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OLG Naumburg, Urteil vom 29. April 2021 – 2 U 91/20

§ 43 Abs 1 GmbHG, § 43 Abs 2 GmbHG, § 46 Nr 8 GmbHG, § 286 ZPO – Geschäftsführerhaftung

1. Die materiell-rechtliche Befugnis, Schadensersatzansprüche gegen aktuelle oder ehemalige Geschäftsführer geltend zu machen, steht in einer Gesellschaft mit beschränkter HaftungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Gesellschaft
Gesellschaft mit beschränkter Haftung
Haftung
nach § 46 Nr. 8 GmbHG nur den Gesellschaftern zu und ist nicht davon abhängig, ob ein Aufsichtsrat gebildet wurde.

2. Der Gesellschaft obliegt im Rechtsstreit um Schadensersatzansprüche gegen ihren (ehemaligen) Geschäftsführer gemäß § 43 Abs. 2 GmbHG die Darlegungs- und Beweislast nur dafür, dass und inwieweit ihr durch ein Verhalten des Geschäftsführers in dessen Pflichtenkreis ein Schaden erwachsen ist. Hingegen hat der Geschäftsführer darzulegen und erforderlichenfalls zu beweisen, dass er seinen Sorgfaltspflichten gemäß § 43 Abs. 1 GmbHG nachgekommen ist.

3. a) Die Gesellschaft genügt ihrer Darlegungslast im Hinblick auf einen Vermögensschaden durch die Auszahlung zusätzlicher Arbeitnehmervergütungen für Bereitschaftsdienste schon dann nicht, wenn die Bereitschaftszeiten der Mitarbeiter jeweils vollständig außerhalb und zusätzlich zu der regulären Arbeitszeit anfielen und ein im einschlägigen Manteltarifvertrag alternativ zu einer Vergütung vorgesehener Freizeitausgleich im betreffenden Wirtschaftsjahr nicht umsetzbar war.

b) Die Auszahlung zusätzlicher Arbeitnehmervergütungen für Bereitschaftsdienste ist sachlich gerechtfertigt, wenn sie auf einer (mündlich getroffenen) Regelungsabrede zwischen dem alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführer und dem Vorsitzenden des Betriebsrates beruht. Eine (formbedürftige) Betriebsvereinbarung ist für die Regelung einer vermögensrechtlichen Angelegenheit nicht erforderlich.

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen das am 11. März 2020 verkündete Urteil des Einzelrichters der Zivilkammer 3 des Landgerichts Stendal wird zurückgewiesen.

II. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

III. Das Urteil des Senats und das o.a. Urteil des Landgerichts sind jeweils ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Beschluss

Der Kostenwert für das Berufungsverfahren wird auf 12.862,28 € festgesetzt.

Gründe

A.

Die Klägerin begehrt von dem Beklagten Schadensersatz wegen angeblicher Verletzung seiner Pflichten als Geschäftsführer der Klägerin im Jahr 2016.Randnummer2

Die Klägerin ist eine kommunale Wohnungsbaugesellschaft. Der Beklagte war seit 1992 deren alleiniger Geschäftsführer. Im Juli 2016 wurde im Zusammenhang mit der beabsichtigten Übernahme der Geschäftsführung der Klägerin durch eine der damaligen Mitgesellschafterinnen und jetzigen Alleingesellschafterin im Jahre 2017 ein weiterer einzelvertretungsberechtigter Geschäftsführer bestellt. Wegen der internen Aufgabenteilung wird auf die Festlegung der vorläufigen Geschäftsordnung der Gesellschafterversammlung vom 01.08.2016 (Anlage K 4, GA Bl. 77 f.) Bezug genommen.Randnummer3

Die Klägerin war bis zum Jahresende 2016 Mitglied im Arbeitgeberverband der Deutschen Immobilienwirtschaft e.V. (AGV) und als solche tarifgebunden.Randnummer4

Im November und Dezember 2016 veranlasste der Beklagte ohne vorherige Absprache mit dem weiteren Geschäftsführer die Auszahlung einer Vergütung für Bereitschaftsdienste im gesamten Kalenderjahr 2016 jeweils in Höhe von pauschal 200,00 € je Kalenderwoche für drei Mitarbeiter der Klägerin in Abhängigkeit vom Bereitschaftsplan, und zwar insgesamt 7.894,00 € für Herrn H. , insgesamt 2.300,00 € für Frau W. und insgesamt 400,00 € für Frau Ha. .Randnummer5

Am 03.01.2017 unterzeichnete der Beklagte für die Klägerin eine auf den 04.01.2016 rückdatierte Betriebsvereinbarung über die Vergütung von Bereitschaftsdiensten im Kalenderjahr 2016; für den Betriebsrat unterzeichnete der Mitarbeiter H. , der jedenfalls im Januar 2016 Betriebsratsvorsitzender war.Randnummer6

Am 14.03.2017 wurde im Handelsregister für die Klägerin eingetragen, dass der Beklagte als Geschäftsführer ausgeschieden sei.Randnummer7

Der Aufsichtsrat der Klägerin beschloss in seiner Sitzung vom 10.01.2019, die Summe der Auszahlungen für Bereitschaftsdienste im Kalenderjahr 2016 gegen den Beklagten geltend zu machen (TOP 4). Mit Beschluss der Gesellschafterversammlung der Klägerin vom 13.07.2020 wurde deren Aufsichtsrat beauftragt, den Beklagten auf Schadensersatz in Anspruch zu nehmen, weil es für Zahlungen für den Bereitschaftsdienst weder eine (wirksame) Betriebsvereinbarung noch eine Abstimmung mit weiteren Entscheidungsgremien der Klägerin gegeben habe.Randnummer8

