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OLG Düsseldorf, Urteil vom 16. Dezember 2021 – 6 U 87/20 

§ 167 ZPO

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 21.02.2020 verkündete Urteil der 10. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Düsseldorf in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 08.05.2020 (40 O 66/16) teilweise abgeändert und unter Zurückweisung der Berufung der Beklagten wie folgt neu gefasst:

Der in der Hauptversammlung der Beklagten vom 21.07.2016 zu Punkt 7 der Tagesordnung gefasste Beschluss, wonach der von der Hauptversammlung am 17.07.2015 bestellte Besondere Vertreter Dr. A. abberufen wurde, wird für nichtig erklärt.

Der in der Hauptversammlung der Beklagten vom 21.07.2016 vom Versammlungsleiter festgestellte und verkündete Beschluss zu Punkt 10 der Tagesordnung, wonach die Beschlussanträge der Klägerin zur Geltendmachung von ErsatzansprüchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Ersatzansprüchen
Geltendmachung von Ersatzansprüchen
der B.-AG („B.-AG“) gem. § 147 Abs. 1 AktG gegen Mitglieder des Vorstandes und des Aufsichtsrates im Zusammenhang mit dem Erwerb der Anteile an der C.-S.A. durch die B.-AG von der D.-Gruppe sowie zur Bestellung eines Besonderen Vertreters zur Geltendmachung der Ersatzansprüche gemäß § 147 Abs. 2 S.1 AktG abgelehnt worden sind, wird für nichtig erklärt.

Es wird festgestellt, dass in der Hauptversammlung der Beklagten am 21.07.2016 zu Top 10 der Tagesordnung die nachfolgenden Beschlüsse gefasst worden sind:

1. Beschlussfassung über die Geltendmachung von ErsatzansprüchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Ersatzansprüchen
Geltendmachung von Ersatzansprüchen
, § 147 Abs. 1 AktG

Die Hauptversammlung der Gesellschaft hat am 17.07.2015 beschlossen, Ersatzansprüche der Gesellschaft gegen die E.-S.A.U. und Obergesellschaften im Zusammenhang mit dem Erwerb der Anteile an der C.-S.A. durch die Gesellschaft von der D.-Gruppe geltend zu machen. Wegen der Einzelheiten wird verwiesen auf die Bekanntmachung von Top 7 der heutigen Hauptversammlung im Bundesanzeiger vom 08.06.2016 sowie auf die Bekanntmachung von Top 11 der Tagesordnung der Hauptversammlung vom 17.07.2015 im Bundesanzeiger am 19.06.2015.

Ergänzend dazu wird nunmehr beschlossen, die Ersatzansprüche der Gesellschaft aus dem vorgenannten Geschäft als Gesamtschuldner mit der E.-S.A.U. und Obergesellschaften auch geltend zu machen

– gegen die (z.T.) ehemaligen Vorstandsmitglieder der Gesellschaft F., G. sowie H. sowie

– gegen die Aufsichtsratsmitglieder J., K., L., M., N. sowie O..

Zum Grund der geltend zu machenden Ansprüche wird zunächst auf die Darstellung bei der Bekanntmachung des Top 10 im Bundesanzeiger am 28.06.2016 verwiesen. Veranlasst durch die herrschende Mehrheitsaktionärin hat die Gesellschaft durch Tochtergesellschaften (vgl. Geschäftsbericht 2015, Seite 25) 100% der Anteile an der C.-S.A. zum Kaufpreis von EUR 34 Mio. erworben. Der Kaufvertrag wurde nach einer (gerichtlich angefochtenen) Beschlussfassung der Hauptversammlung vom 16.07.2015 am 22.07.2015 unterzeichnet und soweit ersichtlich danach mit Wirkung vom 01.08.2015 vollzogen. Dadurch wurde der herrschenden Mehrheitsaktionärin auf deren Veranlassung verdeckt Vermögen der Gesellschaft zugewendet. Der Kaufpreis war deutlich überhöht. Die Unangemessenheit des Kaufpreises beruht im Wesentlichen auf folgenden Faktoren:

der Annahme einer erhöhten Belegungsquote, zu niedrig angesetzten Kosten für die Beseitigung des Renovierungsrückstaus des erworbenen Hotels, Ansatz einer zu hohen Zimmerzahl, Ansatz zu niedriger laufender Erhaltungsinvestitionen, Nicht-Berücksichtigung des Ergebnisses 2014, Ansatz eines zu Lasten der Gesellschaft unrichtigen Wachstumsabschlags, Nicht-Berücksichtigung des wertmindernden Umstandes, dass das Hotel im Grundbuch als im Bau befindlich bezeichnet ist, sowie Nicht-Berücksichtigung überhöhter Verrechnungspreise von Geschäften der erworbenen Hotelbeteiligung mit den Konzerngesellschaften des herrschenden Unternehmens sowie wirtschaftlicher Aushöhlung der erworbenen Beteiligung vor Erwerb durch überhöhte Auszahlungen an das herrschende Unternehmen.

Die vorgenannten Organmitglieder waren an der Vorbereitung und Umsetzung des Geschäfts zum Vorteil des herrschenden Unternehmens als handelnde Vorstandsmitglieder (z.T. sogar während der Beschlussunfähigkeit des Vorstands!) bzw. deren unzureichender Überwachung als Aufsichtsratsmitglieder gerade auch in der Zeit der Beschlussunfähigkeit beteiligt – Frau F. als Vorstandsmitglied nur an der Umsetzung, Herr G. bis zu seinem Ausscheiden aus der Gesellschaft an der Vorbereitung und Umsetzung. Die Pflichtwidrigkeiten bei der Vorbereitung und Umsetzung des Geschäfts folgen schon aus den Feststellungen des Besonderen Vertreters, die er in das Verfahren LG Duisburg 22 0 50/16 eingeführt hat und die unter anderem Grundlage der vom LG Duisburg erlassenen einstweiligen Verfügung vom 09.06.2016 waren:

Danach musste der Besondere Vertreter auf der Grundlage der ihm von der Gesellschaft vorgelegten Unterlagen feststellen, dass für die Bewertung des Kaufobjektes, der C.-S.A., ganz zentrale Aspekte von der Due-Diligence-Prüfung seitens der damit beauftragten WP-Gesellschaft Q. sowie seitens der anlässlich der Transaktion eingeholten Unternehmensbewertung ausgespart worden waren; dies betraf insbesondere den Umstand, dass von der Due-Diligence-Prüfung ausdrücklich jegliche Überprüfung der Angemessenheit der internen Konzernverrechnungspreise im Verhältnis zwischen der C.-S.A. und den Konzernunternehmen der D.-Gruppe ausgenommen war, obgleich in dem Due-Diligence Bericht für den Bereich Finanzen festgestellt wurde, dass gut 41,7% der von der C.-S.A. bezogenen Lieferungen und Leistungen von Unternehmen der D.-Gruppe stammten. Weiter ergab sich, dass die Einhaltung der einschlägigen bauordnungsrechtlichen und baupolizeilichen Vorschriften, insbesondere des Brandschutzes und der Gebäudesicherheit, von der Due-Diligence-Prüfung auftragsgemäß ausgespart geblieben waren. Schließlich ergab sich auch, dass noch kurz vor dem Kauf der Anteile an der C.-S.A. durch die (Tochtergesellschaften der) Gesellschaft im Jahr 2015 ganz erhebliche Zahlungen von der C.-S.A. an Gesellschaften der D.-Gruppe geflossen waren (sprich: Das Kaufobjekt wurde vor der Veräußerung kräftig zur Ader gelassen), ohne dass aus den Unterlagen klar wurde, ob diese Zahlungen berechtigt bzw. bei der Bestimmung des Kaufpreises berücksichtigt waren (vgl. LG Duisburg, Teilurteil vom 09.06.2016, S.8 f).

Der aufgrund des überhöhten Kaufpreises entstandene Ersatzanspruch der Gesellschaft ist auch nicht durch die in der Ad hoc-Meldung der Gesellschaft vom 13.07.2016 mitgeteilte Veräußerung der Beteiligung an der C.-S.A. kompensiert, da die Veräußerung nichts an der im Geschäftsjahr 2015 nicht ausgeglichenen (vgl. § 311 Abs. 2 AktG) Nachteilszufügung durch den überhöhten Kaufpreis zu ändern vermag. Dies gilt auch im Hinblick darauf, dass die Gesellschaft nur ca. 1/3 des Kaufpreises in Cash erhalten hat und den Rest des Kaufpreises wieder dem Käufer für den Erwerb von Immobilienkrediten zurückgezahlt hat.

Alle Organmitglieder haften neben der Verletzung ihrer Verpflichtungen als Organmitglieder gemäß §§ 93, 116 AktG darüber hinaus auch nach § 318 AktG als Gesamtschuldner neben den Unternehmen der D.-Gruppe, gegen die die Geltendmachung der Ersatzansprüche bereits beschlossen worden ist.

2. Bestellung eines Besonderen Vertreters, § 147 Abs. 2 AktG

Zum Besonderen Vertreter gemäß § 147 Abs. 2 S. 1 AktG zur Geltendmachung der in Ziff. 1 dargelegten, geltend zu machenden Ansprüche wird bestellt:

Herr Rechtsanwalt Dr. A., geschäftsansässig R., R.-Rechtsanwaltsgesellschaft mbH.

Für den Fall, dass Herr Dr. A. sein Amt nicht annehmen kann oder wegfällt, wird ersatzweise Herr Dr. S., geschäftsansässig R., R.-Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, bestellt.

Der Besondere Vertreter kann sich zur Ausführung seines Auftrags ihm geeignet erscheinender Hilfspersonen, insbesondere zur beruflichen Verschwiegenheit Verpflichteter, seiner Wahl bedienen und sich insbesondere rechtlich (auch was das spanische Recht angeht) und in wirtschaftlicher Hinsicht beraten und unterstützen lassen, insbesondere von Personen mit Kenntnissen der Branche der Gesellschaft. Dem Besonderen Vertreter ist – soweit gesetzlich zulässig unmittelbar und sonst über den Vorstand der B.-AG – Zugang zu Personal und zu seinem Auftrag betreffenden Unterlagen der Gesellschaft zu gewähren.

Die Kosten des Rechtstreits sowie die außergerichtlichen Kosten der Streithelfer der Klägerin trägt die Beklagte.

Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Klägerin bzw. die Streithelfer vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

Gründe

  I.

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit der in der ordentlichen Hauptversammlung der seinerzeit noch unter B.-AG firmierenden Beklagten vom 21.07.2016 gefassten Beschlüsse zu den Tagesordnungspunkten 7 (Abberufung des Besonderen Vertreters der Beklagten) und 10 (Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen Mitglieder von Vorstand und Aufsichtsrat der Beklagten und Bestellung eines Besonderen Vertreters).Randnummer2

Die Beklagte ist eine börsennotierte Aktiengesellschaft mit Sitz in Duisburg. Gegenstand des Unternehmens der Beklagten ist u.a. der Betrieb von Hotels und anderen gastronomischen Betrieben im In- und Ausland und zwar insbesondere durch die Errichtung von Unternehmen oder der Beteiligung an anderen Unternehmen im In- und Ausland. Das Grundkapital der Beklagten beträgt 51.480.000,00 EUR und ist eingeteilt in 19.800.000 Stückaktien. Größte Aktionärin der Beklagten ist die D.-S.A., die der in der Hotellerie- und Touristikbranche tätigen D.-Gruppe angehört. Zweitgrößte Aktionärin der Beklagten war zu diesem Zeitpunkt die Klägerin. Deren Streithelfer zu 6) ist der mit – anderweitig angefochtenem – Beschluss der Hauptversammlung der Beklagten vom 16./17.07.2015 zur Geltendmachung von ErsatzansprüchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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Geltendmachung von Ersatzansprüchen
bestellte und mit dem hier strittigen Beschluss zu Tagesordnungspunkt 7 wieder abberufene Besondere Vertreter der Beklagten.Randnummer3

Hintergrund der streitgegenständlichen Hauptversammlungsbeschlüsse ist der – nach mit den Stimmen der Mehrheitsaktionärin gefasster Zustimmung der Hauptversammlung der Beklagten vom 16./17.07.2015, die ebenfalls Gegenstand einer Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage ist (Landgericht Düsseldorf 40 O 75/15) – erfolgte Erwerb der Gesellschaftsanteile an der C.-S.A. zu einem Kaufpreis von 34 Mio. EUR durch die Beklagte von der D.-Gruppe.Randnummer4

Die Einberufung der ordentlichen Hauptversammlung der Beklagten vom 21.07.2016 erfolgte mit Veröffentlichung im elektronischen Bundesanzeiger am 08.06.2016 (Anlage MHP 1). Unter Top 7 schlugen der Vorstand und der Aufsichtsrat der Beklagten „im Kosteninteresse der Gesellschaft“ vor, die von der Hauptversammlung am 17.07.2015 beschlossene Bestellung des Besonderen Vertreters und seines Vertreters mit sofortiger Wirkung zu widerrufen. Zur Begründung heißt es u.a.:Randnummer5

„Der besondere Vertreter hat unverzüglich nach seiner Bestellung seine Tätigkeit aufgenommen. (….) Trotz der unverzüglichen Aufnahme seiner Tätigkeit hat der besondere Vertreter bis zum heutigen Tag keine Ersatzansprüche geltend gemacht. Der besondere Vertreter hat vielmehr angekündigt, eine Vielzahl von kostenintensiven Gutachten in Auftrag geben zu wollen. Sowohl die Fristversäumnis als auch die Gutachtenaufträge indizieren, dass die antragstellende Aktionärin T.-GmbH die Pflichtverletzungen zu den angeführten Sachverhalten nur ins Blaue hinein behauptet hat und nunmehr im Wege von Gutachten erstmals überhaupt Anhaltspunkte für Pflichtverstöße ermittelt werden sollen.“Randnummer6

Die Klägerin erwirkte daraufhin die Ergänzung der Tagesordnung um die Tagesordnungspunkte 8 (Bericht des besonderen Vertreters), 9 (Bestellung eines besonderen Vertreters zur Geltendmachung der von der Hauptversammlung am 17.07.2015 zur Geltendmachung beschlossenen Ersatzansprüche) und 10 (ergänzende Beschlussfassungen gemäß § 147 Abs. 1 AktG über die Geltendmachung von ErsatzansprüchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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Geltendmachung von Ersatzansprüchen
der Beklagten gegen Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrates im Zusammenhang mit dem Erwerb der Anteile an der C.-S.A. und über die Bestellung eines besonderen Vertreters zur Geltendmachung von ErsatzansprüchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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Geltendmachung von Ersatzansprüchen
gem. § 147 Abs. 2 AktG). Wegen der Einzelheiten wird auf die Bekanntmachung des Ergänzungsverlangens durch Einstellen in den Bundesanzeiger verwiesen (Anlage MHP 2).Randnummer7

