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OLG München, Urteil vom 20. Dezember 2001 – U (K) 4429/01

Dringlichkeitsschädliches Zuwarten

§ 935 ZPO, § 940 ZPO, § 25 UWG

1. Ein Zuwarten von Seiten des Antragstellers kann nur dann als dringlichkeitsschädlich angesehen werden, wenn er von den anspruchsbegründenden Umständen (Verletzungshandlung, Verletzer) positive Kenntnis hat. Etwas anderes gilt nur dann, wenn er Kenntnis von Umständen erlangt hat, die die Möglichkeit einer Verletzung nahe legen und es ihm ohne erheblichen Aufwand möglich ist, noch vorhandene Unsicherheiten zu beseitigen. In diesem Fall muss von ihm erwartet werden, dass er sich zur Unterbindung der Verletzungshandlung die erforderliche Kenntnis verschafft und nicht tatenlos zuwartet, bis sich die ihm aufdrängende Vermutung mehr oder weniger zufällig zu einem erheblich späteren Zeitpunkt bestätigt. Die Kenntnis von Umständen, aus denen auf eine (Erst-) Begehungsgefahr geschlossen werden kann, sind einer positiven Kenntnis von einer begangenen Verletzungshandlung nicht ohne weiteres gleichzustellen (Bestätigung der Rechtsprechung des OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG München
).

2. Die Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist um 2 Wochen, die zudem nicht voll ausgeschöpft wird, kann nicht als dringlichkeitsschädlich angesehen werden, wenn die Monatsfrist zur Berufungseinlegung nicht ausgeschöpft wurde und deshalb die Berufungsbegründung vor Ablauf einer Frist von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils bei Gericht eingeht.

Tenor

1. Die Berufung der Antragstellerin gegen das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 25.7.2001 — 3 O 4502/01 — wird zurückgewiesen.

2. Die Antragstellerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Tatbestand

Die Antragstellerin, ein Unternehmen der Elektroindustrie, nimmt die Antragsgegnerin, ein regional (Oberpfalz, Niederbayern und Teilen von Oberbayern) tätiges Stromversorgungsunternehmen (Versorgungsgebiet von ca. 21.000 km², 700.000 Kunden), auf Unterlassung in Anspruch mit der Behauptung, sie diskriminiere, behindere bzw. boykottiere die Antragstellerin beim Vertrieb eines Produktes.Randnummer2

Die Antragstellerin vertreibt u.a. einen spannungsabhängigen selektiven Haupt-Leitungsschutzschalter — SHA-Schalter nach der Definition des Normentwurfs VDE 0643:2000-09 (Norm 643) — unter der Bezeichnung SLS-Schalter, der eine Bemessungsstoßspannungsfestigkeit von 6 kV aufweist. Der Schalter wird von der AEG hergestellt und von dieser und der Antragstellerin vertrieben.Randnummer3

Daneben sind spannungsunabhängige Haupt-Leitungsschutzschalter — SHU-Schalter nach der Definition des Normentwurfs E DIN VDE 0645:2000-08 (Norm 645) — auf dem Markt, die eine Bemessungsstoßspannungsfestigkeit von 8 kV (gekennzeichnet mit x) aufweisen. Schalter dieses Typs werden von der Fa. ABB hergestellt und von dieser unter der Bezeichnung S 700 sowie von weiteren Unternehmen unter eigenen Marken vertrieben.Randnummer4

Im Frühjahr 2001 gab der Verband der Bayerischen Elektrizitätswirtschaft e.V. (VBEW), in dem die Antragsgegnerin Mitglied ist, ein neues „Merkblatt für Zählerschränke“ (Ausgabe 03/2001, Bestandteil von Anlage AS 12) heraus, von dem die Antragstellerin am 11.4.2001 Kenntnis erlangte. In dessen Abschnitt 5. Ausrüstung (5.1 Unter Anschlussraum) wird ausgeführt:Randnummer5

Entsprechend der TAB 2000 werden selektive Haupt-Leitungsschutzschalter (SH-Schalter) nach den geltenden Normen je Zähler eingebaut. Da SH-Schalter als Trennvorrichtung für die Kundenanlage verwendet werden (früher: Hausanschlusssicherung als Trennvorrichtung) sind diese für eine Stoßüberspannung von 8 kV (gekennzeichnet mit x) ausgelegt.Randnummer6

Bei der darin genannten TAB 2000 handelt es sich um die Technischen Anschlussbedingungen für den Anschluss an das Niederspannungsnetz auf der Grundlage von §§ 17, 12 AVBEltV. Abschnitt 7.4 der TAB 2000 (Trennvorrichtung vor dem Zähler) lautet:Randnummer7

(1) Hausanschlußsicherungen dürfen nicht als Trennvorrichtung für die Kundenanlage verwendet werden.Randnummer8

(2) Im unteren Anschlußraum werden für jedes Zählerfeld sperr- und plombierbare, selektive Hauptleitungsschutzschalter (SH-Schalter) mit einem Nennstrom von mindestens 63 A eingesetzt alsRandnummer9

— Trennvorrichtung für die Inbetriebsetzung der Kundenanlage,Randnummer10

— Freischalteinrichtung für die Zähl-, Meß- und Steuereinrichtungen sowie für die Kundenanlage,Randnummer11

— Zentrale Überstromschutzeinrichtung für die Kundenanlage undRandnummer12

— Überstrom-Schutzeinrichtung für die Meßeinrichtungen und die Leitungen zum Stromkreisverteiler.Randnummer13

Die Antragstellerin beanstandet die Angaben in dem Merkblatt als grob falsch und irreführend. SH-Schalter, die als Trennvorrichtung für die Kundenanlage verwendet würden, seien nicht für eine Stoßüberspannung von 8 kV (gekennzeichnet mit x) ausgelegt. Sowohl Norm 643 als auch Norm 645 legten eine Bemessungsstoßspannungsfestigkeit von 6 kV fest, wie sich jeweils aus deren Abschnitt 4.3.1.3 (Anlagen AS 2 und 3)Randnummer14

„Normwert der Bemessungsstoßspannungsfestigkeit ist: 6 kV“Randnummer15

ergebe. Beide Normen legten fest, dass SH-Schalter Trenneigenschaften haben müssten. Dafür würden Schalter nach beiden Normen im Neuzustand mit 9,8 kV auf Meereshöhe geprüft, was in 2000 m Höhe einer Stoßspannungsfestigkeit von 8 kV entspreche (Anlage AS 4, Tabelle 3 a). Ihr SLS-Schalter erfülle diese Voraussetzungen und verfüge somit über die notwendigen Trenneigenschaften, um als Trennvorrichtung für die Kundenanlagen verwendet werden zu können. In dem beanstandeten Merkblatt werde die Norm 643, Abschnitt 3.7.1 (Klassifikation)Randnummer16

3.7 Nach dem Wert der Stoßspannungsfestigkeit nach BeanspruchungRandnummer17

3.7.1 8 kV (2000 m) für SHA-Schalter mit Kennzeichnung xRandnummer18

bewußt missdeutet. Aus der unterschiedlichen Klassifizierung nach Abschnitt 1.1 der Norm 643 hinsichtlich der Stoßspannungsfestigkeit in zwei GerätetypenRandnummer19

— Stoßüberspannung 8 kV (gekennzeichnet mit x)Randnummer20

— Stoßüberspannung 6 kV (keine diesbezügliche Kennzeichnung)Randnummer21

folge nicht, dass nur solche Geräte Trenneigenschaft besäßen, die den zusätzlichen Test „nach Beanspruchung“ bestanden hätten. Das international definierte Zeichen für die Trenneigenschaft sei nicht das x, sondern ein Schaltzeichen (Anlagen AS 9 — 11). Die Beanspruchungsprüfung sei zudem keineswegs der Nachweis für eine höhere Sicherheit, vielmehr hätten von ihr durchgeführte Tests das Gegenteil ergeben. Beanspruchungstests nach Norm 643 seien ihrer Einschätzung nach problematisch, deshalb sei davon abgesehen worden, ihren SLS-Schalter mit einem x zu versehen.Randnummer22

