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BGH, Urteil vom 18. Mai 2021 – II ZR 41/20

BGB § 199 Abs. 1 Nr. 2, § 738 Abs. 1 Satz 2

Wendet sich der durch Beschluss der Gesellschafter aus wichtigem Grund ausgeschlossene Gesellschafter im Klageweg gegen die Wirksamkeit seines Ausschlusses, ist es ihm im Regelfall nicht zuzumuten, seinen Abfindungsanspruch vor der rechtskräftigen Entscheidung über die Wirksamkeit des Ausschlusses gerichtlich geltend zu machen.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird der Beschluss des 2. Zivilsenats des Kammergerichts vom 23. Januar 2020 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

Die Parteien waren Gesellschafter der G.   GbR, die Alleinaktionärin der T.    AG war. Der Gesellschaftsvertrag der GbR enthielt in § 11 und § 15 folgende Regelungen:

㤠11 Altersgrenze, Tod, Ausschluss

(…)

(3) Ein Gesellschafter kann – sofern nicht ohnehin gesetzliche Gründe zum Ausscheiden führen – durch mit qualifizierter Mehrheit zu fassenden Beschluß der übrigen Gesellschafter aus der Gesellschaft ausgeschlossen werden, wenn

a) in seiner Person ein wichtiger Grund gegeben ist,

(…)

Der betreffende Gesellschafter scheidet mit Ablauf des Tages aus der Gesellschaft aus, an dem der Beschluß über den Ausschluß gefasst wird.

§ 15 Abfindung

(1) Scheidet ein Gesellschafter anders als durch Ausschluß gemäß § 11 Abs. 3 aus der Gesellschaft aus, steht ihm oder seinen Erben eine Abfindung zu. Die Abfindung setzt sich zusammen aus:

(a) dem Saldo der Kapitalkonten,

(b) dem Anteil am Unternehmenswert der T.       .

(2) Der positive Saldo der Kapitalkonten ist an den ehemaligen Gesellschafter bzw. seinen Rechtsnachfolger innerhalb von drei Monaten nach dem Ausscheiden auszuzahlen. Für diesen Zeitraum gilt § 7 Abs. 4 entsprechend.

(3) Der Unternehmenswert entspricht dem Durchschnitt der Jahresumsätze der T.      für die letzten vier Geschäftsjahre, an deren laufendem Ergebnis der ehemalige Gesellschafter ganz oder teilweise beteiligt war. Das Jahr des Ausscheidens wird nur insoweit berücksichtigt, als es nicht zu einer Erhöhung des Unternehmenswertes führt.

(…)

(5) Endet das Gesellschaftsverhältnis gemäß § 11 Abs. 3, so beträgt der Anteil am Unternehmenswert jeweils nur die Hälfte der Werte gemäß den Absätzen 3 oder 4.

(…)

(7) Der anteilige Unternehmenswert wird in vier gleichen Jahresraten ausgezahlt. Die erste Rate ist sechs Monate nach dem Ausscheiden fällig. Er kann jederzeit auch ganz oder teilweise vorzeitig gezahlt werden. (…)“

Mit Beschluss vom 6. April 2009 wurde der Kläger aus wichtigem Grund aus der GbR ausgeschlossen. Seine auf Feststellung der Nichtigkeit des Ausschließungsbeschlusses gerichtete Klage hatte in erster Instanz Erfolg. Das Berufungsgericht wies die gegen diese Entscheidung gerichtete Berufung der Beklagten mit Urteil vom 20. Dezember 2012 zurück, weil die dreiwöchige Ladungsfrist für die Gesellschafterversammlung am 6. April 2009 nicht eingehalten worden sei. Mit Urteil vom 11. März 2014 hob der erkennende Senat das Berufungsurteil insoweit auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung zurück (II ZR 24/13, ZIP 2014, 1019). Mit Urteil vom 8. Januar 2015 wies das Berufungsgericht die Klage ab. Die gegen die Nichtzulassung der Revision gerichtete Beschwerde des Klägers wies der erkennende Senat mit Beschluss vom1. Dezember 2015 zurück (II ZR 50/15).