Die Hauptversammlung wurde in Bezug auf die Tagesordnungspunkte 1 bis 7 vom Aufsichtsratsvorsitzenden der Beklagten als dem satzungsgemäßen Versammlungsleiter geleitet. In Bezug auf die Tagesordnungspunkte 8 bis 10 übernahm Rechtsanwalt Dr. U. die Versammlungsleitung, nachdem er am Vortag gerichtlich zum Versammlungsleiter bestellt worden war (Beschluss AG Duisburg vom 20.07.2016 – HRB 3291, Anlage MP10).Randnummer8

Wegen des weiteren Sachverhalts und der erstinstanzlichen Anträge wird auf die Feststellungen in dem angefochtenen Urteil in der berichtigten Fassung des Beschlusses vom 08.05.2020 verwiesen, soweit diese den in diesem Urteil getroffenen Feststellungen nicht widersprechen, § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO.Randnummer9

Das Landgericht hat die Klage hinsichtlich des zu Tagesordnungspunkt 7 gefassten Beschlusses als begründet und in Bezug auf den abgelehnten Beschlussantrag zu Tagesordnungspunkt 10 als unbegründet angesehen. Zur Begründung hat das Landgericht im Wesentlichen ausgeführt, die Klägerin sei anfechtungsbefugt; ihre Aktionärsrechte ruhten auch nicht aufgrund verletzter Mitteilungspflichten. Der zu Tagesordnungspunkt 7 mit den Stimmen der Beklagten (Anmerkung des Senats: Gemeint ist die Mehrheitsaktionärin der Beklagten) gefasste Beschluss, wonach der von der Hauptversammlung am 17.07.2015 bestellte Besondere Vertreter Dr. A. abberufen werde, sei für nichtig zu erklären, da er unter Verstoß gegen § 136 Abs.1 AktG zustande gekommen sei. Die Feststellung des BeschlussergebnissesBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Feststellung
Feststellung des Beschlussergebnisses
sei fehlerhaft, da die Mehrheitsaktionärin der Beklagten bei der Beschlussfassung einem Stimmrechtsausschluss unterlegen habe. Aktionäre sollten nach dieser Vorschrift in einem Interessenkonflikt zwischen den persönlichen und den Gesellschaftsinteressen ihr Stimmrecht nicht zu Lasten der Gesellschaft ausüben können; die Einflussnahme von verbandsfremden interessen auf das Abstimmungsergebnis solle vermieden werden. Dies gelte schon für jedwede Form der vorbereitenden Maßnahme, etwa die Bestellung eines Besonderen Vertreters zur Geltendmachung von ErsatzansprüchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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Geltendmachung von Ersatzansprüchen
. Hier gehe es um die Abberufung des Besonderen Vertreters, der zur Geltendmachung von ErsatzansprüchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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in der Hauptversammlung vom 17.07.2015 bestellt worden sei. Als gegenläufiger Akt unterliege auch der Beschluss über die Aufhebung der Bestellung den Beschränkungen nach § 136 AktG, da ansonsten dem Gesetzeszweck zuwider durch eine Abberufung des Besonderen Vertreters die Geltendmachung von ErsatzansprüchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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Geltendmachung von Ersatzansprüchen
gegen einen Aktionär zunichte gemacht werden könnte. Der Stimmrechtsausschluss sei auch nicht von den Gründen abhängig, aus denen die Aufhebung im Einzelfall erfolge. Insoweit könne dahinstehen, ob es tatsächlich wichtige Gründe gegeben habe, die für eine Abberufung des Besonderen Vertreters gesprochen hätten, wie die Beklagte meine. Ebenso wenig komme es darauf an, ob der Beschluss zur Geltendmachung von ErsatzansprüchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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Geltendmachung von Ersatzansprüchen
gegen den Aktionär selbst angreifbar sei, etwa weil die Ersatzansprüche nicht in ausreichender Weise konkretisiert seien. Dies folge aus der Zweckrichtung des Stimmverbotes, welches anderenfalls leerliefe. Der betroffene Aktionär sei auch nicht schutzlos, da ihm die Möglichkeit der Anfechtungsklage bleibe.Randnummer10

Die Klägerin könne hingegen weder mit Erfolg Anfechtungsklage gegen den zu Punkt 10 erfolgten Beschluss erheben, wonach die Hauptversammlung es abgelehnt habe, auch gegen die Mitglieder des Vorstandes und des Aufsichtsrates im Zusammenhang mit dem Erwerb der Anteile an der C.-S.A. Schadensersatzansprüche geltend zu machen, noch mit Erfolg eine positive Feststellungsklage erheben, dass entsprechende Beschlüsse einschließlich der Bestellung eines Besonderen Vertreters mit diesem Wirkungskreis wirksam gefasst worden seien. Auch die Hilfsanträge hätten keinen Erfolg. Im Gegensatz zu dem zuvor behandelten Sachverhalt unterliege die Beklagte (Anmerkung des Senats: Gemeint ist erneut deren Mehrheitsaktionärin) bei einem Beschluss in Bezug auf die Geltendmachung etwaiger Ersatzansprüche gegenüber Vorstand und Aufsichtsrat keinem Stimmausübungsverbot nach § 136 AktG. Eine analoge Anwendung des § 53a AktG scheitere an einer planwidrigen Regelungslücke, da ansonsten § 53a AktG auf den vorliegenden Fall erweitert worden wäre. Dem Gesetzgeber sei die grundsätzliche Problematik bewusst gewesen, ohne dass er insoweit eine Regelung getroffen hätte. Es könne dahinstehen, ob hinsichtlich des Lebenssachverhaltes, welcher einem Ersatzanspruch sowohl in Bezug auf den Aktionär als auch in Bezug auf den Vorstand zugrunde liege, ein enger Zusammenhang bestehe. Ein derartiger Zusammenhang sei allein bei mehreren Aktionären zur Ausweitung des Stimmrechts geeignet, nicht aber bei der Beschlussfassung nur über Ansprüche gegenüber Vorstand und Aufsichtsrat. Es bestehe keine zwingende Notwendigkeit, über den Wortlaut des § 136 AktG hinaus das Stimmrechtsverbot auf Fälle auszuweiten, bei denen Ersatzansprüche gegen Vorstände und Aufsichtsrat geltend gemacht würden, wenn diese nicht gleichzeitig auch Aktionäre seien.Randnummer11

Hiergegen wenden sich die Klägerin und die Beklagte mit ihren form- und fristgerecht eingelegten Berufungen, mit denen die Klägerin ihre abgewiesenen Anträge weiterverfolgt und die Beklagte die vollständige Klageabweisung erreichen will.Randnummer12

Die Klägerin verfolgt ihre auf Nichtigerklärung des vom Versammlungsleiter zu Top 10 der Tagesordnung festgestellten (ablehnenden) Beschlusses sowie Feststellung des Zustandekommens der von ihr beantragten Beschlüsse zur Geltendmachung von ErsatzansprüchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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Geltendmachung von Ersatzansprüchen
der Beklagten gegen Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats und der Bestellung eines Besonderen Vertreters gerichtete Klage weiter, rügt insofern die Verletzung materiellen Rechts und verteidigt das Urteil gegen die Angriffe der Berufung der Beklagten als zutreffend.Randnummer13

Die Klägerin meint, das Landgericht habe rechtsfehlerhaft angenommen, der im Antrag genannte Beschluss zu Top 10 der Tagesordnung sei mit den Stimmen der Mehrheitsaktionärin abgelehnt worden. Entgegen dessen Ansicht habe für die Mehrheitsaktionärin ein Stimmverbot nach § 136 Abs. 1 S. 1 Var. 3 AktG bestanden. Die Argumentation des Landgerichts sei derart oberflächlich und ohne Auseinandersetzung mit ihrem Vortrag, dass sie zunächst auf diesen sowie auf die Ausführungen des Nebenintervenienten Dr. A. Bezug nehme. Die Hauptversammlung der Beklagten 2015 habe die Geltendmachung von ErsatzansprüchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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Geltendmachung von Ersatzansprüchen
gegen die Mehrheitsaktionärin im Zusammenhang mit dem Erwerb der Anteile an der C.-S.A. durch die Beklagte von der D.-Gruppe beschlossen. In dem insoweit vor dem Landgericht Düsseldorf anhängigen Verfahren (40 O 75/15) werde derzeit aufgrund eines gerichtlichen Beweisbeschusses die Angemessenheit des Kaufpreises von einem Sachverständigen überprüft. Da die Mehrheitsaktionärin die schädigenden Geschäfte nur mithilfe des Vorstands und des Aufsichtsrats der Beklagten habe durchführen können, habe sie, die Klägerin, die Tagesordnung der Hauptversammlung vom 21.07.2016 erweitern lassen, um auch die gesamtschuldnerische Geltendmachung von ErsatzansprüchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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gegen die damaligen Mitglieder von Vorstand und Aufsichtsrat der Beklagten zu beschließen. Die Begründung, mit der das Landgericht das Stimmrechtsverbot der Mehrheitsaktionärin trotz der beabsichtigten Geltendmachung von ErsatzansprüchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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Geltendmachung von Ersatzansprüchen
der mit ihr gesamtschuldnerisch haftenden Organmitglieder der Beklagten verneint habe, sei unverständlich. Wie es auf § 53a AktG komme, sei vollkommen unklar, da sie, die Klägerin, nie mit dieser Vorschrift argumentiert habe. Dagegen habe sich das Landgericht in keinster Art und Weise mit der insoweit einschlägigen BGH-Rechtsprechung (BGHZ 97, 28 ff.) auseinandergesetzt. Daraus, dass die Mehrheitsaktionärin kollusiv mit den Organen der Beklagten zu deren Schaden gehandelt habe, folge die gesamtschuldnerische Haftung der herrschenden Aktionärin und der Organmitglieder der abhängigen Gesellschaft nach § 318 Abs. 1 und 2 AktG. Hinter § 136 Abs. 1 AktG stehe das allgemeine, rechtsformübergreifend anerkannte Verbot des Richtens in eigener Sache. Die entscheidende Frage sei hier, ob das Stimmverbot auch für den gelte, der mit denjenigen, gegen die sich die zu beschließenden Ersatzansprüche richten sollen, gemeinsam gehandelt habe. Würde es sich sämtlich um Aktionäre handeln, wäre das unstreitig der Fall, sofern zwischen den Ansprüchen gegen die einzelnen Aktionäre ein Zusammenhang bestünde. Die Reichweite des Stimmverbots sei auch keinesfalls eine Frage der Einzelanalogie, sondern folge bereits aus der Auslegung der Norm. Die BGH-Rechtsprechung sei ihrer Auffassung nach auch auf Mittäter anwendbar, die keine Aktionäre seien, da die Mehrheitsaktionärin bei der Beurteilung über das den Organmitgliedern vorgeworfene Fehlverhalten ihrer Mittäter und damit gleichzeitig über ihr eigenes Fehlverhalten abstimme. Ohne die Stimmen der D.-S.A. wären der ablehnende Beschluss nicht gefasst worden und die von ihr beantragten Beschlüsse zustande gekommen. Randnummer14

Die Klägerin ist im Übrigen der Auffassung, dass das Landgericht zutreffend von einem Stimmverbot der Mehrheitsaktionärin ausgegangen sei. Ein wichtiger Grund für die Abberufung von Dr. A. würde schon das Stimmverbot nicht aufheben, liege aber auch nicht vor und sei nach dem Vortrag der Beklagten nicht ersichtlich. Auch sei das Stimmverbot nicht rechtsmissbräuchlich herbeigeführt worden.Randnummer15

Die Klägerin beantragt (sinngemäß),Randnummer16

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen und unter teilweiser Abänderung des am 21.02.2020 verkündeten Urteils des Landgerichts Düsseldorf (40 O 66/16)Randnummer17

die in der Hauptversammlung der Beklagten vom 21.07.2016 vom Versammlungsleiter festgestellten und verkündeten Beschlüsse zu Punkt 10 der Tagesordnung für nichtig zu erklären, wonach die Beschlussanträge der Klägerin zur Geltendmachung von ErsatzansprüchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Ersatzansprüchen
Geltendmachung von Ersatzansprüchen
der B.-AG („B.-AG“) gem. § 147 Abs. 1 AktG gegen Mitglieder des Vorstandes und des Aufsichtsrates im Zusammenhang mit dem Erwerb der Anteile an der C.-S.A. durch die B.-AG von der D.-Gruppe sowie zur Bestellung eines Besonderen Vertreters zur Geltendmachung der Ersatzansprüche gemäß § 147 Abs. 2 S.1 AktG abgelehnt worden sind;Randnummer18

stattdessen im Wege der positiven Beschlussfeststellungsklage festzustellen, dass in der Hauptversammlung der Beklagten am 21.07.2016 zu Top 10 der Tagesordnung die nachfolgenden Beschlüsse gefasst worden sind:Randnummer19

1. Beschlussfassung über die Geltendmachung von ErsatzansprüchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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Geltendmachung von Ersatzansprüchen
§ 147 Abs. 1 AktGRandnummer20

Die Hauptversammlung der Gesellschaft hat am 17.07.2015 beschlossen, Ersatzansprüche der Gesellschaft gegen die E.-S.A.U. und Obergesellschaften im Zusammenhang mit dem Erwerb der Anteile an der C.-S.A. durch die Gesellschaft von der D.-Gruppe geltend zu machen. Wegen der Einzelheiten wird verwiesen auf die Bekanntmachung von Top 7 der heutigen Hauptversammlung im Bundesanzeiger vom 08.06.2016 sowie auf die Bekanntmachung von Top 11 der Tagesordnung der Hauptversammlung vom 17.07.2015 im Bundesanzeiger am 19.06.2015.Randnummer21

Ergänzend dazu wird nunmehr beschlossen, die Ersatzansprüche der Gesellschaft aus dem vorgenannten Geschäft als Gesamtschuldner mit der E.-S.A.U. und Obergesellschaften auch geltend zu machenRandnummer22

