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BGH, Urteil vom 14. Mai 1990 – II ZR 125/89

§ 256 ZPO – Gesellschafterklage

a) Ansprüche wegen Treuepflichtverletzungen der Mitgesellschafter einer GmbH hat zwar, soweit sich der Schaden des Gesellschafters mit demjenigen der Gesellschaft deckt, in erster Linie die GmbH geltend zu machen. Der Gesellschafter kann aber selbst auf Ausgleich des Schadens durch Leistung an die Gesellschaft klagen, wenn von der Geschäftsführung nicht erwartet werden kann, daß sie einen solchen Ersatzanspruch durchsetzt (vgl. Sen.Urt. v. 28. Juni 1982 – II ZR 199/81, WM 1982, 928, 929; Stimpel, AG 1986, 117).

b) Wird festgestellt, daß der mit der GmbH geschlossene Dienstvertrag wegen Treupflichtverletzungen unwirksam ist, kann das zu Abwehrrechten und zu Schadensersatzansprüchen des Gesellschafters Klägers gegen die begünstigten Mitgesellschafter sowie zu einer für ihn günstigeren Gewinnverteilung führen. Dies alles berührt die Gesellschafterstellung des Gesellschafters und damit sein Rechtsverhältnis zur Gesellschaft. Das rechtliche Interesse an der beantragten Feststellung läßt sich daher nicht verneinen, soweit die Klage gegen die Mitgesellschafter gerichtet ist (vgl. BGHZ 83, 122, 125f.; Zöllner, ZGR 1988, 392, 426, 427).

Der Kläger und die Beklagten zu 1 und 2 (Sohn und Ehefrau des Klägers) sind die Gesellschafter der Beklagten zu 3, einer GmbH. An deren Stammkapital von 400.000,– DM sind der Kläger mit 150.000,– DM, der Beklagte zu 1 mit 80.000,– DM und die Beklagte zu 2 mit 170.000,– DM beteiligt.

Die Beklagte zu 2 war als Prokuristin für die Gesellschaft tätig, ohne daß darüber zunächst ein schriftlicher Vertrag geschlossen worden war. Am 24. Januar 1986 schloß der Beklagte zu 1 als – damals noch neben dem Kläger – alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer der Beklagten zu 3 mit der Beklagten zu 2 einen schriftlichen Dienstvertrag, wonach an diese ab 1. Januar 1986 ein Gehalt von monatlich 3.500,– DM brutto zu zahlen war. Dieser Betrag wurde später durch „Nachtrag“ vom 26. Juni 1986 auf 4.750,– DM erhöht. Nach § 17 Nr. 9 des Gesellschaftsvertrages in der am 24. Januar 1986 geltenden Fassung bedurften die Geschäftsführer zum Abschluß von Anstellungsverträgen mit Bezügen von mehr als 18.000,– DM jährlich der Zustimmung der GesellschafterversammlungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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Zustimmung
Zustimmung der Gesellschafterversammlung
. Am 16. April 1986 beschloß die Gesellschafterversammlung mit den Stimmen der Beklagten zu 1 und 2 gegen die Stimmen des Klägers die Genehmigung des Vertrages vom 24. Januar 1986. Dieser Beschluß wurde auf Anfechtungsklage des Klägers durch Urteil des Landgerichts Darmstadt vom 31. März 1987 rechtskräftig für nichtig erklärt.

Der Kläger hat Klage auf Feststellung erhoben, daß der mit der Beklagten zu 2 geschlossene Dienstvertrag nichtig sei. Hilfsweise hat er beantragt, die Beklagten zu 1 und 2 zur Aufhebung des Vertrages zu verurteilen. Er hat behauptet, diese hätten den Vertrag in bewußtem Zusammenwirken zu dem Zweck geschlossen, den auf ihn, den Kläger, entfallenden Gewinn zu schmälern; die Beklagte zu 2 sei nur an zwei Tagen insgesamt 10 Stunden im Monat im Betrieb tätig.

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision, deren Zurückweisung die Beklagten beantragen, verfolgt der Kläger die Klageanträge weiter.

Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

1. Der Feststellungsantrag betrifft ein Rechtsverhältnis, an dem der Kläger selbst nicht beteiligt ist. Daß dies unschädlich ist, hat das Berufungsgericht zutreffend erkannt. Nach § 256 ZPO kann, wenn die weiteren Voraussetzungen vorliegen, auch die Feststellung verlangt werden, daß zwischen dem Kläger oder dem Beklagten und einem Dritten oder gar zwischen zwei am Rechtsstreit nicht beteiligten Personen ein Rechtsverhältnis bestehe oder nicht bestehe.