Am 29. Dezember 2014 leitete der Kläger ein Güteverfahren ein. Mit Schreiben vom 6. Februar 2015 stellte die Gütestelle das Scheitern des Güteverfahrens fest. Auf Antrag vom 3. August 2015 erging am 5. August 2015 ein Mahnbescheid, gerichtet auf Zahlung einer Abfindung in Höhe von 1.125.000 €, der den Beklagten am 11. August 2015 zugestellt wurde. Nach deren Widerspruch verlangt der Kläger im streitigen Verfahren Zahlung dieses Betrags und weitergehende Auskünfte. Die Beklagten haben die Einrede der Verjährung erhoben. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die vom Senat zugelassene Revision des Klägers, mit der er seine im Berufungsverfahren zuletzt gestellten Anträge weiterverfolgt.

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I. Das Berufungsgericht hat angenommen, etwaige Ansprüche des Klägers auf Abfindung seien mit Ablauf des 31. Dezember 2012 verjährt. Die Verjährungsfrist betrage drei Jahre und habe gemäß § 199 Abs. 1 BGB mit dem Schluss des Jahres 2009 begonnen. Abfindungsansprüche aus § 15 Abs. 1 Satz 2 Buchst. a des Gesellschaftsvertrags seien bis spätestens am 6. Juli 2009 und aus Buchst. b dieser Vorschrift bis spätestens am 6. Oktober 2009 als entstanden anzusehen. Der Saldo der Kapitalkonten sei am 6. Juli 2009 zur Auszahlung fällig gewesen. Der Anspruch auf Zahlung des anteiligen Unternehmenswerts sei spätestens am 6. Oktober 2009, der Fälligkeit der ersten Rate, insgesamt entstanden. Zu diesem Zeitpunkt habe der Kläger die Möglichkeit gehabt, den Anspruch im Wege einer kombinierten Leistungs- und Feststellungsklage geltend zu machen. Der Kläger habe am 6. April 2009 volle Kenntnis von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners gehabt. Er habe den Ausschließungsbeschluss und den Gesellschaftsvertrag gekannt, der die Einzelheiten des Abfindungsanspruchs geregelt habe. Dass die Wirksamkeit des Ausschlusses mit Urteil vom 20. Dezember 2012 zunächst verneint worden sei, führe zu keiner anderen Beurteilung, weil es im Grundsatz genüge, dass Kenntnis der den Anspruch begründenden Umstände vorliege. Eine Ausnahme bestehe nur bei besonders verwickelter und problematischer Rechtslage oder geänderter höchstrichterlicher Judikatur. Vorliegend sei es dem Kläger trotz der zwischenzeitlich abweichenden richterlichen Beurteilung zumutbar gewesen, aufgrund der ihm bekannten Tatsachen Klage zu erheben. Die Gründe, die zur Aufhebung des Urteils vom 20. Dezember 2012 geführt hätten, hätten auf einer gefestigten Rechtsprechung basiert. Der Kläger hätte seine Ansprüche ferner problemlos im Ausgangsverfahren mit einem Hilfsantrag verfolgen können. Zudem bestünden Bedenken, ob der Güteantrag die Verjährung habe hemmen können, weil sich dieser auf die am 29. April 2009 beschlossene Ausschließung bezogen habe, worauf es aber wegen der bereits zuvor eingetretenen Verjährung ebenso wenig ankomme wie auf die Frage, ob die Anrufung der Gütestelle durch den Kläger zum Zwecke der Verjährungshemmung rechtsmissbräuchlich gewesen sei. Der Auskunftsanspruch scheitere jedenfalls am fehlenden Informationsbedürfnis.

II. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Prüfung in einem entscheidenden Punkt nicht stand. Das Berufungsgericht ist zu Unrecht von der Verjährung des Abfindungsanspruchs ausgegangen. Damit entfällt auch die Grundlage für die Abweisung des Auskunftsanspruchs.

1. Zutreffend hat das Berufungsgericht angenommen, dass der Abfindungsanspruch nach § 15 des Gesellschaftsvertrags einer dreijährigen Verjährungsfrist unterliegt und im Jahr 2009 nach § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB entstanden ist.

a) Der Abfindungsanspruch des aus der Gesellschaft bürgerlichen RechtsBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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ausgeschiedenen Gesellschafters unterliegt gemäß § 195 BGB der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren (vgl. BGH, Urteil vom 19. Juli 2010 – II ZR 57/09, ZIP 2010, 1637 Rn. 7; Urteil vom 10. Mai 2011 – II ZR 227/09, ZIP 2011, 1362 Rn. 16; Soergel/Hadding/Kießling, BGB, 13. Aufl., § 738 Rn. 37). Der Anspruch auf Zahlung eines Auseinandersetzungsguthabens entsteht grundsätzlich mit dem Ausscheiden des Gesellschafters und kann nach seiner Fälligkeit geltend gemacht bzw. mit einer Klage durchgesetzt werden (BGH, Urteil vom 19. Juli 2010 – II ZR 57/09, ZIP 2010, 1637 Rn. 8 mwN).

b) Die Revision nimmt die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass der Abfindungsanspruch des Klägers noch im Jahr 2009 entstanden ist, hin. Diese Beurteilung ist aus Rechtsgründen auch nicht zu beanstanden. Soweit die Abfindung den Ausgleich eines positiven Saldos des Kapitalkontos betrifft (§ 15 Abs. 1 Satz 2 Buchst. b, Abs. 2 des Gesellschaftsvertrags), ist sie innerhalb von drei Monaten nach dem Ausscheiden auszuzahlen. Der Anteil am Unternehmenswert der T.                                                AG ist nach § 15 Abs. 7 Satz 1 und 3 des Gesellschaftsvertrags in vier gleichen Jahresraten, erstmals sechs Monate nach dem Ausscheiden, auszuzahlen. Der auf den Unternehmenswert gerichtete Abfindungsanspruch ist auch bei ratierlicher Auszahlung ein einheitlicher Gesamtanspruch, der mit der Fälligkeit der ersten Rate erstmalig als solcher geltend gemacht werden kann (vgl. RGZ 136, 427, 431 f.; RG, JW 1931, 1457; BGH, Urteil vom 21. Juni 1979 – X ZR 2/78, GRUR 1979, 800, 803; Urteil vom 11. September 2012 – XI ZR 56/11, NJW 2013, 1228 Rn. 12, 21; Beschluss vom 9. Juli 2014 – XII ZB 719/12, NJW 2014, 2637 Rn. 14; Urteil vom 3. April 2019 – IV ZR 90/18, ZIP 2019, 1072 Rn. 14 mwN). Nach dem Ausscheiden des Klägers im April 2009 konnte der Abfindungsanspruch danach bereits im Jahr 2009 geltend gemacht werden.

2. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass der Kläger bereits am 6. April 2009 Kenntnis von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners hatte (§ 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB), hält der rechtlichen Prüfung demgegenüber nicht stand.

