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OLG München, Hinweisbeschluss vom 21.08.2023 – 14 U 1250/21

Geschäftschancenlehre GbR

Tenor

A.- Hinweis:

Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Kempten (Allgäu) vom 05.02.2021, Az. 23 O 868/18, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.

Entscheidungsgründe

B.- Hintergrund ist folgende Einschätzung des Senats:

I.-

Die Klägerin beantragt in der Berufung:

auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Kempten vom 05.02.2021, AZ 23 O 868/18, abgeändert. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 56.198 € nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.02.2018 zu bezahlen.

Das entspricht dem erstinstanzlichen Antrag (vergleiche EU Seite 2).

II.-

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.

1.-

Als unstreitig behandelt hat das Landgericht folgenden Sachverhalt:

Der Beklagte ist Inhaber einer Einzelfirma mit dem Namen „Immobilien N…“.

Im März 2017 unterzeichneten die Parteien einen schriftlichen Vertrag (K1) der als „BGB-Gesellschaftsvertrag“ überschrieben war. Zweck der BGB-Gesellschaft sollte die Vermittlung von Immobilien sein.

Im Juni 2017 erteilte die Einzelfirma des Beklagten der Klägerin eine Reihe von Rechnungen, mit denen der Beklagte jeweils Werbekostenbeteiligungen abrechnete.

Im November 2017 stellte die Klägerin gegenüber der Einzelfirma des Beklagten „bzw“ direkt gegenüber diesem (EU S. 2 ohne Klarstellung, was „bzw“ hier heißen soll) jeweils 50 % derjenigen Maklerprovisionen in Rechnung, die der Beklagte vereinnahmt hatte (EU Seite 2, K2a bis K2 e).

Im Februar 2018 kündigte der Beklagte den Gesellschaftsvertrag (EU Seite 2, K2).

2.-

Als streitig referiert das Landgericht folgende Behauptungen der Klägerin:

Sie habe mit dem Beklagten vereinbart, dass beiden Parteien aus der gemeinsamen Tätigkeit jeweils 50 % der erzielten Provisionen zustünden und Aufwendungen hälftig geteilt würden.

Bei den jeweiligen Immobilienvermittlungen habe die Klägerin zum Teil wesentliche Arbeiten übernommen.

3.-

Als streitig referiert das Landgericht folgende Behauptungen des Beklagten:

Den BGB-Gesellschaftsvertrag hätten die Parteien lediglich abgeschlossen, um anschließend mit einem Dritten einen Lizenzvertrag abschließen zu können. Dazu sei es aber nie gekommen. Die GbR sei nie entstanden, oder sie habe jedenfalls keine geschäftliche Tätigkeit entfaltet.

Es habe auch sonst keine generelle Vereinbarung bezüglich einer Zusammenarbeit zwischen den Parteien gegeben. Zusammengearbeitet habe man lediglich bezogen auf einzelne Geschäfte. Auch Werbekosten seien lediglich fallbezogen geteilt worden, wobei jedoch niemand auf die GbR hingewiesen habe (EU Seite 3).

4.-

Das Landgericht hat die Klageabweisung im wesentlichen folgendermaßen begründet:

4.1

Die Klägerin habe aus dem BGB-Gesellschaftsvertrag (K1) keinen Anspruch auf Auskehrung von anteiligen Maklerprovisionen gegen den Beklagten.

4.1.1.

Es könne offenbleiben, ob die GbR entstanden sei. Denn jedenfalls habe sie keinerlei Tätigkeit mit Wirkung nach außen entfaltet, was sich aus der Aktenlage und den Angaben des vernommenen Zeugen ergebe (EU Seite 4). Sämtliche Geschäfte seien stets über die Einzelfirma des Beklagten abgewickelt worden. Selbst die von der Klägerin erstellten Rechnungen seien in deren eigenem Namen (noch dazu als Immobilienmaklerin freiberuflich) an die Einzelfirma des Beklagten adressiert gewesen; nicht etwa namens der GbR an den Beklagten in dessen Eigenschaft als deren Gesellschafter (EU Seite 4).

Der Zeuge habe zwar angegeben, aus seiner Sicht habe eine Zusammenarbeit zwischen den Parteien in Form einer BGB-Gesellschaft bestanden. An anderer Stelle habe der Zeuge aber angegeben, mit der Umsetzung der BGB-Gesellschaft sei es ihm nicht schnell genug gegangen, und es seien Dinge wie der Außenauftritt nicht überarbeitet worden.

