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BGH, Urteil vom 23. März 2006 – IX ZR 134/04

einstweilige Verfügung Schadensersatz

ZPO § ZPO § 945; BGB §§ BGB § 249, BGB § 254

1. Hat ein Gläubiger einstweiligen Rechtsschutz durch ein im Grundbuch eingetragenes Verfügungsverbot erwirkt, das sich als von vornherein nicht gerechtfertigt erweist, entfällt die Ursächlichkeit dieses Vorgehens für einen Schaden des Verfügungsbeklagten nicht dadurch, dass ein Notar den Vorrang einer im Grundbuch eingetragenen Vormerkung verkennt.

2. Der Schadensersatzanspruch aus § ZPO § 945 ZPO kann durch Mitverschulden des Verfügungsbeklagten gemindert sein oder ganz entfallen, wenn er dem Verfügungskläger schuldhaft Anlass gegeben hat, um einstweiligen Rechtsschutz nachzusuchen. Die Übertragung des letzten nennenswerten Vermögensteils eines illiquiden Schuldners auf einen nahen Angehörigen kann aus der Sicht eines Gläubigers einen solchen Anlass darstellen.

Zum Sachverhalt

Die Bekl. erwirkte ein vollstreckbares Urteil vom 31. 7. 1996, mit welchem der Ehemann der Kl. (fortan auch: Schuldner) zur Zahlung von 75000 DM an die Bekl. verurteilt wurde. Auf Grund notariellen Vertrags vom 11. 5. 1996 übertrug der Schuldner seinen hälftigen Anteil an einem beiden Eheleuten gehörenden Hausgrundstück auf die Kl., die ihm dafür ein lebenslanges unentgeltliches Wohnrecht einräumte und die auf dem Grundstück lastenden Grundschulden übernahm. Die inzwischen eingetragene Kl. veräußerte das Grundstück durch notariellen Vertrag vom 18. 4. 1997 zum Preis von 365 000 DM an eine Käuferin L weiter, zu deren Gunsten eine Vormerkung eingetragen wurde. Die Bekl., deren Vollstreckungsversuche auf Grund des Urteils vom 31. 7. 1996 erfolglos geblieben waren, erwirkte am 28. 5. 1997 durch Versäumnisurteil eine einstweilige Verfügung, mit welcher der Kl. die Verfügung über den von dem Schuldner übertragenen Anteil verboten wurde. Das Verfügungsverbot wurde im Grundbuch eingetragen. Unter dem 7. 7. 1997 teilte der mit dem Vollzug des Grundstückskaufvertrags beauftragte Notar den Kaufvertragsparteien mit, dass zwar der Kaufpreis termingerecht auf sein Notaranderkonto eingezahlt worden sei und alle Unterlagen für die Umschreibung des Eigentums vorlägen, der Vollzug des Vertrags jedoch wegen des zwischenzeitlich eingetragenen Verfügungsverbots nicht möglich sei. Ein weiterer Gläubiger des Ehemanns der Kl. erwirkte im Juli 1997 ebenfalls im Wege einer einstweiligen Verfügung ein Verfügungsverbot, das in das Grundbuch eingetragen wurde. Er nahm seine Hauptsacheklage noch im selben Jahr zurück und bewilligte Anfang des Jahres 2001 die Löschung des Verfügungsverbots. Im Hauptsacheverfahren der Parteien wies das OLG die Anfechtungsklage der Bekl. ab. Zwar sei die Grundstückshälfte in der – der Kl. bekannten – Absicht der Gläubigerbenachteiligung übertragen worden; objektiv scheide eine Gläubigerbenachteiligung jedoch aus, weil der Grundstücksanteil im Zeitpunkt der Eintragung der Kl. wertausschöpfend belastet gewesen sei. Dieses Urteil ist seit dem 9. 11. 2000 rechtskräftig. Die Bekl. bewilligte am 21. 3. 2001 die Löschung des Verfügungsverbots. Am 29. 5. 2001 reichte der Notar den Kaufvertrag beim Grundbuchamt zum Vollzug ein; tags darauf zahlte er den auf dem Notaranderkonto verwahrten Kaufpreis zur Ablösung der Grundschuldgläubiger aus. Mit ihrer am 1. 10. 2001 eingereichten Klage hat die Kl. die Bekl. – mit der Begründung, die Eintragung des Verfügungsverbots im Grundbuch habe die Ablösung der dinglichen Belastungen des Grundstücks um fast vier Jahre verzögert und in der Zwischenzeit seien Darlehenszinsen angefallen – auf Schadensersatz in Höhe von 61596,71 Euro nebst Zinsen aus § ZPO § 945 ZPO in Anspruch genommen.