a) Der Verjährungsbeginn setzt aus Gründen der Rechtssicherheit und Billigkeit grundsätzlich nur die Kenntnis der den Anspruch begründenden Umstände voraus. Nicht erforderlich ist in der Regel, dass der Gläubiger aus den ihm bekannten Tatsachen die zutreffenden rechtlichen Schlüsse zieht. Ausnahmsweise kann die Rechtsunkenntnis des Gläubigers den Verjährungsbeginn aber hinausschieben, wenn eine unsichere und zweifelhafte Rechtslage vorliegt, die selbst ein rechtskundiger Dritter nicht zuverlässig einzuschätzen vermag. In diesen Fällen fehlt es an der Zumutbarkeit der Klageerhebung als übergreifender Voraussetzung für den Verjährungsbeginn (BGH, Urteil vom 26. September 2012 – VIII ZR 279/11, NJW 2013, 1077 Rn. 47; Urteil vom 28. Oktober 2014 – XI ZR 348/13, BGHZ 203, 115 Rn. 35; Urteil vom 4. Juli 2017 – XI ZR 562/15, BGHZ 215, 172 Rn. 86; Urteil vom 10. Oktober 2019 – III ZR 227/18, ZIP 2019, 2356 Rn. 12; für § 2332 Abs. 1 BGB aF: BGH, Urteil vom 6. November 1963 – V ZR 191/62, NJW 1964, 297; Urteil vom 25. Januar 1995 – IV ZR 134/94, NJW 1995, 1157; Urteil vom 6. Oktober 1999 – IV ZR 262/98, NJW 2000, 288, 289). Der Zumutbarkeit einer Klageerhebung kann es auch entgegenstehen, dass der Gläubiger sich mit der Klage zu seinem Vorbringen in einem noch nicht abgeschlossenen Vorprozess in Widerspruch setzen müsste (BGH, Urteil vom 6. Mai 1993 – III ZR 2/92, BGHZ 122, 317, 325; Urteil vom 13. Januar 2015 – XI ZR 303/12, BGHZ 204, 30 Rn. 41). In der obergerichtlichen Rechtsprechung wird die Zumutbarkeit einer auf die Geltendmachung des Abfindungsanspruchs gerichteten Klageerhebung verneint, wenn in einem Streit über das Ausscheiden eine einigermaßen verlässliche rechtliche Einschätzung der Wirksamkeit der Kündigung offensichtlich nicht gegeben ist (KG, NZG 2008, 70, 73; aA Michalski, NZG 2008, 57, 59).

Die Feststellung, ob und wann der Geschädigte Kenntnis von bestimmten tatsächlichen Umständen hatte, unterliegt als Ergebnis tatrichterlicher Würdigung nur einer eingeschränkten Überprüfung durch das Revisionsgericht. Dieses kann aber ohne Einschränkungen beurteilen, ob dem Geschädigten eine Klageerhebung aufgrund des vom Tatrichter festgestellten Kenntnisstands zumutbar war (BGH, Urteil vom 15. Juni 2010 – XI ZR 309/09, WM 2010, 1399 Rn. 13; Urteil vom 26. September 2012 – VIII ZR 279/11, NJW 2013, 1077 Rn. 46; Urteil vom 10. Oktober 2019 – III ZR 227/18, ZIP 2019, 2356 Rn. 12).

b) Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dem Kläger sei die Erhebung einer Klage bereits bei Eintritt der FälligkeitBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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des Abfindungsanspruchs zumutbar gewesen, ist rechtsfehlerhaft. Wendet sich der durch Beschluss der Gesellschafter aus wichtigem Grund ausgeschlossene Gesellschafter im Klageweg gegen die Wirksamkeit seines Ausschlusses, ist es ihm im Regelfall nicht zuzumuten, seinen Abfindungsanspruch vor der rechtskräftigen Entscheidung über die Wirksamkeit des Ausschlusses gerichtlich geltend zu machen.

