechtsstreites kann nicht allein auf die Verletzung von Gesetz und/oder Satzung gestützt werden (Münchener Kommentar zum AktG – Schäfer, 5. A., § 245 AktG, Rn. 27). Andererseits sind an die Begründung des rechtlichen Interesses auch keine hohen Anforderungen zu stellen (Bayer, GmbHG 2015, 505, 511 ). Die bloße Möglichkeit eines Schadensersatzanspruchs reicht aus, um darzutun, dass der Gesellschafter auch nach seinem Ausscheiden aus der Gesellschaft noch ein rechtliches Interesse an der Fortsetzung des Rechtsstreits hat (BGH, Urteil vom 25. Februar 1965-11 ZR 287/63-, BGHZ 43, 261-269, Rn. 48). Die Möglichkeit eines Schadensersatzanspruches ergibt sich im vorliegenden Fall aus der Behauptung der Kläger, es seien bereits in den Geschäftsjahren zuvor Gewinne der Beklagten treuwidrig auf Parallelgesellschaften verlagert worden, an denen nur sie nicht beteiligt wurden. Auch Gründe der Prozesswirtschaftlichkeit finden Beachtung (vgl. (BGH, Urteil vom 9. Oktober 2006 – II ZR 46/05-, BGHZ 169, 221-232, Rn. 24); die Regelung in§ 265 Abs. 2 ZPO dient auch der prozessökonomie (OLG KoblenzBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG Koblenz
, Urteil vom 27. Januar 2005 – 6 U 342/04 -, Rn. 12, juris; Nietsch, NZG 2007, 451, 453). Um dem Erfordernis der Prozesswirtschaftlichkeit gerecht zu werden, ist auch die Sachdienlichkeit der Prozessfortführung zu beurteilen. Sie liegt nach allgemeiner Definition vor, wenn die Fortsetzung des Prozesses dazu beiträgt, den sachlichen Streitstoff zwischen den Parteien im Rahmen des anhängigen Verfahrens auszuräumen und einen weiteren prozess zu vermeiden, wenn Zusammengehörendes in demselben prozess verhandelt und nicht auseinandergerissen wird (Nietsche, aaO). Deswegen ist vorliegend auch zu berücksichtigen, dass der Rechtsstreit zur Entscheidungsreife gelangt ist.

2.

Beschlussmängel, die nicht zur Nichtigkeit der angegriffenen Beschlüsse entsprechend §§ 249, 241 AktG führen, sondern zur Anfechtbarkeit entsprechend §§ 246, 243 AktG, mussten vorliegend fristgerecht mit der Anfechtungsklage geltend gemacht werden.

a)

Die hier streitgegenständlichen Beschlüsse wurden in der Gesellschafterversammlung der Beklagten am 29.12.2014 gefasst, als die Beklagte noch die Rechtsform der GmbH hatte.

Unter Punkt 12.1 der Tagesordnung wurde der Beschluss gefasst, die Gesellschaft formwechselnd in eine Aktiengesellschaft umzuwandeln (Niederschrift der Gesellschafterversammlung vom 29.12.2014, Anlage K 14, Seiten 33 – 42). Die formwechselnde Umwandlung wurde am 26.01.2016 in das Handelsregister eingetragen (Verfahrensakte zu HK O 16/15, Anlage B 16, BI. 475, 476 d.A.). Die Eintragung hat konstitutive Wirkung; die Umwandlung wurde daher mit ihrer Eintragung wirksam, § 202 Abs. 1 Nr. 1 UmwG (Lutter-Hoger, UmwG, 6. A., § 202 UmwG, Rn. 5, 6). Mit der Wirksamkeit des Formwechsels besteht der formwechselnde Rechtsträger in der in dem Umwandlungsbeschluss bestimmten Rechtsform weiter. Es besteht eine Identität des Rechtsträgers; eine Vermögensübertragung im Wege der Gesamtrechtsnachfolge findet nicht statt. Das Vermögen des formwechselnden Rechtsträgers ist nach dem Formwechsel Vermögen des Rechtsträgers neuer Rechtsform (Lutter – Hoger, aaO, § 202 UmwG, Rn. 7). Er bleibt Inhaber des Vermögens mit allen Rechten und Pflichten (BGH, Urteil vom 16. Juli 2019 – II ZR 175/18 -, Rn. 30, juris). Fehlerhafte Gesellschaftsakte werden grundsätzlich durch einen Formwechsel nicht geheilt, sondern die Fehler bestehen fort (Lutter – Hoger, aaO, § 202 UmwG, Rn. 30). Die Anfechtbarkeit und/oder Nichtigkeit der streitgegenständlichen Beschlüsse richtet sich daher nach den für die Beklagte als GmbH geltenden Normen.

b)

Wenn weder eine verbindliche Beschlussfeststellung vorliegt, noch das Ergebnis der Abstimmung klar ist, weil sich die Gesellschafter insoweit nicht einig sind, ist eine allgemeine Feststellungsklage nach § 256 Abs. 1 ZPO zur Feststellung des Zustandekommens oder Nichtzustandekommens eines Beschlusses anerkannt, als positive Beschlussfeststellungsklage oder als negative Ergebnisfeststellungsklage (Noack – Noack, GmbHG, 23. A., Anh. § 47 GmbHG, Rn. 19, 124, 181f.; BGH, Urteil vom 01. März 1999, II ZR 205/98, GmbH-Recht 1999, 477; BGH, Urteil vom 13. November 1995 – II ZR 288/94-GmbH-Recht 1996, 48). Diese Feststellungsklage unterliegt nicht einer mit § 246 AktG vergleichbaren materiellen Ausschlussfrist, sondern den allgemeinen Grundsätzen der Verwirkung (BGH, Urteil vom 11. Februar 2008, NZG2008, 317; BGH, Urteil vom 01. März 1999, NJW 1999, 2268). Im vorliegenden Fall sind aber die §§ 243ff. AktG entsprechend anzuwenden, weil jedenfalls das Ergebnis der Abstimmung klar ist.

aa)

Ob eine verbindliche Beschlussfeststellung durch Herrn F. vorliegt, ist zweifelhaft. Der Gesellschaftsvertrag der Beklagten (2 U 492/17, Anlage K11) enthält keine Regelung zur Versammlungsleitung. Ausweislich der notariellen Niederschrift wurde Herr F. zwar mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen wirksam zum Versammlungsleiter gewählt, weil insoweit eine Wahl mit einfacher Mehrheit ausreichend und wirksam ist (Noack – Noack, aaO, § 48 GmbHG, Rn. 16; Lutter/Hommelhoff -Bayer, GmbHG, 20. A., § 48 GmbHG, Rn. 17a; BGH, Urteil vom 04. Mai 2009 – II ZR 166/07-, Rn. 7, juris). Es ist aber streitig, ob mit dieser wahl bereits die Kompetenz zur verbindlichen Beschlussfeststellung verbunden ist (dagegen: Noack – Noack, aaO, Anh. § 47 GmbHG, Rn. 120; OLG FrankfurtBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG Frankfurt
, Beschluss vom 04. Dezember 1998 – 5 W 33/98 -, Rn. 11, juris; dafür: Münchener Kommentar zur GmbH/Liebscher, 3. Aufl. 2019, GmbHG § 48 Rn. 107b; Henssler/Strohn/Hillmann, Gesellschaftsrecht, 5. Aufl. 2021, GmbHG § 48 Rn. 14). Zudem erklärte Rechtsanwalt Sch. namens des Klägers Dr. W. mehrfach, dass dieser die Beschlussfeststellung durch Herrn F. nicht akzeptierte. Es liegt daher auch keine widerspruchslose Feststellung vor (dazu: Lutter/Hommelhoff – Bayer, aaO, Anh. § 47 GmbHG, Rn. 38; § 48 GmbHG, Rn. 17a).

bb)

Die § 243 ff. AktG sind aber auch dann entsprechend anzuwenden, wenn es ohne eine förmliche Beschlussfeststellung durch einen Versammlungsleiter keine Unklarheit über das Ergebnis der Beschlussfeststellung gibt (Lutter/Hommelhoff- Bayer, aaO, Anh. § 47 GmbHG, Rn. 38; Noack- Noack, aaO, Anh. § 47 GmbHG, Rn. 120a, 124; OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG München
, Urteil vom 14. August 2014-23 U 4744/13-, Rn. 76, juris; OLG CelleBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG Celle
, Urteil vom 15. Mai 1996 – 9 U 185/95 -, Rn. 20, juris). Ein förmliches Festhalten der Beschlussfassung ist auch auf andere Weise möglich, soweit das Ziel, Unsicherheit über die Fassung eines Beschlusses zu beseitigen, erreicht wird (BGH, Urteil vom 11. Februar 2008 – II ZR 187/06 -, Rn. 24, juris).

Das in Anlage K5 vorgelegte Protokoll der Gesellschafterversammlung enthält die Feststellung des Abstimmungsverhaltens und des konkreten Inhaltes der mit den Stimmen der anwesenden Gesellschafter gefassten Beschlüsse. Damit ist das Abstimmungsverhalten und der Beschlussinhalt im Einzelnen dokumentiert worden. Durch den Inhalt des über den Ablauf der Gesellschafterversammlung gefertigten Protokolls ist zweifelsfrei ersichtlich, mit wessen Stimmen welcher Beschluss mit welchem konkreten Inhalt gefasst wurde. Es haben sich insoweit auch für die Parteien keine Unklarheiten ergeben. In diesem Falle sind Beschlussmängel durch die gesellschaftsrechtliche Anfechtungs- und/ oder Nichtigkeitsklage geltend zu machen (Noack – Noack, aaO, Anh. § 47 GmbHG, Rn. 120; Lutter/Hommelhoff-Bayer, aaO, Anh. § 47 GmbHG, Rn. 38; Rohwedder – Koppensteiner, GmbHG, 4. A., § 47 GmbHG, Rn. 10). Da das GmbHG keine eigenständige Regelung über die Geltendmachung von Beschlussmängeln enthält – ebenso wenig wie der Gesellschaftsvertrag der Beklagten als GmbH – sind die aktienrechtlichen Vorschriften entsprechend heranzuziehen (BGH, Urteil vom 11. Februar 2008 – II ZR 187/06 -, Rn. 22, juris).

c)

Bei Anfechtungsklagen gegen die Beschlüsse der Gesellschafterversammlung einer GmbH ist die Monatsfrist des § 246 Abs. 1 AktG – sofern die Satzung, wie hier, keine abweichende Regelung enthält – grundsätzlich einzuhalten. Innerhalb dieser Frist müssen auch die Anfechtungsgründe in ihrem wesentlichen tatsächlichen Kern in den Rechtsstreit eingeführt werden. Wird die Monatsfrist überschritten, kommt es darauf an, ob zwingende Umstände den Gesellschafter an einer früheren klageweisen Geltendmachung des Anfechtungsgrundes gehindert haben (BGH, Beschluss vom 13. Juli 2009- II ZR 272/08 -, juris). Binnen der Anfechtungsfrist muss der maßgebliche Lebenssachverhalt, aus dem der Kläger die Anfechtbarkeit des Beschlusses herleiten will, vorgetragen werden (BGH, Urteil vom 14. März 2005-11 ZR 153/03-, Rn. 17, juris).

3.

Durch den Kläger Dr. W. sind Anfechtungsgründe fristgerecht vorgetragen worden, soweit sie bereits in der Klageschrift vom 29.01.2015 in ihrem wesentlichen Kern hinreichend dargestellt wurden. Soweit dies aber erst mit der Klageerweiterungsschrift vom 02.03.2015 erfolgt ist, ist der Vortrag verfristet und sind diese Anfechtungsgründe im Rahmen der Begründetheit der Anfechtungsklage nicht zu berücksichtigen.

a)

Vortrag in der Klageschrift vom 29.01.2015 ist fristgerecht.

Nach der Beschlussfassung am 29.12.2014 lief die in § 246 Abs. 1 AktG benannte Monatsfrist mit dem 29.01.2015 ab. Die Klage wurde am 30.01.2015 um 3.36 Uhr anhängig (2 U 492/17, Blatt 1 der Akte) und der Beklagten am 18.02.2015 zugestellt (2 U 492/17, Blatt 145 der Akte). Die Zustellung wirkt gemäߧ 167 ZPO auf den Zeitpunkt der Anhängigkeit zurück, weil dem Kläger keine Verzögerung der KlagezustellungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Klagezustellung
Verzögerung der Klagezustellung
zuzurechnen ist. Die Zahlung des Gerichtskostenvorschusses musste durch den Kläger nicht schon mit der Klageeinreichung erfolgen (Zöller – Greger, ZPO, 32. A., § 167 ZPO, Rn. 15). Der Vorschuss wurde durch das Landgericht mit Verfügung vom 04.02.2015 angefordert (2 U 492/17, Blatt I der Akte) und vom Kläger am 05.02.2015 eingezahlt (2 U 492/17, Blatt 11 der Akte). Der übrige Zeitablauf bis zur Zustellung beruhte auf gerichtsinternen Vorgängen.

Es ist unschädlich, dass die Klage 3 Stunden und 36 Minuten nach Fristablauf anhängig gemacht wurde. Der Zweck der Anfechtungsfrist liegt darin, eine Gefährdung der Zweckverfolgung durch die Gesellschaft durch eine lange Unsicherheit über den Bestand von Gesellschafterbeschlüssen zu vermeiden (Noack – Noack, aaO, Anh. § 47 GmbHG, Rn. 8).

Der Zeitraum der vermeidbaren Unsicherheit wurde durch die Fristüberschreitung um wenige Stunden nicht verlängert, weil Maßnahmen des Gerichtes zur Förderung des Verfahrens sowieso erst im Verlauf des 30.01.2015 getroffen werden konnten. Die Fristüberschreitung ist daher unwesentlich (s.a. Scholz-Schmidt, GmbHG, 12. A., § 45 GmbHG, Rn. 143).

b)

Vortrag in der Klageerweiterung vom 02.03.2015 ist hingegen verspätet.

Die Klageerweiterungsschrift vom 02.03.2015 wurde am 11.03.2015 anhängig (2 U 492/17, Blatt 147 der Akte). Zwar hat die Zustellung, die am 16.03.2015 erfolgt ist, gemäß § 167 ZPO auf den Zeitpunkt der Anhängigkeit zurückgewirkt, weil bis zur Zustellung kein wesentlicher Zeitraum verflossen war, aber die Klageerweiterung ist schon verspätet anhängig gemacht worden, denn die Anfechtungsfrist, die unter Zugrundelegung der Frist des§ 246 Abs. 1 AktG am 29.01.2015 ablief, ist um etwa 6 Wochen überschritten worden und zwingende Gründe für die erhebliche Überschreitung der Anfechtungsfrist liegen nicht vor.

aa)

Eine Überschreitung der Monatsfrist kann gerechtfertigt sein, wenn die zu klärenden rechtlichen und tatsächlichen Fragen von erheblicher Schwierigkeit sind (BGH, Urteil vom 12. Oktober 1992 – II ZR 286/91-, Rn. 8, juris; BGH, Urteil vom 14. Mai 1990 – II ZR 126/89, Rn. 9, juris). Solche Fälle sind aber nur in eng begrenzter Ausnahme anzuerkennen (BGH, Urteil vom 18. April 2005 – II ZR 151/03-, Rn. 13, juris). Dies ist hier nicht der Fall.

Die Beklagte lud den Kläger mit Schreiben vom 09.12.2014 unter weitgehend wörtlicher Benennung der Beschlussvorlagen und unter Beifügung von Anlagen zur Gesellschafterversammlung ein. Ergänzungswünsche brachte der Kläger nicht an. Die Zeit seit dem Erhalt der Einladung bis zur Durchführung der GesellschafterversammlungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Durchführung der Gesellschafterversammlung
Gesellschafterversammlung
ist zu berücksichtigen, da der Kläger sie zur Vorbereitung auf die Beschlussgegenstände nutzen konnte. Die Beschlussgegenstände waren, soweit sie Gegenstand der Anfechtung sind, für die Beklagte als GmbH nicht ungewöhnlich, sondern zur regelmäßig wiederkehrenden Befassung durch die Gesellschafter gehörend. Der Kläger ist insoweit nicht unerfahren, sondern hat, wie dem Senat aus den vorangegangenen Berufungsverfahren dienstlich bekannt ist, bereits verschiedentlich Beschlussfassungen der Beklagten angefochten und wurde zudem in der Gesellschafterversammlung durch seinen Prozessbevollmächtigten betreut, der ausweislich der Niederschrift zu verschiedenen Gegenständen auch Fragen stellte und Erklärungen abgab, mithin in Bezug auf die Beschlussgegenstände handlungsfähig war. Zudem macht der Kläger selbst geltend, seinen Willen zur Anfechtung der Beschlüsse bereits in der Gesellschafterversammlung kundgetan zu haben.

bb)

Der Kläger war auch nicht auf den Erhalt der notariellen Niederschrift angewiesen, um den Inhalt der Beschlussfassung festzustellen.

Der Kläger und sein Prozessbevollmächtigter waren auf der Versammlung anwesend und konnten die Lage, den Ablauf und den Inhalt der Beschlussfassung unmittelbar wahrnehmen. Die Beschlussvorlagen waren in der Einladung im Wortlaut angekündigt worden und wurden weit überwiegend auch nur mit diesem Wortlaut zur Abstimmung gestellt. Der Kläger und sein Prozessbevollmächtigter konnten den Inhalt der Beschlussfassung daher durch den laufenden Vergleich mit der Einladung in der Art eines eigenen Protokolls festhalten. Die Abweichungen durch die ergänzend und hilfsweise zur Abstimmung gestellten Beschlussvorschläge waren vor diesem Hintergrund nicht zu komplex und konnten ebenfalls in zumutbarer und sicherer Weise durch eine entsprechende Notiz auf der Einladung festgehalten werden. Damit konnte das jeweilige Beschlussergebnis sicher festgehalten werden; der Erhalt der gesellschaftsvertraglich nicht vorgeschriebenen notariellen Niederschrift war dafür keine Voraussetzung mehr. Tatsächlich hat auch der Bevollmächtigte des Klägers ein eigenes Protokoll erstellt und anhand dessen Fehler in der notariellen Niederschrift gerügt. Nach Allem ist nichts dafür ersichtlich, dass Unklarheiten und Dokumentationsschwierigkeiten bestanden hätten, die eine Kenntnis der Feststellungen in der notariellen Niederschrift erforderlich gemacht hätten.

cc)

Der Kläger ist auch nicht erst nachträglich von Tatsachen in Kenntnis gesetzt worden, die eine Anfechtung begründen.

Der Aufsichtsratsbeschluss vom 30.12.2013 wurde in der Gesellschafterversammlung thematisiert. Der Gegenstand der Beschlussfassung konnte daher in die Geltendmachung von Anfechtungsgründen eingearbeitet werden. Dass der konkrete Wortlaut hierfür erforderlich war, ergibt sich aus den vorgetragenen Anfechtungsgründen nicht. Der Kläger erläutert auch nicht weiter, wofür genau diese Kenntnis erforderlich war. Eine Vertiefung von Anfechtungsgründen, die in ihrem wesentlichen Kern bereits eingeführt worden waren, hätte anhand des konkreten Wortlautes im Übrigen auch nachgereicht werden können. Darüber hinaus erhielt der Kläger den Beschluss in seinem Wortlaut nach seinem eigenen Vortrag mit der notariellen Niederschrift am 31.01.2015. Die Frist für eine auf diesen Beschluss in seinem Wortlaut gestützte Anfechtung lief daher regelmäßig mit dem 02.03.2015 ab,§§ 187, 193 BGB. Die Klageerweiterung wurde aber erst am 11.03.2015 anhängig (s.o.) und war daher selbst mit Blick auf den Zustellungszeitpunkt noch verspätet.

4.

Durch den Kläger R. sind Anfechtungsgründe, die in seiner Klageschrift vom 02.03.2015 in ihrem wesentlichen Kern dargestellt wurden, rechtzeitig vorgetragen worden, da zwingende Gründe den Kläger an einer früheren Geltendmachung hinderten, denn der Kläger R. hatte vor dem Erhalt der notariellen Niederschrift über den Ablauf der Gesellschafterversammlung keine hinreichende Kenntnis von dem Inhalt der gefassten Beschlüsse, ohne dass dies auf seinem eigenen Versäumnis beruhte.

a)

Um die schützenswerten interessen des Gesellschafters angemessen zu berücksichtigen, ist für die Beurteilung, ob und gegebenenfalls wie lange die Unkenntnis des Gesellschafters von dem Inhalt der gefassten Beschlüsse einen zwingenden Grund für die Überschreitung der Monatsfrist des § 246 AktG im Sinne der Rechtsprechung des BGH abgibt, auf die Umstände des Einzelfalles abzustellen. Dabei ist zu bedenken, dass die tatsächlich gefassten Beschlüsse als Ergebnis des Meinungs- und Informationsaustausches der Gesellschafter von den angekündigten Beschlussvorlagen erheblich abweichen können, und den Gesellschafter das Kostenrisiko trifft, wenn er gezwungen wäre, selbst bei unverschuldeter Unkenntnis von der konkreten Beschlussfassung auf der Grundlage der versendeten Tagesordnung oder innerhalb eines Monats ab der Gesellschafterversammlung Klage zu erheben. Es ist daher darauf abzustellen, wann der Gesellschafter entweder tatsächlich Kenntnis von den gefassten Beschlüssen erlangte oder ab wann ihm unter Berücksichtigung seiner Pflicht zur Erkundigung über die gefassten Beschlüsse eine schuldhafte Unkenntnis zuzurechnen war; solange der Gesellschafter unverschuldet in Unkenntnis von dem konkreten Inhalt der Beschlussfassung ist, ist es ihm hingegen nicht zuzumuten, eine Anfechtungsklage zu erheben (Scholz-Schmidt, GmbHG, 12. A., § 45 GmbHG, Rn. 143, 145). Erst damit wird der Gesellschafter in die Lage versetzt, die Beschlüsse ggf. nach Einholung von Rechtsrat zu prüfen und sinnvoll über eine eventuelle Anfechtung zu entscheiden. Die Wahrung des Interesses der Gesellschaft an einer beschleunigten Ausführung des Gesellschafterbeschlusses und Rechtssicherheit kann dadurch gewährleistet werden, dass die Geschäftsführung für eine zügige Übermittlung des Versammlungsprotokolls sorgt und damit die Frist in Lauf setzt (OLG HammBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG Hamm
, Urteil vom 26. Februar 2003 – 8 U 110/02 -, Rn. 16, juris). Den Gesellschafter, der trotz Kenntnis von der Gesellschafterversammlung und der in der Einladung enthaltenen Tagesordnungspunkte nicht an der Gesellschafterversammlung teilnimmt, trifft aber zur Vermeidung von Rechtsnachteilen die Pflicht, sich über den Inhalt eventueller Beschlussfassungen in Kenntnis zu setzen (OLG HammBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG Hamm
, Urteil vom 26. Februar 2003 – 8 U 110/02 -, Rn. 17, juris ; Lutter/Hommelhoff- Bayer, aaO, Anh. § 47 GmbHG, Rn. 62; Scholz-Schmidt, aaO).

b)

Der Kläger war weder persönlich auf der Gesellschafterversammlung anwesend, noch vertreten, hatte also zunächst keine Kenntnis von den tatsächlich auf der Versammlung gefassten Beschlüssen.

Es ist auch nicht etwa deswegen auf den Zeitpunkt der Beschlussfassung abzustellen, weil der Kläger unter Berücksichtigung der schützenswerten Interessen der GesellschaftBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Gesellschaft
Interessen der Gesellschaft
und der Mitgesellschafter auf der Grundlage seiner gesellschafterlichen Treuepflichten verpflichtet gewesen wäre, sich auf der Gesellschafterversammlung vertreten zu lassen. Das Recht zur Teilnahme oder Vertretung auf der Gesellschafterversammlung übt der Gesellschafter eigennützig unter dem Gesichtspunkt aus, ob ihm in seinem eigenen Interesse die Teilnahme oder die Vertretung auf der Versammlung von entsprechender Wichtigkeit ist. Eine durch die Mitgliedschaft begründete Treuepflicht, selbst teilzunehmen oder aber sich vertreten zu lassen, kann unter Berücksichtigung der schützenswerten interessen der Mitgesellschafter und/oder der Gesellschaft nur dann begründet werden, wenn die auf der Versammlung zu behandelnden Beschlussgegenstände von einer entsprechenden Wichtigkeit und von einer entsprechenden Eilbedürftigkeit sind. Bei den angekündigten Beschlussgegenständen handelte es sich zwar um solche von Bedeutung für die Fortführung der Gesellschaft, es ergab sich aber weder aus der Einladung, noch ergibt es sich aus dem Vortrag der Beklagten, dass deren Behandlung auch von besonderer Eilbedürftigkeit war. Eine etwa beschlussunfähige Versammlung konnte auf der Grundlage von § 19 Ziffer 4 und 5 des Gesellschaftsvertrages zügig neu anberaumt werden. Zudem ist nicht ersichtlich, dass es im Vorfeld Anzeichen für eine mögliche Beschlussunfähigkeit der Versammlung gegeben hätte, die tatsächlich auch beschlussfähig war.

Dem Kläger ist weder die Kenntnis des Mitgesellschafters Dr. W. noch die Kenntnis seines jetzigen Prozessbevollmächtigten zuzurechnen. Zwischen dem Kläger und dem Mitgesellschafter Dr. W. bestand kein rechtliches Verhältnis, welches eine Zurechnung entsprechend § 166 BGB ermöglichen würde. Wenn und solange keine besonderen Vereinbarungen zwischen den Gesellschaftern bestehen, nimmt jeder der Mitgesellschafter seine interessen eigenständig und unabhängig wahr. Auch die Kenntnis des Rechtsanwaltes Sch. wäre dem Kläger entsprechend § 166 BGB nur auf der Grundlage und im Rahmen eines konkreten Mandates zuzurechnen. Dieses wurde von dem Kläger, wie durch die Vorlage der Vollmachtserteilung belegt ist (2 U 673/17, Blatt 668 der Akte), aber erst am 27.02.2015 erteilt.

c)

Der Kläger genügte seiner Erkundigungspflicht, indem er seinen damaligen Bevollmächtigten mit Schreiben vom 07.01.2015 (2 U 673/14, Anlagen K 7, K 8) bei der Beklagten nach dem Ergebnis der Beschlussfassung fragen ließ.

Die gesellschafterliche Treuepflicht erfordert es nicht, sich gleichzeitig bei einigen oder allen Mitgesellschaftern nach dem Ergebnis der Versammlung zu erkundigen. Wirkung und Inhalt der Treuepflichten sind im Einzelnen weitgehend von einer Abwägung der Eigeninteressen des handelnden Gesellschafters und dem Gesellschaftsinteresse sowie den mitgliedschaftlichen interessen der anderen Gesellschafter abhängig (Noack – Fastrich, aaO, § 13 GmbHG, Rn. 23). Es ist für den Gesellschafter naheliegend, sich an die Gesellschaft zu wenden, um die erforderliche Auskunft über den Versammlungsablauf zu erhalten, da die Geschäftsführung zentraler Ansprechpartner in Angelegenheiten der .Gesellschaft ist, wie auch § 51a Abs. 1 GmbHG zeigt. Solange der Gesellschafter nicht wissen muss, dass der Gesellschaft die notwendigen Informationen nicht vorliegen, hat er damit das Notwendige und Ausreichende unternommen und ist den schützenswerten interessen der Mitgesellschafter an einer zügigen Erlangung von Rechtssicherheit Genüge getan, denn die Gesellschaft hat es damit in der Hand, dem Gesellschafter die erforderliche Kenntnis unverzüglich zu vermitteln oder aber die Hinderungsgründe zu benennen. Die Beklagte gab dem Kläger keine Antwort, ohne dass hierfür ein tragender Grund ersichtlich wäre. Das in Anlage B 2 vorgelegte Schreiben der Bevollmächtigten der Beklagten befasst sich nicht mit der Anfrage des Klägers und erwähnt nur eine Beschlussfassung über die Umwandlung der Beklagten, die ihrerseits nicht streitgegenständlich ist. Dieses Verhalten ist treuwidrig. Der Gesellschafter darf darauf vertrauen, dass die Gesellschaft und seine Mitgesellschafter ihn fair behandeln und die nachgefragten Informationen übermitteln, sobald sie vorliegen. Solange ihm keine Hinderungsgründe mitgeteilt werden, muss er nicht damit rechnen, dass sein Informationsverlangen auf Widerstand oder Hindernisse stößt. Solange muss er sich daher auch nicht an andere Ansprechpartner wenden. Es ist daher frühestens auf den Zugang der notariellen Niederschrift beim Kläger am 31.01.2015 abzustellen. Hiervon ausgehend lief die Monatsfrist des§ 246 Abs. 1 AktG mit dem 02.03.2015 ab (§§ 187 Abs. 1, 193 BGB), so dass die Anfechtungsgründe in der Klageschrift vom 02.03.2015 rechtzeitig geltend gemacht wurden. Es ist daher auch unerheblich, dass der Beklagten sogar die weitere Verzögerung der Kenntnisnahme durch den Kläger bis zum 14.02.2015 (2 U 673/17, Blatt 665 der Akte) zuzurechnen wäre, da sie die Niederschrift entgegen der Anforderung durch den Bevollmächtigten des Klägers (Anlage K 7) nicht an diesen übersandte.

5.

Die in der Gesellschafterversammlung gefassten Beschlüsse sind nicht schon deswegen nichtig oder anfechtbar, weil – wie die Kläger geltend machen – das Recht des Klägers R. auf Teilnahme an der Versammlung verletzt worden wäre.

a)

Nichtig sind die Beschlüsse analog § 241 Nr. 1 AktG, wenn überhaupt keine Einberufung stattgefunden hat, die Gesellschafterversammlung von einem Nichtberechtigten einberufen wurde, oder wenn nicht sämtliche Gesellschafter geladen wurden. Der Nichtladung eines Gesellschafters steht es gleich, wenn die Ladung derart schwer wiegende Form- -und Fristmängel aufweist, dass ihm die Teilnahme faktisch unmöglich gemacht wird (Lutter/Hommelhoff – Bayer, aaO, § 51 GmbHG, Rn. 28). Solches ergibt sich aus dem Klägervortrag nicht. Insbesondere wurde die schriftliche Einladung auch an die Kläger versandt und mit einer ausreichenden inhaltlichen Ankündigung der Tagesordnung versehen. Auch machen die Kläger nicht geltend, dass die Einladungsfrist, § 19 Ziffer 3 des Gesellschaftsvertrages, nicht gewahrt wurde. Die Teilnahme kann zwar auch dadurch faktisch unmöglich gemacht werden, dass die Gesellschafterversammlung zu einem Zeitpunkt einberufen wird, an dem der Gesellschafter, wie das Einberufungsorgan von vornherein weiß, verhindert ist (BGH, Urteil vom 28. Januar 1985 – II ZR 79/84 -, Rn. 10, juris). Diese Kenntnis hatte die Geschäftsführung der Beklagten bei Versendung der Einladung aber nicht.

b)

Es liegt auch keine die Anfechtung begründende Verletzung des Teilnahmerechtes vor.

aa)

Eine Verletzung des aus der Mitgliedschaft rührenden Rechtes des Gesellschafters, seine interessen auf der Gesellschafterversammlung wahrzunehmen, kann unter dem Gesichtspunkt einer etwa trotz Einhaltung der Ladungsfrist nicht ausreichenden Möglichkeit zur Vorbereitung auf die Behandlung bestimmter Tagesordnungspunkte oder einer zu berücksichtigenden Verhinderung des Gesellschafters unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung der gesellschafterlichen Treuepflicht bedeutsam werden (OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG München
, Urteil vom 31. Juli 2014 – 23 U 3842/13 -, Rn. 41, juris). Es kann nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere bei geringer Gesellschafterzahl, geboten sein, auf das Teilnahmerecht eines Gesellschafters auch dann Rücksicht zu nehmen, wenn sich erst nach der Einladung der Gesellschafter herausstellt, dass einer von ihnen verhindert ist und durch Dritte nicht sachgemäß vertreten werden kann (BGH, Urteil vom 28. Januar 1985 – II ZR 79/84 -, Rn. 10, juris). Die Terminauswahl darf nicht willkürlich oder schikanös oder für einen Gesellschafter aus anderen Gründen unzumutbar sein (Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken, Urteil vom 10. Oktober 2006 – 4 U 382/05 – 169, Rn. 58, juris). Dies kann einen Anfechtungsgrund bieten (Noack – Noack, aaO, § 51 GmbHG, Rn. 28; Anh. § 47 GmbHG, Rn. 45 Lutter/Hommelhoff – Bayer, aaO, § 51 GmbHG, Rn. 15), der, da es sich um den Kernbereich des Mitgliedschaftsrechtes handelt, als Verfahrensfehler bei wertender Betrachtung auch von Relevanz wäre. Denn es ist die „Relevanz“ des Verfahrensverstoßes für das Mitgliedschafts- bzw. Mitwirkungsrecht des Aktionärs im Sinne eines dem Beschluss anhaftenden Legitimationsdefizits maßgeblich, das bei einer wertenden, am Schutzzweck der verletzten Norm orientierten Betrachtung die Rechtsfolge der Anfechtbarkeit gemäß § 243 Abs. 1 AktG rechtfertigt. In einer angesichts der zu behandelnden Beschlussgegenstände und der Art der Verhinderung treuwidrigen Durchführung einer Gesellschafterversammlung läge damit ein „relevanter“ Verstoß gegen das Teilnahme- und Mitwirkungsrecht des betreffenden Gesellschafters, ohne dass es darauf ankommt, ob der Beitrag des verhinderten Gesellschafters einen objektiv urteilenden Mitgesellschafter von der Zustimmung zu der Beschlussvorlage abgehalten hätte oder die Stimmen des verhinderten Gesellschafters den Ausschlag gegeben hätten. Kausalitätserwägungen sind insoweit nicht anzustellen (vgl. BGH, Urteil vom 18. Oktober 2004 – 11 ZR 250/02-, Rn. 14, juris).

bb)

Ein Anfechtungsgrund liegt aber nicht vor.

(1)

Der Kläger R. erwähnt, es habe angesichts der Komplexität der zu behandelnden Beschlussgegenstände keine ausreichende Zeit zur Vorbereitung gegeben. Es ergibt sich aus dem Vortrag aber nicht, aus welchen Gründen und in Bezug auf welche der zu behandelnden Beschlüsse weitere Zeit zur Vorbereitung erforderlich gewesen wäre. Dies kann der Kläger auch nicht vortragen, da er nach seinem Vortrag urlaubsbedingt abwesend war und sich schon aus diesem Grunde nicht auf die Versammlung vorbereitete. Soweit der Kläger sich dabei auf die Komplexität der Umwandlungsmaterie bezieht, ist zudem zu beachten, dass die Umwandlung an sich gerade nicht angegriffen wird.

(2)

Die behauptete urlaubsbedingte Verhinderung begründet die Anfechtung nicht.

(2.1)

Eine Verletzung des Teilnahmerechtes des Gesellschafters im Falle dessen Verhinderung kann vorliegen, wenn die Verhinderung rechtzeitig mitgeteilt worden ist, lediglich kurzfristig war und nachvollziehbare Gründe für das Erfordernis einer Beschlussfassung gerade zu dem anberaumten Termin nicht ersichtlich sind (OLG KölnBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG Köln
, Beschluss vom 24. Mai 2016 – 18 U 113/15 -, Rn. 15, juris ). Soweit der Gesellschaftsvertrag keine ausdrücklichen Vorgaben enthält, ist das Einberufungsorgan zwar in der Zeitwahl grundsätzlich frei; jedoch darf die Teilnahme der Gesellschafter nicht unzumutbar erschwert werden. Der Zeitpunkt der Versammlung muss den Gesellschaftern zumutbar, d.h., verkehrsüblich und angemessen sein. Für das Einberufungsorgan muss dabei der entscheidende Gesichtspunkt sein, dass möglichst allen Gesellschaftern die Teilnahme an der Versammlung ermöglicht wird (vgl. BayObLG, Beschluss vom 16. Juli 2004 – 3Z BR 100/04-, Rn. 34ff, zum Verein).

(2.2)

Die Abhaltung einer Gesellschafterversammlung ist nicht schon deswegen angreifbar, weil sie auf den 29.12. angesetzt wird. Dieser Werktag ist ebenso gut zur Abhaltung einer Gesellschafterversammlung geeignet, wie andere Tage des Jahres. Dass dieser Tag in den Zeitraum von Schulferien fällt oder gerne für Urlaub genutzt wird, steht dem nicht entgegen, denn ein negativer Einfluss auf die Möglichkeit der Gesellschafter, an der Versammlung teilzunehmen, ist nicht von vorneherein ersichtlich. Tatsächlich waren auf der Versammlung auch, wie sich aus der Feststellung unter B 9. der Niederschrift (Anlage K14) ergibt, 98,20% des Stammkapitals vertreten. Die Beklagte hat einen Gesellschafterbestand von 21 Personen, ohne dass ein besonderes Näheverhältnis auch eine besondere Rücksichtnahme auf die persönlichen Verhältnisse der Mitgesellschafter gebieten würde. Eine Rücksichtnahme auf das Urlaubsbedürfnis der Gesellschafter würde bei 21 Personen schon dann, wenn jeder nur 2 Wochen Urlaub in Anspruch nähme, zu einer unzumutbaren Einschränkung der möglichen Termine für die Abhaltung von Versammlungen führen.

(2.3)

Die Berufung des Klägers auf die behauptete Verhinderung ist zudem nach den besonderen Umständen des vorliegenden Sachverhaltes als treuwidrig anzusehen und seine Berufung auf diesen Anfechtungsgrund daher auch unzulässig.

Die Einladung stammt vom 09.12.2014, das Schreiben des damaligen Bevollmächtigten des Klägers hingegen erst vom 19.12.2014 (Anlage K 3), und es ging auch nach dem Vortrag des Klägers der Beklagten erst am 23.12.2014 um 15 Uhr 10 zu. Das Büro der Beklagten war zu diesem Zeitpunkt nicht mehr besetzt und wegen des Betriebsurlaubs war der erste Arbeitstag erst wieder der 29.12.2014 (2 U 673/17, Blatt 356 der Akte). Dass diese Umstände dem Kläger bekannt waren, hat der Kläger nicht bestritten. Der Kläger trug zwar vor, bis zum 23.12.2014 mehrtägig ortsabwesend gewesen zu sein (2 U 673/17, Blatt 661 der Akte), dies kann die Verzögerung angesichts dessen, dass er seinem Bevollmächtigten die Einladung spätestens am 19.12.2014 übergeben haben muss, nicht erklären. Der Kläger hat auch keine Erklärung dafür gegeben, dass er der Beklagten nicht zuvor bereits auf anderem Wege Bescheid gab. Diese Umstände sprechen dafür, dass der Kläger seinerseits – wie die Beklagte auch geltend macht – auf die Schaffung eines Anfechtungsgrundes aus war und damit treuwidrig handelte. Zudem machte es dieser Zeitablauf der Beklagten unmöglich, mit den Gesellschaftern in Kontakt zu treten, die von dem Kläger vorgebrachten Gründe zu verifizieren, das Gewicht der interessen des Klägers unter Berücksichtigung der übrigen Beteiligten abzuwägen und eine geordnete Verlegung durchzuführen. Auf den Hinweis des Senats hat der Kläger zwar ergänzend vorgetragen (Blatt 1892 der Akte). Demnach erlangte der Kläger erst am 14.12.2014 Kenntnis von der Einladung, was der Kläger aber nicht weiter begründet hat und wofür der Kläger auch keine Belege vorgelegt hat. Der Vortrag erklärt zudem nicht, warum der Kläger nicht bereits am 15.12.2014 die Beklagte darauf hinwies, an der Teilnahme verhindert zu sein. Gerade dann, wenn der Kläger von der Thematik überfordert war, lag es nahe, den Hinderungsgrund sofort geltend zu machen. Es wird auch nicht verständlich, warum nicht wenigstens am 19.12.2014 die Verhinderung durch Fax, Telefonanruf oder Email bekannt gegeben wurde.

6.

Der Beschluss vom 29.12.2014 zur Feststellung des JahresabschlussesBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Feststellung
Feststellung des Jahresabschlusses
zum 31.12.2013 ist nichtig, da Rückstellungen für Verbindlichkeiten der Beklagten aus der Teilgewinnabführungsvereinbarung mit der P. M. GmbH & Co. KGBitte wählen Sie ein Schlagwort:
GmbH
GmbH & Co. KG
GmbH & Co. KG
KG
hätten gebildet werden müssen und deren Unterlassung die Darstellung wegen des Einflusses auf den Ausweis des Jahresüberschusses wesentlich verfälscht.

a)

In der Gesellschafterversammlung der Beklagten am 29.12.2014 wurde der Beschluss zur Feststellung des JahresabschlussesBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Feststellung
Feststellung des Jahresabschlusses
gefasst, wie er unter Ziffer 1. des landgerichtlichen Urteils vom 26.10.2017 inhaltlich dargestellt ist.

