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Thüringen OLG, Urteil vom 13.11.2024 – 2 U 129/24

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§ 237 AktG

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Mühlhausen vom 25.01.2024, Az. HK O 50/19, wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Dieses Urteil und das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Mühlhausen sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

I.

In der Hauptversammlung der Beklagten am 04.11.2019 wurde mit Mehrheit folgender Beschluss gefasst:

„Die Aktien des Herrn … an der Gesellschaft werden gemäß § 13 Abs. 2d des Gesellschaftsvertrags der Gesellschaft aus wichtigem Grund wegen Treuepflichtverletzung, gesellschaftswidrigen und unternehmerschädigenden Verhaltens zwangsweise eingezogen, die sonstigen Regelungen § 13 des Gesellschaftsvertrags der Gesellschaft sind zu beachten.“

Gegen diesen Beschluss wenden sich die Kläger mit der Anfechtungsklage.

Der Kläger zu 1) ist Aktionär der Beklagten und zugleich Geschäftsführer der GmbH, der Komplementärin der GmbH & Co. KGBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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(im Folgenden: …), mit der die Beklagte einen Teilgewinnabführungsvertrag abgeschlossen hat. Der jetzige Kläger zu 2) ist im Wege der Erbfolge nach Rechtshängigkeit in die Rechtsstellung des …, verstorben am …, eingetreten. Er hat die geerbten Aktien inzwischen an …, die Kinder des Erblassers, abgetreten.

Das Landgericht hat mit dem angegriffenen Urteil den Hauptversammlungsbeschluss über die zwangsweise Einziehung der Aktien des Klägers zu 1) antragsgemäß für nichtig erklärt. Auf die tatbestandlichen Feststellungen im landgerichtlichen Urteil wird Bezug genommen, § 540 Abs. 1 S. 1 Ziff. 1 ZPO.

Mit ihrer Berufung verfolgt die Beklagte ihr Ziel der Klageabweisung weiter, wobei sie sich auch auf ihren erstinstanzlichen Vortrag beruft. Sie meint, das Urteil beruhe auf einer Rechtsverletzung und die nach § 520 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen rechtfertigten eine andere Entscheidung.

Ihr Anspruch auf rechtliches Gehör in Bezug auf das rechtliche Interesse des Klägers zu 2) an der Fortführung des Rechtsstreits sei verletzt. Das Landgericht habe ein rechtliches Interesse des Klägers zu 2) unter Missachtung des Beklagtenvortrags bejaht. Die Begründung des Landgerichts für die Möglichkeit eines Schadensersatzanspruchs des Klägers zu 2) sei viel zu oberflächlich und pauschal und würdige den ausführlichen Vortrag der Beklagten nicht. Es sei nämlich keine der Fallgruppen für das Vorliegen eines berechtigten Interesses gegeben. So habe die Beklagte vorgetragen, dass der Kläger zu 2) durch freiwillige Veräußerung seiner Aktien an Dritte seine Aktionärsstellung verloren habe. Außerdem seien keine Ansprüche auf Schadenersatz in der Klage geltend gemacht worden und einer etwaigen Klageumstellung bzw. Klageänderung in Richtung eines Schadenersatzbegehrens stimme die Beklagte nicht zu. Der Verkauf der Anteile sei auch bereits abgewickelt, weswegen jedwede Wertentwicklung der Aktien nicht mehr die wirtschaftliche Position des Klägers zu 2. beeinflusse.

Bzgl. eines vom Kläger zu 2. angeführten möglicherweise vorliegenden Schadenersatzanspruchs wegen einer behaupteten kompensationslosen Verlagerung von Wirtschaftsgütern durch die Beklagte auf die Tochtergesellschaft werde zum einen eine irgendwie geartete „Verlagerung von Wirtschaftsgütern“ bestritten, außerdem könne ein Schadenersatzanspruch allen- falls der Gesellschaft zustehen. Ein mittelbarer Schaden eines Gesellschafters wegen Verringerung des Werts seiner Beteiligung berechtigte den Gesellschafter nicht, einen Schadensersatzanspruch selbständig geltend zu machen. Die Beklagte habe in der mündlichen Verhandlung auch darauf hingewiesen, dass die Abtretung bereits abgewickelt sei und ein eventueller Schadensersatzanspruch keine Auswirkungen hinsichtlich des Klägers zu 2) mehr haben könnte.

Der Vorsitzende habe eine entgegenstehende Auffassung auf Nachfrage in der Verhandlung nicht begründen wollen, sondern nur auf das Urteil des Senats vom 22.03.2023, 2 U 948/21, verwiesen, gegen das er nicht entscheiden wolle, weil sein Urteil ja sowieso nicht rechtskräftig werde. Auch das Urteil des Landgerichts nehme insoweit lediglich Bezug auf das Urteil des Senats vom 22.03.2023, 2 U 948/21. Zudem sei es unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten höchst problematisch, wenn ein Vorsitzender von einer eigenen Entscheidung absehe, weil er der Meinung sei, dass es sowieso beim Berufungsgericht lande. Die unterlegene Partei verliere dabei eine Instanz. Diese Vorgehensweise stelle einen Verstoß gegen das rechtliche Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG dar.

Soweit die Kläger das rechtliche Interesse damit begründeten, ein Quorum zur Geltendmachung von Rechten der Kläger zu erhalten, hätten die Kläger zusammen 5,03 % des Grundkapitals, nämlich 1.080 von 21.470 Stückaktien, so dass sie die für § 147 Abs. 1 AktG erforderliche einfache Stimmenmehrheit nicht erreichen könnten. Ein rechtliches Interesse des Klägers zu 2) an der Fortführung des Rechtsstreits fehle dementsprechend.

Die Vernichtung des streitgegenständlichen Beschlusses könne überhaupt keine wirtschaftlichen Auswirkungen auf den Kläger zu 2) haben. Die zwangsweise Einziehung der Aktien des Herrn … könne zu keinen Schadensersatzansprüchen des neuen Klägers zu 2) gegen die Beklagte führen. Der Verbleib oder Nicht-Verbleib des Herrn … habe überhaupt keine wirtschaftlichen Auswirkungen für den neuen Kläger zu 2). Der Einziehungsbeschluss habe überhaupt nichts mit den vom neuen Kläger zu 2) behaupteten Vermögensverschiebungen und der angeblich hinterbliebenen leeren Hülle zu tun. Ginge es in diesem Verfahren um die Anfechtung der Beschlüsse, die den vom neuen Kläger zu 2) behaupteten Vermögensverschiebungen zugrunde lägen, sähe die Sache eventuell anders aus.

Die Klage sei damit mangels Anfechtungsbefugnis unbegründet und müsse abgewiesen werden. Das für ein berechtigtes Interesse geforderte Verfolgen eigener wirtschaftlicher Ziele gehe nicht so weit, dass ein Nicht-Aktionär Einfluss auf die Zusammensetzung des Aktionärskreises der von ihm freiwillig verlassenen Beklagten nehmen könne. Vage mittelbare Vorteile durch den Verbleib des Herrn … in der Beklagten dürften aus diesem Grund keine Rolle bei der Bewertung des berechtigten Fortführungsinteresses (Anfechtungsinteresse) spielen. Dies werde auch deutlich daran, dass in allen Gerichtsentscheidungen, in denen dem Nicht-Gesellschafter ein berechtigtes Fortführungsinteresse zugesprochen worden sei, immer ein Beschluss angefochten worden sei, der einen direkten und unmittelbaren wirtschaftlichen Einfluss auf den anfechtenden Nicht(mehr)Aktionär habe haben können.

Im streitgegenständlichen Verfahren habe der neue Kläger zu 2) überhaupt nichts zu dem von ihm gegebenenfalls erhaltenen Verkaufspreis vorgetragen. Er sei aber verpflichtet vorzutragen, welche unmittelbaren finanziellen Vorteile der Verbleib des Herrn … in der Beklagten für ihn haben könnte. Sollte ein dahingehender Vortrag noch erfolgen, dann rüge die Beklagte ihn bereits jetzt als verspätet.