aa) So hängt die Wirksamkeit des Ausschlusses eines Gesellschafters aus wichtigem Grund typischerweise von der Beurteilung ab, ob den übrigen Gesellschaftern die weitere Zusammenarbeit mit dem vom Ausschluss betroffenen Gesellschafter zumutbar ist. Eine Entscheidung hierüber erfordert eine umfassende Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände des Einzelfalls im Rahmen einer beiden Seiten gerecht werdenden Gesamtabwägung. Dabei sind vor allem Art und Schwere des Fehlverhaltens des Auszuschließenden sowie auch ein etwaiges Fehlverhalten des den Ausschluss betreibenden Gesellschafters zu berücksichtigen (BGH, Urteil vom 30. November 1951 – II ZR 109/51, BGHZ 4, 108, 111; Urteil vom 21. September 1998 – II ZR 89/97, ZIP 1998, 1870, 1871; Urteil vom 31. März 2003 – II ZR 8/01, ZIP 2003, 1037, 1038; Urteil vom 21. November 2005 – II ZR 367/03, ZIP 2006, 127 Rn. 15). Macht der durch einen Gesellschafterbeschluss ausgeschlossene Gesellschafter die Nichtigkeit des Ausschließungsbeschlusses geltend, beruht die Beurteilung, ob ein den Ausschluss rechtfertigender wichtiger Grund vorlag, auf einer Würdigung und Abwägung von tatsächlichen Umständen, deren Ergebnis auch der Rechtskundige häufig nur schwer vorhersehen kann. Die beim möglichen Abfindungsgläubiger hierdurch auftretende Ungewissheit über die Wirksamkeit seines Ausschlusses steht wertungsmäßig der Tatsachenunkenntnis gleich (vgl. Herresthal, WM 2018, 401, 405). Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Wirksamkeit des Ausschlusses zwischen den Parteien nicht im Streit steht oder derart offensichtlich ist, dass der betroffene Gesellschafter keine begründeten Zweifel an der Wirksamkeit des Ausschließungsbeschlusses haben durfte.

bb) Dem ausgeschlossenen Gesellschafter ist es im Regelfall nicht zuzumuten, seinen Abfindungsanspruch vor der rechtskräftigen Entscheidung über die Wirksamkeit des Ausschlusses gerichtlich geltend zu machen. Es entspricht vielmehr den wohlverstandenen interessen auf Gläubiger- und Schuldnerseite, wenn der Abfindungsanspruch erst geltend gemacht wird, nachdem Klarheit über das Ausscheiden des ausgeschlossenen Gesellschafters geschaffen wurde (vgl. auch BGH, Urteil vom 3. März 2005 – III ZR 353/04, NJW-RR 2005, 1148, 1149).

(1) Die Vorschriften über die Verjährung dienen der Rechtssicherheit und sollen dem Gläubiger eine faire Chance eröffnen, seinen Anspruch geltend zu machen, also das Bestehen seiner Forderung zu erkennen, ihre Berechtigung zu prüfen, Beweismittel zusammenzutragen und die gerichtliche Durchsetzung der Forderung ins Werk zu setzen. Die interessen des Schuldners richten sich darauf, vor den Nachteilen geschützt zu werden, die der Ablauf von Zeit bei der Abwehr unbegründeter Ansprüche bzw. die Inanspruchnahme wegen einer Forderung mit sich bringen, mit der der Schuldner nicht mehr rechnen musste (Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts, BT-Drucks. 14/6040, S. 95 f.).

(2) Die Geltendmachung des Abfindungsanspruchs vor der Klärung der Wirksamkeit des Ausschlussbeschlusses entspricht typischerweise weder den interessen des Gläubigers des Abfindungsanspruchs noch den Schuldnerinteressen. Auch die Rechtssicherheit gebietet die Geltendmachung nicht.