Die Klägerin forderte den Beklagten mit ihrem Schreiben vom 26.02.2019 zur Zahlung des Betrages der jetzigen Klageforderung bis zum 28.03.2019 auf.Randnummer9

In dem durch ein Mahnverfahren eingeleiteten Rechtsstreit hat die Klägerin eine Forderung i.H.v. 12.862,28 € nebst Verzugszinsen in gesetzlicher Höhe seit dem 29.03.2019 geltend gemacht. Davon entfielen 9.232,55 € auf Netto-Vergütungen für Bereitschaftsdienste und 3.629,73 € auf diesbezüglich angefallene Sozialversicherungsbeiträge.Randnummer10

Sie hat behauptet, dass der Beklagte ihr dadurch einen Vermögensschaden zugefügt habe, dass er in den Monaten November und Dezember 2016 jeweils Auszahlungen von (zusätzlicher) Vergütung an drei Mitarbeiter für die Durchführung von Bereitschaftsdiensten ohne einen Rechtsgrund veranlasst habe.Randnummer11

Wegen des streitigen Vorbringens der Prozessparteien und wegen des Verlaufs des Verfahrens in erster Instanz einschließlich der konkreten Antragstellung wird auf die Darstellung im Urteil des Landgerichts verwiesen; im Übrigen wird von einer weiteren Darstellung der tatsächlichen Feststellungen i.S.v. § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO nach §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen.Randnummer12

Das Landgericht hat die Klage mit seinem am 11.03.2020 verkündeten Urteil als derzeit unbegründet abgewiesen. Es hat sich im Wesentlichen darauf gestützt, dass die Klägerin ihre Berechtigung zur Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen durch einen Beschluss der Gesellschafterversammlung nicht nachgewiesen habe.Randnummer13

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung, mit der sie die Entscheidung als verfahrensfehlerhaft (Überraschungsentscheidung) rügt und zum Nachweis ihrer Berechtigung u.a. den Gesellschaftsvertrag, die Geschäftsordnung des Aufsichtsrates, den Beschluss des Aufsichtsrates vom 10.01.2019 und vorsorglich den Gesellschafterbeschluss vom 13.07.2020 vorgelegt hat.Randnummer14

Die Klägerin beantragt,Randnummer15

unter Abänderung des erstinstanzlichen UrteilsRandnummer16

den Beklagten zu verurteilen, an sie 12.862,28 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 29.03.2019 zu zahlen.Randnummer17

Der Beklagte beantragt,Randnummer18

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.Randnummer19

Der Senat hat mit seinem Beschluss vom 07.12.2020 ausführliche Hinweise zur Sach- und Rechtslage gegeben und den Prozessparteien Auflagen erteilt. Hierauf wird Bezug genommen. Die Rechtssache ist mit Beschluss vom 23.02.2021 nach § 526 Abs. 1 ZPO auf den Einzelrichter übertragen worden.Randnummer20

Am 31.03.2021 hat der Senat in der Sache mündlich verhandelt und Beweis erhoben gemäß eines am selben Tage verkündeten Beweisbeschlusses, welcher die mit Verfügung vom 24.02.2021 angekündigten Beweisthemen umfasste. Wegen des Inhalts der persönlichen Anhörung des Beklagten sowie der Vernehmungen der Zeugen J. H. und B. Ha. wird auf den Inhalt des Sitzungsprotokolls Bezug genommen.Randnummer21

Der Senat hat den Prozessparteien Gelegenheit zur abschließenden schriftsätzlichen Stellungnahme zum Beweisergebnis gegeben und insoweit mit Verfügung vom 01.04.2021 weitere Hinweise erteilt. Die hierauf erfolgten Stellungnahmen der Klägerin vom 19.04.2021 und des Beklagten vom 21.04.2021 sind bei der vorliegenden Entscheidung berücksichtigt worden.

B.

Die Berufung der Klägerin ist zulässig; insbesondere ist sie form- und fristgemäß eingelegt und begründet worden. Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.Randnummer23

I. Zwar hat das Landgericht die Klage im Ergebnis zu Recht als derzeit unbegründet abgewiesen. Der Klägerin hat in erster Instanz eine materiell-rechtliche Befugnis für eine wirksame gerichtliche Geltendmachung eines Schadensersatzanspruches gegen den Beklagten als ehemaligen Geschäftsführer gefehlt. Sie ist darüber hinaus im prozess in erster Instanz auch nicht wirksam vertreten worden. Diese Mängel in der Prozessführung sind in der Berufungsinstanz auf entsprechende Hinweise und Auflagen des Senats behoben worden.Randnummer24