Der Zeuge habe zu der Frage, ob Provisionen zwischen den Parteien geteilt werden sollten, lediglich angegeben, dieses sei „selbstverständlich gewesen“, aber eine konkrete Absprache hierzu nicht benennen können. „Selbstverständlich“ könne eine Teilung schon deshalb nicht gewesen sein, weil der Zeuge es als besonders anerkennenswert hinstellte, dass der Beklagte die Klägerin an der Provision aus einem großen Objekt beteiligt habe, das nur der Beklagte allein vermittelt hatte: Wäre das der vereinbarte Usus der Parteien gewesen, so ließe sich nicht erklären, warum der Zeuge sie ihm „hoch anrechnete“ (EU S. 5).

4.1.2

Die Ansprüche der Klägerin seien auch nicht aus einem etwaigen Wettbewerbsverstoß zu begründen, da der BGB-Gesellschaftsvertrag (K1) kein Wettbewerbsverbot vorsehe.

4.1.3

Auch nach der Geschäftschancen-Lehre ergebe sich ein Anspruch der Klägerin selbst dann nicht, wenn man vom Bestand der GbR ausgehe: Auch dann habe die GbR keinen Anspruch gegenüber dem Beklagten. Denn irgendeine Geschäftschance könne nicht bestanden haben, da die Gesellschaft nie nach außen aufgetreten sei, so dass irgendeine konkrete Geschäftschancen an diese nicht habe herangetragen werden können.

4.2

Der Anspruch ergebe sich auch nicht aus einer gesonderten vertraglichen Vereinbarung.

Die Klägerin habe nicht zur Überzeugung des Landgerichts nachweisen können, dass die Parteien eine Generalvereinbarung getroffen hätten, sämtliche Provisionen hälftig untereinander zu teilen.

Vielmehr ergebe sich das Bild, dass es einzelne Projekte gab, bei denen die erzielte Provision zwischen den Parteien geteilt wurde. Nicht feststellen lasse sich aber eine generelle Absprache dahingehend, dass sämtliche Provisionen, die eine Partei vereinnahmt, zwischen beiden Parteien hälftig geteilt werden solle.

Namentlich die Aussage des Zeugen bestätige, dass eine generelle Zusammenarbeit der Parteien mit einer 50-prozentigen Beteiligung an sämtlichen Einnahmen zu dem streitgegenständlichen Zeitpunkt noch reine „Zukunftsmusik“ gewesen sei. Auch hierhin gehöre die Aussage des Zeugen, wonach der Beklagte einmal die Vermittlung eines 2,2 Millionen Objekts intendiert und sich mit Blick hierauf bereit erklärt habe, die Klägerin im Erfolgsfalle an einer etwaigen Provision zu beteiligen, was der Zeuge ihm hoch anrechne. Ein derartiger Ausspruch betreffend ein Einzelprojekt spiegele deutlich wider, dass die Parteien keine generelle Teilungsabsprache getroffen haben (EU Seite 5).

Nicht zu übersehen sei zwar, dass Hilfstätigkeiten der Klägerin hinter der überwiegenden Mehrzahl der von ihr geltend gemachten Provisionsforderungen stünden, die Klägerin also jedenfalls involviert gewesen sei. Daraus ergibt sich aber kein zwingendes Indiz dafür, was die Parteien im Innenverhältnis vereinbart gehabt hätten mit Blick auf eine dem Beklagten zufließende Provision.

Darum sei auch kein Erkenntnisgewinn daraus zu erwarten, wenn das Landgericht jene Zeugen vernehmen würde, die die Klägerin zu den einzelnen Vermittlungsvorgängen angeboten hatte (EU Seite 5). Es könne unterstellt werden, dass die Klägerin bei den einzelnen Vermittlungsvorgängen beteiligt war, etwa indem sie einen Maklervertrag handschriftlich ausfüllte oder von einem Käufer kontaktiert wurde; aus alledem ergebe sich kein Rückschluss darauf, ob die Parteien im Innenverhältnis eine wie auch immer geartete Vereinbarung getroffen haben.

