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BGH, Urteil vom 26. Oktober 1955 – VI ZR 90/54

Genossenschaft

§ 51 GenG, § 195 Nr 1 AktG

Ist die Generalversammlung oder Vertreterversammlung einer Genossenschaft von einem Unbefugten einberufen worden, so sind die in dieser Versammlung gefaßten Beschlüsse nach dem sinngemäß anwendbaren AktG § 195 Nr 1 nichtig.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts in Celle vom 15. Februar 1954 wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Revision werden der Beklagten auferlegt.

Von Rechts wegen

Tatbestand

Der Kläger war seit 1922 ehrenamtliches Vorstandsmitglied des Gemeinnützigen Bauvereins H-S und Umgebung e.G.m.b.H. (zur Abkürzung im folgenden S Bauverein genannt). Er wurde mit Wirkung vom 1. Juli 1938 als hauptamtlicher Geschäftsführer angestellt. Über die Kündigung des Vertrages war vereinbart, daß beide Teile mit einer sechsmonatigen Frist zum 1. April oder 1. Oktober jeden Jahres kündigen konnten. Am 29. Juni 1943 verschmolzen der S Bauverein und mehrere andere Wohnungsbaugenossenschaften mit der Beklagten. Diese übernahm alle Rechte und Verbindlichkeiten der zusammengelegten Genossenschaften. Randnummer2

Der Kläger verlangt von der Beklagten die Zahlung einer Altersversorgung. Er hatte mit dem S Bauverein einen Pensionsvertrag abgeschlossen, dem die Bestimmungen über eine Alters- und Hinterbliebenenversorgung für die Gefolgschaft des S Bauvereins zugrunde lagen (im folgenden Bestimmungen genannt). Diese Bestimmungen haben in den für den Rechtsstreit wesentlichen Teilen folgenden Wortlaut: Randnummer3

Allgemeines. Randnummer4

1.) Zweck und Sinn dieser Bestimmungen soll sein, die Gefolgschaftsmitglieder (Gef.M.), die einen großen Teil ihres Lebens ihre Arbeitskraft dem Gemeinnützigen Bauverein S (G.B.St.) gewidmet und die vorhandenen Werte geschaffen bezw. erhalten haben, im hoben Alter oder bei einer frühzeitigen Invalidität durch eine zusätzliche Versorgung, vor eigener Not zu schützen und von der Sorge um die Zukunft ihrer Familie zu befreien. Randnummer5

Gef.M. im Sinne dieser Bestimmungen ist auch das hauptamtlich angestellte Vorstandsmitglied, selbst auch dann, wenn das Vorstandsmitglied offiziell als Betriebsführer bestellt ist. Randnummer6

Personenkreis. Randnummer7

2.) Jedes Gef.M., welches zehn Jahre ununterbrochen hauptamtlich bei dem G.B.St. beschäftigt ist, soll in diese Versorgung eingeschlossen sein. Randnummer8

3.) Sollte im Falle der Invalidität die zehnjährige Tätigkeit noch nicht erreicht sein, das Gef.M. aber vor seinem Dienstantritt im Aufsichtsrat oder Vorstand des G.B.St. ehrenamtlich tätig gewesen sein, so kann aus Billigkeitsgründen ebenfalls eine Versorgung gewährt werden. Randnummer9

Leistungen. Randnummer10

4.) Die zusätzliche Versorgung umfaßt ein Ruhegehalt sowie eine Witwen- und Waisenversorgung, die den Bestimmungen des deutschen Beamtengesetzes vom 26. Jan. 1937 (R.G.Bl. Teil I Seite 39) soweit möglich, angelehnt ist. Randnummer11

5.) Leistungen, die den Gef.M. oder deren Hinterbliebenen aus der reichsgesetzlichen Invaliden- oder Angestelltenversicherung oder aus irgendeiner anderen Versorgung zufließen, sind auf Leistungen des G.B.St. anzurechnen. Randnummer12

6.) Die Unfallfürsorge für die Gef.M. ist durch einen Versicherungsbeschluß besonders geregelt. Einmalige Entschädigung oder Rentenbezüge hieraus sind auf die Leistungen des G.B.St. nicht anzurechnen. Randnummer13

7.) Alle Zahlungen erfolgen monatlich nachträglich. Randnummer14

Beginn und Verlust der Leistungen. Randnummer15

8.) Die Leistungen der zusätzlichen Versorgung beginnen grundsätzlich mit dem Tage der Leistungen aus der Invaliden- oder Angestelltenversicherung. Sollte ein Gef.M. nach dem im Satz 1 bezeichneten Tage aus bestimmten Gründen, die im Interesse des G.B.St. liegen, noch weiter hauptamtlich beschäftigt werden, so beginnen die Leistungen erst mit dem Tage der endgültigen Ausscheidung aus dem Dienstverhältnis mit dem G.B.St. Randnummer16