Aus der insoweit nicht angegriffenen notariellen Niederschrift (Anlage K 5 in 2 U 673/17 = Anlage K 14 in 2 U 492/17) ergibt sich, dass zunächst ohne den Kläger Dr. W. abgestimmt und für den Beschluss 3.857 Stimmen und gegen den Beschluss 337 Stimmen abgegeben wurden, woraufhin Herr F. in – vom Kläger Dr. W. gerügter – Stellung als Versammlungsleiter feststellte, dass der Jahresabschluss der Gesellschaft zum 31.12.2013 festgestellt worden sei. Sodann wurde ausweislich der Niederschrift hilfsweise nochmals mit Herrn Dr. W. über die Feststellung des JahresabschlussesBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Feststellung
Feststellung des Jahresabschlusses
abgestimmt. Für den Beschlussvorschlag stimmten wiederum 3.857 Stimmen, gegen den Beschlussvorschlag nunmehr 453 Stimmen. Wiederum stellte Herr F. fest, dass der Jahresabschluss der Gesellschaft zum 31.12.2013 festgestellt worden sei. Rechtsanwalt Sch. erklärte namens des Klägers Dr. W., dass dieser die Feststellung des BeschlussergebnissesBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Feststellung
Feststellung des Beschlussergebnisses
durch Herrn F. nicht akzeptiere. Nach weiterer Aussprache wurde dann der unter Ziffer 1. des angefochtenen Urteils nach „hilfsweise“ dargestellte Beschlussvorschlag im nämlichen Prozedere zur Abstimmung gestellt und festgestellt.

b)

Es liegt kein Stimmzählungsfehler wegen der Berücksichtigung der Stimmen von Nichtgesellschaftern bei der Feststellung des BeschlussergebnissesBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Feststellung
Feststellung des Beschlussergebnisses
vor. Aus dem Vortrag der Parteien ergibt sich, dass ein Streit darum besteht, ob die Gesellschafter H., M. und G. ihre Gesellschaftsanteile wirksam erlangten. Es handelt sich daher um einen etwaigen Fehler bei der Bewertung der Gültigkeit abgegebener Stimmen, der eine Beschlussfassung anfechtbar machen kann, wenn bei richtiger Bewertung ein anderes Beschlussergebnis hätte festgestellt werden müssen (Noack – Noack, aaO, Anh. § 47 GmbHG, Rn. 116, 117). Der Kläger Dr. W. hat nur die Bewertung der Stimmen des Herrn H. rechtzeitig mit seiner Klageschrift gerügt. Der Kläger R. hat aber darüber hinaus die Bewertung der Stimmen auch der Herren M. und G. rechtzeitig gerügt. Ein Stimmzählungsfehler liegt nicht vor, da die in das Handelsregister aufgenommene Gesellschafterliste vom 07.10.2014 (2 U 673/17, Anlage K1) die Herren H., M. und G. als Gesellschafter der Beklagten auswies. Nach § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG gilt im Verhältnis zur Gesellschaft nur derjenige als Gesellschafter, der in der Gesellschafterliste eingetragen ist. Bei unwirksamer Übertragung eines Gesellschaftsanteils hat diese Vorschrift materielle Wirkung und begründet eine die Gesellschaft bindende relative Gesellschafterstellung (Noack – Fastrich, aaO, § 16 GmbHG, Rn. 16). Die Stimmen dieser Gesellschafter waren daher bei Feststellung des BeschlussergebnissesBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Feststellung
Feststellung des Beschlussergebnisses
als wirksam zu bewerten.

Der Hinweis der Kläger, es fehle an einer wirksamen Beschlussfeststellung, ist unerheblich, denn Beschlüsse einer GmbH erfordern keine Feststellung, um wirksam zu sein.

Mit der hilfsweisen Wiederholung der Abstimmung unter Beteiligung auch des Klägers Dr. W. liegt keine unzulässige bedingte Beschlussfassung vor. Es handelt sich nicht um eine die Beschlussfassung intransparent und unbestimmt machende Bedingung, denn der Inhalt des Beschlusses ist nicht tangiert. Es handelt sich lediglich um eine Gestaltung des Abstimmungsverfahrens, um das Beschlussergebnis auch für den Fall nachzuweisen, dass Dr. W. entgegen der Auffassung der Beklagten als Gesellschafter zur Abstimmung zuzulassen war.

c)

Der Beschluss ist aber entsprechend § 256 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 AktG iVm §§ 249 Abs. 1 Satz 1, 253 Abs. 1 Satz 2 HGB nichtig, da Rückstellungen für Verbindlichkeiten der Beklagten aus der Teilgewinnabführungsvereinbarung mit der P. M. GmbH & Co. KGBitte wählen Sie ein Schlagwort:
GmbH
GmbH & Co. KG
GmbH & Co. KG
KG
(im Folgenden: die P. M.) hätten gebildet werden müssen und deren Unterlassung die Darstellung wegen des Einflusses auf den Ausweis des Jahresüberschusses wesentlich verfälscht. Inhaltliche Mängel eines festgestellten Jahresabschlusses führen in entsprechender Anwendung des § 256 AktG unter den dort aufgestellten Voraussetzungen zur Nichtigkeit der Feststellung (Noack – Noack, aaO, Anh. § 47 GmbHG, Rn. 63, 63a; Lutter/Hommelhoff- Bayer, aaO, Anh. § 47 GmbHG, Rn. 57; BGH, Urteil vom 12. Januar 1998 – II ZR 82/93 -, Rn. 20, juris; BGH, Urteil vom 11. Oktober 1999 – II ZR 120/98 -, Rn. 7, juris). Diese Voraussetzungen liegen hier vor.

aa)

Für die von der P. M. aus der Teilgewinnabführungsvereinbarung mit der Beklagten geltend gemachten Beträge musste angesichts der bekannten Gerichtsentscheidungen und der Ungewissheit, ob die Beklagte mit ihren Einwänden gegen den  Bestand der Vereinbarung durchdringen werde, eine Rückstellung gebildet werden.

(1)

Rückstellungen bilden eine Bilanzposition, § 266 Abs. 3, lit. B HGB. Sie sind u.a. für ungewisse Verbindlichkeiten zu bilden, § 249 Abs. 1 Satz 1 HGB, und in der Höhe des nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung erforderlichen Erfüllungsbetrages anzusetzen, § 253 Abs. 1 Satz 2 HGB.

Es sind Passivposten mit dem Zweck, Aufwendungen, deren Existenz oder Höhe am Abschlussstichtag noch nicht sicher sind und die erst später zu einer Auszahlung führen, der Periode der Verursachung zuzurechnen (Baumbach/Hopt – Merkt, HGB, 42. A., § 249 HGB, Rn. 1 ). Eine ungewisse Verbindlichkeit im Sinne des § 249 HGB liegt vor, wenn sie in Grund oder Höhe oder in Bezug auf den Zeitpunkt ihres Entstehens nicht feststeht, einerlei, ob aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen. Es besteht eine Pflicht zur Bildung erforderlicher Rückstellungen. Ist die Inanspruchnahme gewiss, ist die Verbindlichkeit zu passivieren, wird sie gewiss, ist entsprechend umzubuchen (Baumbach/Hopt-Merkt, aaO, § 249 HGB, Rn. 2/ 4). Das Bestehen der Verbindlichkeit und die tatsächliche Inanspruchnahme müssen objektiv wahrscheinlich sein (OLG FrankfurtBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG Frankfurt
, Urteil vom 07. November 2006- 5 U 109/05-, Rn. 19, juris). Nach § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB sind bei der Bewertung der im Jahresabschluss ausgewiesenen Vermögensgegenstände und Schulden alle voraussehbaren Risiken und Verluste zu berücksichtigen; dies gilt auch bei der Entscheidung über die Bildung von Rückstellungen (BGH, Urteil vom 28. Januar 1991 – II ZR 20/90 -, Rn. 13, juris). In einem solchen Fall ist eine Wahrscheinlichkeitsbeurteilung erforderlich. Die Wahrscheinlichkeit, ob der geltend gemachte Anspruch in relevantem Umfang besteht, ist nach dem jeweiligen Erkenntnisstand vonJahr zu Jahr zu beurteilen (OLG FrankfurtBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG Frankfurt
, Urteil vom 24. Juni 2009 – 23 U 90/07-, Rn. 106, juris). Maßgeblich ist, welche Tatsachen am Bilanzstichtag vorlagen und bis zu dem Zeitpunkt erkennbar waren, zu dem die Bilanz spätestens aufzustellen war (Baumbach/Hopt – Merkt, aao, § 249 HGB, Rn. 2). Eine Rückstellungsbildung ist erforderlich, wenn mehr Gründe für eine als gegen eine Inanspruchnahme der Gesellschaft sprechen. In diesem Zusammenhang ist eine sorgfältige Abwägung aller in Betracht zu ziehenden Umstände erforderlich, weshalb es gegebenenfalls tatsächlicher Feststellungen und rechtlicher Wertungen bedarf. Hierbei ist die Beklagte nicht frei, sondern muss der Pflicht zur Bildung vonRückstellungen folgen, sobald die Tatbestandsvoraussetzungen hierfür vorliegen. Ihre subjektive Erwartung eines günstigen Prozessausgangs ist nicht entscheidend. Es kommt allein auf objektive Kriterien an. Die Frage, ob mehr Gründe für als gegen das Bestehen einer Verbindlichkeit in relevanter Höhe sprechen, ist demgemäß auf Grundlage objektiver, am Bilanzstichtag vorliegender und spätestens bei Aufstellung der Bilanz erkennbarer Tatsachen (vgl. § 252 Abs. 1 Ziff, 4 HGB) aus der Sicht eines sorgfältigen und gewissenhaften Kaufmannes zu beurteilen. Dabei darf weder die optimistischste, noch die pessimistischste Schätzungsalternative gewählt werden. Vernünftiger kaufmännischer Beurteilung entspricht es vielmehr, den eine Rückstellung begründenden Sachverhalt mit allen positiven und negativen Aspekten zu berücksichtigen. Die Beklagte musste also die Forderung in der Höhe ansetzen, in der mit ihr gerechnet werden musste, wobei vor allem die für sie erkennbaren Vorstellungen des Anspruchsstellers maßgeblich waren. Sie hatte dabei dem in § 252 Abs. 1 Ziff. 4 HGB enthaltenen Grundsatz der vorsichtigen Bewertung zu entsprechen. Auch der Grundsatz der Bilanzvollständigkeit als Ausprägung des Grundsatzes der Bilanzwahrheit spricht für eine möglichst vollständige Einstellung von Risiken in die Bilanz. Ein Ermessensspielraum kommt dabei dem Bilanzierenden nicht zu. Der Begriff des „Ermessens“ würde einen objektiv nicht überprüfbaren Entscheidungsfreiraum und damit ein gewisses Passivierungswahlrecht suggerieren. Eine Bilanz ist vielmehr aus objektivierter Perspektive zu betrachten, wobei eine Abwägung aller Umstände aber mitunter dazu führen kann, dass mehr als ein Ergebnis vertretbar erscheint (hierzu: OLG FrankfurtBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG Frankfurt
, Urteil vom 24. Juni 2009 – 23 U 90/07 -, Rn. 109, juris).

Dem Grunde nach unsicher ist eine Verbindlichkeit, wenn die Merkmale ihres Entstehungstatbestandes noch nicht (vollständig) erfüllt und ihre Vollendung auch nicht als sicher zu gelten hat oder wenn begründeter Streit über den Bestand der Verbindlichkeit besteht. Rückstellungsfähig ist eine solche Verbindlichkeit aber nur, wenn die Verbindlichkeit nach den am Bilanzstichtag objektiv gegebenen Verhältnissen mit einiger Wahrscheinlichkeit besteht oder entstehen wird, wenn der Bilanzierende mit ihrem Be- oder Entstehen ernsthaft zu rechnen hat. Diese objektivierenden Kriterien müssen auch für das Handelsbilanzrecht gelten. Sie sind freilich nicht im Sinne einer statistischen Wahrscheinlichkeit von mehr als 50 % o.ä. zu verstehen, sondern erfordern eine am Vorsichtsprinzip orientierte Beurteilung aus der Sicht eines ordentlichen Kaufmanns (Staub – Kleindiek, HGB, 5. Aufl. 2014, § 249 HGB, Rn. 35).

(2)

Der Jahresabschluss der Beklagten zum 31.12.2013 enthält unter den Passiva, ,,C. Rückstellungen“ einen Ansatz für Steuerrückstellungen in Höhe von 12.620.- Euro und für sonstige Rückstellungen in Höhe von 427.909,37 Euro (2 U 673/17, Anlage K 2, Erstellungsbericht Seite 54). Wie die „sonstigen Rückstellungen“ sich zusammensetzen, ergibt sich aus Seite 32, 33 des Erstellungsberichtes. Eine Rückstellung für etwaige Verbindlichkeiten der Beklagten gegenüber der P. M. aus der umstrittenen Teilgewinnabführungsvereinbarung ist nicht enthalten.

(3)

Die Beklagte und die P. M. stritten über viele Jahre über die Verpflichtung der Beklagten, jährlich einen Teil ihres Jahresüberschusses an die P. M. abzuführen.

Die P. M. und die Beklagte führten bereits in Bezug auf den Gewinnanteil für das Jahr 2003 einen Rechtsstreit vor dem Landgericht Mühlhausen, welches die Beklagte antragsgemäß zur Zahlung verurteilte. Die Berufung gegen diese Verurteilung wies der 1. Senat des Thüringer Oberlandesgerichts mit dem rechtskräftig gewordenen Urteil vom 04.09.2008 (Az. 1 U 954/07) zurück. Eine weitere Verurteilung der Beklagten durch das Landgericht Mühlhausen (Az. 1 HK O 94/08) bezüglich der anteiligen Gewinnabführung für die Jahre 2004 und 2005 blieb unangefochten. Auch den Gewinnanteil für das Jahr 2008 klagte die P. M. vor dem Landgericht Mühlhausen ein. Mit Urteil vom 26.08.2010 gab das Landgericht der Klage statt. Mit Urteil vom 06.03.2013 (Az. 2 U 782/10) wies der Senat die Berufung der Beklagten zurück. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten wurde zurückgewiesen (BGH, Az. II ZR 139/13). Anhängig war noch das Verfahren auf Zahlung der Teilgewinnabführung für das Jahr 2009 (Landgericht Mühlhausen, Az. 1 HK O 77/13). Im Jahre 2012 bezahlte die Beklagte die eingeforderten Beträge für die Jahre 2008 und 2009 in Höhe von zusammen 35.867,58 Euro (vgl. 2 U 492/17, Blatt 968).

Für die Jahre 2010 und 2011 machte die P. M. Gewinnabführungsansprüche in Höhe von 35.972,22 Euro und 17.021,96 Euro geltend und forderte die Beklagte zur Zahlung der Beträge bis zum 19.10.2012 bzw. bis zum 27.03.2013 auf. Da die Beklagte die Zahlung verweigerte, klagte die P. M. die Beträge im Jahre 2014 ein. Widerklagend und hilfswiderklagend begehrte die Beklagte die Feststellung, dass die Teilgewinnabführungsvereinbarung aus einer Reihe von Gründen unwirksam sei. Mit Urteil vom 22.01.2015, Az. 1 HK O 9/14, wies das Landgericht Mühlhausen die Klage als derzeit unbegründet sowie die Widerklage und Hilfswiderklagen als unbegründet ab. Mit Urteil vom 16.05.2018 (2 U 79/15) änderte der Senat das Urteil zu Gunsten der Klägerin ab und verurteilte die Beklagte zur Zahlung der eingeklagten Beträge. Die Widerklage der Beklagten wies der Senat ab und ihre Berufung zurück. Gegen diese Entscheidung hat die Beklagte Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt, auf die der BGH die Revision zugelassen hat. Mit seinem Urteil vom 16.07.2019 (Az. II ZR 175/18) hat der BGH die Revision zurückgewiesen. Mit der Zurückweisung der Revision gegen das Urteil des Senats vom 16.05.2018 steht mittlerweile rechtskräftig fest, dass die Teilgewinnabführungsvereinbarung wirksam ist.

Die Beklagte hatte also bereits in den Vorjahren die Unwirksamkeit der Teilgewinnabführungsvereinbarung aus einer Reihe von Gründen geltend gemacht, die mit den Rechtsstreiten befassten Gerichte aber die Vereinbarung als wirksam und die Beklagte als zur Zahlung von 20% des Jahresüberschusses verpflichtet angesehen. Auch für die Jahre 2010 und 2011 hatte die P. M. die Zahlung außergerichtlich eingefordert. Nach den Erfahrungen der Vergangenheit musste die Beklagte davon ausgehen, dass die P. M. die Beträge ernstlich einfordert und gerichtlich geltend machen wird. Damit knüpfte die streitige Verbindlichkeit an Vergangenes an und galt Vergangenes ab, so dass die Verpflichtung rückstellungsfähig war (BGH, Urteil vom 28. Januar 1991 – II ZR 20/90 -, Rn. 12, juris ). Die P. M. hatte die jeweiligen Gewinnabführungsverträge für die Jahre bis 2009, soweit erforderlich, bereits erfolgreich eingeklagt. Im Vorjahr hatte die Beklagte ausstehende Beträge für diese Jahre nachgezahlt. Soweit Rechtsstreitigkeiten geführt worden waren, hatten die beteiligten Gerichte die Position der P. M. zum Bestand und zur Höhe der Gewinnabführung bestätigt. Zwar hat auch die Qualifizierung einer streitbefangenen Verbindlichkeit grundsätzlich unter Zugrundelegung des Rechtsstandpunkts des Kaufmanns zu erfolgen (BFH·, Urteil vom 30. Januar 2002 -1 R 68/00 -, Rn. 8, juris), aber die Beklagte musste nach allem trotz ihrer abweichenden Rechtsauffassung mit einer weiteren erfolgreichen Inanspruchnahme durch die P. M. ernsthaft rechnen.

bb)

Die Rückstellung musste in Höhe von 20% des Jahresüberschusses angesetzt werden.

Nach § 253 Abs. 1 Satz 2 HGB sind Rückstellungen mit dem Betrag anzusetzen, der nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung notwendig ist. Auch hier ist gemäß § 25.2 Abs. 1 Nr. 4 HGB vorsichtig zu bewerten (Staub – Kleindiek, aaO, § 253 HGB, Rn. 35).

Die Unterstellung unwahrscheinlicher oder besonders negativer Geschehensabläufe ist nicht zulässig. Der Wertansatz aus dem Intervall denkbarer Werte muss vielmehr so bemessen sein, dass die überwiegende Wahrscheinlichkeit gegen eine höhere Belastung spricht (Staub – Kleindiek, aaO, § 253 HGB, Rn. 35). Bei Ungewissheit des Grundes, aber Gewissheit der Höhe ist in der Regel der volle Betrag anzusetzen (Baumbach/Hopt – Merkt, aaO, § 253 HGB, Rn. 3).

Dass die von den Klägern benannten Beträge 20% des für die Jahre 2010 und 2011 durch die Beklagte erwirtschafteten Jahresüberschusses ausmachten, ist nicht streitig. Bis zur Erstellung und Feststellung des Jahresüberschusses hatten die beteiligten Gerichte gegen die Beklagte auch auf der Grundlage einer Pflicht zur Abführung von 20% des Jahresüberschusses entschieden. Die Beklagte griff zwar auch die Berechnung des abzuführenden Betrages an, es war aber deswegen noch nicht überwiegend wahrscheinlich, dass zukünftig eine geringere Belastung bestehen werde. Zwar äußerte der Senat im Verlauf des Rechtsstreites 2 U 79/15 zwischenzeitlich Zweifel an der Berechnung durch P. M., aber dies erfolgte nach der Erstellung und Feststellung des JahresabschlussesBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Feststellung
Feststellung des Jahresabschlusses
und war deswegen nicht in die Entscheidung über die Bildung der Rückstellung einzubeziehen. Nach allem war zur Bildung der erforderlichen Rückstellung der volle Betrag von zusammen 52.994,18 Euro einzustellen.

cc)

Gemäß § 256 Abs. 5 Satz 2 AktG ist die unterbliebene, aber gebotene Rückstellung einer Überbewertung gleichzustellen (Hüffer, AktG, 10. A., § 253 HGB, Rn. 25). Die auf die Überbewertung von Posten des Jahresabschlusses bezogene Bestimmung des § 256 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 AktG ist daher auch in diesem Falle heranzuziehen (OLG FrankfurtBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG Frankfurt
, Urteil vom 07. November 2006 – 5 U 109/05-, Rn. 19, juris).

Zur Nichtigkeit des Jahresabschlusses führt die Überbewertung dann, wenn sie die Darstellung wesentlich beeinträchtigt (Hüffer, aaO, § 256 AktG, Rn. 25; OLG HammBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG Hamm
, Urteil vom 17. April 1991 – 8 U 173/90 -, Rn. 5, juris). Für die Frage der Wesentlichkeit kommt es zum einen auf die Bedeutung der verletzten Norm, zum anderen auf die Auswirkungen des Verstoßes auf das Zahlenwerk insgesamt, insbesondere auf die Erheblichkeit des Betrags an, um den die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der Gesellschaft zu gut oder zu schlecht dargestellt wird (Schmidt, K./Lutter – Schwab, AktG, 3. A., § 256 AktG, Rn. 15). Die Überbewertung beeinträchtigt hier die Darstellung wesentlich. Das Verhältnis des Betrages von 52.994,18 Euro zu dem ausgewiesenen Betrag des Bilanzpostens „Rückstellungen“ in Höhe von 440.549,37 Euro beträgt 12,02 %, zur ausgewiesenen Bilanzsumme von 2.202.459,22 Euro 2,40 % und zu dem ausgewiesenen Jahresüberschuss von 23.382,84 Euro 226,63 %. Das Verhältnis ist zwar im Vergleich zur Bilanzsumme gering, die Rückstellung wirkt sich aber auf den auszuweisenden Jahresüberschuss ganz erheblich aus, denn bei Bildung der entsprechenden Rückstellung ist kein Jahresüberschuss mehr auszuweisen, sondern ein Jahresfehlbetrag. Der ausschüttbare Gewinn liefert über die Ertragslage eine wesentlich stichhaltigere Aussage als die Bilanzsumme als solche (Schmidt, K./Lutter – Schwab. aaO, § 256 AktG, Rn. 16). Ein erheblicher Fehler liegt daher bei einer wesentlichen Auswirkung auf den auszuweisenden Gewinn vor (OLG HammBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG Hamm
, Urteil vom 17. April 1991 – 8 U 173/90-, Rn. 13).

d)

Damit ist auch der Beschluss zur hilfsweisen Korrektur der Feststellung des JahresabschlussesBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Feststellung
Feststellung des Jahresabschlusses
nichtig. Der Korrekturbeschluss steht und fällt mit dem Feststellungsbeschluss in seiner Gänze: da der Beschluss zur Feststellung des JahresabschlussesBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Feststellung
Feststellung des Jahresabschlusses
aus den oben genannten Gründen nichtig ist, ist es auch die damit untrennbar verbundene Korrektur.

7.

Die Beschlussfassung über die Verwendung des Jahresüberschusses ist ebenfalls nichtig, da die Beschlussfassung über die Feststellung des JahresabschlussesBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Feststellung
Feststellung des Jahresabschlusses
nichtig ist (Noack – Fastrich, aaO, § 29 GmbHG, Rn. 8; – Haas, aaO, § 42a GmbhG, Rn. 37; OLG. Frankfurt, Urteil vom 07. November 2006 – 5 U 109/05 -, Rn. 19, juris; OLG Stuttgart, Urteil vom 11. Februar 2004 – 14 U 23/03 -, Rn. 15, juris; OLG Stuttgart, Urteil vom 14. Mai 2003 – 20 U 31/02 -, Rn. 53, juris).

8.

Der Beschluss der Gesellschafterversammlung vom 29.12.2014 betreffend den Ausschluss des Klägers Dr. W. ist auf die Anfechtungsklagen beider Kläger hin für nichtig zu erklären, weil die gesellschaftsvertraglich erforderte Voraussetzung für den Ausschluss – eine grob schuldhafte Verletzung von Gesellschaftspflichten – nicht vorliegt.

a)

Der Gesellschaftsvertrag kann den Ausschluss eines Gesellschafters durch gestaltenden Beschluss der Gesellschafterversammlung vorsehen und nach Voraussetzungen und Verfahren näher regeln (BGH, Urteil vom 10. Juni 1991 – II ZR 234/89 -, Rn. 4, juris).

Der Gesellschaftsvertrag der Beklagten sieht unter § 17 (2 U 492/17, Blatt 138 der Akte) den zwangsweisen Ausschluss durch einen gestaltenden Beschluss der Gesellschafterversammlung vor. Gemäß § 20 Ziffer 2 können Beschlüsse der Gesellschafterversammlung mit einer Mehrheit von 2/3 der abgegebenen Stimmen gefasst werden, soweit nicht das Gesetz eine größere Mehrheit vorsieht. Ob entsprechend § 60 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG auch für den gesellschaftsvertraglich vorgesehenen Ausschlussbeschluss eine Mehrheit von 75 % erforderlich ist (vgl. BGH, Urteil vom 13. Januar 2003 – II ZR 227/00-, Rn. 7, juris, zur Beschlussfassung über die Erhebung einer Ausschlussklage) kann vorliegend offen bleiben. Die Gesellschafterversammlung hat nämlich nach den insoweit nicht angegriffenen Feststellungen In der notariellen Niederschrift (2 U 492/17, Anlage K14, Seiten 16, 17) mit einer Mehrheit von 91,96% der ohne den betroffenen Gesellschafter Dr. W. abgegebenen Stimmen für den Ausschluss gestimmt.

b)

Beide Kläger haben die jeweiligen Anfechtungsgründe fristgerecht in ihren Klageschriften geltend gemacht.

Beide Kläger sind anfechtungsbefugt entsprechend § 245 GmbHG. Für den Kläger Dr. W. gilt dies ungeachtet der Tatsache, dass er in der zur Zeit der Gesellschafterversammlung und der vorliegenden Klageerhebung beim Handelsregister befindlichen Gesellschafterliste nicht mehr aufgeführt wird. Denn Dr. W. ist als zur Führung des Rechtsstreites klagebefugt anzusehen, um ihm den angemessenen Rechtsschutz zur Verteidigung seiner streitigen Mitgliedschaft zu gewähren. Der Zugang zur gerichtlichen Prüfung des Ausschlussbeschlusses darf nicht unzumutbar und verfassungsrechtlich nicht hinnehmbar erschwert werden. Die Bejahung der Anfechtungsbefugnis kann durch eine erweiternde Auslegung des§ 245 Nr. 1 AktG eröffnet werden (BVerfG, Beschluss vom 09. Dezember 2009 – 1 BvR 1542/06-, Rn. 22, 26, juris). Für die Wahrnehmung der Rechte gegen den Beschluss selbst ist daher von einer weiteren Rechtsinhaberschaft auszugehen, um der verfassungsrechtlich gebotenen Rechtsschutzmöglichkeit Geltung zu verschaffen (vgl. BGH, Urteil vom 24. Januar 2012 – II ZR 109/11-, Rn. 24, juris; BGH, Urteil vom 22. März 2011 – II ZR 229/09-, Rn. 8, juris).

Der verstorbene Kläger R. war als Gesellschafter der Beklagten ungeachtet dessen, dass er auf der Gesellschafterversammlung nicht anwesend war, anfechtungsbefugt. § 245 Satz 1 Nr. 1 – 3 AktG ist auf die GmbH nicht analog anwendbar. Anfechtungsbefugt ist jeder Gesellschafter, gleichgültig, ob er an der Gesellschafterversammlung teilgenommen hat und gleichgültig ob er bei der Teilnahme Widerspruch erhoben hat (Noack – Noack, aaO, Anh. § 47 GmbHG, Rn. 136). Dem Kläger R. fehlte insoweit nicht das Rechtsschutzbedürfnis, auch wenn der Ausschluss des Dr. W. keine unmittelbaren Folgen für seine eigene Stellung als Gesellschafter der Beklagten hatte. Zum einen war der Kläger R. in der Wahrnehmung seiner mitgliedschaftlichen interessen insoweit betroffen, als sich im Falle des erfolgreichen Ausschlusses die Zusammensetzung der Gesellschafterversammlung verändert, was auf die Beratung und Stimmabgabe von Einfluss sein kann. Zudem ist die gesellschaftsrechtliche Nichtigkeits- und AnfechtungsklageBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Anfechtungsklage
Nichtigkeits- und Anfechtungsklage
als Instrument zur Kontrolle der Gesetz- und Rechtmäßigkeit des Organhandelns einer Kapitalgesellschaft ausgestaltet und in die Hände der Gesellschafter gelegt, so dass sich das Rechtsschutzinteresse für eine solche Klage bereits daraus ergibt, dass ihre Erhebung der Herbeiführung eines Gesetz und Satzung entsprechenden Rechtszustandes dient (BGH, Urteil vom 22. Mai 1989 – II ZR 206/88-, Rn. 24, juris; OLG Stuttgart, Urteil vom 28. Januar 2004 – 20 U 3/03-, Rn. 3, juris). Zumindest dann, wenn, wie vorliegend, der weitere Gesellschafter sich damit nicht in Widerspruch zu dem mitgliedschaftlichen Recht des betroffenen Gesellschafters setzt, eigenständig über sein Ausscheiden aus der Gesellschaft zu entscheiden – und deswegen gegebenenfalls den Ausschlussbeschluss nicht anzugreifen – steht seiner Anfechtungsklage nichts entgegen. Dass der Erbfall und die Abtretung des Gesellschaftsanteiles der Fortführung der Klage nicht entgegenstehen, wurde bereits dargelegt.

c)

Ein Ladungsmangel, wie ihn die Kläger geltend machen, liegt nicht vor.

Wenn die Versammlung nicht ordnungsgemäß unter Ankündigung des Zweckes der Versammlung einberufen wurde, können Beschlüsse nur in einer Vollversammlung gefasst werden, § 51 Abs. 2 – 4 GmbHG. Eine Vollversammlung lag nicht vor, da der Kläger R. und weitere Gesellschafter nicht anwesend waren. Fehler der Ankündigung machen die Beschlussfassung anfechtbar (Baumbach/Hueck – Zöllner/Noack, aaO, § 51 GmbHG, Rn. 28). Ein Ladungsmangel liegt aber nicht vor. Das Einladungsschreiben vom 09.12.2014 liegt vor (2 U 492/17, Anlage K4, Blatt 76 ff. der Akte). Die Ankündigung muss so deutlich sein, dass sich die Gesellschafter auf die Erörterung und Beschlussfassung vorbereiten können und sie vor einer „Überrumpelung“ geschützt werden (BGH, Urteil vom 25. November 2002 – II ZR 69/01 -, Rn. 23, juris). Dies ist hier der Fall. Die Einladung enthielt unter Teil II, Ziffer 6. die konkrete und umfassende Ankündigung des Beschlussthemas, was es den Gesellschaftern ermöglichte, sich auf die Beratung und Beschlussfassung vorzubereiten. Mit ihrer Beschlussfassung hielten sich die Gesellschafter im Rahmen der Ankündigung.

d)

Die Beschlussfassung ist aber anfechtbar, weil der gesellschaftsvertraglich vorgesehene Ausschlussgrund fehlt.

aa)

Die Beschlussfassung ist anfechtbar, wenn die satzungsmäßigen Voraussetzungen für die Ausschließung nicht vorliegen (BGH, Urteil vom 10. Juni 1991 – II ZR 234/89-, Rn. 4, juris).

Als satzungsmäßige Voraussetzung kommt hier nur der in § 17 Ziffer 1 c) vorgesehene Ausschlussgrund in Betracht. Demnach ist ein Ausschluss von Gesellschaftern zulässig, wenn ein Gesellschafter seine Gesellschaftspflichten grob schuldhaft verletzt.

bb)

Eine grob schuldhafte Verletzung von Gesellschaftspflichten durch den Kläger Dr. W. liegt nicht vor.

(1)

Mit dem Begriff „grob schuldhaft“ haben die Gesellschafter einen zivilrechtlich definierten Begriff verwendet; es ist daher auf dieses rechtliche Begriffsverständnis abzustellen. Der Begriff des Verschuldens ist Oberbegriff für die in § 276 BGB definierten Begriffe von Vorsatz und Fahrlässigkeit. Schuldhaft ist das objektiv pflichtwidrige und subjektiv vorwerfbare Verhalten (Grüneberg – Grüneberg, BGB, 82. A., § 276 BGB, Rn. 5). Grob schuldhaft handelt derjenige, der die im Verkehr erforderlich Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt, schon einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht anstellt und das nicht beachtet, was im gegebenen Fall jedem einleuchten musste (Grüneberg – Grüneberg, aaO, § 277 BGB, Rn. 5). Dieser Maßstab ist daher an die behaupteten Pflichtverletzungen anzulegen.

Es ist dabei auf diejenigen Ausschlussgründe abzustellen, die der Beschlussfassung zu Grunde lagen. Es ist grundsätzlich unzulässig, Ausschlussgründe nachzuschieben, zu denen das Ausschließungsorgan noch nicht hat Stellung nehmen können. Das gilt nur nicht für solche später eingetretenen Umstände, die mit den für die Ausschließung maßgebenden Gründen eng zusammenhängen und nur noch den Tatbestand abrunden, von dem die Gesellschafterversammlung ausgegangen ist (BGH, Urteil vom 10. Juni 1991 – II ZR 234/89 -, Rn. 10, juris).

(2)

Mit der Ausbringung von Arresten und einstweiligen Verfügungen gegen die Beklagte verletzte der Kläger Dr. W. seine Gesellschaftspflichten nicht grob schuldhaft.

Ein Gesellschafter kann aufgrund der ihm gegenüber Gesellschaft und seinen Mitgesellschaftern obliegenden Treuepflicht gehalten sein, von ihm an sich zustehenden Rechten keinen Gebrauch zu machen. Er braucht dabei aber nicht ohne weiteres seine eigenen Belange hinter diejenigen der Gesellschaft zurückzustellen; es kommt vielmehr auf eine Abwägung der beiderseitigen interessen an (BGH, Urteil vom 10. Juni 1991 – II ZR 234/89-, Rn. 7, juris). Die Beklagte stellt insoweit auf Verhaltensweisen des Dr. W. als Vertreter der P. M. ab (2 U 492/17, Blatt 414 – 416 der Akte; Blatt 688 – 691 der Akte). Es kommt daher auf die Abwägung der interessen der P. M. und der Beklagten an. Die Wurzel der Ausbringung von Arresten und einstweiligen Verfügungen durch den Kläger liegt in dem Schuldverhältnis zwischen der P. M. und der Beklagten begründet, welches durch die Teilgewinnabführungsvereinbarung gestaltet wurde. Am 05.10.1992/23.07.1993 schloss die P. M. mit der DG Bank Deutsche Genossenschaftsbank eine Rangrücktrittsvereinbarung. Am 05.10.1992 unterschrieb der damalige Geschäftsführer der Beklagten die „Anlage zur Rangrücktrittserklärung“, mit der sich die Beklagte verpflichtete, der Verpflichtung zur Gewinnabführung, die sich aus der zwischen der P. M. und der DG Bank geschlossenen Vereinbarung ergab, in der näher beschriebenen Weise beizutreten. Hintergrund dessen war die Umstrukturierung der ehemaligen LPG … . Es wird insoweit auf die Feststellungen in dem rechtskräftigen Urteil des Senats vom 16.05. 2018, 2 U 79/15, Seiten 3, 33 – 37 Bezug genommen. Auf der Grundlage dieses Urteils steht auch fest, dass die Teilgewinnabführungsverpflichtung wirksam ist und die Beklagte verpflichtet war, einen Teil ihres Gewinns von 20% des Jahresüberschusses an die P. M. abzuführen. Dadurch war es im Verhältnis zwischen der P. M. und der Beklagten angelegt, dass Dr. W. als Geschäftsführer der Komplementärin der P. M. und als Gesellschafter der Beklagten im Einzelfall auch gegensätzliche interessen zu berücksichtigen hatte. Interessenkonflikte, die Dr. W. auf der Grundlage der Teilgewinnabführungsverpflichtung zu Gunsten der von ihm vertretenen P. M. löste, indem er Maßnahmen ergriff, die zu Gebote standen, um die Abführungsverpflichtung durchzusetzen, können im Rahmen der erforderlichen Interessenabwägung nicht zu einer Pflichtverletzung führen. Hierauf hat der Senat bereits in seinem Urteil vom 07.10.2015, Az. 2 U 317/14, Seiten 10, 11, abgestellt. Allenfalls dann, wenn der Kläger sein Verhalten in Vertretung der P. M. nicht mehr zur Durchsetzung von deren Interesse an der Gewinnabführung, sondern zweckwidrig als Werkzeug eingesetzt hätte, nur um der Beklagten zu Schaden, würde dieses Verhalten gegen seine Pflichten als Gesellschafter der Beklagten verstoßen. In dieser Konstellation könnte er sich dann auch nicht mehr auf seine Stellung als Geschäftsführer der P. M. und auf die hieraus resultierenden Pflichtenbindungen berufen, da er dann auch aus deren Sicht gesellschaftsfremde Zwecke verfolgt hätte. Solches liegt hier aber nicht vor. Soweit die Beklagte Arreste vom 10.02.2014 und 10.03.2014 in Bezug nimmt, handelt es sich um gemäß § 17 Ziffer 2 des Gesellschaftsvertrages zur Zeit der Beschlussfassung bereits verfristete Tatsachen. Die Beklagte hat zwar vorgetragen, der Kläger habe eine Zahlungsforderung der P. M. bewusst unrichtig geltend gemacht, dies aber nicht untersetzt. Die Durchsetzung der Zahlungsansprüche aus der Teilgewinnabführung ist nach dem oben dargestellten eben nicht zweckwidrig. Weiter hat die Beklagte geltend gemacht, dass die durch die ausgebrachten Arreste eingefrorenen Vermögenswerte die möglichen Forderungen der P. M. um das Doppelte übersteigen würden. Auch aus diesem Vortrag ergibt sich keine grob schuldhafte Pflichtverletzung durch Dr. W. Dabei ist zunächst zu berücksichtigen, dass der Arrest eine Maßnahme der vorläufigen Sicherung ist, § 916 Abs. 1 ZPO, und keine Befriedigung gewährt. Anlass für die vorläufige Sicherung war die zwischen der P. M. und der Beklagten streitige Problematik der Vermögensverlagerung. Mit den durch die Beklagte geschlossenen Kauf-, Pacht- und Übertragungsverträgen war auch aus Sicht eines verständigen Dritten jedenfalls ein hinreichender Anlass gegeben, die interessen der P. M. an der weiteren Erfüllung der Teilgewinnabführungsvereinbarung zu sichern. Die Beklagte konnte den Arrest zudem jeweils abwenden,§ 923 ZPO, und damit die beeinträchtigenden Folgen mindern. Aus dem Vortrag der Beklagten ergibt sich auch nicht, dass Dr. W. den Überblick über den Wert des durch die Arreste jeweils betroffenen Vermögens haben musste. Die Vorwürfe der Beklagten, der Kläger Dr. W. habe pflichtwidrig die Freigabe von unrechtmäßig erwirkten Arresten verhindert, können nicht zur Begründung des Ausschlusses am 29.12.2014 nachgeschoben werden. Dies scheitert schon daran, dass die Umstände, die nachgeschoben werden sollen, im Zeitpunkt der Beschlussfassung bereits bestanden haben müssen (vgl. etwa BGH, Urteil vom 14. Oktober 1991 – II ZR 239/90-, Rn. 12, juris), was in Bezug auf den Vortrag zur Verhinderung der Freigabe nicht der Fall ist. Es handelt sich nicht um Umstände, die mit den für die Ausschließung maßgebenden Gründen eng zusammenhängen und nur noch den Tatbestand abrunden, von dem die Gesellschafterversammlung ausgegangen ist (BGH, Urteil vom 10. Juni 1991 – II ZR 234/89-, Rn. 10, juris). Gegenstand der Gesellschafterversammlung war das Verhalten des Klägers bei Erwirkung der Arreste und einstweiligen Verfügungen, mit dem nicht bestehende Forderungen bewusst unrichtig geltend gemacht worden sein sollen. Für diesen Sachverhaltskomplex hatte die Gesellschafterversammlung daher darüber zu urteilen, ob die fraglichen Forderungen bestanden oder nicht. Bestanden die Forderungen, gab es zum Zeitpunkt der Gesellschafterversammlung auch aus Sicht der Gesellschafterversammlung die dem Kläger vorgeworfene Pflichtverletzung eben nicht. Davon zu unterscheiden ist ein Verhalten, mit dem nicht mehr angeblich unberechtigte Forderungen verfolgt werden, sondern rechtmäßig ausgebrachte Arrest- und Pfändungsmaßnahmen unrechtmäßig aufrechterhalten worden sein sollen. Dieser Sachverhalt erforderte eine erneute Untersuchung und Entscheidung durch die Gesellschafterversammlung.