1. Inzwischen ist die Klagebefugnis der Klägerin nachgewiesen.Randnummer25

a) Die materiell-rechtliche Befugnis, Schadensersatzansprüche gegen aktuelle oder ehemalige Geschäftsführer geltend zu machen, steht nach § 46 Nr. 8 GmbHG ausschließlich den Gesellschaftern einer GmbH zu; diese Gesellschafterzuständigkeit ist nicht davon abhängig, ob ein Aufsichtsrat gebildet wurde (vgl. nur Bayer in: Luther/Hommelhoff, GmbHG, 20. Aufl. 2020, § 46 Rn. 35 m.w.N.). Dieser gesetzlich bestimmten Zuständigkeit stehen die Regelungen im Gesellschaftsvertrag der Klägerin, hier in der Fassung vom 16.11.2011, nicht entgegen. Zwar ist die Zuständigkeit nicht in dem in der Satzung aufgeführten Aufgabenkreis der Gesellschafterversammlung (§ 12 Abs. 9 Satzung) enthalten, sie ergibt sich jedoch, wie vorausgeführt, unmittelbar aus dem Gesetz. Soweit in § 11 Abs. 3 lit. g) Satzung die „Führung von Rechtsstreitigkeiten …“ benannt ist, entspricht diese Zuständigkeit des Aufsichtsrates der – entsprechend anwendbaren – Regelung in § 112 AktG und betrifft nur die Prozessvertretung nach außen.Randnummer26

b) Das Landgericht ist auch zu Recht davon ausgegangen, dass ein förmlicher Gesellschafterbeschluss entbehrlich war. Sind, wie hier, sämtliche Geschäftsanteile einer GmbH in einer Hand vereinigt, ist ein förmlicher Gesellschafterbeschluss nicht erforderlich, sofern der Gesellschafterwille in anderer Weise eindeutig zutage tritt (vgl. BGH, Urteil v. 27.03.1995, II ZR 140/93, GmbHR 1995, 373, in juris Tz. 22; BGH, Urteil v. 09.12.1996, II ZR 240/95, GmbHR 1997, 163, in juris Tz. 6; BGH, Urteil v. 21.06.1999, II ZR 47/98, BGHZ 142, 92). Ein solcher Beleg des Gesellschafterwillens ist in erster Instanz nicht vorgelegt worden. Hierfür war weder der Beschluss des Aufsichtsrates vom 10.01.2019 (an dem die Alleingesellschafterin der Klägerin nicht mitwirkte) noch das Schreiben vom 26.02.2019, welches allein vom aktuellen Geschäftsführer S. Hn. unterzeichnet wurde, ausreichend.Randnummer27

c) Die Klägerin hat in der Berufungsinstanz einen entsprechenden Beleg des Gesellschafterwillens, hier sogar in der Form des Gesellschafterbeschlusses vom 13.07.2020, vorgelegt. Dieses neue Sachvorbringen ist nach §§ 529 Abs. 1 Nr. 2, 531 Abs. 2 ZPO zu berücksichtigen. Es ist vom Beklagten nicht bestritten worden. Selbst wenn es bestritten worden wäre, wäre es zuzulassen gewesen, weil die Säumnis der Vorlage in erster Instanz darauf beruhte, dass das Landgericht auf das Fehlen einer solchen Willensäußerung der Alleingesellschafterin nicht in der gebotenen Klarheit hingewiesen hat. Als sachliche Klagevoraussetzung kann der Beleg des Gesellschafterwillens bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung nachgeholt werden (vgl. BGH, Urteil v. 03.09.1999, II ZR 119/98, GmbHR 1999, 714, in juris Tz. 9; BGH, Urteil v. 26.11.2007, II ZR 161/06, GmbHR 2008, 144, in juris Tz. 7).Randnummer28

2. Ebenso kann inzwischen eine wirksame Prozessvertretung der Klägerin festgestellt werden. Die Klägerin hat vorgetragen und durch die Vorlage der entsprechenden Satzungsbestimmung belegt, dass sie in Regressprozessen gegen ehemalige oder aktuelle Geschäftsführer durch den Aufsichtsrat vertreten wird. Soweit die Klägerin im vorangegangenen Mahnverfahren und im Rahmen des streitigen Verfahrens in erster Instanz noch ausschließlich von ihrem aktuellen Geschäftsführer vertreten worden ist, sind diese – schwebend unwirksamen – Prozesshandlungen durch die Erklärung des Aufsichtsrats vom 01.02.2021 genehmigt worden. Infolge dieser Genehmigung ist auch der Urteilseingang zu berichtigen gewesen.Randnummer29

II. Die Klägerin hat gegen den Beklagten schon dem Grunde nach keinen Anspruch auf Schadensersatz. Die Klägerin hat nicht vermocht, die Voraussetzungen des § 43 Abs. 2 GmbHG, der einzig in Betracht kommenden Anspruchsgrundlage, zu beweisen.Randnummer30

1. Nach § 43 Abs. 2 GmbHG haftet der Geschäftsführer einer Gesellschaft mit beschränkter HaftungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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persönlich für deren Vermögensschäden, wenn und soweit er in seiner Tätigkeit als Geschäftsführer die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns außer Acht gelassen hat (§ 43 Abs. 1 GmbHG). Für die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast gelten Besonderheiten, die nach höchstrichterlicher Rechtsprechung trotz fehlender entsprechender Regelung im GmbHG aus den Grundsätzen der § 93 Abs. 2 AktG und § 34 Abs. 2 GenG hergeleitet werden (vgl. BGH, Urteil v. 04.11.2002, II ZR 224/00, BGHZ 152, 280, in juris Tz. 6).Randnummer31