Am 3.5.2001 beantragte die Antragstellerin beim Landgericht München I den Erlass einer einstweiligen Verfügung (Anlage AS 12) gegen den VBEW, worauf diesem mit einstweiliger Verfügung vom 4.5.2001 (7 O 8024/01; Anlage AS 14), zugestellt am 7.5.2001, verboten wurde, zu behaupten, selektive Haupt-Leitungsschutzschalter seien, da sie als Trennvorrichtung für die Kundenanlage verwendet würden, für eine Stoßüberspannung von 8 kV (gekennzeichnet mit x) ausgelegt.Randnummer23

In vorliegendem Verfahren wendet sich die Antragstellerin gegen den Vertrieb der CD-ROM „Handbuch Technische Anschlussbedingungen — TAB“ des VBEW, die auch das fragliche Merkblatt enthält, zusammen mit der nachfolgend in Kopie wiedergegebenen „Information zur CD-ROM …“, datierend vom 16.5.2001 (Anlage AS 17):Randnummer24

OBAGRandnummer25

Ein Unternehmen von

e.onRandnummer26

Information zur CD-ROM „Handbuch Technische Anschlußbedingungen — TABRandnummer27

Selektiver HauptleitungsschutzschalterRandnummer28

Das VBEW-Merkblatt für Zählerschränke enthält in Abschnitt 5.1, 8. Absatz folgenden Text:Randnummer29

„Entsprechend der TAB 2000 werden selektive Haupt-Leitungsschutzschalter (SH-Schalter) nach den geltenden Normen je Zähler eingebaut. Da SH-Schalter als Trennvorrichtung für die Kundenanlage verwendet werden (früher: Hausanschlusssicherung als Trennvorrichtung) sind diese für eine Stoßüberspannung von 8 kV (gekennzeichnet mit x) ausgelegt.“Randnummer30

Dem VBEW wurde mittlerweile mit einer einstweiligen Verfügung untersagt, in jeglicher Form (CD-ROM, Internet, Merkblatt etc.) zu behaupten,Randnummer31

„selektive Haupt-Leitungsschutzschalter seien, da sie als Trennvorrichtung für die Kundenanlage verwendet würden, für eine Stoßüberspannung von 8 kV (gekennzeichnet mit x) ausgelegt.“Randnummer32

Der VBEW prüft derzeit seine rechtlichen Möglichkeiten und wird wohl gegen diese einstweilige Verfügung vorgehen.Randnummer33

Aus Sicht des Netzbetreibers ist hierzu folgende Anmerkung veranlasst:Randnummer34

Die Empfehlung des VBEW geht über die Mindestforderung der DIN VDE 0643 für spannungsabhängige SH-Schalter (SHA-Schalter) hinaus. Danach sind hinsichtlich der Stoßspannungsfestigkeit nach Beanspruchung bzw. Stoßüberspannung folgende Gerätetypen festgelegt:Randnummer35

8 kV (gekennzeichnet mit x)Randnummer36

6 kV (keine diesbezügliche Kennzeichnung).Randnummer37

In DIN VDE 0645 für spannungsunabhängige SH Schalter (SHU-Schalter) ist diese Typunterscheidung nicht enthalten, hier sind alleine Geräte mitRandnummer38

8 kV (gekennzeichnet mit x)Randnummer39

festgelegt.Randnummer40

Der Netzbetreiber kann jedoch nicht sicherstellen, dass die Stoßüberspannungen die im Netz auftreten bzw. die bei Kabelfehlerortungen an den SH-Schaltern als Trennvorrichtung anliegen, den Wert von 6 kV nicht überschreiten.Randnummer41

Regensburg, 16.05.2001Randnummer42

Die Antragstellerin sieht in der Verbreitung der CD-ROM, von der sie am 21.5.2001 Kenntnis erhalten habe, eine Diskriminierung durch die Antragsgegnerin in deren Versorgungsgebiet. Die Antragsgegnerin mache sich die Ausführungen im Merkblatt zu eigen. Die Antragsgegnerin werbe durch bewusste Irreführung der Händler und Installateure unverhohlen für SHU-Schalter. Die „Empfehlungen“ stellten eine Diskriminierung dar. Energieversorgungsunternehmen seien gemäß § 10 Abs. 1 i.V.m. § 16 EnWG verpflichtet, jedermann an ihr Versorgungsnetz anzuschließen, wenn die allgemein anerkannten Regeln der Technik beachtet seien. Deren Einhaltung werde vermutet, wenn die technischen Regeln des VDE eingehalten seien, was hinsichtlich ihres Schalters in Bezug auf die Norm 643 der Fall sei. Gleichzeitig sei das Verhalten der Antragsgegnerin als Behinderung zu qualifizieren. Sie vertreibe ihren Schalter seit Jahren bundesweit, ohne dass es bisher zu Beanstandungen gekommen sei. Ihr Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vom 25.5.2001 ging am 28.5.2001 beim Landgericht Regensburg ein. Mit Beschluss vom selben Tage wurde das Verfahren an das Landgericht Nürnberg-Fürth (Eingang 30.5.2001) verwiesen.Randnummer43

Die Antragstellerin hat beantragt,Randnummer44

der Antragsgegnerin wird bei Meidung näher bezeichneter Ordnungsmittel untersagt,Randnummer45

— schriftlich, in elektronischer Form — etwa auf der Internet-Homepage der Antragsgegnerin oder auf CD-ROM –, mündlich — etwa auf Schulungsveranstaltungen — oder in sonstiger Weise — etwa durch Verteilung CD-ROM „Handbuch Technische Anschlußbedingungen — TAB“ des Verbandes der Bayerischen Elektrizitätswirtschaft e.V. (VBEW) — wörtlich oder sinngemäß zu behaupten, selektive Haupt-Leitungsschutzschalter seien, da sie als Trennvorrichtung für die Kundenanlage verwendet würden, für eine Stoßüberspannung von 8 kV (gekennzeichnet mit „x“) ausgelegt;Randnummer46

— den Einsatz von mit „x“ gekennzeichneten selektiven Haupt-Leitungsschutzschalter zu empfehlen.Randnummer47

Die Antragsgegnerin hat beantragt,Randnummer48

den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.Randnummer49

Sie hat geltend gemacht, es fehle bereits an der erforderlichen Dringlichkeit, da die Antragstellerin bereits am 11.4.2001 von dem Merkblatt gewusst und zudem seit dem 30.4.2001 im Besitz der CD-ROM gewesen sei.Randnummer50