Die Klage hatte in erster Instanz Erfolg. Das BerGer. hat die Verurteilung auf 50 531,32 Euro eingeschränkt. Die vom Senat zugelassene Revision der Bekl. führte zur Aufhebung und Zurückverweisung.

Aus den Gründen

I. Das BerGer. hat ausgeführt, die von der Bekl. erwirkte, ordnungsgemäß vollzogene einstweilige Verfügung sei mangels Verfügungsanspruchs von Anfang an ungerechtfertigt gewesen.

Das rechtskräftige Urteil im Hauptsacheverfahren binde insoweit die Gerichte im Schadensersatzprozess. Ob der Grundstücksanteil des Schuldners zwar bei der Übertragung, jedoch nicht mehr zum Zeitpunkt des Erlasses der einstweiligen Verfügung wertausschöpfend belastet gewesen sei, könne dahinstehen. Infolge der Eintragung des Verfügungsverbots im Grundbuch habe der Kaufvertrag zunächst – bis zum 30. 5. 2001 – nicht vollzogen werden können. Ohne das Verfügungsverbot hätte nichts dem Vollzug entgegengestanden. Zwar sei jenes gegenüber der Käuferin unwirksam gewesen, weil zu deren Gunsten zuvor eine Auflassungsvormerkung eingetragen worden sei. Indes habe nur die Käuferin die Rechte aus § BGB § 888 BGB gehabt, nicht jedoch die Bekl. Das von dem anderen Gläubiger erwirkte Verfügungsverbot habe die Ursächlichkeit des Verhaltens der Bekl. nicht entfallen lassen, sondern lediglich eine Doppelkausalität begründet. Für die Schadensberechnung sei davon auszugehen, dass die Grundschuldgläubiger per 31. 7. 1997 insgesamt 365917,59 DM für die Ablösung ihrer Grundschulden gefordert hätten. Bis zum 30. 5. 2001 habe sich dieser Betrag auf 486313,82 DM erhöht. Gegenüber der als Schaden zu Buche schlagenden Differenz seien andererseits die auf dem Notaranderkonto erwirtschafteten Zinsen als Vorteil anzurechnen. Die Kl. habe keine Obliegenheiten verletzt, was gegebenenfalls entsprechend § BGB § 254 BGB hätte berücksichtigt werden können. Ihr Anspruch sei auch nicht verjährt.

II. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht in allen Punkten stand.

1. Ein etwaiger Schadensersatzanspruch aus § ZPO § 945 ZPO wäre allerdings nicht verjährt. Das BerGer. hat gemeint, bei Fortbestehen der einstweiligen Verfügung setze erst die rechtskräftige Abweisung der Klage im Hauptsacheverfahren die Verjährungsfrist in Gang. Der Senat hat bisher offen gelassen, ob – bei noch bestehender einstweiliger Verfügung – die Verjährung des Anspruchs aus § ZPO § 945 ZPO bereits vor Abschluss des Hauptsacheverfahrens beginnt, wenn der Schuldner dort ein noch nicht rechtskräftiges Urteil zu seinen Gunsten erzielt, auf Grund dessen er mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit die Aufhebung der ihn belastenden Maßnahmen im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes hätte erreichen können, von dieser Möglichkeit jedoch keinen Gebrauch macht (BGH, NJW 1993, NJW Jahr 1993 Seite 863 [NJW Jahr 1993 Seite 864]; NJW 2003, NJW Jahr 2003 Seite 2610 [NJW Jahr 2003 Seite 2612]). Diese Frage bedarf auch im Streitfall keiner Entscheidung. Selbst wenn die Verjährungsfrist bereits durch die – am 17. 9. 1999 erfolgte – Verkündung des Berufungsurteils im Hauptsacheverfahren in Lauf gesetzt worden sein sollte, wäre sie dennoch durch die Zustellung der Schadensersatzklage am 29. 10. 2001 rechtzeitig unterbrochen worden.