– gegen die (z.T.) ehemaligen Vorstandsmitglieder der Gesellschaft F., G. sowie H. sowieRandnummer23

– gegen die Aufsichtsratsmitglieder J., K., L., M., N. sowie O..Randnummer24

Zum Grund der geltend zu machenden Ansprüche wird zunächst auf die Darstellung bei der Bekanntmachung des Top 10 im Bundesanzeiger am 28.06.2016 verwiesen. Veranlasst durch die herrschende Mehrheitsaktionärin hat die Gesellschaft durch Tochtergesellschaften (vgl. Geschäftsbericht 2015, Seite 25) 100% der Anteile an der C.-S.A. zum Kaufpreis von EUR 34 Mio. erworben. Der Kaufvertrag wurde nach einer (gerichtlich angefochtenen) Beschlussfassung der Hauptversammlung vom 16.07.2015 am 22.07.2015 unterzeichnet und soweit ersichtlich danach mit Wirkung vom 01.08.2015 vollzogen. Dadurch wurde der herrschenden Mehrheitsaktionärin auf deren Veranlassung verdeckt Vermögen der Gesellschaft zugewendet. Der Kaufpreis war deutlich überhöht. Die Unangemessenheit des Kaufpreises beruht im Wesentlichen auf folgenden Faktoren:Randnummer25

der Annahme einer erhöhten Belegungsquote, zu niedrig angesetzten Kosten für die Beseitigung des Renovierungsrückstaus des erworbenen Hotels, Ansatz einer zu hohen Zimmerzahl, Ansatz zu niedriger laufender Erhaltungsinvestitionen, Nicht-Berücksichtigung des Ergebnisses 2014, Ansatz eines zu Lasten der Gesellschaft unrichtigen Wachstumsabschlags, Nicht-Berücksichtigung des wertmindernden Umstandes, dass das Hotel im Grundbuch als im Bau befindlich bezeichnet ist, sowie Nicht-Berücksichtigung überhöhter Verrechnungspreise von Geschäften der erworbenen Hotelbeteiligung mit den Konzerngesellschaften des herrschenden Unternehmens sowie wirtschaftlicher Aushöhlung der erworbenen Beteiligung vor Erwerb durch überhöhte Auszahlungen an das herrschende Unternehmen.Randnummer26

Die vorgenannten Organmitglieder waren an der Vorbereitung und Umsetzung des Geschäfts zum Vorteil des herrschenden Unternehmens als handelnde Vorstandsmitglieder (z.T. sogar während der Beschlussunfähigkeit des Vorstands!) bzw. deren unzureichender Überwachung als Aufsichtsratsmitglieder gerade auch in der Zeit der Beschlussunfähigkeit beteiligt – Frau F. als Vorstandsmitglied nur an der Umsetzung, Herr G. bis zu seinem Ausscheiden aus der Gesellschaft an der Vorbereitung und Umsetzung. Die Pflichtwidrigkeiten bei der Vorbereitung und Umsetzung des Geschäfts folgen schon aus den Feststellungen des Besonderen Vertreters, die er in das Verfahren LG Duisburg 22 0 50/16 eingeführt hat und die unter anderem Grundlage der vom LG Duisburg erlassenen einstweiligen Verfügung vom 09.06.2016 waren:Randnummer27

Danach musste der Besondere Vertreter auf der Grundlage der ihm von der Gesellschaft vorgelegten Unterlagen feststellen, dass für die Bewertung des Kaufobjektes, der C.-S.A., ganz zentrale Aspekte von der Due-Diligence-Prüfung seitens der damit beauftragten WP-Gesellschaft Q. sowie seitens der anlässlich der Transaktion eingeholten Unternehmensbewertung ausgespart worden waren; dies betraf insbesondere den Umstand, dass von der Due-Diligence-Prüfung ausdrücklich jegliche Überprüfung der Angemessenheit der internen Konzernverrechnungspreise im Verhältnis zwischen der C.-S.A. und den Konzernunternehmen der D.-Gruppe ausgenommen war, obgleich in dem Due-Diligence Bericht für den Bereich Finanzen festgestellt wurde, dass gut 41,7% der von der C.-S.A. bezogenen Lieferungen und Leistungen von Unternehmen der D.-Gruppe stammten. Weiter ergab sich, dass die Einhaltung der einschlägigen bauordnungsrechtlichen und baupolizeilichen Vorschriften, insbesondere des Brandschutzes und der Gebäudesicherheit, von der Due-Diligence-Prüfung auftragsgemäß ausgespart geblieben waren. Schließlich ergab sich auch, dass noch kurz vor dem Kauf der Anteile an der C.-S.A. durch die (Tochtergesellschaften der) Gesellschaft im Jahr 2015 ganz erhebliche Zahlungen von der C.-S.A. an Gesellschaften der D.-Gruppe geflossen waren (sprich: Das Kaufobjekt wurde vor der Veräußerung kräftig zur Ader gelassen), ohne dass aus den Unterlagen klar wurde, ob diese Zahlungen berechtigt bzw. bei der Bestimmung des Kaufpreises berücksichtigt waren (vgl. LG Duisburg, Teilurteil vom 09.06.2016, S.8 f).Randnummer28

Der aufgrund des überhöhten Kaufpreises entstandene Ersatzanspruch der Gesellschaft ist auch nicht durch die in der Ad hoc-Meldung der Gesellschaft vom 13.07.2016 mitgeteilte Veräußerung der Beteiligung an der C.-S.A. kompensiert, da die Veräußerung nichts an der im Geschäftsjahr 2015 nicht ausgeglichenen (vgl. § 311 Abs. 2 AktG) Nachteilszufügung durch den überhöhten Kaufpreis zu ändern vermag. Dies gilt auch im Hinblick darauf, dass die Gesellschaft nur ca. 1/3 des Kaufpreises in Cash erhalten hat und den Rest des Kaufpreises wieder dem Käufer für den Erwerb von Immobilienkrediten zurückgezahlt hat.Randnummer29

Alle Organmitglieder haften neben der Verletzung ihrer Verpflichtungen als Organmitglieder gemäß §§ 93, 116 AktG darüber hinaus auch nach § 318 AktG als Gesamtschuldner neben den Unternehmen der D.-Gruppe, gegen die die Geltendmachung der Ersatzansprüche bereits beschlossen worden ist.Randnummer30

2. Bestellung eines Besonderen Vertreters, § 147 Abs.2 AktGRandnummer31

Zum Besonderen Vertreter gemäß § 147 Abs. 2 S. 1 AktG zur Geltendmachung der in Ziff. 1 dargelegten, geltend zu machenden Ansprüche wird bestellt:Randnummer32

Herr Rechtsanwalt Dr. A., geschäftsansässig R., R.-Rechtsanwaltsgesellschaft mbH.Randnummer33

Für den Fall, dass Herr Dr. A. sein Amt nicht annehmen kann oder wegfällt, wird ersatzweiseRandnummer34

Herr Dr. S., geschäftsansässig R., R.-Rechtsanwaltsgesellschaft mbH bestellt.Randnummer35

Der Besondere Vertreter kann sich zur Ausführung seines Auftrags ihm geeignet erscheinender Hilfspersonen, insbesondere zur beruflichen Verschwiegenheit Verpflichteter, seiner Wahl bedienen und sich insbesondere rechtlich (auch was das spanische Recht angeht) und in wirtschaftlicher Hinsicht beraten und unterstützen lassen, insbesondere von Personen mit Kenntnissen der Branche der Gesellschaft. Dem Besonderen Vertreter ist – soweit gesetzlich zulässig unmittelbar und sonst über den Vorstand der B.-AG – Zugang zu Personal und zu seinem Auftrag betreffenden Unterlagen der Gesellschaft zu gewähren;Randnummer36

hilfsweise,Randnummer37

die Nichtigkeit des vorgenannten Beschlusses zu Top 10 der Hauptversammlung der Beklagten vom 21.07.2016 festzustellen,Randnummer38

äußerst hilfsweise,Randnummer39

die Unwirksamkeit des vorgenannten Beschlusses festzustellen.Randnummer40

Die Beklagte beantragt (sinngemäß),Randnummer41

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen und die Klage unter teilweiser Abänderung des am 21.02.2020 verkündeten Urteils des Landgerichts Düsseldorf (40 O 66/16) insgesamt abzuweisen.Randnummer42

Die Beklagte rügt die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Sie macht zunächst geltend, das Landgericht habe ausweislich der alleinigen Begründung hinsichtlich der Begründetheit des Klageantrages zu Ziffer 1. den Kern ihres Vorbringens nicht erfasst. Die Hauptversammlung könne den Besonderen Vertreter nämlich jederzeit abberufen. Die vom Landgericht zitierte Fundstelle beziehe sich demgegenüber auf den Geltendmachungsbeschluss nach § 147 Abs. 1 AktG. Das Landgericht habe somit erkennbar nicht zwischen der Aufhebung des Geltendmachungsbeschlusses und der bloßen Abberufung des Besonderen Vertreters differenziert. Dass nicht deutlich hervorgehoben werde, dass es bei dem Beschluss zu Top 7 lediglich um den Widerruf der Bestellung des Besonderen Vertreters gehe, begründe auch Zweifel daran, ob das Urteil auf richtigen und vollständigen Tatsachenfeststellungen beruhe.Randnummer43

Auch ihren Vortrag zum Nichtbestehen des Stimmverbots nach § 136 AktG habe das Landgericht nicht beachtet. Im Grunde hafte der Mangel der fehlenden Bestimmtheit schon dem Geltendmachungs- und Bestellungsbeschluss an, sodass kein Raum für die formalistische Betrachtungsweise des Landgerichts sei, die das Stimmverbot nur aufgrund eines actus contrarius des Widerrufs zur Bestellung herleite. Bei genauerer Auseinandersetzung mit ihrem Vortrag hätte das Landgericht, so die Beklagte, erkennen müssen, dass ein anfängliches Stimmverbot (quod non) zumindest wieder entfallen sei und im Zeitpunkt der Beschlussfassung über den Widerruf der Bestellung des Besonderen Vertreters nicht mehr bestanden habe, da insbesondere auch bis heute, also mehr als 2000 Tage nach seiner Bestellung, keine Ansprüche durch diesen geltend gemacht worden seien. Entgegen der Ausführungen des Landgerichts könne es auch nicht dahinstehen, ob es tatsächlich wichtige Gründe gebe, die für die Abberufung sprächen, da auch der Stimmrechtsausschluss nicht von Gründen abhängig sei, aus denen die Aufhebung im Einzelfall erfolge (quod non). Der Widerruf der Bestellung sei vielmehr jederzeit und ohne, dass dafür ein wichtiger Grund vorliegen müsste, möglich. Hier sei es auch so, dass die wichtigen Gründe gerade das Bestehen eines Stimmrechtsverbotes ausschlössen. Ein Stimmverbot bestehe nicht, sofern es rechtsmissbräuchlich und somit treuwidrig herbeigeführt werde. Die wichtigen Gründe, die vorliegend den Widerruf der Bestellung rechtfertigten, korrespondierten gerade mit dem rechtsmissbräuchlichen Geschäftsmodell der Bestellung eines Besonderen Vertreters durch den Minderheitsaktionär. Insoweit sei dem Landgericht nicht nur eine Gehörsverletzung, sondern auch ein Verstoß gegen seine Hinweispflichten nach § 139 ZPO vorzuwerfen. Wäre sie darauf hingewiesen worden, dass sie ihr Vorbringen in Bezug auf die offensichtliche Rechtsmissbräuchlichkeit des Geschäftsmodells der Bestellung eines Besonderen Vertreters sowie zu den wichtigen, dessen Abberufung rechtfertigenden Gründen konkretisieren müsse, hätte sie dies wie folgt getan, sodass ihr neuer Vortrag im Berufungsverfahren zu berücksichtigen sei. Ergänzend zu ihrem erstinstanzlichen Vorbringen, welches sie u.a. auf den Aufsatz von Bayer (AG 2016, 637 ff.) gestützt habe, beziehe sie sich für ihren Vorwurf, wonach dem als Besonderen Vertreter tätigen Berater durch die Behauptung von Pflichtverstößen ins Blaue hinein zu einem umfassenden faktisch kaum kündbaren Mandat mit großen Honorarvolumen verholfen werde, was Bayer (aaO) zutreffend als ein neues, der rechtsmissbräuchlichen Anfechtungsklage vergleichbares Geschäftsmodell bezeichnet habe, ergänzend auf die diesbezügliche Veröffentlichung der Ergebnisse einer empirischen Auswertung von Bayer/Hoffmann (AG 2018, 337 ff., Anlage B 11). Aufgrund der offensichtlichen Verbandelung des Prozessvertreters der Klägerin mit dem Besonderen Vertreter und der mit ihm in Kanzlei verbundenen Rechtsanwälte gepaart mit der Untätigkeit des Besonderen Vertreters sei dessen Abberufung im Interesse aller Aktionäre gerechtfertigt.Randnummer44

In materieller Hinsicht begründet die Beklagte ihre Berufung damit, dass der unter Top 11 gefasste Bestellungsbeschluss der Hauptversammlung 2015 nicht nur anfechtbar, sondern entgegen der Auffassung des Landgerichts nichtig sei, da er eine Konkretisierung der Ersatzansprüche vermissen lasse. Die Mehrheitsaktionärin könne daher bei der Beschlussfassung über die bloße isolierte Abberufung des Besonderen Vertreters überhaupt kein Stimmverbot getroffen haben. Der erkennende Senat habe in seinem Urteil vom 20.12.2018 (I-6 U 215/16, Anlage B 10) zudem festgestellt, dass dem Beschluss der Hauptversammlung am 21.07.2016 zu Top 9 und damit allen anderen Beschlüssen, die auf dem infolge der Unbestimmtheit unwirksamen Geltendmachungs- und Bestellungsbeschluss der Hauptversammlung 2015 beruhen, die Grundlage entzogen sei.Randnummer45

