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OLG Düsseldorf, Urteil vom 28.10.1993 – 6 U 160/92

Gesellschafterklage Treuepflicht I Haftung TreuepflichtverletzungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Haftung
Haftung Treuepflichtverletzung
Treuepflichtverletzung

§ 13 GmbHG, § 46 Nr 8 GmbHG, § 47 Abs 4 GmbHG

1. Der GmbH-Gesellschafter kann mitgliedschaftliche Ansprüche der GmbH gegenübr einem anderen Gesellschafter im Wege der Gesellschafterklage oder actio pro socio durch Klage im eigenen Namen auf Leistung an die GmbH u.a. dann verfolgen, wenn eine Schadensersatzklage der GmbH durch den schädigenden Gesellschafter selbst vereitelt wird oder sie infolge der Machtverhältnisse innerhalb der GmbH so erschwert ist, daß es für den betroffenen Gesellschafter ein unzumutbarer Umweg wäre, wenn er zunächst die GmbH zu einer solchen Klage zwingen müßte.

2. Weist ein Gesellschafter den Geschäftsführer der GmbH an, für diese aussichtslose Prozesse zu führen, so bedeutet dies einen Verstoß gegen die gesellschaftsrechtliche TreuepflichtBitte wählen Sie ein Schlagwort:
gesellschaftsrechtliche Treuepflicht
Treuepflicht
mit der Folge der Haftung auf Schadensersatz.

3. Das Ausmaß der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht wird dadurch mitbestimmt, ob die GmbH mehr kapitalistisch oder mehr personalistisch strukturiert ist.

Aus dem Tatbestand:

Der Kläger (Kl.) ist im Wege der Erbfolge nach seinem verstorbenen Vater Dr. Walter F (Erblasser), und in Vollzug einer Teilungsanordnung des Erblassers neben dem Beklagten (Bekl.) zu 50 v.H. als Gesellschafter an der A-GmbH beteiligt, die 50 v.H. der Namensaktien der R-AG hält. Der Bekl. ist …, im … sog. A-I-Prozeß (36 O 138/84, LG Düsseldorf, GmbHR 1986, 49) durch – nach Nichtannahme der Revision – rechtskräftiges Urteil des OLG Düsseldorf vom 23. 1. 1987 – 7 U 244/85 (GmbHR 1987, 475) verurteilt worden, der in Erfüllung der Teilungsanordnung des Erblassers von den Testamentsvollstreckern mit dem Kl. getroffenen notariellen Vereinbarung vom 29. 3. 1984 zuzustimmen, wonach dem Kl. sämtliche A-Geschäftsanteile von 50 v.H. des Erblassers, also auch die auf seine Schwester als Miterbin entfallenden 25 v.H. übertragen wurden. … Die gegen dieses Urteil eingelegte Revision des Bekl. nahm der BGH durch Beschluß vom 5. 10. 1987 – II ZR 68/87 wegen fehlender grundsätzlicher Bedeutung und mangelnder Erfolgsaussicht nicht zur Entscheidung an.

