§ 138 HGB, § 142 BGB
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Ausscheiden
Ausscheiden eines Gesellschafters
wegen arglistiger Täuschung angefochten, so bestimmen sich die Wirkungen nach den Regeln über fehlerhafte Gesellschaftsverträge.
Tatbestand
Die Parteien sind Brüder. Sie waren Gesellschafter der offenen Handelsgesellschaft J W. M (im folgenden: OHG), die ein Säge- und Hobelwerk sowie einen Holzhandel betrieb. Am 8. März 1962 beschlossen die Gesellschafter: Randnummer2
„Die Gesellschafter sind sich darüber einig, daß nach Kenntnisnahme über die Entwicklung des Jahres 1961 durch den Steuerbevollmächtigten Herrn K eine Belastung durch drei Gesellschafter nicht mehr tragbar ist. Der Gesellschafter R M (Beklagter) hat daraufhin mit sofortiger Wirkung seine Teilhaberschaft aufgekündigt und gilt ab heute aus dem Gesellschaftsverhältnis ausgeschieden. Als einmalige Entschädigung erhält der ausscheidende Gesellschafter 80 cbm 18 mm Fichten-Tannen-Bretter gesäumt, 3 – 5 m Länge, 40 cbm sofort, 40 cbm 8 Wochen später, 3.000,– DM (dreitausend) in Wechseln, 1 PKW Borgward gebraucht.“ Randnummer3
Der Beklagte erhielt die vorgesehenen Leistungen bis auf etwa 7 m 3 Holz. Randnummer4
Mit Schreiben vom 22. Juli 1963 focht die OHG die Auseinandersetzungsvereinbarung vom 8. März 1962 wegen Irrtums und Täuschung durch den Beklagten an. Randnummer5
Mit ihrer Klage hat die OHG verschiedene Auskunfts-, Rechnungslegungs- und Zahlungsansprüche geltend gemacht, die für den Revisionsrechtszug im einzelnen nicht von Bedeutung sind. Das Landgericht hat den Beklagten zur Zahlung von 940,65 DM verurteilt und im übrigen die Klage abgewiesen. Die OHG hat Berufung und der Beklagte hat AnschlußBerufung wegen eines Betrages von 158,– DM eingelegt. Während des zweiten Rechtszuges ist die OHG nach einem Vergleichsverfahren vollständig liquidiert und ihr Erlöschen im Handelsregister eingetragen worden. Die jetzigen Kläger haben den Rechtsstreit fortgesetzt. Randnummer6
Das Berufungsgericht hat durch Teilurteil unter Zurückweisung der Berufung im übrigen auf die Hilfsanträge der Kläger festgestellt, daß eine Auseinandersetzung unter den Parteien über das Vermögen der Gesellschaft noch nicht stattgefunden habe, und den Beklagten verurteilt, bei der Auseinandersetzung über das Vermögen der offenen Handelsgesellschaft J W. M nach dem Stande vom 8. März 1962 mitzuwirken. Mit seiner Revision möchte der Beklagte die Abweisung der Klage erreichen, soweit das angefochtene Urteil ihr stattgegeben hat. Die Kläger bitten um Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
1. Das Berufungsgericht hält die Anfechtung der Auseinandersetzungsvereinbarung nach § 123 BGB für begründet, weil der Beklagte während seiner Tätigkeit als Gesellschafter der Gesellschaftskasse unberechtigt Reisekosten entnommen und die Kläger hierüber arglistig getäuscht habe. So habe er auf Grund von Gefälligkeitsquittungen Übernachtungskosten von 112,47 DM unberechtigt erstattet erhalten. Ferner habe er mit Hilfe fingierter Belege über 86 Übernachtungen in Brilon mit insgesamt 645,50 DM abgerechnet, obwohl er dort nur etwa 15mal übernachtet habe. Die zu Unrecht erhobenen Übernachtungsgelder mit den damit zusammenhängenden Tagegeldern und Spesen machten nach den Angaben der Kläger 2.933,27 DM aus. Wenn der Beklagte die