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OLG Brandenburg, Urteil vom 29. Juni 2022 – 7 U 133/21

Geschäftsführer Gehalt

§ 13 Abs 2 GmbHG, § 42a Abs 2 S 1 GmbHG, § 43 Abs 1 GmbHG, § 43 Abs 2 GmbHG, § 46 Nr 5 GmbHG, § 46 Nr 8 GmbHG

Mit der Feststellung des JahresabschlussesBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Feststellung
Feststellung des Jahresabschlusses
erklären die Gesellschafter nicht, dass die Höhe erfolgter Gehaltszahlungen an den geschäftsführenden Gesellschafter angemessen war und dass trotz Überzahlung keine Rückforderungsansprüche der Gesellschaft bestehen.

1. Zur Pflicht eines Geschäftsführers gehört die Trennung eigener Interessen von den Interessen des Unternehmens, welches den Gläubigern mit seinem Gesellschaftsvermögen haftet.

2. Die Frage, in welcher Höhe ein zu zahlendes Grundgehalt angesichts weiterer Gehaltskomponenten als angemessen anzusehen ist, unterliegt nicht der Berechtigung zur einseitigen Bestimmung des Leistungsinhaltes durch den Geschäftsführer. Stattdessen ist die Gesellschafterversammlung zur Entscheidung über die Höhe der Vergütung berufen. Auch wenn sie angemessen wäre besteht auf die Zahlung einer höheren Vergütung sonst kein Anspruch.

3. Die Haftung ist allerdings wegen der für die Jahre 2016 und 2017 von den Gesellschaftern beschlossenen Entlastung des Beklagten ausgeschlossen. Mit der zu beschließenden Entlastung sprechen die Gesellschafter dem Geschäftsführer einerseits Vertrauen für seine bisherige Geschäftsführung aus, andererseits schließen sie auch Schadensersatzansprüche und Abberufungsgründe aus.

4. Die Feststellung eines Jahresabschlusses führt nicht zum Ausschluss von Ansprüchen gegenüber dem Mitgesellschafter als Geschäftsführer. Hat ein Geschäftsführer zugleich eine Drittverbindlichkeit, wie aufgrund des Dienstvertrages als Geschäftsführer, ist nicht ohne weitere Erklärungen davon auszugehen, dass stets eine Festlegung der Höhe der Forderungen aus Drittgeschäften erfolgen soll.

Tenor

1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 13.07.2021, Az. 52 O 2/21, unter Zurückweisung der weiter gehenden Berufung teilweise abgeändert:

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 73.932,04 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30.01.2021 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

3. Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Jede Partei darf die Vollstreckung der jeweils gegnerischen Partei durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die vollstreckende Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe

I.

Die Klägerin nimmt den Beklagten als ehemaligen Geschäftsführer auf Schadensersatz wegen überzahlter Geschäftsführergehälter in Anspruch. Die Klägerin betreibt ein Unternehmen des Elektroanlagenbaus. Das Stammkapital beträgt 25.000 €. Davon hielten die (X) GmbH (X GmbH) sowie der Beklagte jeweils Geschäftsanteile im Gesamtwert von 10.000 €, was einer Beteiligung von 40 % entsprach und U… Freiherr von F… hielt Geschäftsanteile im Gesamtwert von 5.000 €. Dies entsprach einer Beteiligung von 20 %.Randnummer2

In einer Gesellschafterversammlung am 26.03.2020 beschlossen die Gesellschafter ohne nähere Beschreibung die „Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen den Gesellschafter und Geschäftsführer O… N… u.a. gemäß § 43 GmbHG, § 823 BGB und Ansprüche gemäß § 812 ff. BGB, vorprozessual sowie gegebenenfalls auch im Rahmen von Rechtsstreiten“.Randnummer3

Zudem wurde in dieser Sitzung der Beklagte als Geschäftsführer aus wichtigem Grund abberufen und seine Geschäftsanteile wurden eingezogen. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass im Januar und Februar 2020 Überweisungen vom Beklagten an sich selbst veranlasst worden seien in Höhe von 140.000 €, ohne dass hierfür die Zustimmung der übrigen Gesellschafter oder ein rechtlicher Grund vorgelegen habe. Auch sei der Beklagte nicht von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit gewesen. Ferner habe er nicht bekanntgegeben, an welche Personen die „Geschenke und nützlichen Aufwendungen“ geleistet worden seien, die in 2018 und 2019 erbracht worden seien. Schließlich habe er am 10.03.2020 einen Insolvenzantrag gestellt, ohne die Gesellschafter zuvor in Kenntnis zu setzen. Der Antrag sei unbegründet gewesen.Randnummer4