9.) Eine Tätigkeit, auch ehrenamtliche, für eine andere Baugenossenschaft ohne Zustimmung des G.B.St. würde den Verlust der Versorgung zur Folge haben. Randnummer17

10.) Wird das Dienstverhältnis vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit gekündigt, si ist jeder Anspruch auf zusätzliche Altersversorgung hinfällig, desgleichen, wenn das Gef.M. Randnummer18

a) seine Treupflicht dem G.B.St. gegenüber verletzt, Randnummer19

b) unkameradschaftliches Verhalten zeigt, Randnummer20

c) von parteiamtlichen Stellen als politisch unzuverlässig erklärt wird, Randnummer21

d) wegen einer schweren strafbaren Handlung (Verbrechen) gerichtlich bestraft wird, Randnummer22

e) das Reichsbürgerrecht verliert oder ihm die deutsche Staatsangehörigkeit aberkannt wird. Randnummer23

Ruhegehaltsfähige Dienstbezüge (Gehalt). Randnummer24

11.) Für die Berechnung des Ruhegehalts wird das zuletzt bezogene Bruttogehalt zu Grunde gelegt. Bezüge aus Überstunden oder sonstigen Vergütungen fallen außer Ansatz. Randnummer25

Ruhegehalt für die Dienstzeit. Randnummer26

12.) Nach Ablauf einer zehnjährigen ununterbrochenen Dienstzeit bei der G.B.St. beginnt das ruhegehaltsfähige Dienstalter, jedoch nicht vor Vollendung des 27. Lebensjahres. Randnummer27

13.) Bei Anwendung der Kannbestimmung in Ziff. 3 ist die Zeit der ehrenamtlichen Tätigkeit ebenfalls anrechnungsfähig.

…Randnummer28

Ruhegehalt. Randnummer29

15.) Das Ruhegehalt beträgt mindestens fünfunddreißig vom Hundert der ruhegehaltsfähigen Dienstbezüge (Ziff.11). Es erhöht sich nach jedem der ersten fünfzehn vollen, ruhegehaltsfähigen Jahre um je zwei vom Hundert, in den folgenden vollen Jahren dieser Dienstzeit um je eins vom Hundert, höchstens bis achtzig vom Hundert der ruhegehaltsfähigen Dienstbezüge. …

…Randnummer30

Durchführung. Randnummer31

28.) Alle Beschlüsse über diese Versorgung, soweit sie rechtsverbindliche Erklärungen zur Folge haben, sind vom Aufsichtsrat und Vorstand gemeinsam, sobald es sich um die Versorgung eines hauptamtlich angestellten Vorstandsmitgliedes handelt, vom Aufsichtsrat unter Anhörung des Vorstandes zu fassen.

…Randnummer32

30.) Wird einem Gef.M. nach zehnjähriger Tätigkeit bei den G.B.St. unter Voraussetzung der vorstehenden Bestimmungen, der Anspruch auf Versorgung zugesprochen, so ist dies dem Gef.M. schriftlich mitzuteilen und nochmals in geeigneter Form auf das nunmehr bestehende Treueverhältnis zum G.B.St. hinzuweisen, sowie zu größter Pflichterfüllung aufzufordern. In der Mitteilung, die auch für einen Rechtsnachfolger des G.B.St. verbindlich ist, ist der Beginn des ruhegehaltsfähigen Dienstalters anzugeben. Ein Druckstück dieser Bestimmung ist beizufügen. Die erste Bewilligung und alle Änderungen der Versorgungsbezüge sind dem Empfänger ebenfalls mitzuteilen. Randnummer33

Bereitstellung der Mittel. Randnummer34

31.) Die erforderlichen Beträge für die Alters- und Hinterbliebenenversorgung werden in der Rücklage unter „Soziale Mittel“ bereitgestellt. Diese Rücklagen sind jährlich so zu bemessen, daß eine Versorgung auch für die Zukunft gewährleistet wird, mindestens aber in Höhe der im verflossenen Jahre geleisteten Zahlungen. Randnummer35

32.) Die vorstehenden Bestimmungen finden für alle am 1. Januar 1939 hauptamtlich beschäftigten Gef.M. bereits Anwendung.