Reisekosten unkorrekt abgerechnet habe, so habe er als Gesellschafter grob treuwidrig gehandelt und sich zum Nachteil seiner Mitgesellschafter einen ungerechtfertigten Vermögensvorteil verschafft. Sein Verhalten habe er mit Rücksicht auf seine Treuepflicht als Gesellschafter bei der Besprechung am 8. März 1962 nicht verschweigen dürfen. Die Parteien hätten nur global abgerechnet. Schon der Verzicht auf eine Auseinandersetzungsbilanz und der Wortlaut der getroffenen Vereinbarung lasse das Bestreben der Parteien erkennen, die Sache schnell und einfach zu bereinigen. Wenn Kaufleute in dieser Weise einen Vertrag schlössen, gingen sie zwar bewußt ein Risiko ein. Da der Beklagte aber nicht etwa wegen des Verdachts treuwidrigen Verhaltens ausgeschieden sei, habe die oberflächliche Errechnung des Abfindungsbetrags für den Beklagten auf dem gegenseitigen Vertrauen der Gesellschafter beruht. Das Verschweigen der unkorrekten Reisekostenabrechnung sei daher arglistig gewesen. Es sei auch ursächlich gewesen für die Einigung der Parteien über den Abfindungsbetrag, nicht aber für das unabhängig davon beschlossene sofortige Ausscheiden des Beklagten. Randnummer8
2. Bei diesen Ausführungen hat das Berufungsgericht wesentliches Vorbringen des Beklagten nicht ausreichend berücksichtigt, wie die Revision mit Recht rügt. Randnummer9
a) Der Beklagte hat vorgetragen, der Kläger H-H M sei schätzungsweise 50- bis 60mal auf Kosten der Gesellschaft nach Amsterdam zu seiner Camping-Ofen-Firma gefahren (S. 18 f des Schriftsatzes vom 4. Februar 1964, GA Bd. I Bl. 101 f). Dafür sei er mit 7.500,– DM zu belasten. Außerdem sei H-H M zu Camping-Ausstellungen in das Ruhrgebiet etc. gefahren und habe die Gesellschaft unter dem Vorwand, er habe im Ruhrgebiet Holz verkaufen wollen, mit den Reisekosten belastet (Schriftsatz aaO). Dafür habe er mindestens 2.000,– DM zu Unrecht aus der Gesellschaftskasse erhalten. Im zweiten Rechtszug hat der Beklagte erneut darauf hingewiesen und geltend gemacht, alle Gesellschafter hätten gewußt, daß jeder von ihnen es mit den Übernachtungs- und Reisekosten nicht genau genommen habe; das sei mit ein Grund gewesen, weshalb man von der Aufstellung einer Bilanz abgesehen habe (S. 2 des Schriftsatzes vom 15. Juli 1965, GA Bd. II Bl. 398 R). Randnummer10
Diese Umstände könnten dazu führen, daß der Beklagte jedenfalls nicht ungefragt bei der Verhandlung über sein Ausscheiden die von ihm zu Unrecht erhobenen Reisekosten angeben mußte, weil er möglicherweise annehmen durfte, die Kläger legten auf eine Erörterung dieses Punktes in ihrem eigenen Interesse keinen Wert. Das wird das Berufungsgericht zu prüfen haben. Randnummer11
b) Auch in subjektiver Hinsicht läßt sich das Berufungsurteil ohne weitere Sachaufklärung nicht halten. Es ist denkbar, daß die vom Beklagten vorgetragenen Umstände, soweit sie festgestellt werden sollten, die Verpflichtung des Beklagten zur Offenbarung zwar objektiv nicht in Frage stellen, aber den Vorwurf der Arglist ausschließen. Der Beklagte hat in diesem Zusammenhang noch vorgetragen, er habe geglaubt, für Übernachtungen bei Bekannten die normalerweise entstehenden Kosten berechnen zu dürfen. Die Kläger seien ebenso verfahren. Randnummer12