(3)

Auch durch die Übersendung des Schreibens vom 18.12.2014 (2 U 492/17, Blatt 467 – 470 der Akte) an die Verpächter von Grundstücken verletzte der Kläger Dr. W. seine gesellschafterlichen Pflichten nicht grob schuldhaft.

Die Geschäftsführung der Beklagten maßte sich der Kläger damit nicht an. Wie schon aus dem Briefkopf des Schreibens hervorging, wendete sich der Kläger als Geschäftsführer der P. M. an die Verpächter der … GmbH und der Beklagten. Wie aus den Ausführungen weiter hervorgeht, sollte das Schreiben die wirtschaftlichen Interesse der P. M. und der Beklagten schützen, die der Kläger durch eine Verlagerung des wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs auf die L. GmbH gefährdet sah. Die interessen der P. M. durfte der Kläger als deren Geschäftsführer gegenüber den Verpächtern vertreten. Er war daran nicht auf der Grundlage seiner Treuepflichten als Gesellschafter der Beklagten gehindert, weil er sich auf die in dem Schreiben zitierte einstweilige Verfügung des Landgerichts M. stützen konnte, mit der der L. GmbH der Abschluss der dort genannten Pachtverträge und/oder Nutzungsverträge untersagt wurde. Es handelt sich damit um eine aus dem Lebenssachverhalt hinreichend begründete Wahrnehmung von interessen der P. M. und nicht um eine grob schuldhafte Pflichtverletzung. Dass der Kläger dabei auch auf die interessen der Beklagten Bezug nahm, begründet ebenfalls keine grob schuldhafte Pflichtverletzung, weil der Kläger eindeutig als Geschäftsführer der P. M. handelte und das Schreiben auch ohne Erwähnung der interessen der Beklagten inhaltsgleich formuliert werden konnte, so dass deren Erwähnung für den Inhalt und das Gewicht des Schreibens keine Rolle spielte.

(4)

Dr. W. erhob gegen Herrn H. eine Strafanzeige wegen Prozessbetruges, die zu dem seit dem 01.04.2015 rechtskräftigen Strafbefehl des AG M. führte (2 U 492/17, Blatt 842 – 844 der Akte).

Auch diese Tatsache ist gemäߧ 17 Ziffer 2 des Gesellschaftsvertrages verfristet. Im Übrigen reicht die Treuepflicht des Gesellschafters nicht soweit, dass sie einen Gesellschafter daran hindert, gegebenenfalls auch mit strafprozessualen Mitteln gegen ein nach seiner Ansicht strafbares Verhalten der Gesellschaftsorgane vorzugehen. Bereits der Umstand, dass auch die Staatsanwaltschaft den für die Durchführung des Ermittlungsverfahrens notwendigen Anfangsverdacht bejaht hat, steht der Annahme entgegen, dass das Vorgehen des Klägers offensichtlich haltlos war (vgl. a. Diemer, in: Karlsruher Kommentar zur StPO, 13. Aufl. 2013, § 152 Rdnr. 7 sowie Griesbaum, aaO, § 160 Rdnr. 11; s.a. Urteil des Senats vom 07.01.2015, 2 U 89/17, Seite 10). Dies gilt erst Recht angesichts des Erlasses des Strafbefehls durch das Amtsgericht.

(5)

Für die Ausbringung von Zahlungsverboten durch Dr. W. gilt das zu den Arresten bereits Ausgeführte.

(6)

Die Geltendmachung der Zahlungsansprüche der P. M. aus dem Teilgewinnabführungsvertrag ist schon deswegen nicht pflichtwidrig, weil die Zahlungsansprüche begründet sind. Insoweit wird auf das Urteil des Senats im Verfahren 2 U 79/15 und des BGH im Verfahren II ZR 175/18 verwiesen.

(7)

Die Erhebung der Feststellungsklage hinsichtlich der Nichtigkeit von § 2 der Satzung war nicht Gegenstand der Beschlussfassung über den Ausschluss des Klägers. Es ist grundsätzlich unzulässig, Ausschlussgründe nachzuschieben, zu denen das Ausschließungsorgan noch nicht hat Stellung nehmen können (BGH, Urteil vom 14. Oktober 1991 – II ZR 239/90 -, Rn. 14, juris). Einziehungsgründe können nachgeschoben werden, wenn die Gesellschaft im Gerichtsverfahren durch die geschäftsführenden Gesellschafter vertreten wird, mit deren Stimmen der Beschluss gefasst worden ist (BGH, Urteil vom 20. Februar 1995-11 ZR 46/94 -, Rn. 14, juris) oder es sich um solche später eingetretenen Umstände handelt, die mit den für die Ausschließung maßgebenden Gründen eng zusammenhängen und nur noch den Tatbestand abrunden, von dem die Gesellschafterversammlung ausgegangen ist (BGH, Urteil vom 10. Juni 1991 – II ZR 234/89 -, Rn. 10, juris). Beides ist hier nicht der Fall; die Erhebung der Feststellungsklage hat mit den Sachverhalten, die zum Gegenstand der Gesellschafterversammlung gemacht wurden, inhaltlich nichts zu tun.

(8)

Auch in der behaupteten Ungleichbehandlung der Beklagten gegenüber den übrigen zur Teilgewinnabführung verpflichteten Gesellschaften liegt keine grob schuldhafte Verletzung von Gesellschaftspflichten durch den Kläger Dr. W..

Der Kläger hat hierzu vorgetragen, dass dieser Sachverhalt nicht Gegenstand der Gesellschafterversammlung am 29.12.2014 war (2 U 492/17, Blatt 1145 d.A.) und die Beklagte ist dem in der Folge nicht entgegengetreten; im Gegenteil ergibt sich aus der Darstellung der Beklagten zum Inhalt der Gesellschafterversammlung (2 U 673/17, BI. 398 d.A.; 2 U 492/17, Blatt 1592, 1593 d.A.) ebenfalls, dass dieser Sachverhalt nicht zum Gegenstand der Beratung gemacht worden war.

Der Sachverhalt kann nicht zur Begründung des Ausschlussbeschlusses nachgeschoben werden, da die Gesellschafterversammlung damit bei der Beratung über den Ausschluss des Klägers nicht befasst war und es sich auch nicht um einen Sachverhalt handelt, der mit den für die Ausschließung maßgebenden Gründen eng zusammenhängt und nur noch den Tatbestand abrundet, von dem die Gesellschafterversammlung ausgegangen wurde. Die Frage, ob und in welchem Ausmaß der Kläger die übrigen zur Teilgewinnabführung verpflichteten Gesellschaften im Vergleich zur Beklagten ungerechtfertigt in einem geringeren Ausmaß heranzieht, ist von der Frage, ob und in welchem Ausmaß der Kläger Forderungen gegen die Beklagte auf der Grundlage der Teilgewinnabführung berechtigt oder unberechtigt geltend macht, zu unterscheiden, denn sie erfordert gänzlich andere Feststellungen zum Verhalten des Klägers und zudem, wie auch der Beklagtenvortrag deutlich macht (2 U 673/17, BI. 585 ff. d.A. und 2 U 492/17, BI. 1354 ff. d.A.) auch noch Feststellungen dazu, welche zwischenzeitlichen Kapitalerhöhungen in welchen der beteiligten Gesellschaften zu einer Verringerung der abzuführenden Beträge führen oder nicht.

(9)

Die Beklagte hat auch keine grob schuldhafte Verletzung von Gesellschaftspflichten durch die mangelnde Tilgung von Altschulden seitens der P. M. dargelegt.

Dieser Sachverhalt war Gegenstand der Beratung in der Gesellschafterversammlung am 29.12.2014 (2 U 673/17, BI. 398,567 d.A.; 2 U 492/17, BI. 1593 d.A.). Die Beklagte macht geltend, dass der Kläger keine Auskunft zur Verwendung der an die P. M. gezahlten Gelder erteile (2 U 673/17, BI. 589 d.A.) und der Bevollmächtigte des Klägers in der Gesellschafterversammlung am 29.12.2014 erklärt habe, dass die P. M. in den letzten Jahren durchgängig Jahresfehlbeträge erwirtschaftet habe, so dass sie weder zur Schuldentilgung verpflichtet gewesen sei, noch Schulden habe tilgen können (2 U 673/17, BI. 401, 576 d.A.). Die Beklagte meint, der Kläger verwende die gezahlten Beträge zweckwidrig, ohne aber konkret etwas dazu vorzutragen, wie der Kläger die Gelder verwendete.

Zu Recht steht die Beklagte auf dem Standpunkt, dass die Teilgewinnabführung dazu dient, im Interesse der die Altschulden verwaltenden Bank zur Altschuldentilgung verwendet zu werden. Insoweit wird auf die Ausführungen im Urteil des Senats vom 16.08.2015 (2 U 79/15) auf Seiten 3, 34 – 37, 50 und 54 verwiesen. Selbst wenn aber P. M. an die …-Bank in der Vergangenheit keine Zahlungen leistete, die zu einer Verminderung der Altschulden führten, beinhaltet dieser Umstand noch keine Verletzung der Pflichten aus der Teilgewinnabführungsvereinbarung. Denn die P. M. ist nicht verpflichtet, die Zahlungen der Beklagten 1:1 an die Bank durchzuleiten. Vielmehr ergeben sich die Zahlungspflichten der P. M. gegenüber der Bank aus der Rangrücktrittsvereinbarung und setzen einen Jahresüberschuss, Liquidationsüberschüsse oder Verkaufserlöse voraus. Insoweit wird auf die Ausführungen im Urteil des Senats vom 16.08.2015 (2 U 79/15); Seiten 54 und 55 verwiesen. Tatsächlich haftete der zur Erlangung des Rangrücktrittes gewählten Konstruktion zur Altschuldentilgung von Anfang an – auch angesichts der Kopplung der Abführungspflichten an die Tilgung der Altschulden und deren Höhe von über 14 Mio. DM – das Risiko an, dass die Beklagte auf unabsehbare Zeit mit der Verpflichtung zur Gewinnabführung belastet werden könnte (BGH, Urteil vom 16. Juli 2019 – II ZR 175/18 -, Rn. 39, juris).

Eine konkrete zweckwidrige Verwendung der abgeführten Beträge trägt die Beklagte nicht vor. Es verbleibt daher letztlich nur der Vorwurf, der Kläger habe der Beklagten keine Auskunft zur konkreten Verwendung der Mittel erteilt. Dieser Vorwurf beinhaltet keine grob schuldhafte Verletzung von Gesellschafterpflichten durch den Kläger. Zur Erteilung der Auskunft ist der Kläger nicht als Gesellschafter der Beklagten verpflichtet, sondern allenfalls als Geschäftsführer der Komplementärin der P. M.. Der Streit über die Erteilung der Auskunft ist auch nicht zwischen dem Kläger als Gesellschafter der Beklagten und der Beklagten zu führen, sondern zwischen der P. M. und der Beklagten. Die Durchsetzung der Auskunftspflichten muss daher in diesem Rechtsverhältnis erfolgen.

(10)

Wie bereits dargelegt, kommt es nach der Satzung der Beklagten für den Ausschluss des Klägers darauf an, dass dieser seine Pflichten als Gesellschafter der Beklagten grob schuldhaft verletzte. Die Zerrüttung des Vertrauensverhältnisses, auf die die Beklagte abschließend Bezug genommen hat, kann daher auch nur unter diesem Gesichtspunkt maßgeblich sein. liegen keine grob schuldhaften Pflichtverletzungen des Klägers vor – hierzu bereits oben – begründet auch die behauptete Zerrüttung nicht den Ausschluss.

9.

Der Beschluss der Gesellschafterversammlung vom 29.12.2014 betreffend die Erhebung einer Ausschlussklage gegen den Kläger Dr. W. ist weder nichtig, noch anfechtbar.

a)

Die Zulässigkeit des Ausschlusses von Gesellschaftern aus wichtigem Grund ist auch ohne eine besondere Satzungsregelung anerkannt (Baumbach/Hueck – Fastrich, aaO, Anh. § 34 GmbHG, Rn. 2). Die ist durch § 17 Ziffer 1 des Gesellschaftsvertrages nicht abbedungen worden. Die Satzungsregelung befasst sich von vorneherein nicht mit der Erhebung einer Ausschlussklage. Die Aufzählung einzelner Ausschließungsgründe kann im Zweifel nicht dahingehend ausgelegt werden, dass die Ausschließung in anderen Fällen nicht möglich sein soll ( Scholz-Seibt, aaO, Anh. § 34 GmbHG, Rn. 55). Zudem kann die Satzung zwar Ausschlussgründe präzisieren und erweitern und dadurch auch einen mehr oder minder strengen Beurteilungsmaßstab vorgeben, jedoch die Geltendmachung weiterer Ausschlussgründe nicht ganz abschneiden, weil der Ausschluss aus wichtigem Grund im Voraus nicht abdingbar ist (Noack – Fastrich, aaO, Anh. § 34 GmbHG, Rn. 16; Henssler/Strohn – Fleischer, aaO, § 34 GmbHG, Rn. 27; Scholz – Seibt, aaO, Anh. § 34  GmbHG, Rn. 55).

b)

Die Beschlussfassung kann wegen formellen Mängeln angefochten werden, im Anfechtungsprozess kann aber nicht bereits geltend gemacht werden, es fehle an einem wichtigen Grund für den Ausschluss (Noack – Fastrich, aaO, Anh. § 3~ GmbHG, Rn. 9; Mayer/Elfring, GmbHR 2004, 869, 875, 876; BGH, Urteil vom 13. Januar 2003 – II ZR 227/00-, Rn. 4, juris). Formelle Mängel haften dem Beschluss nicht an. Nach der Rechtsprechung des BGH ist für die Beschlussfassung eine Mehrheit von 75 % der abgegebenen Stimmen erforderlich, welche vorliegend überschritten wurde. Zur Verletzung des Teilnahmerechtes des Klägers R., Stimmzählungsfehlern wegen der Bewertung von Stimmen mehrerer Nichtgesellschafter und Fehlens einer wirksamen Beschlussfeststellung wird auf obige Ausführungen verwiesen. Der Beschluss ist auch nicht in unzulässiger Weise intransparent oder bedingt. Ein Beschluss der Gesellschafterversammlung kann in zulässiger Weise mit einer Bedingung versehen werden, soweit der Beschlussgegenstand als solches dem nicht entgegensteht. Im vorliegenden Fall ergibt sich aus dem Ablauf der Beschlussfassung (2 U 492/17, Anlage K 14, Seiten 17, 18) deutlich, dass der Beschluss unter die Bedingung gestellt wurde, dass der zuvor gefasste Ausschließungsbeschluss nichtig oder angefochten ist. Unter diese Bedingung gestellt, ist auch nicht unklar, unter welchen Voraussetzungen die Ausschlussklage nach dem Willen der Gesellschafter erhoben werden soll.

c)

Nichtigkeitsgründe ergeben sich aus dem Parteivortrag nicht.

10.

Der Beschluss der Gesellschafterversammlung vom 29.12.2014 betreffend die Änderung des § 2 der Satzung ist weder nichtig, noch anfechtbar.

a)

Der Gesellschaftsvertrag der Beklagten enthielt ursprünglich als Benennung des Unternehmensgegenstandes unter § 2:

„Gegenstand des Unternehmens ist die Tier- und Pflanzenproduktion, die Erzeugung tierischer und pflanzlicher Produkte und ihre Vermarktung sowie das Handeln mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen und Geräten als solchen, die für die Landwirtschaft benötigt werden. Die Gesellschaft darf Zweigniederlassungen entwickeln, sich an anderen Gesellschaften beteiligen oder solche erwerben sowie alle Handlungen vornehmen, die geeignet sind, den Gesellschaftszweck zu fördern.“

In der Gesellschafterversammlung am 29.12.2014 fassten die Gesellschafter ausweislich der insofern nicht angegriffenen notariellen Niederschrift (2 U 492/17, Anlage K 14, Seiten 21, 22) den Beschluss zur Änderung des § 2 der Satzung, und zwar ohne Berücksichtigung der Stimmen des Dr. W. mit allen abgegebenen Stimmen, unter Berücksichtigung der Stimmen des Dr. W. noch mit einer Mehrheit von 97,30 % der abgegebenen Stimmen.

Die geänderte Satzungsregelung lautete sodann so, wie unter Ziffer 7 des Urteils des Landgerichts vom 26.10.2017 (2 U 673/17) zitiert:

„1. Gegenstand des Unternehmens ist der Erwerb, die Veräußerung und die Verwaltung eigenen Vermögens, die Gründung von Unternehmen sowie die Beteiligung an anderen Unternehmen und die Vermietung, die Verpachtung und die Verwaltung von mobilem und immobilem Vermögen.

2. Die Gesellschaft ist zu allen Geschäften und Maßnahmen berechtigt, die geeignet erscheinen, dem Gegenstand des Unternehmens zu dienen. Sie kann ihre Tätigkeit auf einen Teil der in Absatz 1 bezeichneten Tätigkeitsgebiete beschränken. Unternehmen, an denen sie mehrheitlich beteiligt ist, kann sie unter ihrer Leitung zusammenfassen oder sich auf die Verwaltung der Beteiligung beschränken.“

b)

Anfechtungsgründe wurden durch den Kläger Dr. W. nicht rechtzeitig geltend gemacht und ergeben sich auch aus der Anfechtungsklage des Klägers R. nicht (zu denjenigen, die sämtliche Beschlussfassungen betreffen, wird auf die obigen Ausführungen verwiesen). Insbesondere wurden die Anforderungen an eine Beschlussfassung zur Änderung der Satzung,§§ 3 Abs. 1 Nr. 2, 53 GmbHG, gewahrt. Die erforderliche Mehrheit von drei Vierteln der abgegebenen Stimmen, § 53 Abs. 2 GmbHG, wurde auch dann erreicht, wenn die Gegenstimmen des Klägers mitgezählt werden.

c)

Die Beschlussfassung ist auch nicht nichtig. In Betracht käme insoweit nur ein Verstoß gegen § 241 Nr. 4 AktG, nach dem ein Beschluss nichtig ist, der durch seinen Inhalt gegen die guten Sitten verstößt.

aa)

Im gedanklichen Ausgangspunkt knüpft die Vorschrift an § 138 Abs. 1 BGB an, setzt also voraus, dass eine Norm verletzt wird, auf deren Beachtung nach dem „Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden“, d. h. in objektiv-ethischer Betrachtung nicht verzichtet werden kann. Indem die Norm gerade auf den Inhalt abhebt, fasst sie den Tatbestand allerdings enger als § 138 Abs. 1 BGB. Das bezweckt und bewirkt eine Einschränkung der Nichtigkeitsfälle (Koch, 17. Aufl. 2023, AktG § 241Bitte wählen Sie ein Schlagwort:
AktG
AktG § 241
Rn. 21 ). Die Feststellung eines inhaltlichen Sittenverstoßes im Sinne des § 241 Nr. 4 AktG erfordert, dass der Verstoß gegen die guten Sitten durch den Beschlussinhalt an sich erfolgt, nicht durch dessen Zustandekommen oder Zweck. Beschlüsse, bei denen nicht der eigentliche Beschlussinhalt, sondern nur Beweggrund oder Zweck unsittlich sind, oder bei denen die Sittenwidrigkeit in der Art des Zustandekommens liegt, sind lediglich anfechtbar (BGH, Urteil vom 01. Juni 1987 – II ZR 128/86-, Rn. 5, juris; BGH, Urteil vom 6. Dezember 2022 – II ZR 187/21 -, Rn. 29, juris). Das hat dazu geführt, dass die Vorschrift im Wesentlichen nur noch Bedeutung in Fällen der Gläubigerschädigung erlangt. Nur bei derartiger Drittbeteiligung ist zwingende und damit vom Willen der übrigen Aktionäre losgelöste Nichtigkeit erforderlich, während andere Fälle wie Treupflichtverletzung, Ungleichbehandlung und Rechtsmissbrauch zweckmäßiger der Anfechtung zu unterwerfen sind, bei der Aktionäre auf Schutzfunktion im Einzelfall auch verzichten können (Koch, aaO,AktG § 241Bitte wählen Sie ein Schlagwort:
AktG
AktG § 241
Rn. 21 ).

bb)

Der Beschluss ist nach seinem Beschlussinhalt nicht Sittenwidrig. Es handelt sich um eine zulässige Definition des erwerbswirtschaftlichen Unternehmensgegenstandes, über dessen Bestimmung die Gesellschafterversammlung mit der erforderlichen satzungsändernden Mehrheit befinden kann (Noack – Fastrich, aaO, § 3 GmbHG, Rn. 4; § 53 GmbHG, Rn. 30).

cc)

Inhaltlich Sittenwidrig kann der Beschluss einer Gesellschafterversammlung einer GmbH nach dem oben Ausgeführten auch dann sein, wenn der Beschluss seinem Wortlaut nach keine Sittenwidrigkeit beinhaltet, aber nach seinem inneren Gehalt in einer sittenwidrigen Schädigung nicht anfechtungsberechtigter Personen besteht (OLG DresdenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG Dresden
, Urteil vom 14. Juli 1999-12 U 679/99-, Rn. 3, juris). Bezweckt der Beschluss die Schädigung Dritter, nicht anfechtungsberechtigter Personen, und ist er deswegen nach seinem inneren Gehalt als Sittenwidrig einzustufen, ist er nichtig (Noack – Noack, aaO, Anh. § 47 GmbHG, Rn. 55; Lutter/Hommelhoff- Bayer, aaO, Anh. § 47 GmbHG, Rn. 20). Sittenwidrig ist ein Verhalten, das nach seinem Gesamtcharakter, der durch umfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu ermitteln ist, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Dafür genügt es im Allgemeinen nicht, dass der Handelnde eine Pflicht verletzt und einen Vermögenschaden hervorruft. Vielmehr muss eine besondere Verwerflichkeit seines Verhaltens hinzutreten, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zutage getretenen Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben kann (BGH, Urteil vom 6. Dezember 2022 – II ZR 187/21 ‚-, Rn. 23, juris).

(1)

Auf eine etwaige Schädigung der Vermögensinteressen der Kläger ist nicht abzustellen, da diese im Grundsatz anfechtungsberechtigt waren.

(2)

Die Kläger stellen auf eine sittenwidrige Schädigung der P. M. ab, da nach ihrer Behauptung die Beklagte „kalt“ liquidiert werden solle, um sich der Verpflichtung zur Abführung eines Teiles des Jahresüberschusses gemäß der zwischen der P. M. und der Beklagten geschlossenen Teilgewinnabführungsverpflichtung zu entziehen. Aus dem hierzu vorgetragenen Sachverhalt ergibt sich die Sittenwidrigkeit der Beschlussfassung nicht.

(2.1)

Bei einem sittenwidrigen Verhalten gegenüber Dritten muss das Rechtsgeschäft objektiv nachteilig für den Dritten sein und die Beteiligten müssen subjektiv Sittenwidrig handeln. Die Sittenwidrigkeit kann darin begründet sein, dass die Beteiligten mit einem Rechtsgeschäft den Zweck verfolgen, in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken schuld rechtliche Ansprüche Dritter zu vereiteln (BGH, Urteil vom 16. Juli 2019 – II ZR 426/17 -, Rn. 25, juris ).

Soweit in Bezug auf die Änderung des Unternehmensgegenstandes eine Sittenwidrigkeit in Betracht kommt, so nur im Zusammenhang mit den Veräußerungen und Verpachtungen von Vermögensgegenständen durch die Beklagte, wenn und soweit die Beschlussfassung zum Unternehmensgegenstand in diesem Zusammenhang als Bestandteil einer Gesamtstrategie anzusehen ist. Der auch hier erhobene Vorwurf der sittenwidrigen Schädigung war bereits Gegenstand der Entscheidungen des Senats im Verfahren 2 U 89 /17 und des BGH im Verfahren II ZR 426/17. Mit Urteil vom 16. Juli 2019 stellte der BGH speziell zur Frage des sittenwidrigen Verhaltens der Beklagten gegenüber der P. M. darauf ab, ob die Beklagte angemessene oder unangemessene Gegenleistungen erhielt und diese von der Beklagten zukünftig für die Erwirtschaftung von Gewinnen eingesetzt werden sollten oder solche für die Zukunft erwarten ließen. Des Weiteren stellte der BGH darauf ab, welchen Anteil der Altschulden die Beklagte bei wirtschaftlicher Betrachtung im Hinblick auf die von ihr übernommenen Wirtschaftsgüter zu tragen hat und welcher Anteil angesichts der bisherigen Gewinnabführungen bereits getragen wurde (BGH, Urteil vom 16. Juli 2019 – II ZR 426/17 -, Rn. 29, juris).

(2.2)

Von der Entscheidung des BGH ausgehend ist nicht festzustellen, dass die Beklagte die P. M. Sittenwidrig schädigt.

Eine Sittenwidrigkeit der Verkäufe und Verpachtungen kann nicht bereits daraus hergeleitet werden, dass nach Auffassung der Kläger von sonstigen Dritten weit höhere Preise hätten erzielt werden können. Ein Sachverständigengutachten zu dieser Behauptung ist deswegen nicht einzuholen. Eine sittliche Verpflichtung, ihr selbst erwirtschaftetes Eigentum einer Auktion zuzuführen und zu Höchstpreisen an Interessenten zu verkaufen, bestand nicht. Verkauf und Verpachtungen waren für die P. M. nachteilig, weil nunmehr auf diesen Flächen nicht mehr die teilgewinnabführungspflichtige Beklagte selbst die Landwirtschaft betreibt und aus der Bewirtschaftung dieser Flächen und den damit verbundenen staatlichen Zuwendungen Einkünfte erzielt. Dementsprechend hatte die P. M. im vorangegangenen Rechtsstreit den Verkauf der Grundstücke deshalb angegriffen, weil dadurch ihre Rechte aus der Teilgewinnabführungsverpflichtung verletzt würden. Dies reicht aber nach der zitierten Entscheidung des BGH nicht aus, um eine Sittenwidrigkeit zu begründen. Soweit die Kläger eine Sittenwidrigkeit daraus herleiten will, dass bei den Kaufverträgen Gesellschafter. bzw. Aktionäre der Beklagten benachteiligt worden seien, ist dies im Verhältnis P. M. – Beklagte irrelevant. Die P. M. hat nicht die Rechte der Gesellschafter/ Aktionäre innerhalb der Beklagten zu wahren.

Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, dass ein wucherähnliches Geschäft vorliege, wenn der Verkehrswert um 90 % unterschritten werde und dies den Schluss auf eine verwerfliche Gesinnung des Begünstigten zulasse, soll den benachteiligten Vertragspartner schützen und kann deshalb nicht angewendet werden, wenn der Verkäufer selbst geschäftserfahren ist und in Kenntnis des heiß umkämpften Marktes für landwirtschaftliche Flächen diese Vertragsgestaltung selbst wählt.

Wesentlich für diese Beurteilung, ob die Beklagte mit den Verkäufen Sittenwidrig gehandelt hat, ist, dass im Verlauf des vorangegangenen Rechtsstreits zwischen der P. M. und der Beklagten klargestellt wurde, dass der Beklagten bei der Umstrukturierung der LPG überhaupt kein Vermögen zu Eigentum übertragen wurde, sondern sie nur über Pacht- und Mietverträge ihren Betrieb führte. Sie zahlte hierfür Mieten und Pachten an die Klägerin. Die mit den Kaufverträgen weiterveräußerten Grundstücke musste sie somit aus eigenen Mitteln erworben haben. Insoweit ist es auch nicht möglich, aus einem übertragenen Vermögen und dem Gesamtvermögen der LPG einen Anteil zu errechnen, welchen die Beklagte vom LPG-Vermögen erhalten hat, und daraus einen prozentualen Anteil an den Altschulden zu ermitteln. Es kann entgegen den Vorstellungen der Kläger auch nicht darauf abgestellt werden, zu welchen Prozentanteilen der Betrieb der ehemaligen LPG von der neuen Gesellschaft weitergeführt worden ist und dabei zu vernachlässigen, dass sie hierfür neben der Gewinnabführung Gegenleistungen in Form von Miet- und Pachtzahlungen leisten musste.

Die von den Klägern behaupteten günstigen Konditionen der Pacht-, Unterpachtverträge und Mietverträge stehen einer Eigentumsübertragung nicht gleich. Die Kläger berücksichtigen nicht, dass es immer vom Einzelfall abhängig ist, zu welchen Konditionen solche Verträge abgeschlossen werden können. Zudem war die Vermietung an die neu gegründete ortsansässige Beklagte bereits Grundlage des von der LPG-Versammlung beschlossenen Konzeptes und kein einseitiges Entgegenkommen der P. M.. Die Kläger können deshalb nicht damit gehört werden, dass das Verhalten der Beklagten schon deshalb Sittenwidrig sei, weil der Beklagten ohne die Mitwirkung der P. M. bei Abschluss der Verträge die Grundlage für die Aufnahme des Betriebes gefehlt hätte und sie deshalb Sittenwidrig handele, wenn sie vor Tilgung der Altschulden ihr Grundeigentum nicht zur Erzielung von Einkünften aus der Landwirtschaft einsetze. Die P. M. und ihre Gesellschafter haben sich seinerzeit bewusst dafür entschieden, den ehemaligen Betriebsteil nicht weiterzubetreiben, sondern ihn im Rahmen der Umstrukturierung von einer der aus den Reihen der ehemaligen Gesellschafter bestehenden neu gegründeten Gesellschaft über Pacht- und Mietverträge bewirtschaften zu lassen, in der Folgezeit wurde dann sukzessive von der Beklagten dort Eigentum erworben. Dadurch hat sich die P. M. der dort bestehenden Chancen begeben, andererseits aber auch sich der damit verbundenen Arbeit und Risiken entledigt.

Das gilt auch für die Auffassung, es sei zu berücksichtigen, dass die P. M. das Land auch an Dritte zu höheren Pachtzinsen hätte unterverpachten können und den von ihr bzw. ihrem Geschäftsführer W. und Herrn … abgeschlossenen zehnjährigen Pachtverträgen mit den Grundstückseigentümern sei ein hoher finanzieller Wert zuzurechnen, welcher der Beklagten bei der Neustrukturierung zugutegekommen sei. Selbst wenn die P. M. darauf verzichtet haben sollte, aus der Vermietung und Verpachtung Gewinne zu erzielen, steht dies einer Übertragung von Vermögen nicht gleich. Die Fortführung des Geschäftsbetriebes durch die von den Parteien als „ Betreibergesellschaften“ bezeichneten neuen Gesellschaften war Grundlage des ursprünglichen LPG-Beschlusses und an ihnen konnten sich die alten LPG-Mitglieder beteiligen.

Bei der erforderlichen Gesamtbetrachtung ist schließlich zu berücksichtigen, dass die Beklagte und die anderen Betreibergesellschaften nicht unerhebliche Gelder an die P. M. gezahlt haben, die ebenso wie die Mietzahlungen für Gebäude und Technik und Veräußerungserlöse

aus dem Verkauf ehemaligen LPG-Vermögens nicht in die Rückführung der Altschulden geflossen sind. Es wurde von der P. M. lediglich die jährliche Verwaltungspauschale gezahlt. Weiter ist zu berücksichtigen, dass durch die vertraglichen Gestaltungen auch seinerzeit nicht sichergestellt worden ist, dass die Zahlungen aus den Teilgewinnabführungsverträgen der von den Parteien als „Betreibergesellschaften“ genannten Gesellschaften zur Tilgung von Altschulden eingesetzt werden. Es ist auch keine Obergrenze vereinbart worden, bis zu welchem Betrag sie sich an den Altschulden beteiligen sollen. Die P. M. ist gegenüber der Bank nicht zur Tilgung von Altschulden verpflichtet, solange sie Jahresfehlbeträge erwirtschaftet. Auf die Geschäftsführung der P. M. und die Verwendung der abgeführten Gelder im Betrieb der P. M. hat die Beklagte keinerlei Einfluss. Auch die Teilgewinnabführungen der anderen Gesellschaften und die Verwendung dieser Gelder im Betrieb der P. M. kann sie nicht beeinflussen. Unter Berücksichtigung all dieser Umstände kommt einem Vertragsverstoß gegen die Gewinnabführungsverpflichtung nicht die Qualität einer sittenwidrigen Handlung zu. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die P. M. es verschuldet hat, dass sie keine Gewinne erzielt hat, oder ob sie die Zahlungen zur Altschuldentilgung hätte einsetzen können.

An dieser Rechtsauffassung, die der Senat bereits seinem Urteil vom 25.08.2021 (2 U 89/17) zu Grunde gelegt hat, hält der Senat auch angesichts des im vorliegenden Verfahren neuerlich gehaltenen Vortrags fest. Da die Nichtzulassungsbeschwerde gegen dieses Urteil zurückgewiesen wurde (Beschluss des BGH vom 24. Mai 2022 – II ZR 154/21), erkennt der Senat auch keinen Anhaltspunkt dafür, die vorangegangene Entscheidung des BGH falsch interpretiert zu haben.

d)

Darüber hinaus kommt eine Nichtigkeit der Beschlussfassung in Betracht, wenn die Zustimmung sämtlicher Gesellschafter – also auch der Kläger und der weiteren abwesenden Gesellschafter – zu dessen Wirksamkeit erforderlich war. Auch dies ist nicht der Fall.

aa)

Ist eine Zustimmung sämtlicher Gesellschafter zur Beschlussfassung erforderlich, ist der – nur – mit Mehrheit gefasste Beschluss zunächst schwebend unwirksam. Er ist aber endgültig unwirksam und damit nichtig, wenn feststeht, dass erforderliche Zustimmungen verweigert werden (Noack – Noack, aaO, Anh. § 47 GmbHG, Rn. 20 – 22; § 47 GmbHG, Rn. 29). Wenn die Zustimmung – auch – der Kläger Dr. W. und R. erforderlich war, ist der Beschluss nichtig, da feststeht, dass diese ihre Zustimmung nicht erteilen.

bb)

Für die Änderung – nur – des Unternehmensgegenstandes ist die Zustimmung sämtlicher Gesellschafter nicht erforderlich, wohl aber für die Änderung des Zwecks der Gesellschaft (Noack – Noack, aaO, § 53 GmbHG, Rn. 30; – Fastrich, aaO, § 3 GmbHG, Rn. 7; § 1 GmbHG, Rn. 5). § 33 Abs. 1 Satz 2 BGB formuliert insoweit einen allgemeinen Grundsatz des Gesellschaftsrechts (Lutter/Hommelhoff – Bayer, aaO, § 53 GmbHG, Rn. 23).

cc)

Hier ist nicht der Gesellschaftszweck, sondern der Unternehmensgegenstand durch die Beschlussfassung betroffen.

Der Unternehmensgegenstand kennzeichnet den Bereich und die Art der Betätigung der Gesellschaft. Er beschränkt die Geschäftsführungsbefugnis und ist zur Information gegenüber Dritten über Art und Inhalt der Geschäftstätigkeit wesentlich (Noack – Fastrich, aaO, § 1 GmbHG, Rn. 5). Daher muss der Gesellschaftsvertrag den Unternehmensgegenstand angeben, § 3 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG. Dies verpflichtet die Gesellschafter, den Gegenstand des Unternehmens im Gesellschaftsvertrag so bestimmt anzugeben, dass der Schwerpunkt der Geschäftstätigkeit für die beteiligten Wirtschaftskreise hinreichend erkennbar wird. Dem mit dieser Vorschrift verfolgten Hauptzweck, die interessierte Öffentlichkeit in groben Zügen über den Tätigkeitsbereich des neuen Unternehmens zu unterrichten, wird ausreichend Genüge getan, wenn die Zuordnung zu einem bestimmten Geschäftszweig als einem abgegrenzten Sachbereich des Wirtschaftslebens möglich ist. (BGH, Beschluss vom 03. November 1980-11 ZB 1/79-, Rn. 16, juris). Im Allgemeinen ist daher eine geschäftszweigmäßige Bezeichnung erforderlich und ausreichend (Noack – Fastrich, aaO, § 3 GmbHG, Rn. 8). Der Gesellschaftszweck ist dagegen das gemeinsame Ziel für den Zusammenschluss der Gesellschafter und für ihr Verhältnis zueinander maßgeblich (Noack – Fastrich, aaO; § 1 GmbHG, Rn. 5). Der Zweck beantwortet stets die Frage nach dem Wozu der GmbH: Soll Gewinn erzielt oder ein gesellschaftliches, karitatives oder anderes ideelles Ziel erreicht werden? (Lutter/Hommelhoff – Bayer, aaO, § 1 GmbHG, Rn. 3). Bei der Zweckänderung handelt es sich um eine Entscheidung von so grundlegender Bedeutung für die Gesellschaft, dass sie von der Mehrheit grundsätzlich nicht beschlossen werden kann (vgl. BGH, Beschluss vom 11. November 1985 – II ZB 5/85 -, Rn.12, juris).

Oftmals werden Unternehmensgegenstand und Zweck der Gesellschaft im Gesellschaftsvertrag nicht gesondert definiert. Auch der Gesellschaftsvertrag der Beklagten als GmbH (2 U 673/17, Anlage 86) enthält unter § 2 nur den „Gegenstand des Unternehmens“ und keine gesonderte Definition des Gesellschaftszweckes. Als Gesellschaftszweck ist im Zweifel nur das anzusehen, in dem der oberste Leitsatz für die Gesellschaftstätigkeit zum Ausdruck gebracht wird, und mit dessen Abänderung schlechterdings kein Gesellschafter bei seinem Beitritt zur Gesellschaft rechnen kann. Als Zweck der Gesellschaft kann in der Regel nur die große Linie angesehen werden, um derentwillen sich die Gesellschafter zusammengeschlossen haben. Eine Zweckänderung liegt dann nur vor, wenn der Charakter der Gesellschaft sich ändert (vgl. BGH, Beschluss vom 11. November 1985 – II ZB 5/85 -, Rn. 16, juris, zum Verein). Die angegriffene Beschlussfassung bezieht sich nur auf die Änderung des Unternehmensgegenstandes. Der erwerbswirtschaftliche Zweck der Gesellschaft wird nicht verändert.

11.

Der Beschluss der Gesellschafterversammlung vom 29.12.2014 betreffend die Ausweisung des Gesellschaftsanteils Dr. W. als eigenen Anteil der Beklagten ist nichtig.

Da dieser Beschluss der Umsetzung des Beschlusses über den Ausschluss des Klägers Dr. W. diente, ist er mit diesem untrennbar verbunden und als aus denselben Gründen wie der Ausschlussbeschluss selbst zumindest anfechtbar. Die Anfechtung wurde durch den Kläger R. fristgerecht geltend gemacht. Darüber hinaus aber ist diese Beschlussfassung nach Auffassung des Senats als dem Wesen der GmbH fremd und damit nichtig anzusehen, § 241 Nr. 3 AktG, weil damit die infolge der Anfechtbarkeit des Ausschlussbeschlusses bestehende Mitgliedschaft des Klägers Dr. W. ohne eine Grundlage im Recht der GmbH wegen der Wirkungen des § 16 GmbHG gefährdet wird, und der erforderliche Schutz der Mitgliedschaft die Nichtigkeit bedingt (vgl. Hüffer, AktG, 10. A., § 241 AktG, Rn. 18).

12.

Der Beschluss der Gesellschafterversammlung vom 29.12.2014 betreffend die Genehmigung von Verträgen ist durch die angefochtenen Urteile zutreffend für nichtig erklärt worden, weil die Beschlussfassung gegen den zum damaligen Zeitpunkt gesellschaftsvertraglich festgelegten Unternehmensgegenstand verstieß.

a)

Den Anfechtungsklagen fehlt nicht etwa deswegen das Rechtsschutzbedürfnis, weil die Gesellschafterversammlung mit einem weiteren, ebenfalls am 29.12.2014 gefassten Beschluss die Rückabwicklung dieser Verträge abgelehnt hat, denn dies ist von der Genehmigung der Verträge zu unterscheiden.

