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Finanzgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 29.08.2013 – 1 V 1086/13

§ 4 Nr 8 Buchst g UStG 2005, § 69 Abs 2 S 2 FGO, EGRL 112/2006 Art 135 Abs 1 Buchst c, EWGRL 388/77 Art 13 Teil B Buchst d Nr 2

Es ist ernstlich zweifelhaft, ob Rechtsstreitfinanzierungsleistungen nicht als Übernahme einer sonstigen Sicherheit nach § 4 Nr. 8 Buchst. g UStG steuerbefreit sind. Nimmt ein Gesellschafter im Rahmen einer Innengesellschaft dem anderen Gesellschafter/Vertragspartner das Risiko ab, dass die Kosten des Rechtsstreits die Erlöse übersteigen können, so kann diese sonstige Leistung nach summarischer Prüfung gemäß § 4 Nr. 8 Buchst. g UStG steuerbefreit sein.

Neben diesen aus tatsächlichen Gründen bestehenden Zweifeln bestehen auch solche in rechtlicher Hinsicht. Es ist ernstlich zweifelhaft, ob die Rechtsstreitfinanzierungsleistungen der Antragstellerin nicht als Übernahme einer sonstigen Sicherheit nach § 4 Nr. 8 Buchst. g) UStG steuerbefreit sind. Bei den Rechtsstreitfinanzierungsleistungen handelt es sich um sonstige Leistungen gemäß §§ 1 Abs. 1 Nr. 1, 3 Abs. 9 Satz 1 UStG, die gegenüber dem jeweiligen Anspruchsinhaber erbracht werden. Bei einer Innengesellschaft wie im vorliegenden Fall (vgl. zur Qualifikation von Prozesskostenfinanzierungsverträgen Frechen/Kochheim, NJW 2004, 1213) werden die Leistungen der Gesellschafter nicht im Verhältnis zur Gesellschaft, sondern im Verhältnis zum anderen Gesellschafter erbracht (vgl. BFH-Urteil vom 27. Mai 1982 V R 110/81, BStBl. II 1982, 678; FG München Urteil vom 24. Mai 2007 14 K 891/04 -juris-). Diese sonstigen Leistungen der Antragstellerin sind nach summarischer Prüfung gemäß § 4 Nr. 8 Buchst. g) UStG steuerbefreit, weil die Antragstellerin ihren Vertragspartnern das Risiko abnimmt, dass die Kosten des Rechtsstreits die Erlöse übersteigen können. Nach § 4 Nr. 8 Buchst. g) UStG ist die Übernahme von Verbindlichkeiten, von Bürgschaften und anderen Sicherheiten sowie die Vermittlung dieser Umsätze steuerbefreit. Der Begriff der Übernahme von anderen Sicherheiten ist im UStG nicht legaldefiniert. § 4 Nr. 8 Buchst. g) UStG beruht auf Art. 135 Abs. 1 Buchst. c) MwStSystRL. Die gemeinschaftsrechtliche Vorgängerregelung, Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 2 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten über die Umsatzsteuern  77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG), hatte denselben Inhalt. Nach der deutschen Fassung dieser Vorschrift befreien die Mitgliedsstaaten die Vermittlung und Übernahme von Verbindlichkeiten, Bürgschaften und anderen Sicherheiten und Garantien sowie die Verwaltung von Kreditsicherheiten durch die Kreditgeber  von der Mehrwertsteuer. Nach der Rechtsprechung des BFH liegt die Übernahme einer anderen Sicherheit im Sinne des § 4 Nr. 8 Buchst. g) UStG vor, wenn eine Garantie dafür übernommen wird, dass ein bestimmter tatsächlich oder rechtlich möglicher Erfolg eintritt oder dass sich die Gefahr eines künftigen Schadens nicht realisiert  (vgl. Urteile des BFH vom 16. Januar 2003 V R 16/02, BStBl. II 2003, 445; vom 14. Dezember 1989 V R 125/84, BStBl.  II 1990, 401). Dies gilt allerdings nicht, falls der Unternehmer lediglich garantiert, dass er eine sowieso geschuldete Leistung ordnungsgemäß erbringt (BFH-Urteil vom 14. Dezember 1989 in BStBl. II 1990, 401). Über die Frage, ob die Finanzierung eines außergerichtlichen Rechtsstreits unter Übernahme des Kostenrisikos gegen Erfolgsbeteiligung die Übernahme einer sonstigen Sicherheit darstellt, hatte die Rechtsprechung bisher noch nicht zu entscheiden. Das FG Berlin hat in seinem nicht veröffentlichten Urteil vom 18. März 2003 7 K 2771/01 die Finanzierung gerichtlicher Prozesse unter Kostenübernahme gegen Erfolgsbeteiligung als Übernahme einer sonstigen Sicherheit im Sinne des § 4 Nr. 8 Buchst. g) UStG angesehen. In der Literatur ist diese Frage -soweit ersichtlich- ebenfalls nicht behandelt worden.