c) Schließlich ist gegebenenfalls zu prüfen, ob das Unterlassen des Beklagten für die Höhe der ihm zugebilligten Abfindung ursächlich war. Wie das Berufungsgericht festgestellt hat, rechneten die Parteien „global“ ab. Mit Recht hat das Berufungsgericht hieraus gefolgert, daß die Parteien bewußt ein Risiko eingegangen sind. In einem solchen Fall kann die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung nur auf Umstände gestützt werden, die außerhalb des bewußt übernommenen Risikos liegen, weil nur insoweit eine unlautere Willensbeeinflussung in Betracht kommt (BGH LM BGB § 123 Nr. 4). Einen solchen Umstand hat das Berufungsgericht darin gesehen, daß der Beklagte nicht etwa wegen des Verdachts treuwidrigen Verhaltens ausgeschieden sei, so daß die oberflächliche Errechnung seines Abfindungsguthabens auf dem gegenseitigen Vertrauen der Gesellschafter beruht habe. Randnummer13
Hiergegen bestehen Bedenken, denen das Berufungsgericht erforderlichenfalls noch nachgehen muß. Der Steuerbevollmächtigte der Gesellschaft, K, hat als Zeuge bekundet, daß die Verhandlung am 8. März 1962 mit einem heftigen Streit begonnen habe. Eine Auseinandersetzungsbilanz hätten die Parteien nicht aufstellen wollen, weil dies zu umständlich gewesen wäre und insbesondere deshalb, weil die Verhältnisse der Gesellschaft nicht hätten an die Öffentlichkeit gebracht werden sollen. Bei der Feststellung der Abfindung des Beklagten hätten Kontounterlagen nicht vorgelegen. Für den Fall, daß das Berufungsgericht entsprechende Feststellungen treffen sollte, könnte sich daraus die Folgerung ergeben, die Parteien hätten im Interesse einer schnellen Trennung von näheren Feststellungen auch über unberechtigte EntnahmenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Entnahmen
unberechtigte Entnahmen
bewußt abgesehen und deshalb die angestrebte Gesamtbereinigung jedenfalls nicht an einem im Verhältnis zum Gesamtobjekt der Auseinandersetzung geringen Betrag, den der Beklagte zu Unrecht für Reisekosten entnommen haben soll, scheitern lassen. Das Vertrauen in die Korrektheit des Mitgesellschafters würde insbesondere dann in der Bedeutung für die Abfindungsvereinbarung zurücktreten, wenn die Kläger selbst, wie der Beklagte behauptet, zu Unrecht Reisekosten entnommen haben sollten. Randnummer14
3. Auf die tatsächlichen Voraussetzungen für eine Anfechtung nach § 123 BGB käme es nicht an, wenn die Anfechtung verspätet erklärt worden wäre (§ 124 BGB). Die Revision nimmt dies an und stellt es hierbei darauf ab, daß die Kläger die Reisekostenabrechnungen des Beklagten erst in der Berufungsinstanz beanstandet hätten. Dem kann nicht gefolgt werden. Gewiß kann eine mit bestimmten Tatsachen begründete Anfechtung nicht nachträglich auf andere Gründe gestützt werden, für die in dem Zeitpunkt, in dem sie der Anfechtende geltend macht, die Frist des § 124 BGB verstrichen ist (BGH NJW 1966, 39). Hier war aber die Anfechtung von vornherein auch darauf gestützt, der Beklagte habe unberechtigt Beträge für Privatzwecke entnommen und die Entnahmen verschwiegen (Klageschrift S. 7; vgl. auch den Auskunftsantrag im Schriftsatz vom 16. Dezember 1963). Diese Erklärung haben die Kläger mit ihrem von der Revision angeführten Vorbringen in der Berufungsinstanz nur weiter erläutert und ergänzt. Damit wurde kein neuer Anfechtungsgrund nachgeschoben. Randnummer15