a) Die Gesellschaft trifft im Rechtsstreit um Schadensersatzansprüche gegen ihren Geschäftsführer gemäß § 43 Abs. 2 GmbHG die Darlegungs- und Beweislast nur dafür, dass und inwieweit ihr durch ein Verhalten des Geschäftsführers in dessen Pflichtenkreis ein Schaden erwachsen ist (dazu unter Ziffer 2); vgl. BGH, a.a.O., in juris Tz. 15). Für das Beweismaß gelten insoweit nicht die strengen Voraussetzungen des § 286 ZPO, sondern diejenigen des § 287 ZPO, welcher auch die Substantiierungslast der klagenden Partei erleichtert (vgl. BGH, Urteil v. 04.11.2002, II ZR 224/00, BGHZ 152, 280, in juris Tz. 15 m.w.N.). Denn bei einem Anspruch auf Schadensersatz aus einer Vertragsverletzung gehört der Ursachenzusammenhang mit einem daraus erwachsenen allgemeinen Vermögensschaden nicht zur haftungsbegründenden, sondern zur haftungsausfüllenden Kausalität.Randnummer32

b) Hingegen hat der Geschäftsführer u.a. darzulegen und erforderlichenfalls zu beweisen, dass er seinen Sorgfaltspflichten gemäß § 43 Abs. 1 GmbHG nachgekommen ist (dazu unter Ziffer 3).Randnummer33

2. Die Klägerin hat die Verursachung eines ihr entstandenen Vermögensschadens durch die streitgegenständlichen Auszahlungsanordnungen des Beklagten schon nicht schlüssig dargelegt und jedenfalls nicht bewiesen. Insoweit kommt es auf das Ergebnis der Beweisaufnahme zur Frage des wirksamen Zustandekommens einer sog. Regelungsabrede zwischen dem Beklagten und dem Betriebsratsvorsitzenden H. nicht an.Randnummer34

a) Zwar liegt es auf der Hand, dass die Auszahlung zusätzlicher Arbeitnehmervergütungen zu einer Vermögenseinbuße bei der Klägerin geführt hat. Insoweit kommt dem vom Beklagten angeführten Umstand, dass die Personalkosten des Jahres 2016 innerhalb des im Wirtschaftsplan 2016 vorgesehenen Limits geblieben sind, nicht an. Der Beklagte hat zusätzliche Lohnkosten ausgelöst, die nur dann nicht zu einer Vermögenseinbuße der Klägerin geführt haben, wenn sie entweder auf einer sachlichen Rechtfertigung beruhen – der Verpflichtung der Klägerin zur Auszahlung aufgrund der vom Beklagten behaupteten Regelungsabrede – oder wenn sie ohnehin eingetreten wären (vgl. BGH, Urteil v. 21.03.1994, II ZR 260/92, GmbHR 1994, 459, in juris Tz. 6; BGH, Urteil v. 26.11.2007, II ZR 161/06, GmbHR 2008, 144, in juris Tz. 4; BGH, Urteil v. 18.02.2008, II ZR 62/07, GmbHR 2008, 488, in juris Tz. 8).Randnummer35

b) Der Senat hat die Überzeugung gewonnen, dass die vorbenannten Vermögenseinbußen der Klägerin in Gestalt von Vergütungen für Bereitschaftszeiten ohnehin eingetreten wären.Randnummer36

aa) Der Klägerin ist es nicht gelungen darzulegen, jedenfalls zu beweisen, dass die jeweilige Wochenarbeitszeit der betroffenen Mitarbeiter durch den Bereitschaftsdienst etwa nicht überschritten und insbesondere nicht teilweise in die – gesondert vergütungspflichtigen – Nachtstunden gefallen seien. Im Gegenteil: Im Ergebnis der Beweisaufnahme steht für den Senat fest, dass die Bereitschaftszeiten jeweils in die Zeit nach der regulären Arbeitszeit, also vom jeweiligen Arbeitsende am Nachmittag (montags, mittwochs und donnerstags nach 15:00 Uhr, dienstags nach 18:00 Uhr und freitags nach 12:00 Uhr) bis zum Arbeitsbeginn am nächsten Morgen und an den Wochenenden und damit vollständig außerhalb und zusätzlich zur regulären Wochenarbeitszeit anfielen. Etwas Anderes ergibt sich auch nicht aus den von der Klägerin vorgelegten Lohnabrechnungen der drei betroffenen Mitarbeiter für die Monate Januar bis Dezember 2016. Zudem ist, insbesondere aufgrund der Aussage des Zeugen H. , weiter festzustellen, dass ein sog. Freizeitausgleich für Bereitschaftszeiten jedenfalls im Geschäftsjahr 2016 nicht mehr realisiert werden konnte, weil ein personeller Engpass im Unternehmen vorlag, der es sogar erforderlich machte, die Bereitschaftsdienste teilweise auf die Mitarbeiterinnen Ha. und W. zu übertragen, um den Bereitschaftsdienst überhaupt noch absichern zu können.Randnummer37

bb) Bereits aus § 6 des Manteltarifvertrages zwischen dem AGV (Arbeitgebergeberverband der Deutschen Immobilienwirtschaft) und DAG, HBV und IG Bau (künftig: Mantel-TV) waren Überstunden, d.h. über die regelmäßige Wochenarbeitszeit hinausgehende Arbeitsstunden, zwingend zuschlagspflichtig (Nr. 2), wobei Nr. 3 eine konkrete Höhe des Zuschlages, differenziert nach Überstunden an Werktagen, an Sonntagen oder an Feiertagen oder in den Nachtstunden, vorsah. Unabhängig von dieser Vergütungspflicht für Nacharbeit war für Bereitschaftsdienste nach § 6 Nr. 6 Mantel-TV entweder ein Freizeitausgleich oder eine Vergütung „betrieblich zu vereinbaren“. Dieser allgemeinen Regelung stehen auch die aktualisierten, im Jahre 2016 geltenden Regelungen des Vergütungs-Tarifvertrages vom 24.06.2015 zwischen AGV und ver.di und IG Bau nicht entgegen. Mit anderen Worten: Hätte es die angebliche Regelungsabrede zwischen dem Beklagten und dem Betriebsratsvorsitzenden H. für das Geschäftsjahr 2016 als sachliche Rechtfertigung für die Auszahlungen nicht gegeben, dann wäre die Klägerin zur Vergütung entsprechend des Mantel-Tarifvertrages verpflichtet gewesen. Der von der Klägerin angeführte Umstand, dass bei der Klägerin bis einschließlich 2015 eine Vergütung von Bereitschaftsdiensten nicht üblich gewesen sei, vermag eine andere rechtliche Bewertung nicht zu rechtfertigen.Randnummer38