Die Genehmigung ist die nachträgliche Zustimmung zur Vornahme eines Rechtsgeschäftes, §§ 184 Abs. 1, 182 BGB. Ist sie wirksam erteilt, wirkt sie auf den Zeitpunkt der Vornahme des Rechtsgeschäftes zurück. Durch die Genehmigung wird das Rechtsgeschäft, gleichgültig, ob es ein Verpflichtungs- oder Verfügungsgeschäft ist, mit rückwirkender Kraft vollwirksam (Grüneberg – Ellenberger, BGB, 82. A., § 184 BGB, Rn. 2). Diese Rechtswirkung ist von Bestand, denn die Genehmigung ist als rechtsgestaltende Erklärung nicht widerruflich (Grüneberg, aaO, Rn. 4). Die Ablehnung der Rückabwicklung hat hingegen keine Auswirkung auf die Wirksamkeit der Verträge und kann ihrerseits durch einen gegenläufigen Gesellschafterbeschluss aufgehoben werden.

b)

Die Beschlussfassung am 29.12.2014 verstieß gegen den gesellschaftsvertraglich festgelegten Unternehmensgegenstand und ist deswegen anfechtbar.

aa)

Nach § 2, erster Absatz der Satzung der Beklagten in der am 29.12.2014 gültigen Fassung (Anlage K 11, 2 U 4927/17; BI. 131 d.A.) war Gegenstand des Unternehmens der Beklagten die Tier- und Pflanzenproduktion, die Erzeugung tierischer und pflanzlicher Produkte und ihre Vermarktung sowie das Handeln mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen und Geräten und solchen, die für die Landwirtschaft benötigt werden.

Die abweichende Handhabung im Sinne einer dauerhaften Abweichung oder einer Aufgabe des Unternehmensgegenstandes verstößt gegen die Satzung und ist unzulässig (Noack – Servatius, aaO, § 3 GmbHG, Rn. 10). Eine förmliche Anpassung der Satzung ist nicht nur dann erforderlich, wenn das Betätigungsfeld ausgewechselt oder erweitert werden soll, sondern auch bei einer nicht nur vorübergehenden Einschränkung oder Aufgabe, da der Gegenstand nicht nur die Grenze für das Handeln der Geschäftsführung absteckt, sondern auch eine Pflicht zum Tätigwerden begründet. Im Fall der sogenannten faktischen Änderung des Gegenstands kann die Gesellschafterminderheit einen billigenden Beschluss der Mehrheit aufgrund des satzungsdurchbrechenden Charakters regelmäßig anfechten (Münchener Kommentar zum GmbHG/Wicke, 4. Aufl. 2022, GmbHG § 3 Rn. 23). Eine entsprechende Beschlussfassung ist daher satzungswidrig und entsprechend § 243 Abs. 1 AktG anfechtbar.

bb)

Die ebenfalls am 29.12.2014 beschlossene Änderung des Unternehmensgegenstandes war noch nicht wirksam, weil sie der Eintragung in das HandelsregisterBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Eintragung
Eintragung in das Handelsregister
Handelsregister
bedurfte § 54 Abs. 1, Abs. 3 GmbHG, welche erst deutlich später mit der Eintragung der Beklagten als Aktiengesellschaft erfolgte.

Der Beschlussmangel wurde nicht durch die Eintragung des neuen Unternehmensgegenstandes in das Handelsregister geheilt. Der geänderte Unternehmensgegenstand ist wiederum zur Eintragung in das HandelsregisterBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Eintragung
Eintragung in das Handelsregister
Handelsregister
anzumelden, §§ 54 Abs. 1 Satz 1, 3 Abs. 1 Nr. 2, 10 Abs. 1 Satz 1 GmbHG. In entsprechender Anwendung des § 242 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 AktG kommt als Folge der Eintragung eine Heilung von Beschlussmängeln in Betracht (Noack – Noack, aaO, § 54 GmbHG, Rn. 37; Anh. § 47 GmbHG, Rn. 73 – 75). Da das Gesetz die Heilung generell für Beschlüsse vorsieht, die wegen ihrer Bedeutung in das Handelsregister einzutragen sind, umfasst die Regelung auch Beschlüsse über Satzungsänderungen. Die Vorschrift des § 242 Abs. 2 Satz 1 AktG ist im GmbH-Recht entsprechend anzuwenden (BGH, Urteil vom 19. Juni 2000 – II ZR 73/99 -, Rn. 11, 12, juris).

Eine Heilung durch die Eintragung in das HandelsregisterBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Eintragung
Eintragung in das Handelsregister
Handelsregister
der Beklagten noch während ihrer Rechtsform als GmbH ist nicht erfolgt. Mit Beschluss vom 24.11.2015 (2 W 310/15) hat der Senat das Verfahren über die Eintragung der Satzungsänderung betreffend die Änderung des Gesellschaftsvertrages der Beklagten als GmbH bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die vorliegende Klage ausgesetzt. Es wird auch nicht behauptet, dass eine Handelsregistereintragung zur GmbH erfolgt sei; der unstreitige Vortrag der Parteien zur Eintragung des geänderten Unternehmensgegenstandes in der mündlichen Verhandlung am 29.08.2018 (Blatt 1866 der Akte) bezieht sich auf die Satzung der Beklagten als Aktiengesellschaft. Da die streitgegenständliche Beschlussmängelklage bereits rechtshängig war, bevor die Beklagte in einer Aktiengesellschaft umgewandelt wurde und damit zwingend auch, bevor die Änderung von§ 2 der Satzung als Unternehmensgegenstand der AG in das Handelsregister eingetragen wurde, greift§ 242 Abs. 2 Satz 2 AktG ein.

cc)

Die zu genehmigenden Verträge hatten die Veräußerung und Unterverpachtung landwirtschaftlicher Produktionsmittel zum Gegenstand. Es steht den Gesellschaftern zwar grundsätzlich frei, über die Zusammensetzung des Vermögens zu befinden, mit dem der satzungsmäßige Unternehmensgegenstand verfolgt werden soll. Ein Verstoß gegen den Unternehmensgegenstand liegt aber dann vor, wenn mit den genehmigten Verträgen landwirtschaftliche Produktionsmittel in einem solchen Umfang veräußert werden sollen, dass es der Gesellschaft nicht mehr möglich ist, im Rahmen des – alten – Unternehmensgegenstandes tätig zu werden. Dies ist hier der Fall.

Die Kaufverträge, auf die sich die Beschlussfassung gemäß TOP 9 der Gesellschafterversammlung am 29.12.2014 bezog, liegen im Anlagenkonvolut K 4 a als „Anlage 2″ bis „Anlage 6″ vor. Sie umfassen eine Vielzahl von Grundstücken, Maschinen, Geräten und baulichen Anlagen sowie Zahlungsansprüche aus der Region Thüringen. Die Kläger haben hierzu vorgetragen, dass der Beklagten durch die Veräußerung sämtliche Wirtschaftsgüter entzogen würden, die sie benötige, um den Geschäftsbetrieb aufrechtzuerhalten. Über die Verträge würde das gesamte Sachanlagevermögen der Beklagten sowie sämtliche Zahlungsansprüche weggegeben. Durch den Abschluss der Grundstückskaufverträge würden sämtliche im Eigentum der Beklagten stehende Grundstücke übertragen. Die Unterpachtverträge beträfen den gesamten von der Beklagten gepachteten Flächenbestand. Dem ist die Beklagte nicht entgegengetreten; vielmehr bestätigt der Inhalt des Beschlusses des Aufsichtsrates vom 30.12.2013 und der Vortrag der Beklagten zur Zulässigkeit der grundlegenden Umgestaltung des Gesellschaftszieles (2 U 492/17, BI. 426,427 der Akte) den klägerischen Vortrag.

c)

Dieser Anfechtungsgrund ist von beiden Klägerin in seinem wesentlichen Kern fristgerecht mit den Klageschriften geltend gemacht worden, weil beide vorgetragen haben, dass und warum die Beklagte unter Aufgabe des ursprünglichen Unternehmensgegenstandes durch die Überleitung des Geschäftsbetriebes auf die L. U. GmbH und die Agrarp. GmbH kalt liquidiert werde.

13.

Es ist nicht zu beanstanden, dass das Landgericht mit dem angefochtenen Urteil im Verfahren HK O 16/15 die Beschlüsse der Gesellschafterversammlung vom 29.12.2014 betreffend die Entlastung der GeschäftsführerBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Entlastung
Entlastung der Geschäftsführer
Geschäftsführer
H. und F. sowie der genannten Aufsichtsratsmitglieder für das Geschäftsjahr 2013 wie auch die Entlastung des GeschäftsführersBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Entlastung
Entlastung des Geschäftsführers
F. und der Aufsichtsratsmitglieder für den Abschluss der unter den Punkten 7 und 9 der Tagesordnung genannten Verträge für nichtig erklärt hat.

a)

Die Gesellschafter billigen, wenn sie die Organmitglieder entlasten, deren Amtsführung für die Dauer der zurückliegenden Entlastungsperiode und sprechen ihnen gleichzeitig für die künftige Geschäftsführung ihr Vertrauen aus, falls nicht im Einzelfall die Umstände ergeben, dass nur eine Entscheidung für die Vergangenheit gewollt ist. Im Recht der GmbH hat die Entlastung ferner zur Folge, dass die GmbH mit Ersatzansprüchen und Kündigungsgründen ausgeschlossen ist, die der Gesellschafterversammlung bei sorgfältiger Prüfung aller Vorlagen und Berichte erkennbar sind oder von denen alle Gesellschafter privat Kenntnis haben. Die Gesellschafterversammlung befindet, wenn sie das Organmitglied entlastet, auch darüber, ob dieses innerhalb der Grenzen, die Gesetz, Satzung oder Einzelanweisung seiner unternehmerischen Entscheidungsfreiheit und Verantwortung ziehen, seine unternehmerischen Entschließungen zweckmäßig getroffen, ob es – mit anderen Worten – bei der Führung des Unternehmens eine „glückliche Hand“ gehabt hat. Bei der Beurteilung dieser Frage hat die Gesellschafterversammlung eine breite Spanne des Ermessens, die es ihr erlaubt, die Entlastung zu erteilen oder zu verweigern, ohne gegen das Gesetz zu verstoßen (BGH, Urteil vom 20. Mai 1985-11 ZR 165/84 -, Rn. 5 – 6, juris).

Wegen des weiten Ermessensspielraums der Gesellschafter bei der Entlastung ist ein Entlastungsbeschluss anfechtbar, wenn keine andere Entscheidung als die Versagung denkbar ist und die Entlastung missbräuchlich ist. Das ist insbesondere der Fall, wenn dem Organmitglied schwere Pflichtverletzungen vorzuwerfen sind und der Gesellschaft ein erheblicher Sch.n zugefügt wurde (BGH, Beschluss vom 04. Mai 2009 – II ZR 169/07 -, Rn. 20, juris). Ein Entlastungsbeschluss ist anfechtbar, wenn Gegenstand der Entlastung ein Verhalten ist, das eindeutig einen schwerwiegenden Gesetzes- oder Satzungsverstoß darstellt. Ansonsten könnte eine zur Billigung rechtsbrechenden Verhaltens entschlossene Mehrheit gegen den Widerstand einer gesetzes- und satzungstreuen Minderheit eine Entlastung der Verwaltung jederzeit durchsetzen. Das widerspricht nicht nur der Regelung des § 243 Abs. 1 AktG, sondern wäre auch mit dem Gesichtspunkt der Treuepflicht der Mehrheit gegenüber der Minderheit nicht vereinbar. Ein Beschluss, der den Verwaltungsmitgliedern trotz eines schwerwiegenden und eindeutigen Gesetzesverstoßes Entlastung erteilt, ist daher selbst gesetzwidrig ist und kann nach § 243 Abs. 1 AktG angefochten werden (BGH, Urteil vom 25. November 2002 – II ZR 133/01 -, BGHZ 153, 47-61, Rn. 15, 18). Wegen der Verzichtswirkung ist eine Entlastungsentscheidung auch treuwidrig, wenn sie zu einem Zeitpunkt getroffen wird, zu dem die Gesellschafter zwar von der Pflichtverletzung erfahren haben, aber noch nicht in der Lage sind, zu beurteilen, ob der Gesellschaft ein Schaden zugefügt wurde, und sie nur dazu dient, den Geschäftsführer der Verantwortung für sein Verhalten zu entziehen und eine weitere Untersuchung zu verhindern (BGH, Beschluss vom 04. Mai 2009 – II ZR 169/07 -, Rn. 20, juris).

b)

Beide Kläger machen geltend, dass die Geschäftsführer H. und F. sowie die Aufsichtsratsmitglieder sich an einem Gesetzesverstoß beteiligt hätten, indem sie an der rechtswidrigen Verlagerung von Vermögensgegenständen der Beklagten auf die Agrarp. GmbH und auf die L. …. GmbH  mitwirkten.

Durch den Kläger Dr. W. wurden die Anfechtungsgründe erst mit der Klageerweiterung vorgebracht, so dass dieser die Anfechtungsgründe nicht fristgerecht geltend gemacht hat. Der Kläger R. hingegen hat die von ihm benannten Anfechtungsgründe fristgerecht bereits mit seiner Anfechtungsklageschrift vorgetragen. Für die weitere Prüfung ist daher – nur – auf den Vortrag des Klägers R. abzustellen.

c)

Der Vortrag des Klägers R. zu den Vertragsabschlüssen (2 U 673/17, Blatt 100, 101 der Akte) ist unstreitig. Des Weiteren ist unstreitig, dass Herr H. Geschäftsführer der beiden Gesellschaften war, die die Verträge mit der Beklagten schlossen und dass die L. U. GmbH am 12.12.2013 unter Beteiligung der Mehrzahl der Gesellschafter der Beklagten gegründet und am 03.03.2014 in das Handelsregister eingetragen wurde.

Die Verträge der Beklagten mit der Agrarp. GmbH und der L. U. GmbH wurden zwischen dem 02.01.2014 und dem 06.06.2014 geschlossen. Der Aufsichtsrat der Beklagten wurde bereits im Jahre 2013 mit der Angelegenheit befasst, wie sich an der Beschlussfassung vom 30.12.2013 zeigt, in der es u.a. um die Übertragung der Flächenbewirtschaftung an die L. U. ging (2 U 673/17, Anlage K14). Herr F. war als Geschäftsführer der Beklagten in den Abschluss der Verträge eingebunden. Die Beklagte wendet zwar ein, dass Herr H. am 12.12.2013 nicht mehr ihr Geschäftsführer gewesen sei. Aus der Einladung der Beklagten vom 21.11.2013 (2 U 673/17, Anlage B5) ergibt sich aber, dass Herr H. noch am 21.11.2013 Geschäftsführer der Beklagten war. Aus dem Beschluss des Aufsichtsrates vom 30.12.2013 ergibt sich des Weiteren, dass die Gesellschafterversammlung am 10.12.2013 Beschlüsse zur Aufgabe des Geschäftsbetriebes der Beklagten fasste, auf denen der Aufsichtsratsbeschluss gründete. Schon diese Beschlüsse müssen vorbereitet worden sein. Dies alles zusammengenommen, kann die Schlussfolgerung gezogen werden, dass auch Herr H. noch als Geschäftsführer der Beklagten in die Vorbereitung der Veräußerungen eingebunden war.

d)

Da der Abschluss der Verträge, wie oben bereits ausgeführt wurde, zu damaligen Zeitpunkt gegen den zum damals gültigen, gesellschaftsvertraglich festgelegten Unternehmensgegenstand verstieß, liegt ein Verstoß gegen die Satzung vor. Der Verstoß gegen die Satzung ist wegen des Umfanges, den die abgeschlossenen Verträge hatten, und wegen der Deutlichkeit, mit der dadurch gegen den Unternehmensgegenstand verstoßen wurde, auch eindeutig und schwerwiegend.

e)

In Bezug auf die Entlastung des GeschäftsführersBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Entlastung
Entlastung des Geschäftsführers
F. für das Jahr 2013 hat der Kläger R. des Weiteren geltend gemacht, dass mit der Aufstellung des fehlerhaften Jahresabschlusses 2013 eine Pflichtverletzung vorliege, die der Entlastung entgegenstehe. Dieser Auffassung tritt der Senat bei.

Nach dem oben bereits Dargelegten liegt ein Fehler des Jahresabschlusses darin, dass keine Rückstellung für Gewinnabführungsansprüche in Höhe von 35.972,22 Euro und 17.021,96 Euro gebildet wurden, die die P. M. für die Jahre 2010 und 2011 geltend machte. Aus den obigen Darlegungen ergibt sich zugleich, dass der Verstoß trotz des Streites zwischen der Beklagten und der P. M. um die Pflichten aus der Teilgewinnabführungsvereinbarung eindeutig war, da angesichts der bereits vorliegenden Entscheidungen und des Vorverhaltens der beiden Gesellschaften jedenfalls eine Rückstellung zu bilden war.

14.

Die gegen den Kläger Dr. W. erhobene WiderklageAusschlussklage – ist unbegründet.

a)

Die Ausschlussklage ist zulässig.

Zwar fehlt es für die Erhebung einer Ausschlussklage an einem Rechtsschutzbedürfnis, soweit eine Satzungsregelung einen Ausschluss durch die Fassung eines gestaltenden Gesellschafterbeschlusses vorsieht (Noack – Fastrich, aaO, Anh. § 34 GmbHG, Rn. 1, 16; Tschernig, GmbHG 1999, 691, 692; OLG Stuttgart, Urteil vom 23. März 1989 – 2 U 36/88-, LS nach juris). Hier stellt der Gesellschaftsvertrag aber den Ausschluss eines Gesellschafters durch Beschluss der Gesellschafterversammlung unter das Erfordernis einer grob schuldhaften Pflichtverletzung und engt damit den Anwendungsbereich des Ausschlusses gegenüber demjenigen der Ausschlussklage, die im Grundsatz keine grob schuldhafte Pflichtverletzung, sondern einen wichtigen Grund erfordert, ein. Da das Recht auf Erhebung einer Ausschlussklage unabdingbar ist (siehe oben; Lutter/Hommelhoff – Kleindiek, aaO, § 34 GmbHG, Rn. 52; Thüringer OLG in Jena, Urteil vom 05. Oktober 2005 – 6 U 162/05-, Rn. 8), bleibt die Erhebung der Ausschlussklage zur Geltendmachung eines wichtigen Grundes zulässig. Ob aber die Anforderungen an den wichtigen Grund wiederum durch die Satzung der Beklagten gestaltet wurden, ist keine Frage der Zulässigkeit, sondern der Begründetheit der Ausschlussklage (hierzu sogleich).

b)

Mit der Beschlussfassung am 29.12.2014, die wirksam ist (siehe oben), liegt das entsprechende materiell rechtliche Erfordernis für die Erhebung der Klage vor. Die Ausschlussklage ist aber unbegründet, weil es an dem durch die Satzung der Beklagten wirksam näher ausgestalteten wichtigen Grund fehlt.

Mit ihrer gesellschaftsvertraglichen Regelung haben sich die Gesellschafter darauf geeinigt, dass ein Ausschluss eine grob schuldhafte Verletzung von Gesellschaftspflichten voraussetzt. Damit wurde für die Gesellschafter auch ein Vertrauenstatbestand geschaffen; die Gesellschafter dürfen darauf vertrauen, dass ein Ausschluss nur unter dieser Voraussetzung erfolgen kann, sei es durch Beschluss der Gesellschafterversammlung oder durch Ausschlussklage. Der Ausschluss kann hinsichtlich Voraussetzungen und Verfahren in der Satzung näher geregelt werden. Die Satzung kann auch die Ausschlussgründe präzisieren und dadurch einen mehr oder minder strengen Beurteilungsmaßstab vorgeben (Noack – Kersting, aaO, Anh. § 34 GmbHG, Rn. 16). Das Erfordernis einer grob schuldhaften Pflichtverletzung ist daher auch bei der Ausfüllung des „wichtigen Grundes“ im Rahmen der Ausschlussklage anzuwenden (vgl. Scholz- Seibt, GmbHG, 12. A., Anh. § 34 GmbHG, Rn. 55). Die Voraussetzungen für den Ausschluss liegen daher aus den oben bereits genannten Gründen nicht vor.

c)

Aber selbst dann, wenn man entgegen der Rechtsauffassung des Senats für die Ausfüllung des wichtigen Grundes keine grob schuldhafte Pflichtverletzung forderte, wäre ein wichtiger Grund zu verneinen. Die Gründe für die Ausschlussklage sind dieselben, die die Beklagte bereits zur Begründung des Ausschlussbeschlusses vorgebracht hat. Diese rechtfertigen den Ausschluss nicht.

aa)

Ein Gesellschafter kann zwangsweise aus der Gesellschaft ausgeschlossen werden, wenn in seiner Person ein diese Maßnahme rechtfertigender wichtiger Grund vorliegt.

Ein wichtiger Grund für den Ausschluss liegt vor, wenn den übrigen Gesellschaftern die Fortsetzung der Gesellschaft mit dem betroffenen Mitglied infolge seines Verhaltens oder seiner Persönlichkeit nicht mehr zuzumuten ist, seine weitere Mitgliedschaft also den Fortbestand der Gesellschaft unmöglich macht oder doch ernstlich gefährdet (Noack – Fastrich, aaO, Anh. § 34 GmbHG, Rn. 3). Dies bedarf einer umfassenden Prüfung aller Umstände des Einzelfalls und einer Gesamtabwägung der beteiligten interessen sowie des Verhaltens der übrigen Gesellschafter (BGH, Urteil vom 13. Februar 1995 – II ZR 225/93 -, Rn. 15, juris). Ein schuldhaftes Verhalten ist zwar nicht erforderlich, da es allein auf die objektiven Umstände ankommt, wobei allerdings eine Pflichtwidrigkeit oder ein sonst schuldhaftes Verhalten die Ausschließung regelmäßig eher rechtfertigen wird. Bei der Gesamtwürdigung geht es nicht allein um das Verhalten des Auszuschließenden, sondern ebenso um das der anderen Gesellschafter (OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG München
, Urteil vom 12. November 2009 – 23 U 2754/09 -, Rn. 8, juris).

bb)

Bei der Ausbringung von Arresten und einstweiligen Verfügungen, Ausbringung von Zahlungsverboten und der Geltendmachung der Zahlungsansprüche handelte Herr Dr. W. als Geschäftsführer der P. M. zur Durchsetzung von nach seiner Auffassung entstandenen Zahlungsansprüchen aus der Teilgewinnabführungsvereinbarung.

Der Interessengegensatz, der zwischen der Beklagten und der P. M. entstand, beruht auf der Konstruktion der Verwendung der Betriebsmittel der ehemaligen LPG durch die P. M. und die übrigen Gesellschaften einschließlich der Beklagten. Wie sich den bereits vorliegenden gerichtlichen Entscheidungen zur Problematik der Gewinnabführung entnehmen lässt, handelt es sich jedenfalls nicht um eine willkürliche Handlungsweise des Herrn Dr. W., mit der die Schädigung der Beklagten verfolgt wird, sondern um die Verfolgung von interessen der P. M., die Herrn Dr. W. als deren Geschäftsführer obliegt. Ein Gesellschafter kann aufgrund der ihm der Gesellschaft und seinen Mitgesellschaftern gegenüber obliegenden Treuepflicht gehalten sein, von ihm an sich zustehenden Rechten keinen Gebrauch zu machen. Er braucht dabei aber nicht ohne weiteres seine eigenen Belange hinter diejenigen der Gesellschaft zurückzustellen; es kommt vielmehr auf eine Abwägung der beiderseitigen interessen an (BGH, Urteil vom 10. Juni 1991 – II ZR 234/89 -, Rn. 7, juris). Gleiches gilt für den Umstand, dass der Kläger Dr. W. in seiner Stellung als Geschäftsführer der P. M. ständig Rechtsstreitigkeiten mit der Beklagten führt. Dies kann allerdings regelmäßig ein Indiz dafür sein, dass ein tiefgreifendes Zerwürfnis besteht. Jedoch handelt es sich hier nicht um ein schikanöses, nicht durch die Wahrung berechtigter eigener Belange gerechtfertigtes Vorgehen. Der Kläger Dr. W. leitet nicht etwa wahllos gerichtliche Streitigkeiten ein und wird dabei ständig abgewiesen. Vielmehr gehen die Rechtsstreitigkeiten auch zu seinen Gunsten aus. Dieser Befund kann sogar dafür sprechen, dass die hinter der prozessbeteiligten GmbH stehenden anderen Gesellschafter sich ihrerseits nicht gesellschaftstreu verhalten, sondern versuchen, den Kläger aus der Gesellschaft hinauszudrängen oder als Störenfried darzustellen (vgl. OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG München
, Urteil vom 12. November 2009 – 23 U 2754/09-, Rn.11,juris).

cc)

Auch bei dem Schreiben vom 18.12.2014 (2 U 492/17, Blatt 467 – 470 der Akte) an die Verpächter von Grundstücken handelt es sich um eine hinreichend begründete Wahrnehmung der interessen der P. M. Dies wurde bereits ausgeführt.

dd)

Die bereits genannte Strafanzeige gibt aus den bereits genannten Gründen ebenfalls keinen

wichtigen Grund für den Ausschluss des Dr. W. aus der Beklagten ab.

Die gegen einen anderen Gesellschafter oder gegen das Organmitglied einer Mitgesellschafterin gerichtete Strafanzeige ist nicht in jedem Fall als ein Verhalten anzusehen, dass das Verbleiben des Anzeigeerstatters in der Gesellschaft unzumutbar macht. Jedenfalls dann, wenn eine solche Anzeige nicht leichtfertig oder gar wider besseres Wissen erhoben wird, sondern der sich an die Strafverfolgungsbehörden wendende Gesellschafter nach gewissenhafter Prüfung der Auffassung sein kann, es lägen strafbare Verhaltensweisen vor, ist es ihm nicht verwehrt, sich an die Ermittlungsbehörden zu wenden (BGH, Urteil vom 24. Februar 2003 – II ZR 243/02 -, Rn. 11, juris).

ee)

Das zwischen den Gesellschaftern bestehende tiefgreifende Zerwürfnis rechtfertigt als solches noch nicht die Ausschließung des Klägers Dr. W. (OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG München
, Urteil vom 12. November 2009- 23 U2754/09-, Rn. 15, juris). Der Ausschluss eines Gesellschafters unter dem Gesichtspunkt eines tiefgreifenden Zerwürfnisses setzt voraus, dass das Zerwürfnis von ihm zumindest überwiegend verursacht worden ist und in der Person des oder der auf Ausschließung klagenden Gesellschafter nicht ebenfalls ein Ausschlussgrund vorliegt (BGH, Urteil vom 10. Juni 1991 – II ZR 234/89-, Rn. 13, juris). Dies ist aus den genannten Gründen nicht der Fall.

15.

Die Klage des Klägers Dr. W. auf Feststellung der Unwirksamkeit von § 2 der Satzung der Beklagten in der geänderten Fassung ist unzulässig.

a)

Ausweislich des insoweit nicht angegriffenen Protokolls der Gesellschafterversammlung vom 29.12.2014 (2 U 492/17, Anlage K14, Seiten 33-44) wurden unter Punkt 12 der Tagesordnung die Beschlüsse zur formwechselnden Umwandlung der Beklagten von der Rechtsform der GmbH in die Rechtsform der AG gefasst. Den Gesellschaftern lag bei der Beschlussfassung der Entwurf der Satzung der AG als Anlagenkonvolut 8 vor. Der Wortlaut der Satzung wurde den anwesenden Gesellschaftern durch den Notar vorgelesen und als Anlage 11 zum Protokoll genommen. Die Feststellung dieser Satzung war Teil der Beschlussfassung zum Formwechsel.

b)

Der Kläger hat, wie sich aus der Formulierung des Klageantrages und der dazu abgegebenen Begründung wie auch der Stellungnahme in der mündlichen Verhandlung am 29.08.2018 ergibt, bewusst nicht die Klage auf Nichtigerklärung der Gesellschaft erhoben, § 275 Abs. 1 AktG, sondern eine Feststellungsklage im Sinne des § 256 Abs. 1 ZPO, mit der nur und ausschließlich das Rechtsschutzziel verfolgt werden soll, die Unwirksamkeit von § 2 der Satzung der Beklagten als AG festzustellen, die Gesellschaft in ihrem Bestand aber davon unberührt zu lassen.

c)

Die allgemeine Feststellungsklage nach § 256 Abs. 1 ZPO ist nicht zulässig. Ist die Bestimmung über den Gegenstand des Unternehmens nichtig, kann nach § 275 Abs. 1 Satz 1 AktG jeder Aktionär darauf klagen, dass die Gesellschaft für nichtig erklärt werde. § 275 AktG ist auch auf die durch Umwandlung entstandene Aktiengesellschaft anwendbar und schränkt zum Schutze des Rechtsverkehrs die Möglichkeiten ein, die Unwirksamkeit der Satzung geltend zu machen (Henssler/Strohn-Drescher, aaO, § 275 AktG, Rn. 1; Hüffer, aaO, § 275 AktG, Rn. 1, 2, 11 ). Die Feststellung der Nichtigkeit nach § 256 ZPO ist daher nur in Bezug auf fakultative Satzungsbestimmungen (§ 23 Abs. 5 Satz 2 AktG) möglich (Schmidt, K./Lutter – Riesenhuber, AktG, 3. A., § 275 AktG, Rn. 3), zu denen der Gegenstand des Unternehmens nicht gehört, § 23 Abs. 3 Nr. 2 AktG. Die Erhebung einer allgemeinen Feststellungsklage an Stelle der Klage auf Nichtigerklärung der Gesellschaft ist daher nicht statthaft.

16.

Dem Kläger R. ist auf seinen Antrag hin bezüglich der Kosten des Rechtsstreits, die bis zum 01.12.2021 entstanden sind, die Beschränkung der Haftung auf den Nachlass des Erblassers vorzubehalten. Nach § 1967 Abs. 1 BGB haftet der Erbe für die Nachlassverbindlichkeiten. Die §§ 1975 ff. BGB, 1990f. BGB sehen verschiedene Möglichkeiten der Beschränkung der Haftung des Erben auf den Nachlass vor. Nach § 780 Abs. 1 ZPO kann der Erbe die Beschränkung seiner Haftung nur geltend machen, wenn sie im Urteil vorgesehen ist.

Der Antrag ist im Berufungsverfahren unabhängig von den Voraussetzungen des § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 ZPO zuzulassen (BGH, Urteil vom 2. Februar 2010 – VI ZR 82/09 -, Rn. 7, juris). Die Voraussetzungen einer Haftungsbeschränkung nach§§ 1975 ff. 1990f. BGB können offenbleiben. Für die Aufnahme des Vorbehalts der beschränkten Erbenhaftung bedarf es keines Sachvortrags. Es genügt, dass sich der Erbe im Erkenntnisverfahren darauf beruft. Der Vorbehalt bedarf keiner Begründung (BGH, Urteil vom 2. Februar 2010-VI ZR 82/09-, Rn. 7, juris; BGH, Urteil vom 25. Januar 2018 – III ZR 561/16 -, Rn. 5, juris). Das Prozessgericht kann sich auf die Aufnahme des Vorbehalts beschränken und die sachliche Klärung des Haftungsumfangs dem. besonderen Verfahren gemäß § 785 ZPO überlassen (BGH, Urteil vom 2. Februar 2010 – VI ZR 82/09-, Rn. 8, juris).

§ 780 gilt nur für Nachlassverbindlichkeiten, zu denen auch die Kosten eines Rechtsstreites gehören können (Kindl/Meller-Hannich – Handke, Gesamts Recht der Zwangsvollstreckung, 4. A., ZPO § 780, Rn. 4), insbesondere die in der Person des Erblassers entstandenen Prozesskosten (Grüneberg – Weidlich, aaO, § 1967 BGB, Rn. 6; Zöller – Geimer, ZPO, 34. A., § 780 ZPO; Rn: 12, 13). Nicht erfasst ist eine in Form einer durch ein Handeln des Erben bei der Verwaltung des Nachlasses begründete Nachlasserbenschuld oder eine reine Eigenverbindlichkeit des Erben (BGH, Urteil vom 21. Oktober 2020. – VIII ZR 261/18-, BGHZ 227, 198-213, Rn. 20). Die aufgrund der Fortführung eines Rechtsstreites durch den Erben entstandenen Kosten unterfallen daher der unbeschränkten Erbenhaftung (Grüneberg – Weidlich, aaO, § 1967 BGB, Rn. 6; Zöller – Geimer, aaO, § 780 ZPO, Rn. 13). Es ist daher zwischen den Kosten zu differenzieren, die Nachlassverbindlichkeiten sind, und denjenigen, welche der Erbe als Eigenschuld zu tragen hat und für die kein Vorbehalt ausgesprochen werden darf (Münchener Kommentar zum BGB/Küpper, 9. Aufl. 2022, BGB § 1967 Rn. 40).

Der Vorbehalt ist daher auf diejenigen Prozesskosten zu beschränken, die bis zum Tode des Erblassers und ursprünglichen Klägers am 01.12.2021 entstanden waren. Nachdem der Erblasser während des Berufungsverfahrens am 01.12.2021 verstorben ist, ist sein Alleinerbe als Kläger und Berufungsbeklagter in den Rechtsstreit eingetreten. Nach dem Wortlaut des § 780 Abs. 1 ZPO liegen die Voraussetzungen für die Aufnahme eines Vorbehalts zwar nicht vor. Die Vorschrift ist im Streitfall allerdings entsprechend anzuwenden. Die Regelung des § 780 ZPO soll sicherstellen, dass der Titel bereits regelt, ob der Erbe sich in der Zwangsvollstreckung auf die Beschränkung seiner Haftung berufen kann. Der Erbe haftet nicht nur, wenn er als Beklagter zu einer Leistung verurteilt wird, sondern auch, wenn er als Kläger die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat. Ergeht gegen den Erben eine Kostengrundentscheidung, so kann er seine Haftung nur in den Fällen auf den Nachlass beschränken, in denen die Kostenentscheidung einen entsprechenden Vorbehalt vorsieht. Fehlt es an einem Vorbehalt, ist der Kläger im Kostenfestsetzungsverfahren mit der Haftungsbeschränkung präkludiert. Denn im Kostenfestsetzungsverfahren, in dem die Kostengrundentscheidung bindend ist, kann der Vorbehalt nicht mehr erfolgen. Da der Erblasser am 01.12.2021 verstarb, sind die bis zu diesem Zeitpunkt entstandenen Kosten als Nachlassverbindlichkeiten von dem Vorbehalt erfasst. Die später entstandenen Kosten fallen seinem Erben vorbehaltlos zur Last (zu Allem: BAG, Urteil vom 12. November 2013- 9 AZR 646/12-, Rn. 17 – 18, juris).

17.

Den nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung eingegangenen Schriftsatz der Kläger vom 17.03.2023 hat der Senat zur Kenntnis genommen. Dieser gebietet nicht, die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen. Es bestand kein Anlass, den Klägern einen weiteren Schriftsatznachlass zu gewähren und kein Grund, den Rechtsstreit im Hinblick auf die laufenden Ermittlungsverfahren auszusetzen.

18.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1, 100 Abs. 1, Abs. 2 ZPO.

Die Kläger Dr. W. und R. waren als Gesellschafter der GmbH notwendige Streitgenossen, ebenso wie als nunmehrige Aktionäre der Beklagten (Henssler/Strohn – Drescher, Gesellschaftsrecht, 2. A., § 246 AktG, Rn. 41; Zöller-Althammer, ZPO, 32. A., § 62 ZPO, Rn. 3, 4; BGH, Urteil vom 05. April 1993 – II ZR 238/91-, Rn. 77, juris; Noack – Noack, aaO, Anh. § 47 GmbHG, Rn.169; vgl. a. BGH, Beschluss vom 31. März 2008-11 ZB 4/07 -, Rn. 8, juris). Der Erbfall hat daran nichts geändert, weil der Alleinerbe als Gesamtrechtsnachfolger auch in die Stellung des Verstorbenen als Partei eingerückt ist. Auch die Abtretung des Gesellschaftsanteiles hat auf die notwendige Streitgenossenschaft der Kläger keinen Einfluss (BGH, Urteil vom 15. Oktober 1999 – V ZR 141/98 -, Rn. 10, juris).

Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 100 Abs. 1 – 3 ZPO (Noack – Noack, aaO; Anh. § 47 GmbHG, Rn. 169; Zöller- Herget, aaO, § 100 ZPO, Rn. 1). Der Kostenerstattungsanspruch des einzelnen Streitgenossen bestimmt sich entsprechend den aus § 100 ZPO hergeleiteten Kostengrundsätzen nach seinem persönlichen Obsiegen und Unterliegen im Verhältnis zu dem Gegner (BGH, Beschluss vom 18. Juni 2007 – II ZB 23/06 -, Rn. 8, juris). Auch insoweit wirkt sich wegen der notwendig einheitlichen Sachentscheidung der größte Prozesserfolg zu Gunsten des anderen Gesellschafters aus, soweit ein gemeinsames streitiges Rechtsverhältnis besteht (BGH, Urteil vom 05. April 1993 – II ZR 238/91-, Rn. 77, juris; BGH, Urteil vom 16. Februar 2009 – II ZR 185/07-, Rn. 55, juris). Soweit dies nicht der Fall ist, kann der Prozesserfolg jedes der Anfechtungskläger trotz der Einheitlichkeit der Sachentscheidung unterschiedlich ausfallen. Zwar kann die Entscheidung über eine Beschlussanfechtung nur einheitlich ergehen. Das Urteil muss indessen nicht einheitlich ausfallen. Kläger, die die Klage- oder Begründungsfrist versäumt haben, können abgewiesen werden, während andere mit ihrer rechtzeitigen Klage durchdringen (BGH, Urteil vom 27. März 2009 – V ZR 196/08 -, Rn. 22, juris). Da jeder der angegriffenen Beschlüsse einen eigenen Streitgegenstand bildet, ist für jeden der Beschlüsse zu entscheiden, ob zwischen den beiden Anfechtungsklägern ein gemeinsames streitiges Rechtsverhältnis besteht, soweit beide rechtzeitig Anfechtungsklage gegen diesen bestimmten Beschluss erhoben haben. In diesem Falle kommen die – nur – von dem anderen Anfechtungskläger geltend gemachten erfolgreichen Anfechtungsgründe beiden zu Gute und haben beide gleichermaßen Erfolg (Münchener Kommentar zum AktG – Hüffer/Schäfer, 4. A., § 246 AktG, Rn. 7, 37). Soweit hingegen nur einer diesen Beschluss rechtzeitig angefochten hat, liegt kein gemeinsames streitiges Rechtsverhältnis vor und können sich Obsiegen und Unterliegen des jeweiligen Klägers im Verhältnis zur Beklagten unterscheiden.

Für die Verteilung der Gerichtskosten und der außergerichtlichen Kosten der Beklagten im Berufungsverfahren war ein „fiktiver“ Gesamtstreitwert zu bilden, der sich aus der Summe der Einzelangriffe ergab, da Obsiegen und Unterliegen in den einzelnen Prozessrechtsverhältnissen zusammenzufassen war. In Bezug auf diesen Gesamtstreitwert unterliegt die Beklagte mit einem Anteil von – gerundet – 65%. An dem Unterliegen der Kläger ist der Kläger Dr. W. gegenüber dem Kläger R. mit einem höheren Anteil beteiligt, der sich aus dem Wert der Feststellungsklage ergibt und gerundet 12% des „fiktiven“ Gesamtstreitwertes erreicht. Daraus ergibt sich, dass von den Gerichtskosten und den außergerichtlichen Kosten der Beklagten die Kläger nach Kopfteilen 23%, der Kläger Dr. W. weitere 12% und die Beklagte 65% zu tragen hat. Die Tragung der außergerichtlichen Kosten der Kläger richtet sich nach dem jeweiligen Obsiegen und Unterliegen im einzelnen Prozessrechtsverhältnis. Das führt zu einer Kostentragung durch die Beklagte im Verhältnis zum Kläger R. in Höhe von 77% und im Verhältnis zum Kläger Dr. W. in Höhe von 52%.

Bezogen auf den Streitwert im erstinstanzlichen Verfahrendes Herrn Dr. W. gegen die Beklagte (HK O 9/15) obsiegt Herr Dr. W. mit seinen Anträgen im Umfang von gerundet 48%. Obsiegen und Unterliegen der Parteien halten sich daher die Waage, so dass die Kosten auf der Grundlage des § 92 Abs. 1 ZPO gegeneinander aufgehoben werden.

Bezogen auf den Streitwert des erstinstanzlichen Verfahrens des Herrn R. gegen die Beklagte (HK O 16/15) obsiegt Herr R. mit seinen Anträgen im Umfang von 73%, so dass von den Kosten dieses Rechtsstreites der Kläger 27% und die Beklagte 73% zu tragen hat.

19.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da es sich um die Entscheidung eines Einzelfalles ohne grundsätzliche Bedeutung handelt und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichtes erfordert,§ 543 Abs. 2 ZPO.