…Randnummer36

Der Kläger war seit dem Einmarsch der Besatzungstruppen im Jahre 1945 nicht mehr für die Beklagte tätig. Er hat bis zum 30. September 1950, zum Teil auf Grund von Prozessen, von der Beklagten sein volles Gehalt bekommen, das zuletzt 575 DM brutto monatlich betrug. Spätestens zum 1. Oktober 1950 hat die Beklagte das Dienstverhältnis wirksam gekündigt. Randnummer37

Seit dem 1. Oktober 1950 erhält der Kläger eine Rente durch die Angestelltenversicherung. Er hat behauptet, er sei schon vorher, und zwar seit 1948, arbeitsunfähig gewesen. Sein ruhegehaltsfähiges Dienstalter sei vom Bauverein St auf den 1. Januar 1939 festgesetzt worden. Randnummer38

Der Kläger ist der Ansicht, er habe seit 1. Januar 1939 einen Pensionsanspruch von 35% seines letzten Bruttogehalts gehabt. Dieser Prozentsatz habe sich bis zum 30.September 1950 um jährlich 2 % auf insgesamt 57 % des letzten Bruttogehalts von monatlich 575 DM erhöht. Hiervon seien die jeweiligen Zahlungen aus der Angestelltenversicherung abzuziehen. Mit der Klage hat der Kläger von der Beklagten Zahlung von monatlich 197,15 DM für die Zeit von Oktober 1950 bis Mai 1951 und von monatlich 164,65 DM für die Zeit vom Juni 1951 bis November 1951 verlangt. Randnummer39

Die Beklagte hat Abweisung der Klage beantragt und geltend gemacht, die Voraussetzungen für die Gewährung einer zusätzlichen Altersversorgung seien nicht gegeben. Der Kläger sei keine zehn Jahre für die Beklagte tätig gewesen; er sei erst im Jahre 1938 hauptamtlich angestellt worden und habe seit dem 5. April 1945 nicht mehr für die Beklagte gearbeitet. Das Dienstverhältnis sei auch bereits gekündigt worden, bevor der Kläger ab 1. Oktober 1950 arbeitsunfähig geworden sei; daher entfalle nach Ziffer 10 der Anspruch auf zusätzliche Altersversorgung. Ferner habe der Aufsichtsrat der Beklagten am 21. November 1943 beschlossen, alle früheren Vereinbarungen für die Vorstandsmitglieder aufzuheben und einheitliche Pensionsbedingungen festzusetzen. Mit dieser Regelung habe der Kläger sich dadurch einverstanden erklärt, dass er sich das in dem gleichen Beschluß vorgesehene höhere Gehalt habe auszahlen lassen. Schließlich ist die Beklagte der Meinung, dem Kläger stehe bestenfalls ein Ruhegehalt von 35 % seines letzten Gehalts, also nur der Grundbetrag des Ruhegehalts ohne die Steigerungsbeträge zu. Randnummer40

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Im Berufungsrechtszug hat die Beklagte weiterhin vorgebracht, das Vertragsverhältnis mit dem Kläger sei schon am 1. Dezember 1945 durch einen Generalversammlungsbeschluß wirksam beendet worden. Der damalige Vorstand sei von dem durch Befehl der Besatzungsmacht geschaffenen Ausschuß für Wiederaufbau in H eingesetzt worden und daher befugt gewesen, die Generalversammlung einzuberufen. Die Berufung der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben. Auf die AnschlußBerufung hat das Oberlandesgericht dem Kläger weitere 4445,55 DM Altersversorgung für die Zeit vom 1. Dezember 1951 bis 28. Februar 1954 zugesprochen. Randnummer41

Gegen dieses Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision der Beklagten, mit der sie volle Abweisung der Klage erstrebt. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet. Randnummer43

I. Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, daß zwischen den Parteien ein Altersversorgungsvertrag besteht und die Erfüllung der dem Kläger gegenüber bestehenden Verpflichtungen aus diesem Vertrag seit der Verschmelzung der verschiedenen Wohnungsbaugenossenschaften der Beklagten obliegt. Der Vertrag ist nach den Feststellungen des Berufungsgerichts auch nicht aufgehoben worden. Zwar sollten die Altersversorgungsverträge der aus den einzelnen Genossenschaften kommenden hauptamtlichen Vorstandsmitglieder vereinheitlicht werden. Hierzu ist es aber, wie das Berufungsgericht feststellt, nicht gekommen. Mit Recht hat das Berufungsgericht daher angenommen, daß die Ansprüche des Klägers gegen die Beklagte nach dem mit dem St Bauverein abgeschlossenen Altersversorgungsvertrag und den Versorgungsbestimmungen des S Bauvereins zu beurteilen sind, die diesem Vertrag zugrunde liegen. Hiergegen erhebt auch die Revision keine Bedenken. Randnummer44