4. Es bedarf daher einer erneuten tatrichterlichen Prüfung, ob die Anfechtung sachlich begründet ist. Hierzu ist die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Randnummer16
Sollte das Berufungsgericht die Anfechtung aus den bisherigen oder den weiterhin von den Klägern geltend gemachten Gründen wiederum für berechtigt halten, so wird noch folgendes zu beachten sein: Randnummer17
a) Das Berufungsgericht hat die Frage, ob die Täuschungsanfechtung den gesamten Vertrag vom 8. März 1962 oder nur die Einigung über den Abfindungsbetrag erfaßt habe, danach beurteilt, inwieweit die Täuschung für diese Vereinbarungen ursächlich gewesen sei (§ 139 BGB). Damit ist es den besonderen Gegebenheiten bei einer Personalgesellschaft nicht gerecht geworden. Randnummer18
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Ausscheiden eines Gesellschafters
betreffen den Status der Gesellschaft und bedeuten eine Änderung des Gesellschaftsvertrags. Wird ein solcher Vertrag angefochten, so bestimmen sich die Wirkungen nach den Regeln über fehlerhafte Gesellschaftsverträge. Denn das Ausscheiden auf Grund fehlerhaften Vertrags ist nur das Spiegelbild eines fehlerhaften Eintritts in die Gesellschaft oder einer fehlerhaften Gesellschaftsgründung (BGH WM 1955, 1702; Rob. Fischer, NJW 1955, 849, 851). Es schafft ebenfalls vollendete Tatsachen, die nicht einfach als ungeschehen behandelt werden können. Der ausgeschiedene Gesellschafter kann auf die Führung der Geschäfte keinen Einfluß mehr nehmen und haftet demgemäß nur noch im Rahmen des § 159 HGB. Desgleichen ist er am Gewinn und Verlust nicht mehr beteiligt. Ist der Austritt aus der Gesellschaft auf diese Weise vollzogen, so kann eine Anfechtung der Ausscheidensvereinbarung in der Regel nicht zu einer rückwirkenden Wiedereinsetzung des Gesellschafters führen. Vielmehr beschränken sich die Wirkungen der Anfechtung grundsätzlich auf die schuldrechtlichen Vereinbarungen insbesondere über die Abfindung des ausgeschiedenen GesellschaftersBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Abfindung
Abfindung des ausgeschiedenen Gesellschafters
, so daß der Abfindungsbetrag gegebenenfalls neu zu bestimmen ist. Randnummer19
Ein schuldrechtlicher Anspruch auf (künftige) Wiederaufnahme in die Gesellschaft scheidet ebenfalls aus, wenn der Beklagte, wie hier behauptet, durch eine arglistige Täuschung den Anfechtungsgrund selbst herbeigeführt hat (Fischer aaO). Randnummer20
b) Die Gesellschaft ist mit dem Ausscheiden des Beklagten nicht aufgelöst worden, sondern hat unter den Klägern zunächst fortbestanden. Mit der erst später erforderlich gewordenen Abwicklung und Auseinandersetzung über das Gesellschaftsvermögen hat der Beklagte daher nichts zu tun. Für ihn kommt nur eine auf den Zeitpunkt seines Ausscheidens berechnete Abfindung in Betracht. Dem entsprechen die Klageanträge und der erkennende Teil des Berufungsurteils in ihrer gegenwärtigen Fassung nicht. Die Feststellung kann sich ebenso wie eine Verurteilung des Beklagten nur auf die Ermittlung seines etwaigen Abfindungsguthabens beziehen. Ob der Beklagte hierbei mitzuwirken verpflichtet ist, hängt von den Umständen ab (BGH NJW 1959, 1491); auch hierzu wird das Berufungsgericht gegebenenfalls noch Feststellungen zu treffen haben.
Schlagworte: fehlerhafte Gesellschaft, fehlerhafte GmbH-Geschäftsanteilsübertragung, fehlerhafter Beitritt, fehlerhaftes Ausscheiden