Löffler I www.K1.de I www.gesellschaftsrechtskanzlei.com I Gesellschaftsrecht I GmbH-Recht I Gesellschafterstreit I Erfurt I Thüringen I Sachsen I Sachsen-Anhalt I Hessen I Deutschland 2023

Schlagworte: Allgemeines zu Beschlussmängelstreitigkeiten, Angaben in der Gesellschafterliste, Anwalt bei Gesellschafterstreit, Anwesenheitsrecht in Gesellschafterversammlung, Ausschluss- oder Einziehungsbeschluss, Befugnis zur Einreichung der Gesellschafterliste, Behinderung der Teilnahme an der Gesellschafterversammlung, Bei inhaltlichen Fehlern der Gesellschafterliste, Beschlussmängelstreit, Beschlussmängelstreitigkeit, Beschlussmängelstreitigkeiten, Beschlusszuständigkeiten der Gesellschafterversammlung, Check Gesellschafterstreit, Corporate Litigation Gesellschafterstreit, Durchführung der Gesellschafterversammlung, Einberufung der Gesellschafterversammlung, Einberufung der Hauptversammlung, Einreichung einer neuen Gesellschafterliste zur Aufnahme in das Handelsregister, Einreichungspflicht einer geänderten Gesellschafterliste durch Geschäftsführer, Einstweiliger Rechtsschutz auf Änderung der Gesellschafterliste, Einstweiliger Rechtsschutz gegen Gesellschafterliste, Einstweiliger Rechtsschutz und Gesellschafterliste, Einziehung, Einziehung des Geschäftsanteils, Einziehung scheitert, Einziehung von Geschäftsanteilen, Einziehung von Geschäftsanteilen/ Aufstockung, Einziehungsbeschluss, Einziehungsbeschluss nur zum Schein, Einziehungserklärung, Einziehungswirkung sofort mit Bekanntgabe des Beschlusses, Formelle Legitimationswirkung des § 16 Abs. 1 GmbHG, Gesellschafterliste, Gesellschafterliste bei Ausschlussvorgängen, Gesellschafterliste bei Übertragungsvorgängen, Gesellschafterliste Recht auf Teilnahme an Gesellschafterversammlungen, Gesellschafterlisten, Gesellschafterstreit, Gesellschafterstreit GmbH, Gesellschafterstreit vor Gericht, Gesellschafterstreitigkeiten, Gesellschafterstreitigkeiten sicher vermeiden oder schnell gewinnen, Gesellschafterversammlung, GmbhG § 16, GmbhG § 16 Abs. 1, GmbHG § 34, GmbHG 16, Kapitalerhaltung und Einziehung nach § 34 GmbHG, Kein wichtiger Grund, Korrektur der Gesellschafterliste, Legitimationswirkung der Gesellschafterliste, Liste der Gesellschafter, Lösung von Gesellschafterstreit, Maßgeblicher Zeitpunkt i. S. d. § 34 Abs. 3, Nach Veröffentlichung der geänderten Gesellschafterliste im Handelsregister – Listenkorrektur, negative Legitimationswirkung des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG, Rechtsscheinwirkung der Gesellschafterliste, Rechtsstreit zwischen Rechtsinhaber und Listengesellschafter, Sämtliche Gesellschafter im Sinne des § 16 Abs. 1 GmbHG, Teilnahme an Gesellschafterversammlungen des ausscheidenden Gesellschafters, Teilnahmerecht in Gesellschafterversammlungen, Verbleibende Gesellschafter die Einziehungsbeschluss gefasst haben haften dem ausgeschiedenen Gesellschafter, Versammlungsleiter, Voraussetzung des § 34 GmbHG müssen erfüllt sein, Voraussetzungen der Zwangseinziehung, Voraussetzungen für vorläufigen Rechtsschutz gegen Gesellschafterliste, Vorläufig verbindliche Feststellungen der Beschlussergebnisse durch Versammlungsleitung, Wahl des Versammlungsleiters, Wichtige Gründe für Einziehung, Wichtiger Grund, wichtiger Grund in der Rechtsprechung, wichtiger Grund liegt tatsächlich vor, Widerspruchslose Teilnahme an der Gesellschafterversammlung, Wirkung der Einziehung, Zwangseinziehung des Geschäftsanteils

Veröffentlicht in Thüringer OLG (Jena) | Kommentare geschlossen

OLG Jena, Beschluss vom 22.12.2022 – 7 W 216/22

Donnerstag, 22. Dezember 2022

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Landgerichts Erfurt vom 17.01.2022, in Verbindung mit dem Nichtabhilfebeschluss des Landgerichts Erfurt vom 28.06.2022 wird zurückgewiesen.

2. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Der Antragsteller, amtlich bestellter Insolvenzverwalter über das Vermögen der … GmbH (fortan Insolvenzschuldnerin), begehrt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für ein beabsichtigtes Klageverfahren, mit welchem er die Antragsgegnerin zu 1 wegen Verletzung von Steuerberatungspflichten und die Antragsgegnerin zu 2 als deren Haftpflichtversicherer als Gesamtschuldner auf Zahlung von 1.121.132,09 € und Feststellung der Einstandspflicht für etwaige noch festgestellte Insolvenzforderungen in Anspruch nehmen möchte.Randnummer2

Insoweit behauptet der Antragssteller, die Antragsgegnerin zu 1 habe für die Jahre 2013 bis 2015 – zuletzt in 2016 – die Jahresabschlüsse fehlerhaft erstellt, weil sie zu Fortführungswerten – going concern – und nicht zu Liquiditätswerten erstellt worden seien; es habe an der Fortführungsprognose gefehlt. Des Weiteren habe die Antragsgegnerin zu 1 die Insolvenzschuldnerin nicht vor einer Insolvenz gewarnt und nicht auf bestehende Insolvenzgründe und eine Insolvenzantragspflicht hingewiesen.Randnummer3

Mit Beschluss vom 17.01.2022 (vgl. PKH-Heft, Bl. 49ff. sowie Bl. 102ff. d.A.) hat das Landgericht den Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe zurückgewiesen und im Wesentlichen zur Begründung ausgeführt: Es fehle an den Erfolgsaussichten der beabsichtigten Klage, da der Antragsgegnerin zu 1 weder vorzuwerfen sei, dass sie zu Fortführungswerten bilanziert habe, noch, dass sie nicht ausdrücklich auf eine etwaige Insolvenzreife und entsprechende Antragsstellstellungsfrist aufmerksam gemacht habe. Insoweit sei entgegen der Rechtsansicht des Antragstellers nicht auf die Leitentscheidung des Bundesgerichtshofs vom 26.01.2017 – IX ZR 285/14 – abzustellen. Die mit dieser Rechtsprechungsänderung einhergehenden substantiell erhöhten Maßstäbe für die Pflichten des Steuerberaters seien auf den zur Entscheidung anstehenden Fall nicht rückwirkend anzuwenden. Vielmehr sei für die bereits abgeschlossenen Sachverhalte vor Januar 2017 auf die bis dahin geltende höchstrichterliche Rechtsprechung, nämlich auf das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 07.03.2013 – IX ZR 64/12 -, abzustellen. Danach sei der Antragsgegnerin zu 1 kein Vorwurf zu machen. Selbst wenn man von einer erhöhten Pflicht ausgehen und der neuen Rechtsprechung folgend eine Pflichtverletzung annehmen würde, fehle es am weiterhin erforderlichen Verschulden. Die Antragsgegnerin zu 1 habe die Rechtsprechungsänderung nicht vorhersehen müssen; dafür habe es keine Anhaltspunkte gegeben; weder habe sich die Rechtsprechungsänderung aus 2017 vorher abgezeichnet, noch sei eine solche angekündigt worden. Auch mangele es an der erforderlichen Kausalität zwischen etwaigen Verstößen der Antragsgegnerin zu 1 und einer Verspätung des Insolvenzantrages bzw. dem behaupteten Insolvenzverschleppungsschaden oder Insolvenzvertiefungsschaden. Denn insoweit sei zu berücksichtigen, dass der von dritter Seite erstellte Jahresabschluss für 2016 wiederum von einer positiven Fortführungsprognose ausgehe. Zudem bestünden etliche weitere Schlüssigkeitsbedenken insbesondere in Bezug auf die Insolvenzreife oder den Zeitraum, für den eine Insolvenzvertiefung angenommen werden könne. Ähnliches gelte für die Schadensberechnung; ein Schaden sei nicht schlüssig dargelegt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den vorgenannten Beschluss verwiesen.Randnummer4

Gegen den am 01.02.2022 zugegangenen Beschluss des Landgerichts hat der Antragsteller mit Schriftsatz vom 15.02.2022 (Bl. 100ff. der Akte) sofortige Beschwerde eingelegt und diese sodann mit Schriftsatz vom 01.03.2022 (Bl. 110 ff. der Akte) begründet. Der Antragsteller meint, die Rechtsansicht des Landgerichts zur Anwendung der BGH-Rechtsprechung fände keine Stütze in der obergerichtlichen Rechtsprechung. Auch verstoße die Rechtsansicht des Landgerichts gegen die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Das Landgericht habe in unzulässiger Weise im PKH-Bewilligungsverfahren eine schwierige und bislang ungeklärte Rechtsfrage geklärt; derartige schwierige Tatfragen seien aber nicht in einem PKH-Bewilligungsverfahren zu klären und sei es dem Hauptsacheverfahren vorbehalten. In Bezug auf die Ausführungen zum Verschulden hätte das Landgericht entsprechend hinweisen müssen. Hinsichtlich der Kausalität habe das Landgericht die Vermutung aufklärungspflichtigen Verhaltens nicht berücksichtigt. Wegen der weitergehenden Einzelheiten wird auf die vorbenannte Beschwerdebegründungsschrift Bezug genommen.Randnummer5

Mit Beschluss vom 28.06.2022 (Bl. 141ff. der Akte) hat das Landgericht der sofortigen Beschwerde des Antragstellers nicht abgeholfen und die Sache dem Beschwerdegericht zur Entscheidung vorgelegt. Das Landgericht hat ausgeführt, dass es auch mit Blick auf den weiteren Vortrag in der Beschwerdeschrift an einer hinreichenden Erfolgsaussicht der beabsichtigten Klage fehle. Insoweit könne offenbleiben, ob und inwieweit die Rechtsprechungsänderung des Bundesgerichtshofs in verfassungsrechtlich zulässiger Weise Rückwirkung entfalte. Denn nach dem Bundesverfassungsgericht sei einer Änderung einer ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes grundsätzlich nur dann unbedenklich, wenn sie hinreichend begründet ist und sich im Rahmen einer vorhersehbaren Entwicklung hält. Eine Klärung dieser Rückwirkungsproblematik sei im vorliegenden PKH-Verfahren weder veranlasst noch geboten. Es fehle jedoch in jedem Falle am Verschulden der Antragsgegnerin zu 1, mithin an einer wesentlichen Haftungsvoraussetzung. Insoweit handele es sich auch nicht um eine schwierige und bisher ungeklärte Rechts- oder Tatsachenfrage, deren abschließende Prüfung und Klärung sich im PKH-Verfahren verbiete. Der Antragsteller werfe der Antragsgegnerin zu 1 eine Verletzung von Pflichten vor, die der Bundesgerichtshofs erstmals im Januar 2017 statuiert habe. Dem Steuerberater vermag soweit kein Vorwurf vorsätzlicher oder fahrlässigen Handelns gemacht zu werden, selbst wenn man rückwirkend für das Erstellen der Endjahresabschlüsse 2013-2015 erhöhte Sorgfalts- und Beratungspflichten annehme. Für den Steuerberater sei die Rechtsprechungsänderung nicht vorhersehbar gewesen. Zudem habe bis Januar 2017 die gefestigte Rechtsprechung gegolten, wonach bei einem Dauermandant keine Pflicht bestand, einen Mandanten bei einer Unterdeckung in der Handelsbilanz auf die Pflicht des Geschäftsführers hinzuweisen, eine Überprüfung in Auftrag zu geben oder selbst vorzunehmen, ob Insolvenzreife bestehe. Dies habe der Bundesgerichtshof mit seiner Entscheidung vom März 2013, d. h. im Jahr des ersten relevanten Jahresabschlusses nochmals bekräftigt. Es sei indes weder vorgetragen noch ersichtlich, dass sich in den Folgejahren die im Jahr 2017 vorgenommene Änderung und damit einhergehende gravierende Haftungsverschärfung durch den Bundesgerichtshof als maßgebliche Instanz bereits zuvor abgezeichnet und angekündigt habe und vorhersehbar gewesen sei. Auch handele es sich entgegen der Rechtsansicht des Antragstellers bei dem Urteil des Bundesgerichtshofs aus 2017 nicht um eine bloße Fortführung und weitere Ausformung der bereits vorhandenen Senatsrechtsprechung. Vielmehr handele es sich dabei um eine grundlegende und nicht vorhersehbare Weiterentwicklung der bisherigen Rechtsprechung. Zu den weiteren Einzelheiten wird auf den vorgenannten Nichtabhilfebeschluss Bezug genommen.

II.

Die sofortige Beschwerde ist nach § 127 Abs. 2 S. 2 ZPO zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt.Randnummer7

In der Sache hat sie jedoch keinen Erfolg. Die beabsichtige Klage hat keine Erfolgsaussicht (§ 114 Abs. 1 S. 1 ZPO). Dem Antragsteller steht kein Anspruch aus §§ 280, 675 ZPO gegen die Antragsgegnerin zu 1 zu.Randnummer8

Zutreffend verweist das Landgericht darauf, dass selbst im Fall einer unterstellten Pflichtverletzung der Antragsgegnerin zu 1 jedenfalls kein Schuldvorwurf zu machen ist.Randnummer9

Das Verschuldens ist haftungsbegründende Voraussetzung. Aus dem Regel-AusnahmeVerhältnis von § 280 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 BGB leitet sich zunächst ab, dass das Vertretenmüssen der Pflichtverletzung gesetzlich vermutet wird. Der Steuerberater muss demnach im Falle einer Pflichtverletzung vortragen und etwaig den Beweis führen, dass er diese nicht zu vertreten hat. Dabei kommt es nicht auf das Eingreifen subjektiver, in der Person des Steuerberaters liegender Umstände, sondern auf die nach einem objektiven Maßstab zu bemessenden verkehrsüblichen Sorgfaltsanforderungen an einen Steuerberater an, die sich insbesondere aus den beruflichen Anforderungen des Steuerberatungsgesetzes ableiten. Dies zu beurteilen, ist indes entgegen der Rechtsansicht des Antragstellers ohne Weiteres im Rahmen der summarischen Prüfung im Prozesskostenhilfeverfahren möglich, soweit es – wie hier – keiner Beweiserhebung zum Verschulden bedarf.Randnummer10

Zwar hat nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein Rechtsschutzbegehren in aller Regel schon dann hinreichende Aussicht auf Erfolg, wenn die Entscheidung in der Hauptsache von der Beantwortung einer schwierigen, bislang ungeklärten Rechtsfrage abhängt (BGH, Beschluss vom 13.10.2022 – V ZA 10/22 -, Rn. 6, juris; Beschluss vom 16.03.2017 – V ZA 11/17, juris Rn. 3 m.w.N.). Ein solcher Fall liegt hier indes nicht vor. Die widerstreitenden Rechtsansichten der Parteien verhalten sich vordergründig darüber, ob und inwieweit die Rechtsprechungsänderung des Bundesgerichtshofs in verfassungsrechtlich zulässiger Weise Rückwirkung entfaltet, also der Antragsgegnerin zu 1 auf der Grundlage des Urteils des Bundesgerichtshofs vom 26.01.2017 – IX ZR 285/14 – im hier maßgebenden Zeitraum 2013 bis 2016 (Erstellung des Jahresabschlusses für das Jahr 2015) Beratungs- und Hinweispflichten in Bezug auf etwaig bestehende Insolvenzgründe und eine Insolvenzantragspflicht hatte. Zutreffend verweist das Landgericht im Nichtabhilfebeschluss darauf, dass eine Klärung dieser Rückwirkungsproblematik im vorliegenden Prozesskostenhilfeverfahren nicht angezeigt ist und dies dem Hauptsacheverfahren vorbehalten sein muss.Randnummer11

Darauf kommt es – anders als es der Antragsteller meint – letztlich nicht an. Hier ist vielmehr von streitentscheidender Bedeutung, ob – selbst bei unterstellter Pflichtverletzung – der Antragsgegnerin auch subjektiv im Rahmen der Verschuldensprüfung ein Vorwurf zu machen ist.Randnummer12

Ob der Antragsgegnerin zu 1 solche erhöhten Beratungs- und Hinweispflichten auch bekannt gewesen sind oder bekannt gewesen sein müssten, ist Frage des Verschuldens. Dabei handelt es sich aber gerade nicht um eine schwierige Rechtsfrage, die deswegen ohne Weiteres im Rahmen der summarischen Prüfung im Prozesskostenhilfeverfahren geklärt werden kann und im Sinne des § 114 ZPO auch geklärt werden muss. Dabei folgt aus der Beurteilung des unstreitigen Vortrages und nach den anhand eines objektiven Maßstabes zu bemessenden verkehrsüblichen Sorgfaltsanforderungen an einen Steuerberater, dass die Antragsgegnerin etwaige Beratungs- und Hinweispflichtverletzungen in Bezug auf bestehende Insolvenzgründe und eine Insolvenzantragspflicht jedenfalls nicht zu vertreten hat.Randnummer13

Auf die zutreffenden Gründe im Nichtabhilfebeschluss vom 28.06.2022 (Bl. 141ff. der Akte) wird Bezug genommen und lediglich ergänzend hierzu ausgeführt:Randnummer14

Im Zeitpunkt der Erstellung der Jahresabschlüsse 2013 bis 2015 (letztmalig in 2016) musste die Antragsgegnerin zu 1 nicht davon ausgehen, beginnend ab 2013 mit der Erstellung eines jeden Jahresabschlusses die Insolvenzschuldnerin auf einen möglichen Insolvenzgrund und die daran anknüpfende Prüfungspflicht ihres Geschäftsführers hinzuweisen, wenn entsprechende Anhaltspunkte offenkundig sind und sie annehmen muss, dass die mögliche Insolvenzreife der Mandantin nicht bewusst ist. Der IX. Senat des Bundesgerichtshofs hatte in 2013 die Frage einer obligatorischen Insolvenzwarnung und -beratung durch Steuerberater für den Regelfall verneint (BGH, Urteil vom 07.03.2013 – IX ZR 64/12). U.a. in Gehrlein, DStR 2016, 339 (Teil I) und 434 (Teil II), Fischer, DB 2015, 1643, 1703, Teil I und II, Laumen, DStR 2015, 2514, 2570 Teil I und II ist die Urteilslage der Steuerberaterschaft für 2014/2015 zusammenfassend dargestellt. Die Autoren sprechen an und referieren umfangreich und vollständig die Rechtslage (Weber, StB 2017, 228-234). Vier Jahre später mit Urteil vom 26.01.2017 hat der Bundesgerichtshof sodann seine bisherige Rechtsprechung mit Urteil vom vom 07.03.2013 – IX ZR 64/12 – und vom 06.06.2013 – IX ZR 204/12 – zu den Pflichten des Steuerberaters bei der Erstellung von Jahresabschlüssen modifiziert und für hier maßgebender Bedeutung abgeändert: Ein Pflichtenverstoß liegt nicht nur dann vor, wenn eine fehlerhaft erstellte Bilanz die tatsächlich bestehende rechnerische ÜberschuldungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
rechnerische Überschuldung
Überschuldung
nicht erkennen lässt, sondern auch dann, wenn der Jahresabschluss angesichts einer bestehenden Insolvenzreife der Gesellschaft zu Unrecht von Fortführungswerten ausgeht. Der mit der Erstellung eines Jahresabschlusses für eine GmbH beauftragte Steuerberater hat die Mandantin auf einen möglichen Insolvenzgrund und die daran anknüpfende Prüfungspflicht ihres Geschäftsführers hinzuweisen, wenn entsprechende Anhaltspunkte offenkundig sind und er annehmen muss, dass die mögliche Insolvenzreife der Mandantin nicht bewusst ist. Dieser Hinweis- und Warnpflicht ist nicht genügt, wenn der Steuerberater lediglich abstrakt die Prüfungspflichten eines Geschäftsführers aufzeigt. Erforderlich ist vielmehr, dass er die maßgeblichen Umstände gegenüber seinem Mandanten im Einzelnen bezeichnet und ihn konkret darauf hinweist, dass diese Umstände Anlass zu einer Prüfung einer möglichen Insolvenzreife geben (BGH, Urteil vom 26.01.2017 – IX ZR 285/14 -, juris).Randnummer15

Die in wesentlichen Teilen neu positionierte und geänderte Rechtsprechung des IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs ist Gegenstand viele Anmerkungen und Erörterungen in der Literatur gewesen (dazu und mit entsprechenden Nachweisen Weber, StB 2017, 228, 229), wobei einhellig eine wesentliche Änderung und Verschärfung der Haftungslage über die seit 2013 bestehende Rechtslage hinaus konstatiert und vermerkt wird, dass es sich um eine Rechtsprechungsänderung schon nach vier Jahren und ohne eine wesentliche neue Sachlage, zudem ohne neue tragende Argumente oder Begründungen handele (vgl. eingehend Weber, a.a.O.). Dies verdeutlicht, dass weder die Fachliteratur noch die Rechtsprechung mit einer Änderung der erst in 2013 (dem Jahr des ersten von der Antragsgegnerin zu 1 erstellten Jahresabschluss) rechnete. Erst recht nicht muss der in 2013 bis 2016 beratende Steuerberater, der sich an der Leitentscheidung aus März 2013 zu orientieren hatte, mit einer derartigen Verschärfung der Pflichten- und Haftungslage rechnen. Da allein entscheidend die nach objektiven Maßstab zu bemessenden verkehrsüblichen Sorgfaltsanforderungen an einen Steuerberater sind, die sich insbesondere aus den beruflichen Anforderungen des Steuerberatungsgesetzes und der höchstrichterlichen Rechtsprechung ableiten, ist der Antragsgegnerin zu 1 selbst wenn man eine Pflichtverletzung annehmen wolle in jedem Fall kein Verschuldensvorwurf zu machen.Randnummer16

Da eine Haftung der Antragsgegnerin dem Grund nach bereits ausscheidet, kommt es nicht auf die Frage an, ob ein Direktanspruch nach § 115 VVG i.V.m. § 67 StBerG gegen die als Haftpflichtversicherer in Anspruch genommene Antragsgegnerin zu 2 besteht.Randnummer17

Eine Kostenentscheidung bedarf es wegen § 127 Abs. 4 ZPO nicht; ebenso nicht der Festsetzung des Beschwerdewertes (§ 3 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 1812).Randnummer18

Dies Rechtsbeschwerde ist nicht zuzulassen (§ 574 Abs. 2 ZPO). Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts.

Löffler I www.K1.de I Gesellschaftsrecht I Gesellschafterversammlung I M&A I Unternehmenskauf I Erfurt I Thüringen I Sachsen I Sachsen-Anhalt I Hessen I Deutschland 2023

Schlagworte: Bilanzierung nach Fortführungswerten, Fortführungsprognose, Haftung Steuerberater, Liquidationswert

Veröffentlicht in Thüringer OLG (Jena) | Kommentare geschlossen

Thüringer OLG, Beschluss vom 05.01.2022 – 2 W 135/19

Mittwoch, 5. Januar 2022

Spruchverfahren Barabfindung

§ 327f S 2 AktG, § 15 SpruchG

1. Bei einem werbenden Unternehmen ist die Ertragswertmethode eine grundsätzlich geeignete Methode zur Ermittlung des Unternehmenswerts (vgl. BGH, Beschluss vom 29. September 2015, II ZB 23/14).

2. Nach der Systematik des in der Betriebswirtschaftslehre und in der gerichtlichen Bewertungspraxis anerkannten IDW S1 ergibt sich der Unternehmenswert grundsätzlich aus den finanziellen Überschüssen, die bei Fortführung des Unternehmens und Veräußerung nicht betriebsnotwendigen Vermögens erwirtschaftet werden.

3. Ein im Jahr 2012 nicht vorhergesehener Gewinneinbruch kann bei einer Unternehmensbewertung auf den Stichtag 4.11.2011 nicht mehr berücksichtigt werden.

4. Es obliegt weder dem Gericht noch der Gesellschaft, umfassende Studien zur Ermittlung der Marktrisikoprämie als einer ohnehin nicht zweifelsfrei ermittelbaren Größe in Auftrag zu geben; stattdessen kann der Empfehlung des Fachausschusses für Unternehmensbewertung und Betriebswirtschaft (FAUB) gefolgt werden.

5. Es ist anerkannt, dass der relevante Betafaktor anhand einer Peergroup geschätzt werden kann, sofern der eigene Wert der Gesellschaft nicht aussagekräftig ist.

6. Geht man davon aus, dass nicht notwendiges Vermögen an die Aktionäre ausgeschüttet wird, fällt darauf Steuer an, die auch bei der Bewertung zu berücksichtigen ist.

Tenor

1. Der Beschluss des Landgerichts Mühlhausen vom 31. Januar 2019 – Az.: 1 HK O 2/12 wird abgeändert:

Die angemessene Barabfindung für die Übertragung der Aktien der Minderheitsaktionäre der L… AG, B… (WKN: 649010) auf die L… Gesellschaft bürgerlichen RechtsBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Gesellschaft
Gesellschaft bürgerlichen Rechts
, Jüchen, gemäß §§ 327f AktG i.V. m. §§ 1 Nr.3,2ff SpruchG wird auf 17,87 € pro Aktie festgesetzt.

Die Antragsgegner haben die Gerichtskosten des Verfahrens, die Auslagen des gemeinsamen Vertreters und die zur zweckentsprechenden Erledigung der Angelegenheit notwendigen Kosten der Beschwerdeführer zu 1-12 und 17 und 18 zu tragen.

Die Beschwerdeführer zu 13-16 haben ihre Kosten selbst zu tragen.

Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 200.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Aktien der Minderheitsaktionäre an der L… AG, mit Sitz in B… L…, welche mit Milch und Milchprodukten handelt, sind durch einen Beschluss der Hauptversammlung vom 4.11.2011 gemäß §§ 327a ff. AktG gegen Gewährung einer Barabfindung von EUR 15 je auf den Inhaber lautende Stückaktie auf die L… GbR (frühere Antragsgegnerin) übertragen worden. Wie erst durch Schriftsatz vom 6.1.2021 dem Gericht bekannt gegeben wurde, ist die L… GbR durch Beschluss vom 25.1.2012 aufgelöst worden. Das Vermögen der GbR in Form der Aktienanteile an der L… AG wurde zwischen den Gesellschaftern aufgeteilt. Diese haften für die Verbindlichkeiten der GbR analog § 128 HGB, das Rubrum war dementsprechend zu berichtigen.Randnummer2

Die Hauptversammlung der L… AG für die Beschlussfassung zum Squeeze-out war zunächst für den 7.10.2011 geplant worden und wurde dann später auf den 4.11.2011 verlegt.Randnummer3

Mit der Einladung zur Hauptversammlung am 4. 11. 2011 (Bd. I Bl. 29 f der Akte) war den Aktionären ein Entwurf des Übertragungsbeschlusses, Jahresabschlüsse und Lageberichte für die Geschäftsjahre 2010, 2009 und 2008, ein Bericht des Hauptaktionärs zur Darlegung der Voraussetzungen für die Übertragung der Aktien der Minderheitsaktionäre mit einer Erläuterung und Begründung der Angemessenheit der Barabfindung, ein Prüfbericht der … Treuhand, Revision & Consulting AG, Wirtschaftsprüfungsgesellschaft (nachfolgend … genannt) vom 29.Aug. 2011 (welcher auf den 7.10.2011 den ursprünglich anberaumten Hauptversammlungstermin abstellt und einen Wert von 12,80 € ermittelt) zur Einsichtnahme bereitgestellt worden. Die … war vom Landgericht Mühlhausen durch Beschluss vom 4. 7. 2011 zur Prüferin gemäß § 327c Abs.2 S.3 AktG bestellt worden.Randnummer4

Ob am 3.11.2011, dem Tag vor der Hauptversammlung, die Unternehmensplanung der Gesellschaft wegen gesunkener Umsätze angepasst und ob diese geänderte Planung der Unternehmensbewertung zugrunde zu legen ist, ist zwischen den Beteiligten streitig.Randnummer5

Die Eintragung des Übertragungsbeschlusses in das Handelsregister ist am 4.1.2012 erfolgt.Randnummer6

Im vorliegenden Verfahren begehren die Antragsteller die Festsetzung einer höheren Barabfindung als 15 € pro AktieRandnummer7

Das Landgericht hat durch Beschluss vom 4.11.2013 (Bd. VI Bl. 1312) die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Höhe der angemessenen Barabfindung beschlossen. Gemäß Beschluss vom 19.5.2014 wurde der Wirtschaftsprüfer CFA N… R… zum Gutachter bestellt.Randnummer8

Dieser Gutachter führte in seinem Gutachten vom 20.10.2017 aus:Randnummer9

1. Unter Berücksichtigung der zum Zeitpunkt der Planungserstellung im Juli 2011 vorliegenden Erkenntnisse erscheine die Höhe der geplanten Marge eher als konservative Schätzung. In Bezug auf die geplante Höhe des absoluten Rohergebnisses wirke jedoch das optimistische Rohergebnis als gegenläufiger Effekt. Die Unternehmensplanung aus Juli 2011 berücksichtige noch nicht den drastischen Nachfrageeinbruch, der sich ab August 2011 eingestellt habe. Deshalb sei die Unternehmensplanung am 3.11.2011 revidiert und angepasst worden. Es sei berücksichtigt worden, dass am 30.9.2011 das Umsatzniveau 15% unter der Unternehmensplanung für 2011 gelegen habe.Randnummer10

Es sei für ihn nicht nachvollziehbar, weshalb der Prüfer in seinem Aktualisierungsschreiben vom 4.11.2011 nicht auf die am 3.11.2011 erstellte revidierte Unternehmensplanung eingehe. Die Umsatzrückgänge im Jahre 2011 seien in der neuen Planung berücksichtigt, aufgrund der gegenüber der Planung zu verzeichnenden höheren Rohgewinnmarge ergebe sich jedoch ein Jahresüberschuss in gleicher Höhe und damit kein wertbeeinflussender Effekt. Auf der Grundlage der strukturellen Entwicklungen auf dem Milchrohstoffmarkt habe die Gesellschaft ein abgeschwächtes Umsatzwachstum prognostiziert. Eine konkrete Plausibilisierung dieser Annahme anhand von Markt- oder Experteneinschätzungen sei fast nicht möglich, da die spezielle Stellung der Gesellschaft als Intermediär zwischen Angebots- und Nachfrageseite mögliche Rückschlüsse auf Basis von auf dem Milchrohstoffmarkt tätigen Wettbewerbern nicht zulasse. Vor dem Hintergrund der von der Antragsgegnerseite vorgebrachten Prognosen in Bezug auf eine zukünftig reduzierte Anzahl von Handelspartnern im Zuge eines laufenden Konsolidierungsprozesses halte er die Annahme für plausibel. Es ergäben sich dann die in Abschnitt VIII (S. 54 ff.) des Gutachtens dargestellten Werte.Randnummer11

Den Ansatz eines Basiszinssatzes von 3 % halte er für angemessen.Randnummer12

Die vom Prüfer angesetzte Marktrisikoprämie vom 5 % nach persönlichen Steuern liege am oberen Rand der Bandbreite der zum Bewertungsstichtag maßgeblichen berufsständigen Empfehlungen der FAUB von 4% bis 5% nach persönlichen Steuern. Vor dem Hintergrund der bereits im Jahre 2011 zu beobachtenden Verwerfungen auf den europäischen und internationalen Aktienmärkten halte er die 5 % für sachgerecht. In seiner Anhörung durch die Kammer für Handelssachen hat er dies aber dahingehend modifiziert, er wäre selbst möglicherweise von 4,5 % ausgegangen.Randnummer13

Bei der Berechnung des Betafaktors hat der Gutachter die vom Prüfer gewählte Peer Group um 3 weitere ausländische Unternehmen ergänzt. Die S… M… in Deutschland und die R… AB aus L… seien aufgrund festgestellter nicht vorhandener Signifikanz der abgeleiteten Risikofaktoren nicht berücksichtigt worden. Es habe keine vergleichbaren börsennotierten Unternehmen in Deutschland gegeben, welche unter Gewährleistung einer unverzerrten Regression zur Durchführung einer historischen Betaanalyse geeignet gewesen wären. Aufgrund seiner Berechnungen erachte er einen unverschuldeten Betafaktor in der Bandbreite zwischen 0,34 und 0,43 für angemessen. Das entspreche einem Mittelwert von 0,38.Randnummer14

Es liege entgegen der Ansicht des Prüfers nicht betriebsnotwendiges Vermögen vor. Die Gesellschaft unterhalte hohe Kassenbestände und Wertpapiere und eine Inhaberschuldverschreibung mit einem Nominalwert von TEUR 1.911 €. Die vorgehaltene Liquidität und die Inhaberschuldverschreibung würden vom Prüfer als betriebsnotwendig erachtet, in seinem Ergänzungsgutachten habe der Prüfer ergänzend eine Alternativberechnung vorgenommen. Der Gutachter vertrat die Auffassung, dass unter Berücksichtigung des Planungsstandes Juli 2011 ein Sonderwert vor persönlichen Steuern in Höhe von 1,2 Mio. anzusetzen und zur Ermittlung eines fiktiven Ausschüttungsbetrages auf den Bewertungsstichtag 4. November 2011 aufzuzinsen und um persönliche Steuern auf der Ebene der Anteilseigner (KapEst incl. Soli = 26.37 %) zu mindern sei. Berücksichtige man den Planungsstand vom 4. November 2011, dann sei eine nicht betriebsnotwendige Liquidität von 2,2 Mio. bei der Bewertung anzusetzen, die dann ebenfalls aufzuzinsen und um die Steuern auf Anteilseignerseite zu mindern sei.Randnummer15

Der Wachstumsabschlag für den Zeitraum der ewigen Rente sei vom Prüfer mit 1 % angesetzt worden. Der Sachverständige hat dann im Einzelnen begründet, weshalb er ebenfalls einen Wachstumsabschlag von 1 % für sachgerecht hält. Entgegen der Kalkulation des Prüfers sei dieser aber nicht nur in der Phase der sog. ewigen Rente, sondern auch bereits auf die Ergebnisse des letzten Planjahres zu berücksichtigen.Randnummer16

Der Sachverständige verweist darauf, dass nach den Grundsätzen des IDW S1 im Rahmen der zweiten Phase grundsätzlich auf das Ausschüttungsverhalten einer Alternativanlage abzustellen ist, es sei denn es sprächen Besonderheiten der Branche, der Kapitalstruktur oder rechtliche Rahmenbedingungen dagegen. Diese Besonderheiten bejaht er hier. Es handele sich im vorliegenden Fall um ein reines Handelsunternehmen, welches über eine sehr geringe Personalstruktur (4 Mitarbeiter und eine Aushilfe am 31.12.2011) verfüge und eine geringe Anlagenintensität habe und bei dem wesentliche Neuinvestitionen nicht geplant seien bzw. nicht die Höhe der Abschreibungen überstiegen. In den Jahren 2008 – 2011 seien Ausschüttungen in Höhe von 88% – 101% des jeweiligen Jahresüberschusses vorgenommen worden. Deshalb sei der Ansatz einer Ausschüttungsquote von 80 -100 % angemessen und nicht auf das Ausschüttungsverhalten der ermittelten Gruppe der Vergleichsunternehmen abzustellen.Randnummer17

Das Landgericht hat den Sachverständigen zur Erläuterung seines Gutachtens geladen und im Termin am 14.11.2018 angehört (Bd XI Bl.2185). Es hat dann eine ergänzende Berechnung des Sachverständigen mit dem Ansatz einer Marktrisikoprämie von 4,5 und der Berücksichtigung eines effektiven Steuersatzes von 30% eingeholt.Randnummer18

Durch Beschluss vom 31.1.2019 hat das Landgericht den Antrag der Antragsteller zurückgewiesen und hierbei die streitige Planung vom November 2011 zugrunde gelegt.Randnummer19

Hiergegen haben die im Rubrum genannten Beschwerdeführer form- und fristgerecht Beschwerde eingelegt.Randnummer20

Den Beschwerden der Beschwerdeführer hat das Landgericht gemäß Beschluss vom 25.9.2019 nicht abgeholfen.Randnummer21

Mit ihren Beschwerden behaupten die Beschwerdeführer weiterhin, vor dem Stichtag 4.11.2011 sei die Unternehmensplanung nicht geändert worden, so dass auf der Basis der im Prüfgutachten erwähnten Planung die Unternehmensbewertung vorzunehmen sei. Sie sei erst später zu Lasten der Minderheitsaktionäre geändert worden. Eine richtige unabhängige Planung sei zudem gar nicht erstellt worden. Die geänderte Planung zum 3.11.2011 habe am Bewertungsstichtag noch nicht existiert und habe auch weder dem Abfindungsprüfer noch der Hauptversammlung vorgelegen.Randnummer22

Die Marktrisikoprämie sei mit 5 % zu hoch angesetzt worden, sie sei zudem auch dann niedriger anzusetzen, wenn die Ausschüttungsquote hoch angesetzt werde.Randnummer23

Die angenommene Ausschüttungsquote von 90 % sei zu hoch, es sei in der Phase der ewigen Rente nach den Bewertungsrichtlinien der FAUB zwingend auf das Durchschnittsverhalten einer Alternativanlage abzustellen. Die Alternativanlage seien die im S& P Global Broad Market Index (BMI) gelisteten Unternehmen, die durchschnittlich nur 26% im Durchschnitt der letzten Jahre ausgeschüttet hätten (Bl. 2454)Randnummer24

Der zugrunde gelegte Beta-Faktor sei falsch, weil in die Peer Group ausschließlich ausländische Unternehmen aufgenommen worden seien.Randnummer25

Bei den Sonderwerten seien zu Unrecht persönliche Steuern abgezogen worden. Es seien auch Sonderwerte in Form von Wertpapieren vorhanden und zu berücksichtigen. Auch Forderungen aus Lieferungen und Leistungen seien hier zu berücksichtigen.Randnummer26

Der gemeinsame Vertreter vertritt die Auffassung, die Marktrisikoprämie sei mit max. 4,26 % anzusetzen. Beim Terminal Value sei höchstens eine Ausschüttungsquote von 45% anzusetzen. Die geänderte Planung könne nicht berücksichtigt werden, weil sie dem Prüfgutachter nicht vorgelegen habe. Der Betafaktor sei vom Gutachter falsch berechnet worden,Randnummer27

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vortrages wird auf ihre Schriftsätze Bezug genommen.Randnummer28

Die Beschwerdeführer beantragen, den Beschluss des Landgerichts Mühlhausen vom 31.1.2019 abzuändern und die angebotene Barabfindung zu erhöhen.Randnummer29

Die Beschwerdegegner beantragen,Randnummer30

die Beschwerde der Antragsteller V… e.V., D… K…, D… F… und A… Inc. zu verwerfen, weil bereits deren Anträge unzulässig gewesen seien.Randnummer31

und die übrigen Beschwerden zurückzuweisen.Randnummer32

Sie behaupten, die aktualisierte Planungsrechnung habe bereits am 4. 11.2011 vorgelegen, die Notarin Z… habe die aktualisierte Bewertung vom 4.11.2011 mit Bewertungstabellen als Anlagen zu den Handelsregisterakten eingereicht. Sie seien nur deshalb nicht mehr in das von den Wirtschaftsprüfern W… und P… erstellte Gutachten aufgenommen worden, weil diese die Auffassung vertreten hätten, dass dies nicht notwendig sei, weil die angebotene Barabfindung ja bereits mit 15 € pro Aktie deutlich über dem liege, was nach der alten Planung (12 €) angemessen sei.Randnummer33

Die tatsächlichen Zahlen für die Jahre 2012 – 2019 (AG 6 = Bl. 2486 – 2490 der Akte) blieben auch deutlich hinter den Werten der geänderten Erfolgsplanrechnung vom 3.11.2011 zurück.Randnummer34

Die Marktrisikoprämie von 5% sei vor dem Hintergrund der im Jahre 2011 bereits zu beobachtenden Verwerfungen auf den europäischen und internationalen Finanzmärkten sachgerecht.Randnummer35

Nicht notwendiges Vermögen sei bei der Bewertung nicht anzusetzen, weil dies benötigt worden sei, um eine hohe Bonität bei den Warenkreditversicherern zu erhalten. Dies ermögliche ihren Lieferanten hohe Volumina für Lieferungen an die L… AG zu versichern. Ohne diese Möglichkeit würden sich die versicherten Handelsvolumina deutlich verringern.

II.