Die Klägerin hat behauptet, der Beklagte habe sich eigenmächtig für den Zeitraum ab Dezember 2015 zu hohe Gehälter als Geschäftsführer überweisen lassen. Ihm habe nach dem Gesellschaftsvertrag eine Grundvergütung in Höhe von 30.677,52 € (= 60.000 DM) jährlich zugestanden. Hinzu seien Tantiemezahlungen gekommen, davon eine Grundtantieme und eine zusätzliche vom Jahresergebnis abhängige Tantieme. Tatsächlich ließ er sich ab Dezember 2015 ein Geschäftsführergehalt von brutto 5.400 € auszahlen. Die Feststellung des JahresabschlussesBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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, die unstreitig für das Jahr 2016 von der Gesellschafterversammlung erklärt worden ist, habe den in der Bilanz für das Jahr 2016 aufgeführten Betrag von Geschäftsführergehältern von 85.300 € (Bl. 52) nicht verbindlich festgestellt. Diese Wirkung komme der Feststellung des JahresabschlussesBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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ihrer Auffassung nach nicht zu. Für die Jahre 2015, 2017 und 2018 fehle es an der Feststellung eines Jahresabschlusses. Auch die Entlastung des Beklagten sei nicht wirksam in Bezug auf die Geschäftsführergehälter erklärt worden. Soweit in der Bilanz Geschäftsführergehälter für 2016 von 85.300 € und für 2017 von 87.300 aufgeführt seien, hätten die Gesellschafter nicht erkennen können, in welcher Höhe das Bruttogehalt berücksichtigt worden sei, da sie weitere Gehaltsbestandteile des Geschäftsführers (Dienstwagennutzung, Zuschuss zur Altersversorgung, Vermögenswirksame Leistungen) als einbezogen angesehen und gedacht hätten, der Grundbetrag sei zutreffend angegeben worden. Für sie sei der Gesamtbetrag daher aus den Unterlagen nachvollziehbar gewesen, Anlass zu Nachfragen habe nicht bestanden. Eine beschlossene Entlastung für die Jahre 2016 und 2017 sei nicht wirksam gewesen. Für das Jahr 2018 sei die Entlastung gar nicht beschlossen worden.Randnummer5

Die Klägerin hat beantragt, den Beklagten zur Zahlung von monatlich 2.843,54 € überzahlten Bruttogehaltes für die Monate Dezember 2015 bis Januar 2020, insgesamt von 142.177 € zu verurteilen.Randnummer6

Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt und eingewandt, die erhöhten Geschäftsführergehälter seien angemessen gewesen gegenüber dem ursprünglich im Jahr 2000 vereinbarten Entgelt. Dass er höheres Gehalt erhalten habe, sei im Übrigen mit den Gesellschaftern vereinbart und ihnen bekannt gewesen. Die Angaben in den Bilanzen seien insoweit auch nicht irreführend, sondern belegten die Kenntnis der GesellschafterBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Gesellschafter
Kenntnis
Kenntnis der Gesellschafter
. Er hat die Auffassung vertreten, dass die Feststellung des JahresabschlussesBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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ihm gegenüber die Wirkung eines Anerkenntnisses seines Gehalts als Geschäftsführer habe. Zudem hat er eingewandt, dass ihm auch in den Jahren 2016 und 2017 die Entlastung erteilt worden sei. Im Übrigen habe der Geschäftsführer Sch… der Gesellschafterin (X) GmbH auch gewusst, dass er ein höheres Gehalt überwiesen bekomme.Randnummer7

Das Landgericht hat den Beklagten zur beantragen Zahlung nebst Zinsen verurteilt, weil es die Auffassung vertreten hat, dass die Feststellung der Jahresabschlüsse für die Höhe der Geschäftsführergehälter nicht verbindlich sei. Hinsichtlich einer möglichen Entlastung hat es ausgeführt, dass der Beklagte nicht ausreichend vorgetragen habe, welche Unterlagen er den Gesellschaftern zur Verfügung gestellt habe. Die Klägerin habe vorgetragen, wie sich die Angaben in den Bilanzen aus ihrer Sicht zusammengesetzt hätten. Dem sei der Beklagte nicht ausreichend entgegengetreten.Randnummer8