Die Beklagte verteidigt das Urteil, soweit es für sie günstig ist, als zutreffend. Die Behauptung, ein Teil ihrer Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder und ihre Mehrheitsaktionärin hätten kollusiv als Mittäter zusammengewirkt und seien in Bezug auf die angeblichen Ersatzansprüche Gesamtschuldner, sei weiterhin unzutreffend. Entgegen der wortreichen, aber unsubstantiierten Behauptungen sei dies auch nicht denknotwendig der Fall. Vielmehr sei es gerade so, dass eine solche unsubstantiierte Behauptung gerade nicht ausreichend sei, einen so gravierenden Eingriff in das Stimmrecht des Mehrheitsgesellschafters bezogen auf die isoliert die Verwaltungsmitglieder betreffende Fragestellung zu begründen. Bereits 2015 sei es nicht gelungen, eine etwaige Gesamtschuld hinreichend substantiiert darzulegen. So verwundere es nicht, dass der auf Betreiben der Klägerin gerichtlich bestellte Versammlungsleiter auf der Hauptversammlung 2016 ebenfalls von seinem Ermessen Gebrauch gemacht und kein Stimmverbot der Mehrheitsaktionärin angenommen habe. Die Feststellungen des Landgerichts seien richtig und stützten dessen – zutreffende – Rechtsauffassung, wonach das Stimmverbot nicht auf Fälle ausgedehnt werden dürfe, in denen über Ersatzansprüche gegen Organmitglieder Beschluss gefasst werden solle, die nicht zugleich Aktionäre seien. Auch wenn die Formulierung in Bezug auf die Regelung des § 53a AktG etwas verunglückt sei, führe das Landgericht eindeutig aus, dass hier eine Auslegung über den Wortlaut des § 136 AktG hinaus unmöglich sei. Die Erstreckung des Stimmverbots von Aktionären auf Drittsachverhalte werde von der Norm ausdrücklich nicht erfasst. Halte man die Vorschrift dennoch für auslegbar, sei zu beachten, dass es sich um eine Ausnahmeregelung handele, sodass sich eine extensive Auslegung verbiete. Der Verweis des Landgerichts auf § 53a AktG sei nicht einmal falsch, da dieser zeige, dass vorliegend keine planwidrige Regelungslücke bestehe, die eine analoge Anwendung von § 136 AktG auf den Sachverhalt rechtfertigen könnte. Der Gesetzgeber hätte mehrmals die Möglichkeit gehabt, der vorliegenden Konstellation durch eine Gesetzesänderung zu begegnen. Die kasuistische Fassung der Norm sei als gesetzgeberische Entscheidung hinzunehmen. Eine solch weitgehende Analogie wie von der Klägerin gefordert, weiche inhaltlich auch weit von den aufgeführten Anwendungsfällen ab. Außerdem bestehe keine vergleichbare Interessenlage. Entgegen der von dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin unter Verweis auf den Aufsatz seiner in Sozietät verbundenen Kollegen Lochner und Beneke (ZIP 2015, 2010 ff.) vertretenen Auffassung sei die Regelung nicht auch auf Sachverhalte auszuweiten, die eine (separate) Beschlussfassung hinsichtlich der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegenüber Organmitgliedern zum Gegenstand habe. Die Schlussfolgerung von Lochner/Beneke finde in den Entscheidungen des BGH (Urt. v. 20.01.1986 – II ZR 73/85, ZIP 1986, 429 ff.) und des OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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(Urt. v. 27.08.2008 – 7 U 5678/07, ZIP 2008, 1916 ff.) keine Stütze. Es handele sich um Einzelfallentscheidungen, nicht um Rechtsfortbildung. Die Aufzählung in § 136 Abs. 1 AktG sei grundsätzlich abschließend.Randnummer46

Der Senat hat den Parteien seine vorläufige Rechtsauffassung mit Beschluss vom 01.02.2021 zur Kenntnis gebracht und Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.Randnummer47

Zur Vervollständigung des Vorbringens der Parteien zum Sach- und Streitstand wird auf die gewechselten Schriftsätze samt Anlagen, den Inhalt des Sitzungsprotokolls vom 11.11.2021 und die in diesem Urteil getroffenen Feststellungen verwiesen.

  II.

Die Berufung der Klägerin hat Erfolg; das Rechtsmittel der Beklagten ist unbegründet. Die Entscheidung des Landgerichts beruht nur insofern auf einer Rechtsverletzung, als das Landgericht die auf den Tagesordnungspunkt 10 bezogene Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage sowie die positive Beschlussfeststellungsklage als unbegründet abgewiesen hat. Mit Recht hat das Landgericht hingegen den von der Hauptversammlung der Beklagten vom 21.07.2016 zu Tagesordnungspunkt 7 gefassten Beschluss für nichtig erklärt, §§ 241 Nr. 5, 243 Abs. 1 AktG.

A.

1. Die Klägerin ist als (seinerzeit) zweitgrößte Aktionärin der Beklagten mit einem Aktienanteil von 33,80% anfechtungsbefugt, § 245 Nr. 1 AktG. Nach den unangegriffenen Feststellungen des Landgerichts unter I. der Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils ist die Klägerin nicht an der Ausübung ihrer Rechte aus diesen Aktien wegen einer Verletzung gesetzlicher Mitteilungspflichten gehindert. Für die Klägerin hat Rechtsanwalt Dr. V. an der Hauptversammlung der Beklagten vom 21.07.2016 teilgenommen. Dieser hat gegen alle, also auch gegen die streitgegenständlichen, Beschlüsse Widerspruch zu der Niederschrift des Notars W. (Vollständiges Hauptversammlungsprotokoll Anlage B 5, Seite 57) erklärt.Randnummer50

2. Die Anfechtungsfrist ist gewahrt. Die Klage ist zwar nicht innerhalb der am (Montag) 22.08.2016 endenden Monatsfrist des § 246 Abs. 1 AktG erhoben worden, § 253 Abs. 1 ZPO. Die am 22.08.2016 per Telefax und im Original beim Landgericht eingegangene Klage ist dem Vorstand und dem Aufsichtsratsvorsitzenden der Beklagten jedoch am 16.09.2016 (Vorstand) bzw. am 15.09.2016 (Aufsichtsrat) und damit demnächst i.S.d. § 167 ZPO (vgl. dazu nur Zöller/Schultzky/Greger, ZPO, 33. Auflage, § 167 Rn. 10) zugestellt worden, sodass die Zustellung auf den Zeitpunkt des Klageeingangs zurückwirkt, § 167 ZPO. Die Zustellung ist in nicht allzu erheblichem zeitlichem Abstand vom Fristablauf erfolgt. Außerdem hat die Klägerin alles ihr Zumutbare für eine alsbaldige Zustellung der Klage getan, indem sie den Streitwert beziffert und die Vorschussrechnung des Landgerichts vom 25.08.2016 bereits durch Überweisung vom 26.08.2016 beglichen hat.Randnummer51

B. Berufung der Beklagten

Die Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg. Die Klage ist in Bezug auf den in der Hauptversammlung der Beklagten vom 21.07.2016 zu Tagesordnungspunkt 7 gefassten Beschluss über die Abberufung des Streithelfers zu 6) als besonderer Vertreter der Beklagten begründet.Randnummer53

1. Eine – vorrangig zu prüfende – Nichtigkeit des Beschlusses hat die Klägerin nicht geltend gemacht; Nichtigkeitsgründe des Beschlusses sind auch nicht ersichtlich.Randnummer54

2. Der Beschluss zu Tagesordnungspunkt 7 ist aber wegen eines Gesetzesverstoßes anfechtbar, § 243 Abs. 1 AktG. Die Mehrheitsaktionärin der Beklagten, die D.-S.A., unterlag bei der Abstimmung zu diesem Tagesordnungspunkt einem Stimmverbot gemäß § 136 Abs. 1 Alt. 3 AktG, sodass der Versammlungsleiter die für sie abgegebenen Stimmen bei seiner Feststellung, der Vorschlag sei von der Hauptversammlung mit der erforderlichen Mehrheit angenommen worden, zu Unrecht berücksichtigt hat (Hauptversammlungsprotokoll Anlage B 5, Seite 42).Randnummer55

a) Die D.-S.A. als die Aktionärin, gegen welche Ersatzansprüche geltend zu machen sind, ist gemäß § 136 Abs. 1 Alt. 3 AktG vom Stimmrecht nicht nur hinsichtlich der Abstimmung über die Bestellung eines Besonderen Vertreters zur Geltendmachung der von der Hauptversammlung am 17.07.2015 zur Geltendmachung beschlossenen Ersatzansprüche (Tagesordnungspunkt 9, Hauptversammlungsprotokoll Anlage B 5, Seiten 43 ff.), sondern auch in Bezug auf die Abstimmung über die Abberufung des von der Hauptversammlung der Beklagten am 17.07.2015 bestellten Besonderen Vertreters ausgeschlossen. Die Verfahrensrügen der Beklagten greifen nicht durch, da sich das angefochtene Urteil im Ergebnis als richtig erweist. Auch dieser Beschluss findet seine Grundlage in dem Geltendmachungsbeschluss der Hauptversammlung 2015 [dazu unter aa)]. Der Abstimmungsgegenstand wird vom Anwendungsbereich der Vorschrift erfasst [dazu unter bb)]. Das Stimmverbot gilt hier unabhängig vom Vorliegen eines wichtigen Grundes für die Abberufung des Besonderen Vertreters [dazu unter cc)] und ist auch nicht wegen Rechtsmissbrauchs ausgeschlossen [dazu unter dd)].Randnummer56

aa) Ein Stimmverbot der Mehrheitsaktionärin der Beklagten scheidet nicht schon deshalb aus, weil es an einem wirksamen Geltendmachungsbeschluss und damit an einer rechtlichen Grundlage sowohl für die Bestellung eines Besonderen Vertreters als auch für deren actus contrarius, den Widerruf der Bestellung, fehlt. Der Geltendmachungsbeschluss der Hauptversammlung 2015 der Beklagten ist jedenfalls nicht nichtig [BGH, Urt. v. 30.06.2020 – II ZR 8/19, NZG 2020, 1025, juris Rz. 18 ff.; so auch Senat, Urt. v. 20.12.2018 – I-6 U 215/16 unter E. 1. d)] und ist daher bis zur Entscheidung über die vor dem Landgericht Düsseldorf erhobene Anfechtungsklage in dem – nicht gemäß § 148 ZPO vorgreiflichen (BGH aaO, juris Rz. 43/44) – Verfahren 40 O 75/15 als wirksam zu behandeln. Setzt ein Beschluss über die Bestellung eines Besonderen Vertreters lediglich einen wirksamen Geltendmachungsbeschluss gemäß § 147 Abs. 1 AktG voraus, der bereits gefasst wurde oder zeitgleich gefasst wird (BGH aaO, juris Rz.16/17), kann für den Abberufungsbeschluss nichts anderes gelten. Auch dieser beruht als actus contrarius zum Bestellungsbeschluss auf dem Geltendmachungsbeschluss. Eine von dem Geltendmachungsbeschluss losgelöste Betrachtung des Abberufungsbeschlusses ist auch nicht etwa deshalb veranlasst, weil die Organstellung hier eigenständig zu beurteilen wäre und im Falle der Anfechtbarkeit des Geltendmachungsbeschlusses erneut der Widerruf der Bestellung des Besonderen Vertreters beschlossen werden müsste. Vielmehr würde der Bestellungsbeschluss mit Wegfall des Geltendmachungsbeschlusses seine Grundlage verlieren und das Amt des Besonderen Vertreters enden, ohne dass es hierfür einer Anfechtungs- oder Nichtigkeitsklage bedürfte (BGH aaO, juris Rz. 44).Randnummer57

bb) Gemäß § 136 Abs. 1 Alt. 3 AktG darf kein Aktionär für sich oder für einen anderen das Stimmrecht ausüben, wenn darüber Beschluss gefasst wird, ob die Gesellschaft gegen ihn einen Anspruch geltend machen soll. Ob der in Rede stehende Ersatzanspruch tatsächlich besteht, ist dabei nicht von entscheidender Bedeutung, solange die Geltendmachung keinen Rechtsmissbrauch darstellt (Spindler in: Schmidt, K./Lutter, AktG, 4. Aufl.2020, § 136 AktG Rz. 28; MüKoAktG/Arnold, 4. Aufl. 2018, AktG § 136 Rn. 13; Hüffer/Koch, 15. Aufl. 2021, AktG § 136 Rn. 23; OLG München, Urt. v. 27.08.2008 – 7 U 5678/07, AG 2008, 864; LG Frankfurt/Main, Urt. v. 26.02.2013 – 3/5 O 110/12, NZG 2013, 1181), was hier nicht der Fall ist [dazu sogleich unter dd)].Randnummer58

Das Stimmverbot bezweckt, den Verbandswillen von solchen Sonderinteressen freizuhalten, mit denen in bestimmten Konstellationen, hier das Richten in eigener Sache, typischerweise zu rechnen ist. Ob der betroffene Aktionär im konkreten Fall tatsächlich verbandsfremde Einzelinteressen verfolgt, ist infolgedessen nicht maßgeblich Vielmehr hat sich der Gesetzgeber auch aus Gründen der Rechtssicherheit gegen einen allgemeinen Stimmrechtsausschlusstatbestand und für eine Aufzählung konkreter Ausschlusstatbestände entschieden. In diesen Fällen gilt eine unwiderlegliche Vermutung der Befangenheit wegen Interessenkollision (so MüKoAktG/Arnold, 4. Aufl. 2018, § 136 Rn. 5 unter Hinweis auf BGHZ 51, 209 u.a.). Unter den Begriff der Geltendmachung in § 136 Abs. 1 Alt. 3 AktG fallen nicht nur die konkreten Schritte zur (außer-)gerichtlichen Verfolgung der Ansprüche, sondern auch Maßnahmen zu deren Vorbereitung (so zum GmbH- und Personengesellschaftsrecht für die Beschlussfassung über die Einholung eines Gutachtens zur Prüfung, ob Schadensersatzansprüche gegen den betroffenen Gesellschafter bestehen BGH, Urt. v. 07.02.2012 – II ZR 230/09, NZG 2012, 625, juris Rz. 16 unter Hinweis auf BGH, ZIP 1990, 1194). Erfasst werden auch Maßnahmen, die auf die Beendigung der Geltendmachung abzielen (MüKoAktG/Arnold, 4. Aufl. 2018, § 136 Rn. 13-14; Hüffer/Koch, 15. Aufl. 2021, AktG § 136 Rn 23; Spindler/Stilz/Rieckers, 4. Aufl. 2019, AktG § 136 Rn. 12-13; Holzborn in: Bürgers/Körber, AktG, 4. Aufl. 2017, § 136 Rn. 7; KK-AktG/Tröger, 3. Aufl. 2017, § 136 Rz. 39-42).Randnummer59