Nach Beendigung des vorgenannten Rechtsstreits wies der Bekl. den Geschäftsführer der A-GmbH an, namens der A-GmbH gegen den Kl. auf Feststellung zu klagen, daß er nach dem Tode seines Vaters (Erblassers) nicht alleiniger Inhaber von 50 v.H. der Geschäftsanteile der A-GmbH geworden sei, vielmehr der Kl. – Bekl. jenes Verfahrens – nur zusammen mit seiner Schwester und Miterbin Petra F Inhaber der aus dem Nachlaß seines Vaters stammenden Geschäftsanteile geworden sei. Als der Bekl. dem Geschäftsführer der A-GmbH diese Weisung erteilte, war für die Wahrnehmung der Gesellschafterrechte aus den im Streit befindlichen Geschäftsanteilen eine Pflegschaft angeordnet und zum Pfleger bestellt. Dieser teilte dem Geschäftsführer der Kl. mit Schreiben vom 18. 11. 1987 zur Frage der Erhebung der Feststellungsklage gegen den Kl. – Bekl. jenes Verfahrens, des sog. A-II-Prozesses, – mit, daß er sich gemäß § 47 Abs. 4 GmbHG der Stimme enthalte. Das LG Düsseldorf wies die Feststellungsklage durch Urteil vom 17. 11. 1988 – 32 O 226/87 mangels Vorliegens eines Feststellungsinteresses als unzulässig ab. Der erkennende Senat wies die Berufung der A-GmbH durch sein Urteil vom 28. 12. 1989 – 6 U 119/89 (GmbHR 1990, 504) zurück. … Die gegen dieses Berufungsurteil durch die unterlegene A-GmbH eingelegte Revision nahm der BGH durch Beschluß vom 15. 10. 1990 – II ZR 42/90 mangels grundsätzlicher Bedeutung und wegen fehlender Erfolgsaussicht nicht an.

Nach der Zustimmungsverweigerung des Bekl. vom 13. 7. 1984 hatte das AG Düsseldorf durch Beschluß vom 14. 8. 1984 für die Wahrnehmung der Gesellschafterrechte nach dem Erblasser auf Antrag des Kl. einen Pfleger bestellt. Nach Rechtskraft des Urteils des OLG DüsseldorfBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG Düsseldorf
im A-I-Prozeß vom 23. 1. 1987 – 7 O 244/85 (GmbHR 1987, 475) wurde die Pflegschaft auf Antrag des Kl. durch Beschluß vom 3. 12. 1987 aufgehoben. Der Bekl. wies den Geschäftsführer der A-GmbH an, gegen die Aufhebung Beschwerde einzulegen. Das dieser Weisung gemäß eingelegte Rechtsmittel der A-GmbH wies das LG Düsseldorf durch Beschluß vom 14. 12. 1987 – 25 T 1072/87 zurück, ebenso die Erinnerung der A-GmbH gegen den Kostenfestsetzungsbeschluß des Amtsgerichts vom 11. 3. 1988.

Nach Verkündung des erstinstanzlichen klageabweisenden Urteils im A-II-Prozeß – Urteil des LG Düsseldorf vom 17. 11. 1988 – 32 O 226/87 – erwirkte der Kl. gegen die A-GmbH eine von diesem nicht angefochtene einstweilige Verfügung des LG Düsseldorf vom 11. 12. 1988 – 32 O 229/88 des Inhalts, daß ihn die A-GmbH bis zum rechtskräftigen Abschluß des Feststellungsrechtsstreits als alleinigen Inhaber der vormals dem Erblasser gehörenden Geschäftsanteile der A-GmbH zu behandeln habe. Die Kosten dieses Verfahrens wurden der A-GmbH auferlegt.

Der Kl. hat den Bekl. zunächst mit Erfolg im Wege des Schadensersatzes auf Ersatz der Kosten in Anspruch genommen, die der ungeteilten Erbengemeinschaft nach Dr. Walter F und ihm persönlich aus der Anordnung und Durchführung der Pflegschaft für die unbekannten Mitgesellschafter der A-GmbH entstanden sind. …

Im vorliegenden Rechtsstreit nimmt der Kl. den Bekl. auf Schadensersatz i.H. der Kosten in Anspruch, die der A-GmbH bei der Durchführung des Beschwerdeverfahrens vor dem LG Düsseldorf (25 T 1072/87) in drei Rechtszügen i.H. von 32 149,50 DM Gerichtskosten und 245 112,63 DM Anwaltskosten, in drei Rechtszügen im A-II-Prozeß i.H. von 959 326 DM Gerichtskosten und 2259394,54 DM Anwaltskosten sowie in dem Verfahren auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung vor dem LG Düsseldorf i.H. von 21084 DM Gerichtskosten und 48301,79 DM Anwaltskosten entstanden sind, wobei Schadensersatz in Form der Zahlung an die A-GmbH begehrt wird. …

Das LG hat den Bekl. … zur Zahlung verurteilt. … Die Berufung blieb erfolglos.