Wie das Berufungsgericht feststellt, hat der Aufsichtsrat in der Sitzung, in der die Bestimmungen über die Altersversorgung festgelegt wurden, dem Kläger den Anspruch auf Versorgung zugesprochen und sein ruhegehaltsfähiges Dienstalter auf den 1. Januar 1939 festgesetzt. Der Vorsitzende des Aufsichtsrats hat den Kläger hereingerufen und ihm eröffnet, der Aufsichtsrat habe eine Altersversorgung für ihn beschlossen. Er hat ihm die vom Aufsichtsrat unterschriebenen Bestimmungen mit der Aufforderung ausgehändigt, sie auch seinerseits zu unterschreiben. Randnummer45

Damit hatte der Kläger einen Pensionsvertrag erhalten. Da der Vertrag unter Aushändigung der Bestimmungen über eine Alters- und Hinterbliebenenversorgung geschlossen wurde, haben diese Bestimmungen insoweit Eingang in den Pensionsvertrag gefunden, als sie den Umfang der Leistungen und den Wegfall des Anspruchs betreffen. Dagegen sind die Bestimmungen über das Zusprechungsverfahren nicht Vertragsinhalt geworden, denn die Zusprechung eines vertraglich vereinbarten Ruhegehalts ist ohne Sinn. Die Versorgungsbestimmungen legen einheitlich unter Wahrung des Grundsatzes der Gleichbehandlung fest, unter welchen Voraussetzungen ein Angestellter oder ein Vorstandsmitglied ohne Pensionsvertrag einen Pensionsanspruch erlangt. Hier hat die Zusprechung Sinn; sie kann erst nach Entstehung des Pensionsanspruchs erfolgen, nämlich nach zehnjähriger hauptamtlicher Tätigkeit im Dienste der Baugenossenschaft. Ist aber wie hier ein Ruhegehalt vertraglich vereinbart, so bedarf es keiner Zusprechung, und es kommt daher nicht darauf an, ob sie in Übereinstimmung mit den Nummern 30 ff der Bestimmungen vorgenommen worden ist. Ebensowenig kommt es darauf an, ob der Kläger bei „Zusprechung“ oder bei Abschluß des Pensionsvertrages bereits zehn Jahre hauptamtlich tätig gewesen ist und aus welchen Beweggründen ihm gegenüber von dieser Voraussetzung abgesehen wurde. Denn ihm wurde ein Pensionsvertrag zugestanden und das wäre unverständlich gewesen, wenn er trotz des ihm gewährten Vertrages erst nach zehnjähriger hauptamtlicher Tätigkeit Pensionsrechte erlangen sollte. Damit erweisen sich die Angriffe, die die Revision in dieser Hinsicht erhoben hat, als unbegründet. Auch die Feststellung, daß das ruhegehaltsfähige Dienstalter des Klägers auf den 1. Januar 1939 festgesetzt worden sei, ist entgegen der Ansicht der Revision vom Berufungsgericht rechtsirrtumsfrei getroffen worden. Sie beruht auf der Aussage des Aufsichtsratsvorsitzenden Kö und einer Auslegung der zum Vertragsinhalt gewordenen Versorgungsbestimmungen, insbesondere der Bestimmung Nr 32. Diese Auslegung steht im Einklang mit den vorstehenden Ausführungen des Senats; sie bietet aus Rechtsgründen keinen Anlaß zur Beanstandung. Randnummer46

II. 1. Der Anspruch auf zusätzliche Altersversorgung wird nach der Bestimmung Nr 10 hinfällig, wenn das Dienstverhältnis vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit gekündigt wird. Soweit es sich wie beim Kläger um ein Mitglied des Vorstandes handelt, kann die Bestellung als Vorstandsmitglied nach § 31 c der Satzung der Beklagten durch Beschluß der Vertreterversammlung widerrufen werden. Ein solcher Beschluß enthält regelmäßig seinem Sinne nach zugleich die Beschlußfassung über die Kündigung des zwischen dem Vorstandsmitglied und der Beklagten bestehenden Dienstvertrages (vgl BGHZ 12, 337 (340) für die GmbH). Nun hat die Vertreterversammlung, wie unstreitig ist, am 1. Dezember 1945 beschlossen, den Kläger als Vorstandsmitglied zu entlassen. Wäre dieser Beschluß wirksam und die Kündigung dem Kläger gegenüber ausgesprochen worden, so könnte er nach der Bestimmung Nr 10 aus Vertrag keine Altersversorgung von der Beklagten fordern, weil er damals noch nicht arbeitsunfähig war. Randnummer47