Fallen demnach einerseits Maßnahmen wie die Beauftragung eines Rechtsanwalts oder die Bestellung eines Besonderen Vertreters sowie andererseits der Verzicht, der Abschluss eines Vergleichs oder die Klagerücknahme unter den Begriff der Geltendmachung, gilt dies auch für die Abberufung des Besonderen Vertreters.Randnummer60

Ob sich dies der Vorschrift bereits im Wege der Auslegung entnehmen lässt oder ein Fall der (zulässigen) Einzelanalogie vorliegt, mag dahinstehen. Entscheidend ist, dass ein Sachverhalt, bei dem verbandsfremde Sonderinteressen des betroffenen Aktionärs typischerweise zu erwarten sind, bei der Abstimmung über solche Maßnahmen, die auf ein Absehen von der Geltendmachung der Ersatzansprüche abzielen, in gleicher Weise vorliegt wie bei derjenigen über die Geltendmachung selbst. Eine effektive Umsetzung des Stimmverbots erfordert daher das Freihalten der Willensbildung von diesen Sonderinteressen auch in den Fällen, in denen es der Sache nach um die Beendigung der Geltendmachung von ErsatzansprüchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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geht. Dies ist auch bei einer Beschlussfassung über die Abberufung eines Besonderen Vertreters gegeben. § 147 AktG will die tatsächliche Geltendmachung bestimmter Ersatzansprüche sichern und soll so dem das pflichtgemäße Verhalten bewirkenden Haftungsdruck für die Organe Nachdruck verleihen. Zudem sollen die §§ 147 ff. AktG verhindern, dass Ersatzansprüche der Gesellschaft auf Grund einer Befangenheit der Mitglieder der Verwaltungsorgane nicht durchgesetzt werden (BGH Urt. v. 30.06.2020 – II ZR 8/19, NZG 2020, 1025, juris Rz. 39 mwN). Mit einem eigeninteressengeleiteten Stimmverhalten des betroffenen Aktionärs ist vor diesem Hintergrund auch bei der Abstimmung über die Abberufung des gerade zwecks Sicherung der tatsächlichen Geltendmachung bestimmter Ersatzansprüche und anstelle der Gesellschaftsorgane mit der Durchsetzung der Ansprüche beauftragten Besonderen Vertreters nach § 147 Abs. 2 Satz 1 AktG zu rechnen. Anderes mag im Einzelfall gelten, sofern gleichzeitig mit dem Abberufungsbeschluss ein Beschluss gefasst wird, wonach die Ersatzansprüche stattdessen von den Organen der Gesellschaft durchzusetzen sind. Das ist hier aber nicht der Fall. Vielmehr lässt der Vortrag de r Beklagten erkennen, dass sie gerade nicht beabsichtigt, das Bestehen etwaiger Ersatzansprüche im Zusammenhang mit dem Erwerb der Anteile an der C.-S.A. gegen die sie beherrschende D.-S.A. und/oder ihre eigenen Organe zu prüfen und diese ggf. geltend zu machen.Randnummer61

cc) Entgegen der Auffassung der Beklagten konnte das Landgericht mangels Entscheidungserheblichkeit dahinstehen lassen, ob es tatsächlich wichtige Gründe in der Person des Besonderen Vertreters für die Abberufung gibt.Randnummer62

aaa) Das angefochtene Urteil beruht insofern nicht auf einer Verletzung des Rechts auf rechtliches Gehör oder auf unrichtigen oder unvollständigen Tatsachenfeststellungen. Das Landgericht hat die Rechtsansicht der Beklagten zur Beachtlichkeit des wichtigen Grundes nicht geteilt sowie – ungeachtet der zitierten Fundstelle – sehr wohl zwischen der Aufhebung des Geltendmachungsbeschlusses und der Abberufung des Besonderen Vertreters differenziert, wie dessen Ausführungen in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils unter II. 2. erkennen lassen. Danach hat sich das Landgericht nur mit dem Stimmverbot bei der Aufhebung des Bestellungsbeschlusses, also mit der Abberufung des Besonderen Vertreters befasst.Randnummer63

bbb) Im Ansatz zutreffend verweist die Beklagte zwar darauf, dass ein von der Hauptversammlung bestellter besonderer Vertreter, anders als ein vom Gericht gemäß § 147 Abs. 2 Satz 2 AktG bestellter besonderer Vertreter, auch vor Beendigung seiner Tätigkeit von der Hauptversammlung jederzeit abberufen werden könnte, ohne dass es eines besonderen oder wichtigen Grundes bedürfte (vgl. nur Spindler in: Schmidt, K./Lutter, AktG, 4. Aufl. 2020, § 147 AktG Rz. 39; OLG München, Urt. v. 03.03.2010 – 7 U 4744/09, NZG 2010, 503, juris Rz. 39 m.w.N.). Hier ist aber zu beachten, dass der Streithelfer zu 6) der Klägerin, wie soeben unter 2. a) bb) erläutert, von der Hauptversammlung der Beklagten unter Ausschluss des Stimmrechts der Mehrheitsaktionärin zum Besonderen Vertreter bestellt worden ist. Dies hat zur Folge, dass auch über den Widerruf seiner Bestellung unter Ausschluss des Stimmrechts der Aktionärin, gegen die Ansprüche geltend gemacht werden sollen, abzustimmen ist (so auch MüKoAktG/Arnold, 4. Aufl. 2018, AktG § 147 Rn. 49 und 100). Andernfalls gelangte man zu einem dem Gesetzeszweck zuwiderlaufenden Ergebnis und würden die aus § 147 AktG folgenden Minderheitenrechte leerlaufen, weil die von der Geltendmachung der Ersatzansprüche betroffene Mehrheitsaktionärin die Aktionärsminderheit ohne weiteres daran hindern könnte, die unter Stimmrechtsausschluss der betroffenen Aktionärin beschlossene Geltendmachung nach § 147 AktG auch durchzusetzen, indem sie den mit deren Stimmen bestellten Besonderen Vertreter durch mit ihren Stimmen gefasstem Beschluss wieder abberuft. § 147 AktG will aber gerade, wie weiter oben ebenfalls schon erwähnt, die tatsächliche Geltendmachung bestimmter Ersatzansprüche sichern und soll so dem das pflichtgemäße Verhalten bewirkenden Haftungsdruck für die Organe Nachdruck verleihen (BGH aaO, juris Rz. 39). Dass das OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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(Urt. v. 03.03.2010 – 7 U 4744/09, AG 2010, 673) eine Konstellation wie die vorliegende anders beurteilen würde, ist nicht anzunehmen. Es ist zu einer Abberufungskompetenz jener Hauptversammlung nur deshalb gelangt, weil es nach einem Squeeze-Out keine weiteren Aktionäre mehr gab und das gesetzliche Stimmverbot aus § 136 Abs. 1 AktG in der Einmann-AG bzw. für den Alleinaktionär mangels Interessenskonflikts nicht gilt (OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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aaO; nachgehend: BGH, Beschluss v. 12.07.2011 – II ZR 58/10).Randnummer64

dd) Das Stimmverbot ist auch nicht wegen Rechtsmissbrauchs ausgeschlossen.Randnummer65

aaa) Die auf Art. 103 Abs. 1 GG, § 139 ZPO gestützte Verfahrensrüge der Beklagten erweist sich auch insofern als letztlich nicht durchgreifend. Die angefochtene Entscheidung beruht jedenfalls nicht auf einer Übergehung von Sachvortrag der Beklagten oder auf einer etwaigen Verletzung gerichtlicher Hinweispflichten, weil sich auch bei Berücksichtigung des ergänzenden Vortrages der Beklagten im Berufungsverfahren ein Rechtsmissbrauch nicht feststellen lässt. Zwar lässt das Urteil nicht erkennen, ob das Landgericht sich mit dem diesbezüglichen Vorbringen der Beklagten befasst hat, da die Entscheidung hierzu weder im Tatbestand noch in den Entscheidungsgründen Ausführungen enthält. Unabhängig davon, dass grundsätzlich angenommen werden kann, dass das Gericht den Vortrag der Parteien auch dann zur Kenntnis genommen hat, wenn er in dem Urteil nicht ausdrücklich erwähnt oder behandelt wird, fehlt es zumindest an der Entscheidungserheblichkeit der aus dem genannten Grund nicht gänzlich auszuschließenden Gehörsverletzung. Daher kann auch offenbleiben, ob eine Verletzung von Hinweispflichten gemäß § 139 Abs. 2 ZPO gegeben ist. Allerdings wurde der Gesichtspunkt des Rechtsmissbrauchs von der Beklagten bereits in der Klageerwiderung angesprochen und behandelt, sodass das Landgericht nicht annehmen konnte, die Beklagte habe ihn übersehen und wolle sich gegen die Klage nicht auch unter diesem Aspekt verteidigen. Ob es die Beklagte dennoch darauf hätte hinweisen müssen, dass der Sachvortrag zu konkretisieren sei, kann indes dahinstehen, weil die angefochtene Entscheidung, wie erwähnt, auf einer etwaigen Verletzung gerichtlicher Hinweispflichten nicht beruht.Randnummer66

bbb) Der Senat übersieht ausdrücklich nicht, dass es sich, da Ersatzansprüche gegen die Mehrheitsaktionärin der Beklagten behauptet werden, sodass vom Versammlungsleiter zu prüfen war, ob diese nach § 136 AktG einem Stimmverbot unterliegt, um einen Sachverhalt handelt, aus dem sich Missbrauchsrisiken ergeben (vgl. nur Hüffer/Koch, § 147 Rn. 4 m.N.). Unter dem Aspekt des „Erschleichens“ des Stimmverbots des Mehrheitsaktionärs gemäß § 136 AktG kann jedoch schon ein zu unbestimmter Beschlussantrag von Minderheitsaktionären nach § 147 AktG für sich genommen den Vorwurf des Rechtsmissbrauchs noch nicht begründen. Entscheidend sind vielmehr stets die Umstände des Einzelfalls. Diese rechtfertigen, wie der Senat in dem Urteil vom 20.12.2018 [I-6 U 215/16, dort unter 3. d)] bereits ausgeführt hat und woran er auch nach nochmaliger Prüfung unter Berücksichtigung des weiteren Sachvortrages der Beklagten festhält, nicht die Annahme, die Klägerin behaupte Ansprüche gegen die Mehrheitsaktionärin der Beklagten nur deshalb, um diese von der Abstimmung auszuschließen. Vielmehr scheint sie von der Existenz der Ansprüche auszugehen und zielt ihr Vorgehen soweit ersichtlich auf die Durchsetzung dieser Ansprüche im Interesse der Beklagten ab. Immerhin hat die Beklagte die Anteile an der C.-S.A. von der D.-Gruppe, welcher auch die D.-S.A. angehört, erworben, sodass das Geschäft den §§ 311 ff. AktG unterfällt. Diese Vorschriften dienen dem Schutz der Gesellschaftsgläubiger und der Minderheitsaktionäre vor Benachteiligungen der abhängigen Gesellschaft durch kompensationslose Benachteiligungen seitens des herrschenden Unternehmens. Wie mittlerweile höchstrichterlich geklärt ist (BGH, Urt. v. 30.06.2020 – II ZR 8/19), unterfallen auch Ersatzansprüche gegen das herrschende Unternehmen § 147 AktG [so schon Senat aaO unter 3. c) aa)].Randnummer67

Dass die Anspruchsverfolgung offensichtlich aussichtslos ist, mit der Antragstellung allein eigennützige Zwecke verfolgt werden oder ein vergleichbar schwerwiegendes sachfremdes Motiv vorliegt, vermag der Senat nach wie vor nicht festzustellen. Wie schon erwähnt, würde auch das Fehlen einer schlüssigen Darlegung von Ersatzansprüchen und das bloße Behaupten des Bestehens derartiger Ansprüche hierfür nicht ausreichen. Soweit die Beklagte den Vorwurf des Rechtsmissbrauchs in der Berufung auf den Aspekt eines neuen, der rechtsmissbräuchlichen Anfechtungsklage vergleichbaren Geschäftsmodells stützen will, rechtfertigt ihr Vortrag keine abweichende Sichtweise. Ihr ist zwar zuzugeben, dass der Veröffentlichung der Ergebnisse der empirischen Auswertung von Bayer/Hoffmann (AG 2018, 337 ff., Anlage B 11, Bl. 440 ff. GA) zu entnehmen ist, dass die Fälle, in denen ein besonderer Vertreter installiert wurde oder werden sollte, etliche Gemeinsamkeiten aufweisen, insbesondere in Bezug auf das Vorgehen der Minderheitsgesellschafter, die Umsetzung des dem jeweiligen Besonderen Vertreter erteilten Mandats und Ergebnisse der Anspruchsdurchsetzung. Richtig ist auch, dass die Bestellung von Besonderen Vertretern von einem relativ überschaubaren Personenkreis betrieben wird, zu dem sowohl der Prozessbevollmächtigte der Klägerin als auch deren Streithelfer zu 6) gehören. Der Senat übersieht auch nicht, dass für die Tätigkeit des Besonderen Vertreters ausweislich von dessen Honorarrechnungen (Anlagenkonvolut B 7) bei der Beklagten bereits beträchtliche Kosten angefallen sind. Unabhängig davon, dass es vergleichbare Gemeinsamkeiten im Vorgehen und im Vortrag in Kombination mit einer Konzentration auf einige Anwaltskanzleien durchaus auch in anderen Rechtsgebieten gibt, wie zum Beispiel bei den „Darlehens-Widerrufsfällen“, tragen die Ergebnisse der Untersuchung die Feststellung, dass der Versuch der Durchsetzung angeblicher Ersatzansprüche mithilfe eines Besonderen Vertreters grundsätzlich und auch hier auf der Basis eines allein oder doch ganz überwiegend den eigenen interessen dienenden Geschäftsmodells und damit rechtsmissbräuchlich erfolgt, nicht. Dass Rechtsanwälte stets darum bemüht sind, sich bestimmte, auch neue, Betätigungsfelder zu erschließen, liegt in der Natur der Sache. Der Vorwurf des Rechtsmissbrauchs lässt sich auch nicht ohne weiteres auf den Umstand stützen, dass sie für ihre Tätigkeiten Honorare beanspruchen. Dies beruht auf den entsprechenden gesetzlichen Vorschriften sowie teilweise auch auf vertraglichen Vereinbarungen. Nicht zuletzt ist der Prozessbevollmächtigte der Klägerin, Herr Dr. V., bekanntlich einer der Pioniere auf dem Gebiet des § 147 AktG und hat als solcher bereits zahlreiche gerichtliche Entscheidungen erstritten, sodass diesbezüglich nicht nur etliche Rechtsfragen als (höchstrichterlich) geklärt anzusehen sind, sondern auch nicht weiter verwunderlich ist, dass sich Minderheitsaktionäre in der entsprechenden Situation häufig an ihn wenden und er nicht alle Mandate in Person übernehmen oder auf kanzleiangehörige Kollegen übertragen kann, sondern deshalb auch Rechtsanwälte aus anderen Kanzleien einbeziehen muss. Randnummer68

b) Ein Hauptversammlungsbeschluss, bei dem vom Stimmrecht ausgeschlossene Stimmen mitgezählt worden sind und der auf der Berücksichtigung dieser Stimmen beruht, ist anfechtbar (BGH, Beschluss v. 29.04.2014 – II ZR 262/13, ZIP 2014, 1677, juris Tz. 8; Urt. v. 24.04.2006 – II ZR 30/05, ZIP 2006, 1134, juris Tz. 26; statt Anderer: KK-AktG/Noack/Zetsche, 3. Auflage 2017, § 243 Rn. 76; Hüffer/Koch, AktG, 15. Aufl. 2021, § 241 Rn 3 m.w.N.). Das ist der Fall. Der Beschluss zu Tagesordnungspunkt 7 beruht auf der Berücksichtigung der vom Stimmrecht ausgeschlossenen Stimmen, da der Beschlussantrag bei 18.237.946 abgegebenen Stimmen und 7.974.241 Nein-Stimmen bei Nichtzählung der auf die Mehrheitsaktionärin entfallenden 10.252.193 von insgesamt 10.263.705 Ja-Stimmen (Abstimmungsergebnis-Übersicht, Anlage MP 4) Stimmen abgelehnt worden wäre.Randnummer69