Bei summarischer Prüfung spricht für die Anwendung der Steuerbefreiungsvorschrift, dass der BFH in vergleichbaren Fällen die Steuerbefreiung bei der Übernahme anderer Sicherheiten gewährt hat. So hat er mit Urteil vom 14. Dezember 1989 (in BStBl. II 1990, 401) entschieden, dass eine Zinshöchstbetragsgarantie sowie eine Liquiditätsgarantie als Übernahme sonstiger Sicherheiten nach § 4 Nr. 8 Buchst. g) UStG steuerbefreit sind. Mit der Zinshöchstbetragsgarantie verspreche der Garantiegeber, dafür einzustehen, dass die Finanzierungskosten trotz unvorhersehbarer wirtschaftlicher Entwicklung während der Bauzeit einen bestimmten Betrag nicht übersteigen. Mit einer Liquiditätsgarantie stehe der Garantiegeber dafür ein, dass ausreichende flüssige Mittel zur fristgerechten Erfüllung von Zahlungspflichten nach Fertigstellung und Vermietung des Objekts vorhanden seien. Beides reiche für die Übernahme einer Garantie im Sinne des § 4 Nr. 8 Buchst. g) UStG aus. Den Entscheidungsgründen des o.g. BFH-Urteils lässt sich entnehmen, dass auch eine Kostenmietgarantie unter § 4 Nr. 8 Buchst. g) UStG fällt, falls damit mehr als das Erbringen einer sowieso vom Garantiegeber geschuldeten Leistung versprochen wird. In dem genannten Urteil hat der BFH weiter entschieden, dass auch die Garantie, dass ein Bauvorhaben im sozialen Wohnungsbau gefördert würde, und dass bestimmte Aufwendungsdarlehen und Aufwendungszuschüsse von dritter  Seite bewilligt und gewährt würden, eine Übernahme einer Garantie im Sinne des § 4 Nr. 8 Buchst. g) UStG darstellt. Der BFH hat mit Urteil vom 24. Januar 1991 (V R 19/87, BStBl. II 1991, 539) diese Rechtsprechung zu Zinshöchstbetragsgarantien bestätigt und außerdem entschieden, dass die Übernahme einer Garantie für die Platzierung von Eigenkapital ebenfalls unter die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 8 Buchst. g) UStG fällt. Selbst im Falle von nicht ausschließlich auf Übernahme finanzieller Risiken gerichteten Vermietungs- und Ausbietungsgarantien (Verpflichtung, im Falle einer Zwangsversteigerung einer fremdfinanzierten Immobilie im Interesse des endfinanzierenden Kreditinstituts ein Gebot bis zur Höhe des vom Erwerber aufgenommenen Endfinanzierungsdarlehens abzugeben) ging der BFH (Urteil vom 22. Oktober 1992 V R 53/89, BStBl. II 1993, 318) von einer steuerfreien Garantieübernahme aus. Ebenso ging der BFH im Falle der Garantie eines Autoverkäufers, wonach dem Käufer im Garantiefall bestimmte Reparaturansprüche gegenüber dem Garantiegeber eingeräumt wurden, davon aus, dass die Garantieleistung nach § 4 Nr. 8 Buchst. g) UStG steuerbefreit sei (BFH-Urteil vom 16. Januar 2003 in BStBl. II 2003, 445). Gemessen an dieser BFH-Rechtsprechung handelt es sich bei der Leistung der Antragstellerin um eine -steuerfreie- Übernahme einer sonstigen Sicherheit im Sinne des § 4 Nr. 8 g) UStG. Dafür spricht zum einen der Wortlaut, weil der Vertragspartner der Antragstellerin eine Sicherheit erhält, nämlich dass die von ihm wirtschaftlich zu tragenden Kosten der Rechtsverfolgung deren Erlöse nicht übersteigen. Schließlich ist das von der Antragstellerin übernommene Risiko auch vergleichbar mit den Fällen, in denen der BFH eine Sicherheitenübernahme angenommen hat (so auch FG Berlin Urteil vom 18. März 2003 7 K 2771/01 -nicht veröffentlicht-). Die Übernahme des Risikos von Mietausfällen oder des Risikos von Steigerungen des Marktzinses ist mit dem Risiko, dass die Erlöse der Rechtsverfolgung hinter deren Kosten zurückbleiben, vergleichbar.