Gegen das am 14.07.2021 zugestellte Urteil wendet sich der Beklagte mit seiner am 05.08.2021 eingelegten und am 26.08.2021 begründeten Berufung. Der Beklagte trägt vor: Die Feststellung der Jahresabschlüsse habe nach höchstrichterlicher Rechtsprechung, anders als das Landgericht meine, auch für die Höhe des Geschäftsführergehaltes gegenüber der Klägerin und den übrigen Gesellschaftern feststellende Wirkung. Zudem sei die Höhe der ihm gezahlten Vergütung aber auch aus der Bilanz erkennbar gewesen, so dass er sich auf die Wirkungen der Entlastung berufen könne. Zu Unrecht wende die Klägerin ein, dass sie andere Positionen als Gehaltsbestandteile angesehen habe, insbesondere die Tantieme, die ausdrücklich im Jahresabschluss gesondert aufgeführt sei. Bei dem erhöhten Gehalt handele es sich um eine angemessene Vergütung unter Berücksichtigung der seit Abschluss des Vertrages über die Beschäftigung als Geschäftsführer verstrichenen Zeitraumes.Randnummer9

Der Beklagte beantragt,Randnummer10

das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 13.07.2021 abzuändern und die Klage abzuweisen.Randnummer11

Die Klägerin beantragt,Randnummer12

die Berufung zurückzuweisen.Randnummer13

Sie wiederholt und vertieft ihren erstinstanzlichen Vortrag zur Feststellung der Jahresabschlüsse.Randnummer14

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils sowie auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

II.

Die zulässige Berufung ist teilweise begründet und führt zur Abänderung der angefochtenen Entscheidung und Klageabweisung hinsichtlich eines Teils des geltend gemachten Anspruchs. Im Übrigen ist sie unbegründet.

1.

Die Klägerin hat gegen den Beklagten einen Anspruch aus § 43 Abs. 2 GmbHG. Der Beklagte hat als Geschäftsführer der Klägerin die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes nicht angewendet, indem er die Zahlung eines Geschäftsführergehalts an sich veranlasst hat, das die vertraglich vereinbarte Vergütung überstieg und von den Mitgesellschaftern nicht gebilligt worden ist.

a.

Ein Beschluss über die Inanspruchnahme des Beklagten gemäß § 46 Nr. 8 GmbHG ist von der Gesellschafterversammlung gefasst worden. Der Beschluss muss grundsätzlich den geltend gemachten Anspruch hinreichend konkret beschreiben und identifizierbar benennen und so erkennen lassen, dass die Gesellschafterversammlung über das „Ob“ der Geltendmachung des Anspruchs entschieden hat (MüKoGmbHG-Liebscher, § 46 Rn. 249). Denn mit der Beschlussfassung entscheiden die Gesellschafter, ob die internen Vorgänge um die Haftung bekannt werden dürfen, weil sie Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens werden (BGH, Urteil vom 13.02.1995 – II ZR 92/73, NJW 1975, 977 (978)). Liegt ein Beschluss der Gesellschaft nicht vor, ist die Klage ohne Ermächtigung der Gesellschafter erhoben, es fehlt eine Anspruchsvoraussetzung, die zur Abweisung der Klage als zur Zeit unbegründet führt (BGH, Urteil vom 20.11.1958 – II ZR 17/57, BGHZ 28, 355 (359)). Der Beschluss ist während des Rechtsstreits auch nachholbar.Randnummer18

Der im Tatbestand wiedergegebene Beschlusstext lässt offen, welche Ansprüche gegen den Beklagten geltend gemacht werden sollen. Es ergibt sich auch nicht aus dem Protokoll vom 26.03.2020, dass Ansprüche wegen des Wohnwagens geltend gemacht werden sollten. Zwar sind im Protokoll auch „Untreuehandlungen“ erwähnt, diese Umschreibung bezieht sich allerdings auf Überweisungen aus Januar und Februar 2020, die der Beklagte vorgenommen haben soll (Bl. 8). Der Beklagte, der bei der Gesellschafterversammlung gemeinsam mit seinem Prozessbevollmächtigten als Berater anwesend war, beruft sich nicht auf eine möglicherweise nicht hinreichend bestimmte Beschlussfassung. Daher ist die Klägerin, die die Beschlussfassung vorträgt, insoweit nicht zu ergänzendem Vortrag verpflichtet (vgl. auch BGH, Urteil vom 04.11.2002 – II ZR 224/00, BGHZ 152, 280 zu I.)

b.