Da ein eventueller Schadensersatzanspruch nur durch einen Gesellschafter für die Gesellschaft geltend gemacht werden könne, stehe fest, dass der neue Kläger zu 2) als Nicht-Gesellschafter keine Schadensersatzansprüche geltend machen könne. Es stehe auch fest, dass ein eventueller Schadensersatzanspruch – wenn überhaupt – der Beklagten zustehe. Der neue Kläger zu 2) erkläre aber nicht, wie sich ein eventueller Schadensersatzanspruch der Beklagten finanziell auf seine Situation auswirken könne.

Das angegriffene Urteil berücksichtige nicht, dass es vorliegend um einen Zwangseinziehungsbeschluss gehe, dass der Verbleib oder Nicht-Verbleib des Klägers zu 1) in der Beklagten für den außenstehenden Kläger zu 2) keine Auswirkungen haben könne und dass kein Vortrag des Klägers zu 2) zu positiven Auswirkungen auf den von ihm (eventuell) erhaltenen Kaufpreis bei Verbleib des Klägers zu 1) in der Beklagten vorliege.

Der ausführliche Vortrag der Beklagten zum fehlenden rechtlichen Interesse des Klägers zu 2) werde im Tatbestand lediglich mit pauschal mit einem Satz wiedergegeben. Auch in den Entscheidungsgründen werde auf den relevanten Beklagtenvortrag überhaupt nicht eingegangen. Dies stelle eine Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG dar. Gehe das Gericht auf den wesentlichen Kern des Tatsachenvorbringens eines Beteiligten zu einer Frage, die für das Verfahren von zentraler Bedeutung sei, in den Entscheidungsgründen nicht ein, so lasse dies auf Nichtberücksichtigung des Vortrags schließen. Die angegriffene Entscheidung beruhe auch auf der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör, weil nicht ausgeschlossen werden könne, dass das Gericht der Sichtweise der Beklagten, hätte es sie zur Kenntnis genommen und erwogen, gefolgt wäre.

Entgegen der Auffassung des Landgerichts sei der Einziehungsbeschluss vom 04.11.2019 wirksam.

Das Landgericht habe zu hohe Anforderungen an das Bestehen der wichtigen Gründe gestellt. Die Auffassung des Erstgerichts, dass auch bei Vorliegen eines wichtigen Grundes im Sinne der aufgezählten Regelbeispiele eine Gesamtbetrachtung vorgenommen werden müsse, weil es sich nur um Regelbeispiele handele, sei rechtsfehlerhaft. Das Aufführen von Regelbeispielen verdeutliche, dass diese Beispiele in jedem Fall einen wichtigen Grund darstellen sollten. Eine Auslegung dahingehend, dass bei Treueverletzungen, gesellschaftswidrigem Verhalten und unternehmensschädigendem Verhalten allein kein wichtiger Grund vorliege, sondern es noch einer zusätzlichen Gesamtbetrachtung bedürfe, sei lebensfremd. Das Erstgericht gehe rechtsfehlerhaft davon aus, dass an die Zwangseinziehungsregelung aus § 13 Abs. 2 lit. d) der Satzung der Beklagten höhere Anforderungen zu stellen seien, da die Regelung die Einziehung nicht anordne, sondern lediglich gestatte. Wollten die Satzungsgeber die Möglichkeit schaffen, dass Aktien von Aktionären zwangsweise eingezogen werden könnten, wenn ein wichtiger Grund vorliege, dann könne diese Einziehung nur gestattet und nicht angeordnet werden. Aus diesem Grund dürfe aufgrund der Gestattung der Einziehung nicht darauf geschlossen werden, dass sich der Satzungsgeber gegen eine Anordnung entschieden habe und dass aus diesem Grund höhere Anforderungen an den wichtigen Grund (zusätzliche Gesamtbetrachtung) zu stellen seien.

Das Erstgericht sei rechtsfehlerhaft davon ausgegangen, dass die verhinderte Freigabe von arrestierten Geldern der Beklagten durch den Kläger zu 1) nicht mit Schädigungsabsicht erfolgt sei. Die Beklagte habe zur feindseligen Absicht des Klägers bzgl. der nicht freigegebenen Arreste vorgetragen. Der Kläger zu 1) habe die neue identische und aussichtslose Hauptsacheklage am 21.03.2019 (HK O 18/18) nach Rücknahme am 30.05.2018 nur eingereicht, um der Beklagten weiterhin den Zugriff auf die ihr zustehenden Gelder zu verhindern. Dieses Verhalten des Klägers zu 1) habe auch nicht mit seinen Pflichten gegenüber der GmbH & Co. KGBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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erklärt werden können, da wegen der vorherigen Klagerücknahme für den Kläger zu 1) festgestanden habe, dass die Klage keine Aussicht auf Erfolg gehabt habe. Der Kläger zu 1) hätte die Freigabe nur einer und nicht aller separierten Summen verhindern können, wenn es ihm tatsächlich um den Schutz der Interessen der GmbH & Co. KGBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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gegangen wäre.

Die Wiedergabe des Beklagtenvortrags im Tatbestand des angegriffenen Urteils sei völlig unzureichend. Auch insofern liege eine Gehörsrügeverletzung nach Art. 103 Abs. 1 GG vor.

Die Auffassung des Landgerichts, dass der Kläger zu 1) besser behandelt werden solle als andere Aktionäre, die keine Pflichten gegenüber anderen Gesellschaften hätten, und dass die Tätigkeit des Klägers zu 1) für die Fa. … nur dann treuwidrig gegenüber der Beklagten sein könne, wenn das Beharren auf Vertragserfüllung die Beklagte in eine existenzbedrohende Situation bringe, sei falsch. Bei der Beurteilung, ob ein treuwidriges / unternehmensschädigendes Verhalten des Klägers zu 1) vorliege, komme es demgegenüber auf die Beweggründe des Klägers zu 1) an. Die Pflichten des Klägers zu 1) gegenüber der GmbH & Co KG könnten allenfalls in einer Abwägung der gegenseitigen Interessen berücksichtigt werden. Das Erstgericht berücksichtige die Interessen der Beklagten jedoch überhaupt nicht, bzw. sollten die Interessen der Beklagten erst mit dem Eintritt einer existenzbedrohenden Lage relevant werden.

Hätte das Erstgericht die Beweggründe des Klägers zu 1) pflichtgemäß eruiert, hätte es die feindselige und unternehmensschädigende Einstellung des Klägers zu 1) gegenüber der Beklagten erkannt. Dementsprechend hätte es die Verhinderung der Freigabe der arrestierten Gelder der Beklagten als wichtigen Grund zum Ausschluss des Klägers zu 1) aus der Beklagten gesehen und die Klage abgewiesen.

Die im streitgegenständlichen Fall vorgetragenen Gründe für die Einziehung seien nicht identisch mit den Gründen für Ausschlüsse in früheren Verfahren. Insoweit bestehe aber für das Gericht auch keine Bindungswirkung.

Die Beklagte beantragt,

  1. das Urteil des Landgerichts Mühlhausen vom 25.01.2024 – HK O 50/19 – abzuändern und die Klage abzuweisen,

hilfsweise

  • das Urteil des Landgericht Mühlhausen vom 25.01.2024 – HK O 50/19 – aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht Mühlhausen zurückzuverweisen.

Die Kläger beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Kläger verteidigen das erstinstanzliche Urteil, auch unter Bezugnahme auf ihren erstinstanzlichen Vortrag.

Im Vergleich zum Verfahren HK O 28/19 des Landgerichts Mühlhausen (2 U 948/21 OLG Jena) ergäben sich keine durchgreifenden Besonderheiten, die eine abweichende Entscheidung rechtfertigen würden.

Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs der Beklagten liege nicht vor. Das Gericht habe in seiner Entscheidung den Tatsachenvortrag zu würdigen gehabt, während es sich bei dem von der Beklagten zitierten, vermeintlich ignorierten Vortrag nahezu ausschließlich um Rechtsausführungen, ansonsten um unsubstantiiertes Bestreiten klägerischen Vortrags handele. Dass das Landgericht zu einem von der Rechtsauffassung der Beklagten abweichenden Ergebnis gekommen sei, begründe keine Gehörsverletzung. Ebenso sei es unproblematisch, wenn sich das Landgericht an einer Entscheidung des Oberlandesgerichts orientiere. Damit vermeide es lediglich eine Divergenz zwischen seiner Entscheidung und der bereits in einer nahezu identischen Sache vorliegenden Entscheidung.

Es liege auch keine Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG durch ein vermeintliches Verkennen des wesentlichen Kerns des Beklagtenvortrages vor. Soweit die Beklagte meine, der Tatbestand des Urteils würde ihren Vortrag auslassen, hätte sie gem. § 320 ZPO einen Tatbestandsberichtigungsantrag stellen müssen.

Der Kläger zu 2) habe auch nach Abtretung seiner Aktien an die Kinder seines verstorbenen Bruders ein rechtliches Interesse an der Fortführung des Rechtsstreits. Der Kläger zu 2) habe die Aktien nicht freiwillig abgetreten, sondern sei dazu aufgrund der Satzungsregelung der Beklagten in § 13 Abs. 2 lit. c) gezwungen gewesen, um eine Zwangseinziehung zu vermeiden. Aus der angegriffenen Entscheidung ergebe sich auch keine Freiwilligkeit. Das rechtliche Interesse des Klägers zu 2) an einem Erhalt der Beteiligung des Klägers zu 1) ergebe sich daraus, dass ein Gesamtquorum zur Geltendmachung angezeigter Rechte der Kläger, die – soweit unstreitig – als einzige Gesellschafter nicht an den Parallelgesellschaften beteiligt worden seien, erhalten bleiben solle. Im Hinblick auf die Ausführungen im Urteil des Senats vom 22.03.2023, 2 U 948/21, auf das das Landgericht verwiesen habe, habe es keiner weiteren Erörterungen bedurft. Die Argumentation der Beklagten, das Gericht habe zu hohe Anforderungen an das Vorliegen eines wichtigen Grundes gestellt, erschließe sich nicht. Ob ein wichtiger Grund vorliege, sei stets im Wege einer Gesamtbetrachtung aller Umstände zu ermitteln, da es sich hierbei um einen unbestimmten Rechtsbegriff handele. Warum die Beklagte nunmehr davon ausgehe, dass das Vordergericht eine „zusätzliche“ Gesamtbetrachtung vorgenommen habe, sei weder aus den Entscheidungsgründen der streitigen Entscheidung noch aus ihren Ausführungen erschließbar. Im Übrigen unterliege der unbestimmte Rechtsbegriff des wichtigen Grundes der vollständigen gerichtlichen Überprüfung. Das Landgericht habe überzeugend dargelegt, dass ein unternehmens- schädigendes Verhalten des Klägers zu 1) nicht vorgelegen habe. Die Beklagte übersehe, dass ein Treuepflichtverstoß des Klägers zu 1) auch deswegen nicht angenommen worden sei, weil es der Beklagten im Arrestverfahren selbst oblegen habe, ihre Rechte gegenüber Dritten geltend zu machen. Schon deshalb sei eine Unternehmensschädigung durch den Kläger zu 1) aufgrund der arrestierten Gelder ausgeschlossen. Zudem habe der Kläger zu 1) als Vertretungsorgan für die … allein deren Rechte wahrgenommen und keine Schädigungsabsicht zu Lasten der Beklagten gehabt. Die Klagerücknahme und neue Einreichung einer Klage impliziere nicht, dass diese keine Aussicht auf Erfolg gehabt habe.

Gegen den aktuellen Vorstand der Beklagten, Herrn …, und den ehemaligen Geschäftsführer, Herrn …, sei im Übrigen Anklage wegen Untreuedelikten erhoben worden.

II.

Die Berufung der Beklagten ist zulässig, aber unbegründet.

A.

Soweit die Beklagte umfangreich die Verletzung rechtlichen Gehörs durch das Landgericht rügt, ist eine Verletzung des rechtlichen Gehörs der Beklagten nicht ersichtlich und wären (unterstellte) Gehörsverletzungen durch dessen nachträgliche Gewährung im Rahmen der Berufung jedenfalls geheilt (vgl. zur Heilung in der Rechtsmittelinstanz: BVerfG, Beschluss vom 25.05.1956 – 1 BvR 128/56 – juris, Rz. 6; Zöller, ZPO, 35. Aufl., § 528 Rz. 8, juris), da (auch) der Senat den gesamten Vortrag der Beklagten zur Kenntnis genommen und abgewogen hat.

Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet die Gerichte nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen, nicht jedoch der von den Beteiligten vertretenen Rechtsansicht zu folgen (vgl. hierzu und zum Folgenden: BVerfG, Beschluss vom 14.08.2013 – 1 BvR 3157/11 -, juris, Rz. 14 m.w.N.). Aus Art. 103 Abs. 1 GG folgt für die Gerichte auch keine Pflicht, sich mit jedem Vorbringen in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zu befassen. Denn grundsätzlich geht das Bundesverfassungsgericht davon aus, dass die Gerichte das Parteivorbringen zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen haben. Art. 103 Abs. 1 GG ist daher erst dann verletzt, wenn sich im Einzelfall aus besonderen Umständen klar ergibt, dass tatsächliches Vorbringen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei der Entscheidung nicht erwogen worden ist. Geht das Gericht auf den wesentlichen Kern des Tatsachenvortrags einer Partei zu einer Frage, die für das Verfahren von zentraler Bedeutung ist, in den Entscheidungsgründen nicht ein, so lässt dies grundsätzlich auf die Nichtberücksichtigung des Vortrags schließen. Da Art. 103 Abs. 1 GG einen Anspruch darauf gewährt, sich vor einer gerichtlichen Entscheidung sowohl zum Sachverhalt wie auch zur Rechtslage zu äußern, gelten die vorstehenden Maßstäbe für beide Aspekte.

Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe ist eine Gehörsverletzung nicht ersichtlich. Das Landgericht hat ersichtlich das Vorbringen der Beklagten zur Kenntnis genommen und sich damit auseinandergesetzt, ist nur zu anderen als den von der Beklagten gewünschten Schlussfolgerungen gekommen.

B.

Die Berufung der Beklagten ist unbegründet, weil der angegriffene Beschluss vom Landgericht zutreffend für nichtig erklärt worden ist gemäß §§ 243 ff. AktG.

  1.  

Nichtigkeitsgründe im Sinne des § 241 AktG, die zur Feststellung der Nichtigkeit führen würden, sind nicht ersichtlich und auch nicht geltend gemacht.

2.

Das Landgericht hat den Beschluss jedoch zu Recht für nichtig erklärt.

a)

Die Kläger zu 1) und 2) sind anfechtungsbefugt.

Der Kläger zu 1), der zum Zeitpunkt der Hauptversammlung vom 04.11.2019 Inhaber der Stückaktien mit den Nummern 21.471 – 22.050 war und auch heute noch ist, ist klagebefugt im Sinne des § 245 Abs. 1 Ziff. 1 AktG. Der Kläger zu 1) nahm an der Hauptversammlung teil und erklärte Widerspruch gegen den streitgegenständlichen Beschluss zur Niederschrift.