cc) Hinzu kommt, dass durch die arbeitsgerichtliche Rechtsprechung bis November 2016 bereits geklärt war, dass Bereitschaftszeiten als Arbeitszeit anzusehen waren (vgl. BAG, Urteil v. 05.06.2003, 6 AZR 114/02, BAGE 106, 252). Zwar war es zulässig, für Vollarbeit und Bereitschaftsdienst unterschiedliche Vergütungen vorzusehen (vgl. BAG, Urteil v. 28.01.2004, 5 AZR 530/02, BAGE 109, 254); seit dem Inkrafttreten des Mindestlohngesetzes am 16.08.2014 (BGBl. I S. 1348) war die Vergütung jedoch so auszurichten, dass auch der Bereitschaftsdienst zumindest mit dem gesetzlichen Mindestlohn vergütet wurde (vgl. BAG, Urteil v. 29.06.2016, 5 AZR 716/15, BAGE 155, 318; bestätigt BAG, Urteil v. 11.10.2017, 5 AZR 591/16, nach juris). Eine hohe mediale Aufmerksamkeit kam einem Rechtsstreit über die Verpflichtung des Diakonischen Werkes der Evangelischen Kirche zur Verpflichtung der Zahlung von Zuschlägen für Mitarbeiter des Rettungsdienstes für nächtliche Bereitschaftsdienste zu, in dem im Jahre 2014 die Urteile des Arbeitsgerichtes und des Landesarbeitsgerichtes ergangen waren und der durch das eine solche Verpflichtung ebenfalls bejahende Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 04.08.2016 (6 AZR 129/15, nach juris) abgeschlossen wurde. Daraus ergibt sich, dass die Klägerin aufgrund der Individualarbeitsverträge mit den drei betroffenen Mitarbeitern verpflichtet gewesen wäre, eine Vergütung der tatsächlich geleisteten und nicht innerhalb der regelmäßigen tariflichen Wochenarbeitszeit liegenden Bereitschaftsdienste zu zahlen. Die Klage ist deswegen schon aus diesem Grunde abweisungsreif. Der Senat hat auf diesen rechtlichen Aspekt wiederholt, zuletzt in seinen Hinweisen vom 01.04.2021 (unter Ziffer 3 b)) verwiesen, ohne dass die Klägerin hiergegen erhebliche Einwendungen vorgebracht hat.Randnummer39

3. Der Senat geht davon aus, dass der Beklagte bewiesen hat, dass seine Auszahlungsanordnungen im November und Dezember 2016 pflichtgemäß erfolgten.Randnummer40

a) In rechtlicher Hinsicht geht der Senat von folgenden Maßstäben aus:Randnummer41

aa) Der Begriff des ordentlichen Geschäftsmanns wird in ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung mit demjenigen des ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters in § 93 Abs. 1 S. 1 AktG gleichgesetzt, wonach die Sorgfalt geschuldet wird, welche ein ordentlicher Geschäftsmann in verantwortlich leitender Position bei selbständiger Wahrnehmung fremder Vermögensinteressen zu beachten hat (vgl. Senat, Urteil v. 23.01.2014, 2 U 57/13; Schneider in: Scholz, GmbHG, 11. Aufl. 2014, § 43 Rn. 33 m.w.N.). Diese Sorgfaltspflicht umfasst die Pflicht, im Rahmen der durch die Gesellschafter gesetzten Vorgaben den Gesellschaftszweck aktiv zu verfolgen, die Kooperationspflichten im Verhältnis zu den anderen Organen der Gesellschaft einzuhalten und die gesellschaftsinterne Kompetenzverteilung zu beachten, gesetzliche Pflichten der Gesellschaft zu erfüllen und auch seine Loyalitätspflichten gegenüber der Gesellschaft zu berücksichtigen. Soweit der Geschäftsführer eine unternehmerische Entscheidung zu treffen hat, hat er einen weiten Ermessenspielraum, ein sog. unternehmerisches Ermessen, ohne das eine unternehmerische Tätigkeit schlechterdings nicht denkbar ist (vgl. nur BGH, Urteil v. 21.04.1997, II ZR 175/95, BGHZ 135, 244). Inzwischen hat der Gesetzgeber dies aufgegriffen und in dem – hier entsprechend anwendbaren – § 93 Abs. 1 AktG einen Satz 2 eingefügt, wonach eine Pflichtverletzung nicht vorliegt, wenn der Geschäftsführer „vernünftigerweise annehmen durfte, auf der Grundlage angemessener Informationen zum Wohle der Gesellschaft zu handeln“. Eine Schadenersatzpflicht kann erst dann in Betracht kommen, wenn neben das bewusste Eingehen geschäftlicher Risiken, welches u.U. auch Fehlbeurteilungen einschließen kann, ein verantwortungsloses, nicht ausschließlich am Unternehmensinteresse orientiertes, nicht auf sorgfältigen Ermittlungen beruhendes Handeln tritt (vgl. OLG NaumburgBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG Naumburg
, Urteil v. 27.09.2007, 1 U 34/07). Die Einhaltung dieses Spielraumes ist für das Gericht des Regressprozesses nur auf die Vertretbarkeit der Entscheidung prüfbar (vgl. Schneider, a.a.O., § 43 Rn. 61 m.w.N.).Randnummer42