Voraussetzung der Haftung ist eine Pflichtverletzung des Geschäftsführers, die mit der Veranlassung der Auszahlung einer nicht mit der Gesellschaft vereinbarten Vergütung vorliegt. Maßstab ist die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes, § 43 Abs. 1 GmbHG. Dazu gehört die Pflicht, die in der Satzung und dem Gesetz niedergelegten Verpflichtungen zu erfüllen, die Unternehmensleitung mit der notwendigen Sorgfalt auszuüben und die zweckmäßige Tätigkeit anderer Unternehmensangehöriger zu überwachen (MüKoGmbHG-Fleischer, § 43 GmbHG Rn. 12). Zu der Einhaltung der gesetzlichen Pflichten gehört die Trennung eigener Interessen von den Interessen des Unternehmens, welches den Gläubigern mit seinem Gesellschaftsvermögen haftet, § 13 Abs. 2 GmbHG. Der Geschäftsführer ist verpflichtet, den Wert des Unternehmens zu erhalten und ihn nachhaltig zu steigern (Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 43 Rn. 20). Zwar ist der Kläger der Auffassung, dass er sich letztlich nur eine angemessene Vergütung hat auszahlen lassen; die Frage, in welcher Höhe das zu zahlende Grundgehalt angesichts der weiteren Gehaltskomponenten als angemessen anzusehen ist, unterliegt aber nicht der Berechtigung zur einseitigen Bestimmung des Leistungsinhaltes durch den Geschäftsführer. Vielmehr ist zur Entscheidung über die Höhe der Vergütung die Gesellschafterversammlung berufen (BGH, Urteil vom 25.03.1991 – II ZR 169/90, ZIP 1991, 580). Die ursprünglich einvernehmlich festgelegte Vergütung kann nicht einseitig unter Berufung auf die Angemessenheit geändert werden. Auf die Zahlung einer höheren Vergütung besteht – auch wenn diese angemessen wäre – kein Anspruch.

c.

Der Beklagte beruft sich darauf, dass der Geschäftsführer der Mitgesellschafterin über die Höhe der an ihn gezahlten Vergütung informiert gewesen sei. Ein Einverständnis aller GesellschafterBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Einverständnis aller Gesellschafter
Gesellschafter
mit der Zahlung, das die Haftung ausschließen würde, begründet der Beklagte damit indes nicht. Zunächst fehlt es nach seinem Vortrag an einer Entscheidung der Gesellschafterversammlung, die Kenntnis nur eines Mitgesellschafters mit einem Geschäftsanteil von 10.000 € würde ein einvernehmliches Handeln aller Gesellschafter nicht begründen. Zudem fehlt es aber auch an konkretem Vortrag, zu welchem Zeitpunkt der Beklagte seinen Mitgesellschafter über die Zahlungen informiert haben will, und des zudem an einem Beweisangebot.

2.

Die Haftung ist allerdings wegen der für die Jahre 2016 und 2017 von den Gesellschaftern beschlossenen Entlastung des Beklagten ausgeschlossen.Randnummer22