Der Kläger zu 2) war zum Zeitpunkt der Hauptversammlung vom 04.11.2019 nicht Inhaber von Aktien der Beklagten, ist aber (nach Rechtshängigkeit) als Erbe gemäß § 1922 Abs. 1 BGB in die Rechtsstellung seines verstorbenen Bruders eingetreten. Dieser war klagebefugt gemäß § 245 Abs. 1 Ziff. 1 AktG, da er in der Hauptversammlung vom 04.11.2019 durch einen Bevollmächtigten (…) vertreten war, der gegen den streitgegenständlichen Beschluss Widerspruch zur Niederschrift erklärte.

Der Kläger zu 2) hat seine Anfechtungsbefugnis auch nicht dadurch verloren, dass er die geerbten Aktien an die Kinder seines verstorbenen Bruders abgetreten hat.

Ein Aktionär/Gesellschafter, der einen Beschluss mit der Nichtigkeits- und/oder Anfechtungsklage angegriffen hat, kann den Rechtsstreit nach § 265 ZPO auch nach der Veräußerung seiner Aktien fortsetzen, sofern er daran noch ein berechtigtes Interesse hat (vgl. hierzu und zum Folgenden: BGH, Urteil vom 09.10.2006 – II ZR 46/05 -, juris, Rz. 15 m.w.N.). Die Anfechtungsbefugnis des Aktionärs als Anfechtungskläger endet (nur) dann mit seinem Ausscheiden, wenn die Anfechtung gegen Beschlüsse gerichtet ist, an deren Vernichtung der ausgeschiedene Aktionär kein berechtigtes Interesse mehr hat (vgl. BGH, Urteil vom 09.10.2006 – II ZR 46/05 – juris, Rz. 15 und Rz. 17 m.w.N.). Da die Anfechtungsbefugnis ein aus der Mitgliedschaft unmittelbar folgendes Verwaltungsrecht ist und nach dem Normzweck des § 265 Abs. 2 ZPO außer der verklagten Partei zumindest auch das Interesse des ursprünglichen Rechtsinhabers und Klägers an der Weiterführung des Prozesses geschützt werden soll (vgl. BGH, Beschl. v. 27. Januar 2000 – I ZB 39/97, juris, Rz. 16, zum Beschwerdeverfahren im Markenrecht), ist der Rechtsgedanke dieser Vorschrift gleichermaßen im GmbH-Recht wie im Aktienrecht auf den Fall der Veräußerung der Mitgliedschaft während des laufenden Prozesses anzuwenden (vgl. BGH, Urteil vom 09.10.2006 – II ZR 46/05 -, juris, Rz. 15).

An die Begründung des rechtlichen Interesses sind dabei keine hohen Anforderungen zu stellen. Die bloße Möglichkeit eines Schadensersatzanspruchs reicht aus, um darzutun, dass der Gesellschafter auch nach seinem Ausscheiden aus der Gesellschaft noch ein rechtliches Interesse an der Fortsetzung des Rechtsstreits hat (BGH, Urteil vom 25. Februar 1965 – II ZR 287/63 –, BGHZ 43, 261-269, Rn. 48). Die Möglichkeit eines Schadensersatzanspruches ergibt sich im vor- liegenden Fall aus der Behauptung der Kläger, es seien die Wirtschaftsgüter der Beklagten treu- widrig auf Parallelgesellschaften verlagert worden, an denen (unstreitig) nur die Kläger nicht beteiligt worden seien, so dass die Beklagte, die ohne dies einen Wert von 4,5 Mio. Euro haben müsste, als leere Hülle zurückgeblieben sei. Insoweit stehen auch deliktische Schadensersatzansprüche im Raum. Dass die Möglichkeit deliktischer Schadensersatzansprüche besteht, wird jeden- falls deutlich, wenn – wie hier – gegen Vorstandsmitglieder und/oder damalige Geschäftsführer Anklage wegen Untreuedelikten erhoben ist.

Ein fortbestehendes berechtigtes Interesse an der Aufrechterhaltung der Aktionärsstellung des Herrn … ergibt sich aus der bisherigen gemeinsamen „Opposition“ des Klägers zu 1) und des verstorbenen Klägers zu 2), die eine Förderung und Durchsetzung gemeinsamer Interessen, auch Schadensersatzansprüche, erleichtert, wobei es nicht darauf ankommt, ob eventuelle Schadensersatzansprüche unmittelbar im laufenden Verfahren verfolgt werden. Der Kläger zu 1) hat sich zusammen mit dem ursprünglichen Kläger zu 2) im Verfahren 2 U 492/17 des Senats u.a. und zum Teil erfolgreich gegen Beschlüsse der Gesellschafterversammlung der Beklagten am 29.12.2014 gewendet, wonach die Gewinnfeststellung zum 31.12.2013 korrigiert und statt Ausschüttung ein Gewinnvortrag vorgesehen wurde (Punkt 2 und 3) sowie landwirtschaftliche Produktionsmittel in erheblichem Umfang verkauft bzw. unterverpachtet wurden (Punkt 9). Der Senat hat mit (inzwischen rechtskräftigem) Urteil im Februar 2023 die Nichtigkeit der entsprechenden Beschlüsse festgestellt. Im Hinblick auf die Möglichkeit noch geschuldeter Gewinnausschüttungen oder anderer Schadensersatzansprüche für die Zeit der innegehabten Aktionärsstellung bzw. ererbter Ansprüche ist ein fortbestehendes eigenes wirtschaftliches Interesse des Klägers zu 2) an ihm günstigen bzw. an der Verhinderung ihm ungünstiger Beschlüsse der aktuellen Aktionäre durch fortbestehende Aktionärsstellung des … nicht sicher zu verneinen. An-sprüche des Klägers zu 2) für die Vergangenheit sind dabei grundsätzlich trotz erfolgter Abtretung der Anteile denkbar. Das OLG KölnBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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hat im Verfahren 22 U 139/99 (OLG KölnBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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, Urteil vom 11.01.2000 – 22 U 139/99 -, juris) bzgl. einer KG das Feststellungsinteresse der früheren Kommanditisten bejaht, wobei im dortigen Fall streitig war, ob die früheren Kommanditisten auch nach Übertragung der Kommanditeinlagen noch Inhaber von Guthaben auf bei der Gesellschaft geführten Kapitalkonten geblieben waren. Das OLG KölnBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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führt insofern aus (a.a.O., juris, Rz. 50 f.): „Derartige schuldrechtliche Ansprüche des Gesellschafters sind selbständig übertragbare Rechte, hinsichtlich derer es den Parteien freisteht zu regeln, ob und inwieweit diese nicht im Sin- ne des § 717 S. 1 BGB mit der Einlage fest verbundenen Ansprüche auf den Erwerber übergehen. Dies gilt nicht nur für die künftigen Ansprüche des Gesellschafters, sondern auch für die aus der Vergangenheit herrührenden Ansprüche, wie insbesondere Guthaben auf Sonderkonten des Veräußerers, die auf stehengelassenen Gewinnen beruhen. Mangels abweichender Vereinbarung ist nach der Rechtsprechung davon auszugehen, dass die zukünftigen Ansprüche uneingeschränkt auf den Erwerber übergehen; für die aus der Vergangenheit herrührenden Ansprüche ist dies dagegen im Zweifel nur gewollt, soweit diese Rechte im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses bereits im Rechenwerk der Gesellschaft, insbesondere der Bilanz ihren Nieder- schlag gefunden haben und auf Konten des Veräußerers verbucht sind. Anderenfalls können die Parteien sich kein klares Bild von den Folgen der Abtretung machen, was für den Erwerber unabsehbare Risiken mit sich brächte“. Der BGH hat im Urteil vom 02.11.1987 – II ZR 50/87 – (zitiert in: juris, Rz. 4) die grundsätzliche Möglichkeit, dass Forderungen gegen die Gesellschaft (dort eine KG), die im Rechenwerk der Gesellschaft keinen Niederschlag gefunden haben, beim Übertragenden verbleiben, bestätigt.