Das EuGH-Urteil in Sachen Velvet & Steel (EuGH-Urteil vom 19. April 2007 Rs. C-455/05 Velvet & Steel Immobilien, Slg. 2007 I-03225) und die sich der EuGH-Rechtsprechung anschließende geänderte BFH-Rechtsprechung zu Garantien im Zusammenhang mit dem Autokauf führen nicht zu einer anderen Beurteilung. Auf Vorlage des FG Hamburg hat der EuGH entschieden, dass die Verpflichtung im Garantiefall, noch ausstehende Renovierungsarbeiten an Immobilien auszuführen, nicht unter Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 2 der Richtlinie 77/388/EWG fällt (EuGH-Urteil vom 19. April 2007 Rs. C-455/05 Velvet & Steel Immobilien, Slg. 2007 I-03225). In bestimmten Sprachfassungen wie z.B. der deutschen sei keine Einschränkung auf Geldverbindlichkeiten enthalten, während sich andere Sprachfassungen wie z.B. die englische klar auf Geldverbindlichkeiten bezogen. Bei Unterschieden zwischen den verschiedenen Sprachfassungen sei maßgeblich auf Sinn und Zweck der Regelung abzustellen. Der Zweck der Befreiung von Finanzgeschäften bestehe darin, die Schwierigkeiten, die mit der Bestimmung der Bemessungsgrundlage und der Höhe der abzugsfähigen Mehrwertsteuer verbunden seien, zu beseitigen und eine Erhöhung der Kosten des Verbraucherkredits zu vermeiden. Da solche Schwierigkeiten bei der Übernahme von Renovierungspflichten nicht aufträten, könne eine solche Übernahme nicht steuerbefreit sein. Der BFH hat sich mit Urteil vom 10. Februar 2010 (XI R 49/07, BStBl. II 2010, 1109) für Garantiezusagen eines Autoverkäufers, wonach im Garantiefall bestimmte Reparaturleistungen zu gewähren waren, der EuGH-Rechtsprechung angeschlossen und § 4 Nr. 8 Buchst. g) UStG gemeinschaftsrechtkonform so ausgelegt, dass lediglich Finanzdienstleistungen unter die Steuerbefreiung fallen, nicht aber sonstige Verpflichtungen im Garantiefall wie die Durchführung der Reparatur eines Autos.

Anders als in diesen Fällen hat sich die Antragstellerin für den Garantiefall lediglich dazu verpflichtet, endgültig die gesamten Honorarverbindlichkeiten zu tragen. Sie hat dagegen nicht die Vornahme sonstiger, nicht auf Zahlung gerichteter Handlungen versprochen. Nachdem die Antragstellerin im Garantiefall die -endgültige- Übernahme von Geldverbindlichkeiten zusagt, steht die Beschränkung auf Geldverbindlichkeiten durch die genannte EuGH-Rechtsprechung der Steuerbefreiung nicht entgegen.

Schlagworte: Prozessfinanzierer, Prozessfinanzierung und Umsatzsteuer, Prozessfinanzierungen