1. Die Beschwerden sind form- und fristgerecht eingelegt wordenRandnummer37

Die Beschwerdesumme übersteigt 600 €, weil bei Berechnung der Beschwer die Aktien aller Beschwerdeführer zusammenzurechnen sind, wenn sich die Beschwerden gegen dieselbe Entscheidung richten und das gleiche Rechtsschutzziel verfolgen (BGH II ZB 15/17). Die Beschwer der Beschwerdeführer zu 13 – 16 ist dabei zu berücksichtigen. Unerheblich ist hierfür, dass das Landgericht den von Rechtsanwalt W… vertretenen Beschwerdeführern fälschlicherweise die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bewilligt und ihre Anträge nicht als unzulässig zurückgewiesen hat. Die Versäumung der Antragsfrist mag zur Unzulässigkeit oder Unbegründetheit ihrer Beschwerde führen, das wirkt sich aber noch nicht bei Berechnung der Beschwer aus. Die Beschwerdeführer halten zusammen mindestens 6739 Aktien, auch wenn die Anzahl der Aktien derjenigen Aktionäre, welche die Anzahl der gehaltenen Aktien nicht offengelegt haben, nur mit 1 berücksichtigt werden kann.Randnummer38

2. Ob die Beschwerden der Beschwerdeführer V… e.V., D… K…, D… F… und A… wegen der Versäumung der Antragsfrist unzulässig oder unbegründet sind oder ob sie aufgrund der bewilligten Wiedereinsetzung antragsbefugt geworden sind, kann dahinstehen, weil es für den Erfolg der übrigen Beschwerden ohne Belang ist und die positive Entscheidung über die anderen Beschwerden gemäß § 13 SpruchG auch für und gegen alle übrigen Anteilsinhaber wirkt.Randnummer39

Die übrigen Beschwerden sind jedenfalls zum Teil begründet und führen zur einer Festsetzung des Abfindungsbetrages auf 17,87 €

1.

Nach § 372f S.2 AktG hat das Gericht im Spruchverfahren die angemessene Barabfindung zu bestimmen, wenn die vom Hauptaktionär festgelegte Barabfindung nicht angemessen ist. Unterster Wert ist der Aktienwert in den letzten drei Monaten vor der Bekanntmachung der Maßnahme. Dieses ist aber nur der Mindestwert. Der Aktienkurs ist nicht allein ausschlaggebend, weil sich in ihm nicht zwingend der volle wirkliche Wert widerspiegeltRandnummer41

Ziel der Bewertung ist es den „vollen, wirklichen“ Wert der Unternehmensbeteiligung zu ermitteln. Der Unternehmenswert ist dabei im Wege der Schätzung zu ermitteln. Die Frage nach der geeigneten Bewertungsmethode beurteilt sich nach der wirtschaftswissenschaftlichen oder betriebswirtschaftlichen Bewertungstheorie- und praxis. Dabei ist bei einem werbenden Unternehmen die Ertragswertmethode eine grundsätzlich geeignete Methode (vgl. BGH II ZB 23/14). Die Unternehmensbewertung nach der Ertragswertmethode setzt ihrerseits wieder Prognosen und Schätzungen voraus. Es ist schon aus diesem Grund nicht möglich, einen exakten, einzig richtigen Wert eines Unternehmens zu bestimmen (BVerfG NJW 2012,3020). Die Regeln nach denen die Ertragsprognose und der Zinssatz ermittelt werden müssen, müssen wiederum den Bewertungszielen entsprechen, in der Wirtschaftswissenschaft anerkannt und praktisch gebräuchlich sein (BGH a.aO).Randnummer42

Auf diesen Grundsätzen aufbauend hat der Senat die Abfindung auf 17,87 € festgesetzt.Randnummer43

1. Bei Ermittlung des Ertragswertes ist im vorliegenden Fall der in der Betriebswirtschaftslehre und in der gerichtlichen Bewertungspraxis anerkannte IDW S1 zum Ansatz gekommen.Randnummer44

Der Unternehmenswert leitet sich hierbei grundsätzlich aus den zukünftigen finanziellen Überschüssen ab. Untergrenze ist der Liquidationswert.Randnummer45

Nach der Systematik des IDW S1ergibt sich der Unternehmenswert grundsätzlich aus den finanziellen Überschüssen, die bei Fortführung des Unternehmens und Veräußerung nicht betriebsnotwendigen Vermögens erwirtschaftet werden. Dabei basiert die Unternehmenswertberechnung ausschließlich auf den Planungs- und Prognoseannahmen für die Zukunft. Basierend auf der Detailplanungsphase von drei bis fünf Jahren erfolgt eine spätere Planungsphase mit langfristigen Fortschreibungen von Trendentwicklungen. Letztlich mündet diese Planungsphase mit der Annahme eines letzten Planjahres als Bemessungsgrundlage für die ewige Rente, die aufgrund der mathematischen Gegebenheiten ein sehr hohes Gewicht hat. Sie impliziert, dass man bei der Bewertung von einer (theoretisch) unbegrenzten Lebensdauer des Unternehmens ausgeht.Randnummer46

Die so bestimmten zukünftig zufließenden Erträge werden dann mit dem Kapitalisierungszinssatz auf den Bewertungsstichtag abgezinst. Der Wert des nicht betriebsnotwendigen Vermögens und andere Sonderrechte sind hinzuzurechnen Der in Ansatz zu bringende Kapitalisierungszins setzt sich zusammen aus dem Basiszins und einem Risikozuschlag. Die Höhe des Risikozuschlags wird mit dem CAPM und Tax-CAPM-Modell geschätzt. In ihm wird das ermittelte Marktrisiko über eine Marktrisikoprämie und das unternehmensspezifische Risiko über einen sogenannten Betafaktor abgebildet, wobei die Marktrisikoprämie mit dem Betafaktor multipliziert wird. In der Phase der ewigen Rente wird zudem ein Wachstumsabschlag berücksichtigt.Randnummer47

Ausgangspunkt ist die Investition in eine als quasi risikolose Alternativanlage am Kapitalmarkt eingeschätzte Anlage, diese bildet den Basiszins.Randnummer48

In Form der Marktrisikoprämie wird das allgemein höhere Risiko von Investitionen in Unternehmen gegenüber risikofreien Kapitalanlagen abgebildet. Das spezifische unternehmenseigene Risiko wird über den sogenannten Beta-Faktor abgebildet, der die Marktrisikoprämie bei höherem individuellem Risiko erhöht und bei niedrigerem individuellem Risiko mindert. Der Wachstumsabschlag berücksichtigt die Inflation und die Möglichkeit, diese Kosten auf die Kunden des Unternehmens abzuwälzen oder durch ein Wachstum des Unternehmens ganz oder teilweise zu kompensieren.Randnummer49

Auszugehen ist bei der Bewertung von der unternehmenseigenen Planung. Der Maßstab der Planungsprüfung ist darauf eingeschränkt zu überprüfen, ob die unternehmenseigene Planung auf zutreffenden Informationen und realistischen Annahmen beruht, mithin plausibel und auch nicht widersprüchlich ist. Kann die Geschäftsführung auf dieser Grundlage annehmen, ihre Planung sei realistisch, darf diese Planung nicht durch andere – letztlich ebenfalls nur vertretbare – Annahmen des Gerichts oder anderer Verfahrensbeteiligter ersetzt werden (BVerfG ZIP 2012,1656; OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG München
31Wx 382/15).Randnummer50

Unter Beachtung dieser Grundsätze ergibt sich zu den streitigen einzelnen Angriffen gegen das vom Landgericht eingeholte Gutachten des WP R… folgendes:Randnummer51

2.. Der erhobene Einwand der unzulässigen Abänderung der Planung ist begründet.Randnummer52

Der Sachverständige R… hat auf der Basis des Planungsstandes Juli 2011 einen höheren Wert der Aktie als 15 € errechnet, der Abfindungsbetrag von 15 € wird nur dann nach seinem Gutachten nicht erreicht, wenn auf der Basis der neuen Planung das Unternehmen begutachtet wird.Randnummer53

Das vorliegende Spruchverfahren ist im Jahre 2012 anhängig geworden, es wurde erstmals mit Schriftsatz vom 27.12.2016, eine auf den 3.11.2011 revidierte Erfolgsplanungsrechnung für die Jahre 2011 – 2015 vorgelegt und in das Verfahren eingeführt, mit der Bitte, diese an den WP R… weiterzuleiten (Bd.1900 – BdX). Hierzu wurde dann im Schriftsatz vom 23.3.2017 vorgetragen, diese neue Planung habe den drastischen Umsatzrückgängen in den ersten 3 Quartalen des Jahres 2011 Rechnung tragen sollen. Der Erfolg der L…, welche mit Milchrohstoffen handele, sei davon abhängig, inwieweit der Milchrohstoff am Markt erhältlich sei und inwieweit die Molkereien ihre Milch selbst zu Folgeprodukten verarbeiteten. Erkenntnisse über eine zunehmende Konzentration hätten sich im Jahre 2011 zusehends konkretisiert. Dabei sei bereits in der Vergangenheit zu beobachten, dass kleinere Molkereien mit großen milchverarbeitenden Betrieben fusionierten und dies für die L… negative Folgen habe, weil diese Betriebe dann in der Lage seien, die Rohmilchanlieferungen der Landwirte in den eigenen Werken zu Folgeprodukten verarbeiten zu können, ohne zugleich Milchrohstoffe am freien Markt anbieten oder nachfragen zu müssen. Die verringerten Umsätze im 3. Quartal und der voranschreitende Konzentrationsprozess habe den Vorstand der Gesellschaft dazu veranlasst, die ursprüngliche Erfolgsplanung für die Jahre 2011 – 2015 aufgrund dieser Erkenntnislage am 3.11.2011 zu revidieren. Selbst die dort geplanten geringeren Umsätze und Jahresergebnisse seien ausweislich der Bilanzen 2012 – 2015 später nicht erzielt worden (Bl. 1924). Im Schriftsatz vom 17.1.2018 wird vorgetragen, die aktualisierte Erfolgsplanungsrechnung sei in der Hauptversammlung am 4.11.2011 vom Vorstand mitgeführt worden und die Prüfungsgesellschaft T… über das Vorliegen dieser aktualisierten Planung informiert worden. Diese habe keine Notwendigkeit gesehen, diese in die Unternehmenswertermittlung einfließen zu lassen.Randnummer54

Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen W…, der als Wirtschaftsprüfer seinerzeit für die T… AG – Wirtschaftsprüfungsgesellschaft – tätig war und an der Hauptversammlung teilgenommen hat. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme haben die Antragsgegner ihre Behauptung, es habe eine neue Planung vorgelegen, nicht bewiesen. Sie trifft die Feststellungslast für diese ihnen günstige Behauptung.Randnummer55

Der Zeuge W… erinnerte sich letztlich lediglich, dass Herr A… K… ihm einen Zettel mit neuen Zahlen geben wollte und auch in der Hauptversammlung mit neuen Zahlen argumentiert hat. Diese Zahlen habe er nicht näher zur Kenntnis genommen. Exaktes zu diesen Zahlen vermochte er nicht mehr zu erinnern.Randnummer56

Der Senat ist deshalb nicht davon überzeugt, dass unmittelbar vor dem Hauptversammlungstermin eine neue Unternehmensplanung erstellt wurde und nicht lediglich die aktuellen Umsatzzahlen in der Hauptversammlung präsentiert wurden.Randnummer57

Im Protokoll der Hauptversammlung wird eine Änderung der Unternehmensplanung nicht erwähnt. Eine geänderte Unternehmensplanung wurde auch nicht zu den Handelsregisterakten gereicht. In dem beim Handelsregister eingereichten Protokoll der Hauptversammlung vom 4.11.2011 ist festgehalten, dass der Wirtschaftsprüfer W… das Gutachten und dessen Aktualisierung auf den heutigen Tag erläutert und ausgeführt habe, dass die von der Gesellschaft erstellte Planung plausibel erscheine. Die dort erwähnte Aktualisierung bezog sich lediglich auf die Berücksichtigung des inzwischen gesunkenen Basiszinssatzes. Im Protokoll wird weiter festgehalten, dass der Vorsitzende (A… K…) auf die Frage zu der durch die Gesellschaft erstellten Planung ausgeführt hat, dass die wirtschaftlichen Aussichten eher negativ seien, da eine wirtschaftliche Stagnationsphase wahrscheinlich erscheine (S. 4 Protokoll). Auf S. 5 des Protokolls ist festgehalten, dass ein Aktionär gefragt hat, welche Faktoren in Bezug auf die zukünftige Entwicklung der Gesellschaft in dem Gutachten berücksichtigt wurden und ihm Herr W… die Faktoren erläutert und insbesondere auf den Wegfall der Milchquote und die daraus absehbare fortschreitende Konzentration der Unternehmen auf dem Markt, welche zwangsläufig zu einem Rückgang der Geschäfte führen werde, hingewiesen hat. Auf S. 6 des Protokolls ist festgehalten, dass der Vorsitzende ausgeführt hat das für das IV. Quartal mit einem extrem schlechten Ergebnis gerechnet werden kann, der Unternehmenswert sich nicht nur aus dem Ergebnis eines Jahres errechne, sondern aus dem Ergebnis mehrerer zurückliegender Geschäftsjahre und den daraus abgeleiteten zukünftigen jährlichen Planungsergebnissen. Die sich anbahnende wirtschaftliche Entwicklung mache eine Stagnation wahrscheinlich und dies habe bei den Planzahlen für die zukünftige Entwicklung der Gesellschaft Berücksichtigung gefunden. In die Bewertung sei daher eine konservative Planung eingeflossen. Auf die Frage eines Aktionärs nach der Angemessenheit der Planzahlen für die Berechnung der Barabfindung hat Herr W… ausgeführt dass die Planzahlen der Gesellschaft von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft als plausibel erachtet werden.Randnummer58

Dass die Gesellschaft die Planzahlen inzwischen neu angepasst hat und der Marktwert jetzt eigentlich sogar noch unter dem Ergebnis des Prüfgutachtens liegt, wird im Protokoll gerade nicht erwähnt. Hinzukommt, dass nach dem Bericht über die Prüfung des Jahresabschlusses für das Jahr 2011 (Anlage 4 zum SS vom 29.3.2012) dort Anlage 4 für das Geschäftsjahr 2012 mit einem Rohertrag von 1.560.000 EURO und einem Planergebnis nach Steuern von 508.000 EURO (S.9 der Anlage 4 zur Anlage 4) gerechnet wurde. Dieser Lagebericht ist vom Vorstand am 12. Januar 2012 unterzeichnet worden. Der in diesem Lagebericht genannte Wert differiert nur wenig von dem dem Prüfgutachten zugrundeliegenden Planergebnis von 509.712,89 €, weicht aber stark von der mit Schriftsatz vom 27.12.2016 vorgelegten revidierten Planung ab, in der nur mit einem Planergebnis nach Steuern für das Jahr 2012 von 351.385 € gerechnet wird. Das spricht dagegen, dass nach Erstellung des Prüfgutachtens unmittelbar vor der Hauptversammlung die Gesellschaft ihre Planzahlen geändert hat. Der zuletzt vorgelegte Nachprüfungsbericht vom 20. November 2021, welcher nunmehr rückblickend geänderte Planzahlen für 2012 enthält, kann an dieser Einschätzung nichts ändern.Randnummer59

Es steht deshalb nicht fest, dass die Unternehmensplanung unmittelbar vor der Hauptversammlung am 4.11.2011 nochmals korrigiert wurde und nicht nur in der Hauptversammlung von Herrn A… K… der Abfindungsbetrag auch mit aktuell rückläufigen Umsatzzahlen gerechtfertigt worden ist. Ihre Behauptung haben die dafür beweisbelasteten Antragsgegner nicht bewiesen. Deshalb ist bei der Bewertung die Unternehmensplanung zugrunde zu legen, welche dem Prüfgutachter W… bei Erstellung seines Gutachtens vorlag. Der danach nicht vorhergesehene Gewinneinbruch für die Gesellschaft kam erst im Jahre 2012 und kann bei der Unternehmensbewertung auf den Stichtag 4.11.2011 nicht mehr berücksichtigt werden.

3.

Die Marktrisikoprämie ist mit einem Wert von 4,5% nach persönlichen Steuern anzusetzen.Randnummer61

3.1. Die Marktrisikoprämie soll die Renditedifferenz zwischen dem sogenannten Marktportfolio und der Anlage der als risikolos qualifizierten Wertpapiere abbilden. Stichtag ist der 4.11.2011, damals lag der Satz noch nach den Empfehlungen des FAUB (Fachausschuss für Unternehmensbewertung und Betriebswirtschaft) bei 4,5 – 5,5% vor persönlichen Steuern und 4,0-5,0% nach persönlichen Steuern. Allerdings hat dann der FAUB am 10. Jan. 2012 empfohlen zu prüfen, ob die Unsicherheit am Kapitalmarkt nicht den Ansatz einer Marktrisikoprämie am oberen Rand der empfohlenen Bandbreite von 4 – 5 % erfordere.Randnummer62

3.2. Der FAUB ist ein fachkundiger Ausschuss dessen Empfehlungen in der Bewertungspraxis regelmäßig gefolgt wird und trotz vereinzelter Angriffe in der Lehre gibt es auch kein empirisches Datenmaterial, dass seine Einschätzungen unrichtig sind. Regelmäßig stellt eine Marktrisikoprämie, die sich an den Vorgaben des IDW für den maßgeblichen Zeitraum orientiert, nach der bewertungsrechtlichen Rechtsprechung eine geeignete Grundlage für die Schätzung des Unternehmenswertes dar (vgl. OLG München 31 WX 382/15), auch wenn das Gericht nicht an die Empfehlungen des IDW gebunden ist. Das spricht für die Ausführungen des OLG Frankfurt in dem Beschluss vom 26.1.2017, Az.: 21 W 75/15, dass nicht ersichtlich ist, dass eine Nichtanwendung der Empfehlungen des FAUB zu richtigeren Ergebnissen führen würde und es weder dem Gericht noch der Gesellschaft obliegt, umfassende Studien zur Ermittlung der Marktrisikoprämie als einer letztlich ohnehin nicht zweifelsfrei ermittelbaren Größe in Auftrag zu geben und stattdessen der Empfehlung des FAUB gefolgt werden kann, dessen Empfehlungen in der Bewertungspraxis – unabhängig vom Bewertungsanlass – regelmäßig gefolgt wird. Der Gutachter R… hat zwar zunächst in seinem schriftlichen Gutachten den Ansatz von 5% für vertretbar erklärt, bei seiner Anhörung dann aber später bekundet, er hätte selbst den Mittelwert angesetzt. Die neue Empfehlung des FAUB einen Ansatz am oberen Rande der Empfehlung zu prüfen, lag zum Stichtag auch noch nicht vor. Das spricht für den Ansatz des Mittelwertes. Soweit der Prüfer W… in seinem Prüfgutachten ausgeführt hat, eine Marktrisikoprämie nach Steuern von etwa 5% liege am unteren Rand der Bandbreite der bisherigen berufsständischen Empfehlungen, verkennt er, dass die tatsächliche Empfehlung der FAUB zum Stichtag bei 4,5 bis 5,5 % vor Steuern und von 4,0 – 5% nach Steuern lag.Randnummer63

3.3. Soweit sich Rechtsanwalt A… im Schriftsatz vom 17.7.2020 auf Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in energiewirtschaftsrechtlichen Verwaltungssachen bezieht, lässt sich aus diesen Entscheidungen nicht ableiten, dass die Marktrisikoprämie niedriger festzusetzen wäre. Eine Festlegung auf einen bestimmten Risikozinssatz oder auf eine bestimmte Bewertungsmethode lässt sich den zitierten Entscheidungen nicht entnehmen. Sie stehen der Heranziehung des Mittelwertes des vom FAUB als anerkanntes Fachgremium der Wirtschaftsprüfer empfohlenen Wertes bei der Schätzung nicht entgegen.Randnummer64

In den von Rechtsanwalt A… genannten Verfahren wurden die von der Bundesnetzagentur festgesetzten Erlösobergrenzen für Netzentgelte angegriffen. Bei der Festlegung der Erlösobergrenzen ist eine Eigenkapitalverzinsung zu berücksichtigen. Für die Höhe des Eigenkapitalzinssatzes sind die Umlaufrenditen festverzinslicher Wertpapiere inländischer Emittenten zuzüglich eines angemessenen Zuschlags zur Abdeckung netzbetriebsspezifischer unternehmerischer Wagnisse maßgebend.Randnummer65

3.3.1. In der Entscheidung EnvR 34/18 hat der Bundesgerichtshof betont, dass der Regulierungsbehörde bei der Ermittlung des Wagniszuschlages gemäß § 7 Abs. 5 StromNEV ein Spielraum zusteht und die Behörde eine Auswahlentscheidung zu treffen hat, wenn aus sachverständiger Sicht mehrere Methoden in Betracht kommen. Die Auswahlentscheidung könne von Rechts wegen nur dann beanstandet werden, wenn sich feststellen lasse, dass der gewählte Ansatz von vornherein ungeeignet sei, die Funktion zu erfüllen, die ihm im Rahmen des zugrunde gelegten Modells zukomme oder dass ein anderes methodisches Vorgehen unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände so deutlich überlegen sei, dass die Auswahl einer anderen Methode nicht mehr als mit den gesetzlichen Vorgaben vereinbart angesehen werde.Randnummer66

Der Bundesnetzagentur stehe ein Spielraum im Hinblick auf die Frage zu, ob die mit Hilfe des CAPM und der historischen Datenreihen vom Dimension, Marsh und Staunton ermittelten Werte anhand von weiteren Indikatoren zu modifizieren oder einer zusätzlichen Plausibilisierung zu unterziehen seien.Randnummer67

Es sei nicht Aufgabe einer gerichtlichen Überprüfung eine von der Regulierungsbehörde in Ausübung eines ihr zustehenden Spielraums getroffene Auswahlentscheidung durch eine alternative Modellierung zu ergänzen oder zu ersetzen.Randnummer68

Die Bundesnetzagentur sei weder an ein bestimmtes wissenschaftliches Modell noch an bestimmte Methoden zur Ermittlung und Bemessung der im Rahmen des gewählten Modells heranzuziehender Parameter gebunden. Wenn mehrere Methoden in Betracht kämen, sei die Behördenentscheidung für die Anwendung einer bestimmten Methode nur eingeschränkt gerichtlich überprüfbar. Sie könne von Rechts wegen nur beanstandet werden, wenn sich feststellen lasse, dass der gewählte methodische Ansatz von vornherein ungeeignet sei oder ein anderes methodisches Vorgehen unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände so deutlich überlegen sei, dass die Auswahl einer anderen Methode nicht mehr als mit den gesetzlichen Vorgaben vereinbar angesehen werden könne.Randnummer69

Der Bundesgerichtshof hat dann ausgeführt, dass sich aus der Rechtsprechung zur Bemessung von Barabfindungen für ausscheidende Aktionäre keine abweichende Beurteilung ergebe, weil nach § 327 f S.2 AktG der „volle wirkliche“ Wert des Unternehmens zu ermitteln sei. Unter Bezugnahme auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs Az.: II ZB 23/14 wird dann ausgeführt, die Frage der geeigneten Bewertungsmethode sei keine Rechtsfrage, sondern Teil der Tatsachenfeststellung und beurteile sich nach der wirtschaftswissenschaftlichen oder betriebswirtschaftlichen Bewertungstheorie und Praxis.Randnummer70

Diese Grundsätze seien auf die Ermittlung des Wagniszuschlages gemäß § 7 Abs.5 StromNEV nicht vollständig zu übertragen.Randnummer71

Im Verfahren nach § 327f Satz 2 AktG sei eine weitergehende tatrichterliche Überprüfung erforderlich, weil dort der Abfindungsbetrag nicht einer unabhängigen Regulierungsbehörde obliege, sondern von dem Hauptaktionär vorgenommen werde.Randnummer72

3.3.2. Auch in der Entscheidung EnVR 52/18 hat der Bundesgerichtshof lediglich auf den Beurteilungsspielraum der Bundesnetzagentur abgestellt und ausgeführt, die Bundesnetzagentur sei nicht verpflichtet gewesen, ihr anhand des Capital Asset Pricing Model und der historischen Datenreihen von Dimson, Marsh und Staunton ermitteltes Ergebnis einer ergänzenden Plausibilitätsprüfung zu unterziehen. Deshalb sei sie auch nicht verpflichtet gewesen, ihr Ergebnis einer Überprüfung anhand den Empfehlungen des FAUB zu unterziehen. Hierbei handele es sich ebenfalls um eine alternativ in Betracht kommende Berechnungsmethode, die dem von der Bundesnetzagentur gewählten Ansatz nicht klar überlegen sei und zu deren ergänzenden Heranziehung die Bundesnetzagentur mangels konkreter Anhaltspunkte für die Unangemessenheit des von ihr ermittelten Ergebnisses nicht verpflichtet gewesen sei.Randnummer73

3.3.3. Auch in der Entscheidung EnVR 52/18 stellt der Bundesgerichtshof darauf ab, dass die Bundesnetzagentur nicht verpflichtet war, andere Modelle zu Vergleichzwecken heranzuziehen. Das gelte entsprechend auch für die Empfehlung des FAUB. Es handele sich auch hierbei um eine alternativ in Betracht kommende Berechnungsmethode, die dem von der Bundesnetzagentur gewählten Ansatz nicht klar überlegen sei und zu deren ergänzender Heranziehung die Bundesnetzagentur mangels konkreter Anhaltspunkte für die Unangemessenheit des von ihr ermittelten Ergebnisses nicht verpflichtet gewesen sei.

4.

Der Betafaktor ist mit 0,38 anzusetzen, wie der Sachverständige R… bei seiner Anhörung vor dem Landgericht Mühlhausen am 14.11.2018 und in seinen Gutachten im Einzelnen begründet hat.Randnummer75

Der Betafaktor drückt das Verhältnis zwischen dem allgemeinen Marktrisiko und dem unternehmensspezifischen Risiko des zu bewertenden Unternehmens aus. Er misst, welche Änderung der Rendite der zu bewertenden Aktie bei der Änderung der Rendite des Marktportfolios zu erwarten ist. Es handelt sich um einen durch Schätzung zu ermittelnden Zukunftswert.Randnummer76

Der Betawert ist ein durch Schätzung zu ermittelnder Zukunftswert, wobei Grundlage für die Schätzung der historische Verlauf der Börsenkurse der zu bewertenden Aktie selbst bzw. derjenigen einer Gruppe von Vergleichsunternehmen (peer group) oder auch allgemeine Überlegungen zum individuellen Unternehmensrisiko im Vergleich zum Risiko des Marktportfolios sind (OLG Stuttgart Az: 20 W2/08). Zur Ermittlung des historischen Betafaktors wird die Kursentwicklung des zu Grunde gelegten Aktienindex mit den Änderungen des zu bewertenden Unternehmens verglichen. Diese kann – wie bereits das Landgericht zutreffend ausgeführt hat – nicht maßgebend sein, wenn der Betafaktor – wie im vorliegenden Fall – durch die Ankündigung des beabsichtigten Übernahmeangebots am 4.6.2008 beeinflusst worden ist. Der Prüfer weist zudem in seiner Stellungnahme darauf hin dass nur wenige Aktien im Streubesitz gehalten wurden. Deshalb erscheint es sachgerecht, den Betafaktor über eine peer Group zu ermitteln, wie dies der Sachverständige R… getan hat. Dass der relevante Betafaktor anhand einer peer Group geschätzt werden kann, sofern der eigene Wert der Gesellschaft nicht aussagekräftig ist, ist anerkannt und wird unter Ziff. 121 in IDW – Standards 2008 ausdrücklich genannt.Randnummer77

4.1. Die Beschwerdeführer rügen zu Unrecht, bei der Ermittlung des Betafaktors hätten die S… M… und die S… AG einbezogen werden müssen. Der Gutachter R… hat die S… M… in Deutschland und die R… AB aus L… aufgrund festgestellter nicht vorhandener Signifikanz der abgeleiteten Risikofaktoren nicht berücksichtigt. Es habe keine vergleichbaren börsennotierten Unternehmen in Deutschland gegeben, welche unter Gewährleistung einer unverzerrten Regression zur Durchführung einer historischen Betaanalyse geeignet gewesen wären. Der Gutachter ist in der ersten Instanz gehört worden. Hier hätten die Beschwerdeführer nähere Fragen stellen können, weshalb S… M… und die S… AG nicht einbezogen worden sind. Eine nochmalige Befragung des Sachverständigen, der sich in seinem Gutachten eindeutig geäußert hat, dass es keine geeigneten deutschen Unternehmen für die Aufnahme in die peer Group gibt, war nicht erforderlich.Randnummer78

Auch soweit der gemeinsame Vertreter erstmals im Schriftsatz vom 13.9.2021 bei der die Berechnung des Betafaktors Zweifel anmeldet und hierzu die Einholung eines Sachverständigengutachtens beantragt, ist ein Fehler des Gutachters nicht hinreichend dargetan. Der gemeinsame Vertreter bemängelt, dass der Gutachter nicht den sogenannten raw Betafaktor angegeben habe. Dieser Vortrag ist nicht geeignet Zweifel an der Richtigkeit der gutachterlichen Bewertung zu begründen. Eine nochmalige Anhörung des erstinstanzlich bereits gehörten Gutachters war deshalb nicht erforderlich.

5.

Für die Wertermittlung ist maßgeblich, welches Ausschüttungsverhalten der Berechnung zugrunde gelegt wird. Im Rahmen der zweiten Phase wird nach dem IDW S.1 in der Fassung 2008 grundsätzlich angenommen, dass das Ausschüttungsverhalten des zu bewertenden Unternehmens äquivalent zum Ausschüttungsverhalten der Alternativanlage ist, sofern nicht Besonderheiten der Branche der Kapitalstruktur und der rechtlichen Rahmenbedingungen zu beachten sind. Als rechtliche Rahmenbedingung ist im vorliegenden Fall zu berücksichtigen, dass der GroßAktionär selbst das Unternehmen führt und dass es sich um ein reines Handelsunternehmen mit wenigen Mitarbeitern (4 Mitarbeiter und eine Aushilfe seinerzeit) handelt, welches kein größeres Sachanlagenvermögen für seinen Geschäftsbetrieb braucht und für Ersatzinvestitionen keine Rücklagen benötigt. Wenn der GroßAktionär bei dieser Konstellation in der Vergangenheit schon immer dafür gestimmt hat, viel auszuschütten, dann kann bei der Bewertung unterstellt werden, dass er es auch in der Zukunft getan hätte. Die Ausschüttungen und Gewinne in den Jahren 2000 – 2007 sind im Schriftsatz der Antragsgegner vom 20.6.2020 (Bl. 2462 der Akten) vorgetragen worden. Von erzielten Gewinnen in diesem Zeitraum in Höhe eines Gesamtbetrages von 2.449.490,90 € sind danach 2.104.000 € und damit gerundet 87 % ausgeschüttet worden. In den Jahren 2008 -2010 belief sich die Ausschüttungsquote auf 88 %, 98% und 101%. Der Senat legt deshalb eine gerundet Ausschüttungsquote von 90 % der Bewertung zugrunde.

6.

Mit dem Wachstumsabschlag wird berücksichtigt, dass ein Unternehmen im Gegensatz zu festverzinslichen Anleihen die Möglichkeit hat, die Geldentwertung durch Preiserhöhungen aufzufangen. Maßgeblich ist, inwieweit diese Möglichkeiten auch konkret bei dem zu bewertenden Unternehmen bestehen.Randnummer81

Hier kann dem Sachverständigen gefolgt werden, welcher einen Wachstumsabschlag von 1% für sachgerecht hält.

7.

Sonderwerte / nicht betriebsnotwendiges Vermögen:Randnummer83

Hierbei handelt es sich um solche Vermögensteile, die frei veräußert werden können, ohne dass die eigentliche Unternehmensaufgabe berührt wird.Randnummer84

Diese werden nach dem IDW S 1 gesondert bewertet.Randnummer85

Der Sachverständige R… hat aufgezeigt, dass die Gesellschaft im Verhältnis zu den historisch erzielten, sowie den zukünftig geplanten Umsatzerlösen hohe Kassenbestände bzw. Guthaben bei Kreditinstituten und Wertpapiere und eine Inhaberschuldverschreibung hält und ein Liquiditätsbestand in dieser Höhe nicht erforderlich ist, weil er per 31.12. 2010 die Verbindlichkeiten aus Lieferung und Leistung um 1,2 Mio. übersteigt. In welchem Umfang Liquidität vorgehalten werden muss, hängt von der Unternehmensplanung ab. Da der Senat die Planung vom Juli 2011 zugrunde legt, kann ein Sonderwert vor persönlichen Steuern von 1,2 Mio € gemäß dem Gutachten zugrunde gelegt werden.Randnummer86

Der Sachverständige R… hat gemäß S.41 seines Gutachtens zur Ermittlung eines fiktiven Ausschüttungsbetrages die Sonderwerte auf den Bewertungsstichtag 4.11.2011 aufgezinst und um persönliche Steuern der Anteilseigner (KapESt inklusive Solidaritätszuschlag) von 26,37 % gemindert.Randnummer87

Bei seiner Befragung im Termin am 14.11.2018 hat er dazu erklärt, dass er die Steuern abgezogen habe, weil es um eine fiktive Ausschüttung gehe. Ihm sei bewusst, dass andere Kollegen andere Auffassungen vertreten. Geht man davon aus, dass das nicht notwendige Vermögen an die Aktionäre ausgeschüttet wird, dann fällt darauf Steuer an, die dann auch bei der Bewertung zu berücksichtigen ist. Diese fällt nur dann nicht an, wenn das nicht betriebsnotwendige Vermögen in der Gesellschaft verbleibt. Die vorgenommene Bewertung erscheint dem Senat deshalb richtig.Randnummer88

Der Einwand von Rechtsanwalt W…, die Forderungen der Gesellschaft aus Lieferungen und Leistungen seien zusätzlich als Sonderwert zu berücksichtigen, ist unbegründet. Der gerichtliche Gutachter hat eine analytische Betrachtung der Bestände des Nettoumlaufvermögens vorgenommen, um auf diese Weise die Notwendigkeit einer Zwischenfinanzierung von Verbindlichkeiten bzw, eines Finanzierungssaldos zu überprüfen. Hierbei hat er gemäß Rdn. 154 (S.40 des Gutachtens) auch die Forderungen der Gesellschaft berücksichtigt und dann festgestellt, welcher Liquiditätsbestand vorgehalten werden musste, um die Verbindlichkeiten zu 100% mit liquiden Mitteln abzusichern (Rdn. 156). Der gerichtliche Gutachter hat ausweislich Rdn. 152 seines Gutachtens vom 20.10.2017 dabei auch die verzinsliche handelbare Anleihe in die Liquiditätsbetrachtung einbezogen.Randnummer89

Soweit die Antragsgegner gegen den Ansatz nicht betriebsnotwendigen Vermögens einwenden, die L… habe in der Vergangenheit nur deshalb große Volumina mit einigen Lieferanten abwickeln können, weil ihre Bonität von den Warenkreditversicherern der Lieferanten aufgrund ihres recht hohen Eigenkapitals sehr gut eingeschätzt wurde und ohne diese Liquidität künftig auch nicht ansatzweise entsprechende Umsätze hätten erzielt werden können, vermag dies die Bewertung des Sachverständigen R… nicht in Zweifel zu ziehen. Soweit die Antragsgegner geltend machen, nach dem Prüfgutachten seien keine Sonderwerte und nicht betriebsnotwendiges Vermögen zu berücksichtigen, lässt sich dem Prüfgutachten selbst nicht entnehmen, wie der Prüfer zu dieser Bewertung kommt. In der Stellungnahme vom 21. Mai 2013 (S. 26) wird dann dazu ausgeführt, die Gesellschaft habe das Vorliegen nicht betriebsnotwendigen Vermögens verneint. Wegen der Inhaberschuldverschreibung habe der Vorstand mitgeteilt, dass die L… deshalb über ein gutes Rating verfüge, weswegen die Warenkreditversicherer den Lieferanten Limite von insgesamt 8,0 Mill. € für Einkäufe der L… eingeräumt hätten. Derartige Volumina seien auch unterjährig im Einzelfall beansprucht worden, wobei die Hälfte davon auf eine Molkerei entfalle, welche Mitte Mai 2011 in der Spitze 2 bis 3 Mio Lieferantenkredite offen gehabt habe. Dieser Vortrag der Gesellschaft sei nach Überzeugung der Prüfer plausibel und nachvollziehbar. Eine eigenständige Überprüfung dieser Angaben haben sie danach nicht vorgenommen und die Antragsgegner haben auch im vorliegenden Verfahren nicht hinreichend dargetan und belegt, dass ständig eine so hohe Liquidität vorgehalten werden muss.

8.

Ausweislich der Stellungnahme des Gutachters R… vom 17.12.2018 (Bl.2251 der Akte) ergibt sich bei Ansatz der oben genannten Werte bei Zugrundelegung der Planung von Juli 2011 und Berücksichtigung einer effektiven Steuerbelastung von 30% bei Ansatz einer Ausschüttungsquote von 100% ein Wert pro Aktie von 17,58 € und bei Ansatz einer Ausschüttungsquote von 80% ein Wert pro Aktie von 18,16 €, so dass der Wert pro Aktie bei Berücksichtigung einer Ausschüttungsquote von gerundet 90 % vom Senat auf 17,87 € geschätzt werden kann.

9.

Gemäß § 15 SpruchG waren die Gerichtskosten für das Spruchverfahren und die Auslagen des gemeinsamen Vertreters den Antragsgegnern aufzuerlegen. Für eine abweichende Ermessenentscheidung besteht schon deshalb kein Anlass, weil die Beschwerden einen Teilerfolg hatten.Randnummer92

Gemäß § 15 SpruchG waren die Auslagen der Beschwerdeführer zu 1-12 und 17-18 in beiden Instanzen den Antragsgegnern aufzuerlegen. Dies entspricht der Billigkeit, weil die Anträge einen nicht unerheblichen Erfolg hatten, da sich die ursprüngliche Barabfindung von 15 € auf 17,87 € und damit um gerundet 19% erhöht hat. Nach dem Willen des Gesetzgebers sollte durch § 15 SpruchG zum Ausdruck gebracht werden, dass die Antragsteller ihre Kosten grundsätzlich selbst tragen müssen, insbesondere, wenn sie keine oder nur eine geringfügige Erhöhung der Kompensation erreichen, eine Anordnung nach § 15 Abs.2 SpruchG aber in Betracht kommt, wenn eine erhebliche Erhöhung der Kompensation im Verfahren erzielt wird. Hierfür wird heute meistens eine Erhöhung der Kompensation im Spruchverfahren um 15- 20% verlangt, während bei niedrigeren Beträgen eine Quotelung der Kosten üblich ist, wobei unterschiedliche Maßstäbe Anwendung finden (vgl. Kommentierung in Emmerich/Habersack, Aktien und GmbH Konzernrecht, 9. A 2019, § 15 SpruchG m.w.N).Randnummer93

Hinsichtlich der Beschwerdeführer zu 13 – 16 entspricht es hingegen nicht der Billigkeit, auch mit diesen Auslagen die Antragsgegner zu belasten. Sie haben die zwingende Antragsfrist des § 4 SpruchG versäumt. Diese Frist ist eine materiell-rechtliche Ausschlussfrist. Auch bei schuldloser Fristversäumnis scheidet eine Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand analog § 22 Abs.2 FamFG aus (Mennicke in Lutter, Umwandlungsgesetz, 6. A. 2019, § 4 SpruchG Rdn. 3 mit umfangreichen Nachweisen)- Auch wenn ihnen diese fälschlich vom Landgericht Mühlhausen mit Beschluss vom 26.4.2012 bewilligt worden ist, ist die Fristversäumnis bei der zu treffenden Billigkeitsentscheidung zu ihren Lasten zu berücksichtigen.Randnummer94

Die Entscheidung hinsichtlich des gemeinsamen Vertreters folgt aus § 6 Abs.2 SpruchGRandnummer95

Bei der späteren Kostenfestsetzung wird zu berücksichtigen sein, dass der in eigener Sache tätige Rechtsanwalt keine Gebühren verlangen kann. Das kann auch nicht durch die Beauftragung eines Sozius umgangen werden (vgl. Drescher in beck – online Großkommentar § 15 SpruchG, Rdn. 23 m.wN). Insoweit wird zu prüfen sein, ob eine Umgehung nicht auch dann vorliegt, wenn sich zwei beteiligte Rechtsanwälte gegenseitig vertreten. Gemäß § 31 Abs.1 S.4 RVG beläuft sich der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit mindestens auf 5.000 €, im übrigen ist gemäß § 31 Abs.1 S.1 RVG von dem Geschäftswert für die gerichtliche Tätigkeit auszugehen, der sodann nach dem Verhältnis der Anzahl der Anteile des Auftraggebers zu der Gesamtzahl der Anteile aller Antragsteller aufzuteilen ist. Für die Bestimmung der auf den einzelnen Antragsteller entfallenden Anzahl seiner Anteile kommt es auf den jeweiligen Zeitpunkt der Antragstellung an (§ 31 Abs.1 S.2 RVG), ist die Anzahl dieser Anteile nicht bekannt, wird vermutet, dass er nur einen Anteil hält.Randnummer96

Die Festsetzung des Gegenstandswertes für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 6 Abs.2 S.3 SpruchG in Verbindung mit § 74 GNotKG. Festzusetzen war der Mindestwert von 200.000 €.Randnummer97

Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor.