Für sich genommen naheliegend sei zwar, dass die Klägerin ihre Hilfe nicht unentgeltlich zur Verfügung gestellt habe. Denn immerhin sei die Klägerin selbst als freiberufliche Immobilienmaklerin tätig gewesen (EU Seite 6). Das deute aber nicht darauf hin, dass die Parteien vereinbart haben müssten, die Klägerin werde dadurch vergütet, dass Provisionen generell zwischen den Parteien geteilt wurden. Zudem stehe nicht fest, dass die Klägerin sämtliche Hilfeleistungen für den Beklagten nur entgeltlich habe erbringen wollen. Letzteres sei deshalb zu bezweifeln, weil ohnehin eine enge freundschaftliche Beziehung der Parteien bestand, was sich aus den Angaben der Klägerin selbst und denen des Zeugen ergebe. Hierhin gehöre auch, dass die Familie der Klägerin den Beklagten in einer für diesen schwierigen Zeit unterstützt habe und dass unstreitig „die Beklagte“ (EU Seite 6, meint: die Klägerin) eine von ihr allein verdiente Provision mit dem Beklagten aus freien Stücken geteilt hat. Es sei also nicht völlig lebensfremd, dass die Klägerin den Beklagten eine Zeit lang bei dessen Projekten aus reiner Nächstenliebe unterstützt habe, um diesen wieder auf die Beine zu helfen.

IV.-

Die Berufungsbegründung bringt vor:

1.-

Die GbR der Parteien sei entstanden durch Abschluss des Gesellschaftsvertrags.

Die Erwartung einer Lizenzerteilung durch den Dritten sei keine Bedingung des Vertrags gewesen. Eine Bedingung sei auch schon deshalb nicht wirksam vereinbart, weil der Gesellschaftsvertrag eine Schriftformklausel für Nebenabreden enthalte (BerBegr Seite 3; K 1 § 15).

Dass die Gesellschaft wirksam begründet worden sei, zeige auch die Kündigung durch den Beklagten (K 2), die bei Annahme einer inexistenten GbR jeden Sinnes entkleidet gewesen wäre (BerBegr Seite 3).

Auf den Außenauftritt der GbR komme es für das Entstehen der Rechte und Pflichten der Parteien als Gesellschafter der GbR nicht an (BerBegr Seite 4). Vielmehr habe kraft Gründung der GbR eine Innengesellschaft zwischen den Parteien bestanden. Die Gesellschafter (= die Parteien) seien nach außen hin halt einstweilen im eigenen Namen aufgetreten und hätten derweil den Außenauftritt der Gesellschaft vorbereitet (BerBegr Seite 4). Das habe die Klägerin erstinstanzlich unbestritten vorgetragen; das Landgericht übergehe es.

Das Landgericht erwähne zwar die Hilfstätigkeiten der Klägerin, übergehe damit aber deren erstinstanzlichen Vortrag, dass „diverse der streitgegenständlichen provisionspflichtigen Geschäfte ausschließlich durch sie abgewickelt“ worden seien, wobei jeweils keine bloßen Hilfstätigkeiten ausgeübt wurde (BerBegr Seite 4/5).

Dass die Parteien als GbR-Gesellschafter gemeinsam tätig werden wollten und die Provisionen generell teilen wollten, ergebe sich auch daraus, wie die Parteien über die zu gestaltende Zusammenarbeit korrespondierten. Dazu habe die Klägerin dem Landgericht „umfangreiche Korrespondenz zwischen den Parteien“ vorgelegt (BerBegr Seite 5, Schriftsatz 13.1.2021 Seite 3 = Blatt 140/157 mit dort abgelichteten WhatsApp-Verläufen). Dabei sei es um die „generelle operative Geschäftstätigkeit der Parteien“ gegangen, Akquise und Abwicklung von Verkaufsaufträgen, ferner um die strategische Ausrichtung der Gesellschaft und die organisatorische Ausgestaltung. Diese Korrespondenz belege eindeutig, dass hinter der GbR-Gründung die tatsächliche Abrede der Parteien stand, gemeinsam im Rahmen der gegründeten Gesellschaft auch tätig zu werden.

Daraus folge „jedoch auch zwangsläufig“, dass die Klägerin hälftig an den Provisionserlösen zu beteiligen war (BerBegr Seite 5).

Die Aktivitäten seien auch deckungsgleich mit dem in K1 vereinbarten Unternehmensgegenstand (BerBegr Seite 5) und der prozentualen Beteiligung beider Gesellschafter (ausdrücklich 50 %) sowie der hieran anknüpfenden Zuweisung von Gewinn und Verlust sowie Auseinandersetzungsguthaben (BerBegr Seite 6, K1 § 4 Abs. 2).

Das Landgericht verkenne, dass der Gesellschaftsvertrag als Urkunde die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit für sich habe.