Aus den Entscheidungsgründen:

Zu Recht hat das LG dem Kl. aus dem Gesichtspunkt der actio pro socio die Befugnis zugesprochen, im eigenen Namen von dem Bekl. durch Zahlung an die A-GmbH Ersatz des Schadens i.H. von der A geleisteter Gerichts- und Anwaltskosten zu verlangen, der der A-GmbH dadurch entstanden ist, daß sie nach rechtskräftigem Abschluß des sog. A-I-Prozesses auf Weisung des Bekl. erfolglos die Aufhebung der Pflegschaft durch das AG Düsseldorf mit der Beschwerde angegriffen hat, den sog. A-II-Prozeß gegen den Kl. in drei Instanzen erfolglos geführt hat und der Kl. sich nach Abweisung der Feststellungsklage im A-II-Prozeß in erster Instanz veranlaßt sah, gegen die A-GmbH die einstweilige Verfügung zu erwirken, bis zum rechtskräftigen Abschluß des A-II-Verfahrens ihn als alleinigen Inhaber der vormals seinem verstorbenen Vater (Erblasser) gehörenden Geschäftsanteile i.H. von 50 v.H. der A-GmbH zu behandeln. …

1. Klagebefugnis aus actio pro socio

Ohne Erfolg wendet sich der Bekl. (weiterhin) dagegen, daß das LG die Klagebefugnis des Kl. aus dem Gesichtspunkt der actio pro socio bejaht hat. Nach gefestigter Rechtsprechung des BGH und der herrschenden Literaturmeinung, der der Senat folgt, kann ein GmbH-Gesellschafter mitgliedschaftliche Ansprüche der Gesellschaft gegenüber einem anderen Gesellschafter – insbesondere Schadensersatzansprüche der GmbH gegen einen Gesellschafter – im Wege der Gesellschafterklage oder actio pro socio durch Klage im eigenen Namen auf Leistung an die GmbH – also im Wege der Prozeßstandschaft – u.a. dann verfolgen, wenn eine Schadensersatzklage der Gesellschaft durch den schädigenden Gesellschafter selbst vereitelt wird oder sie infolge der Machtverhältnisse innerhalb der Gesellschaft so erschwert ist, daß es für den betroffenen Gesellschafter ein unzumutbarer Umweg wäre, wenn er zunächst die Gesellschaft zu einer Schadensersatzklage zwingen müßte (vgl. BGHZ 65, 15 [19] = GmbHR 1975, 269 = NJW 1976, 191 [192]; WM 1982, 928 [929]; AG 1990, 458 [459]). Grundsätzlich ist zwar die Organzuständigkeit der GmbH – also der Geschäftsführer gemäß § 39 GmbHG und der Gesellschafterversammlung gemäß § 46 Nr. 8 GmbHG – zu beachten; bei Untätigkeit der Organe sind zunächst rechtliche Einwirkungsmöglichkeiten auszuschöpfen, z.B. eine Anfechtungsklage gegen einen rechtswidrig ablehnenden Gesellschafterbeschluß zu erheben. Eine Gesellschafterklage ohne den Versuch einer internen Einwirkung ist jedoch möglich, wenn diese aussichtslos oder als zeitraubender, unnötiger Umweg nicht gerechtfertigt erscheint (vgl. auch Baumbach/Hueck, 15. Aufl., § 13 GmbHG Rn. 32-3ä; Lutter/Hommelhoff, 13. Aufl., § 13 GmbHG Rn. 3-5 sowie die bereits zitierte grundlegende Entscheidung BGHZ 65, 15 [19] = GmbHR 1975, 269 = NJW 1976, 191 [192]).