Die Antragsgegnerin habe den Installateuren empfohlen, Schutzschalter mit höherem Sicherheitsniveau einzubauen, um die Kundenanlagen vor transienten Überspannungen (Blitzschlag etc.) besser zu schützen. Die Empfehlung sei herstellerneutral. Welcher Gerätetyp eingesetzt werde, wirke sich auf die Kosten der Privatkunden nicht aus. Dem Merkblatt komme nicht der Charakter einer verbindlichen Anweisung zu. Es gehe, um eine möglichst sichere und kostengünstige Errichtung von Kundenanlagen zu fördern, auch in anderen Bereichen über die Festlegungen der TAB 2000 hinaus; es seien auch die „ermächtigenden“ — da als Grundlage für den Konformitätsnachweis geeignet — Normen 643 und 645 berücksichtig worden. Anders als die Norm 643 (in 3.7.1 und 3.7.2) finde bei der Norm 645 keine Differenzierung in verschiedene Gerätetypen statt. Obwohl von den bayerischen Vertretern in den einschlägigen Gremien darauf hingewiesen worden sei, dass die Kabelfehlerortung mit einer Stoßspannung von 6 kV und höher durchgeführt werde, sei auf Wunsch der Antragstellerin auch der Wert von 6 kV in die Norm 643 aufgenommen worden. Der Vortrag der Antragstellerin zu den beiden Schaltertypen sei unvollständig, da sich die geforderte Prüfspannung deutlich unterscheide nämlich von 9,8 — 8 kV gegenüber 7,4 — 6 kV. Dass der Schalter der Antragstellerin den Test für die geforderte Prüfspannung nach Beanspruchung bestanden habe, werde bestritten. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin gebe es auch keine Veranlassung, die in den Normen beschriebene Prüfungsmethode anzuzweifeln. In dem Informationsblatt werde auf die Sach- und Rechtslage zutreffend hingewiesen. Auch die nicht mit x gekennzeichneten Schalter müssten nach der Norm 643 eine Prüfung nach Belastung bestehen. Für die Empfehlung eines Schalters mit höherem Schutzniveau liege auch ein sachlicher Grund.Randnummer51

Das Landgericht hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung mit Urteil vom 25.7.2001 zurückgewiesen. Da die Antragstellerin nicht davon habe ausgehen können, dass einzelne Mitglieder ebenfalls das Merkblatt vertreiben würden, sei die Dringlichkeit gegeben, nachdem sie von der Verteilung des CD-ROM erst am 21.5.2001 Kenntnis erlangt habe. Ein missbrauch i.S. von § 19 Abs. 1, Abs. 4 Nr. 1 bzw. eine Behinderung i.S. von § 20 Abs. 1 GWB sei jedoch nicht gegeben.Randnummer52

Eine Behauptung, wie sie mit dem ersten Antrag beanstandet werde, habe die Antragsgegnerin nicht aufgestellt. Dass der beanstandete Text auf der CD-ROM enthalten sei, sei nicht maßgeblich, da die „Information …“ zu berücksichtigen sei. Die Antragsgegnerin habe sich somit den Inhalt der CD-ROM nicht zu eigen gemacht. Auch für eine Begehungsgefahr habe die Antragstellerin nichts vorgetragen. Im übrigen sei es unstreitig, dass der Netzbetreiber nicht sicherstellen könne, dass keine Stoßüberspannungen von mehr als 6 kV aufträten. Soweit geltend gemacht werde, dass das durch die Empfehlung geförderte Konkurrenzprodukt den dadurch geweckten Erwartungen nicht gerecht werde, könne die Empfehlung eines sichereren Schalters nicht deswegen als unzulässig angesehen werden, weil ein bestimmtes Produkt den Normen nicht genüge. Selbst wenn man berücksichtige, dass es sich bei dem SHU-Schalter um das einzige Konkurrenzprodukt handele, habe die beweisbelastete Antragstellerin nicht hinreichend dargetan, dass dieser die Norm tatsächlich nicht erfülle.Randnummer53

Gegen das ihr am 1.8.2001 zugestellte Urteil hat die Antragstellerin am 8.8.2001 Berufung beim OLG NürnbergBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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eingelegt, das die Berufungsschrift formlos an das OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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übersandt hat, wo sie am 17.8.2001 einging. Mit Schriftsatz vom 13.8.2001 machten sich die anwaltlichen Vertreter der Antragstellerin die Berufung zum OLG NürnbergBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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zu eigen. Nachdem ihrem Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist vom 10.9.2001 bis zum 24.9.2001 stattgegeben worden war, ging die Berufungsbegründung am 20.9.2001 ein.Randnummer54

Die Antragstellerin macht geltend, das Landgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass das Informationsblatt den Aussagegehalt des auf der CD-ROM enthaltenen Merkblatts maßgeblich beeinflusse. Dies treffe schon deshalb nicht zu, weil keinesfalls sichergestellt sei, dass der Inhalt der CD-ROM immer zusammen mit dem „Informationsblatt“ zur Kenntnis genommen werde. Durch das Informationsblatt würden die einschlägigen Fachkreise auch nicht objektiv informiert, vielmehr mache sich die Antragsgegnerin das Merkblatt sehr wohl zu eigen, da der darin enthaltene sachliche Fehler nicht korrigiert werde.Randnummer55

Dem Landgericht könne auch nicht gefolgt werden, dass die Empfehlung des einzigen Konkurrenzprodukts der Antragstellerin nicht gegen §§ 19, 20 GWB verstoße. Dabei habe das Landgericht in mehrfacher Hinsicht einen fehlerhaften Sachverhalt zugrunde gelegt. Insbesondere sei es unzutreffend, dass der Netzbetreiber bei der Kabelfehlerortung nicht sicherstellen könne, dass Stoßüberspannungen den Wert von 6 kV nicht überschritten. Denn der Wert werde von den Netzbetreibern bestimmt. Streit bestehe, ob bei Werten von über 6 kV selektive Haupt-Leitungsschutzschalter als Trennvorrichtung eingesetzt werden könnten. Bei Kabelfehlerortung im öffentlichen Leitungsnetz erfolge die Trennung durch das Entfernen der Schmelzsicherungen. Die auf dem Markt befindlichen Haupt-Leitungsschutzschalter böten unabhängig vom Gerätetyp keine Gewähr dafür, Stoßspannungen von über 6 kV von der Hausanlage fern zu halten. Dies habe auch die Antragsgegnerin eingeräumt. Im übrigen dürfe weder die Antragsgegnerin noch ein sonstiges Energieversorgungsunternehmen Kabelfehlerortungen mit Stoßspannungen von über 6 kV unter Verwendung von selektiven Haupt-Leitungsschutzschalter als Trennvorrichtung durchführen, da Schalter, Kabel und andere Geräte im Vorzählerbereich der Hausanlage hierfür nicht ausgelegt seien. Desweiteren gehe es nur darum, dass der in den Normen 643 und 645 für die Erlangung der x-Kennzeichnung vorgesehenen Beanspruchungstest ungeeignet sei, einen Nachweis für eine höhere Sicherheit zu erbringen. Das Landgericht habe die tatsächliche Wettbewerbssituation — es seien nur zwei Produkte auf dem Markt — nicht berücksichtigt. Die Antragstellerin habe auch nur beanstandet, dass es keine sachliche Grundlage für die Meinung gebe, diese Schalter seien zur Sicherung von Kundenanlagen vor Überspannungen besser geeignet. Wenn das Erstgericht die Darlegungen nicht ausreichen lasse, überspanne es die Anforderungen an die Glaubhaftmachung. Ebenso sei die Beweislastverteilung verkannt worden. Der Antragsgegnerin komme als Betreiberin des Leitungsnetzes eine marktbeherrschende Stellung zu. Darüberhinaus ergebe sich der geltend gemachte Anspruch auch aus dem rechtlichen Gesichtspunkts des Boykotts.Randnummer56

Die Antragstellerin beantragt,Randnummer57

das angefochtene Urteil aufzuheben und nach den Anträgen erster Instanz zu erkennen.Randnummer58

Die Antragsgegnerin beantragt,Randnummer59

die Berufung zurückzuweisen.Randnummer60

Die Antragstellerin vertritt weiterhin die Auffassung, dass es bereits an der Dringlichkeit fehle, zumal auch die Berufungsbegründungsfrist verlängert worden sei.Randnummer61