Soweit das Landgericht aus sonstigen Umständen „nicht feststellen“ zu können meine, dass es eine generelle Absprache zur hälftigen Provisionsteilung gab, habe es einer solchen nicht separat bedurft, da sie bereits in dem Vertrag K1 getroffen und für die Parteien als Innengesellschaft bindend geworden sei.

1.2

Zu Unrecht verwerfe das Landgericht auch die auf die „Geschäftschancenlehre“ gestützte Argumentation der Klägerin:

Auch ohne ausdrückliche Regelung eines Wettbewerbsverbots bestehe eine Treuepflicht der Gesellschafter, Geschäftschancen der GbR nicht dadurch zu vereiteln, dass sie solche gar nicht erst zur Entstehung gelangen ließen (BerBegr Seite 7/8). Der Beklagte habe als geschäftsführender Gesellschafter der GbR (K1 § 5) die Pflicht zur uneigennützigen Geschäftsführung gehabt und daher der GbR nicht durch eigene Geschäfte Konkurrenz machen dürfen.

2.-

Aber selbst bei Ausblendung des Gesellschaftsvertrags und der innergesellschaftlichen Pflichten habe das Landgericht annehmen müssen, dass die Parteien eine Abrede zur hälftigen Teilung der Provisionen getroffen haben.

Das habe der Zeuge nämlich bekundet, und den Gegenbeweis habe der Beklagte nicht erbracht (BerBegr Seite 9).

IV.-

Die Berufungserwiderung hält dagegen:

Das angegriffene Urteil sei zutreffend.

1.-

Der GbR-Vertragstext (K 1) sei ein Scheingeschäft gewesen (BerErw S. 5), was der Beklagte schon erstinstanzlich vorgetragen habe.

Der Dritte habe einen Lizenzvertrag mit der Klägerin alleine wegen deren ungeordneter Vermögensverhältnisse (Stichwort: „SCHUFA-Auskunft“) nicht schließen wollen, was die Parteien bewogen habe, dem Dritten eine GbR als Partnerin des Lizenzvertrages anzudienen.

Zwischen den Parteien sei klar gewesen, dass der Vertrag K1 hinfällig sei, wenn eine Lizenzpartnerschaft mit dem Dritten nicht zustande komme.

Was die Klägerin als Anlage K1 vorliege, sei auch nicht authentisch. Das Original habe die Klägerin entgegen § 420 ZPO nicht vorgelegt und sei daher beweisfällig.

Unbestritten geblieben sei in erster Instanz auch der Vortrag des Beklagten, wonach die Klägerin ihm auf Frage nach dem Verbleib des Vertrags-Schriftstückes geantwortet hätte, dieses habe sie vernichtet (BerErw S. 5 -> Schriftsatz 7.4.2020, Seite 5).

Die „Kündigung“ des Beklagten (K2) verstehe sich ausdrücklich als „höchst vorsorglich“ und erlaube daher nicht den Schluss, dass der Beklagte bei der Kündigung von einer bestehenden GbR ausgegangen sei (BerErw Seite 6).

Bereits im Kündigungsschreiben habe der Beklagte mitgeteilt, dass er nicht vom Bestehen der GbR ausgehe, sondern es bereits am gemeinsamen Willen gefehlt habe, eine GbR ins rechtsgeschäftlichen Leben zu bringen, wenn die Lizenzvereinbarung mit dem Dritten nicht zustande käme (BerErw S. 6).

Auch eine Innengesellschaft sei nicht entstanden. In Wahrheit seien die Parteien nicht durch die Absicht verbunden gewesen, mit einem gemeinsamen Zweck auf eine gewisse Dauer zusammenzuarbeiten. Eine Innengesellschaft entstehe auch nicht etwa dadurch, dass die Klägerin durch Hilfeleistungen sich an der Einzelfirma des Beklagten beteiligt habe.

2.-

Unbehelflich argumentiere die Klägerin mit einem Wettbewerbsverbot.

Das im Vertrag K1 unstreitig nicht vereinbarte Wettbewerbsverbot könne nicht auf dem Umweg über eine allgemeine Treuepflicht herbeiargumentiert werden.

Davon unabhängig führe ein (probehalber unterstelltes) Wettbewerbsverbot nicht dazu, dass sämtliche Geschäfte, die ein Gesellschafter – diesem zuwiderhandelnd – abschlösse, automatisch als Geschäfte der GbR anzusehen wären.