2. Die Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs nach § ZPO § 945 ZPO hat das BerGer. jedoch nicht rechtsfehlerfrei festgestellt. Nach dieser Vorschrift ist die Partei, welche die Anordnung einer von Anfang an ungerechtfertigten einstweiligen Verfügung erwirkt hat, verpflichtet, dem Gegner den Schaden zu ersetzen, der ihm aus der Vollziehung der Anordnung entsteht.

Randnummer 12 a) Erfolglos bekämpft die Revision allerdings die Bindungswirkung (vgl. dazu BGHZ 122, BGHZ Band 122 Seite 172 [BGHZ Band 122 Seite 175] = NJW 1993, NJW Jahr 1993 Seite 2685) des rechtskräftigen Urteils im Hauptsacheprozess, wonach der Bekl. ein Anfechtungsanspruch mangels Gläubigerbenachteiligung nicht zusteht.

Randnummer 13 aa) Die Revision meint, auf Grund der im Schadensersatzprozess vorgelegten Auskünfte der Banken sei der Wiederaufnahmegrund des § ZPO § 580 Nr. 7 lit. b ZPO gegeben; die Kl. habe das Urteil im Hauptsacheverfahren durch unrichtige Angaben zur Valutierung der Grundschulden erschlichen. Dies trifft nicht zu. Zwar haben – wie vom BerGer. festgestellt – die Banken für die Ablösung der Grundschulden insgesamt nur 365917,59 DM gefordert. Dies war weniger als der von der Kl. im Hauptsacheverfahren angegebene Valutierungsbetrag. An der wertausschöpfenden Belastung ändert dies jedoch nichts. Selbst der geringere Ablösungsbetrag lag noch über dem Kaufpreis, den die Kl. mit L vereinbart hat. Dass ein höherer Preis erzielbar gewesen wäre, macht die Revision nicht geltend.

Randnummer 14 bb) Nichts für sich herleiten kann die Revision ferner daraus, dass das BerGer. es hat dahingestellt sein lassen, ob der übertragene Grundstücksanteil zwar bei der Übertragung, jedoch nicht mehr zum Zeitpunkt des Erlasses der einstweiligen Verfügung wertausschöpfend belastet war. Wäre es in dem Anfechtungsprozess möglich erschienen, dass der aus dem Vermögen des Schuldners weggegebene Grundstücksanteil nach der angefochtenen Übertragung wieder werthaltig wurde, hätte dies allerdings zum Vorteil der nunmehrigen Bekl. ausschlagen können. Im Rahmen des § ANFG § 3 ANFG § 3 Absatz I Nr. 1 AnfG reicht eine mittelbare Gläubigerbenachteiligung aus (BGH, NJW 1999, NJW Jahr 1999 Seite 1395 [NJW Jahr 1999 Seite 1396]). Der Bekl. hätte deshalb auch noch nach der tatbestandlichen Vollendung der Vermögensverschiebung – bei einer Grundstücksveräußerung ist dies regelmäßig mit der Eintragung in das Grundbuch der Fall (BGHZ 99, BGHZ Band 99 Seite 274 [BGHZ Band 99 Seite 286] = NJW 1987, NJW Jahr 1987 Seite 904; BGHZ 121, BGHZ Band 121 Seite 179 [BGHZ Band 121 Seite 188] = NJW 1993, NJW Jahr 1993 Seite 663) – ein Anfechtungsanspruch erwachsen können, sofern sich bis zur Beendigung der letzten mündlichen Verhandlung in den Tatsacheninstanzen des Anfechtungsprozesses eine Gläubigerbenachteiligung ergeben hätte. Mit dem im Hauptsacheverfahren ergangenen Urteil des OLG vom 17. 9. 1999 ist rechtskräftig festgestellt worden, dass bis zum 16. 6. 1999 – an diesem Tage ist die mündliche Verhandlung vor dem OLG geschlossen worden – keine Gläubigerbenachteiligung eingetreten war. Diese fehlte somit auch in dem früheren Zeitpunkt des Erlasses der einstweiligen Verfügung.