Sie macht geltend, dass die Sachlage in dem Merkblatt zutreffend dargestellt sei. Nach der Norm 643 würden hinsichtlich der Trennfunktion Mindestanforderungen hinsichtlich der Stoßspannungsprüfung sowie der Luft- und Kriechstrecken aufgestellt. Danach ergebe sich nach Tabelle 3a zu 7.1.3 (Anlage AS 4) für alle Geräte ein Wert von 8 kV (2000 m Höhe) für die Stoßspannung; d.h. die Stoßspannung zum Nachweis der Trenneigenschaft der SH-Schalter liege bei 8 kV nicht bei 6 kV. Die von der Antragstellerin dagegen herangezogene Bemessungs-Stoßspannungsfestigkeit beschreibe den „konstruktiven“ Bemessungswert des SH-Schalters ohne Trennfunktion. Dabei handele es sich um etwas ganz anderes als die Trenneigenschaft, nämlich die Eigenschaft, des abgeschalteten SH-Schalters, einen Überschlag zu verhindern.Randnummer62

Da SH-Schalter künftig als Trenneinrichtung verwendet werden sollten, nicht etwa die bisherige Schmelzsicherung, sei die Empfehlung des VBEW technisch begründet und völlig nachvollziehbar. Es treffe nicht zu, dass von Energieversorgungsunternehmen keine Kabelfehlerortung mit einer höheren Spannung als 6 kV durchgeführt werden dürften. Einen entgegenstehenden Normwert gebe es nicht. Die Ausführungen der Antragstellerin zur Prüfung der Schalter zwecks Erlangung der x-Kennzeichnung seien irreführend und unrichtig. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin verfüge die Antragsgegnerin über keine marktbeherrschende Stellung. Sie sei auf dem Markt für den Vertrieb von selektiven Haupt-Leitungsschutzschalter nicht tätig. Bezüglich des Strommarkts sei bei der Belieferung von Haushaltskunden von einem bundesweiten Markt auszugehen. Auch die Voraussetzungen eines Boykotts seien nicht gegeben.Randnummer63

Zur Ergänzung des Parteivorbringens wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie die Sitzungsniederschrift vom 22.11.2001 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung der Antragstellerin bleibt in der Sache ohne Erfolg, da ein Verfügungsanspruch nicht besteht bzw. nicht glaubhaft gemacht ist.

A.

Die Berufung ist zulässig. Dem steht nicht entgegen, dass die Berufung beim OLG NürnbergBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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eingelegt und von diesem nicht entsprechend § 281 ZPO an das OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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verwiesen (vgl. hierzu K. Schmidt, in Immenga/Mestmäcker, GWB, 3. Aufl., § 93 Rdn. 7 f), sondern nur zuständigkeitshalber übersandt wurde, da jedenfalls der Schriftsatz der Antragstellerin vom 10.8.2001 (Eingang beim OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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am 13.8.2001) als Berufungseinlegung beim zuständigen Gericht anzusehen ist, da aus dem Schriftsatz selbst eindeutig hervorgeht, dass und gegen welches Urteil Berufung eingelegt wird (§ 518 Abs. 2 ZPO).

B.

I. Verfügungsgrund (§ 935 ZPO)

Ohne Erfolg bleibt der Einwand der Antragsgegnerin, für ein Vorgehen im Wege der einstweiligen Verfügung fehle es bereits an der erforderlichen Dringlichkeit, da nicht dargetan ist, dass die Antragstellerin länger als einen Monat nach positiver Kenntnis der beanstandeten Handlungen und des „Verletzers“ untätig geblieben ist (vgl. hierzu OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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Mitt. 2001, 85, 89 f; WRP 1993, 49 — Fahrpreiserstattung; GRUR 1992, 328; WRP 1991, 51, 53). Auch eine der Antragstellerin anzulastende Verzögerung im Rahmen des Berufungsverfahrens ist nicht festzustellen.Randnummer68

1. Es ist unstreitig, dass die Antragstellerin am 21.5.2001 davon Kenntnis erhalten hat, dass die Antragsgegnerin die CD-ROM zusammen mit dem Informationsblatt verteilt.Randnummer69

a. Soweit sich der Antrag gegen die „Empfehlung“ in Form des Informationsschreibens richtet (siehe hierzu nachfolgend), ist die Kenntnis von dem Inhalt der CD-ROM und deren Vertrieb durch den VBEW seit dem 11.4.2001 bzw. der Existenz der CD-ROM des e-on-Konzern, auf der die Antragsgegnerin als Mitherausgeberin angegeben ist, schon deshalb ohne Bedeutung, weil es das Informationsblatt der Antragsgegnerin, als Reaktion auf die gegen den VBEW ergangene einstweilige Verfügung, vor dem 16.5.2001 offensichtlich noch gar nicht gab.Randnummer70

b. Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin war die Antragstellerin über das gerichtliche Vorgehen gegen den VBEW hinaus nicht gehalten, weitere (mögliche) Verteiler des Merkblattes zu ermitteln, vielmehr ist daran festzuhalten, dass ein Zuwarten von Seiten eines Antragstellers nur dann dringlichkeitsschädlich sein kann, wenn er von den maßgeblichen Umständen (Verletzungshandlung, Verletzer) positive Kenntnis hat. Hat der Antragsteller konkret Kenntnis von Umständen erlangt, die die Möglichkeit einer Verletzung seiner Rechte nahelegen, und ist es ihm ohne erheblichen Aufwand möglich, noch vorhandene Unsicherheiten zu beseitigen, so muss von ihm erwartet werden, dass er sich zur Unterbindung der Verletzungshandlung die erforderliche Kenntnis verschafft und nicht tatenlos zuwartet, bis sich die ihm aufdrängende Vermutung mehr oder weniger zufällig zu einem erheblich späteren Zeitpunkt bestätigt (vgl. OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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, Urt. v. 16.12.1993 — 6 U 5390/93, OLG-Report 1994, 136 = MDR 1994, 1202 = Magazindienst 1994, 1022, 1024; Senat, Urt. v. 25.2.1998 — 29 U 6463/98). Ein derartiges zögerliches Vorgehen von Seiten der Antragstellerin kann allein schon deshalb nicht festgestellt werden, weil die Antragsgegnerin nicht behauptet, dass sie die CD-ROM bereits länger als einen Monat vor Eingang des Antrags bei Gericht verteilt hat. Dies gilt auch dann, wenn man das Vorbringen der Antragstellerin (Schriftsatz vom 3.7.2001 S. 1 i.V.m. der eidesstattlichen Versicherung von Herrn Schultke, Anlage B 1 unter 3.) dahingehend versteht, dass die anlässlich der Besprechung vom 30.4.2001 der Antragstellerin übergebene CD-ROM damals bereits verbreitet wurde und dies der Antragstellerin auch bekannt war, da der Antrag am 28.5.2001 beim Landgericht Regensburg (und nach Verweisung noch am 30.5.2001 beim Landgericht Nürnberg-Fürth) einging.Randnummer71

c. Ob die Antragstellerin ohne Kenntnis von einer bereits erfolgten Verbreitung von Seiten der Antragsgegnerin wegen drohender (Erst-) Begehungsgefahr mit hinreichender Erfolgsaussicht einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung hätte stellen können, ist nicht entscheidungserheblich. Denn die Antragstellerin konnte sich — nachdem sie zudem bereits erfolgreich gegen den VBEW vorgegangen war — darauf beschränken, nach Kenntnis von einer anderweitigen Verbreitung des beanstandeten Merkblattes hiergegen innerhalb der nach der Rechtsprechung des OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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zu beachtenden Monatsfrist vorzugehen (vgl. OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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, Urt. v. 6.11.1997 — 6 U 4477/97, Mitt. 1999, 223, 227).Randnummer72