(a) Ein Vertrauen der Gesellschaft bzw. der verbleibenden Gesellschafter, nach der Entscheidung über die Wirksamkeit des Ausschlusses nicht mehr auf eine Abfindung in Anspruch genommen zu werden, ist nicht schutzwürdig und diese sind auch ohne weiteres in der Lage, die für die Berechnung eines Abfindungsanspruchs erforderlichen Tatsachen zu erheben und gegebenenfalls zusichern. Der Abfindungsanspruch des Ausgeschlossenen nach § 738 Abs. 1 Satz 2 BGB richtet sich gegen die Gesellschaft. Die übrigen Gesellschafter haften entsprechend § 128 HGB für diese Verbindlichkeit persönlich (BGH, Urteil vom 17. Mai 2011 – II ZR 285/09, ZIP 2011, 1359 Rn. 11 f.; Urteil vom 12. Juli 2016 – II ZR 74/14, ZIP 2016, 1627 Rn. 9). Der Streit über die Wirksamkeit des Ausschlusses aus der Gesellschaft ist, wenn der Gesellschaftsvertrag hierzu nichts anderes vorsieht, zwischen den Gesellschaftern auszutragen (BGH, Urteil vom 24. März 2003 – II ZR 4/01, ZIP 2003, 843, 844). Im Hinblick auf den das Personengesellschaftsrecht beherrschenden Grundsatz der Selbstorganschaft (BGH, Urteil vom 22. Januar 1962 – II ZR 11/61, BGHZ 36, 292, 294; Urteil vom 8. Februar 2011 – II ZR 263/09, BGHZ 188, 233 Rn. 21) ist die Gesellschaft als Abfindungsschuldnerin auch dann, wenn sie am Streit der Gesellschafter über die Wirksamkeit des Ausschlusses nicht selbst beteiligt ist, darüber informiert, dass eine Klärung hierzu noch aussteht. Dass dem ausgeschlossenen Gesellschafter für den Fall der Wirksamkeit des Ausschlusses entweder gemäß § 738 Abs. 1 Satz 2 BGB oder entsprechend dem im Gesellschaftsvertrag Vereinbarten ein Abfindungsanspruch zusteht oder er ggf. nach § 739 BGB für einen Fehlbetrag aufkommen muss, ist ebenso selbstverständlich wie die Abhängigkeit dieser Ansprüche von der noch ausstehenden Klärung.

(b) Dem ausgeschlossenen Gesellschafter ist es dagegen im Regelfall nicht zuzumuten, vor der gerichtlichen Klärung der Wirksamkeit seines Ausschlusses seinen Abfindungsanspruch gerichtlich zu verfolgen. Dem ausgeschlossenen Gesellschafter muss ungeachtet der sofortigen Wirksamkeit des Ausschließungsbeschlusses von Verfassungs wegen die Möglichkeit des Rechtsschutzes gegen die Maßnahme zustehen (BGH, Urteil vom 26. Januar 2021 – II ZR 391/18, ZIP 2021, 459 Rn. 16 mwN). Er muss es bis zur gerichtlichen Klärung regelmäßig nicht hinnehmen, unter Aufgabe seines Standpunkts, aus der Gesellschaft nicht wirksam ausgeschlossen worden zu sein, seinen Abfindungsanspruch zu verfolgen und sich damit in Widerspruch zu dem eigentlich verfolgten Rechtsschutzziel setzen.

Weder die Möglichkeit, den Abfindungsanspruch im selben prozess hilfsweise zu verfolgen noch die Möglichkeit einer Hemmung der VerjährungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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durch eine Streitverkündung gemäß § 72 Abs. 1 ZPO, § 204 Abs. 1 Nr. 6 BGB (dazu BeckOGK BGB/Piekenbrock, Stand: 1. Februar 2021, § 199 Rn. 114, 114.1) führen zu einer anderen Beurteilung.