Randnummer 15 b) Demgegenüber sind die Ausführungen des BerGer. zum Ursachenzusammenhang zwischen der – sich später als von Anfang an ungerechtfertigt erweisenden – Erwirkung der einstweiligen Verfügung und dem Schaden nicht frei von Rechtsfehlern.

Randnummer 16 aa) Das BerGer. hat festgestellt, vor dem Erlass des Verfügungsverbots seien die Auflassung zu Gunsten der Käuferin L erklärt und eine Eigentumserwerbsvormerkung eingetragen worden. Dies habe – so hat das BerGer. gemeint – jedoch nichts daran geändert, „dass ein bei Vollzugsreife im Juli 1997 gestellter Antrag auf Eintragung der Käuferin als Eigentümerin wegen des vor Antragstellung eingetragenen Verfügungsverbots vom Grundbuchamt nicht vollzogen werden durfte”. Dies ist unzutreffend. Die Vormerkung wäre schon ab Eingang des auf sie bezogenen Eintragungsantrags bindend i.S. des § BGB § 878 BGB gewesen (vgl. BGHZ 131, BGHZ Band 131 Seite 189 [BGHZ Band 131 Seite 197] = NJW 1996, NJW Jahr 1996 Seite 461; BGHZ 138, BGHZ Band 138 Seite 179 [BGHZ Band 138 Seite 186] = NJW 1998, NJW Jahr 1998 Seite 2134). Im vorliegenden Fall war sie sogar bereits eingetragen, bevor das Verfügungsverbot in das Grundbuch gelangte. Dieses stand nach § BGB § 883 BGB § 883 Absatz II BGB einem Rechtserwerb der Vormerkungsberechtigten L nicht entgegen (vgl. BGHZ 28, BGHZ Band 28 Seite 182 [BGHZ Band 28 Seite 186 f.] = NJW 1958, NJW Jahr 1958 Seite 2013; BGH, NJW 1966, NJW Jahr 1966 Seite 1509 = LM § 888, BGB Nr. 1 = WM 1966, WM Jahr 1966 Seite 710 [WM Jahr 1966 Seite 711]; BayObLG, ZNotP 2004, 24 [25]; Staudinger/Gursky, BGB, Neubearb. 2002, § 888 Rdnr. 34; Wacke, in: MünchKomm, 4. Aufl. § 888 Rdnr. 22). Da die Banken (Grundschuldgläubiger) gegen Auszahlung des auf dem Notaranderkonto hinterlegten Kaufpreises das Grundstück aus der Haftung freigaben, war außerdem sichergestellt, dass die Käuferin lastenfreies Eigentum erwarb. Demgemäß war diese verpflichtet, der Auszahlung vom Notaranderkonto zuzustimmen. Entgegen der Auffassung des BerGer. war die Bekl. nicht darauf angewiesen, dass die Käuferin aus § BGB § 888 BGB gegen das Verfügungsverbot vorging.

Randnummer 17 bb) Dass der Notar sich nicht in der Lage gesehen hat, den Kaufvertrag zu vollziehen, weil er irrtümlich dem Verfügungsverbot vollzugshemmende Wirkung beimaß, hat den Ursachenzusammenhang zwischen der Erwirkung des Verfügungsverbots durch die Bekl. und dem Zinsschaden nicht unterbrochen.