2. Mit dem Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist hat die Antragstellerin nicht zu erkennen gegeben, dass ihr die Geltendmachung der behaupteten Ansprüche doch nicht so dringlich ist. Dabei kann dahinstehen, ob aus den im Schriftsatz vom 21.11.2001 (S. 19 f) vorgetragenen Gründen, eine Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist für die Antragstellerin unvermeidbar war, da die Verlängerung unter Berücksichtigung der „vorzeitigen“ Berufungseinlegung gesehen werden muss. Die Nichtausschöpfung der Frist des § 516 ZPO würde sich ansonsten zu Lasten der Antragstellerin auswirken, obwohl es ihr nach der Rechtsprechung des OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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(GRUR 1992, 328 = MDR 1991, 157 = NJW-RR 1991, 624) unbenommen gewesen wäre, die Berufungseinlegungs- und Berufungsbegründungsfrist jeweils voll auszuschöpfen. Unabhängig davon, ob man auf die Berufungseinlegung am 8.8.2001 (beim OLG NürnbergBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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) oder vom 13.8.2001 (beim OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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) abstellt, hat die Antragstellerin gezeigt, dass sie an einer beschleunigten Durchführung des Berufungsverfahrens interessiert ist. Dementsprechend hat sie auch die bis zum 24.9.2001 verlängerte Frist nicht voll ausgeschöpft, sondern die Berufungsbegründung bereits am 20.9.2001 eingereicht. Dass es bei dieser Sachlage nicht gerechtfertigt ist, „isoliert“ auf die Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist abzustellen, findet eine zusätzliche Rechtfertigung in der am 1.1.2001 in Kraft tretenden gesetzlichen Neuregelung, wonach die Berufung innerhalb einer zweimonatigen Frist ab Urteilszustellung zu begründen ist (§ 520 Abs. 2 Satz 1 ZPO n.F.).Randnummer73

II. Verfügungsanspruch

1. Mit dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wendet sich die Antragstellerin (erster Spiegelstrich) gegen die Behauptung „selektive Haupt-Leitungsschutzschalter seien, da sie als Trennvorrichtung für die Kundenanlage … ausgelegt“. Eine solche „Behauptung“ sieht die Antragstellerin u.a. in der Verbreitung der CD-ROM, die das beanstandete Merkblatt beinhaltet (Schriftsatz vom 28.6.2001, S. 2 unter 2.). Darüberhinaus (2. Spiegelstrich) wendet sich die Antragstellerin gegen die „Empfehlung“ von mit x gekennzeichneten selektiven Haupt-Leistungsschutzschaltern. Hiermit wird, wenn auch stark verallgemeinernd, auf den Inhalt des Informationsschreibens „Aus Sicht des Netzbetreibers ist hierzu folgende Anmerkung veranlasst: … den Wert von 6 kV nicht überschreiten.“ (konkrete Verletzungsform) abgestellt (siehe Schriftsatz vom 28.6.2001, S. 3 unter 3.).Randnummer75

a. Zu Recht wendet sich die Berufung gegen die Auffassung des Landgerichts, es fehle bereits an einer Verletzungshandlung bzw. einer Begehungsgefahr, dass die Antragsgegnerin die angegriffene „Behauptung“ aufstellen werde. Im Ansatz zutreffend ist allerdings der Ausgangspunkt des Landgerichts, wonach eine einzelne Aussage nicht isoliert vom Gesamtzusammenhang (weiterer Text oder Bild) beurteilt werden darf, sondern das Verständnis der angesprochenen Adressaten ist im Gesamtkontext zu ermitteln. Es kann jedoch nicht allein auf das Verständnis der Leser des Informationsschreibens vom 16.5.2001 abgestellt werden, vielmehr muss davon ausgegangen werden, dass ein erheblicher Teil der Empfänger der CD-ROM deren Inhalt ohne die Erläuterungen im Informationsschreiben zur Kenntnis nimmt. Dies kann zum einen darauf beruhen, dass das Informationsblatt dem Nutzer der CD-ROM überhaupt nicht zur Kenntnis gelangt, etwa weil es nicht zusammen mit der CD-ROM aufbewahrt wird, verloren gegangen ist etc. Da sich das Merkblatt des VBEW auf der CD-ROM befindet, nimmt der Nutzer die in Form des Informationsschreibens vorhandene „Erläuterung“ nicht gleichzeitig wahr, wenn er den Inhalt der CD-ROM auf dem Bildschirm aufruft und sich, was wahrscheinlich ist, die ihn interessierenden Teile ausdruckt. Da dies auch die Antragsgegnerin nicht in Zweifel zieht, sind hierzu keine weiteren Ausführungen veranlasst.Randnummer76

aa. Aus der Sicht der Nutzer der CD-ROM, die nur von dem Inhalt des Merkblattes Kenntnis nehmen, stellt sich die angegriffene Aussage jedoch nicht als Behauptung von Seiten der Antragsgegnerin dar, sondern als Information über die seit Frühjahr 2001 geltenden neuen Technischen Anschlussbedingungen durch den VBEW. Aus dem Vorbringen der Antragstellerin ergibt sich nicht, dass der Inhalt des Merkblattes als eine Mitteilung von eigenem Wissen oder eigener Erkenntnis der Antragsgegnerin (vgl. zum Begriff der Behauptung im Sinne von § 824 BGB, § 14 UWG: Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 22. Aufl., § 14 Rdn. 16) aufgefasst wird. Es ist nichts dafür vorgetragen oder sonst ersichtlich, inwiefern aus der Tatsache der Verbreitung des Merkblattes auf CD-ROM geschlossen werden könnte, die Antragsgegnerin mache sich den Inhalt des Merkblatt als eigene Verlautbarung zu eigen. Hiergegen spricht auch, dass auf dem Merkblatt der VBEW ausdrücklich mehrfach als Herausgeber bezeichnet wird. Gegenteiliges ergibt sich auch nicht aus der bloßen Mitgliedschaft der Antragsgegnerin beim VBEW und der Tatsache, dass sie offensichtlich als Mitherausgeberin auf der CD-ROM genannt ist.Randnummer77

bb. Dafür, dass die Antragsgegnerin die „Behauptung“ in anderer Weise aufgestellt hätte oder dies ernstlich zu erwarten wäre (Begehungsgefahr), sind keine Tatsachen vorgetragen oder sonst ersichtlich. Auch eine Berühmung infolge der Rechtsverteidigung im Verfahren (vgl. hierzu BGH WRP 2001, 1076 — Berühmungsaufgabe) liegt nicht vor (siehe Berufungserwiderung S. 6). Daraus folgt aber nicht, dass der Antrag insoweit bereits deshalb keinen Erfolg haben könnte. Denn wie sich aus dem Berufungsvorbringen der Antragstellerin zweifelsfrei ergibt, wendet sich diese auch gegen die Verbreitung der in dem Merkblatt enthaltenen Aussage. Das darauf gerichtete Begehren stellt sich auch nicht als aliud gegenüber dem erstrebten Verbot der „Behauptung“ dar, sondern als minus.Randnummer78

b. Soweit sich der weitere Antrag gegen die „Empfehlung“ wendet, erfasst er jedenfalls den oben genannten Teil des Informationsschreiben als konkrete Verletzungsform.Randnummer79

2. Verbot der Verbreitung des Merkblattes

a. Ein Unterlassungsanspruch gemäß § 33 Satz 1, § 20 Abs. 1 Halbsatz 1 GWB steht der Antragstellerin nicht zu.Randnummer81

Nach § 20 Abs. 1 GWB darf ein marktbeherrschendes Unternehmen ein anderes Unternehmen in einem Geschäftsverkehr, der gleichartigen Unternehmen üblicherweise zugänglich ist, weder unmittelbar noch mittelbar unbillig behindern oder gegenüber gleichartigen Unternehmen ohne sachlich gerechtfertigten Grund unmittelbar oder unmittelbar unterschiedlich behandeln. Diese tatbestandlichen Voraussetzungen sind nicht erfüllt.Randnummer82