In dieser Situation befand sich der Kl. im maßgeblichen Zeitpunkt, nämlich bei Erhebung der vorliegenden Klage. Die A-GmbH ist eine zweigliedrige, personalistisch strukturierte Gesellschaft. Die beiden Gesellschafter – die Parteien – sind mit gleich hohen Anteilen beteiligt, wie der Bekl. nach dem rechtskräftigen Abschluß des A-II-Prozesses nunmehr nicht mehr bestreitet. Zudem ist der Geschäftsführer im Innenverhältnis unstreitig dahin gebunden, daß er für Geschäftsführungsmaßnahmen, zu denen er nicht durch gesetzliche Vorschriften verpflichtet ist, der Zustimmung beider Gesellschafter bedarf. Es liegt auf der Hand, daß der Kl. nur durch einen zeitraubenden und kostenträchtigen Rechtsstreit gegen die A-GmbH hätte erreichen können, daß diese selbst ihre Schadensersatzansprüche gegen den Bekl. verfolgte. Zwar konnte er mit seinen Stimmrechten einen Gesellschafterbeschluß nach § 46 Nr. 8 GmbHG auf Geltendmachung der Ersatzansprüche durch die GmbH herbeiführen, weil der Bekl. im Hinblick darauf, daß sich diese Ansprüche gegen ihn richten, gemäß § 47 Abs. 4 Satz 2 GmbHG kein Stimmrecht hatte. Insoweit bedurfte es nicht einmal eines förmlichen Beschlusses der Gesellschafterversammlung, weil dies in einer zweigliedrigen GmbH eine überflüssige Formalität wäre (vgl. BGH, WM 1991, 1049 [1050]). Wie der Senat in seinem Berufungsurteil im sog. A-II-Prozeß vom 28. 12. 1989 – 6 U 119/89 (GmbHR 1990, 504) zur Zulässigkeit der Feststellungsklage in jenem Rechtsstreit ausgeführt hat, lag mit der Weisung des Mitgesellschafters Dr. Hans-Heinrich F – den Bekl. im vorliegenden Rechtsstreit – an den Geschäftsführer der A-GmbH, gegen Dr. Paul-Otto F – den Bekl. in jenem und Kl. im vorliegenden Rechtsstreit – Klage auf Feststellung des Umfanges seiner Gesellschafterstellung zu erheben, die Weisung aller stimmberechtigten Gesellschafter vor. Der seinerzeit im Hinblick auf den Streit darüber, ob der Kl. noch in ungeteilter Erbengemeinschaft mit seiner Schwester Petra oder in Vollzug der Teilungsanordnung Alleininhaber von 50 v.H. der Geschäftsanteile an der A-GmbH war, noch amtierende Pfleger F war bei einer Beschlußfassung nach § 46 Nr. 8 GmbHG gemäß § 47 Abs. 4 GmbHG nicht stimmberechtigt, worauf er sich auch berufen hatte, so daß die Beschlußfassung über die Klageerhebung gegen den Kl. seinerzeit allein beim Bekl. lag. Dieser hatte deshalb die Rechtsmacht, allein den Geschäftsführer anzuweisen, im Namen der GmbH gegen den Bekl. die Feststellungsklage zu erheben. Dementsprechend hätte auch im vorliegenden Fall allein der Kl. den Geschäftsführer der GmbH mit oder ohne förmliche Beschlußfassung anweisen können, den Bekl. auf Schadensersatz in Anspruch zu nehmen. Es liegt jedoch auf der Hand, daß der Geschäftsführer der A-GmbH diese Weisung nicht ohne weiteres befolgt hätte, wenn ihm nicht eine entsprechende Weisung des Bekl. erteilt worden wäre. Der Kl. hätte dann die GmbH durch Klage – wahrscheinlich wiederum durch drei Instanzen – zwingen müssen, gegen den Bekl. Schadensersatzklage zu erheben.