Randnummer 18 Der Schaden, den die Kl. geltend macht, beruht auf zwei Ursachen, nämlich auf der ungerechtfertigten Erwirkung des Verfügungsverbots durch die Bekl. und darauf, dass der mit der Abwicklung des Kaufvertrags befasste Notar, der sich auf eine entsprechende Instruktion durch das Grundbuchamt beruft, mit diesem Verfügungsverbot sachwidrig umgegangen ist. Stammt die Zweithandlung von einem Dritten, wird der haftungsrechtliche Zusammenhang zwischen der Ersthandlung und dem Schaden dann in Frage gestellt, wenn die Ursächlichkeit des ersten Umstands für das Eintreten des zweiten Ereignisses nach dem Schutzzweck der Norm gänzlich bedeutungslos ist, das schädigende erste Verhalten also nur noch den äußeren Anlass für ein völlig ungewöhnliches und unsachgemäßes Eingreifen des Dritten gebildet hat, das dann den Schaden endgültig herbeigeführt hat (BGH, NJW 1986, NJW Jahr 1986 Seite 1329 = WM 1985, WM Jahr 1985 Seite 666 [WM Jahr 1985 Seite 668]; NJW 1990, NJW Jahr 1990 Seite 2882 [NJW Jahr 1990 Seite 2884]; NJW 1997, NJW Jahr 1997 Seite 250 [NJW Jahr 1997 Seite 253]).

Randnummer 19 Eine derartige Unterbrechung des Zurechnungszusammenhangs ist hier nicht gegeben. Zu dem Fehler des Notars (und des Grundbuchamts) konnte es überhaupt nur deshalb kommen, weil die Bekl. durch ihr prozessuales Vorgehen eine risikobehaftete Lage geschaffen hat. Diese hätte sich allenfalls dann nicht ausgewirkt, wenn die Bekl. in der Folgezeit die rangwahrende Wirkung der Vormerkung anerkannt hätte. Dies hat sie gerade nicht getan, sondern – in Verkennung der Rechtslage – auf dem Vorrang ihres Verfügungsverbots bestanden. Der Notar ist den rechtlichen Schwierigkeiten, welche die Bekl. heraufbeschworen hat, nicht gewachsen gewesen. Der ihm unterlaufene Fehler war auch nicht „völlig ungewöhnlich”. Zum einen hat der Notar lediglich den Rechtsstandpunkt geteilt, den auch die Bekl. eingenommen hat, und zum andern hat selbst das BerGer. die Rechtslage nicht zutreffend beurteilt.

Randnummer 20 cc) Dass die Kausalität zwischen der Erwirkung der einstweiligen Verfügung und dem behaupteten Schaden nicht deshalb entfällt, weil ein zweites Verfügungsverbot zu Gunsten eines anderen Gläubigers bestanden hat, wird von der Revision nicht bezweifelt. Insofern ist ein Rechtsfehler des BerGer. auch nicht ersichtlich. Nach den Grundsätzen der Doppelkausalität haften mehrere unabhängig voneinander tätig gewordene Schädiger nebeneinander auf den ganzen Schaden (st. Rspr., vgl. zuletzt BGH, NJW 2004, NJW Jahr 2004 Seite 2526 [NJW Jahr 2004 Seite 2528]).

Randnummer 21 dd) Nach Ansicht des BerGer. haben keine sonstigen Umstände der Abwicklung des Kaufvertrags bis spätestens 31. 7. 1997 entgegengestanden. Dagegen erinnert die Revision mit Recht, der Kaufpreis habe nicht ausgereicht, um die Grundschulden abzulösen. An dem genannten Stichtag standen dem Kaufpreis von 365000 DM grundschuldgesicherte Bankforderungen in Höhe von 365917,59 DM gegenüber. Außerdem hätte die Kl. nach ihrem eigenen Vorbringen noch die Kosten der „Pfandfreimachung” bezahlen müssen. Wie sie den Fehlbetrag hätte aufbringen können, ist nicht festgestellt.

Randnummer 22 3. Soweit das BerGer. ein Mitverschulden der Kl. verneint hat, kann die Entscheidung mit der bisherigen Begründung ebenfalls nicht bestehen bleiben.

Randnummer 23 a) Auf den Schadensersatzanspruch aus § ZPO § 945 ZPO sind die allgemeinen Vorschriften der §§ BGB § 249 ff. BGB anwendbar. Insbesondere ist ein mitwirkendes Verschulden des Vollstreckungsschuldners (hier: Kl.) zu berücksichtigen (BGHZ 122, BGHZ Band 122 Seite 172 [BGHZ Band 122 Seite 179] = NJW 1993, NJW Jahr 1993 Seite 2685; BGH, NJW 1978, NJW Jahr 1978 Seite 2024; NJW 1990, NJW Jahr 1990 Seite 2689 [NJW Jahr 1990 Seite 2690]).