Die Antragstellerin macht geltend, sie werde durch das beanstandete Verhalten der Beklagten in ihrem Absatz des von ihr bundesweit vertriebenen SLS-Schalters beeinträchtigt. Auf diesem sachlichen Markt — Produktion und Vertrieb von Schaltern (Elektrozubehör) — ist die Antragsgegnerin unstreitig nicht tätig, sodass sie nach der Rechtsprechung des BGH (WuW/E 2483, 2490 = GRUR 1989, 142, 146 — Sonderungsverfahren, zu § 26 Abs. 2 GWB a.F.) nicht als Normadressatin in Anspruch genommen werden kann, auch wenn sie in ihrem Netzbereich über ein „natürliches Monopol“ (§ 19 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Alt. 1 GWB) hinsichtlich des Stromversorgungsnetzes verfügt. Denn danach wird das Behinderungsverbot durch ein marktbeherrschendes oder marktstarkes Unternehmen nur dann verletzt, wenn die marktbeherrschende oder marktstarke Stellung des behindernden oder diskriminierenden Unternehmen gerade auf dem Markt besteht oder sich auswirkt, auf dem das betroffene Unternehmen behindert wird (a.A. Schultz, in Langen/Bunte, GWB, 9. Aufl., § 20 Rdn. 119; Möschel, in Immenga/Mestmäcker, GWB, 3. Aufl., § 19 Rdn. 114 und § 20 Rdn. 29; jeweils mwN).Randnummer83

b. Auch ein Unterlassungsanspruch gemäß § 33 Satz 1 Halbsatz 1, § 19 Abs. 1, Abs. 4 Nr. 1 GWB ist nicht gegeben.Randnummer84

Gemäß § 19 Abs. 1 GWB ist die mißbräuchliche Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung verboten, wobei gemäß dem Regelbeispiel in Abs. 4 Nr. 1 ein Mißbrauch insbesondere dann vorliegt, wenn das marktbeherrschende Unternehmen als Anbieter oder Nachfrager einer bestimmten Art von Waren oder gewerblichen Leistungen die Wettbewerbsmöglichkeiten eines anderen Unternehmens in einer für den Wettbewerb auf dem Markt erheblichen Weise ohne sachlich gerechtfertigten Grund beeinträchtigt.Randnummer85

aa. Wie bereits vorstehend unter 2.a. ausgeführt wurde, besteht eine marktbeherrschende Stellung der Beklagten nur in Bezug auf das von ihr betriebene Stromversorgungsnetz. Auf diesem sachlichen Markt (sowie auf dem Strommarkt betreffend Kleinkunden, auf dem nach der Neuregelung des Energiewirtschaftsrechts (vom 29.4.1998, BGBl. I S. 370) nach allgemeiner Auffassung nur noch unter besonderen, hier nicht dargetaner Voraussetzungen von einem örtlich, durch die Reichweite des Netzes beschränkten Markt ausgegangen werden kann, vgl. Senat, Beschl. v. 22.11.2001 — Kart 1/00, mwN — zur Veröffentlichung bestimmt), ist die Antragstellerin weder als Wettbewerberin noch als Nachfragerin nach Leistungen der Antragsgegnerin tätig. Auf dem Markt der Herstellung und des bundesweiten Vertriebs von Schaltern zum Einbau in Hausanlagen ist die Antragsgegnerin weder als Wettbewerberin noch — entgegen der von der Antragstellerin in ihrem nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 7.12.2001 unter 1.2 vertretenen Auffassung — als Nachfragerin tätig. Durch die Verbreitung des Merkblattes mit den beanstandeten technischen Aussagen wird die Antragsgegnerin nicht zur „Disponentin“ (im Sinne der von der Antragstellerin in Bezug genommenen Rechtsprechung BGH WUW/E 1445, 1447 — Valium; KG WuW/E OLG 5549, 5556 — Fresenius/Semina; vgl. auch BGH WuW/E 2603, 2605 mwN — Neugeborenentransporte) über die von den Hauseigentümern/Installateuren nachgefragten Schaltern noch lässt sich mit dieser Betrachtungsweise eine Beschränkung des bundesweiten Angebots- und Nachfragemarkts (so auch die Antragstellerin im Schriftsatz vom 28.6.2001, S. 10 unten) nach entsprechenden Schaltern herbeiführen.Randnummer86

bb. § 19 Abs. 1 GWB erfasst nach der in der Rechtsprechung und Literatur überwiegend vertretenen Auffassung auch missbräuchliche Verhaltenswesen eines marktbeherrschenden Unternehmens, die sich nicht auf dem beherrschten Markt, sondern auf Drittmärkten auswirken (KG WuW/E OLG 3124, 3129 — Milchaustauschfuttermittel; OLG DüsseldorfBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG Düsseldorf
MMR 2001, 453, 454; Schultz aaO § 19 Rdn. 133; Möschel aaO Rdn. 114; Handbuch des Kartellrechts/Wiedemann, § 23 Rdn. 37; Bechtold, GWB, 2. Aufl., § 19 Rdn. 61 a.E.: „… erfasst mißbräuchliche Verhaltensweisen auch gegenüber Nicht-Wettbewerbern des Marktbeherrschers …“; nicht eindeutig Gemeinschaftskommentar (GK)- Knöpfle/Leo, GWB, 5. Aufl., Rdn. 1603).Randnummer87

Folgt man dieser Auffassung, die im Hinblick auf die vom BGH vorgenommene Auslegung des Behinderungsverbots nicht unbedenklich erscheint, bedarf es jedenfalls der Feststellung einer kausalen Verknüpfung zwischen der marktbeherrschenden Stellung und dem beanstandeten Verhalten (Schultz aaO § 19 Rdn. 133, 137). Weiter müssen hierdurch die Wettbewerbsmöglichkeiten anderer Unternehmen in einer für den Wettbewerb auf dem Markt — § 19 Abs. 1, Abs. 4 Nr. 1 GWB bezweckt nicht in erster Linie den Schutz einzelner Unternehmen — erheblichen Weise (Schultz aaO § 19 Rdn. 135 f; Möschel aaO § 19 Rdn. 113) ohne sachlich gerechtfertigten Grund beeinträchtigt werden. Diese tatbestandlichen Voraussetzungen liegen nicht vor.Randnummer88

Die zu fordernde Kausalität zwischen der marktbeherrschenden Stellung und dem beanstandeten Verhalten ist allerdings nicht nur dann gegeben, wenn das Unternehmen nur deswegen so handeln kann, weil es marktbeherrschend ist, sondern auch dann, wenn die Verhaltensweisen auch nicht markbeherrschenden Unternehmen offen stehen, dann aber nicht die besonders schädlichen Auswirkungen haben, wie dies bei einer Marktbeherrschung der Fall ist (Schultz aaO § 19 Rdn. 137 mwN). Diesbezüglich ist aber weder dargetan noch sonst ersichtlich, inwiefern die Stellung der Antragsgegnerin als Betreiberin des Stromversorgungsnetzes in Bezug auf die Verbreitung des Merkblattes des VBEW geeignet sein könnte, diesem Verhalten eine besondere Qualität zu verleihen. Darüberhinaus kann auch nicht festgestellt werden, inwieweit die Verbreitung des Merkblattes durch die regional beschränkt tätige Antragsgegnerin geeignet sein könnte, die Wettbewerbsverhältnisse auf dem bundesweiten Markt für Leitungsschutzschalter in erheblicher Weise zu beeinträchtigen.Randnummer89

c. Die Verbreitung des Merkblattes auf CD-ROM kann auch nicht als Boykott im Sinne von § 21 Abs. 1 GWB qualifiziert werden.Randnummer90