Auch Gründe der Prozesswirtschaftlichkeit finden Beachtung (vgl. (BGH, Urteil vom 9. Oktober 2006 – II ZR 46/05 –, BGHZ 169, 221-232, Rn. 24); die Regelung in § 265 Abs. 2 ZPO dient auch der prozessökonomie (OLG KoblenzBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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, Urteil vom 27. Januar 2005 – 6 U 342/04 –, Rn. 12, juris; Nietsch, NZG 2007, 451, 453). Um dem Erfordernis der Prozesswirtschaftlichkeit gerecht zu wer- den, ist auch die Sachdienlichkeit der Prozessfortführung zu beurteilen. Sie liegt nach allgemeiner Definition vor, wenn die Fortsetzung des Prozesses dazu beiträgt, den sachlichen Streitstoff zwischen den Parteien im Rahmen des anhängigen Verfahrens auszuräumen und einen weiteren prozess zu vermeiden, wenn Zusammengehörendes in demselben prozess verhandelt und nicht auseinandergerissen wird (Nietsch, aaO). Auch der Gesichtspunkt der Prozesswirtschaftlichkeit spricht dafür, dass der Kläger zu 2) das – entscheidungsreife – Verfahren zu Ende führen kann und die offenen Fragen im laufenden Verfahren geklärt werden können. Die Kinder des Bruders wären nach dem Gedanken des § 265 Abs. 2 S. 2 ZPO nicht befugt, ohne die (nicht erteilte) Zustimmung der Beklagten das Verfahren zu übernehmen. Die Frage der Wirksamkeit des Beschlusses könnte von den Kindern auch in einem neuen Verfahren nicht geltend gemacht werden, da die Anfechtungsfrist des § 246 Abs. 1 AktG von ihnen nicht mehr eingehalten werden könnte. Die ursprünglich eindeutig zu bejahende und unabhängig von der Klage des Klägers zu 1) bestehende Kontrollbefugnis des Inhabers der ursprünglich vom verstorbenen Bruder des Klägers zu 2) gehaltenen Stammaktien entfiele im Ergebnis völlig, während eine Entscheidung im laufenden Verfahren nach § 248 AktG demgegenüber auch Wirkung für und gegen die Kinder des Bruders hätte.

b)

Ein eventueller Satzungsverstoß als Anfechtungsgrund wurde fristgerecht (§ 246 Abs. 1 AktG) geltend gemacht.

Der angegriffene Beschluss wurde in der Hauptversammlung am 04.11.2019 gefasst. Die Klage ist am 04.12.2019 anhängig gemacht (Bl. 1 d.A.) und am 18./19.12.2019 zugestellt worden (Bl. 111 a – d LG). Die Zustellung wirkt gemäß § 167 ZPO auf die Anhängigkeit zurück. Ausgehend vom Fristablauf am 04.12.2019 liegt schon im Ansatz keine die Rückwirkung verhindernde Verzögerung vor, da die allenfalls schädliche Verzögerung von mehr als 14 Tagen (Zöller – Greger, ZPO, 34. A., § 167 ZPO, Rn. 11; BGH, Versäumnisurteil vom 25. September 2015 – V ZR 203/14 –, Rn. 9, juris) nicht erreicht worden ist. Im Übrigen beruht auch diese Verzögerung nicht auf dem Verhalten des Klägers, da der Gerichtskostenvorschuss am 05.12.2019 angefordert (Bl. I LG) und jedenfalls bis zum 10.12.2019 bezahlt worden ist (Bl. 109R LG).

c)

Es liegen Anfechtungsgründe vor.

Der Zwangseinziehungsbeschluss entspricht bereits formal nicht den Anforderungen an eine Zwangseinziehung von Aktien. Zudem liegt ein wichtiger Grund im Sinne von § 13 Abs. 2 lit. d der Satzung der Beklagten (Anlage B1, Anlagenband Beklagte, LG) für die Zwangseinziehung nicht vor. Gründe für eine Zwangseinziehung nach § 13 Abs. 2 lit. a) – c) der Satzung hat die Beklagte nicht geltend gemacht.

aa)

Ein Anfechtungsgrund liegt bereits darin, dass der angegriffene Beschluss formal nicht den Anforderungen an eine Zwangseinziehung von Aktien entspricht.

Grundlage für die Zwangseinziehung ist § 237 AktG i.V.m. der Satzung der Beklagten. § 13 Abs. 1 der Satzung verweist insoweit auch selbst darauf, dass eine Einziehung von Aktien (nur) unter Beachtung der Voraussetzungen des § 237 AktG möglich ist.

Der angegriffene Beschluss trifft nur die Aussage zur Zwangseinziehung der Aktien des Klägers zu 1) ohne Aussage über das weitere Schicksal der entsprechenden Anteile. Weder wurde eine Herabsetzung des Grundkapitals beschlossen (§ 237 Abs. 2 AktG), noch die Anordnung getroffen, dass sich durch die Einziehung der Anteil der übrigen Aktien am Grundkapital erhöht (§ 237 Abs. 3 Ziff. 3 AktG, vereinfachte Kapitalherabsetzung). Gemäß § 237 Abs. 2 AktG sind bei der Zwangseinziehung die Vorschriften über die ordentliche Kapitalherabsetzung zu befolgen. Der Beschluss muss insoweit den Herabsetzungsbetrag benennen (§ 222 Abs. 1 AktG), den Zweck der Kapitalherabsetzung bestimmen (§ 222 Abs. 3 AktG) und angeben, dass die Durchführung der Einziehung von Aktien nach § 237 Abs. 1 erfolgen soll (vgl. Münchener Kommentar zum AktG – Oechsler, 5. Aufl., 2021, § 237 Rz. 9, nach beck-online; ähnlich K. Schmidt/Lutter – Veil, AktG, § 237 Rz. 28, juris). Vorliegend fehlt es jedenfalls an der Festlegung, ob eine Kapitalherabsetzung oder eine Erhöhung der anderen Anteile erfolgen soll. Unabhängig davon, ob Angaben in der Satzung überhaupt ausreichen würden, finden sich insoweit auch keine statutarischen Regelungen.

Die fehlende Übereinstimmung mit den gesetzlichen Vorschriften führt zur Anfechtbarkeit des Beschlusses (vgl. K. Schmidt/Lutter – Veil, AktG, 5.Aufl., § 237 Rz. 54, zitiert nach juris).

bb)

Das Landgericht hat aber auch zu Recht das Fehlen eines „wichtigen Grundes“ im Sinne von § 13 der Satzung als Anfechtungsgrund angesehen.

(1)

Für die Zwangseinziehung gelten folgende Maßstäbe:

Eine Zwangseinziehung ist gestattet i.S.v. § 237 Abs. 2 Satz 1 AktG, wenn die Satzung die Entscheidung über die Einziehung der Hauptversammlung überantwortet. In diesem Fall muss in der Satzung ein Grund für die Einziehung nicht bestimmt werden. Die Einziehung ist grundsätzlich auch dann zulässig, wenn in der Satzung keine konkreten Vorgaben gemacht werden. Allerdings gilt der Gleichbehandlungsgrundsatz (§ 53a AktG) und der Beschluss der Hauptversammlung über die Einziehung von Aktien bedarf einer sachlichen Rechtfertigung. Dies bedeutet, dass die beschlossene Einziehung im Gesellschaftsinteresse liegen und erforderlich sowie verhältnismäßig sein muss (vgl. K. Schmidt/Lutter – Veil, a.a.O., § 237 Rz. 14; s. auch BGH, Urteil vom 13.03.1978 – II ZR 142/76 -, juris, Rz. 8 ff., für den vergleichbaren Fall des Kapitalerhöhungsbeschlusses unter Bezugsrechtsausschluss).

Auch die Zwangseinziehung von Aktien nach der satzungsmäßigen Regelung der Beklagten steht unter diesem Vorbehalt. Ein „wichtiger Grund“ (§ 13 Satzung) erfordert jedenfalls auch eine sachliche Rechtfertigung und die Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Soweit die Beklagte meint, das Landgericht habe generell zu hohe Anforderungen an das Bestehen eines wichtigen Grundes gestellt, ist dies aus den vorgenannten Gründen nicht zutreffend.