Randnummer 24 b) Dass die Kl. – nachdem der Notar im Juli 1997 auf das angebliche Vollzugshindernis aufmerksam gemacht hatte – nichts unternommen hat, um eine Abwicklung des Kaufvertrags zu erreichen, ist allerdings ohne Belang. Etwas anderes hätte nur dann zu gelten, wenn die Kl. den Rechtsirrtum des Notars erkannt hätte und gleichwohl untätig geblieben wäre. Dies macht die Revision nicht geltend.

Randnummer 25 c) Mit Recht rügt die Revision jedoch, es sei nicht berücksichtigt worden, dass die Kl. durch das „in Gläubigerbenachteiligungsabsicht vorgenommene Zusammenwirken mit ihrem Ehemann eine ganz wesentliche Ursache für die einstweilige Verfügung gesetzt” habe. Nach der Rechtsprechung des BGH (BB 1966, BB Jahr 1966 Seite 267; NJW 1990, NJW Jahr 1990 Seite 2689 [NJW Jahr 1990 Seite 2690]; zust. Stein/Jonas/Grunsky, ZPO, 22. Aufl., § 945 Rdnr. 9; Heinze, in: MünchKomm-ZPO, 2. Aufl., § 945 Rdnr. 14) ist ein Ausschluss oder eine Minderung des Schadensersatzanspruchs aus § ZPO § 945 ZPO in Betracht zu ziehen, wenn ein schuldhaftes Verhalten des Arrestbeklagten dem Arrestkläger zur Ausbringung des Arrestes Anlass gegeben hatte. Im Falle einer einstweiligen Verfügung gilt Entsprechendes.

Randnummer 26 Nach den im Vorprozess getroffenen Feststellungen, die sich das BerGer. zu Eigen gemacht hat, war das Vorgehen der Kl. und ihres Ehemanns von dem Bestreben geleitet, die Gläubiger des zuletzt Genannten zu benachteiligen. Nach dem – unwiderlegten – Vorbringen der Bekl. handelte es sich bei dem übertragenen Miteigentumsanteil um das einzige nennenswerte Vermögen des Schuldners. Die zeitliche Nähe der Übertragung zum wirtschaftlichen Zusammenbruch des Schuldners musste Verdacht erwecken. Nur wegen der wertausschöpfenden Belastung des Miteigentumsanteils blieb die Anfechtungsklage erfolglos. Dass ein Gläubiger – für den bei Unsicherheit über den Grundstückswert die wertausschöpfende Belastung nicht von vornherein erkennbar war – seinerseits versuchen würde, die Vermögensverschiebung durch Erwirken einer einstweiligen Verfügung zu unterbinden, lag nahe. Deshalb hat die Kl. das Vorgehen der Bekl. in einer den Vorwurf des Mitverschuldens begründenden Weise herausgefordert.

Randnummer 27 Verstärkt wird das Mitverschulden dadurch, dass die Kl. gegen das Versäumnisurteil keinen Einspruch eingelegt hat, obwohl der Einspruch – in Ermangelung eines Verfügungsanspruchs – aussichtsreich gewesen wäre (vgl. OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG München
, NJWE-WettbR 1996, NJWE-WETTBR Jahr 1996 Seite 257 [NJWE-WETTBR Jahr 1996 Seite 258]; Schuschke/Walker, Vollstreckung u. vorl. Rechtsschutz, 3. Aufl., § 945 Rdnr. 26; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 64. Aufl., § 945 Rdnr. 23; Musielak/ Huber, ZPO, 4. Aufl., § 945 Rdnr. 8; Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, 27. Aufl., § 945 Rdnr. 15).

Randnummer 28 Abgerundet wird das Bild eines erheblichen Mitverschuldens dadurch, dass die Kl. im Hauptsacheverfahren sehr spät – nämlich erst gegen Ende der zweiten Instanz – zur wertausschöpfenden Belastung vorgetragen hat. Dieser Umstand, der nur der Kl. bekannt sein konnte, hatte von Anfang an vorgelegen.