2. Das Berufungsgericht hat jedoch die Beschlüsse der Vertreterversammlung vom 1. Dezember 1945 als nichtig angesehen, weil die Versammlung von Unbefugten einberufen worden sei. Unstreitig ist sie von Kl und No einberufen worden, die erst später, und zwar am 3. Januar 1946 als Vorstand der Beklagten im Genossenschaftsregister eingetragen worden sind. Nach Ansicht des Berufungsgerichts war die Einberufung der Vertreterversammlung unwirksam, weil Kl und No damals noch nicht dem Vorstand angehörten. Sie seien zwar, so führt das Berufungsgericht aus, in einer Aufsichtsratssitzung vom 7. Juli 1945 und nach Beanstandung dieses Beschlusses durch das Registergericht in der Aufsichtsratssitzung vom 12. November 1945 erneut zum Vorstand bestellt worden. Beide Versammlungen des Aufsichtsrats seien aber nicht beschlußfähig gewesen, weil in beiden Fällen nicht mehr als die Hälfte der 15 Mitglieder des Aufsichtsrats zugegen gewesen sei, wie es § 24 Abs 3 der Satzung als Voraussetzung der Beschlußfähigkeit des Aufsichtsrats vorschreibt. Daß Kl und No ihre Legitimation als Vorstandsmitglieder nicht aus diesen unwirksamen Beschlüssen des Aufsichtsrats herleiten können, ist zweifelsfrei. Hiergegen erhebt auch die Revision keine Bedenken. Randnummer48

3. Das Berufungsgericht hat auch darin, daß Kl und No im April 1945 vom Wiederaufbauausschuß der Stadt H eingesetzt worden sind, keine wirksame Vorstandsbestellung gesehen. Es hat ausgeführt, dieser Ausschuß habe seine Befugnisse aus einem im April 1945 ergangenen Befehl des amerikanischen Kommandanten von H hergeleitet, für Ordnung der Verhältnisse zu sorgen. Dieser Ausschuß habe nach dem von der Beklagten vorgetragenen Schreiben eines seiner Mitglieder die Stadtregierung dargestellt. Das könne, so meint das Berufungsgericht, nur so verstanden werden, daß damit nur die normalerweise von einer Stadtregierung zu erledigenden Aufgaben von dem Wiederaufbauausschuß übernommen werden sollten. Daher sei den eigenen Behauptungen der Beklagten nicht zu entnehmen, daß dieser Ausschuß auf Grund des Befehls des Stadtkommandanten auch die Befugnis gehabt habe, die Vorstandsposten der Berufsgenossenschaft neu zu besetzen. Zudem spreche auch die Vermutung dafür, dass der amerikanische Kommandant die ihm nach der Haager Landkriegsordnung zustehenden Befugnisse nicht habe überschreiten wollen. Randnummer49

Es kann dahingestellt bleiben, ob diese Ausführungen in allen Teilen Zustimmung verdienen. Auch wenn man davon ausgeht, daß dem Wiederaufbauausschuß weitergehende Befugnisse eingeräumt waren, als das Berufungsgericht angenommen hat, so würde er jedenfalls nicht befugt gewesen sein, hier in die Angelegenheiten der Genossenschaft einzugreifen. Es ist davon auszugehen, daß auch die Militärregierung ohne besonderes Erfordernis grundsätzlich keine Befugnisse verleihen wollte, die mit dem bestehenden und weiter geltenden deutschen Recht nicht vereinbar waren. Es ist festgestellt, daß der Aufsichtsrat und die Vertreterversammlung der Beklagten aktionsfähig waren und daher die Belange der Beklagten wahrnehmen konnten. Bei dieser Sachlage bestand kein Grund zu einem Tätigwerden des Wiederaufbauausschusses. Sein Eingreifen würde den Grundsatz der freien Selbstverwaltung der Genossenschaft (OGHZ 1, 370 (373)) verletzen und wäre daher unzulässig gewesen. Randnummer50