In der ITT-Entscheidung, in der sich in einer Zwei-Mann-GmbH ein Mehrheitsgesellschafter und ein klagender Minderheitsgesellschafter gegenüberstanden, hat es der BGH als nicht gerechtfertigten Umweg bezeichnet, wenn der Minderheitsgesellschafter erst durchsetzen müßte, daß die GmbH selbst Ansprüche gegen ihren Mehrheitsgesellschafter erhebt (vgl. BGHZ 65, 15 [19] = GmbHR 1975, 269 = NJW 1976, 191 [192]). Dies gilt genauso, wenn sich – wie im vorliegenden Falle – zwei gleichberechtigte GmbH-Gesellschafter gegenüberstehen, die sich wechselseitig blockieren können, zumal wenn der Geschäftsführer im Innenverhältnis an eine übereinstimmende Weisung beider Gesellschafter gebunden ist (vgl. BGH, WM 1982, 929 = ZIP 1982, 1203).

Vergeblich beruft sich der Bekl. darauf, die actio pro socio könne die Mitgliedschaftsrechte einzelner Gesellschafter nicht erweitern, so daß es unzulässig sei, über die actio pro socio einem einzelnen Gesellschafter den Weg zu eröffnen, mit Hilfe der Gerichte seine Auffassung hinsichtlich bestimmter Geschäftsführungsmaßnahmen durchzusetzen. Der Bekl. übersieht, daß die hierzu von ihm zitierte BGH-Entscheidung einen nicht vergleichbaren Fall betrifft (vgl. BGH, NJW 1992, 1890 [1892]). In der zitierten Entscheidung hat der BGH einem Kommanditisten, der in einem bei einer KG gesellschaftsrechtlich begründeten Verwaltungsrat den von ihm gegen die Geschäftsführung geltend gemachten Informationsanspruch nicht durchsetzen konnte, weil sein Antrag abgelehnt wurde, die Befugnis abgesprochen, aus seiner Rechtsstellung als Verwaltungsratsmitglied die Auskunfts- und Einsichtsrechte des Verwaltungsrats im Wege der Prozeßstandschaft, also über die actio pro socio geltend zu machen, weil er diesen Informationsanspruch gegen die geschäftsführenden Gesellschafter auch nicht aus dem Mitgliedschaftsrecht des Kommanditisten herleiten könne. Im vorliegenden Fall geht es nicht um die Erweiterung von Mitgliedschaftsrechten des Kl. durch die Gesellschafterklage, sondern nur um die Durchsetzung bestehender Mitgliedschaftsrechte. Wie ausgeführt, konnte der Kl. rein rechtlich mit oder ohne förmliche Beschlußfassung nach § 46 Nr. 8 GmbHG allein – ohne Mitwirkung des Bekl. – die Geschäftsführung der A-GmbH anweisen, gegen den Bekl. Schadensersatzklage zu erheben. Die Durchsetzung dieser Weisung im Wege der Klage gegen die GmbH wäre jedoch ein zeitraubender und kostenträchtiger, also nicht gerechtfertigter Umweg gewesen, der dem Kl. nicht zuzumuten ist.

Ebenfalls ohne Erfolg beruft sich der Bekl. in diesem Zusammenhang darauf, ein neues Beschlußverfahren der Gesellschafter über die Kompensation angeblich beim Kl. eingetretener Nachteile sei vor Erhebung der vorliegenden Klage keineswegs entbehrlich gewesen, weil er – der Bekl. – sich dagegen mit der – befristeten – Anfechtungsklage hätte wehren können, falls er nach § 46 Abs. 4 GmbHG bei der Beschlußfassung ausgeschlossen gewesen sei. Der Bekl. verkennt, daß es nach der BGH-Rechtsprechung und herrschender Literaturmeinung für die Erhebung einer Gesellschafterklage aus dem Gesichtspunkt der actio pro socio eines vorherigen Gesellschafterbeschlusses gerade nicht bedarf, wenn dieser nicht erwarten läßt, daß die GmbH daraufhin gegen den betroffenen Gesellschafter vorgeht. Vielmehr ist es ebenfalls ein nicht gerechtfertigter, dem Kl. nicht zumutbarer „Umweg”, wenn er dem schädigenden Gesellschafter – also dem Bekl. – noch die Gelegenheit zu einer Anfechtungsklage geben müßte, die ebenfalls über drei Instanzen geführt werden könnte, zumal dann immer noch nicht feststünde, daß die GmbH ohne Klage gegen sie bereit wäre, den Bekl. auf Schadensersatz in Anspruch zu nehmen. …