bb) Der Abschluss einer sog. Regelungsabrede über die allgemeine Verpflichtung der Klägerin, ihren Arbeitnehmern eine zusätzliche Vergütung für geleistete Bereitschaftszeiten im Geschäftsjahr 2016 zu zahlen, ist rechtlich zulässig gewesen; deren Wirksamkeit ist nicht von der Erfüllung besonderer Formanforderungen abhängig gewesen.Randnummer43

(1) Das Betriebsverfassungsgesetz unterscheidet in seinem § 77 zwischen Betriebsvereinbarungen (Abs. 2) und sonstigen Vereinbarungen der Betriebspartner (Abs. 1), wobei sich für letztere der Begriff „Regelungsabrede“ etabliert hat. Während die Betriebsvereinbarung ein privatrechtlicher kollektiver Normenvertrag ist, welcher unmittelbaren Einfluss auf die jeweiligen Einzelarbeitsverhältnisse hat (vgl. Fitting, BetrVG, 29. Aufl. 2018, § 77 Rn. 13; Berg in: Däubler/Kittner/Klebe, BetrVG, 9. Aufl. 2004, § 77 Rn. 8) und dem Formzwang „Schriftlichkeit“ unterliegt (vgl. § 77 Abs. 2 Satz 1 BetrVG; auch Fitting, a.a.O., § 77 Rn. 21; Berg, a.a.O., § 77 Rn. 30), ist die Regelungsabrede ein privatrechtlicher kollektiver Vertrag ohne Normwirkung auf Einzelarbeitsverhältnisse, er bedarf der Transformation und aktiven Umsetzung (die einklagbar wäre) (vgl. Fitting, a.a.O., § 77 Rn. 216 ff.; Berg, a.a.O., § 77 Rn. 79 ff.; grundlegend Adomeit BB 1967, 1003). Die Regelungsabrede unterliegt keinem Formenzwang und ist auch bei mündlichem Abschluss wirksam.Randnummer44

(2) Unzulässig ist das Instrument der Regelungsabrede nur dann, wenn und soweit das Gesetz eine Angelegenheit ausdrücklich einer Vereinbarung durch eine Betriebsvereinbarung vorbehält. Das ist z.B. der Fall für Regelungen über Bildung eines Betriebsrates (§ 3 Abs. 2 BetrVG), über die Freistellung von Betriebsratsmitgliedern (§ 38 Abs. 1 Satz 5 BetrVG) oder über die Bildung eines Gesamtbetriebsrates (§ 47 BetrVG). Eine solche zwingende Zuweisung des hier streitigen Regelungsgegenstandes sieht das Betriebsverfassungsgesetz nicht vor.Randnummer45

(3) Im Übrigen bestimmt sich der Charakter einer Vereinbarung als formbedürftige Betriebsvereinbarung oder als formfreie Regelungsabrede nach der Regelungsbefugnis dem Regelungszweck und den äußeren Umständen (vgl. Fitting, a.a.O., § 77 Rn. 218 ff.). Die vorgenannten Umstände sprechen hier insgesamt für eine Zulässigkeit einer Regelungsabrede. Denn es ging um die Regelung einer vermögensrechtlichen Angelegenheit – insoweit haben der alleinvertretungsberechtigte Geschäftsführer und der Betriebsratsvorsitzende eine Regelungsbefugnis (vgl. Fitting, a.a.O., § 77 Rn. 222). Der Senat ist im Ergebnis der Beweisaufnahme auch davon überzeugt, dass die vom Betriebsratsvorsitzenden H. ausgehende Nachfrage nach einer Regelung sich nicht etwa lediglich auf sein eigenes Arbeitsverhältnis bezogen war, sondern dass beide Gesprächspartner eine für das Gesamtunternehmen gültige Absprache treffen wollten. Das entspricht den übereinstimmenden Angaben des Beklagten in seiner Anhörung und des Zeugen H. und wird bestätigt durch die – in ihrem Beweiswert mangels Unmittelbarkeit der Wahrnehmung verminderten – Angaben der Zeugin Ha. (Zeugin vom Hören-Sagen), bei denen der Zeuge H. auch auf intensive Vorhalte und Nachfragen verblieben ist. Die vom Zeugen H. geschilderte Ausgangssituation für die Nachfrage nach einer generellen Vereinbarung über die Vergütung von Bereitschaftszeiten weist das Anliegen einer Vereinbarung durch eine sog. Regelungsabrede zu. Die personelle Leistungsfähigkeit des Unternehmens hatte spätestens im Geschäftsjahr 2015 durch das Ausscheiden des (zweiten) technischen Mitarbeiters neben Herrn H. und den Umstand, dass diese Stelle nicht, auch im Geschäftsjahr 2016 nicht nachbesetzt wurde, gelitten. Ein Freizeitausgleich, wie bis dahin betrieblich üblich, war nicht mehr möglich. Das Fehlen eines zweiten technischen Mitarbeiters machte es zudem erforderlich, die Bereitschaftsdienste zumindest auch während der Urlaubs-, Krankheits- oder sonstigen Fehlzeiten des Mitarbeiters H. anderweitig aufzuteilen. Außerdem hatte, wie im Ergebnis der Beweisaufnahme festzustellen ist, eine Erkundigung des Zeugen H. bei Mitarbeitern eines anderen kommunalen Unternehmens in der Stadt, der künftigen Alleingesellschafterin der Klägerin, ergeben, dass dort eine Vergütung gleichartiger Bereitschaftsdienst mit pauschal 200,00 € pro Kalenderwoche vereinbart worden war. Schließlich bot eine Regelungsabrede angesichts des Umstandes, dass nur zahlenmäßig wenige Arbeitnehmer hiervon betroffen waren, auch einen ausreichenden Arbeitnehmerschutz aus Sicht des Betriebsrates.Randnummer46