(2)

Die für eine Zwangseinziehung von Aktien gemäß § 273 Abs. 1 AktG erforderliche Ermächtigung in der Satzung liegt mit § 13 der Satzung grundsätzlich vor. Wie bereits in der mündlichen Verhandlung mitgeteilt, geht der Senat dabei davon aus, dass § 13 der Satzung in der vorgelegten Fassung vom 04.06.2019 der Ausgangsfassung zum Zeitpunkt des Entstehens der Aktien mit der Umwandlung der Beklagten in eine AG entsprach. Die Parteien haben in der Folge auch keinen abweichenden Vortrag gehalten.

Ein zwangsweiser Ausschluss von Aktionären aus wichtigem Grund kommt vorliegend nach § 237 Abs. 1 AktG i.V.m. § 13 Abs. 2 lit d) der Satzung grundsätzlich in Betracht bei Vorliegen eines „sonstigen wichtigen Grundes in der Person eines Aktionärs, insbesondere einer Treueverletzung, eines gesellschaftswidrigen oder unternehmensschädigenden Verhaltens“.

Die von der Beklagten angeführten Gründe für die Zwangseinziehung stellen einen derartigen

„wichtigen Grund“ nicht dar.

(3)

Sowohl die von der Beklagtenseite angeführten Gründe, als auch allgemeiner die Zerrüttung des Verhältnisses waren im Grundsatz bereits Gegenstand früherer Ausschließungsversuche.

In dem Rechtsstreit zwischen denselben Parteien hat der Senat mit Urteil vom Februar 2023 – 2 U 492/17 – (dort unter II. 14. c); der Entscheidung lag der Gesellschaftsvertrag der vor Rechtsformänderung der Beklagten bestehenden GmbH mit einer etwas anderen Formulierung zugrunde, wonach ein Ausschluss bei grob schuldhafter Verletzung von Gesellschaftspflichten erfolgen konnte), einen wichtigen Grund für einen Ausschluss des Klägers zu 1) verneint und diesbezüglich ausgeführt:

„Ein Gesellschafter kann zwangsweise aus der Gesellschaft ausgeschlossen werden, wenn in seiner Person ein diese Maßnahme rechtfertigender wichtiger Grund vorliegt.

Ein wichtiger Grund für den Ausschluss liegt vor, wenn den übrigen Gesellschaftern die Fortsetzung der Gesellschaft mit dem betroffenen Mitglied infolge seines Verhaltens oder seiner Persönlichkeit nicht mehr zuzumuten ist, seine weitere Mitgliedschaft also den Fortbestand der Gesellschaft unmöglich macht oder doch ernstlich gefährdet (Noack – Fastrich, aaO, Anh. § 34 GmbHG, Rn. 3). Dies bedarf einer umfassenden Prüfung aller Umstände des Einzelfalls und einer Gesamtabwägung der beteiligten Interessen sowie des Verhaltens der übrigen Gesellschafter (BGH, Urteil vom 13. Februar 1995 – II ZR 225/93 –, Rn. 15, juris). Ein schuldhaftes Verhalten ist zwar nicht erforderlich, da es allein auf die objektiven Umstände ankommt, wobei allerdings eine Pflichtwidrigkeit oder ein sonst schuldhaftes Verhalten die Ausschließung regelmäßig eher rechtfertigen wird. Bei der Gesamtwürdigung geht es nicht allein um das Verhalten des Aus- zuschließenden, sondern ebenso um das der anderen Gesellschafter (OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG München
, Urteil vom 12. November 2009 – 23 U 2754/09 –, Rn. 8, juris).

Bei der Ausbringung von Arresten und einstweiligen Verfügungen, Ausbringung von Zahlungsverboten und der Geltendmachung der Zahlungsansprüche handelte Herr … als Geschäftsführer der … zur Durchsetzung von nach seiner Auffassung entstandenen Zahlungsansprüchen aus der Teilgewinnabführungsvereinbarung.

Der Interessengegensatz, der zwischen der Beklagten und der … entstand, beruht auf der Konstruktion der Verwendung der Betriebsmittel der ehemaligen LPG durch die … und die übrigen Gesellschaften einschließlich der Beklagten. Wie sich den bereits vorliegenden gerichtlichen Entscheidungen zur Problematik der Gewinnabführung entnehmen lässt, handelt es sich jedenfalls nicht um eine willkürliche Handlungsweise des Herrn …, mit der die Schädigung der Beklagten verfolgt wird, sondern um die Verfolgung von Interessen der …, die Herrn … als deren Geschäftsführer obliegt.

Ein Gesellschafter kann aufgrund der ihm der Gesellschaft und seinen Mitgesellschaftern gegenüber obliegenden Treuepflicht gehalten sein, von ihm an sich zustehenden Rechten keinen Gebrauch zu machen. Er braucht dabei aber nicht ohne weiteres seine eigenen Belange hinter diejenigen der Gesellschaft zurückzustellen; es kommt vielmehr auf eine Abwägung der beiderseitigen Interessen an (BGH, Urteil vom 10. Juni 1991 – II ZR 234/89 –, Rn. 7, juris).

Gleiches gilt für den Umstand, dass der Kläger … in seiner Stellung als Geschäftsführer der Komplementärin der … ständig Rechtsstreitigkeiten mit der Beklagten führt. Dies kann allerdings regelmäßig ein Indiz dafür sein, dass ein tiefgreifendes Zerwürfnis besteht. Jedoch handelt es sich hier nicht um ein schikanöses, nicht durch die Wahrung berechtigter eigener Belange gerechtfertigtes Vorgehen. Der Kläger … leitet nicht etwa wahllos gerichtliche Streitigkeiten ein und wird dabei ständig abgewiesen. Vielmehr gehen die Rechtsstreitigkeiten auch zu seinen Gunsten aus. Dieser Befund kann sogar dafür sprechen, dass die hinter der prozessbeteiligten GmbH stehenden anderen Gesellschafter sich ihrerseits nicht gesellschaftstreu verhalten, sondern versuchen, den Kläger aus der Gesellschaft hinauszudrängen oder als Störenfried darzustellen (vgl. OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG München
, Urteil vom 12. November 2009 – 23 U 2754/09 –, Rn. 11, juris).

Auch bei dem Schreiben vom 18.12.2014 … an die Verpächter von Grundstücken handelt es sich um eine hinreichend begründete Wahrnehmung der Interessen der …

Die bereits genannte Strafanzeige gibt aus den bereits genannten Gründen ebenfalls keinen wichtigen Grund für den Ausschluss des … aus der Beklagten ab.

Die gegen einen anderen Gesellschafter oder gegen das Organmitglied einer Mitgesellschafterin gerichtete Strafanzeige ist nicht in jedem Fall als ein Verhalten anzusehen, das das Verbleiben des Anzeigeerstatters in der Gesellschaft unzumutbar macht. Jedenfalls dann, wenn eine solche Anzeige nicht leichtfertig oder gar wider besseres Wissen erhoben wird, sondern der sich an die Strafverfolgungsbehörden wendende Gesellschafter nach gewissenhafter Prüfung der Auffassung sein kann, es lägen strafbare Verhaltensweisen vor, ist es ihm nicht verwehrt, sich an die Ermittlungsbehörden zu wenden (BGH, Urteil vom 24. Februar 2003 – II ZR 243/02 –, Rn. 11, juris).