Ohne Erfolg versucht der Bekl. die – angebliche – Vorrangigkeit der Anfechtungsklage vor dem Rechtsinstitut der actio pro socio aus einer Entscheidung des BGH herzuleiten, die zu einer Holding-AG ergangen ist. Dieser Entscheidung liegt ein nicht vergleichbarer Sachverhalt zugrunde (vgl. BGHZ 106, 54 [66] = GmbHR 1989, 126). In jenem eine AG betreffenden Urteil hat der BGH ausgeführt, die Rechtsfigur der actio pro socio dürfe nicht dazu dienen, Konflikte zwischen Mehrheit und Minderheit im Aufsichtsrat über den Umweg einer gerichtlichen Inanspruchnahme des Vorstandes auszutragen. Dies läßt sich auf den vorliegenden Fall nicht übertragen. Würde man dies dennoch tun, wäre der BGH-Entscheidung nur zu entnehmen, daß Differenzen zwischen dem Kl. und dem Bekl. in ihrer Eigenschaft als Gesellschafter der A-GmbH nicht durch eine gegen den Geschäftsführer gerichtete Klage erledigt werden könnten. Im vorliegenden Fall hat der Kl. jedoch nicht den Geschäftsführer der A-GmbH verklagt, sondern seinen Mitgesellschafter auf Ersatz desjenigen Schadens in Anspruch genommen, welcher der A-GmbH unmittelbar und ihm mittelbar entstanden ist. Die vom Bekl. vertretene Auffassung, die tragenden Gesichtspunkte der zitierten Entscheidung müßten zumindest bei der kapitalistisch strukturierten GmbH für die Entscheidung auf der Ebene der Gesellschafterversammlung und dort gefaßter Beschlüsse gelten, ist nicht zutreffend, weil es sich bei der A-GmbH gerade um eine rein personalistisch ausgerichtete Gesellschaft handelt, wie auch der Bekl. nicht ernsthaft in Zweifel ziehen kann.

Schließlich stützt auch der Hinweis des Bekl. auf die Kommentierung zu einem in anderer Sache ergangenen Nichtannahmebeschluß des BGH vom 14. 6. 1993 – II ZR 228/92 die Auffassung des Bekl. nicht, der Kl. habe ihm zunächst eine Anfechtungsklage gegen einen Gesellschafterbeschluß nach § 46 Nr. 8 GmbHG ermöglichen müssen. Jene Entscheidung betraf den nicht vergleichbaren Fall, daß einer von 17 GmbH-Gesellschaftern – mangels erforderlicher Stimmenmehrheit – vergeblich versucht hatte, einen Beschluß der Gesellschafterversammlung nach § 46 Nr. 8 GmbHG herbeizuführen, den Geschäftsführer nach § 43 Abs. 2 GmbHG auf Schadensersatz in Anspruch zu nehmen. Das Berufungsgericht hat die sodann von dem GmbH-Gesellschafter selbst erhobene Klage als derzeit unbegründet abgewiesen, weil das Beschlußerfordernis des § 46 Nr. 8 GmbHG gefehlt habe (vgl. DStR 1991, 1111). Nach der Kommentierung von Goette kann die Überprüfung der Rechtmäßigkeit des ablehnenden Gesellschafterbeschlusses entweder im Wege der Inzidentprüfung, also im Rahmen der Schadensersatzklage des unterlegenen GmbH-Gesellschafters vorgenommen werden oder indem der unterlegene Gesellschafter den Beschluß im Wege der Anfechtungsklage angreift. Goette zitiert sodann den Leitsatz der – auf den vorliegenden Fall zutreffenden – Entscheidung des BGH II ZR 199/81 vom 28. 6. 1982 (vgl. BGH, WM 1982, 929 = ZIP 1982, 1203) als Sonderfall, befürwortet also ebenfalls, daß eine Gesellschafterklage ohne vorherigen Beschluß nach § 46 Nr. 8 GmbHG dann zulässig ist, wenn