Mit der nach § 46 Nr. 5 GmbHG zu beschließenden Entlastung sprechen die Gesellschafter dem Geschäftsführer einerseits Vertrauen für seine bisherige Geschäftsführung aus, andererseits schließen sie auch Schadensersatzansprüche und Abberufungsgründe aus. Die Entlastung setzt voraus, dass der Geschäftsführer zuvor Rechnung über seine Geschäftsführung gelegt hat. Die Entlastung erstreckt sich zeitlich auf den Zeitraum der Periode, für die Entlastung erklärt wird (MüKoGmbHG-Liebscher, § 46 Rn. 146). Soweit die Entlastung erteilt wird, entfällt indes nicht die Pflicht des Geschäftsführers, weitere Schäden von der Gesellschaft fernzuhalten, etwa für weitere Nachteile. Diese sind nicht mit der Entlastung erfasst (BGH, Urteil vom 10.02.1977 – II ZR 79/75, GmbHR 1977, 129). Inhaltlich bezieht sich die Entlastung auf alle Geschäftsvorgänge, die für die Gesellschafter bei sorgfältiger Prüfung aufgrund der ihnen vorgelegten Unterlagen erkennbar waren (BGH, Urteil vom 21.04.1986 – II ZR 165/85, BGHZ 97, 382 (384); Urteil vom 12.06.1989 – II ZR 246/88, BGHZ 108, 21 (26)), also auf Umstände, die die Gesellschafter durch Nachrechnen oder Nachfragen in Erfahrung bringen konnten, wie etwa erhöhte Spesenabrechnungen (BeckOK-Schindler, GmbHG, § 46 Rn. 68; OLG München, GmbHR 2013, 813 (816)). Keine Entlastungswirkung tritt ein, wenn der Geschäftsführer Informationen verschleiert (MüKOGmbHG/Liebscher, § 46 GmbHG Rn. 147; Scholz-Schmidt, GmbHG, § 46 Rn. 94; Rowedder/Schmidt-Leithoff – Ganzer, GmbHG, § 46 Rn. 39; BeckOK-Schindler, GmbHG, § 46 Rn. 68; OLG FrankfurtBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG Frankfurt
, BeckRS 2010, 1159).Randnummer23

Gemessen an diesen Grundsätzen ist hier für die Jahre 2016 und 2017 von der Entlastung des GeschäftsführersBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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für die an ihn geleisteten Zahlungen des Grundgehaltes auszugehen.Randnummer24

Der Beklagte hat sich auf Entlastungsbeschlüsse für das Jahr 2016 (Beschluss vom 28.11.2017, Bl. 78) und für das Jahr 2017 (Beschluss vom 11.12.2018, Bl. 83) bezogen. In den jeweiligen Bilanzen für diese Geschäftsjahre sind die Geschäftsführergehälter aufgeführt, nämlich für das Jahr 2016 von 85.300 € (Anl B1, Bl. 52) und für das Jahr2017 von 87.300 € (Anl B2, Bl. 73). Soweit die Klägerin meint, den Mitgesellschaftern sei aus diesen Beträgen nicht erkennbar gewesen, welches Grundgehalt der Beklagte erhielt, überzeugt dies nicht. Ihre dazu vorgelegte Berechnung (Bl. 98), die ihrer Auffassung nach die irrtümliche Annahme der Gesellschafter begründen soll, dass sich die in der Bilanz aufgeführten Beträge aus anderen Positionen zusammensetzten, weist in verschiedener Hinsicht Widersprüche auf, die einem entsprechenden Irrtum der Gesellschafter entgegenstehen. Denn die von ihr aufgeführten Beträge umfassen Positionen, die ersichtlich nicht zum Geschäftsführergehalt gehörten. Das gilt zunächst für die Tantieme, die von einem besonderen Buchungskonto in der Bilanz erfasst wird. Offenkundig kein Bestandteil des Geschäftsführergehaltes waren außerdem das Gehalt der Ehefrau des Beklagten und die Kosten für deren Fahrzeug (Nutzung Range Rover, Bl. 98). Die Addition der verbleibenden Positionen (Bl. 98) begründete einen Betrag von 50.000 € Jahresvergütung, der Anlass zur Nachfrage für die Gesellschafter gab, die in der Bilanz aufgeführten höheren Beträge erläutern zu lassen.Randnummer25

Soweit die Klägerin behauptet, tatsächlich habe sich der Beklagte sogar noch höhere Beträge auszahlen lassen, ergibt sich dies aus den vorgelegten Lohnabrechnungen (2016: K1, Bl. 101 und 2017, K2, Bl. 102) nicht. Addiert man dort die aufgeführten Einzelbeträge der Bezüge ohne die Positionen „Tantieme“ und „Bürgschaftsprovision“, so ergibt die Summe einen Monatsbruttobetrag, der mit 12 multipliziert nicht erheblich von den in der Bilanz jeweils ausgewiesenen Jahresgehältern abweicht.Randnummer26

Dass die Jahresabschlüsse bei der Entlastung vorlagen, ist zwischen den Parteien nicht streitig.Randnummer27