(4) Ergänzend ist darauf zu verweisen, dass für eine Zulässigkeit einer formfreien Regelungsabrede über zusätzliche Vergütung von Bereitschaftszeiten auch spricht, dass sich die Verpflichtung eines Arbeitgebers zur Zahlung einer Vergütung für den Bereitschaftsdienst schon aus einfacher betrieblicher Übung ergeben kann (vgl. nur BAG, Urteil v. 03.08.1982, 3 AZR 503/79, BAGE 39, 271). Im Sinne eines Erst-recht-Schlusses muss dann auch eine formfreie Regelungsabrede genügen können.Randnummer47

b) In tatsächlicher Hinsicht hat der Senat keinen Zweifel, dass sich der Beklagte und der Betriebsratsvorsitzende H. bereits im Jahr 2016 und jedenfalls zeitlich vor der ersten Auszahlungsanordnung des Beklagten im November 2016 im Sinne einer Regelungsabrede geeinigt haben, dass im Geschäftsjahr 2016 sämtliche Bereitschaftsdienste mit 200,00 € pro Kalenderwoche vergütet werden sollen. Der Senat ist davon überzeugt, dass die vom Beklagten behauptete Regelungsabrede zwischen ihm als alleinvertretungsberechtigtem Geschäftsführer und dem Zeugen H. als Betriebsratsvorsitzenden im Januar 2016 geschlossen wurde.Randnummer48

aa) Hinsichtlich des Verlaufs der Verhandlungen und des erzielten Ergebnisses i.S. einer mündlichen Vereinbarung haben die beiden Beteiligten an dem Rechtsgeschäft im Wesentlichen übereinstimmende Angaben gemacht: die Initiative ging danach vom Betriebsratsvorsitzenden aus, das Anliegen wurde als dringlich gekennzeichnet, der Beklagte hat die Berechtigung der Forderung anerkannt. Die Regelungsabrede war darauf ausgerichtet, dass für das gesamte Geschäftsjahr 2016 und für alle betroffenen Mitarbeiter des Unternehmens eine pauschale zusätzliche Vergütung für Bereitschaftsdienste in Höhe von 200,00 € je Kalenderwoche gezahlt werden sollte. Ohne genauere rechtliche Einordnung bestand auch ein Konsens darüber, dass die Auszahlung erst im Oktober oder November 2016 vorgenommen werden sollte, um die Einhaltung der Vorgaben des Wirtschaftsplanes 2016 kontrollieren und gewährleisten zu können.Randnummer49

bb) Beide Vertragspartner, die einzigen Teilnehmer und damit die einzigen Personen mit unmittelbarer eigener Wahrnehmung, haben den Zeitpunkt des Abschlusses dieser Regelungsabrede mit Januar 2016 angegeben. Der Senat folgt auch diesen Angaben. Der Umstand, dass „für die Buchhaltung“ erst im Jahre 2017 eine Niederschrift über diese Vereinbarung erstellt wurde, ist für das Gericht letztlich nachvollziehbar. Aufgrund seines Eindrucks sowohl vom Beklagten als auch vom Zeugen H. in deren jeweils ausführlichen Befragung schließt das Gericht eine lediglich fingierte, nachträglich zur Rechtfertigung der Auszahlungen „erfundene“ Regelungsabrede aus. Soweit die Zeugin Ha. ein gleichartiges Gespräch im Oktober 2016 geschildert und angegeben hat, dass ihr im Januar 2016 eine Vereinbarung über die Vergütung von Bereitschaftsdiensten nicht bekannt geworden sei, steht das nicht zwingend im Widerspruch zu diesem Beweisergebnis. Es ist durchaus möglich, dass die Zeugin Ha. im Januar 2016 von der Regelungsabrede noch keine Kenntnis erhielt und deswegen das im Oktober 2016 „wiederaufgegriffene“ Gespräch als Erstgespräch über dieses Thema einordnete.Randnummer50

c) Nach diesen Feststellungen handelte der Beklagte sowohl bei dem Abschluss der Regelungsabrede als auch bei seinen Anordnungen der Auszahlung von zusätzlicher Vergütung für Bereitschaftsdienste im Geschäftsjahr 2016 sehr umsichtig und jedenfalls nicht pflichtwidrig i.S. der vorausgeführten Sorgfaltsregeln.Randnummer51