Ein Wettbewerbsverbot gebe es nur bei Personenhandelsgesellschaften (BerErw S. 3, § 112 Abs. 1 HGB), während die hier diskutierte GbR kein Handelsgewerbe betreibe. Im Recht der GbR gebe es kein gesetzliches spezifisch gesellschaftsrechtliches Wettbewerbsverbot.

Auch eine gesellschaftliche Treuepflicht habe den Parteien, die beide als selbstständige Immobilien Makler tätig waren und sind, nicht verboten, abseits der GbR eigene Projekte zu verfolgen. Die Klägerin behaupte ja auch nicht, dass die Parteien beabsichtigt hätten, ihre jeweiligen Immobilienmaklerbüros zusammenzuführen und als BGB-Gesellschaft weiterzuführen. Der Gesellschaftsvertrag (K 1) sei auch sonst nie in Vollzug gesetzt worden.

3.-

Die Argumentation auf der Basis der Geschäftschancen-Lehre scheitere daran, dass §§ 112, 113 HGB zwar für die OHG, nicht aber für die GbR heranzuziehen seien. Im Übrigen stehe § 112 Abs. 2 und § 113 Abs. 3 HGB entgegen: Der Klägerin sei die Wettbewerbssituation unstreitig bekannt gewesen, ferner dass der Beklagte seine Tätigkeit in eigener Firma als selbstständige Immobilienmakler führt. Zudem seien die Ansprüche, wenn man sie als bestehend unterstelle, nach § 113 Abs. 3 HGB schon verjährt (BerErw S. 4,) worauf sich die Beklagte bereits erstinstanzlich berufen habe.

Vor allem aber sehe das Landgericht richtig, dass die Geschäftschancen-Lehre an Chancen anknüpft, die der Gesellschaft zunächst konkret entstanden sein müssen, bevor der Gesellschafter sie vereitelt, indem er sie zu seinem eigenen Einzelvorteil abschöpft (BerErw S. 8). Hingegen sei der Gesellschafter (wenn ihn – wie hier – kein Wettbewerbsverbot trifft) frei darin, eigene Chancen zu suchen und zu schaffen, und nicht gehalten, dies nur für die Gesellschaft zu tun.

4.-

Nach alledem sei der Eindruck des Landgerichts richtig, dass die Parteien als Betreiber zweier Immobilienbüros nur fallweise zusammengearbeitet haben, jedoch keine Gesellschaft bürgerlichen RechtsBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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Gesellschaft bürgerlichen Rechts
betrieben hätten und ihre getrennten Tätigkeiten nie zu einer gemeinsamen Tätigkeit zusammengelegt hätten.

Dies – und nicht die Annahmen der Klägerin – werde auch gestützt durch die Aussage des Zeugen (BerErw S. 9), die das Landgericht richtig eingeordnet habe. Der Zeuge (= Ehemann der Klägerin) habe auf suggestive Frage des Klägervertreters nach einer „Absprache zur hälftigen Teilung von Provisionen“ geantwortet, das sei „von Anfang an so praktiziert worden“. Das passe zu einem mitgebrachten Text, von dem der Zeuge zu Beginn seiner Vernehmung abgelesen habe.

Die spontanen Antworten des Zeugen hätte jedoch gezeigt, dass eine hälftige Generalteilung ersichtlich nicht gelebt wurde: Erstens sei es dem Zeugen „mit der Umsetzung der BGB-Gesellschaft nicht schnell genug“ gegangen – was zeige, dass es die GbR noch nicht gegeben habe. Zweitens habe der Zeuge keine konkrete Absprache der Parteien zur Provisionsteilung schildern können. Drittens habe er – mit dem Ton der Anerkennung gegenüber dem Beklagten – hervorgehoben, wie „generös“ es vom Beklagten sei, dass er die Klägerin an Provisionserlösen beteiligt hat, die er durch Vermittlung des allein vom Beklagten eingefädelten 2,2-Mio-Objekts erzielte; denn dieser Vorgang wäre nicht als Besonderheit hervorzuheben, wenn die Parteien sich ohnehin verpflichtet hätten, wechselseitig ihre Provisionserlöse miteinander zu teilen. Das sehe das Ersturteil völlig richtig.

IV.-

Die Berufung ist ohne Erfolgsaussicht.

Das strukturiert begründete Urteil des Landgerichts Kempten leidet nicht an Rechtsfehlem (§ 546 ZPO). Die zugrunde zu legenden Tatsachen (§ 529 ZPO) gebieten keine andere Entscheidung.