Die Entlastung ist schließlich auch nicht wegen rechtswidrigen Verhaltens des Beklagten unwirksam. Kommt es im Rahmen der Entlastung zur Billigung eines Verhaltens, das einen schwerwiegenden Gesetzes- oder Satzungsverstoß darstellt, ist der Entlastungsbeschluss anfechtbar (BGH; Urteil vom 18.10.2004 – II ZR 250/02, BGHZ 160, 385; Urteil vom 25.11.2002 – II ZR 133/01, BGHZ 153, 47). Anfechtungsklage ist hier nicht erhoben worden. Die Nichtigkeit einer Entlastung kann nur dann gegeben sein, wenn der Beschluss seinem Inhalt nach eine sittenwidrige Schädigung nicht anfechtungsberechtigter Personen zum Gegenstand hat (Urteil vom 07.04.2003 – II ZR 193/02, NJW-RR 2003, 985). Diese Voraussetzungen liegen bei einer überhöhten Abrechnung von Geschäftsführergehalt nicht vor.

3.

Darüber hinaus ist eine Entlastung des Beklagten unstreitig nicht erklärt worden. Die von dem Beklagten vertretenen Auffassung, die Wirkungen der Entlastung träten bei einem Geschäftsführer, der auch Gesellschafter ist, bereits durch Aufstellung des Jahresabschlusses ein, führt nicht zu einer weiteren Abänderung des angefochtenen Urteils und Abweisung der Klage.Randnummer29

Die Aufstellung des Jahresabschlusses ist für das Jahr 2015 – insoweit hier lediglich für die für Dezember 2015 gezahlte Geschäftsführervergütung von Bedeutung – zwischen den Parteien streitig. Der Beklagte hat hierzu mit Schriftsatz vom 30.05.2022 eine Kopie des Protokolls der Gesellschafterversammlung vom 30.09.2016 vorgelegt (Anl BK1, Bl. 203). Die Aufstellung der Jahresabschlüsse für die Jahre 2018 und 2019 ist nicht vorgetragen.Randnummer30

Der Senat teilt die Rechtsauffassung des Landgerichts, dass die Feststellung des JahresabschlussesBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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Feststellung des Jahresabschlusses
nicht zum Ausschluss von Ansprüchen gegenüber dem Mitgesellschafter als Geschäftsführer führt.Randnummer31

Die Feststellung der Bilanz stellt für das gesellschaftsinterne Verhältnis von Gesellschaft und Gesellschaftern einen konstitutiv wirkenden Akt der Billigung des aufgestellten Jahresabschlusses durch die Gesellschafter dar, mit der diese dessen Richtigkeit anerkennen (BGH, Urteil vom 02.03.2009 – II ZR 264/07, NZG 2009, 659 ff., Rn 15). Die Bilanzfeststellung ist danach ein Vorgang, mit dem die Gesellschafter im Sinn eines zivilrechtlich verbindlichen, möglicherweise je nach Einzelfall auch nur deklaratorischen Schuldanerkenntnisses Ansprüche zwischen sich und der Gesellschaft bestimmen, um die Feststellung als Grundlage für die weitere Geschäftstätigkeit festzulegen. (BGH aaO).Randnummer32

Dass dies regelmäßig auch für ein Drittgeschäft eines Gesellschafters mit der Gesellschaft gilt, hält der Senat nicht für zutreffend. Sinn und Zweck der Feststellung des JahresabschlussesBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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Feststellung des Jahresabschlusses
nach § 42a Abs. 2 Satz 1 GmbHG ist die Fixierung der wirtschaftlichen Situation der Gesellschaft im Verhältnis zu Dritten, die in Kontakt mit der Gesellschaft stehen, aber auch im Verhältnis der Gesellschafter, da sich je nach Ergebnis des Jahresabschlusses im zweiten Schritt nach § 42a Abs. 2 Satz 1 GmbHG über die Ergebnisverwendung beschließen müssen. Damit geht einher, dass die Gesellschafter mit der Bilanzierung ihrer eigenen Beteiligungen (Einlagen, Entnahmen oder Darlehen) entscheiden, wie die jeweiligen Forderungen rechtlich und bilanziell behandelt werden sollen. Dies ist allen Gesellschaftern auch bewusst, weil sie für die Buchung angelegten Gesellschafterkonten in der Bilanz zusammengefasst abgebildet sehen und mit der Aufstellung eine Festlegung der Buchungen treffen.Randnummer33