C. Berufung der Klägerin

Das Rechtsmittel der Klägerin hat Erfolg. In Bezug auf den Beschluss der Hauptversammlung der Beklagten vom 21.07.2016 zu Tagesordnungspunkt 10 bezüglich der Geltendmachung von ErsatzansprüchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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nach § 147 Abs. 1 AktG gegen Mitglieder des Vorstandes und des Aufsichtsrates der Beklagten sind sowohl die Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage (dazu unter 1. und 2.) als auch die mit ihr verbundene positive Beschlussfeststellungsklage (dazu unter 3.) begründet.Randnummer71

1. Eine Nichtigkeit dieses Beschlusses hat die Klägerin nicht geltend gemacht; Nichtigkeitsgründe des Beschlusses sind auch hier nicht ersichtlich.Randnummer72

2. Der (ablehnende) Beschluss zu Tagesordnungspunkt 10 ist aber wegen eines Verstoßes gegen § 136 Abs. 1 Alt. 3 AktG rechtswidrig. Die Feststellung des Versammlungsleiters, wonach der Beschlussantrag der Klägerin abgelehnt wurde, beruht auf der Berücksichtigung der auf die Mehrheitsaktionärin der Beklagten entfallenden Stimmen. Der Beschlussantrag ist bei 18.237.748 abgegebenen gültigen Stimmen und 7.984.825 Ja-Stimmen mit den auf die Mehrheitsaktionärin entfallenden 10.252.193 Stimmen von insgesamt 10.252.923 Nein-Stimmen (Abstimmungsergebnis-Übersicht, Anlage MP 4) abgelehnt worden. Der Beschluss ist daher gemäß § 243 Abs. 1 AktG anfechtbar, weil die D.-S.A. auch bei dieser Abstimmung einem Stimmverbot unterlag, sodass die für sie abgegebenen Stimmen bei der Beschlussfeststellung vom Versammlungsleiter nicht, wie geschehen, hätten mitgezählt werden dürfen (Hauptversammlungsprotokoll Anlage B 5, Seite 56).Randnummer73

a) Der Beschluss zu Tagesordnungspunkt 10 hat zwar nicht die Geltendmachung von Ansprüchen gegen die Mehrheitsaktionärin der Beklagten zum Gegenstand, sodass deren Teilnahme an der Abstimmung zu Tagesordnungspunkt 10 keinen direkten Verstoß gegen § 136 Abs. 1 Satz 1 Alt. 3 AktG darstellt. Gegenstand dieses Beschlussantrags der Klägerin ist vielmehr, nach dem von der Hauptversammlung 2015 gefassten Beschluss betreffend die Ersatzansprüche gegen die D.-S.A. u.a. auch eine (positive) Beschlussfassung bezüglich der Geltendmachung von Ansprüchen gegen die im Antrag der Klägerin benannten Vorstände bzw. Aufsichtsratsmitglieder der Beklagten zu erreichen.Randnummer74

b) Ein Stimmverbot der D.-S.A. lässt sich aber darauf stützen, dass sie von dem Beschluss zu Tagesordnungspunkt 10 mittelbar betroffen ist, weil der Beschluss die Geltendmachung von ErsatzansprüchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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aus dem gleichen Lebenssachverhalt, d.h. dem Erwerb der Anteile an der C.-S.A. durch die Beklagte, gegen deren (zum Teil ehemalige) Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder als Gesamtschuldner mit der D.-S.A. und der E.-S.A.U. sowie deren jeweilige Obergesellschaften zum Gegenstand hat. Diese mittelbare Betroffenheit reicht vorliegend aus.Randnummer75

aa) Ein generell in Fällen eines potentiellen „Richtens in eigener Sache“ bestehendes Stimmverbot ist § 136 Abs.1 Alt. 3 AktG nicht zu entnehmen. Ausgehend von Wortlaut, Systematik, Entstehungsgeschichte (vgl. zu letzterer nur KK-AktG/Tröger, 3. Auflage 2017, § 136 Rz. 6 mwN) sowie Sinn und Zweck der kasuistisch abgefassten Vorschrift wäre ein Verständnis der Norm im Sinne eines über die geregelten Konstellationen hinausgehenden allgemeinen Stimmverbots bei Interessenkollisionen nicht möglich. Es ist daher anerkannt, dass die Tatbestände des § 136 Abs. 1 AktG nur bedingt erweiterungs- bzw. analogiefähig sind. Dass dieser Vorschrift, ebenso wie beispielsweise § 47 Abs. 4 GmbHG, § 34 BGB, § 113 Abs. 2 HGB oder § 127 HGB, ein Stimmrechtsausschluss wegen unterstellter Interessenkollision zugrunde liegt, spricht nicht für, sondern gegen ihre Gesamtanalogiefähigkeit. Der Gesetzgeber hat sich auf der Grundlage dieses allgemeinen Prinzips bewusst für einen kasuistischen Regelungsansatz und die Konzeption von § 136 Abs. 1 AktG als Ausnahmevorschrift entschieden (so auch OLG Köln, Urt. v. 09.03.2017 – 18 U 19/16, NZG 2017, 1344, juris Rz. 382; OLG Karlsruhe, Urt. v. 14.03.2018 – 11 U 35/17, NZG 2018, 508, juris Rz. 81 ff.; KK-AktG/Tröger, 3. Auflage 2017, § 136 Rz. 50 mwN; MüKoAktG/Arnold, AktG § 136 Rz. 21; Holzborn in: Bürgers/Körber, AktG, 4. Aufl. 2017, § 136 Rn. 10; Spindler/Stilz/Rieckers, 4. Aufl. 2019, AktG § 136 Rn. 15).Randnummer76

bb) Ein Stimmverbot kommt allerdings dann in Betracht, wenn ein Sachverhalt vorliegt, der einem der Fälle des § 136 Abs. 1 AktG quantitativ und qualitativ vergleichbar ist (so auch u.a. KK-AktG/Tröger, 3. Auflage 2017, § 136 Rz. 50 mwN; MüKoAktG/Arnold, AktG § 136 Rz. 21; Holzborn in: Bürgers/Körber, AktG, 4. Aufl. 2017, § 136 Rn. 10).Randnummer77

So liegen die Dinge hier, da ein vergleichbarer Sachverhalt gegeben ist. Anerkannt ist beispielsweise, dass auch bei zulässiger gesonderter Beschlussfassung über die Geltendmachung von Ansprüchen gegen mehrere Aktionäre ein Stimmverbot für den nur mittelbar betroffenen Aktionär dann gilt, wenn zwischen den Ansprüchen gegen die einzelnen Aktionäre ein enger Zusammenhang vorliegt, etwa weil eine Gesamtschuld besteht oder sie auf demselben Lebenssachverhalt beruhen (vgl. nur Spindler/Stilz/Rieckers, 4. Aufl. 2019, AktG § 136 Rn. 14 mwN). Ähnliche Grundsätze gelten für die Entlastung, § 136 Abs. 1 Var. 1 AktG. Während bei der Gesamtentlastung der Mitglieder von Vorstand und Aufsichtsrat kein dem betreffenden Organ angehörendes Mitglied mitstimmen darf, besteht ein Stimmverbot bei der Einzelentlastung grundsätzlich nur für das Organmitglied, über dessen Entlastung abgestimmt wird. Ausnahmsweise besteht ein Stimmverbot aber dann auch für weitere Organmitglieder, wenn die konkrete Möglichkeit gegeben ist, dass sie an einer vermeintlichen Pflichtverletzung des zu entlastenden Organmitglieds mitgewirkt haben (vgl. nur MüKoAktG/Arnold, AktG § 136 Rz. 8 unter Hinweis auf BGH, Urt. v. 21.09.2009 – II ZR 174/08, NZG 2009, 1270). Anerkannt ist ein über den Wortlaut der jeweiligen Vorschrift hinausgehendes Stimmverbot auch für Fälle einer gemeinsam begangenen Pflichtverletzung mehrerer Gesellschafter, da, wenn es um den Vorwurf gemeinsamer Verfehlungen geht, die gegen einen Mittäter erhobene Beschuldigung auch „eigene Sache“ der übrigen Beteiligten ist, diese also dann, wenn sie das Verhalten des Mittäters zu beurteilen haben, zugleich ihr eigenes Fehlverhalten zu billigen oder zu missbilligen hätten. Dieses Richten in eigener Sache ist ihnen indes versagt, so dass alle Gesellschafter, gegen die wegen einer gemeinsam begangenen Pflichtverletzung Ersatzansprüche geltend gema cht und gerichtlich durchgesetzt werden sollen, von der Abstimmung darüber ausgeschlossen sind (BGH, Urt. v. 20.01.1986 – II ZR 73/85, BGHZ 97, 28, juris Rn. 11).Randnummer78

Es kann offenbleiben, ob ein solches Verständnis noch klassische Gesetzesauslegung, also Erforschung des Sinngehalts der Vorschrift, oder schon die Übertragung der für einzelne Tatbestände vorgesehenen Regel auf einen anderen, aber rechtsähnlichen Tatbestand wäre und daher das Bestehen einer planwidrigen Regelungslücke voraussetzen würde. Auch der Bundesgerichtshof entscheidet diese Frage nicht einheitlich. Während er in der von der Klägerin zur Stützung ihrer Rechtsauffassung in Bezug genommenen Entscheidung (Urt. v. 21.01.1986, II ZR 73/85, BGHZ 97, 28) § 47 Abs. 4 GmbHG das Stimmverbot des Gesellschafters durch analoge Anwendung entnimmt und ausführt: „Das schließt aber nicht aus, § 47 Abs. 4 GmbHG in vergleichbaren Fällen sinngemäß anzuwenden, wenn nämlich das Interesse und somit auch das Ausmaß des Interessenkonflikts für mehrere Gesellschafter identisch ist. In diesem Zusammenhang kommt der weitere im § 47 Abs. 4 GmbHG ebenfalls zum Ausdruck gekommene Grundgedanke des Stimmverbots zum Tragen, dass nämlich ein Gesellschafter nicht Richter in eigener Sache sein darf“ (juris Rz. 11), ist in dem u.a. auf jene Entscheidung verweisenden Urteil vom 07.04.2003 (II ZR 193/02, juris Rz. 10) von einem Stimmverbot in „erweiterter Auslegung des § 47 Abs. 4 GmbHG“ die Rede. Würde die Übertragung der Regelung in § 136 Abs. 1 AktG eine planwidrige Regelungslücke erfordern, so läge diese hier mit Blick auf die quantitative und qualitative Vergleichbarkeit des Falles vor.Randnummer79