Das zwischen den Gesellschaftern bestehende tiefgreifende Zerwürfnis rechtfertigt als solches noch nicht die Ausschließung des Klägers … (OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG München
, Urteil vom 12. November 2009 – 23 U 2754/09 –, Rn. 15, juris). Der Ausschluss eines Gesellschafters unter dem Gesichtspunkt eines tiefgreifenden Zerwürfnisses setzt voraus, dass das Zerwürfnis von ihm zumindest überwiegend verursacht worden ist und in der Person des oder der auf Ausschließung klagenden Gesellschafter nicht ebenfalls ein Ausschlußgrund vorliegt (BGH, Urteil vom 10. Juni 1991 – II ZR 234/89 –, Rn. 13, juris). Dies ist aus den genannten Gründen nicht der Fall.“

(4)

Diese Ausführungen gelten hinsichtlich der nach Umwandlung nunmehr bestehenden AG und der hiesigen Beschlussfassung im Grundsatz entsprechend. Die leicht geänderte Formulierung in der Satzung mit dem Versuch, den wichtigen Grund in der Person des Aktionärs durch ausdrückliche Benennung von Beispielen (“Treueverletzung“, „gesellschaftswidrigen oder unternehmensschädigenden Verhaltens“) zu konkretisieren, führt nicht zu einem anderen Ergebnis, bedeutet insbesondere nicht, dass der Kläger zu 1) eigene und Belange der … zurückstellen müsste oder nicht ggf. auch mit rechtlichen Mitteln verfolgen dürfte, wenn diese Belange in Konflikt mit Belangen der Beklagten stehen, um sich nicht dem Vorwurf des gesellschaftswidrigen oder unternehmensschädigen Verhaltens auszusetzen. Eine solche Auslegung der Satzungsklausel widerspräche auch dem Grundsatz der VerhältnismäßigkeitBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Grundsatz
Grundsatz der Verhältnismäßigkeit
. Nach erneuter Überprüfung macht sich der Senat die damaligen Ausführungen auch im Hinblick auf den hier vorliegen- den Sachverhalt und § 13 der aktuellen Satzung zu eigen. Ein wichtiger Grund für eine Zwangseinziehung der Aktien des Klägers zu 1) ergibt sich aus den von der Beklagten vorgetragenen Gründen nicht.

(5)

Dies gilt auch im Hinblick auf den erweiterten Vortrag der Beklagten zur treuwidrigen Verfolgung von Gewinnabführungsforderungen und diesbezüglicher Zwangsvollstreckungsmaßnahmen.

Ein wichtiger Grund für eine Zwangseinziehung ergibt sich weder im Hinblick auf die Behauptung der Beklagten, der Kläger zu 1) habe zum Schaden der Beklagten bewusst nicht bestehende Forderungen aus einem Gewinnabführungsvertrag verfolgt, noch bezüglich des Vorwurfs, der Kläger zu 1) habe mit Schädigungsabsicht zu Lasten der Beklagten die Freigabe arrestierter Gelder der Beklagten (bei zusätzlich bestehender Übersicherung) verhindert.

(5.1.)

Die Beklagte behauptet, dass der Kläger zu 1) seit der Klagerücknahme am 30.05.2018 gewusst habe, dass ihm (richtig wäre: der …) die mit der Klage (der …) vom 13.10.2014 geforderten Gelder nicht zustünden und kein Arrestgrund bestehe.

Hierzu hat die Beklagte weiter vorgetragen, bzgl. der Hauptsacheforderung, wegen derer der Arrest erfolgte sei (Nachforderungen aus der Teilgewinnabführungsabrede für 2001 und 2004 in Höhe von 13.170,88 €) habe der Senat im Hauptsacheverfahren Az. 2 U 402/17 in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, dass Anspruchs- und Berechnungsgrundlage für die Teilgewinnabführung ausschließlich der handelsrechtliche Jahresabschluss bzw. die GuV sein könne, nicht aber ein Betriebsprüfungsbericht. Der Senat habe dem Kläger zu 1) klargemacht, dass der … kein Anspruch zustehe und dass die Klage abzuweisen sei, woraufhin dieser (die …) die Klage zurückgenommen habe. Die Richtigkeit dieser Ausführungen unterstellt (das Terminsprotokoll enthält insoweit keine ausformulierten Hinweise) gilt folgendes:

Wenn die Beklagte mit der … einen Teilgewinnabführungsvertrag schließt, kann diese nach ihrer Auffassung bestehende Ansprüche daraus geltend machen und ggf. im Prozesswege verfolgen, selbst wenn der Geschäftsführer der Komplementärin für die … (der Kläger zu 1) Anteile an der Beklagten hält. Anders könnte dies nur dann sein, wenn der Kläger zu 1) als Geschäftsführer der Komplementärin der … bewusst nicht bestehende Ansprüche der … verfolgt hätte, zumal, falls er das mit dem Ziel getan hätte, der Beklagten zu Schaden. Allein, dass der Senat die … nach der Darstellung der Beklagten auf eine fehlerhafte Berechnungsgrundlage für einen Anspruch aus dem Gewinnabführungsvertrag hingewiesen hat, schließt aber das Bestehen eines Anspruchs (ggf. nach Berechnung auf zutreffender Grundlage) gerade nicht aus. Auch die zunächst nach dem Hinweis erfolgte Klagerücknahme und eine spätere Neuerhebung der Klage führen nicht zu der Annahme, die … bzw. der Kläger zu 1) sei selbst nicht mehr von einem bestehenden Anspruch ausgegangen. Selbst wenn die … letztlich in Bezug auf diese geltend gemachte (Nach-) Forderung für 2001 und 2004 aus Gewinnabführungsvertrag vor Gericht nicht durchgedrungen ist, lässt dies die Rechtsverfolgung durch den Kläger zu 1) für die … noch nicht als treuwidrig zu Lasten der Beklagten erscheinen.

(5.2.)

Die Pfändung oder die Ausbringung eines Arrests rechtfertigen als Wahrnehmung berechtigter Interessen der … in der Durchsetzung des Gewinnabführungsvertrags der … mit der Beklagten im Ergebnis keine Zwangseinziehungsmaßnahmen zu Lasten des Klägers zu 1).

Dies gilt auch, wenn aufgrund des Arrests bei 3 verschiedenen Banken 3 Mal der volle Arrestbetrag auf verschiedenen Konten der Beklagten separiert worden ist.

Es ist bereits nicht ersichtlich, dass der Kläger zu 1) hiervon Kenntnis hatte. Soweit die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vorgetragen hat, sie gehe davon aus, dass der Kläger zu 1) als Vertreter der … von den 3 betroffenen Banken eine entsprechende Mitteilung bekommen habe, dass jeweils knapp 20.000,- € erfolgreich separiert worden seien, haben die Kläger dies bestritten und Kenntnis von der konkreten Kontendeckung verneint. Es seien nur – wie üblich – im Arrestantrag die bekannten Bankverbindungen angegeben worden.

Ein konkretisierter Vortrag und ein Beweisangebot der Beklagten dazu, wann konkret und wie der Kläger zu 1) Kenntnis erhalten haben soll, fehlen und wurde auch innerhalb der Stellungnahmefrist nicht gehalten.

Unabhängig davon war es aber auch zunächst und vordringlich Sache der Beklagten selbst, ihre eigenen Belange wahrzunehmen und gegen eine etwaige Überpfändung und/oder eine unzulässige Arrestierung vorzugehen. Bei widerstreitenden Rechtsansichten und Interessen der Beklagten und der … in Bezug auf den Gewinnabführungsvertrag und dessen Durchsetzung war es grundsätzlich Sache der Beklagten, ihre eigenen Interessen wahrzunehmen, während der Kläger zu 1) als Geschäftsführer der Komplementärin der … deren Interessen wahrzunehmen hatte. Dass der Kläger zu 1) seine eigenen oder Interessen der … hätte zurückstellen müssen wegen Treuepflichten aus seinem Aktionärsverhältnis bei der Beklagten, kann nur in Ausnahmefällen angenommen werden. Ein solcher Ausnahmefall ist nicht ersichtlich, wenn und soweit die Beklagte ihre Belange im erforderlichen Umfang selbst vertreten kann und ihre Rechte und Interessen z.B. mit prozessualen Mitteln selbst wahren kann.