1.-

Es kann offenbleiben, ob der GbR-Vertrag (K 1) der Parteien nur pro forma vorgetäuscht und deswegen ein Scheingeschäft (§ 117 BGB) war. Dass die Anlage K 1 kein Original ist und deshalb die Beweiswirkung des § 416 ZPO nicht eintritt, spielt für sich genommen ebenfalls keine Rolle. Auch ist nicht Einzelheiten nachzugehen betreffend die Frage, wie weit die Parteien darin gediehen sind, ihre „generelle operative Geschäftstätigkeit“ zu entwerfen, „Akquise und Abwicklung von Verkaufsaufträgen“ zu regeln sowie die GbR strategisch auszurichten und organisatorisch auszugestalten.

Es kann unterstellt werden, dass hinter der GbR-Gründung die tatsächliche Abrede der Parteien stand, gemeinsam im Rahmen der gegründeten Gesellschaft irgendwann einmal tatsächlich tätig zu werden. Daraus folgt jedoch weder „zwangsläufig“, noch in sonstiger Weise, dass die Klägerin hälftig an den Provisionserlösen des Beklagten zu beteiligen wäre. Es hilft der Klägerin nicht, dass die Aktivitäten der Parteien in ihren Einzel-Unternehmen deckungsgleich mit dem in K1 vereinbarten Unternehmensgegenstand waren und dass beide GbR-Gesellschafter nach K 1 § 4 Abs. 2 entsprechend ihrer hälftigen Beteiligung an Gewinn und Verlust der GbR partizipieren sollten.

Denn mit alldem besagt der GbR-Vertrag lediglich, dass die Parteien, soweit die GbR ein Vermittlungsgeschäft abschließt und darauf von Dritten Provision kassiert, solche Provisionen teilen – was nach der Kündigung nur im Wege einer Auseinandersetzungsbilanz möglich erschiene, die die Klägerin ohnehin nicht aufgestellt hat.

Soweit die Parteien hingegen weiter auf eigene Rechnung Immobilien vermittelten und daraus Provisionen einnahmen, blieben diese ihnen jeweils allein zugewiesen. Das folgt daraus, dass den Parteien diese Tätigkeit auf eigene Rechnung nicht verboten war.

1.1

Es war in K 1 unstreitig kein Konkurrenzverbot vereinbart.

1.2

Ein Konkurrenzverbot ergab sich auch nicht im Wege der Treuepflicht daraus, dass der Beklagte geschäftsführender Gesellschafter der GbR war:

Zwar gilt allgemein, dass die geschäftsführenden Gesellschafter einer GmbH verpflichtet sind, der Gesellschaft bestimmte Geschäftschancen zu belassen und sie nicht im eigenen Interesse wahrzunehmen (BeckOK HGB/Klimke HGB § 112 Rn. 31-34 m.w.N.). Das soll auch für den geschäftsführenden Gesellschafter einer GbR gelten (MüKo-Schäfer Rn 242 zu § 705): Auch ohne ausdrückliche Vereinbarung gehe dessen Treuepflicht dahin, „im Bereich der uneigennützigen Mitgliedschaftsrechte die eigenen Interessen hinter diejenigen der Gesellschaft zurückzustellen“ und deshalb insbesondere „Geschäftschancen der Gesellschaft nicht für eigene Zwecke wahrzunehmen“, sondern „der Gesellschaft zugeordnete Geschäftschancen für diese zu nutzen“.

1.3

Das Landgericht hat vorliegend aber richtig gesehen, dass die Parteien die intendierte GbR nicht in Vollzug gesetzt haben,

– weder als Außengesellschaft (hier ist der fehlende Außenauftritt augenfällig, über dessen Vorbereitung die Parteien über Textnachrichten wenig strukturiert korrespondiert haben),

– noch auch nur als einstweilige Innengesellschaft.

Vielmehr haben die Parteien, wie das Landgericht überzeugend feststellt, ihre jeweilige angestammte Tätigkeit weitergeführt und dabei lediglich im Einzelfall zusammengearbeitet.

So hat das Landgericht – von der Berufung unangegriffen – festgestellt, dass sämtliche streitgegenständlichen Geschäfte über die Einzelfirma des Beklagten abgewickelt wurden und die Klägerin ihre Rechnungen an diese adressiert hat – ohne jeden Bezug zu einer zwischen den Parteien vorgestellten GbR (EU S. 4).