aaa) Die für die Annahme eines Stimmverbots erforderliche Vergleichbarkeit der Sachverhalte in quantitativer und qualitativer Hinsicht mit den in § 136 Abs. 1 AktG geregelten Tatbeständen ist in Fällen wie dem vorliegenden, d.h. beim Zusammenspiel von § 147 AktG und §§ 309 ff., 317 und 318 AktG, besonders naheliegend, sodass ein Stimmverbot bei Konzernsachverhalten in Betracht zu ziehen ist. Wie mittlerweile höchstrichterlich geklärt ist, sind Ansprüche aus §§ 309, 317 AktG vom Anwendungsbereich des § 147 Abs. 1 Satz 1 AktG umfasst (BGH, Urt. v. 30.06.2020 – II ZR 8/19, NZG 2020, 1025, juris Rn. 35 ff.), was für die konzernrechtlichen Haftungstatbestände der §§ 310, 318 AktG, welche sich auf Pflichtverletzungen der „eigenen“ Verwaltungsmitglieder der abhängigen Gesellschaft beziehen, bereits überwiegend angenommen worden war (BGH aaO, juris Rn 38 mN). Gemessen an den soeben unter 2. b) bb) dargestellten Grundsätzen erscheint dem Senat bei Konzernsachverhalten die Prüfung eines Stimmverbotes für den mittelbar betroffenen Aktionär bei Abstimmungen im Sinne von § 147 AktG vor allem deshalb geboten, weil diese Vorschrift, wie gerade erwähnt, für Ersatzansprüche aus durch die Abhängigkeit bedingten Geschäftsführungsverstößen gegen das herrschende Unternehmen und seine gesetzlichen Vertreter ebenso gilt wie für diejenigen gegen Verwaltungsmitglieder des abhängigen Unternehmens und außerdem in § 318 AktG ein Gesamtschuldverhältnis der Ersatzpflichtigen gesetzlich angeordnet ist. Für eine entsprechend erweiterte Auslegung oder die analoge Anwendung von § 136 Abs. 1 Alt. 3 AktG auf Abstimmungen über die gesamtschuldnerische Geltendmachung von ErsatzansprüchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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gegen das herrschende Unternehmen und die Organmitglieder der abhängigen Gesellschaft sprechen aber auch vor allem Sinn und Zweck des § 147 Abs. 1 Satz 1 AktG. Die Vorschrift will die tatsächliche Geltendmachung bestimmter Ersatzansprüche sichern, soll so dem das pflichtgemäße Verhalten bewirkenden Haftungsdruck für die Organe Nachdruck verleihen und verhindern, dass Ersatzansprüche der Gesellschaft auf Grund einer Befangenheit der Mitglieder der Verwaltungsorgane nicht durchgesetzt werden. Die Durchsetzung etwaiger Ansprüche ist aber typischerweise dann nicht unbedingt zu erwarten, wenn diejenigen Personen Ansprüche verfolgen sollen, die dem Ersatzpflichtigen kollegial oder geschäftlich verbunden oder ihm für seine eigene Bestellung zu Dank verpflichtet sind oder Gefahr laufen, dass im Verfahren eigene Versäumnisse aufgedeckt werden. Diese Interessenkollision besteht bei den Organmitgliedern einer abhängigen Gesellschaft zum herrschenden Unternehmen in gleichem Maße. Zudem ist die Gefahr, dass der Vorstand unter dem Einfluss des herrschenden Unternehmens Ansprüche gegen dieses nicht geltend macht, besonders groß (BGH aaO, juris Rn. 39). Wenn und weil das so ist, erfordert ein an Sinn und Zweck von § 147 AktG orientiertes Verständnis des Stimmverbots nach § 136 Abs. 1 Alt. 3 AktG zumindest im Einzelfall und unter bestimmten Umständen die Nichtzulassung der Stimmabgabe auch des nur mittelbar betroffenen herrschenden Aktionärs, weil nur hierdurch sichergestellt werden kann, dass im Interesse der GesellschaftBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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sowie ihrer Gläubiger und Minderheitsaktionäre auch Ersatzansprüche nach §§ 318, 93, 116 AktG durchgesetzt werden können.Randnummer80

bbb) Dass ein Minderheitenschutz über das Recht zur gerichtlichen Bestellung eines Sonderprüfers gewährleistet ist und das Konzernrecht mit den §§ 312 ff. AktG Regelungen enthält, die dem Zweck dienen, Sonderinteressen des beherrschenden Aktionärs zu neutralisieren (so OLG Köln, Urt. v. 09.03.2017 – 18 U 19/16, NZG 2017, 1344, juris Rz. 383 ff. unter Hinweis auf Tielmann/Gahr, AG 2016, 199, 204), steht dem nicht entgegen. Das (Minderheiten-)Recht aus § 142 AktG steht neben den Rechten aus § 147 AktG und dem Umstand, dass den Aktionären grundsätzlich die konzernrechtliche Einzelklage zusteht, hat der Bundesgerichtshof (aaO juris Rn 40) gerade keine verdrängende Wirkung im Verhältnis zu den §§ 147, 148 AktG zuerkannt und ausgeführt, dass § 147 AktG den Aktionären im Unterschied zu §§ 309, 317 AktG kein Individualklagerecht einräumt, sondern lediglich das Recht der Hauptversammlung, die Gesellschaft zur Klageerhebung zu zwingen, begründet. Die konzernrechtliche Individualklage ist daher nicht spezieller, sondern ein aliud. Überzeugend hat der Bundesgerichtshof seine Auffassung mit dem auch hier tragenden Argument begründet, dass es im Hinblick auf das Kompetenzgefüge der Aktiengesellschaft wenig überzeugend erscheine, wenn einzelne Aktionäre Ansprüche der Gesellschaft im Wege der Prozessstandschaft nach § 309 Abs. 4, § 317 Abs. 4 AktG geltend machen könnten, die Hauptversammlung jedoch gehindert wäre, die Geltendmachung dieser Ansprüche nach § 147 Abs. 1 Satz 1 AktG zu erzwingen (BGH aaO, juris Rn 40 mN), und darauf aufmerksam gemacht, dass das Klagerecht jedes einzelnen Aktionärs nur auf den ersten Blick gleich oder sogar höherwertig sei, weil es mit einem Prozesskostenrisiko belastet sei und daher keine große praktische Bedeutung habe.Randnummer81

ccc) Auch die Auffassung, dass der Schutzzweck der Vorschrift des § 136 Abs. 1 AktG, der darin besteht, dass kein Aktionär „Richter in eigener Sache“ sein soll, wenn das Gesellschaftsvermögen zugunsten der Gesamtheit der Gesellschafter typischerweise des Schutzes gegenüber einzelnen Gesellschaftern bedarf, dann nicht berührt wird und eine erweiterte Auslegung oder Einzelanalogie von vorneherein ausscheidet, wenn nicht die Gefahr im Raume steht, dass die Geltendmachung der Ansprüche insgesamt vereitelt wird (OLG KölnBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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aaO), teilt der Senat nicht. Mit diesem Argument bedürfte es auch keiner erweiterten Auslegung des § 136 Abs. 1 AktG oder des § 47 Abs. 4 GmbHG in den oben genannten Fällen, da auch dort die Geltendmachung gegen zumindest einen potentiell Haftenden sichergestellt ist. Entscheidend ist nicht, ob mit einer Geltendmachung von Ansprüchen aus dem in Rede stehenden Sachverhalt gegen einen von mehreren Schuldnern zu rechnen ist, zumal dies mehr oder minder von Zufall abhängen würde, sondern ob ein mit Fällen von § 136 Abs. 1 AktG vergleichbarer Interessenkonflikt im konkreten Fall vorliegt.Randnummer82

ddd) Richtig mag sein, dass die Regelung des § 136 AktG nicht dazu dient, Interessenkonflikte zwischen Mehrheits- und Minderheitsaktionärin zu regeln, sondern eine Einflussnahme von verbandsfremden interessen vermeiden soll, jedoch kein allgemeines Stimmverbot für jeglichen Fall der Gefahr des Einflusses von verbandsfremden Sonderinteressen normiert, sondern nur bestimmte typisierte Interessenkonflikte erfasst (OLG KölnBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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aaO, juris Rn. 385 mN). Nach dem Dafürhalten des Senats steht ein den Fällen des § 136 Abs. 1 AktG vergleichbarer typisierter Interessenkonflikt hier aus den nachbenannten Gründen jedoch gerade im Raum [vgl. im Folgenden unter cc)].Randnummer83

eee) Gegen eine erweiterte Auslegung oder eine Einzelanalogie spricht schließlich nicht, dass dies auf Kosten der Rechtssicherheit ginge und das sachgerechte Zusammenwirken der Gesellschafter in Frage stellen könnte und die Interessen der GesellschaftBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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dadurch gewahrt seien, dass das Abstimmungsverhalten am Maßstab der mitgliedschaftlichen Treuepflicht gemessen werden könne (OLG KölnBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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aaO m.N.). Die zur Stützung seiner Rechtsauffassung vom OLG KölnBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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zitierte Grundsatzentscheidung des Bundesgerichtshofs vom 20.01.1986 (II ZR 73/85, BGHZ 97, 28, juris Rn. 11) enthält keine gegen die Annahme einer Einzelanalogie gerichtete Aussage, sondern bezieht sich auf eine Gesamtanalogie. Die zitierte Passage lautet:Randnummer84

„Der Revision ist allerdings zuzugeben, dass das Stimmrecht nicht schon dann nach § 47 Abs. 4 GmbHG ausgeschlossen ist, wenn sich der Gesellschafter in einem irgendwie gearteten Konflikt zwischen seinen außergesellschaftlichen interessen und denen der Gesellschaft befindet; eine solche Lösung ginge auf Kosten der Rechtssicherheit und könnte ein sachgerechtes Zusammenwirken der Gesellschafter entsprechend dem Gewicht ihrer Beteiligungen in Frage stellen (BGHZ 68, 107, 109; 80, 69, 71). Ausdrücklich nimmt das Gesetz nur dem Gesellschafter das Stimmrecht, gegen den die gerichtliche Geltendmachung von ErsatzansprüchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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beschlossen werden soll. Das schließt aber nicht aus, § 47 Abs. 4 GmbHG in vergleichbaren Fällen sinngemäß anzuwenden, wenn nämlich das Interesse und somit auch das Ausmaß des Interessenkonflikts für mehrere Gesellschafter identisch ist.“Randnummer85

Zudem wäre eine gleichermaßen im Interesse der GesellschaftBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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und ihrer Aktionäre sowie nicht zuletzt des Versammlungsleiters liegende möglichst zügige und rechtssichere Beurteilung des Vorliegens eines Stimmverbotstatbestandes bei Anerkennung einer weiteren Fallgruppe leichter möglich als bei einer ausschließlich treuepflichtorientierten Betrachtung. Denn letztere erfordert stets eine genaue Untersuchung der besonderen Umstände des Einzelfalles und schließt außerdem, anders als ein Stimmverbot, die Wahrnehmung des Stimmrechts durch den Aktionär nicht schlechthin, sondern nur in gesellschaftsschädlicher Richtung aus. Ob die Voraussetzungen eines Stimmverbotes im Einzelfall vorliegen oder nicht, ließe sich daher erst nach einer Befassung mit dessen Gesamtumständen beurteilen.Randnummer86

cc) Die Annahme eines Stimmverbots in erweiterter Auslegung oder analoger Anwendung von § 136 Abs. 1 Alt. 3 AktG setzt, wie unter 2. b) bb) erwähnt, voraus, dass ein quantitativ und qualitativ vergleichbarer Sachverhalt auch tatsächlich vorliegt. Aus Gründen der Rechtssicherheit, aber auch mit Blick auf im Rahmen der §§ 147, 136 AktG durchaus bestehende Missbrauchsrisiken, kann es für das Bestehen eines Stimmverbots des mittelbar betroffenen Mehrheitsaktionärs nicht schon ausreichen, das Bestehen einer gesamtschuldnerischen Haftung oder von Ersatzansprüchen aus demselben Lebenssachverhalt nur „ins Blaue hinein“ zu behaupten. Vielmehr müssen Ansprüche gegen Mitglieder von Vorstand und/oder Aufsichtsrat des abhängigen Unternehmens nach dem Inhalt des Beschlussantrags zumindest in Betracht kommen.Randnummer87

Das ist der Fall. Insofern hält der Senat an seiner im Hinweisbeschluss geäußerten vorläufigen Würdigung des beiderseitigen Vorbringens nach Überprüfung nicht fest.Randnummer88

aaa) Das Stimmverbot erfasst über den Gesetzeswortlaut hinaus beim Vorwurf gemeinsam begangener Pflichtverletzungen die Abstimmung über das Verhalten aller daran Beteiligten, weil dieses in einem solchen Fall nur einheitlich beurteilt werden kann (BGH, Urteil vom 12.06.1989 – II ZR 246/88-, juris Rz. 17 = BGHZ 108, 21 unter Hinweis auf BGHZ 97, 28, 33f.). Dass der Bundesgerichthof diese Grundsätze in seinem Urteil vom 07.04.2003 (II ZR 193/02, juris Rz. 10) eingeschränkt hat, wie die Beklagte vorbringt, vermag der Senat nicht zu erkennen. Der Bundesgerichtshof hat (aaO) ausgeführt, das Stimmverbot erfasse lediglich diejenigen Gesellschafter, welche eine Pflichtverletzung gemeinsam mit anderen begangen haben, weil und soweit das gemeinschaftliche Fehlverhalten in solchem Fall nur einheitlich beurteilt werden kann und verweist auf seine Entscheidung vom 12.06.1989 (BGHZ 108, 21). Darin führt er aus, dass, wenn die Tätigkeit der Geschäftsführung, des Aufsichtsrats oder eines Beirats insgesamt gebilligt oder mißbilligt werden soll, falls es nicht um eine bestimmte Einzelmaßnahme eines Organmitglieds geht, alle Gesellschafter betroffen sind, die dem Organ angehören (BGH aaO juris Rz. 17). In der Entscheidung, auf welche sich die Beklagte bezieht, klammert der Bundesgerichtshof den Fall aus, in welchem einer vorsätzlichen Verfehlung eines Gesellschafters allenfalls ein Aufsichtsversäumnis des Geschäftsführers, mithin eine ganz andersartige Pflichtverletzung gegenübersteht (BGH, Urteil vom 07.04.2003 – II ZR 193/02-, juris Rz. 10).Randnummer89

bbb) Gemessen an diesem Maßstab erfasst das Stimmverbot die Mehrheitsaktionärin der Beklagten, da der Vorwurf einer gemeinsam begangenen Pflichtverletzung hinreichend konkret im Raum steht und das Verhalten aller an dem beschlussgegenständlichen Geschäft Beteiligten nur einheitlich beurteilt werden kann. Hier geht es weder um eine Einzelmaßnahme eines bestimmten Organmitglieds der Beklagten noch um eine andersartige Pflichtverletzung iSd dieser Rechtsprechung. Der Antrag der Klägerin betreffend die ergänzenden Beschlussfassungen lässt die Gründe möglicher Schadensersatzansprüche der Beklagten im Zusammenhang mit dem Erwerb der Anteile an der C.-S.A. von der D.-Gruppe gegen die darin genannten Mitglieder ihres Vorstands und Aufsichtsrats auch ausreichend erkennen und das Bestehen dieser Ansprüche sowie ein gemeinschaftliches Fehlverhalten kommen nach seinem Inhalt zumindest in Betracht.Randnummer90

(1) Der Beschlussantrag der Klägerin entspricht weitgehend dem als wirksam zu behandelnden Geltendmachungsbeschluss der Hauptversammlung der Beklagten vom 16./17.07.2015, welcher den für etwaige Ersatzansprüche gegen die genannten D.-Gesellschaften maßgeblichen Lebenssachverhalt hinreichend konkret beschreibt (vgl. BGH, Urteil vom 30.06.2020 – II ZR 8/19-, juris Rz. 25 ff.). Für die ergänzende Beschlussfassung, welche auf diesem Geltendmachungsbeschluss aufbaut, kann im Rahmen der §§ 136, 147 AktG nichts grundlegend anderes gelten.Randnummer91

