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FG Bremen, Urteil vom 26. November 2015 – 1 K 20/15 (5)

§ 191 AO, § 69 AO, § 34 AO, § 35 GmbHG, § 41a EStG

Unabhängig von einer Krise der Gesellschaft muss ein nicht mit steuerlichen Angelegenheiten betrauter GmbH-Geschäftsführer prüfen, ob der Mitgeschäftsführer, dem diese Aufgaben übertragen sind, sich pflichtgemäß verhält. Dabei hängen Art und Umfang der Überwachung von den Umständen des Einzelfalles ab.  Besteht nach der Organisation der Geschäftsführung Anlass zu besonderen Kontrollen des Zahlungsverkehrs und kann der nicht mit steuerlichen Angelegenheiten betraute GmbH-Geschäftsführer diese Kontrollen gegenüber dem Mitgeschäftsführer nicht durchsetzen, muss er zur Vermeidung haftungsrechtlicher Konsequenzen sein Amt niederlegen.

Einer Haftung des Klägers stünde es auch nicht entgegen, wenn der weitgehende Ausschluss des Klägers von der Geschäftsführung durch den weiteren Geschäftsführer A und die fehlende Weitergabe von Informationen über die finanzielle Lage der GmbH an den Kläger zur Folge gehabt hätte, dass er keine Kenntnis von der Nichtentrichtung der angemeldeten Lohnsteuerbeträge gehabt hätte.

Denn die Verantwortung des Klägers für die Erfüllung der steuerlichen Pflichten der GmbH beruht allein auf seiner gesellschaftsrechtlichen Bestellung zum GeschäftsführerBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Bestellung zum Geschäftsführer
Geschäftsführer
. Nach dem bei mehreren Gesellschaftern geltenden Grundsatz der Gesamtverantwortung eines jeden Geschäftsführers treffen grundsätzlich jeden Geschäftsführer sämtliche Pflichten. Eine interne Aufgabenverteilung wirkt nur dann haftungsbegrenzend, wenn die nähere Ausgestaltung der Aufgabenzuweisungen vor Aufnahme der Geschäftsführertätigkeit klar und eindeutig schriftlich festgelegt worden ist (vgl. BFH-Beschluss vom 12. Mai 2009 VII B 266/08, BFH/NV 2009, 1589). Dieses kann durch Gesellschaftsvertrag, Gesellschafterbeschluss oder Vereinbarungen zwischen den Gesellschaftern und/oder Geschäftsführern geschehen (vgl. BFH-Urteil vom 17. Mai 1988 VII R 90/85, BFH/NV 1989, 4). Es kann dahingestellt bleiben, ob der Geschäftsführervertrag des Klägers mit der GmbH vom … als schriftliche Ausgestaltung der Aufgabenzuweisungen der Geschäftsführertätigkeit in Betracht kommen kann, da er nicht die organschaftliche Stellung des Klägers als Geschäftsführer, sondern sein Anstellungsverhältnis regelt. Jedenfalls lässt sich ihm hinsichtlich der steuerlichen Pflichten keine klare und eindeutige Aufgabenverteilung entnehmen. In § 1 Nr. 4 des Vertrages werden Unternehmensbereiche benannt, die der Kläger bearbeiten sollte, u.a. die „Betriebswirtschaft“, und Vorbehalte für die Bereiche „Finanzen“ und „Investitionen“ für den geschäftsführenden Gesellschafter gemacht. Nach dieser Bestimmung im Anstellungsvertrag sollten sowohl der Kläger als auch der geschäftsführende Gesellschafter kaufmännische Aufgaben erfüllen. Zu den mit der Geschäftsführung zusammenhängenden steuerlichen Pflichten, die nicht genannt werden, verhält sich die Regelung nicht.

Unabhängig davon hätte eine Begrenzung der Gesamtverantwortung des Klägers als Geschäftsführer durch eine schriftliche, klare und eindeutige Aufgabenverteilung geendet, als die laufende Erfüllung der Verbindlichkeiten der GmbH nicht mehr gewährleistet war und es nahe lag, an der Erfüllung der steuerlichen Verpflichtungen durch Herrn A zu zweifeln. Denn die uneingeschränkte Gesamtverantwortung lebt wieder auf, wenn erkennbar wird, dass das Unternehmen in eine finanzielle Krise gerät (BFH-Beschluss vom 12. Mai 2009 VII B 266/08, BFH/NV 2009, 1589; BFH-Urteil vom 13. März 2003 VII R 46/02, BFHE 202, 22, BStBl II 2003, 556). Der Senat ist davon überzeugt, dass die finanzielle Krise der GmbH dem Kläger, der die Unternehmensbereiche Betriebswirtschaft, Organisation und EDV bearbeitete, nicht verborgen geblieben ist. Sein Vortrag, dass für ihn kein Grund zur Besorgnis bestanden hätte, ist nicht glaubhaft. Er wird jedenfalls durch die seinem Schreiben vom …als Anlage 4 beigefügte Tabelle nicht belegt. Doch selbst dann, wenn der Kläger von der Krise der GmbH nichts mitbekommen hätte, könnte ihn das nicht entlasten. Er kann sich nicht darauf berufen, durch Herrn A von allen relevanten Informationen abgeschnitten worden zu sein. Denn unabhängig von einer Krise muss ein nicht mit steuerlichen Angelegenheiten betrauter Geschäftsführer prüfen, ob der Mitgeschäftsführer, dem diese Aufgaben übertragen sind, sich pflichtgemäß verhält (BFH-Beschluss vom 21. Oktober 2003 VII B 353/02, BFH/NV 2004, 157; BFH-Urteil vom 23. Juni 1998 VII R 4/98, BFHE 186, 132, BStBl II 1998, 761). Dabei hängen Art und Umfang der Überwachung von den Umständen des Einzelfalles ab (BFH-Beschluss vom 22. Juli 2010 VII B 126/09, BFH/NV 2010, 2227).

 

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