Die hilfsweise Geltendmachung des Abfindungsanspruchs im Rechtsstreit mit den Gesellschaftern über die Wirksamkeit des Ausschlusses kommt regelmäßig nur unter dem Gesichtspunkt ihrer Haftung entsprechend § 128 HGB in Betracht. Dem ausgeschlossenen Gesellschafter muss es aber unbenommen bleiben, seinen Abfindungsanspruch gegen die Gesellschaft selbst zu verfolgen. Abgesehen davon würde die hilfsweise Geltendmachung des Abfindungsanspruchs gegen die übrigen Gesellschafter zudem die Klärung der Wirksamkeit des Ausscheidens für die Beteiligten erschweren, ohne dass damit erkennbare Vorteile in Bezug auf die Geltendmachung der im Raum stehenden Folgeansprüche verbunden wären. Überzeugt sich das Gericht im ersten Rechtszug von der Wirksamkeit des Ausschlusses, wäre es nicht prozessökonomisch, den möglicherweise aufwändigen Streit über den Abfindungsanspruch zu führen, bevor über die Wirksamkeit des Ausschlusses rechtskräftig entschieden ist. Ein Teilurteil könnte nur ergehen, wenn über den Hilfsantrag zumindest dem Grunde nach entschieden wird, damit mit der Entscheidung über den Hauptantrag der Entscheidung über den Hilfsantrag sachlich nicht vorgegriffen wird (vgl. BGH, Urteil vom 4. November 2002 – II ZR 287/01, DStR 2003, 563, 564; Urteil vom 20. Juni 2017 – XI ZR 72/16, ZIP 2017, 1755 Rn. 17). Mit einer solchen Entscheidung ist den Beteiligten im Regelfall wenig gedient, insbesondere würde diese Vorgehensweise nichts daran ändern, dass eine streitige Auseinandersetzung über die Höhe des Abfindungsanspruchs erst nach der Klärung der Wirksamkeit des Ausscheidens erfolgt.

Auf die Frage, ob der Gesellschaft nach § 72 Abs. 1 ZPO im Rechtsstreit über die Wirksamkeit des Ausschlusses mit der Folge einer Hemmung der VerjährungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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Hemmung der Verjährung
Verjährung
des Abfindungsanspruchs nach § 204 Abs. 1 Nr. 6 BGB in zulässiger Weise der Streit verkündet werden kann, kommt es nicht an. Die Möglichkeit einer vorsorglichen, die Verjährung hemmenden Streitverkündung hat auf die Beurteilung, ob dem Ausgeschlossenen nach den ihm vorliegenden Kenntnissen die Rechtsverfolgung zumutbar ist, keinen maßgebenden Einfluss (vgl. BGH, Urteil vom 3. März 2005 – III ZR 353/04, NJW-RR 2005, 1148, 1149 f.; Urteil vom 13. Januar 2015 – XI ZR 303/12, BGHZ 204, 30 Rn. 43).

cc) Etwas anderes kann nur im Ausnahmefall in Betracht kommen, wenn die Wirksamkeit des Ausschlusses offensichtlich ist und der ausgeschlossene Gesellschafter diese ohne tragfähigen Grund in Frage stellt. Ein solcher Ausnahmefall liegt ausgehend von den für die revisionsrechtliche Prüfung nach § 559 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 ZPO maßgeblichen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht vor.

3. Die Entscheidung erweist sich insoweit auch nicht aus anderen Gründen als richtig, § 561 ZPO. Die Wirksamkeit des Ausschlusses wurde erst im Jahr 2015 rechtskräftig festgestellt und der Kläger hat seinen Abfindungsanspruch im selben Jahr gerichtlich geltend gemacht. Soweit das Berufungsgericht Bedenken geäußert hat, ob die Anrufung der Gütestelle Ende 2014 geeignet war die Verjährung zu hemmen, ist dies für die Frage, ob der Abfindungsanspruch des Klägers verjährt ist, nicht von Bedeutung.

4. Den Auskunftsanspruch hat das Berufungsgericht danach ebenfalls rechtsfehlerhaft abgewiesen, weil es ein Informationsbedürfnis des Klägers im Hinblick auf den verjährten Abfindungsanspruch verneint hat.

III. Der Zurückweisungsbeschluss ist danach aufzuheben und die Sache zur neuen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Das Berufungsgericht hat zur Begründetheit des Abfindungsanspruchs und des Auskunftsverlangens bislang keine Feststellungen getroffen.

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