Schlagworte: Abfindungsanspruch, Barabfindung, Spruchverfahren

Veröffentlicht in Thüringer OLG (Jena) | Kommentare geschlossen

Thüringer Oberlandesgericht, Urteil vom 25.08.2021 – 2 U 89/17

Mittwoch, 25. August 2021

§ 826 BGB

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Mühlhausen vom 19.1.2017 – Az.: HK O 40/15 abgeändert und die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, falls nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Entscheidungsgründe

I.

Durch Urteil vom 19.1.2017 hat das Landgericht Mühlhausen der Beklagten unter Androhung von Ordnungsgeld und Ordnungshaft untersagt, ohne Zustimmung der Klägerin mit der im Handelsregister des AG Jena unter HRB 509960 eingetragenen L. GmbH Kaufverträge mit dem Inhalt einer Veräußerung von im Eigentum der Beklagten stehenden Grundstücken an die L. GmbH abzuschließen, so wie durch Abschluss des Kaufvertrages vom 26.3.2014, beurkundet durch den Notar geschehen, solange die Beklagte zur Abführung ihres anteiligen Jahresüberschusses an die Klägerin auf der Grundlage der Beitrittserklärung zur Rangrücktrittsvereinbarung vom 5.10.1992 verpflichtet ist.

Es hat der Beklagten weiter unter Androhung von Ordnungsgeld und Ordnungshaft untersagt, ohne Zustimmung der Klägerin mit der im Handelsregister A. GmbH Kaufverträge mit dem Inhalt einer Veräußerung von im Eigentum der Beklagten stehenden Grundstücken an die A. GmbH abzuschließen, so wie durch Abschluss des Kaufvertrages vom 6.6.2014, beurkundet durch den Notar geschehen, solange die Beklagte zur Abführung ihres anteiligen Jahresüberschusses an die Klägerin auf der Grundlage der Beitrittserklärung zur Rangrücktrittsvereinbarung vom 5.10.1992 verpflichtet ist.

Es hat weiter festgestellt, dass die oben genannten beiden vom Notar beurkundeten Grundstückkaufverträge und die beiden Auflassungen hierzu nichtig sind.

Mit ihrer Berufung wendet sich die Beklagte gegen dieses Urteil.

Beide Parteien sind entstanden im Rahmen der Umwandelung der früheren LPG U. Hierzu wurden in einem ersten Schritt die LPG N und die LPG G zusammengeschlossen und die zusammengeschlossene LPG dann in eine GmbH & Co. KGBitte wählen Sie ein Schlagwort:
GmbH
GmbH & Co. KG
GmbH & Co. KG
KG
umgewandelt. Es sollten 5 neue Betriebsteile entstehen und weitere Unternehmen gegründet werden. Die Klägerin wurde Rechtsnachfolgerin dieser LPG, bei ihr verblieben die Altschulden. Die Beklagte wurde aus den Reihen der ehemaligen LPG-Mitglieder neu gegründet. Die Umwandlung der LPG in die Klägerin und das Umstrukturierungskonzept, welches u.a. die Gründung der Beklagten, an der sich dann interessierte LPG-Mitglieder beteiligen konnten und die Verpachtung/Vermietung der benötigten Ausstattung durch die Klägerin vorsah, war auf einer Versammlung der LPG am 18.6.1991 beschlossen worden. Die Regulierung der Altschulden war zu diesem Zeitpunkt noch offen. Die Gründung der Beklagten erfolgte im Dezember 1991. Die Bank erklärte sich bereit, für die Altschulden eine Rangrücktrittserklärung abzugeben, verlangte hierfür aber Beitrittserklärungen der Beklagten und weiterer neu entstehenden Gesellschaften. Im Rahmen einer solchen Beitrittserklärung vom 05.10.2012 (Anlage K 1) zu der zwischen der Klägerin und der Bank AG unter dem 05.10.1992/23.07.1993 abgeschlossenen Rangrücktrittsvereinbarung hatte sich die damals als GmbH firmierende Beklagte verpflichtet, bis zu 20 % ihres Jahresüberschusses an die Klägerin abzuführen.

Über diese Teilgewinnabführungsverpflichtung besteht zwischen den Parteien seit Jahren Streit, weil die Beklagte die Auffassung vertrat, diese Vereinbarung sei unwirksam, zumindest könne sie die Vereinbarung kündigen. Die ersten Prozesse begannen im Jahre 2010. Aufgrund eines Urteils des Senats vom 16. Mai 2018, welches durch Zurückweisung der Revision durch Urteil des BGH vom 16. Juli 2019 (Az: II ZR 175/18) rechtskräftig geworden ist, steht fest, dass die Teilgewinnabführungsverpflichtung wirksam begründet und nicht wirksam gekündigt worden ist.

Die Beklagte verkaufte vor ihrem am 26.01.2016 in das Handelsregister eingetragenen Formwechsel zur Aktiengesellschaft als GmbH firmierend durch die beiden vorgenannten Grundstückskaufverträge die dort benannten und in ihrem Eigentum stehenden Grundstücke an die L. GmbH sowie die A. GmbH und übereignete diese an die vorgenannten Gesellschaften. Hinsichtlich der einzelnen. Grundstücke wird auf den Inhalt der vorgenannten Grundstückskaufverträge (Anlage K 17 [Grundstückskaufvertrag vom 26.03.2014], Anlage K 21 [Grundstückskaufvertrag vom 06.06.2014]) Bezug genommen. Bei Errichtung der L. GmbH und der A. GmbH waren deren Gesellschafter weitgehend identisch mit den Gesellschaftern der damals noch in der Rechtsform einer GmbH firmierenden Beklagten, die an den vorgenannten Gesellschaften keine Geschäftsanteile hält und auch nicht Begünstigte eines mit diesen Gesellschaften abgeschlossenen Gewinnabführungsvertrages ist.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Grundstückskaufverträge einschließlich der erklärten Auflassungen seien nach § 138 Abs. 1 BGB Sittenwidrig und deshalb nichtig. Durch Abschluss der Verträge versuche sich die Beklagte aus ihrer Teil-Gewinnabführungsverpflichtung zu lösen, aufgrund der die Beklagte verpflichtet sei, Gewinne in Höhe von bis zu 20 % an die Klägerin abzuführen. Bei den Käufern der Grundstücke handele es sich um Parallelgesellschaften zu der Beklagten mit im Wesentlichen gleichen Gesellschafterkreisen wie bei der Beklagten. Durch Übertragung der Grundstücke auf diese Gesellschaften solle die Beklagte nur noch als Holdinggesellschaft fortbestehen, während der landwirtschaftliche Betrieb von den neu gegründeten Gesellschaften ausgeübt werde. Bei diesen fielen daher die Gewinne an, die bislang die Beklagte erwirtschaftet habe. Diese würden daher der Teil-Gewinnabführungsverpflichtung entzogen, was eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung der Klägerin darstelle. Deshalb sei auch der Verkauf der landwirtschaftlichen Grundstücke, die bislang die wesentliche Grundlage für die Geschäftstätigkeit der Beklagten gewesen seien, nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig.

Das Landgericht hat der Klage mit der Begründung stattgegeben, die abgeschlossenen Grundstückskaufverträge stellten eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung der Klägerin dar, so dass die Verträge nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig seien. Die Veräußerung der Grundstücke führe zu einer Beeinträchtigung der Teil-Gewinnabführungsverpflichtung, der die Beklagte gegenüber der Klägerin unterliege. Aufgrund ihrer Leistungstreuepflicht habe die Beklagte alles zu tun, um ihrer vertraglichen Verpflichtung zur Teil-Gewinnabführung nachzukommen und ebenso alles zu unterlassen, was den Vertragszweck oder den Erfolg beeinträchtigen oder gefährden könne. Das gelte unabhängig von der Rechtsform der Beklagten. Wegen der Nichtigkeit der streitgegenständlichen Verträge seien auch die Anträge auf Unterlassung begründet. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.

Durch Urteil vom 6.12.2017 hat der Senat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und hierbei ebenfalls maßgeblich darauf abgestellt, dass die Beklagte an die in der Beitrittserklärung vom 05.10.1992 zur Rangrücktrittsvereinbarung zwischen der Klägerin und der DZ Bank AG enthaltene Verpflichtung zur teilweisen Abführung des Jahresüberschusses an die Klägerin gebunden ist. Die in der Beitrittserklärung vom 05.10.1992 übernommene Verpflichtung sei integraler Bestandteil der damaligen Regelung zur Altschuldenproblematik, die sich gerade deshalb stellte, weil die Beklagte wesentliche wirtschaftliche Werte zur Führung des Unternehmens von der Klägerin übernommen habe und diese ihrerseits gegenüber der Bank AG alleine für die Altschulden der früheren LPG G. hafte. Aus dieser Perspektive sei die von der Beklagten übernommene Verpflichtung zur anteiligen Abführung ihres Jahresüberschusses an die Klägerin integraler Bestandteil der Rangrücktrittsvereinbarung und diene deren Umsetzung, um insbesondere die Belange des Gläubigers der Altschulden zu wahren. Dieser Zielsetzung und vertragsrechtlichen Einbettung der Beitrittserklärung vom 05.10.1992 widerspreche es, wenn diese lediglich formal und isoliert auf die Verpflichtung zur teilweisen Abführung des Jahresüberschusses verengt werde. Deshalb stehe die Abführungspflicht der Beklagten in einem untrennbaren Sachzusammenhang mit ihrem Privileg, dass sie nicht für die Altschulden der früheren LPG G. einstehen müsse.

Der von der Beklagten erhobene Einwand, sie habe für die veräußerten streitgegenständlichen

Grundstücke eine angemessene GegenleistungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
angemessene Gegenleistung
Gegenleistung
erhalten, gehe an dem Kern der Sache vorbei. Durch die Übertragung der Grundstücke auf die von ihren Gesellschaftern errichteten Parallelgesellschaften werde der Beklagten die Basis entzogen, durch die Unterhaltung eines landwirtschaftlichen Betriebes Gewinne zu erzielen und diese an die Klägerin abzuführen, um hierdurch nach Maßgabe des in der Rangrücktrittsvereinbarung festgelegten Procederes die Altschulden der früheren LPG G. zurückzuführen. Aufgrund der von der Beklagten vollzogenen Vermögensübertragungen fielen die aus dem landwirtschaftlichen Betrieb generierten Erträge ausschließlich bei den von den Gesellschaftern der Beklagten vor deren Formwechsel zur AG maßgeblich errichteten Parallelgesellschaften an, ohne dass diese ihrerseits eine Rechtspflicht trifft, die erzielten Jahresüberschüsse an die Beklagte abzuführen.

Der Bundesgerichtshof hat durch Urteil vom 16. Juli 2019 – II ZR 426/17 – das Berufungsurteil aufgehoben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung zurückverwiesen. Das Oberlandesgericht bindend hat der Bundesgerichtshof ausgeführt, allein die Veräußerung von betriebsnotwendigen Vermögens durch eine GmbH, die aufgrund eines Teilgewinnabführungsvertrages verpflichtet sei, 20% ihres Jahresüberschusses abzuführen, an eine Gesellschaft mit im Wesentlichen gleichen Gesellschaftern gegen eine angemessene GegenleistungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
angemessene Gegenleistung
Gegenleistung
begründe nicht ohne weiteres eine den Vorwurf der Sittenwidrigkeit begründende Verletzung der Leistungstreuepflicht. Die Annahme, dass Gewinne zukünftig nur noch von den Käufergesellschaften erwirtschaftet würden, Gründe nicht auf konkrete Tatsachenfeststellungen. Die Verletzung von Pflichten aus der Gewinnabführungsvereinbarung allein begründe nicht ohne weiteres eine den Vorwurf der Sittenwidrigkeit begründende Verletzung der Leistungstreuepflicht. Ausgehend von der Behauptung der Beklagten, dass die Klägerin ungeachtet der Teilgewinnabführung der Beklagten die abgeführten Beträge nicht zur Tilgung der Altschulden eingesetzt habe, hänge die Beurteilung der Sittenwidrigkeit nicht nur von den formalen Regelungen in der Rangrücktrittsvereinbarung über die Pflicht der Klägerin zur Tilgung der Altschulden ab, sondern auch von der Frage, welchen Anteil der Altschulden die Beklagte bei wirtschaftlicher Betrachtung im Hinblick auf die von ihr übernommenen Wirtschaftsgüter zu tragen habe und welchen Anteil sie angesichts der bisherigen Gewinnabführung bereits getragen habe.

Nach Zurückverweisung haben die Parteien zu der Entscheidung des BGH und zum Sachverhalt ergänzend vorgetragen.

Es ist unstreitig, dass der Beklagten von der Klägerin anlässlich der Umstrukturierung kein Eigentum übertragen worden ist. Zwischen Klägerin und Beklagter wurden vielmehr in erheblichem Umfang Unterpachtverträge über landwirtschaftliche Flächen abgeschlossen, welche die Klägerin bzw. eine Betriebsmittel und Immobilien GmbH angepachtet hatte und die zum Teil im Eigentum der Gründungsgesellschafter der Beklagten standen. Die Beklagte beziffert diese Flächen auf 136,9985 ha. Gebäude und bauliche Anlagen (Anlage BB16, Anlagenband III) wurden von der Klägerin an die Beklagte vermietet, auch über den Viehbestand wurde ein Pachtvertrag mit einer Laufzeit vom 1.1.93 – 30.6.2005 abgeschlossen (Anlage BB 22, Anlagenband III). Mobile Technik wurde durch einen weiteren Mietvertrag vom 30.12.1993 überlassen (Anlage BB 24, Anlagenband 111). Daneben haben die Gründer der Berufungsklägerin selbst jeweils entweder ein ha Land als Sacheinlage oder 5.000 DM als Geldeinlage in die Berufungsklägerin eingebracht. Für ein 1994 bei der Deutschen Siedlungs- und Landesrentenbank aufgenommenes Investitionsdarlehen der Berufungsklägerin in Höhe von 2,6 Mio. DM hat die Berufungsbeklagte eine Bürgschaft übernommen, ohne dies in Rechnung zu stellen. Das Darlehen valutierte am 31.12.2013 noch in Höhe von 38.781,36 €.

Welche Partei es zu verantworten hat, dass die Möglichkeit einer günstigen Altschuldenablöse in den Jahren 2005/2006 nicht genutzt worden ist, ist zwischen den Parteien höchststreitig. Mit den vermieteten /verpachteten Mitteln führte die Beklagte den von ihr faktisch übernommenen örtlichen Bereich G. der LPG weiter und erwarb in der Folgezeit das Eigentum an den Grundstücken, welche dann mit den streitgegenständlichen Verträgen vom 26.03.2014 und vom 06.06.2014 weiterveräußert wurden. In den Jahren 1997 – 2018 wurden insgesamt 138.675,75 € auf der Grundlage der Teilgewinnabführungsabrede an die Klägerin abgeführt. Mietzinszahlungen wurden in Höhe von 1.170.643,87 DM = 598.540,71 € von der Beklagten an die Klägerin erbracht (Vortrag Beklagte BI. 995 der Akte). Die Altschulden sind nicht teilweise getilgt worden, sondern vielmehr aufgrund von Zinsverpflichtungen von ehemals 6.081.794,28 € am 1.7.1990 auf 10.265.120,60 € am 31.12.2020 angewachsen.

Die Beklagte behauptet, die Grundstücke nicht unter Wert an die L. GmbH sowie die A. GmbH verkauft zu haben. Sie hätten nicht unter dem Wert der Bodenrichtwerte gelegen. Das von der Klägerin eingeholte Privatgutachten weise erhebliche Mängel auf und sei ein Gefälligkeitsgutachten. Der darin vorgenommen Aufschlag für große Flächen sei unberechtigt. Hierzu wird auf die Ausführungen im Schriftsatz vom 26.2.2021 (BI. 1076 ff der Akten) Bezug genommen.

Die Grundstücke seien sogar zu einem Preis über dem Verkehrswert verkauft worden. Die von der Klägerin herangezogenen Höchstgebote bei BVVG-Verkäufen lägen weit über dem Durchschnitt sonstiger Verkaufspreise und seien durch die Spekulationsabsicht der Erwerber beeinflusst. Zudem handele es sich bei den verkauften Flächen nicht nur um (teures) Ackerland, sondern auch um Grünland sowie landwirtschaftliche Nebenflächen (Wege, Raine, Haine). Die Beklagte habe auch beabsichtigt, die Gegenleistung aus den streitgegenständlichen Verträgen für die Erwirtschaftung von Gewinnen einzusetzen, hierbei habe die Entschuldung durch die Übernahme der Verbindlichkeiten durch die Käufer beitragen sollen. Sie habe auch in den Jahren 2017 – 2019 wieder ein positives Jahresergebnis erzielt. Wegen der näheren Einzelheiten hierzu wird auf den Schriftsatz vom 13.3.2020 (BI. 853 ff der Akten) und vom 24.3.2021 (BI. 1212 ff) Bezug genommen.

Die zwischen den Parteien abgeschlossenen Pachtverträge und Mietverträge seien zu ortsüblichen Konditionen abgeschlossen worden. Gebäude und bauliche Anlagen seien größtenteils in einem baufälligen und desaströsen Zustand gewesen. Sie seien von der Beklagten auf eigene Kosten saniert und in höherwertigem Zustand nach Beendigung der Mietverhältnisse an die Klägerin zurückgegeben worden. Dieser höhere Wert müsse ihr angerechnet werden, nach der Rückgabe hätten diese Gebäude mit einem Wert von ca. 1 Mio. Euro verkauft und der Verkaufspreis für die Rückführung der Altschulden eingesetzt werden können; Der Kredit, für den sich die Klägerin verbürgt habe, sei für die Sanierung von Gebäuden aufgenommen worden. Die Beklagte habe in den sanierten Gebäuden eine Schweinemast betrieben und daraus ein 100- prozentiges Tochterunternehmen der Klägerin mit Mastschweinen beliefert. An der Sanierung dieser Anlage habe die Klägerin wegen dieser Geschäftsbeziehung ein eigenes Interesse gehabt. Die berechnete Avalprovision sei auch unrealistisch hoch, weil der Kredit auch durch Grundschulden und die Abtretung von Milchgeldforderungen gesichert gewesen und deshalb das Haftungsrisiko der Klägerin minimal gewesen sei. Zudem hätten weitere Dritte eine Bürgschaft übernommen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Vortrag der Beklagten im Schriftsatz vom 13.11.2020, S. 23 ff (BI. 971ft der Akte) Bezug genommen.

Die „gepachteten“ Tiere seien in mehreren Verträgen sukzessive von der Beklagten gekauft worden. Die „Pachtzinsen“ seien wirtschaftlich betrachtet die Zinsen für die Stundung der Kaufpreise und insoweit marktgerecht. Insgesamt habe sie als Kaufpreis für Tiere 540.099,86 DM = 276.14,67 € und weitere Pachtzinsen in Höhe von 22.579,36 DM = 11.544,64 € gezahlt, auch hiervon habe die Klägerin nichts für die Altschuldentilgung eingesetzt. Für die angemietete Technik habe die Beklagte mehr gezahlt, als diese wert gewesen sei, an Drittunternehmen habe die Klägerin teilweise günstiger vermietet. Die Pacht für die Unterpacht sei identisch gewesen mit den Beträgen, welche die Klägerin an die Verpächter gezahlt habe. Solche Verträge mit diesen Preisen habe die Klägerin auch mit einem nicht in die Altschuldenregelung einbezogene Fa. Heckert abgeschlossen. Von Vergünstigungen für die Beklagte könne nicht die Rede sein. Die Unterverpachtung in einem Umfang von 861,8 ha durch die aus den Herren W. und F. bestehende GmbH könne sich die Klägerin ohnehin nicht zurechnen lassen. Zusätzlich zu den Pachtzinsen habe die Beklagte auch die Grundsteuern gezahlt. Ab 2007 habe die Beklagte dann eigene Pachtverträge mit den Verpächtern abgeschlossen. Wegen der näheren Einzelheiten ihres Vortrages wird auf den Schriftsatz vom 13.11.2020, (BI. 949 ff. der Akte) Bezug genommen.

Einen Teil der angemieteten Technik und Maschinen habe die Beklagte später von der Klägerin gekauft und den Rest zurückgegeben. Insgesamt seien der Klägerin so Werte in Höhe von 385.858 DM zugeflossen (Schriftsatz vom 13.11.2020 – BI. 998 der Akte).

Sie meint, der Anteil der Beklagten belaufe sich – je nach Szenario auf einen Betrag zwischen 904.016,37 DM und 1.344.129,99 DM. Seit 1993 habe sie insgesamt 5.116.729,75 DM an die Klägerin gezahlt, ohne dass davon ein Cent für die Altschuldentilgung eingesetzt worden sei. Auch habe die Klägerin weitere Gebäude und bauliche Anlagen der ehemaligen LPG verkauft, ohne die Kaufpreise zur Rückführung der Altschulden zu nutzen.

Demgegenüber behauptet die Klägerin, bei Abschluss der Mietverträge über Gebäude und bauliche Anlagen seien keine ortsüblichen Mieten vereinbart worden, maßgebend sei die Neubewertung in der DM-Eröffnungsbilanz und die Restnutzungsdauer, welche bei ihr als AFA anfalle, gewesen. Auch sei die Verpflichtung aus der Teilgewinnabführung von Bedeutung gewesen. Im Jahre 2005 sei dann ein Mietwertgutachten eingeholt und in einem gerichtlichen Verfahren Einigung über die Mietpreishöhe erzielt worden. Im Zeitraum 01/93-12/2019 sei der Berufungsklägerin insoweit ein Vorteil in Höhe von 970.328 € zugeflossen. Die Klägerin habe an Mietzahlungen für bauliche Anlagen und Gebäude im Zeitraum 1/93 -12/20 19.535.392,15 € erhalten. Ausgehend von dem im Jahre 2005 eingeholten Privatgutachten Roth sei der Beklagten durch diese Vermietungen im Zeitraum 1/93- 12/2019 ein vermögenswerter Vorteil von 755.169,85 € zugewandt worden. Die Unterverpachtung der landwirtschaftlichen Flächen sei ohne Aufschlag erfolgt. Unterverpachtet worden seien ca. 1.100 ha Ackerflächen, über die zuvor die LPG oder Dritte Pachtverträge abgeschlossen hätten. Ohne Einbindung der Klägerin hätte die Beklagte nie Pachtflächen erhalten und hätte nie ihren Geschäftsbetrieb aufnehmen können. Der Kredit, für welchen die Klägerin gebürgt habe, sei nicht ausnahmslos für die Sanierung der vermieteten Gebäude aufgenommen worden, sondern die Beklagte habe damit Geräte und Ausrüstung gekauft.

Die Pachtverträge über die Tiere seien für die Beklagte zu günstigen Konditionen abgeschlossen worden. Die Tiere seien zu den damals niedrigen Marktpreisen bewertet worden.

Während der Zeitdauer der Unterverpachtung seien die Pachtzahlungen an die Verpächter weitergeleitet worden. Durch die langfristigen günstigen Verträge sei der Beklagten der Aufbau eines Geschäftsbetriebes auf einer langfristigen sicheren Grundlage ermöglicht worden. Durch die Bürgschaftsübernahme ohne Berechnung von Avalprovisonen sei der Beklagten ein weiterer Vorteil von 166.000 € zugewandt worden. Wegen der weiteren Einzelheiten ihres Vortrages wird auf den Schriftsatz vom 17.8.2020 (BI. 902ff der Akten) Bezug genommen. Eine Tilgung der Altschulden sei ihr nicht möglich gewesen, weil sie keine Gewinne erzielt habe, allein ihre Rechts- und Beratungskosten hätten sich in den Jahren 2007 – 2018 auf 1.229.285,07 € belaufen. Wegen ihres Vortrages zu ihren Ausgaben in den Jahren 1993 – 2019 wird auf den Schriftsatz vom 3.5.2021 (BI. 1236 ff. der Akte) Bezug genommen.

Die Klägerin ist der Auffassung, die Beklagte hätte über die Miet- und Pachtverträge aus dem Vermögen der LPG Wirtschaftsgüter im Wert von 766,2 TEUR und damit 23,5 % des Vermögens übernommen. Ihr seien deshalb Altschulden der LPG in Höhe von 23,5 % und damit in Höhe von 1.435,9 TEUR zuzurechnen, sie habe aber erst 138,7 TEUR gezahlt. Wegen der Einzelheiten ihres diesbezüglichen Vortrages wird auf den Schriftsatz von 18.8.2020 (BI. 920 ff. der Akte) Bezug genommen. Sie habe deshalb Sittenwidrig gehandelt, als sie das zur Bewirtschaftung erforderliche Grundvermögen auf die Betreibergesellschaften übertragen habe, um dort zukünftig die Gewinne zu erwirtschaften und sie der Gewinnabführungsverpflichtung zu entziehen. Sie habe sich der Möglichkeit begeben, selbst mit diesen Flächen hohe Erträge zu erzielen und sich damit der Teilgewinnabführungsverpflichtung entzogen.

Die Sittenwidrigkeit der Grundstücksverträge ergebe sich auch schon daraus, dass die Grundstücke weit unter Wert übertragen worden seien. Gemäß einem eingeholten Privatsachverständigengutachten (Anlage BB 26 Anlagenband III) sei der Verkehrswert viel höher als der Kaufpreis gewesen. Es werde bestritten, dass sich die Beklagte an Berichten der Gutachterausschüsse zum Immobilienmarkt 2021 orientiert hätte, die dort genannten Preise seien zudem zum Zeitpunkt des Verkaufs am 6.6.2014 aufgrund des dynamischen Ansteigens der Preise überholt gewesen. Minderheitsgesellschafter bzw. Minderheitsaktionäre der Beklagten seien dadurch benachteiligt worden, soweit diese nicht an den Parallelgesellschaften mit gleichen Prozentzahlen beteiligt seien.

Hinsichtlich weiterer gegenseitiger Vorwürfe und weiterer Einzelheiten in den Berechnungen der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen

II.

Nach den bindenden Ausführungen im Urteil des Bundesgerichtshofs vom 16.Juli 2019 reicht es für die Bejahung der Sittenwidrigkeit nicht aus, wenn die Veräußerung der Grundstücke und die mit ihr verbundene Umgestaltung der Beklagen von einer Landwirtschaft betreibenden Gesellschaft in eine reine Vermögensverwaltungsgesellschaft zur Umgehung der Verpflichtung aus der Gewinnabführungsabrede erfolgt ist. Ausgehend von der Behauptung der Beklagten, dass die Klägerin die abgeführten Beträge nicht zur Tilgung der Altschulden eingesetzt habe, hänge die Beurteilung der Sittenwidrigkeit auch von der Frage ab, welchen Anteil der Altschulden die Beklagte bei wirtschaftlicher Betrachtung im Hinblick auf die von ihr übernommenen Wirtschaftsgüter zu tragen habe und welcher Anteil angesichts der bisherigen Gewinnabführungen bereits getragen worden sei.

Unter Berücksichtigung dieser bindenden Vorgaben und des ergänzenden Vortrages der Parteien ist eine Sittenwidrigkeit der Verkaufsvorgänge zu verneinen.

Entgegen der klägerischen Auffassung, kann eine Sittenwidrigkeit der Verkäufe nicht bereits daraus hergeleitet werden, dass nach Auffassung der Klägerin bei einem Verkauf an Dritte weit höhere Verkaufspreise hätten erzielt werden können. Ein Sachverständigengutachten zu dieser Behauptung war nicht einzuholen. Eine sittliche Verpflichtung, ihr selbst erwirtschaftetes Eigentum einer Auktion zuzuführen und zu Höchstpreisen an Interessenten zu verkaufen, bestand nicht. Der Verkauf war für die Klägerin nachteilig, weil nunmehr auf diesen Flächen nicht mehr die teilgewinnabführungspflichtige Beklagte selbst die Landwirtschaft betreibt und aus der Bewirtschaftung dieser Flächen und den damit verbundenen staatlichen Zuwendungen Einkünfte erzielt. Dementsprechend hat die Klägerin den Verkauf der Grundstücke deshalb angegriffen, weil dadurch ihre Rechte aus der Teilgewinnabführungsverpflichtung verletzt würden (S. 24 ff. der Klageschrift). Dies allein reicht aber nach der bindenden Entscheidung des BGH nicht aus, um eine Sittenwidrigkeit begründen zu können. Soweit die Klägerin eine Sittenwidrigkeit daraus herleiten will, dass bei den Kaufverträgen Gesellschafter bzw. Aktionäre der Beklagten benachteiligt worden seien, ist dies im Verhältnis Klägerin – Beklagte irrelevant. Die Klägerin hat nicht die Rechte der Gesellschafter/Aktionäre innerhalb der Beklagten zu wahren.

Soweit die Klägerin darauf verweist, dass der Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung davon ausgehe, dass ein wucherähnliches Geschäft vorliege, wenn der Verkehrswert um 90 % unterschritten werde und dies dann den Schluss auf eine verwerfliche Gesinnung des Begünstigten zulasse, verkennt sie, dass diese Rechtsprechung den benachteiligten Vertragspartner schützen soll und deshalb nicht angewendet werden kann, wenn der Verkäufer selbst geschäftserfahren ist und in Kenntnis des heiß umkämpften Marktes für landwirtschaftliche Flächen diese Vertragsgestaltung selbst wählt.

Wesentlich für diese Beurteilung, ob die Beklagte mit den Verkäufen Sittenwidrig gehandelt hat, ist zunächst, dass im weiteren Verlauf des Rechtsstreits klargestellt worden ist, dass der Beklagten bei der Umstrukturierung der LPG überhaupt kein Vermögen zu Eigentum übertragen worden ist, sondern sie nur über Pacht- und Mietverträge ihren Betrieb geführt hat. Sie hat hierfür Mieten und Pachten an die Klägerin gezahlt, die mit den streitgegenständlichen Verträgen weiterveräußerten Grundstücke muss sie somit aus eigenen Mitteln erworben haben. Insoweit ist es auch nicht möglich, aus einem übertragenen Vermögen und dem Gesamtvermögen der LPG einen Anteil zu errechnen, welchen die Beklagte vom LPG-Vermögen erhalten hat und daraus einen prozentualen Anteil an den Altschulden zu ermitteln. Es kann entgegen den Vorstellungen der Klägerin auch nicht einfach darauf abgestellt werden, zu welchen Prozentanteilen der Betrieb der ehemaligen LPG von der neuen Gesellschaft weitergeführt worden ist und dabei zu vernachlässigen, dass sie hierfür neben der Gewinnabführung Gegenleistungen in Form von Miet- und Pachtzahlungen leisten musste.

Die von der Klägerin behaupteten günstigen Konditionen der Pacht-, Unterpachtverträge und Mietverträge stehen einer Eigentumsübertragung nicht gleich. Die Klägerin berücksichtigt nicht, dass es immer vom Einzelfall abhängig ist, zu welchen Konditionen solche Verträge abgeschlossen werden können. Ein Schweinestall etwa, mag er auch noch so wertvoll sein, kann im ländlichen Gebiet nur dann vermietet werden, wenn sich ein Mieter findet, der dort Schweinezucht betreiben will und die geforderte Miete zahlt. Zudem war die Vermietung an die neu gegründete ortsansässige Beklagte bereits Grundlage des von der LPG-Versammlung beschlossenen Konzeptes und kein einseitiges Entgegenkommen der Klägerin. Die Klägerin kann deshalb nicht damit gehört werden, dass das Verhalten der Beklagten schon deshalb Sittenwidrig sei, weil der Beklagten ohne die Mitwirkung der Klägerin bei Abschluss der Verträge die Grundlage für die Aufnahme des Betriebes gefehlt hätte und sie deshalb Sittenwidrig handele, wenn sie vor Tilgung der Altschulden ihr Grundeigentum nicht zur Erzielung von Einkünften aus der Landwirtschaft einsetze. Die Klägerin hat sich seinerzeit bewusst dafür entschieden, den ehemaligen Betriebsteil Großvargula nicht weiterzubetreiben, sondern ihn im Rahmen der Umstrukturierung von einer der aus den Reihen der ehemaligen Gesellschafter bestehenden neu gegründeten Gesellschaft über Pacht- und Mietverträge bewirtschaften zu lassen, in der Folgezeit wurde dann sukzessive von der Beklagten dort Eigentum erworben. Dadurch hat sich die Klägerin der dort bestehenden Chancen begeben, andererseits aber auch sich der damit verbundenen Arbeit und Risiken entledigt.

Das gilt auch für ihre Auffassung , es sei zu berücksichtigen, dass sie seinerzeit das Land auch an Dritte zu höheren Pachtzinsen hätte unterverpachten können und den von ihr bzw. ihres Geschäftsführers Wilk und dem Herrn Frank abgeschlossenen 10 jährigen Pachtverträgen mit den Grundstückseigentümern sei ein hoher finanzieller Wert zuzurechnen, welche der Beklagten bei der Neustrukturierung zugute gekommen sei. Auch das steht einer Übertragung von Vermögen nicht gleich. Aus ihrem Vortrag ergibt sich, dass die Klägerin darauf verzichtet hat, aus der Vermietung und Verpachtung Gewinne zu erzielen, sondern einfach die Pachten 1:1 durchgereicht hat. Die Mieten für die Gebäude wurden entsprechend der Abschreibungen berechnet. Die Fortführung des Geschäftsbetriebes durch die von den Parteien als „ Betreibergesellschaften“ bezeichneten neuen Gesellschaften war Grundlage des ursprünglichen LPG-Beschlusses und an ihnen konnten sich die alten LPG-Mitglieder beteiligen.

Bei einer Gesamtbetrachtung der Verkäufe ist schließlich zu berücksichtigen, dass die Beklagte und die anderen Betreibergesellschaften nicht unerhebliche Gelder an die Beklagte gezahlt haben, die ebenso wie die Mietzahlungen für Gebäude und Technik und Veräußerungserlöse aus dem Verkauf ehemaligen LPG-Vermögens nicht in die Rückführung der Altschulden geflossen sind. Es wurde von der Klägerin lediglich die jährliche Verwaltungspauschale gezahlt. Weiter ist zu berücksichtigen, dass durch die vertraglichen Gestaltungen auch seinerzeit nicht sichergestellt worden ist, dass die Zahlungen aus den Teilgewinnabführungsverträgen der von den Parteien als „Betreibergesellschaften“ genannten Gesellschaften zur Tilgung von Altschulden eingesetzt werden. Es ist auch keine Obergrenze vereinbart worden, bis zu welchem Betrag sie sich an den Altschulden beteiligen sollen. Die Klägerin, die zwischenzeitlich auch wieder im landwirtschaftlichen Bereich tätig ist, ist gegenüber der Bank nicht zur Tilgung von Altschulden verpflichtet, solange sie Jahresfehlbeträge erwirtschaftet. Auf die Geschäftsführung der Klägerin und die Verwendung der abgeführten Gelder im Betrieb der Klägerin hat die Beklagte keinerlei Einfluss. Auch die Teilgewinnabführungen der anderen Gesellschaften und die Verwendung dieser Gelder im Betrieb der Klägerin kann sie nicht beeinflussen. Unter Berücksichtigung all dieser Umstände ist die Veräußerung der Grundstücke zwar ein Vertragsverstoß gegen die Gewinnabführungsverpflichtung, dem aber wegen der oben genannten Umstände nicht die Qualität einer sittenwidrigen Handlung zukommt. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Klägerin es verschuldet hat, dass sie keine Gewinne erzielt hat oder ob sie die Zahlungen zur Altschuldentilgung hätte einsetzen können.

Die Kosten des Rechtsstreits – einschließlich der Kosten der Revision – hat gemäß § 91 ZPO die Klägerin zu tragen.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht, weil maßgebliche Fragen durch die-Entscheidung des BGH vom 16. Juli 2019 geklärt wurden.

Löffler I www.K1.de I www.gesellschaftsrechtskanzlei.com I Gesellschaftsrecht I Haftung wegen sittenwidriger Schädigung I Erfurt I Thüringen I Sachsen I Sachsen-Anhalt I Hessen I Deutschland 2022

Schlagworte: BGB § 826, Haftung nach § 826 BGB, Haftung wegen sittenwidriger Schädigung gemäß § 826 BGB, Sittenwidrigkeit

Veröffentlicht in Thüringer OLG (Jena) | Kommentare geschlossen

Thüringer OLG, Beschluss vom 10.08.2021 – 1 OLG 121 SsRs 30/21

Dienstag, 10. August 2021

Das Thüringer Oberlandesgericht hatte sich mit einer Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft Erfurt gegen das Urteil des Amtsgerichts Weimar vom 11.01.2021 (6 OWi 523 Js 202518/20) zu befassen.

Wegen des Vorwurfs, er habe sich am 24.04.2020 gegen 22.30 Uhr im Hof eines Anwesens in Weimar mit mindestens sechs weiteren Personen aufgehalten, von denen mehr als eine haushaltsfremd gewesen sei, verhängte die Stadt Weimar gegen den Betroffenen mit Bußgeldbescheid vom 28.10. 2020 eine Geldbuße von 200 EUR. Mit seinem Verhalten habe der Betroffene gegen § 3 Abs. 1 der 3. ThürSARS-CoV-2-EindmaßnVO verstoßen, der nach § 14 Abs. 3 Nr. 3 dieser Verordnung bußgeldbewehrt ist. § 3 Abs. 1 der 3. ThürSARS-CoV-2-EindmaßnVO vom 23.04.2020 sah u.a. vor, dass Zusammenkünfte mit mehr als zwei Personen, die nicht demselben Haushalt angehören, verboten sind, wenn mehr als eine haushaltsfremde Person hinzukommt. 

In der aufgrund des Einspruchs des Betroffenen anberaumten Hauptverhandlung vom 11.02.2021 stellte das Amtsgericht Weimar fest, dass der Betroffene gegen dieses Verbot verstoßen habe. Mit Urteil vom selben Tag sprach das Amtsgericht den Betroffenen gleichwohl aus Rechtsgründen frei, weil die anzuwendende 3. ThürSARS-CoV-2-EindmaßnVO aus formellen Gründen verfassungswidrig sei, da diese von der gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage in § 28 Infektionsschutzgesetz nicht gedeckt sei. Diese Norm genüge nicht den Anforderungen des Parlamentsvorbehalts. Das allgemeine Kontakt- bzw. Ansammlungsverbot sei darüber hinaus auch aus materiellen Gründen verfassungswidrig, weil es die durch das Grundgesetz geschützte Menschenwürde verletzte und unverhältnismäßig sei.

Mit Beschluss vom 10.08.2021 hat das Thüringer Oberlandesgericht die gegen dieses Urteil von der Staatsanwaltschaft Erfurt eingelegte Rechtsbeschwerde verworfen.

Zur Begründung führt das Oberlandesgericht aus, dass die 3. ThürSARS-CoV-2-EindmaßnVO aus formellen Gründen nichtig sei, weil sie nicht vom formell ordnungsgemäß ermächtigten Verordnungsgeber erlassen worden sei, und bezieht sich dabei auf das Urteil des Thüringer Verfassungsgerichtshofs vom 01.03.2021 (Az.: VerfGH 18/20).  Eine Verordnungskompetenz des Thüringer Ministeriums für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Familie habe daher nicht bestanden.

Der 1. Senat für Bußgeldsachen weist aber in dem Beschluss ausdrücklich darauf hin, dass er hinsichtlich der Aufenthaltsbeschränkung nach § 3 Abs. 1 der  3. ThürSARS-CoV-2-EindmaßnVO den Parlamentsvorbehalt durch § 28 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 Infektionsschutzgesetz in der zum Tatzeitpunkt geltenden Fassung gewahrt sieht. Darüber hinaus schließt sich der Senat der Rechtsprechung des Thüringer Verfassungsgerichtshofs an, der in dem bereits erwähnten Urteil festgestellt hat, dass die Regelungen zum Mindestabstand und zur Kontaktbeschränkung weder gegen das Rechtsstaatsprinzip noch gegen die in der Thüringer Verfassung geregelten Grundrechte verstoßen.

Schlagworte: Corona, COVID-19-Pandemie, Covid19, Kontaktverbot

Veröffentlicht in Thüringer OLG (Jena) | Kommentare geschlossen

Thüringer OLG, Beschluss vom 27.05.2021 – 2 W 172/21

Dienstag, 27. Juli 2021

§ 45 Abs 1 GenG, § 45 Abs 3 GenG

1. Lädt der Vorstand einer eingetragenen Genossenschaft auf das Verlangen einer Minderheit der Mitglieder zu einer Präsenzversammlung ein und wählt nicht – wie von diesen Mitgliedern gewünscht – das schriftliche Umlaufverfahren, führte dies nicht zu einer schuldhaften Verzögerung der Einladung, denn für die Wahl der Versammlungsart durch den Vorstand ist maßgeblich, auf welchem Wege dem Einberufungsverlangen unverzüglich rechtssicher genügt werden kann.