Auch ist die Rechnung des Beklagten vom 26.6.2017 über eine „Werbekostenbeteiligung 1.3.2017 – 31.7.2017“ (Anlage „ASt 10“) an die Klägerin gerichtet und in keiner Weise auf eine (auch nur im Innenverhältnis wirkende) GbR bezogen. Dasselbe gilt für eine Beteiligung der Klägerin an Werbekosten und „sonstigen Ausgaben“ aufgrund Rechnung des Beklagten vom selben Tage (Anlage „ASt 11“).

Die Schilderung des Geschäftsfreundes J… (Anlage ASt13) stützt diesen Befund, soweit darin berichtet wird, die Parteien hätten eine „gemeinsame Zusammenarbeit für den Vertrieb von Immobilien im Westallgäu“ erörtert: Eine solche Erörterung wäre überflüssig gewesen, wenn die Parteien den Vertrag K 1 einstweilen als Innengesellschaft hätten vollziehen wollen; dann nämlich wäre die „Zusammenarbeit“ für den Vertrieb von Immobilien bereits eine blanke Selbstverständlichkeit gewesen, und zwar nicht nur im „Westallgäu“, sondern überall.

Führte der Beklagte als Inhaber seiner Firma „N… Immobilen“ in einer E-mail-Nachricht (ASt 17) als weitere Geschäftsführerin (neben ihm selbst) die Klägerin auf, so indiziert das nicht den Vollzug der in K 1 beschriebenene „BGB-Gesellschaft unter der Firma N… & K… Immobilien GbR“. Es passt auch nicht restlos zur These der Klägerin, wonach die Gesellschafter (= die Parteien) nach außen hin einstweilen im eigenen Namen aufgetreten seien und derweil lediglich im Innenverhältnis als GbR gearbeitet haben: Bei einer so verstandenen Aufteilung ergäbe es keinen Sinn, die Klägerin nach außen als Mitgeschäftsführerin der Einzelfirma des Beklagten auszugeben.

Dass die Gesellschaft nicht in Vollzug gesetzt wurde, wird nicht zuletzt daran erkennbar, wie die Klägerin den hiesigen Prozess führt. Die Klägerin greift mit der Klage eine Reihe von Geschäften mit Dritten heraus und verlangt daraus einen Anteil. Das wäre per se nicht gangbar, solange man zwischen den Parteien eine bestehende und in Vollzug gesetzte GbR nach der Beschreibung K 1 annähme; denn deren Überschüsse wären unter Einbeziehung aller Geschäfte beider Parteien gemäß § 7 (K 1 Seite 4) festzustellen. Sie wären nur im Rahmen von § 9 Abs. 1 (K 1 S. 5) entnehmbar („nach Abzug aller Vorabentnahmen und der Betriebskostenrückstellung“). Und erst ein nach diesem Schema errechneter Betrag wäre dann zu verteilen (§ 9 Abs. 2). Hätte es zwischen den Parteien – vor der vorsorglichen Kündigung des Beklagten – eine in Vollzug gesetzte GbR gegeben, dann wäre diese mit einer Auseinandersetzungsbilanz aufzulösen. Die Klage unternimmt solche Berechnungen nicht, sondern zieht allein einzelne vom Beklagten betriebene Geschäfte heran und betreibt nicht die in K 1 vorgesehene gesellschaftsrechtliche Teilung.

Zusammenfassend sieht das Landgericht zutreffend: Haben die Parteien bei einzelnen Projekten gemeinsam gearbeitet und fallweise Erlöse geteilt, so ist das nicht der Vollzug einer umfassenden Zusammenarbeit als BGB-Gesellschafter, die K 1 beschreibt.

2.-

Die Berufung kann auch nicht etwa deshalb Erfolg haben, weil die Parteien – soweit K 1 als wirksam gesehen wird – immerhin als verpflichtet gesehen werden könnten, die GbR-Tätigkeit aufzunehmen und dabei nicht vorab den Außenauftritt zu bewerkstelligen, sondern vorab als einstweilige Innen GbR alle Geschäfte der beiden Einzelfirmen gedanklich in einer Art „Pool“ der GbR aufzunehmen.

Für eine so verstandene Verpflichtung bestimmt der Vertrag K 1 gleichwohl keine Frist, bis zu deren Ablauf die GbR in Vollzug zu setzen sei. Der Vertrag kann andererseits auch nicht dahin verstanden werden, es solle die GbR „sofort“ wirksam werden.