Aus den Entscheidungen des II. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs, auf welche die Revision sich beruft – BGHZ 8, 348 (363); 12, 337 und Urteil vom 8. Mai 1954, II ZR 235/53 (Betriebsberater 1954, 456 und 473 = LM AktG § 75 Nr 8) – läßt sich entgegen der Ansicht der Revision nichts Abweichendes herleiten, denn sie betreffen einen im wesentlichen anderen Sachverhalt. In den damals entschiedenen Fällen waren die für bestimmte Selbstverwaltungsmaßnahmen zuständigen Organe der Genossenschaft oder GmbH aktionsunfähig. Hier ist aber das Gegenteil festgestellt. Randnummer51

Der Revision kann auch nicht zugegeben werden, daß Kl und No auf Grund ihrer Einsetzung durch den Wiederaufbauausschuß jedenfalls befugt gewesen seien, die Vertreterversammlung einzuberufen. Es ist kein Grund ersichtlich, der es rechtfertigen könnte, ihnen in Abweichung von Gesetz und Satzung diese Befugnis einzuräumen. Die Vertreterversammlung ist nach § 29 Abs 1 der Satzung in der Regel vom Vorsitzenden des Aufsichtsrats einzuberufen. Da dies nur als Regelfall vorgesehen ist, gilt daneben die gesetzliche Regelung, die in § 44 Abs 1 GenGes vorsieht, dass der Vorstand die Vertreterversammlung einberuft. Ob einer Einberufung der Vertreterversammlung durch den Vorsitzenden des Aufsichtsrats oder den Vorstand der Beklagten Hindernisse entgegenstanden, ist nicht geklärt. Dieser Klärung bedarf es auch nicht, denn es steht fest, daß der Aufsichtsrat tätig werden konnte. Er war daher notfalls in der Lage, aus seiner Mitte einen anderen Vorsitzenden zu wählen, wie es in § 22 Abs 6 der Satzung vorgesehen ist. Überdies wird man bei einer Verhinderung des Vorsitzenden auch dem Aufsichtsrat selbst das Recht zubilligen müssen, die Vertreterversammlung einzuberufen. Schließlich konnte, wenn die erforderlichen Mitglieder des Vorstandes fehlten, bis zur Hebung des Mangels ein Notvorstand durch das Amtsgericht bestellt werden. Daß § 29 BGB auch auf Genossenschaften anzuwenden ist, entspricht der in Rechtsprechung und Rechtslehre herrschenden Meinung (RG JW 1936, 2311). Es ist nicht festgestellt, von der Beklagten auch gar nicht behauptet worden, daß diese Möglichkeiten erschöpft worden seien. Unter diesen Umständen kann die Beklagte sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, daß Kl und No auf Grund ihrer Einsetzung durch den Wiederaufbauausschuß zumindest das Recht zugestanden habe, die Vertreterversammlung einzuberufen. Randnummer52

Daher hat das Berufungsgericht ohne Rechtsirrtum angenommen, daß die Vertreterversammlung der Beklagten vom 1. Dezember 1945 von dazu nicht befugten Personen und deshalb nicht ordnungsgemäß einberufen worden ist. Randnummer53

4. Das Berufungsgericht hat seine Ansicht, daß dieser Mangel zur Nichtigkeit der in der Vertreterversammlung gefaßten Beschlüsse führe, ebenso wie die Kommentare zum Genossenschaftsgesetz auf die Entscheidung RGZ 92, 409 (412, 413) gestützt, in der das Reichsgericht einer Versammlung der Gesellschafter einer GmbH, die von einer dazu nicht befugten Person berufen war und in der nicht alle Gesellschafter anwesend waren, den Charakter einer Gesellschafterversammlung abgesprochen und angenommen, es sei nicht möglich, in einer solchen Versammlung rechtsgültige Beschlüsse zu fassen. Dieses Urteil ist seit Erlaß der Entscheidungen RGZ 166, 129 (131); 172, 76 und BGHZ 11, 231 (235, 236) überholt. Gleichwohl ist die Auffassung des Berufungsgerichts entgegen der Ansicht der Revision im Ergebnis zutreffend. Randnummer54