aa. Ein Boykottaufruf im Sinne dieser Bestimmung setzt die Beteiligung dreier Unternehmer (oder Unternehmensvereinigungen) voraus, nämlich den Verrufer oder Boykottierer, den Adressaten des Boykottaufrufs und den Verrufenen oder Boykottierten (BGH GRUR 1999, 1031, 1032 mwN — Sitzender Krankentransport). Die Unternehmenseigenschaft der Antragstellerin (Verrufenen) und der Antragsgegnerin (Verrufer) steht vorliegend außer Frage. Zwischen ihnen bedarf es auch keines Wettbewerbsverhältnisses (Schultz, aaO § 21 Rdn. 3). An der erforderlichen Dreizahl würde es allerdings fehlen, wenn man auf die Eigentümer der Hausanlagen abstellt, für die die Hauptleitungsschutzschalter benötigt werden, da deren Unternehmereigenschaft nicht bejaht werden könnte. Die Parteien gehen aber übereinstimmend davon aus, dass die Nachfrageentscheidung nach den Hauptleitungsschutzschaltern in der Regel von den beauftragten Installationsunternehmen getroffen wird, an die sich das beanstandete Merkblatt bestimmungsgemäß auch richtet. Insoweit ist der Auffassung der Antragstellerin, wonach es sich bei diesen um die maßgeblichen Nachfragedisponenten handelt, zuzustimmen.Randnummer91

bb. Die Weitergabe des Merkblatts des VBEW durch die Antragsgegnerin in Form der CD-ROM kann jedoch nicht als Aufforderung zu einer Bezugssperre gegenüber den Installationsunternehmen qualifiziert werden. Unter einer solchen Aufforderung zu einer Bezugssperre ist jeder Versuch zu verstehen, einen anderen Unternehmer dahin zu beeinflussen, dass er bestimmte Lieferbeziehungen nicht eingeht oder nicht aufrechterhält (BGH aaO S. 1033 re. Sp. oben mwN — Sitzender Krankentransport; WuW/E 2603, 2606 — Neugeborenentransporte; Schultz aaO § 21 Rdn. 18), wobei die zu sperrenden Unternehmen jedenfalls individualisierbar sein müssen. Weiter muss das Verhalten von der Absicht (mit-) bestimmt sein, dem Verrufenen einen Nachteil im geschäftlichen Verkehr zuzufügen (Schultz aaO § 21 Rdn. 29 ff).Randnummer92

Das Merkblatt des VBEW enthält keine unmittelbare Anweisung zu einem bestimmten Verhalten. Soweit aus dem vorgelegten Merkblatt (Bestandteil von Ast 17) ersichtlich, werden darin die zu beachtenden technischen Gegebenheiten behandelt. Die im Tatbestand wiedergegebene Passage weist auf die nach der TAB bei selektiven Haupt-Leitungsschutzschalter geltende Anforderung hin. Dabei werden in dem Merkblatt weder bestimmte Hersteller von in Frage kommenden Schaltern erwähnt noch bestimmte Produkte als ungeeignet bezeichnet. Eine Beeinflussung der Willensentscheidung der Adressaten dieses Merkblattes kann damit nur insoweit verbunden sein, als die Installationsunternehmen gehalten sind, den zu beachtenden technischen Regeln bei der Erstellung oder Erneuerung einer Hausanlage Rechnung zu tragen. In einer bloßen Information über technische Vorschriften und Gegebenheiten kann aber in der Regel noch keine Aufforderung gesehen werden (vgl. Schultz aaO § 21 Rdn. 18 mwN). Wie aber auch die Antragsgegnerin nicht in Zweifel zieht, werden die technischen Bestimmungen nicht zutreffend dargestellt. Nach den maßgeblichen Normen erfüllen nicht nur SHU-Schalter, die eine Stoßüberspannung von 8 kV (gekennzeichnet mit x) aufweisen, die Voraussetzungen, um als Trennvorrichtung für die Kundenanlage verwendet zu werden. Dass die Erläuterungen in dem Merkblatt über die „Mindestanforderungen“ hinausgehen (so auch die Antragsgegnerin in ihrer „Information zur CD-ROM …“), wird daraus nicht deutlich. Soweit die Antragsgegnerin in der Berufungserwiderung (S. 6) die Auffassung vertreten hat, die Aussage in dem Merkblatt sei richtig, will sie damit — wie im Termin auf Nachfrage des Senats erläutert wurde — nicht in Zweifel ziehen, dass auch der von der Antragstellerin angebotene Schalter die Voraussetzungen der Norm 643 erfüllt.Randnummer93

Daraus kann aber noch nicht gefolgert werden, dass auf Seiten der Antragsgegnerin oder des VBEW der erforderliche subjektive Tatbestand gegeben ist. Dabei bestehen bereits durchgreifende Bedenken, in der Verbreitung des Merkblattes des VBEW ohne weitere „Einwirkung“ auf die Empfänger der CD-ROM aus den oben unter II. 1.a.aa genannten Gründen eine Aufforderung von Seiten der Antragsgegnerin zu sehen. In der Verbreitung des Merkblattes könnte allenfalls eine Beteiligung an einem Boykottaufruf durch den VBEW als Herausgeber des Merkblattes (Unternehmensvereinigung im Sinne von § 21 Abs. 1 GWB) gesehen werden. Unabhängig hiervon ist ein Handeln in Benachteiligungsabsicht nicht glaubhaft gemacht. Denn die zu fordernde Absicht muss sich darauf beziehen, dass durch die „Aufforderung“ ein oder mehrere bestimmte Unternehmen unbillig beeinträchtigt werden. Die Beeinträchtigung muss ausdrücklich von dem Auffordernden bezweckt sein, wobei es nicht ausreicht, dass er die unbillige Beeinträchtigung eines Unternehmens lediglich billigend in Kauf nimmt (BGH WUW/E 1786, 1787 — ARA; WuW/E 3067, 3072 — Fremdleasingboykott II). Die Nachteilszufügung muss allerdings nicht das alleinige Ziel der Aufforderung sein; es reicht aus, dass sie mitbestimmend ist und gegenüber sonstigen Beweggründen nicht völlig zurücktritt (aaO — Fremdleasingboykott II; Schultz aaO § 21 Rdn. 32 mwN). Dass es dem VBEW darauf angekommen ist, die Marktstellung der Antragstellerin beim Absatz ihrer Schalter zu beeinträchtigen, ist nicht ersichtlich. Hierzu finden sich auch in den als Anlage AS 12 und AS 13 vorgelegten Schriftsätzen betreffend das Verfügungsverfahren vor dem Landgericht München I keine Ausführungen.Randnummer94

d. Zu Recht stützt die Antragstellerin ihren Antrag nicht auf wettbewerbsrechtliche Ansprüche (§§ 1, 3 UWG), da zwischen den Parteien kein Wettbewerbsverhältnis besteht und der Sachverhalt auch keinerlei Anhaltspunkt dafür gibt, die Antragsgegnerin oder der VBEW handelten in der Absicht, den Wettbewerb von Konkurrenzunternehmen der Antragstellerin zu fördern. Ebenso liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen der §§ 824, 823, 826 BGB nicht vor.Randnummer95