(2) Die Annahme, dass aufgrund dieses Sachverhalts auch Ansprüche gegen (ehemalige) Organmitglieder der Beklagten nach §§ 93, 116, 318 AktG bestehen könnten, liegt zumindest nicht fern. Der Ersatz eines aus dem nach Darstellung der Klägerin überteuerten Erwerb der Anteile an der C.-S.A. entstandenen Schadens würde voraussetzen, dass einerseits „D.“ die Beklagte als herrschendes Unternehmen zu einer für diese nachteiligen Maßnahme, also einer solchen, die ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter einer unabhängigen Gesellschaft unterlassen hätte, veranlasst und den Nachteil der Beklagten nicht ausgeglichen hat, sowie andererseits Mitglieder des Vorstands oder Aufsichtsrats im Zusammenhang mit dem Zustandekommen des Anteilserwerbs ihre jeweiligen Pflichten verletzt haben. Anerkannt ist, dass §§ 93, 116 AktG von § 318 AktG nicht verdrängt werden und sich die jeweiligen Pflichtenkreise zum Teil überlagern (vgl. zum Verhältnis der Vorschriften zueinander nur J. Vetter in: Schmidt, K./Lutter, AktG, 4. Aufl. 2020, § 318 Rz. 14-17 mwN).Randnummer92

Dass ein faktisches Abhängigkeitsverhältnis besteht, steht außer Streit. Dass ein Nachteilsausgleich iSd § 311 Abs. 2 AktG erfolgt oder beabsichtigt sei, macht die Beklagte nicht geltend. Der Abschluss des in Rede stehenden Anteilserwerbsgeschäfts ist ohne ein Zusammenwirken der Organe des herrschenden wie des abhängigen Unternehmens des Weiteren undenkbar. Dass die Klägerin nicht darzulegen vermag, ob der Erwerb der Anteile an der C.-S.A. eine i.S.d. §§ 311, 317 AktG durch die Mehrheitsaktionärin der Beklagten veranlasste Maßnahme darstellt, ist unschädlich, da sie zu einer solchen Darlegung mangels Einblicks in die diesbezüglichen unternehmensinternen Abläufe außerstande ist. Insoweit ist zu beachten, dass der Begriff weit zu verstehen ist. Maßnahme ist jedes willensgeleitete Verhalten, das sich auf die Vermögens- oder Ertragslage unmittelbar oder mittelbar auswirken kann. Es genügt also jede Geschäftsführungshandlung, die Auswirkungen auf die Ertrags- oder Vermögenslage der Gesellschaft haben kann (vgl. nur Hüffer/Koch, AktG § 311 Rn. 24). Veranlassung umfasst jedes dem herrschenden Unternehmen zuzurechnende Verhalten, das für die Maßnahme zumindest mitursächlich ist. Dabei ist gleichgültig, wie das herrschende Unternehmen seinen Wunsch, eine bestimmte Maßnahme zu treffen, zum Ausdruck bringt. Ausreichend sind schon eine Anregung, ein Vorschlag oder die Äußerung einer Erwartung (vgl. nur Hüffer/Koch, AktG § 311 Rn. 16 m.w.N.). Rechtsgeschäftliches Verhalten, etwa ein Handeln für die abhängige Gesellschaft aufgrund einer Vollmacht, ist nicht erforderlich. Die Veranlassungswirkung muss dem herrschenden Unternehmen aber bewusst oder zumindest zurechenbar sein. Der bloße Anschein einer Veranlassung genügt aber nicht (J. Vetter in Schmidt, K./Lutter, AktG, 3. Auflage 2015, § 311 Rn.27 m.N.). Eine solche Veranlassung, welche demnach nicht mehr als die bewusste Benutzung seines Einflusses durch das herrschende auf das abhängige Unternehmen voraussetzen würde, ist hier nicht ausgeschlossen, mag sogar naheliegen. Ob die Beklagte von der D.-S.A. zu einer nachteiligen Maßnahme veranlasst wurde, weil der Erwerb der Anteile zu einem überhöhten Kaufpreis erfolgt ist, steht im Streit und ist Gegenstand der Beweisaufnahme beim Landgericht Düsseldorf (40 O 75/15). Hierfür könnte sprechen, dass das schriftliche Gutachten zum Unternehmenswert der C.-S.A. des gerichtlichen Sachverständigen („XY“) vom 31.03.2021 (Anlage MHP 15) eine Abweichung in Höhe von immerhin rund 50% zwischen dem Wert der Anteile und dem von der Beklagten gezahlten Kaufpreis ausweist. Der Senat verkennt nicht, dass die Beklagte diese sachverständige Bewertung angreift und das Gutachten für grob fehlerhaft hält. Die insoweit strittigen Fragen sind hier indes nicht zu klären. Im vorliegenden Kontext kommt es vielmehr maßgeblich auf den Begriff der Nachteiligkeit an, da dieser für die Beurteilung des für das Eingreifen eines Stimmverbots erforderlichen Vorwurfs einer gemeinschaftlichen Pflichtverletzung der Organe beider beteiligter Gesellschaften prägend ist. Nachteilig i.S.d. §§ 311, 317 AktG ist jede Geschäftsführungshandlung, welche die Ertrags- oder Vermögenslage der Gesellschaft beeinträchtigt. Erfasst wird jede Minderung oder konkrete Gefährdung der Ertrags- oder Vermögenslage der abhängigen Gesellschaft, soweit sie als Abhängigkeitsfolge eintritt (Hüffer/Koch § 311 Rn. 24 m.w.N.), sodass bereits die Zahlung eines überhöhten Kaufpreises, soweit von der Beklagten zu leisten, ein Nachteil gewesen sein könnte. Auch dass der hier in Rede stehende Ersatzanspruch des Weiteren voraussetzt, dass ein pflichtgemäß handelnder Geschäftsleiter einer nicht i.S.d. § 317 AktG abhängigen Gesellschaft die konkrete Maßnahme unter sonst gleichen Bedingungen nicht veranlasst hätte, und bei der auf den Zeitpunkt von deren Vornahme bezogenen Beurteilung der Frage der Einhaltung der Sorgfaltspflicht gemäß § 93 Abs. 1 S. 1 AktG, der auch im faktischen Konzern Geltung beansprucht (BGH, Urt. v. 03.03.2008 – II ZR 124/06, BGHZ 175, 365 = NJW 2008, 1583, juris Tz. 11), dem Leitungsorgan im Rahmen der Führung der Geschäfte grundsätzlich ein weiter Handlungsspielraum zuzubilligen ist, der erst dann verlassen wird, wenn die Grenzen, in denen sich ein von Verantwortungsbewusstsein getragenes, ausschließlich am Unternehmenswohl orientiertes, auf sorgfältiger Ermittlung der Entscheidungsgrundlagen beruhendes unternehmerisches Handeln bewegen muss, deutlich überschritten worden sind (BGH, Urt. v. 21.04.1997 – II ZR 175/95, BGHZ 135, 244 = NJW 1997, 1926), steht der Annahme eines Stimmverbots nichts entgegen. Ob die Ansprüche tatsächlich bestehen und durchgesetzt werden können, ist im Rahmen des § 136 AktG nach allgemeiner Ansicht unbeachtlich (vgl. etwa Hüffer/Koch, AktG, 15. Aufl. 2021, § 136 Rn. 23; Spindler in: Schmidt, K./Lutter, AktG, 4. Aufl. 2020, § 136 Rn. 28; MüKoAktG/Arnold, 4. Aufl. 2018, § 136 Rn. 13 und § 147 Rn. 46).Randnummer93

(3) Zwar mag es auf den ersten Blick an der Verletzung gleichartiger Pflichten fehlen, da Vorstand und Aufsichtsrat der Beklagten und den Organmitgliedern des herrschenden Unternehmens unterschiedliche Pflichtverletzungen und Versäumnisse vorgeworfen werden. Dies liegt nach dem Konzept der §§ 311 ff. AktG jedoch in der Natur der Sache und kann schon deshalb, will man die Ersatzansprüche in den Anwendungsbereich des § 147 AktG einbeziehen, dem für die konsequente und in sich stimmige Durchsetzung der erfassten Ansprüche aus den genannten Gründen grundsätzlich daneben erforderlichen Stimmverbot nicht entgegengehalten werden. Ausreichend ist, dass – was bei Konzernsachverhalten gemäß §§ 311 ff. AktG regelmäßig und auch hier der Fall ist – die angeblichen Ersatzansprüche aus einem einheitlichen Lebenssachverhalt hergeleitet werden. Dieser Sachverhalt gibt das „weil und soweit“ iSd der höchstrichterlichen Rechtsprechung vor, und insoweit unterscheidet sich die gegebene Konstellation von den der zitierten BGH-Rechtsprechung zu entnehmenden Einschränkungen. Dort war es so, dass es um eine bestimmte Maßnahme einer Einzelperson oder um ein vorsätzliches Fehlverhalten des einen Geschäftsführers und ein etwaiges Aufsichtsversäumnis des anderen ging, während das angebliche Fehlverhalten der Organmitglieder der Beklagten das des herrschenden Unternehmens tatbestandsmäßig voraussetzt. Nur wenn der Erwerb unter § 311 Abs. 1 AktG fällt, kommen Ansprüche gegen die Organmitglieder der Beklagten überhaupt in Betracht. Nach alldem ist der Klägerin nicht anzulasten, nicht konkret dargelegt zu haben, inwiefern bestimmte Organmitglieder der Beklagten und deren Mehrheitsaktionärin eine Pflicht gemeinsam verletzt, insbesondere kollusiv zusammengewirkt haben sollen oder ihr Verhalten aufeinander abgestimmt haben. Dass sich etwaige Pflichtverletzungen wertungsmäßig entsprechen, folgt aus dem Haftungskonzept der §§ 311 ff. AktG und der in § 318 AktG angeordneten gesamtschuldnerischen Haftung. Dem Beschlussantrag zu Tagesordnungspunkt 10 ist zu entnehmen, dass es eine Veranlassung des Erwerbs der (überteuerten) Anteile an der C.-S.A. durch die herrschende Mehrheitsaktionärin gegeben hat. Dort heißt es außerdem, die Organmitglieder seien „an der Vorbereitung und Umsetzung des Geschäfts als handelnde Vorstandsmitglieder bzw. bei deren unzureichender Überwachung als Aufsichtsratsmitglieder“ beteiligt gewesen und es seien von ihnen für die Bewertung des Kaufobjektes zentrale Aspekte ausgespart worden. In welcher Art und Weise bestimmte Organmitglieder an der Vorbereitung und Umsetzung des Geschäfts beteiligt gewesen sein oder ihre Pflichten verletzt haben sollen, ist dem Beschlussantrag zwar nicht zu entnehmen. Gleiches gilt für das von der Klägerin in Bezug genommene Teilurteil des Landgerichts Duisburg vom 09.06.2016 (Anlage MP 5) und den Antrag auf Erlass einer Einstweiligen Verfügung vom 03.05.2016 des Streithelfers zu 6) der Klägerin (ebenfalls als Anlage MP 4 bezeichnet). Dies im Einzelnen zu klären wird jedoch die Aufgabe des Besonderen Vertreters sein. Dass der Vorstand der Beklagten an der Vorbereitung und Umsetzung des Erwerbsgeschäfts beteiligt war, ist anzunehmen, da er das Unternehmen leitet und sie vertritt, §§ 76, 78 AktG. Die Pflichten des Aufsichtsrats ergeben sich ebenfalls aus dem Gesetz, u.a. aus § 111 AktG. Dies reicht bis zur Klärung des Sachverhalts und etwaiger konkreter Vorwürfe im Rahmen von §§ 136, 147 AktG aus. Eine Prüfung des Bestehens der angeblichen Ansprüche in diesem Verfahren zu verlangen, würde Sinn und Zweck der dem Minderheitenschutz dienenden Vorschriften nicht gerecht. Der Klägerin ist daher zuzustimmen soweit sie argumentiert, es reiche aus, dass sie die Tatbeiträge der einzelnen Teilnehmer und deren Pflichtverletzungen umrissen habe, die Beschuldigungen nicht aus der Luft gegriffen seien, wie sich nun auch aus dem Gutachten ergebe, und ein beabsichtigter Schadensersatzprozess nicht von vorneherein aussichtslos erscheine. Wie im Rahmen des § 147 AktG müssen auch für das Stimmverbot die Ersatzansprüche nur nachvollziehbar behauptet und erst im Haftungsprozess bewiesen werden.Randnummer94

3. Da die Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage begründet ist, gilt dies auch für die mit ihr zulässigerweise (vgl. nur Hüffer/Koch, AktG, 15. Aufl. 2021, § 246 Rn 42 mwN) verbundene positive Beschlussfeststellungsklage. Mit ihrer Klage wendet sich die Klägerin mit Recht nicht lediglich gegen die unrichtige Feststellung des in Wirklichkeit nicht zustande gekommenen Beschlusses zu Tagesordnungspunkt 10, sondern begehrt auch die verbindliche Klärung, was in Wahrheit beschlossen worden ist. Neben der Beseitigung des „Scheinbeschlusses“ besteht bei der Feststellung eines unter Berücksichtigung des die Mehrheitsaktionärin der Beklagten treffenden Stimmverbotes richtigerweise nicht gefassten Hauptversammlungsbeschlusses das Bedürfnis, mittels einer Feststellungsklage das wahre Beschlussergebnis verbindlich festzulegen (vgl. nur BGH, Urteil vom 13.03.1980 – II ZR 54/78-, BGHZ 76, 191). Bei Nichtberücksichtigung der 10.252.193 Nein-Stimmen der D.-S.A. von insgesamt 10.252.923 Nein-Stimmen ist der Beschlussantrag der Klägerin mit 7.984.825 Ja-Stimmen angenommen worden, was antragsgemäß festzustellen ist.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 97 Abs. 1, 101, 100 ZPO.Randnummer96

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 708 Nr. 10, 711, 108 ZPO.Randnummer97

Gründe, die Revision zuzulassen, § 543 Abs. 2 ZPO, liegen nicht vor; zulassungsrelevante Rechtsfragen werden nicht aufgeworfen. Die Entscheidung beruht auf der zitierten höchstrichterlichen Rechtsprechung, von der nicht abgewichen wird.Randnummer98

Streitwert des Berufungsverfahrens: 200.000,00 EUR

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