Das folgt schon daraus, dass die Parteien selbst auf die Frage, ab welchem Zeitpunkt die GbR überhaupt gegründ et sein soll, keine Sorgfalt verwendet haben. Es steht kein bestimmtes Datum fest, zu dem der GbR-Vertrag geschlossen sein soll: Das Original hat die Klägerin unstreitig vernichtet und im Prozess nicht vorgelegt. Die beiden Versionen, die nebeneinander jeweils als Gerichtsanlage (hier „Anlage 3 zur Klage“, da „K 1“) vorgelegt sind, zeigen voneinander abweichende Daten. Dahingestellt bleiben kann, dass auch der Ort („Friedrichshafen“) nach dem Vorbringen der Klägerin falsch ist, da der Vertrag K 1 in Hamburg anlässlich eines Treffens mit dem Lizenzgeber in spe unterschrieben wurde, dessen Lizenz (unstreitig zumindest) den Anstoß zu der Idee der in K 1 beschriebenen GbR geliefert hatte.

Dem Vertrag in Verbindung mit den unstreitigen Einzelumständen lässt sich auch sonst kein Zeitpunkt entnehmen, zu dem die Parteien die GbR in Vollzug zu setzen gedachten, weder bezüglich des Außenauftritts noch bezüglich der Innen-Komponente.

3.-

Da die GbR (K 1) hiernach weder zu arbeiten begonnen hat noch die Parteien sich bis zu einem bestimmten Zeitpunkt verpflichtet hatten, sie auch nur im Innenverhältnis in Vollzug zu setzen, konnten der GbR – wie das Landgericht zutreffend feststellt – auch keine Geschäftschancen zuwachsen, die „ihr zugeordnet“ gewesen wären. Nicht vorgetragen ist andererseits, dass jemand der GbR (als solcher) gezielt ein Angebot für ein Geschäft gemacht hätte, das erst der Beklagte vereitelt hätte. Vielmehr meint die Berufung, darauf komme es nicht an. Dem ist nicht zu folgen, da der nicht in Vollzug gesetzten GbR irgendwelche abstrakten Chancen ebensowenig winkten wie konkrete Angebote.

4.-

87

Das Landgericht hat – somit folgerichtig – geprüft, ob die Parteien außerhalb des intendierten GbR-Betriebs und der dafür getroffenen Vereinbarungen aus dem GbR-Vertrag (K 1) eine Generalabsprache hatten, alle Provisionen hälftig zu teilen, die jede/r einzelne von ihnen aus seinen auf eigene Rechnung durchgeführten Immobilienvermittlungen hatte.

88

Diese Frage hat das Landgericht überzeugend verneint.

89

Beweisbelastet war insoweit allein die Klägerin.

90

Das Landgericht musste sich insbesondere durch die Aussage des Zeugen nicht von der „Generalteilungs-These“ der Klägerin überzeugen lassen.

91

Die Angabe, die Generalteilung sei „von Anfang an praktiziert“ worden, konnte schon deshalb nicht stimmen, weil die Klägerin mit der Klage gerade geltend macht, dass die Teilung betreffend etlicher Vermittlungsprojekte des Beklagten noch nicht vollzogen ist.

92

Die Bedenken des Landgerichts sind ferner nachvollziehbar mit Blick auf die spontanen Äußerungen des Zeugen: War es großzügig vom Beklagten, die Klägerin an der Provision aus einem allein von ihm vermittelten großen Objekt zu beteiligen, so spricht das ganz entscheidend gegen die These, eine solche Beteiligung sei ohnehin generell vereinbart gewesen: Denn diesfalls wäre die Beteiligung nicht „generös“, sondern schlicht „selbstverständlich“ erschienen. Zugleich spricht dies gegen die Annahme, als ob die Parteien ab einem bestimmten Zeitpunkt die Gesellschaft in Vollzug gesetzt oder sich hierzu auf einen bestimmten Zeitpunkt verpflichtet hätten.

C.- Frist:

93

Hierzu kann sich die berufungsführende Seite, soweit noch beabsichtigt, äußern bis zum 25.9.2023

94

Da die Berufung keine Aussicht auf Erfolg hat, legt das Gericht aus Kostengründen die Rücknahme der Berufung nahe. Im Falle der Berufungsrücknahme ermäßigen sich vorliegend die Gerichtsgebühren von 4,0 auf 2,0 Gebühren (vgl. Nr. 1222 des Kostenverzeichnisses zum GKG).

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