3. Verbot der „Empfehlung“ gemäß der „Information zur CD-ROM“

Das Informationsschreiben vom 16.5.2001 „berichtigt“ die beanstandeten Ausführungen in dem Merkblatt des VBEW, indem die „Sicht des Netzbetreibers“ hierzu angemerkt wird. Dieser „Anmerkung“ können die angesprochenen Adressaten, bei denen es sich wohl ausschließlich um Fachleute mit entsprechendem technischen Sachverstand auf dem hier in Rede stehenden Gebiet handelt, entnehmen, dass nicht nur Hauptleitungsschutzschalter mit einem Wert von 8 kV (gekennzeichnet mit x), sondern auch solche mit einem Wert von 6 kV ohne x-Kennzeichnung als Trennvorrichtung bei Hausanlagen verwendet werden können. Den letzten Satz der Anmerkung „Der Netzbetreiber kann jedoch nicht sicherstellen, …“ kann der Adressat jedoch nur so verstehen, wovon auch beide Parteien ausgehen, dass der erstgenannte Schaltertyp (8 kV …) aus der „Sicht des Netzbetreibers“ eine höhere Sicherheit gewährleistet. Nach der Lebenserfahrung liegt es danach nahe, dass die mit Erstellung bzw. Instandsetzung der Hausanlagen betrauten Unternehmen — auch wenn der Anschluss an das Versorgungsnetz der Antragsgegnerin hiervon nicht abhängt –, Veranlassung sehen werden, diesem empfohlenen höheren Sicherheitsstandard Rechnung zu tragen, zumal hierdurch unstreitig auch keine höheren Kosten entstehen. Folglich ist die Befürchtung der Antragstellerin gerechtfertigt, dass durch diese Empfehlung die Absatzchancen des von ihr vertriebenen Schalters beeinträchtigt werden können. Ob darin ein Behinderungsmissbrauch im Sinne von § 19 Abs. 4 Nr. 1 GWB bzw. eine Boykottaufforderung gemäß § 21 Abs. 1 GWB — andere Anspruchsgrundlagen kommen aus den oben unter unter II.2. a und d genannten Gründen nicht in Betracht — gesehen werden kann, läßt sich mit den eingeschränkten Erkenntnismöglichkeiten des einstweiligen Verfügungsverfahren nicht klären. Dies geht zu Lasten der darlegungs- und glaubhaftmachungspflichtigen Antragstellerin (vgl. BGH GRUR 1992, 191, 194 = WUW/E 2762 — Amtsanzeiger; Markert, in Immenga/Mestmäcker, § 21 Rdn. 47; Schultz aaO § 20 Rdn. 205).Randnummer97

a. Selbst wenn man zugunsten der Antragstellerin davon ausgehen wollte, dass sich die Empfehlung als erhebliche Beeinträchtigung auf dem Markt für Hauptleitungsschutzschalter darstellt — was nach den obigen Ausführungen unter 2. b keinesfalls zweifelsfrei erscheint –, wäre der Verbotstatbestand des § 19 Abs. 4 Nr. 1 GWB nur dann zu bejahen, wenn hierfür kein sachlich gerechtfertigter Grund vorliegt. Ob dies der Fall ist, bestimmt sich durch eine Abwägung der Interessen der Beteiligten. Auch wenn die Antragsgegnerin in ihrem Versorgungsgebiet über ein Monopol (Netzbetrieb) verfügt, ist es ihr nicht allein deshalb verwehrt, von ihrer Betätigungsfreiheit bei der Gestaltung ihrer Vertragsbeziehungen Gebrauch zu machen (vgl. BGH WuW/E 2707, 2716 — Krankentransportunternehmen II; BGHZ 129, 53, 60 ff — Importarzneimittel; BGHZ 128, 17, 37 f — Gasdurchleitung; WuW/E 3058, 3064 — Pay-TV-Durchleitung; GRUR 1998, 1049 — Bahnhofsbuchhandel), d.h. gegenüber den Anschlussnehmern auch aus eigenem Interesse darauf zu verweisen, dass mit der Verwendung eines bestimmten Schaltertyps Vorteile verbunden sind. So stellt auch die Antragstellerin nicht in Abrede, dass es für die Antragsgegnerin günstiger ist, die Trennung der Hausanlage vom öffentlichen Stromnetz mit Hilfe der Schalteinrichtungen vorzunehmen, anstelle der Entfernung der Schmelzsicherung im Hausanschlusskasten. Demgegenüber könnte ein vorrangiges Interesse der Antragstellerin daran, in ihrer geschäftlichen Betätigung nicht (mittelbar) beeinträchtigt zu werden, nur dann bejaht werden, wenn — wie von der Antragstellerin geltend gemacht wird — die Empfehlung eines höheren Sicherheitsstandards unzutreffend wäre.Randnummer98

Ob bei Kabelfehlerortungen mit höheren Stoßüberspannungen als 6 kV gearbeitet werden kann, was von den Parteien unterschiedlich dargestellt wird, kann der Senat mangels entsprechender Sachkunde, ebenso wenig wie die von der Antragstellerin hierfür angeführten Sicherheitsbedenken einschließlich ihrer Kritik an den dahingehenden Normen 634 und 645 (Schriftsatz vom 21.11.2001, S. 12 ff) beurteilen. Gleiches gilt auch für die Behauptung der Antragstellerin, das einzige auf dem Markt befindliche Konkurrenzprodukt zu dem von ihr vertriebenen SLS-Schalter, das eine x-Kennzeichnung aufweise und worauf sich folglich die Empfehlung der Antragsgegnerin beziehe, gewährleiste keine höhere Sicherheit, weil der der x-Kennzeichnung zugrunde liegende Test keinerlei Rückschluss auf einen etwaigen Sicherheitsvorsprung bzw. eine höhere Stoßspannungsfestigkeit des Schalters zulasse. Die von der Antragstellerin geltend gemachte Ungeeignetheit kann auch nicht allein aus dem Umstand hergeleitet werden, dass von dem zuständigen Normierungsgremium in der Sitzung vom 8.11.2001 beschlossen wurde, die Festlegungen in den Normen 643 und 645 für die Erlangung der x-Kennzeichnung in einem Arbeitskreis neu zu behandeln. Soweit sich die Antragstellerin auf von ihr durchgeführte Testreihen beruft, sind die vorgelegten Unterlagen auch in Verbindung mit den hierzu gemachten Erläuterungen für den Senat — mangels entsprechender technischer Sachkunde — nicht aussagekräftig.Randnummer99

b. Soweit die Empfehlung unter dem Gesichtspunkt des Boykott-Verbotes beanstandet wird (§ 21 Abs. 1 GWB), gelten auch hier die obigen unter II.2.c gemachten Ausführungen entsprechend, als nicht ersichtlich wird, inwiefern die „Anmerkung aus Sicht des Netzbetreibers“ von der Absicht (mit-) bestimmt ist, die Antragstellerin beim Absatz ihrer Schalter zu beeinträchtigen.Randnummer100

Im übrigen könnte eine unbillige Beeinträchtigung der Absatzchancen der Antragstellerin, ebenso wie eine unbillige Behinderung im Sinne von § 19 Abs. 4 Nr. 1 GWB, da eine Verweigerung des Anschlusses an das Versorgungsnetz bei Verwendung eines anderen als des „empfohlenen“ Schaltertyps sowie eine Aufforderung zur Bezugssperre, bei der ein Prima-Facie-Beweis für die Unbilligkeit der Maßnahme in Betracht gezogen werden könnte (vgl. Markert aaO § 21 Rdn. 37, 47 mwN), nicht zur Diskussion steht, nur unter den vorstehend behandelten, nicht glaubhaft gemachten Voraussetzungen bejaht werden.

C.

1. Der nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingereichte Schriftsatz der Antragstellerin vom 7.12.2001 gab, soweit darin neues tatsächliches Vorbringen enthalten ist, keine Veranlassung, die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen (§ 156 ZPO).Randnummer102

2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Schlagworte: Dringlichkeitsvermutung, Duldung des pflichtwidrigen Handelns, Erstbegehungsgefahr, gesetzliche Dringlichkeitsvermutung, Glaubhaftmachung, Kenntnis vom pflichtwidrigen Handeln, Kenntnis vom wichtigen Grund, Maßgeblicher Kenntnisträger, Mitgesellschafter haben am Verhalten des Betroffenen längere Zeit keinen Anstoß genommen, Mitgesellschafter haben am Verhalten des Betroffenen längere Zeit keinen Anstoß genommen Zeitfaktor wichtiger Grund, positive Kenntnis von Pflichtwidrigkeit, Selbstwiderlegung, Verfügungsanspruch, Verfügungsgrund, Wegfall wichtiger Grund durch Zeitablauf, Wettbewerbsverbot, Zeitablauf wichtiger Grund, Zeitfaktor wichtiger Grund