Randnummer 29 d) Nach dem Vorstehenden kann offen bleiben, ob die Kl. die Möglichkeit gehabt hat, das Verfügungsverbot mangels Zustellung der einstweiligen Verfügung im Parteibetrieb löschen zu lassen, oder ob dieses Versäumnis ebenfalls als Mitverschulden ins Gewicht fallen kann.

Randnummer 30 4. Auch hinsichtlich des Schadens ist das Berufungsurteil nicht haltbar.

Randnummer 31 a) Unbegründet ist allerdings der Einwand, die Kl. müsse von der Klageforderung auch die Zinsen absetzen, die für einen Teilbetrag von 85000 DM angefallen wären, wenn der Notar ihn nicht vorübergehend aus der amtlichen Verwahrung herausgegeben hätte. Nach dem Vortrag der Bekl. hat der Notar diesen Teilbetrag an die Finanzierungsbank der Käuferin zurückbezahlt, als die Abwicklung des Kaufvertrags ins Stocken geriet; später hat die Käuferin ihn – ohne Zinsen – wieder auf das Notaranderkonto einbezahlt. In Höhe dieser Zinsen hatte die Kl. keine Vorteile, die sie bei der Schadensberechnung ausgleichen müsste.

Randnummer 32 b) Das BerGer. hat als Schaden die Differenz zwischen den Forderungen der Banken per 30. 5. 2001 und per 31. 7. 1997 angenommen. Damit wird der Einwand der Revision, der Kaufpreis habe nicht ausgereicht, um per 31. 7. 1997 die Bankforderungen abzulösen (dazu schon o. 2b dd), auch im Zusammenhang mit dem Schadensumfang erheblich. Die auf den nicht abgedeckten Forderungsteil entfallenden Zinsen kann die Kl. nicht von der Bekl. beanspruchen.

Randnummer 33 c) Ferner hat das BerGer. offen gelassen, ob sich unter den durch die Grundschulden gesicherten Verbindlichkeiten auch solche befunden haben, welche sich nur gegen den Ehemann der Kl. gerichtet haben. Dass dies unerheblich sei, kann nicht mit der Erwägung des BerGer. begründet werden, nach der zu Grunde liegenden Sicherungsabrede habe zumindest der auf die Kl. übertragene Miteigentumsanteil des Ehemanns dafür gehaftet. Soweit die Kl. nicht persönliche Schuldnerin der grundschuldgesicherten Forderungen war, konnte sie durch deren verzögerte Ablösung und das dadurch bedingte Anwachsen der Darlehenszinsen nicht geschädigt werden. Zwar haftete sie über die ihr Eigentum belastenden Grundschulden auch insoweit dinglich. Wegen der den Wert des Eigentums schon bei Beginn des hier interessierenden Zinszeitraums ausschöpfenden Belastung bedeutet diese dingliche Haftung jedoch keinen Schaden.

Randnummer 34 III. Die Sache ist somit unter Aufhebung des Berufungsurteils an das BerGer. zurückzuverweisen (§§ ZPO § 562 ZPO § 562 Absatz I, ZPO § 563 ZPO § 563 Absatz I 1 ZPO). Dieses wird zunächst der Frage nachgehen müssen, ob im Juli 1997 der Kaufvertrag hätte vollzogen werden können, obwohl der Kaufpreis geringer war als die Summe der abzulösenden grundschuldgesicherten Forderungen und der Kosten. Dabei wird es sich auch damit zu befassen haben, ob der Beginn des Schadenszeitraums auf den 31. 7. 1997 oder – gemäß dem Vorbringen der Kl. – früher anzusetzen ist. Weiter wird das BerGer. das Mitverschulden der Kl. zu gewichten und zu erwägen haben, ob die Haftung der Bekl. ganz oder nur teilweise entfällt. Im zuletzt genannten Fall wird es den Schaden neu zu berechnen haben.

Schlagworte: Nachteile Einstweiliger Verfügung, Schadensersatzforderungen möglich