Der Beklagten hätte es freigestanden, von der Möglichkeit einer Erinnerung nach § 766 ZPO (vgl. Zöller, ZPO, 35. Aufl., § 803 Rz. 6; BGH, Urteil vom 22.01.1975 – VIII ZR 119/73 -, juris, Rz.14) Gebrauch zu machen, um gegen eine Übersicherung vorzugehen. Dass sie die … bzw. den Kläger zu 1) auch nur zu einer Freigabe der übersteigenden Beträge (z.B. bzgl. zweier Konten) aufgefordert hätte, behauptet die Beklagte im Übrigen nicht. Auch ist weder behauptet noch ersichtlich, dass und ggf. welchen konkreten Schaden die Beklagte erlitten hätte oder dass sie in Gefahr geraten wäre.

Demgegenüber ist die Beklagte gegen die Zwangsvollstreckungsmaßnahme insgesamt vorgegangen und hat die Frage der Überpfändung selbst nicht in den Fokus gestellt. Sie hat (zunächst) die Möglichkeit eines Antrags nach § 927 ZPO gewählt, und war damit erfolglos. Auch ihre Auswahlentscheidung bei der wahl rechtlicher Mittel kann die Beklagte nicht dem Kläger zu 1) anlasten.

(5.3.)

Die Beklagte ist der Auffassung, das Landgericht berücksichtige Interessen der Beklagten überhaupt nicht bzw. erst dann, wenn für die Beklagte eine existenzbedrohende Lage eintrete. Nach Auffassung des Landgerichts solle der Kläger zu 1) besser behandelt werden als andere Aktionäre, die keine Pflichten gegenüber anderen Gesellschaften hätten.

Eine Pflicht zur bevorzugten Behandlung hat das Landgericht nicht statuiert und ergibt sich auch aus dem Urteil nicht. Der Kläger zu 1) darf ebenso wie jeder andere Aktionär eigene berechtigte Belange wahrnehmen. Wenn die Beklagte Verhalten des Klägers als Geschäftsführer der Komplementärin der … als Begründung für die Zwangseinziehung heranzieht, muss sie sich im Gegenzug gefallen lassen, dass auch die Wahrnehmung berechtigter Belange der … durch den Kläger zu 1) in die Abwägung eingestellt werden (müssen).

Der Senat hat im Urteil vom 07.01.2015 – 2 U 317/14 – (Anlage K3, Bl. 61 ff., 70 f. LG), bzgl. der Nichtigerklärung des Ausschluss des Klägers zu 1) durch die Beklagte mit Beschluss vom 22.08.2013 u.a. ausgeführt: „Auch die Tätigkeit des Klägers als Geschäftsführer der GmbH verletzt nicht seine Pflichten als Gesellschaft der Beklagten. Allenfalls dann, wenn das Beharren auf Vertragserfüllung die Beklagte in eine existenzbedrohende Situation bringen würde, ließe sich erwägen, ob der Kläger hierdurch gegen seine Loyalitätspflichten gegenüber der Beklagten verstößt. Bei einem Gewinnabführungsvertrag kommt dies jedoch bereits im Ansatz nicht in Betracht.“ Davon, dass der Gewinnnabführungsvertrag der Beklagten mit der … wirksam ist, ist der Senat bereits in der – vom BGH bestätigten (II ZR 175/18) – Entscheidung des Senats vom 16.05.2018 – 2 U 79/15 – ausgegangen. Auf dieser Basis begegnet die Durchsetzung von Ansprüchen der … und die darauf gerichtete Tätigkeit des Klägers zu 1) keinen Bedenken und kann dem Kläger zu 1) von der Beklagten nicht entgegen gehalten werden, wie der Senat bereits früher ausgeführt hat.

Dass und wieweit durch die Arrestierung von Geldern bei der Beklagte eine existenzbedrohende Lage eingetreten ist, hat die Beklagte weder dargelegt, noch ist dies ansonsten ersichtlich, zu- mal die Beklagte auch keine eigenen Anstrengungen zur Beseitigung der Übersicherung vorgetragen hat.

(6)

Soweit die Beklagte meint, es komme maßgeblich auf die Beweggründe des Klägers zu 1) an, die – so die Behauptung der Beklagten – feindselig und von einer unternehmensschädigenden Einstellung geprägt seien und die das Landgericht habe eruieren müssen, ist dies unzutreffend.

Nach der Satzung der Beklagten ist maßgeblich nicht eine „Einstellung“, sondern ein „Verhalten“ des entsprechenden Aktionärs. Eine „Einstellung“ kann nur dann ein wichtiger Grund sein, wenn sie sich schädigendem Verhalten manifestiert; ansonsten liegt weder ein sachlicher Grund,

noch die Verhältnismäßigkeit der Einziehung vor („Die Gedanken sind frei“). Mehr als das Verhalten des Klägers zu 1) als Beleg für eine behauptete feindselige und unternehmensschädigende Einstellung anzuführen, tut die Beklagte nicht. Das tatsächliche Verhalten des Klägers zu 1) rechtfertigt jedoch aus den oben genannten Gründen die Einordnung als feindselig oder unternehmensschädigend nicht.

(7)

Im Hinblick auf die – vor Fassung des streitgegenständlichen Beschlusses angeführten – weiteren Gründe (Schreiben an die Verpächter von Grundstücken aus dem Jahr 2014 und diesbezügliche einstweilige Verfügungen sowie Strafanzeigen gegen Mitaktionäre/Organmitglieder) liegen ebenfalls keine wichtigen Gründe vor. Die Beklagte hat diese im Verfahren auch nicht mehr aufgegriffen. Insoweit gelten im Übrigen auch die Ausführungen im Urteil des Senats vom Februar 2023 – 2 U 402/17.

Hinsichtlich vor Beschlussfassung angeführter Vorgänge um eine Betriebsprämie haben die Kläger unwidersprochen vorgetragen, die Vorgänge bzgl. der Betriebsprämie hätten sich nicht gegen die Beklagte, sondern gegen andere Gesellschaften gerichtet. Vorwürfe, bei denen die zugrunde liegenden Handlungen des Klägers zu 1) oder der … sich nicht gegen die Beklagte, sondern eine andere Gesellschaft richteten, können nicht als „wichtiger Grund“ im Verhältnis der Parteien dienen.

(8)

Auch in der Gesamtschau stellen die einzelnen von der Beklagten vorgetragenen Tatsachen keinen „wichtigen Grund“ für eine Zwangseinziehung der Aktien dar. Die entsprechende Einschätzung des Landgerichts ist nicht zu beanstanden. Soweit sich die Beklagte dagegen wendet, dass das Landgericht zusätzlich eine solche „Gesamtschau“ vorgenommen habe, wendet sich die Beklagte gegen eine – zu ihren eigenen Gunsten erfolgte – zusätzliche Prüfung der vorgebrachten Gründe in ihrer Gesamtheit. Dass das Landgericht die eigene Behauptung der Beklagten von der völligen Zerrüttung des Verhältnisses zum Kläger zu 1) im Urteil aufgreift, zeigt, dass es – entgegen der Behauptung der Beklagten – deren Vortrag zur Kenntnis genommen hat, und ist nicht zu beanstanden. Die Formulierung der Satzung zeigt mit dem Wort „insbesondere“, dass es sich bei den Begriffen „Treueverletzung“, „gesellschaftswidriges Verhalten“ und „unternehmensschädigendes Verhalten“ um Beispiele eines „sonstigen wichtigen Grundes“ handelt.

C.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Ziff. 10, 713 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil es sich um die Entscheidung eines Einzelfalls ohne grundsätzliche Bedeutung handelt und weder die Fortbildung des Rechts, noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts gebieten, § 543 Abs. 2 ZPO.

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Schlagworte: AktG § 237, Ausschluss- oder Einziehungsbeschluss, Einziehung, Einziehung Aktien, Einziehungsbeschluss