2. Das Berufungsgericht hat den Antrag deswegen als unzulässig angesehen, weil der Kläger an der Feststellung allenfalls ein wirtschaftliches, nicht aber ein rechtliches Interesse habe. Das ist jedoch rechtlich unzutreffend.

Der Kläger macht geltend, die Beklagten zu 1 und 2 hätten sich mit Abschluß und Durchführung des Dienstvertrages über die nach dem Gesellschaftsvertrag bestehende Zuständigkeit der Gesellschafterversammlung hinweggesetzt, um zu Lasten seines Gewinnanteils Geld in ihre Tasche zu leiten; dieses stehe der Beklagten zu 2 nach dem Umfang ihrer Tätigkeit nicht zu. Die Richtigkeit dieses Vorbringens ist, soweit es um die Voraussetzungen des § 256 ZPO geht, in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht zu unterstellen. Danach ist insoweit davon auszugehen, daß die Gesellschafterrechte des Klägers in mehrfacher Hinsicht verletzt worden sind. Die Mißachtung der Zuständigkeit der Gesellschafterversammlung greift in das Recht des Klägers ein, als deren Mitglied mit dem Gewicht seiner Stimme über eine bestimmte, der Gesellschafterversammlung zugewiesene Angelegenheit zu entscheiden. Außerdem verletzt das vom Kläger behauptete Vorgehen seiner Mitgesellschafter das Gebot der Gleichbehandlung der Gesellschafter und die gesellschafterliche Treuepflicht. Wird festgestellt, daß der mit der Beklagten zu 2 geschlossene Dienstvertrag wegen solcher Verstöße unwirksam ist, kann das zu Abwehrrechten und zu Schadensersatzansprüchen des Klägers gegen die Beklagte zu 3 sowie zu einer für ihn günstigeren Gewinnverteilung führen. Dies alles berührt die Gesellschafterstellung des Klägers und damit sein Rechtsverhältnis zur Gesellschaft. Das rechtliche Interesse an der beantragten Feststellung läßt sich daher nicht verneinen, soweit die Klage gegen die Beklagte zu 3 gerichtet ist (vgl. BGHZ 83, 122, 125f.; Zöllner, ZGR 1988, 392, 426, 427).

Das gleiche gilt für die gegen die Beklagten zu 1 und 2 gerichtete Feststellungsklage. Diese haben nach dem hier als richtig zu unterstellenden Vorbringen des Klägers ihre Treuepflichten ihm gegenüber verletzt (vgl. BGHZ 65, 15, 18f.). Das kann zu eigenen Schadensersatzansprüchen des Klägers führen. Solche Ansprüche hat zwar, soweit sich der Schaden des Gesellschafters mit demjenigen der Gesellschaft deckt, in erster Linie diese geltend zu machen. Der Gesellschafter kann aber selbst auf Ausgleich des Schadens durch Leistung an die Gesellschaft klagen, wenn von der Geschäftsführung nicht erwartet werden kann, daß sie einen solchen Ersatzanspruch durchsetzt (vgl. Sen.Urt. v. 28. Juni 1982 – II ZR 199/81, WM 1982, 928, 929; Stimpel, AG 1986, 117). Nach dem Vortrag des Klägers spricht manches dafür, daß dies im vorliegenden Fall so ist. Davon hängt die Zulässigkeit der Feststellungsklage aber nicht einmal ab. Für sie genügt es, daß nach dem Vorbringen des Klägers die Beklagten zu 1 und 2 ihm gegenüber bestehende Pflichten verletzt haben und dies Ersatzansprüche der Gesellschaft ausgelöst haben kann, die den dem Kläger selbst entstandenen Schaden auf dem Weg über das Gesellschaftsvermögen ausgleichen.

Das Berufungsgericht hat sich mit der Frage befaßt, inwieweit in die Geschäftsführungsbefugnisse des Gesellschaftergeschäftsführers eingegriffen werden darf, der durch eine Geschäftsführungsmaßnahme seine Pflichten als Gesellschafter gegenüber einem Mitgesellschafter verletzt. Darauf und auf das dazu vom Berufungsgericht zitierte Senatsurteil BGHZ 76, 160, 167f. kommt es hier jedoch nicht an.

3. Die Sache ist danach unter Aufhebung des angefochtenen Urteils an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, das nunmehr in der Sache selbst zu entscheiden haben wird.

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