Da die Frage, welche Rechtsfolgen sich aus Mängeln eines Gesellschafterbeschlusses ergeben, im GmbH Gesetz nicht geregelt ist, haben das Reichsgericht und der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs in Übereinstimmung mit dem Schrifttum diese Lücke dadurch ausgefüllt, daß sie die für das Aktienrecht herausgebildeten und dann im Aktiengesetz (§§ 195 ff) festgesetzten Rechtsregeln über die Nichtigkeit und Anfechtbarkeit von Beschlüssen der Hauptversammlung der Aktiengesellschaft und insbesondere auch über die Abgrenzung zwischen Nichtigkeit und Anfechtbarkeit wegen der weitgehenden Ähnlichkeit der Sach- und Rechtslage auf die GmbH sinngemäß angewandt (BGHZ 11, 231 (235)). Nun enthält das Genossenschaftsgesetz zwar in § 51 für die Anfechtung von Generalversammlungsbeschlüssen eine Regelung, es bestimmt aber nicht, wie es sich mit nichtigen Beschlüssen dieser Versammlung verhält. Daß es neben anfechtbaren auch nichtige Beschlüsse der Generalversammlung oder bei Genossenschaften mit mehr als 3.000 Mitgliedern (§ 43 a GenGes) der Vertreterversammlung der Genossenschaft gibt, ist in Rechtsprechung und Rechtslehre anerkannt. Das Reichsgericht hat schon in RGZ 170, 83 (88, 89) Grundsätze des Aktienrechts auf die Genossenschaft angewandt, insbesondere entschieden, daß die Vorschriften des Aktiengesetzes über die Anfechtungs- und Nichtigkeitsfeststellungsklage im Genossenschaftsrecht entsprechend anwendbar sind. Hiernach liegt es nabe, auch die im Genossenschaftsgesetz nicht geregelte Frage der Abgrenzung zwischen der Nichtigkeit und der Anfechtbarkeit der Beschlüsse der General- oder Vertreterversammlung nach den gleichen Grundsätzen zu beurteilen, die für die Aktiengesellschaft in §§ 195 ff AktG festgelegt sind und nach herrschender Meinung auch für die GmbH gelten. Gewiß weisen die Aktiengesellschaft, die GmbH und die Genossenschaft in ihrer wirtschaftlichen und rechtlichen Struktur Unterschiede auf. Diese sind aber für die hier zu beurteilende Frage nicht von Bedeutung. Entscheidend ist vielmehr, daß in der Abgrenzung zwischen nichtigen und anfechtbaren Beschlüssen für jede der genannten Personenvereinigungen im wesentlichen die gleiche Interessenlage besteht. Das Aktiengesetz sieht in der Befugnis der Einberufer zur Einberufung ein Mindesterfordernis der Hauptversammlung und läßt deshalb bei seinem Fehlen schlechthin die Nichtigkeit der in einer solchen Versammlung gefaßten Beschlüsse eintreten, es sei denn, daß alle Aktionäre erschienen oder vertreten sind. Es unterscheidet damit einen solchen Mangel deutlich gegenüber anderen Einberufungsfehlern, die nach den §§ 197, 198 AktG nur die Anfechtbarkeit der Beschlüsse zur Folge haben. Es sind keine Gründe ersichtlich, die es rechtfertigen könnten, für die Einberufung der General- oder Vertreterversammlung der Genossenschaft andere Anforderungen zu stellen, als sie für die Hauptversammlung der Aktiengesellschaft und für die Gesellschafterversammlung der GmbH gestellt werden. Ebenso wie diese Organe der Aktiengesellschaft und der GmbH ist die Generalversammlung oder die Vertreterversammlung das oberste Organ der Genossenschaft, in dem die Genossen ihre Rechte in den Angelegenheiten der Genossenschaft ausüben. Bei der Bedeutung der Aufgaben, die dem obersten Willensorgan der Genossenschaft obliegen (vgl § 43 GenG), kann für die Anforderungen, die an eine ordnungsgemäße Einberufung der General- oder Vertreterversammlung zu stellen sind, kein geringerer Maßstab angelegt werden als es für die entsprechenden Organe der Aktiengesellschaft und der GmbH zu fordern ist und gefordert wird. Es ist daher gerechtfertigt, § 195 Nr 1 AktG auf die Genossenschaft sinngemäß anzuwenden. Das hat zur Folge, daß die Beschlüsse der General- oder Vertreterversammlung, die von einem Unbefugten einberufen worden ist, nichtig sind. Randnummer55

Die Ansicht der Revision, daß ein Organ, dessen Wahl mit einem Mangel behaftet sei, trotz dieses Mangels auf alle Fälle befugt sei, eine Generalversammlung einzuberufen, ist in dieser Allgemeinheit nicht zu billigen. In der von der Revision angeführten Entscheidung RG JW 1911, 330 Nr 30 handelt es sich offenbar darum, daß die Wahl eines Vorstandes, der als solcher im Handelsregister eingetragen war, später bemängelt wurde. Daß in einem solchen Fall ein Vorstand auch bei Ungültigkeit seiner Wahl zur Einberufung einer Hauptversammlung befugt ist, ist für die Aktiengesellschaft in § 105 Abs 1 Satz 2 AktG ausdrücklich anerkannt. Das gleiche ist, wie sich aus dem öffentlichen Glauben des Genossenschaftsregisters ergibt (§§ 10, 29 GenG), auch für den Vorstand einer Genossenschaft anzunehmen, dessen Bestellung im Genossenschaftsregister eingetragen war. Hierauf kann aber die Beklagte sich nicht berufen, denn Kl und No sind erst am 3. Januar 1946, also mehrere Wochen nach der Einberufung der Vertreterversammlung vom 1. Dezember 1945, in das Genossenschaftsregister eingetragen worden. Randnummer56