aa) Der Beklagte musste bei seinen vorgenannten Entscheidungen aufgrund einer Prognose handeln. Es stand bereits seit dem Anfang des Geschäftsjahres 2016 fest, dass die Personalausstattung seines Unternehmens gegenüber dem Vorjahr reduziert war und es war zu besorgen, dass ein „Weiter so“, wie im 2. Halbjahr 2015, zu einer Situation führen konnte, in der die Erbringung von Bereitschaftsdiensten über die regelmäßige Wochenarbeitszeit hinaus nicht mehr zu gewährleisten war. Ein Freizeitausgleich für den hauptsächlich betroffenen, inzwischen einzigen technischen Mitarbeiter H. kam offenkundig nicht mehr in Betracht. Spätestens, nachdem dieser Mitarbeiter Kenntnis davon hatte, dass in einem anderen Unternehmen derselben Stadt gleichartige Bereitschaftsdienste mit 200,00 € pro Kalenderwoche vergütet wurden, bestand die Gefahr sozialen Unfriedens im Unternehmen. Das vom Betriebsratsvorsitzenden H. an ihn herangetragene Anliegen einer entsprechenden Regelung war hoch berechtigt. Die Entscheidung für den Abschluss der Regelungsabrede entsprach objektiv dem Wohle der Gesellschaft. Der Beklagte war insoweit keinem Konflikt mit eigenen interessen ausgesetzt, sondern es ging um arbeitnehmerorientierte Aktivitäten. Solche Handlungen genießen in der Rechtsprechung regelmäßig die Anerkennung als unmittelbar marktorientierte Maßnahmen (vgl. Schneider, a.a.O., § 43 Rn. 70). Das gilt besonders im vorliegenden Fall, denn die Maßnahme diente der Aufrechterhaltung der Leistungsbereitschaft der betroffenen Mitarbeiter und des Betriebsfriedens. Unabhängig davon, ob dies dem Beklagten seinerzeit bewusst gewesen ist, ist darauf zu verweisen, dass bei objektiver Betrachtung im Falle einer streitigen, ggf. sogar arbeitsgerichtlichen Auseinandersetzung um eine Vergütung der Bereitschaftsdienste für das Unternehmen für einen oder mehrere betroffene Mitarbeiter ein sehr viel kostenintensiveres Ergebnis in Aussicht gestanden hätte. Wie sich aus den Angaben des Beklagten in seiner persönlichen Anhörung, aber auch aus den Aussagen beider Zeugen eindeutig ergibt, hat der Beklagte bei seiner Entscheidung die Einhaltung der Vorgaben des Wirtschaftsplanes 2016 im Blick behalten.Randnummer52

bb) Entgegen der Auffassung der Klägerin liegt auch keine Verletzung einer Kooperations- oder Informationspflicht durch den Beklagten vor. Im Januar 2016 war der Beklagte alleiniger Geschäftsführer, im Oktober und November 2016 war er alleinvertretungsberechtigt. Die Klägerin hat bei ihrem Vorbringen vernachlässigt, dass der Beklagte auch ab dem 01.08.2016 nicht ausschließlich auf „technische“ Geschäftsführung beschränkt war, sondern als einziger permanent anwesender Geschäftsführer bis zum Jahresende 2016 intern eine vollständige Geschäftsführungsbefugnis hatte (vgl. Ziffer 1: „Herr Sch. führt und verantwortet aufgrund seines Vollzeitdienstvertrages das gesamte Tagesgeschäft der Gesellschaft einschließlich aller kaufmännischen Angelegenheiten.“). Für eine Informationspflicht gegenüber der Gesellschafterversammlung sind Anhaltspunkte nicht ersichtlich. Im November und Dezember 2016 bestand auch nach der gesellschaftsinternen Festlegung zur Kompetenzverteilung zwischen den beiden Geschäftsführern keine umfassende Informationspflicht. Die Informationspflicht gegenüber dem „nebenberuflich“ tätigen zweiten Geschäftsführer war darauf beschränkt, ihn „in regelmäßigen Abständen über aktuelle Vorgänge innerhalb der Gesellschaft“ zu informieren (vgl. Ziffer 2). Nur bei außergewöhnlichen Vorfällen, zu denen weder die streitgegenständliche Regelungsabrede noch die Auszahlung der Vergütung für einzelne Mitarbeiter gehört, war er zu einer „sofortigen“ Information des anderen Geschäftsführers verpflichtet. Dass im vorliegenden Fall überhaupt ein mitteilungspflichtiger Vorgang vorgelegen habe und dass ggf. der Zeitraum eines „regelmäßigen“ Informationsaustausches überschritten gewesen sei, ergibt sich aus dem Vorbringen der Klägerin nicht.Randnummer53

III. Angesichts der Vorausführungen kommt es auf die weiteren, teilweise auch in den Hinweisen des Senats angesprochenen Streitfragen nicht mehr an.

C.

I. Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.Randnummer55

II. Die weiteren Nebenentscheidungen ergeben sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 Satz 1, 713 sowie 543, 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Die Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO war nicht zuzulassen, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern.Randnummer56

III. Die Festsetzung des Streitwerts für die Gebührenberechnung (Kostenwert) im Berufungsverfahren folgt aus §§ 39 Abs. 1, 47 Abs. 1 Satz 1, 48 Abs. 1 Satz 1, 63 Abs. 2 GKG i.V.m. § 3 ZPO.

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Schlagworte: Geschäftsführerhaftung, Gesellschafterversammlung, GmbHG § 43, GmbHG § 43 Abs. 2, GmbHG § 46 Nr. 8, Haftung des Geschäftsführers