„eine Schadensersatzklage der Gesellschaft undurchführbar, durch den Schädiger selbst vereitelt worden oder infolge der Machtverhältnisse in der Gesellschaft so erschwert ist, daß es für den betroffenen Gesellschafter unter Berücksichtigung aller Umstände im Einzelfall ein unzumutbarer Umweg wäre, wenn er die Gesellschaft erst zu einer Haftungsklage zwingen müßte.”

Genau diese Voraussetzungen lagen im vorliegenden Fall vor, als sich der Kl. zur Schadensersatzklage gegen den Bekl. entschloß.

2. Treuepflichtverletzung

Zu Recht hat das LG einen Schadensersatzanspruch des Kl. aufgrund schuldhafter Verletzung der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht durch den Bekl. dem Grunde nach bejaht.

Den Gesellschafter einer GmbH trifft eine allgemeine Treuepflicht mit dem Inhalt, als Mitglied der GmbH deren Interessen und auch die Interessen der Mitgesellschafter zu wahren, sie insbesondere nicht durch schädigendes Verhalten zu beeinträchtigen. Die Verletzung dieser sowohl gegenüber der GmbH als auch gegenüber den einzelnen Mitgesellschaftern bestehenden Treuepflicht begründet Schadensersatzansprüche sowohl der Gesellschaft als auch eigene des betroffenen Mitgesellschafters (vgl. BGHZ 65, 15 [18] = GmbHR 1975, 269; BGHZ 98, 276 [279] = GmbHR 1986, 426; Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 13. Aufl., § 14 Rn. 9-11, 14; Baumbach/Hueck, GmbHG, 15. Aufl., § 13 Rn. 21, 22 und 31). Das Ausmaß der Treuepflicht wird dadurch mitbestimmt, ob die GmbH mehr kapitalistisch oder mehr personalistisch strukturiert ist. Zwar ist die A-GmbH eine Holding-Gesellschaft, welche die Namensaktien der R-AG hält und deren Geschäftsführung einem gesellschaftsfremden Geschäftsführer übertragen ist. Dennoch ist sie nicht rein kapitalistisch strukturiert, wie der Bekl. zu Unrecht geltend macht. Vielmehr ist sie stark personalistisch ausgestaltet, und zwar zugeschnitten auf die beiden Personen der Gründungsgesellschafter – den Vater des Kl. (Erblasser) und seinen Bruder, den Bekl. Dies zeigt sich zum einen in der Vinkulierungsklausel des § 4 der A-Satzung, wonach die Übertragung von GeschäftsanteilenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Übertragung
Übertragung von Geschäftsanteilen
der Zustimmung sämtlicher Gesellschafter bedarf. Zum anderen kommt dies auch darin zum Ausdruck, daß beide Gründungsgesellschafter den Geschäftsführer dahin gebunden haben, daß dieser nur aufgrund einer übereinstimmenden Weisung beider Gesellschafter handeln darf. Dies zeigt eine striktive Ausrichtung der A-GmbH auf die Personen ihrer beiden Gründungsgesellschafter und erklärt sich insbesondere daraus, daß in der A-GmbH 50 v.H. der R-Aktien verwaltet werden. Die Vinkulierungsklausel dient – wie in den Vorprozessen deutlich geworden ist – dem Zweck, die A-GmbH und damit mittelbar die R-Gruppe langfristig als Familiengesellschaft der beiden Gesellschafterstämme Dr. Hans-Heinrich F (Bekl.) und Dr. Walter F (Vater des Kl.) zu erhalten. Durch die strenge Weisungsbindung des A-Geschäftsführers soll sichergestellt werden, daß die beiden Familienstämme die Ausübung der Aktionärsrechte in der R-AG selbst in der Hand behalten. Es kann also nicht davon die Rede sein, daß die gesellschaftsrechtlichen Treuepflichten, die jedem der beiden A-Gesellschafter gegenüber seinem Mitgesellschafter und gegenüber der Gesellschaft obliegen, mit Rücksicht auf eine – nicht gegebene – rein kapitalistische Struktur besonders niedrig anzusiedeln wären. Das Gegenteil ist der Fall.