Nach alledem ist die Annahme des Berufungsgerichts, daß der Beschluß der Vertreterversammlung vom 1. Dezember 1945, den Kläger als Vorstand zu entlassen, und die darin liegende Kündigung des Dienstvertrages keine Rechtswirkung hatten, rechtlich nicht zu beanstanden. Es ist daher mit dem Berufungsgericht davon auszugehen, daß das zwischen den Parteien bestehende Dienstverhältnis damals nicht beendet worden ist. Randnummer57

III. Zwischen den Parteien besteht Einigkeit darüber, daß die Beklagte den Dienstvertrag jedenfalls im Februar 1950 wirksam zum 1. Oktober 1950 gekündigt hat. Zu Unrecht macht die Revision geltend, daß der Anspruch des Klägers auf Altersversorgung durch die Beklagte hinfällig geworden sei, weil der Kläger sich am 1. Oktober 1950 als dem Tage, an dem die Leistungen der Angestelltenversicherung begonnen haben, nicht mehr in ungekündigter Stellung befunden habe. Die Revision verweist auf Nr 8 Satz 1 der Bestimmungen, wonach die Versorgungsleistungen der Beklagten erst mit dem Tage der Leistungen aus der Invaliden- oder Angestelltenversicherung beginnen. Sie meint, der Kläger habe daher die Ansprüche auf Altersversorgung nach der Bestimmung Nr 10 bereits verloren, ehe die Leistungen aus dem Vertrage hätten beginnen können. Randnummer58

Die Ansicht der Revision kann nicht gebilligt werden. Das Berufungsgericht hat festgestellt, daß der Kläger seit 1948 oder 1949 arbeitsunfähig ist und hat ihm mit Recht einen Anspruch auf Altersversorgung gegen die Beklagte ab 1. Oktober 1950 zugebilligt. Es hat ausgeführt, in der Bestimmung Nr 8 sei zwar gesagt, daß die Versorgungsleistungen der Beklagten grundsätzlich mit dem Tage der Leistungen aus der Invaliden- oder Angestelltenversicherung beginnen. Das dürfe aber nicht wörtlich ausgelegt werden, denn es komme nicht darauf an, ob der Berechtigte tatsächlich Invaliden- oder Angestelltenversicherung erhalte, sondern darauf, ob er arbeitsunfähig sei. Daher spreche auch die Bestimmung Nr 10 nicht vom Leistungsbeginn der Angestelltenversicherung, sondern von Arbeitsunfähigkeit. Daß es auf die tatsächliche Arbeitsunfähigkeit ankomme, ergebe sich auch aus dem sozialen Zwecke der Versorgungsbestimmungen, der darin bestehe, die Gefolgschaftsmitglieder bei Arbeitsunfähigkeit vor eigener Not zu schützen und von der Sorge um die Zukunft ihrer Familien zu befreien (so die Bestimmung Nr 1). Randnummer59

Diese Ausführungen des Berufungsgerichts verdienen volle Billigung. Demgegenüber ist die Ansicht der Revision, die Versorgungsbestimmungen seien einer solchen Auslegung nicht zugänglich, durch nichts gerechtfertigt. Die Auslegung, die das Berufungsgericht gegeben hat, ist mit dem Wortlaut der Versorgungsbestimmungen zu vereinbaren. Sie wird auch deren Sinn und Zweck voll gerecht. Randnummer60

IV. Die Höhe der Rente ist vom Berufungsgericht rechtsirrtumsfrei festgestellt worden. Die Revision erhebt hiergegen keine Einwendungen. Randnummer61

Damit erweist sich die Revision der Beklagten als unbegründet. Sie war daher mit der Kostenfolge des § 97 ZPO zurückzuweisen.

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Schlagworte: Agrargenossenschaft, fehlerhafte Genossenschaft, Genossenschaft, Genossenschaftsanteil, Genossenschaftsrecht, Kauf von Agrargenossenschaft, Verkauf von Agrargenossenschaft