2. Zwar können nach §§ 3 Abs. 1, 7 Abs. 3 des Gesetzes zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht (im Folgenden: COVMG) Beschlüsse der Mitglieder im Jahre 2021 abweichend von § 43 Abs. 7 GenG auch dann schriftlich oder elektronisch gefasst werden, wenn dies in der Satzung der Genossenschaft nicht ausdrücklich zugelassen ist, bleibt aber mangels einer diesbezüglichen Satzungsregelung offen, wie den Teilnahmerechten der Genossen im schriftlichen Umlaufverfahren zu genügen ist, ist es nicht schuldhaft, wenn der Vorstand nicht das schriftliche Umlaufverfahren wählt.

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde der Beschwerdeführerin wird der Beschluss des Amtsgerichts Jena vom 03.05.2021, Az. (Fall 20) aufgehoben.

2. Von der Erhebung der Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren wird abgesehen; außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

3. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

4. Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000.- Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Der Beschwerdeführerin gehören nach den Feststellungen des Amtsgerichtes 357 Mitglieder an. Die Satzung liegt vor (Blatt 177 – 198 der Registerakte).

Mit Schreiben vom 01.12.2020 (Blatt 199 – 214 der Akte) beantragte das Mitglied der Beschwerdeführerin, Frau E., im eigenen Namen und im Auftrag weiterer ca. 90 Mitglieder die Einberufung einer außerordentlichen Generalversammlung mit den Tagesordnungspunkten: Beschluss über die Besetzung des Aufsichtsrates mit 5 Mitgliedern; Neubesetzung der Mitglieder des Aufsichtsrates Frau M. und Frau B., Abberufung der Mitglieder des Aufsichtsrates Herr W., Herr B., Frau W., Herr W.; Einberufung einer weiteren außerordentlichen Generalversammlung zur Neubesetzung der abgewählten Mitglieder des Aufsichtsrates.

Mit dem am 09.12.2020 übergebenen weiteren Schreiben (Blatt 200 der Akte) bekräftigte Frau E. den Antrag vom 01.12.2020 und erklärte, einen Beschluss zur Einberufung der Generalversammlung noch am 09.12.2020 zu erwarten.

Mit Schreiben vom 04.02.2021 (Blatt 215 der Akte) begehrte Herr N. Auskunft zum Verlangen nach Durchführung einer Generalversammlung. Aus diesem Schreiben ergibt sich zudem, dass einem Rundschreiben vom 19.02.2021 zu entnehmen war, dass die Durchführung einer außerordentlichen Generalversammlung von Vorstand und Aufsichtsrat beschlossen wurde. Mit dem Antwortschreiben vom 09.02.2021 (Blatt 216 der Akte) erklärte die Beschwerdeführerin, dass Entscheidungen über Personalfragen oder Satzungsänderungen nicht im schriftlichen Umlaufverfahren gefasst werden könnten und kündigte die Einladung zu einer Präsenzveranstaltung an.

Am 04.03.2021 ging der Antrag von 36 Mitgliedern der Beschwerdeführerin auf Ermächtigung zur Einberufung einer außerordentlichen Generalversammlung mit den Beschlussgegenständen der Festsetzung einer Mindestzahl von 5 Aufsichtsratsmitgliedern und der Wahl der Nachfolger zweier Mitglieder des Aufsichtsrates beim Amtsgericht ein (Blatt 166 – 219 der Akte).

Mit Schreiben vom 08.04.2021 (Blatt 247 – 253 der Akte) lud die Beschwerdeführerin zu einer außerordentlichen Generalversammlung am 02.06.2021 ein.

Mit Beschluss vom 03.05.2021, der Beschwerdeführerin am 04.05.2021 zugestellt, ermächtigte das Amtsgericht die Antragsteller, eine Mitgliederversammlung der Genossenschaft unter Bekanntgabe der Tagesordnungspunkte: Festsetzung einer Mindestzahl von 5 Aufsichtsratsmitgliedern und Wahl zur Neubesetzung der Aufsichtsratsmitglieder M. und B. einzuberufen (Blatt 282 – 285 der Akte).

Mit Schreiben vom 05.05.2021 (Blatt 297 – 304 der Akte) beriefen die Antragsteller eine Generalversammlung im schriftlichen Verfahren ein.

Am 07.05.2021 ging die Beschwerde bei Gericht ein (Blatt 287 der Akte).

Mit Schreiben vom 12.05.2021 (Blatt 305 – 311 der Akte) erklärte die Beschwerdeführerin, aus organisatorischen Gründen den Termin für die außerordentliche Generalversammlung auf den 01.06.2021 ändern zu müssen und lud für diesen Tag zur Generalversammlung ein.

Das Amtsgericht half der Beschwerde nicht ab.

II.

Die gemäß §§ 58 Abs. 1 iVm 375 Nr. 7 FamFG statthafte sowie auch im Übrigen in zulässiger Weise eingelegte Beschwerde ist begründet. Die Voraussetzungen für die Ermächtigung der Antragsteller zur Einberufung nach § 45 Abs. 3 GenG liegen nicht vor.

1.

Die Beschwerde ist zulässig.

Es handelt sich vorliegend um ein unternehmensrechtliches Verfahren, § 375 Nr. 7 FamFG iVm 45 Abs. 3 GenG, so dass die Bestimmungen des FamFG Anwendung finden. Die angegriffene Entscheidung des Amtsgerichtes ist eine Endentscheidung im Sinne des § 58 Abs. FamFG. Die Beschwerdeführerin ist beschwerdebefugt, § 59 Abs. 1 FamFG, weil die Erteilung der gerichtlichen Ermächtigung unmittelbar in die materielle Rechtsstellung der Genossenschaft eingreift, indem ihre Verfassung zeitweise suspendiert wird und anstelle des satzungsmäßigen Einberufungsorgans die vom Gericht ermächtigte Minderheit tritt (KG, Beschluss vom 19. Mai 1998 – 1 W 5678/97 –, Rn. 14, juris). Die Beschwerde wurde form- und fristgerecht eingelegt.

2.

Die Beschwerde ist begründet. Die Voraussetzungen für die Ermächtigung der Antragsteller nach § 45 Abs. 3 GenG liegen nicht vor, weil die Beschwerdeführerin dem Einberufungsverlangen entsprach.

a)

Nach § 45 Abs. 3 GenG kann das Gericht auf deren Antrag Mitglieder, die erfolglos ein Verlangen auf Einberufung einer Generalversammlung gestellt hatten, zur Einberufung der Generalversammlung ermächtigen.Randnummer17

Mit den 36 Antragstellern hat eine ausreichende Zahl von Mitgliedern der Beschwerdeführerin den Antrag auf Ermächtigung bei Gericht gestellt (§ 45 Abs. 3 Satz 1, Abs. 1 Satz 1 GenG, § 31 Abs. 3 der Satzung). Mit den ca. 90 Mitgliedern hatte zuvor eine ausreichende Anzahl bei dem nach §§ 25 Abs. 1, 44 Abs. 1 GenG, § 31 Abs. 1 Satz 2 der Satzung für die Einberufung zuständigen Vorstand die Einberufung einer Generalversammlung verlangt. Das Verlangen wurde in Textform gestellt, unter Anführung des Zwecks und der Gründe. Die Beschwerdeführerin hat auch nicht eingewandt, dass die an das Einberufungsverlangen zu stellenden formalen Anforderungen nicht gewahrt worden seien.

b)

Dem Einberufungsverlangen wurde entsprochen (§ 45 Abs. 3 Satz 1 GenG), da die Beschwerdeführerin ohne schuldhaftes Zögern eine Generalversammlung einberief.

aa)

Nach § 45 Abs. 1 Satz 1 GenG muss die Generalversammlung auf ein zulässiges Einberufungsverlangen einer ausreichenden Zahl von Genossenschaftsmitgliedern unverzüglich einberufen werden. Die Definition des Begriffes „unverzüglich“ findet sich in § 121 Abs. 1 BGB; die dort enthaltene Legaldefinition gilt für das gesamte Privatrecht (Palandt-Ellenberger, BGB, 80. A., § 121 BGB, Rn. 3), also auch bei der Anwendung des § 45 GenG (Lang/Weidmüller, GenG, 39. A., § 45 GenG, Rn. 3). „Unverzüglich“ bedeutet somit „ohne schuldhaftes Zögern“. Dem Einberufungsverlangen wird daher dann nicht entsprochen, wenn die Einberufung der Generalversammlung schuldhaft verzögert wird. Eine förmliche Ablehnung des Einberufungsverlangens ist hingegen nicht Voraussetzung für die gerichtliche ErmächtigungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Ermächtigung
gerichtliche Ermächtigung
(Müller, GenG, 2. A., § 45 GenG, Rn. 16; Pöhlmann u.a. – Fandrich, GenG, 4. A., § 45 GenG, Rn. 2, 10).

bb)

Die Einberufung musste daher innerhalb der nach den Umständen des Einzelfalles zu bemessenden Prüfungs- und Überlegungsfrist erfolgen (Palandt-Ellenberger, aaO, § 121 BGB, Rn. 3). Diesen Anforderungen genügte die Beschwerdeführerin vorliegend unter den besonderen Bedingungen der Corona-Pandemie.

(1)

Das Einberufungsverlangen wurde mit Schreiben vom 01.12.2020 erhoben (Blatt 199 der Akte) und mit Schreiben vom 09.12.2020 bekräftigt (Blatt 200 der Akte), so dass bis zum Eingang des Antrages auf gerichtliche ErmächtigungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Ermächtigung
gerichtliche Ermächtigung
bei Gericht am 04.03.2021 (Blatt 166 der Akte) 3 Monate und bis zur Fertigung der Einladung vom 08.04.2021 (Blatt 247ff. der Akte) 4 Monate vergangen waren. Die formale Prüfung des Einberufungsverlangens benötigte nicht mehr als das Lesen des Textes, die Prüfung von Quorum und Begründung des Verlangens sowie die Prüfung der Frage, ob die Generalversammlung für die im Einberufungsverlangen geltend gemachten Gründe der Einberufung zuständig ist (Henssler/Strohn-Geibel, Gesellschaftsrecht, 5. A. § 45 GenG, Rn. 3). Die Zweckmäßigkeit des Verlangens hatte der Vorstand nicht zu prüfen (Beuthien, GenG, 16. A., § 45 GenG, Rn. 4; Müller, aaO, § 45 GenG, Rn. 19a; Pöhlmann u.a. – Fandrich, aaO, § 45 GenG, Rn. 11). Dies stand daher der Einberufung in der regelmäßig als angemessen anzusehenden Frist von ein bis zwei Tagen (Henssler/Strohn-Geibel, aaO, § 45 GenG, Rn. 3) nicht entgegen.

(2)

Es führte aber nicht zu einer schuldhaften Verzögerung der Einladung, dass der Vorstand nicht – wie es die Beschwerdegegner taten – das schriftliche Umlaufverfahren wählte, sondern zu einer Präsenzversammlung einlud.Randnummer23

§ 45 GenG dient dem Minderheitenschutz (Henssler/Strohn-Geibel, aaO, § 45 GenG, Rn. 1) und da der Vorstand die Zweckmäßigkeit des Verlangens nicht zu prüfen hat, muss die Handlung des Vorstandes darauf gerichtet sein, dem Willen der das Verlangen stellenden Genossenschaftsmitglieder im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten zu entsprechen. Es kommt daher nicht darauf an, ob der Vorstand die Abhaltung einer Präsenzveranstaltung angesichts des Zweckes und der Gründe des Einberufungsverlangens für vorzugswürdig erachtet. Es ist vielmehr maßgeblich, auf welchem Wege dem Einberufungsverlangen unverzüglich rechtssicher genügt werden kann. Dies erforderte aber nicht, dem Einberufungsverlangen durch die Wahl des schriftlichen Beschlussverfahrens – im Umlauf – zu entsprechen.Randnummer24

Das Genossenschaftsgesetz geht vom Konzept einer Präsenzveranstaltung aus, in der die Mitglieder ihre Rechte ausüben, wozu neben dem Stimmrecht insbesondere auch das Anwesenheitsrecht, das Rederecht, das Auskunftsrecht und das Antragsrecht gehört (Thume, WM 2020, 1053, 1054).Randnummer25

Nach § 43 Abs. 7 GenG kann die Satzung zulassen, dass Beschlüsse der Mitglieder schriftlich oder in elektronischer Form gefasst werden. Die Satzung der Beschwerdeführerin enthält keine Regelung zur Beschlussfassung im Umlaufverfahren. Nach §§ 3 Abs. 1, 7 Abs. 3 des Gesetzes zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht in der Fassung durch das Gesetz zur weiteren Verkürzung der Restschuldbefreiungsverfahren und zur Anpassung pandemiebedingter Vorschriften im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins- und Stiftungsrecht sowie im Miet- und Pachtrecht (im Folgenden zur Vereinfachung: COVMG) können Beschlüsse der Mitglieder auch im Jahre 2021 abweichend von § 43 Abs. 7 GenG auch dann schriftlich oder elektronisch gefasst werden, wenn dies in der Satzung nicht ausdrücklich zugelassen ist. Es kann offen bleiben, ob schon § 43 Abs. 7 GenG präsenzlose Versammlungen zulässt. Denn jedenfalls auf der Grundlage von § 3 Abs. 1 COVMG können nach dem Sinn und Zweck des Gesetzes Generalversammlungen auch virtuell abgehalten werden (Henssler/Strohn-Geibel, aaO, § 43 GenG, Rn. 6a; Thume, WM 2020, 1053, 1056).Randnummer26

Von der virtuellen Abhaltung einer Generalversammlung ist aber die Beschlussfassung im schriftlichen Umlaufverfahren ohne Abhaltung einer Versammlung zu unterscheiden. § 3 Abs. 1 COVMG sieht zwar die schriftliche Beschlussfassung vor, enthält aber keine Regelung zur Frage der Beschlussfassung im schriftlichen Umlaufverfahren ohne Durchführung einer – virtuellen – Generalversammlung. Die Ermöglichung von Beschlussfassungen außerhalb von Versammlungen – im schriftlichen Umlaufverfahren – lässt sich dem Wortlaut des § 3 Abs. 1 COVMG daher nicht entnehmen. Die Zulässigkeit des schriftlichen Umlaufverfahrens ist schon auf der Grundlage des § 43 Abs. 7 GenG bei Existenz einer dies näher ausgestaltenden Satzungsregelung streitig (vgl. Klein ZIP 2016, 1155, 1157; andererseits Beuthien-Schöpflin, GenG, 16. A., § 43 GenG, Rn. 30). Es bleibt mangels einer diesbezüglichen Regelung auch offen, wie den Teilnahmerechten der Genossen im schriftlichen Umlaufverfahren zu genügen ist. Dies stellt schon im Rahmen einer Satzungsregelung ein Problem der Regelungstiefe dar (Lang/Weidmüller, aaO, § 43 GenG, Rn. 114j) und bleibt auf der Grundlage des COVMG vollkommen offen. Zudem besteht die Gefahr des Verlustes des Rechtes zur Erhebung einer Anfechtungsklage mangels Erhebung eines Widerspruches (Lang/Weidmüller, aaO, § 43 GenG, Rn. 114a). Es ist des Weiteren festzustellen, dass § 3 Abs. 1 COVMG im Gegensatz zu § 2 COVMG iVm § 48 Abs. 2 GmbHG und § 5 Abs. 2, Abs. 3 COVMG keine ergänzenden Regelungen enthält, die darauf schließen lassen, dass der Gesetzgeber die Ermöglichung des schriftlichen Umlaufverfahrens in seinen Regelungswillen aufnahm. Es lässt sich der gesetzlichen Regelung daher nicht entnehmen, dass schriftliche Beschlussfassungen im Umlaufverfahren ermöglicht werden sollen (hierzu: Thume, WM 2020, 1053, 1059).Randnummer27

Es ist daher nicht schuldhaft, dass die Beschwerdeführerin nicht das schriftliche Umlaufverfahren wählte, sondern auf die Abhaltung einer Präsenzversammlung abstellte. Im Gegensatz zu dem nicht näher ausgestalteten Umlaufverfahren bietet die Präsenzveranstaltung eine hinreichende Sicherheit dafür, dass die Teilnahmerechte der Mitglieder gewahrt und ausgeübt werden können. Es ist auch nichts dafür ersichtlich, dass die Beschwerdeführerin die hinreichenden technischen Möglichkeiten für die Abhaltung einer virtuellen Generalversammlung besitzt. Zudem ist im Rahmen der Entscheidung über die Wahl der Versammlungsweise auch zu berücksichtigen, dass die Teilnahmerechte im Falle einer virtuellen Versammlung nur dann gewahrt werden können, wenn die Mitglieder auch die erforderlichen technischen Möglichkeiten innehaben, was ebenfalls den Vorzug einer Präsenzveranstaltung begründen kann. In diesem Zusammenhang wird auch beachtlich, dass die Tagesordnungspunkte, die nunmehr nach dem Willen der Antragsteller zum Gegenstand des Umlaufverfahrens gemacht werden sollen, keine besondere Dringlichkeit aufweisen. Denn nach § 23 Abs. 1 Satz 1 der Satzung besteht der Aufsichtsrat aus mindestens 3 Mitgliedern, so dass auch eine größere Mitgliederzahl zulässig ist. Da der Aufsichtsrat derzeit aus 6 Mitgliedern besteht, kommt der Erhöhung der Mindestzahl auf 5 Mitglieder keine Dringlichkeit zu. Auch die Wahl zweier Aufsichtsratsmitglieder ist deswegen nicht besonders dringlich, weil nach § 3 Abs. 5 COVMG ein Mitglied des Aufsichtsrates auch nach dem Ablauf seiner Amtszeit bis zur Bestellung eines Nachfolgers im Amt bleibt.

(3)

Es ist nicht festzustellen, dass die zeitliche Verzögerung bis zur vorliegenden Einladung auf einem schuldhaften Verhalten des Vorstandes beruht. Ausweislich der Darstellung in der Einladung vom 08.04.2021, der die Beschwerdegegner nicht entgegengetreten sind, wurde zunächst versucht, am 24.03.2021 bzw am 13.04.2021 eine Präsenzversammlung zu organisieren. Die Abhaltung von Präsenzveranstaltungen wurde zwischenzeitlich durch die Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie unmöglich gemacht; dass besondere Schwierigkeiten bestanden, ergibt sich auch aus dem von den Beschwerdegegnern vorgelegten Schreiben der Stadtverwaltung … vom 12.03.2021 (Blatt 223 der Akte).

cc)

Die Einberufung zur Präsenzversammlung weist keine derartigen Mängel auf, dass sie als Nichteinberufung anzusehen wäre.Randnummer30

Die Versammlung wurde erkennbar durch den Vorstand einberufen. Mangels einer abweichenden Satzungsregelung ist für den Versammlungsort der Sitz der Genossenschaft maßgeblich (Henssler/Strohn-Geibel, aaO, § 43 GenG, Rn. 6), an dem die Versammlung auch stattfinden soll. Die Sicherung der Mitgliedschafts- und Teilnahmerechte hat durch die Ausgestaltung der Versammlung vor Ort zu erfolgen und ist nicht schon Gegenstand der Einberufung.

3.

Da hiermit die Beschwerdeentscheidung vorliegt, scheidet eine einstweilige Anordnung nach § 64 Abs. 3 FamFG aus; sie ist auch nicht erforderlich, weil die Ermächtigung zur Einberufung der Versammlung aufgehoben ist und damit das Umlaufverfahren nicht fortgeführt werden darf.

4.

Die Kostenentscheidung beruht in Bezug auf die Nichterhebung der Gerichtskosten auf § 81 Abs. 1 Satz 2 FamFG.Randnummer33

Im Übrigen entspricht es billigem Ermessen, dass eine Erstattung außergerichtlicher Kosten nicht stattfindet, die Beteiligten mithin ihre jeweiligen außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen haben (§ 81 Abs. 1 Satz 1 FamFG). Zwar ist das Maß des Obsiegens oder Unterliegens vornehmlich in echten Streitverfahren ein Gesichtspunkt, der in die Ermessensentscheidung nach § 81 Abs. 1 Satz 1 FamFG eingestellt werden kann (BGH, Beschluss vom 19. Februar 2014 – XII ZB 15/13 –, Rn. 16, juris). Dem Sinn und Zweck des § 81 Abs. 1 FamFG unter Berücksichtigung von Wortlaut, Systematik und Entstehungsgeschichte entspricht es aber, wenn das Gericht in seine Ermessensentscheidung sämtliche in Betracht kommenden Umstände einbezieht. Hierzu zählen neben dem Maß des Obsiegens und Unterliegens etwa die Art der Verfahrensführung, die verschuldete oder unverschuldete Unkenntnis der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse (BGH, Beschluss vom 18. November 2015 – IV ZB 35/15 –, Rn. 16, juris). Dabei geht § 81 FamFG nicht von einem Regel-Ausnahme-Verhältnis aus (OLG München, Beschluss vom 30. April 2012 – 31 Wx 68/12 –, Rn. 8, juris). Im Rahmen der Billigkeit ist vorliegend zu berücksichtigen, dass es sich um das von Treuepflichten beherrschte Verhältnis innerhalb einer Genossenschaft geht und die Beschwerdegegner auf der Grundlage des § 45 Abs. 3 GenG ein Recht ausgeübt haben, das auf der Grundlage einer intensiven Abwägung der rechtlichen Gegebenheiten zu beurteilen war.

5.

Die Rechtsbeschwerde ist nicht zuzulassen, weil es sich um die Entscheidung eines Einzelfalles auf der Grundlage der besonderen Umstände des vorliegenden Sachverhaltes handelt und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichtes erfordert, § 70 Abs. 2 FamFG.Randnummer35

Die Festsetzung des Gegenstandswertes für das Beschwerdeverfahren beruht mangels genügender Anhaltspunkte für eine abweichende Bestimmung auf § 36 Abs. 3 GNotKG.

Löffler I www.K1.de I www.gesellschaftsrechtskanzlei.com I Gesellschaftsrecht I Präsenzveranstaltung I Erfurt I Thüringen I Sachsen I Sachsen-Anhalt I Hessen I Deutschland 2022

Schlagworte: Generalversammlung, Genossenschaft, Präsenzveranstaltung, Umlaufverfahren

Veröffentlicht in Thüringer OLG (Jena) | Kommentare geschlossen

Thüringer Oberlandesgericht, Beschluss vom 21. Juli 2021 – 2 W 244/21

Mittwoch, 21. Juli 2021

§ 9c GmbHG, § 54 GmbHG, § 57a GmbHG – Änderung des Geschäftsjahres

1. Eine Änderung des Geschäftsjahres der GmbH durch satzungsändernde Beschlussfassung ist grundsätzlich zulässig, auch unter Bildung eines Rumpfgeschäftsjahres, wenn es hierfür einen sachlichen Grund gibt.

2. Die rückwirkende Änderung eines Geschäftsjahres – also die Änderung des abgelaufenen Geschäftsjahres nach dessen Ablauf – ist aber unzulässig. Die Bildung eines Rumpfgeschäftsjahres ist nur dann zulässig, wenn die Eintragung der entsprechenden Satzungsänderung vor dem Ablauf des durch die Änderung gebildeten Rumpfgeschäftsjahrs erfolgt.

3. Geht die Anmeldung der Satzungsänderung über die Änderung des Geschäftsjahres während des neu zu bildenden Rumpfgeschäftsjahres beim Registergericht ein und kann die Eintragung auch noch während des neu zu bildenden Rumpfgeschäftsjahres erfolgen, wird keine Rückwirkung entfaltet und besteht auch keine Manipulationsgefahr. Durch die Einsichtnahme in das Handelsregister kann der Rechtsverkehr feststellen, wann die Satzungsänderung durch deren Eintragung wirksam wurde, wenn sich aus dem Wortlaut der geänderten Satzung ergibt, dass die Änderung des Geschäftsjahres ohne Rückwirkung erfolgt, da der Zeitpunkt der Umstellung auf das neue Geschäftsjahr nicht genannt wird.

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde der Beschwerdeführerin zu 1 wird der Beschluss des Amtsgerichts Jena vom 19.03.2021, Az. HR… aufgehoben. Das Amtsgericht wird angewiesen, die mit Anmeldung vom 13.08.2020 (UR-Nr. … des Notars Dr. S…) zur Eintragung angemeldete Tatsache betreffend die Änderung der Satzung in § 4 (Geschäftsjahr) in das Handelsregister einzutragen.

2. Die sofortige Beschwerde des Beschwerdeführers zu 2 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Jena vom 19.03.2021, Az. HR…, wird als unzulässig verworfen.

3. Von der Erhebung der Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren wird abgesehen; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

4. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Das Geschäftsjahr der Beschwerdeführerin zu 1 war zunächst das Kalenderjahr. Am 13.01.2021 wurde beim Amtsgericht Jena – Registergericht – durch den Geschäftsführer der Beschwerdeführerin zu 1 angemeldet, dass die Satzung in § 4 (Geschäftsjahr) geändert bzw. neu gefasst wurde (UR-Nr. … des Notars S…; Sonderband Beschwerdeverfahren). Beigefügt war das Protokoll der Gesellschafterversammlung vom 13.08.2020, in der der Beschluss gefasst wurde, § 4 der Satzung dahingehend zu ändern und neu zu fassen, dass das Geschäftsjahr am 01.10. eines jeden Jahres beginnt und am 30.09. des Folgejahres endet. Ebenfalls beigefügt war die Satzung mit dem geänderten Wortlaut (Blatt 162 – 170 der Registerakte).Randnummer2

Das Amtsgericht – Registergericht – wies darauf hin, dass unzulässigerweise offen gelassen werde, welchen Zeitraum das Rumpfgeschäftsjahr umfassen solle. Die rückwirkende Änderung eines Geschäftsjahrs sei unzulässig.Randnummer3

Mit Beschluss vom 19.03.2021 (Blatt 158 RS der Registerakte) wies das Registergericht die Anmeldung zurück.Randnummer4

Gegen diesen, dem Verfahrensbevollmächtigten der Beschwerdeführerin zu 1 am 24.03.2021 zugestellten Beschluss richten sich die Beschwerden, die der Verfahrensbevollmächtigte der Beschwerdeführerin zu 1 für diese und zugleich im eigenen Namen eingelegt hat. Mit der Beschwerde wird vorgetragen, es gehe nicht um eine Rückwirkung der Satzungsänderung. Die Umstellung werde mit der Eintragung der Satzungsänderung im Handelsregister wirksam. Beschlossen worden sei ein vom Kalenderjahr abweichendes Geschäftsjahr ab dem Datum der Eintragung der Satzungsänderung. Der Rechtsverkehr könne durch Einsichtnahme in das Handelsregister unschwer feststellen, wann die Satzungsänderung eingetragen und damit wirksam wurde. Im Übrigen beziehe sich das Prüfungsrecht des Registergerichtes nicht auf den angemeldeten Sachverhalt, da keiner der in § 9c Abs. 2 GmbHG genannten Tatbestände einschlägig sei.Randnummer5

Das Registergericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

II.

Die Beschwerde der Beschwerdeführerin zu 1 ist zulässig und begründet. Die Beschwerde des Beschwerdeführers zu 2 ist hingegen unzulässig.

1.

Der Verfahrensbevollmächtigte der Beschwerdeführerin zu 1 hat die Beschwerde ausdrücklich im Namen der Beschwerdeführerin zu 1 und auch im eigenen Namen eingelegt.Randnummer8

Die Beschwerde der Beschwerdeführerin zu 1 ist zulässig, da diese als Antragstellerin durch die Zurückweisung der Anmeldung in ihren Rechten verletzt sein kann, § 59 Abs. 1, Abs. 2 FamFG. Da das Geschäftsjahr in der Satzung der Beschwerdeführerin zu 1 verankert war, enthält die Änderung des Geschäftsjahres eine Satzungsänderung (Baumbach/Hueck – Zöllner/Noack, GmbHG, 22. A., § 53 GmbHG, Rn. 27; Priester/Tebben in: Scholz, GmbHG, 12. A., § 53 GmbHG, Rn. 139; Münchener Kommentar zum GmbHG – Harbarth, 3. A., § 53 GmbHG, Rn. 246), deren Änderung nach § 54 Abs. 1 GmbHG zur Eintragung in das HandelsregisterBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Eintragung
Eintragung in das Handelsregister
Handelsregister
anzumelden ist. Die Anmeldung erfolgt durch die Geschäftsführung für die Gesellschaft, welche durch deren Zurückweisung beschwert wird (Baumbach/Hueck – Zöllner/Noack, aaO, § 54 GmbHG, Rn. 27; BGH, Beschluss vom 24. Oktober 1988 – II ZB 7/88 -, Rn. 13, 14, juris).Randnummer9

Die durch den Verfahrensbevollmächtigten im eigenen Namen eingelegte Beschwerde ist hingegen als unzulässig zu verwerfen, weil der Verfahrensbevollmächtigte nicht unmittelbar in seinen Rechten beeinträchtigt sein kann, §§ 68 Abs. 2, 59 Abs. 1, Abs. 2 FamFG. Die Einlegung der Beschwerde im eigenen Namen setzt eine Rechtsbeeinträchtigung in der Person des Notars voraus (Keidel – Meyer-Holz, FamFG, 20. A, § 59 FamFG, Rn. 22, 24) an welcher es im Falle der Anmeldung der Satzungsänderung durch die Geschäftsführung für die Gesellschaft fehlt (Keidel – Meyer-Holz, aaO, § 59 FamFG, Rn. 66; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 08. März 2019 – 3 Wx 207/18 -, Rn. 8, juris).

2.

Die Beschwerde der Beschwerdeführerin zu 1 ist begründet.

a)

Im Hinblick auf Satzungsänderungen ergibt sich aus dem Rechtsgedanken der §§ 9c, 57a GmbHG, dass auch nicht unter § 57a GmbHG fallende Satzungsänderungen der registergerichtlichen Prüfung unterliegen. Dem Prüfungsrecht entspricht insoweit eine Prüfungspflicht, die sich aus dem Wortlaut von § 9c Abs. 1 GmbHG ergibt (Münchener Kommentar zum GmbHG – Harbarth, aaO, § 54 GmbHG, Rn. 60).Randnummer12

Das Registergericht hat die Pflicht, darüber zu wachen, dass Eintragungen im Handelsregister den gesetzlichen Erfordernissen und der tatsächlichen Rechtslage entsprechen. Eine Pflicht zur Amtsermittlung nach §§ 26, 382 FamFG besteht, wenn entweder die formalen Mindestanforderungen für eine Eintragung nicht erfüllt sind oder wenn begründete Zweifel an der Wirksamkeit der zur Eintragung angemeldeten Erklärungen oder an der Richtigkeit der mitgeteilten Tatsachen bestehen (BGH, Beschluss vom 21. Juni 2011 – II ZB 15/10 -, Rn. 10, juris). Im Falle einer Satzungsänderung gehört dazu die Prüfung, ob die Änderung nach den vorzulegenden Dokumenten ordnungsgemäß zu Stande gekommen ist (Krafka/Kühn, Registerrecht, 10. A., Rn. 156 – 158, 1025). Dabei hat eine Eintragung zu unterbleiben, wenn der vorgelegte Beschluss unwirksam oder nichtig ist (OLG Frankfurt, Beschluss vom 06. November 2008 – 20 W 385/08 -, Rn. 15, juris; vgl. a. OLG Stuttgart, Beschluss vom 25. Oktober 2011 – 8 W 387/11 -, Rn. 12, juris; OLG München, Beschluss vom 14. Juni 2012 – 31 Wx 192/12 -, Rn. 7, juris; KG, Beschluss vom 20. März 2012 – 25 W 99/11 -, Rn. 14, juris). Insoweit ist zu prüfen, ob die für Dritte bedeutsamen Satzungsbestimmungen offensichtliche Unklarheiten oder Unrichtigkeiten enthalten. Aus dem Zweck der Registerpublizität des Gesellschaftsvertrages folgt nämlich die Verpflichtung des Registerrichters, dafür zu sorgen, dass eine Irreführung des Rechtsverkehrs vermieden wird (Münchener Kommentar zum GmbHG – Harbarth, aaO, § 54 GmbHG, Rn. 66). Bei der Prüfung einer Änderung des Gesellschaftsvertrags ist das Registergericht nicht an die Beschränkungen des § 9 c Abs. 2 GmbHG gebunden (Krafka, Registerrecht, 11. A., Rn. 1031; KG, Beschluss vom 18. Oktober 2005 – 1 W 27/05 -. Rn. 5, juris).

b)

In dem hier zur Entscheidung stehenden Fall begegnet die angemeldete Satzungsänderung – Änderung des Geschäftsjahres – keinen Bedenken; weder liegt eine unzulässige Rückwirkung vor noch führt die Eintragung zu Unklarheiten, die den Rechtsverkehr irreführen könnten.

aa)

Der Begriff des „Geschäftsjahres“ wird gesetzlich zwar verwendet, für die Festlegung des Geschäftsjahres enthalten das GmbHG und das HGB aber – mit Ausnahme des § 240 Abs. 2 Satz 2 HGB – keine Vorgaben (vgl. Staub – Pöschke, HGB, 5. A., § 240 HGB, Rn. 35, 38). Eine Änderung durch satzungsändernde Beschlussfassung ist grundsätzlich zulässig, auch unter Bildung eines Rumpfgeschäftsjahres, wenn es hierfür einen sachlichen Grund gibt (Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts – Sailer-Coceani, aaO, 3. Kap., § 9, Rn. 3, 4), wozu eine sachlich veranlasste Umstellung des Geschäftsjahres gehört (Baumbach/Hopt – Merkt, HGB, 38. A., § 240 HGB, Rn. 6).Randnummer15

Die Zulässigkeit der Umstellung des bereits satzungsmäßig festgelegten Geschäftsjahres unterliegt dennoch Einschränkungen. Die rückwirkende Änderung eines Geschäftsjahres – also die Änderung des abgelaufenen Geschäftsjahres nach dessen Ablauf (Schüpper/Schaub – Sickinger, Münchener Anwaltshandbuch Aktienrecht, 3. A., § 29, Rn. 30) – ist unzulässig (Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts – Sailer-Coceani, aaO, 3. Kap., § 9, Rn. 3; Staub – Pöschke, aaO, § 240 HGB, Rn. 38). Die Bildung eines Rumpfgeschäftsjahres ist nur dann zulässig, wenn die Eintragung der entsprechenden Satzungsänderung vor dem Ablauf des durch die Änderung gebildeten Rumpfgeschäftsjahrs erfolgt (Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts – Sailer-Coceani, aaO, 3. Kap., § 9, Rn. 3; Lutter/Hommelhoff – Bayer, GmbHG, 19. A., § 53 GmbHG, Rn. 45). Aus § 240 Abs. 2 Satz 2 HGB ergibt sich für jedes Geschäftsjahr eine Höchstdauer von 12 Monaten. Der Zeitraum von zwölf Monaten ist zwingend und darf unter keinen Umständen überschritten werden (Staub – Pöschke, aaO, § 240 HGB, Rn. 36).Randnummer16

Diese Grundsätze haben eine gläubigerschützende und im öffentlichen Interesse gegebene Funktion, so dass § 241 Nr. 3 AktG entsprechend anzuwenden ist. Die Festlegung des Geschäftsjahres hat Bedeutung für die steuerliche Gewinnermittlung (Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts – Sailer-Coceani, aaO, 3. Kap., § 9, Rn. 5). Wenn das Geschäftsjahr (steuerrechtlich: Wirtschaftsjahr) vom Kalenderjahr abweicht, gilt der Gewinn als in dem Kalenderjahr bezogen, in dem das Geschäftsjahr endet (Henssler/Strohn – Strohn, aaO, § 29 GmbHG, Rn. 10). Die gesetzliche Anordnung, dass eine Änderung des Geschäftsjahrs in Form einer Satzungsänderung nur mit der Eintragung ex nunc wirksam werden kann, soll der Gefahr vorbeugen, dass die Zeitpunkte, zu denen Jahresabschlüsse zu erstellen sind, durch manipulative Eintragungen beliebig verändert werden können und so durch Ausschüttung von künstlich erzeugten Gewinnen die Kapitalerhaltungsvorschriften verletzt werden (BGH, Beschluss vom 14. Oktober 2014 – II ZB 20/13 -, Rn. 17, juris). Durch eine rückwirkende Änderung des Geschäftsjahres können Gläubigerinteressen direkt betroffen sein und würde die Ausschüttung von Scheingewinnen ermöglicht (Scholz – Priester, GmbHG, 12. A., § 53 GmbHG, Rn. 187). Es ist daher aus Gründen des Gläubigerschutzes erforderlich, dass die Änderung des Geschäftsjahres noch innerhalb des betreffenden Jahres eingetragen wird. Betreffendes Jahr ist dabei das durch die Satzungsänderung entstehende Rumpfgeschäftsjahr; würde man stattdessen lediglich die Anmeldung zum Handelsregister im betreffenden Geschäftsjahr verlangen, könnten durch die Bildung eines Rumpfgeschäftsjahres die Kapitalerhaltungsvorschriften überspielt werden (Lutter/Hommelhoff – Bayer, aaO, § 53 GmbHG, Rn. 45).Randnummer17

Für die Eintragungen in das Handelsregister gilt der Grundsatz der Registerwahrheit (BGH, Beschluss vom 14. Oktober 2014 – II ZB 20/13 -, Rn. 13, 14, juris), an dem ein erhebliches öffentliches Interesse besteht (Oberlandesgericht des Landes Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 10. November 1999 – 7 Wx 7/99 -, Rn. 15, juris) und der Registerklarheit. Für die Anmeldung als Grundlage der Eintragung verlangt die Sicherheit des Rechtsverkehrs einen klaren und bestimmten Inhalt. Die Anmeldung muss die eintragungsfähige Tatsache eindeutig und vollständig bezeichnen (Krafka, Registerrecht, 11. A., Rn. 76).

bb)

Diese Anforderungen werden hier gewahrt. Die Satzungsänderung wird gemäß § 54 Abs. 3 GmbHG erst mit der Eintragung in das HandelsregisterBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Eintragung
Eintragung in das Handelsregister
Handelsregister
wirksam. Die angemeldete Satzungsänderung enthält, gerade weil der Zeitpunkt der Umstellung auf das neue Geschäftsjahr nicht genannt wird, keine Rückwirkung; im Falle der Eintragung vor dem 30.09.2021 wird die Umstellung mit dem 01.10.2021 wirksam und vom 01.01.2021 bis zum 30.09.2021 ein Rumpfgeschäftsjahr gebildet. Da die Anmeldung am 13.01.2021 einging und die Eintragung nach wie vor noch vor dem 30.09.2021 – und damit während des neu zu bildenden Rumpfgeschäftsjahres – erfolgen kann, wird keine Rückwirkung entfaltet und besteht auch keine Manipulationsgefahr. Durch die Einsichtnahme in das Handelsregister kann der Rechtsverkehr feststellen, wann die Satzungsänderung durch deren Eintragung wirksam wurde und aus dem Wortlaut der geänderten Satzung ergibt sich, dass die Änderung des Geschäftsjahres ohne Rückwirkung erfolgt. Damit ist auch klar, dass – die Eintragung der angemeldeten Tatsache vor dem 30.09.2021 vorausgesetzt – die Änderung des Geschäftsjahres zum 01.10.2021 wirksam ist. Hierin liegt der Unterschied zu der Fallgestaltung, welche der Entscheidung des Senates vom 03.07.2019 zu Grunde lag (Az. 2 W 183/21) Denn in jenem Fall wäre nach dem zeitlichen Ablauf im Falle der Eintragung offen geblieben, wie das Rumpfgeschäftsjahr zeitlich liegt.

2.

Da keine sonstigen Eintragungshindernisse durch das Registergericht benannt oder sonst ersichtlich geworden sind, hat der Senat in der Sache selbst entschieden, § 69 Abs. 1 Satz 1 FamFG, und das Registergericht angewiesen, die Eintragung vorzunehmen.Randnummer20

Die Nichterhebung der Gerichtskosten beruht auf § 81 Abs. 1 Satz 2 FamFG; die Einlegung der Beschwerde auch durch den Beschwerdeführer zu 2 hat keine besonderen Kosten verursacht. Eine Rechtsgrundlage für die Erstattung außergerichtlicher Kosten ist nicht gegeben.Randnummer21

Die Rechtsbeschwerde ist nicht zuzulassen, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat, noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichtes erfordert, § 70 Abs. 2 Satz 1 FamFG.

Löffler I www.K1.de I www.gesellschaftsrechtskanzlei.com I Gesellschaftsrecht I Gesellschafterversammlung I Erfurt I Thüringen I Sachsen I Sachsen-Anhalt I Hessen I Deutschland 2022

Schlagworte: Änderung Geschäftsjahr, Geschäftsjahr, Gesellschafterversammlung, Grundsatz der Registerklarheit

Veröffentlicht in Thüringer OLG (Jena) | Kommentare geschlossen