Der Bekl. hat gegen seine gesellschaftsrechtliche TreuepflichtBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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sowohl gegenüber der GmbH als auch gegenüber dem Kl. verstoßen, indem er seine wegen der Stimmenthaltung des Pflegers und dessen Ausschluß vom Stimmrecht nach § 47 Abs. 4 Satz 2 GmbHG gegebene formale Rechtsposition dazu ausnutzte, allein – ohne Mitwirkung eines Mitgesellschafters – den Geschäftsführer der A-GmbH anzuweisen, im Namen der GmbH gegen den Kl. auf Feststellung des Umfangs seiner Gesellschafterstellung zu klagen und zudem gegen die Aufhebung der Pflegschaft durch das Amtsgericht Düsseldorf Beschwerde einzulegen. Dieses Verhalten verstieß gegen die gesellschaftliche Treuepflicht, weil als Folge der Nichtannahme der Revision des Bekl. durch den BGH zwischen dem Kl. und dem Bekl. bindend (rechtskräftig) feststand, daß der Bekl. entsprechend dem Urteil des 7. Zivilsenats des OLG Düsseldorf vom 23. 1. 1987 – 7 U 244/85 (GmbHR 1987, 475) der in Vollzug der Teilungsanordnung des Erblassers von den Testamentsvollstreckern auf den Kl. übertragenen gesamten Gesellschafterstellung des Erblassers zustimmen mußte bzw. seine Zustimmungserklärung durch die Gestaltungswirkung des – rechtskräftigen – Berufungsurteils ersetzt worden war. Damit stand zwischen den Parteien fest, daß der Bekl. in wirksamer Weise seine Zustimmung zu der vom Kl. und den Testamentsvollstreckern getroffenen notariellen Vereinbarung vom 29. 3. 1984 erteilt hatte, wonach dem Kl. in Vollzug der Teilungsanordnung seines verstorbenen Vaters (Erblassers) die aus dessen Nachlaß stammenden Anteile von 50 v.H. an der A-GmbH übertragen worden waren und der Kl. damit alleiniger Mitgesellschafter des Bekl. war. Daraus erwuchs ihm gegenüber dem Kl. die gesellschaftsrechtliche TreuepflichtBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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, seine bindend feststehende Gesellschafterstellung zu akzeptieren und diese nicht zu beeinträchtigen. Gegenüber der GmbH selbst hatte er die Verpflichtung, sie nicht zur Führung aussichtsloser Prozesse zu veranlassen. …

3. Ersatzanspruch

Der Bekl. hat durch Einzahlung in die Gesellschaftskasse den Schaden auszugleichen, der der A-GmbH dadurch entstanden ist, daß sie mit den – der Höhe nach unstreitigen – Gerichts- und Anwaltskosten für den verlorenen A-II-Prozeß, für die vergebliche Bekämpfung der Pflegschaftsaufhebung und für die – nicht angefochtene – einstweilige Verfügung vom 21. 12. 1988 (32 O 229/88, LG Düsseldorf) belastet worden ist. …

Gemäß § 252 BGB umfaßt der Ersatzanspruch der A-GmbH als entgangenen Gewinn auch die ihr entgangenen Anlagezinsen …

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