Ist es aber so, dass ein Geschäftsführer zugleich eine Drittverbindlichkeit hat, wie hier aufgrund des Dienstvertrages als Geschäftsführer, ist nicht ohne weitere Erklärungen davon auszugehen, dass stets, also auch ohne besondere Erörterung der Gesellschafter, eine Festlegung der Höhe der Forderungen aus Drittgeschäften erfolgen soll (so für Verträge mit Dritten allgemein: BGH aaO Rn. 15). Die Gesellschafter geben dazu mit der Aufstellung des Abschlusses keine Erklärung ab, da sie lediglich feststellen, welche Ausgaben tatsächlich getätigt worden sind. Dazu, ob die Höhe angemessen war und ob wegen einer Überzahlung Rückforderungsansprüche der Gesellschaft bestehen können, enthält der Jahresabschluss regelmäßig keine Angaben. Sind Ansprüche auf Rückforderung überzahlter Vergütung nicht als Forderungen der Gesellschaft in der Bilanz berücksichtigt, ist ihre spätere Geltendmachung durch die Gesellschaft auch nicht ausgeschlossen. Das Schweigen der Bilanz für das Geschäftsjahr 2015 zu etwaigen Ansprüchen auf Rückforderung überzahlter Vergütung lässt mithin nicht den Schluss zu, dass die Höhe der Vergütung geprüft und gebilligt wurde.Randnummer34

Nach Auffassung des Senats käme eine solche feststellende oder eine Entlastung des Gesellschafters bewirkende Wirkung der Feststellung des JahresabschlussesBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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ausnahmsweise dann in Betracht, wenn die Parteien dies vereinbaren oder wenn ihnen schon vor der Feststellung des JahresabschlussesBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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bewusst ist, dass Uneinigkeit in Bezug auf eine Verbindlichkeit besteht. Fehlt es aber an jeglicher Diskussion der Höhe des gezahlten Geschäftsführergehaltes, werden lediglich die geleisteten Zahlungen, nicht aber eine diesbezügliche „Entlastung“ des Gesellschafters von der Rückforderung geleisteter Überzahlungen festgestellt. Damit stimmt überein, dass Gesellschafter, die zugleich Geschäftsführer sind, bei der Feststellung des JahresabschlussesBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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Feststellung des Jahresabschlusses
ihr Stimmrecht ausüben dürfen (MüKoGmbHG-Fleischer, § 42a GmbHG Rn. 25; Rowedder/Schmidt-Leithoff – Tiedchen, GmbHG, § 42a Rn. 66; Baumbach/Hueck – Haas / Kersting, GmbHG, § 42a Rn. 17). Dies ist bei der Entlastung in § 47 Abs. 4 Satz 1 GmbHG demgegenüber ausdrücklich ausgeschlossen.Randnummer35

Daraus ergibt sich ein Anspruch der Klägerin auf Rückgewähr überhöhter Zahlungen für die wirtschaftlich im Dezember 2015, in den Jahren 2018 und 2019 sowie im Januar 2020 entstandenen Ansprüche auf Geschäftsführervergütung in Höhe von 26 x 2.843,54 € = 73.932,04 €Randnummer36

Der Zinsanspruch ergibt sich aus § 286 Abs. 1 Satz 2, § 288 Abs. 1 BGB.

4.

Die Kostenentscheidung ergeht gemäß § 92 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10, § 711 Satz 2, § 709 Satz 2 ZPO.Randnummer38

Der Gebührenstreitwert für die Berufungsinstanz wird auf 142.177 € festgesetzt (§ 47 Abs. 1, § 48 Abs. 1 GKG).Randnummer39

Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen insoweit nicht vorliegen, § 543 Abs. 2 ZPO.

Schlagworte: Gehaltserhöhung, Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen Organmitglieder, Geschäftsführergehalt, Handlungen durch die der Gesellschaft bewusst und unberechtigt Schaden zugefügt wird, Kompetenzüberschreitung, Kompetenzüberschreitung Geschäftsführergehalt, Schadenersatzanspruch, Treuepflicht und Geschäftsführergehalt