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BGH, Urteil vom 20. Januar 1983 – II ZR 243/81

Gesellschaftervereinbarung

§ 47 Abs 1 GmbHG

a) Eine Gesellschaftssatzung ist nach objektiven Gesichtspunkten aus sich heraus einheitlich auszulegen; dabei haben Umstände auszuscheiden, die außerhalb der Vertragsurkunde liegen und nicht allgemein erkennbar sind, wozu die Entstehungsgeschichte der Satzung, die Vorentwürfe und die Vorstellungen oder Äußerungen von Personen, die an der Abfassung des Gesellschaftsvertrages mitgewirkt haben, gehören.

Satzungsbestimmungen, die den Gesellschaftszweck regeln, sind nicht allein für die augenblicklichen, sondern auch für die künftigen Gesellschafter von unmittelbarer rechtlicher Bedeutung und deshalb dem körperschaftlichen Bereich der Satzung zuzurechnen. Diese ist daher insoweit nach objektiven Gesichtspunkten aus sich heraus einheitlich auszulegen; im Unterschied zu Individualverträgen haben Umstände auszuscheiden, die außerhalb der Vertragsurkunde liegen und nicht allgemein erkennbar sind. Das gilt insbesondere für die Entstehungsgeschichte der Satzung, für Vorentwürfe und die Vorstellungen oder Äußerungen von Personen, die an der Abfassung des Gesellschaftsvertrages mitgewirkt haben (BGHZ 14, 25, 36 f; SenUrt. v. 24.1.1974 – II ZR 65/72, LM GmbHG § 47 Nr. 21). Das Berufungsgericht hat, wie das Revisionsgericht frei nachprüfen kann, gegen diese Grundsätze verstoßen.

b) Haben alle Gesellschafter eine die Gesellschaft betreffende Angelegenheit unter sich einverständlich geregelt, so ist diese Regelung – auch ohne Bestandteil der Satzung zu sein – zumindest solange zugleich als eine solche Regelung der Gesellschaft zu behandeln, als dieser nur die aus der Abrede Verpflichteten angehören. In diesem Fall ist ein Streit über einen die Nebenabrede betreffenden Gesellschafterbeschluss nicht unter den insoweit vertraglich gebundenen Gesellschaftern auszutragen, sondern die Erhebung einer Nichtigkeits- oder Anfechtungsklage ist gestattet.

Allerdings könnte eine solche Bindung aus anderen Gründen die Anfechtbarkeit des Beschlusses begründen. Die Gesellschafter können sich jederzeit außerhalb der Satzung ihren Mitgesellschaftern schuldrechtlich verpflichten, in der Gesellschafterversammlung in bestimmter Weise abzustimmen. Deshalb bestehen rechtlich auch keine Bedenken gegen ein Übereinkommen aller Gesellschafter, mit der GmbH in einem bestimmten, von deren satzungsmäßigem Zweck gedeckten Geschäftszweig nicht tätig zu werden. Verletzt ein Gesellschafter ein solches mit einem Mitgesellschafter getroffenes Abkommen, indem er abredewidrig abstimmt, so ist zwar der auf diese Weise zustandegekommene Beschluß grundsätzlich nicht anfechtbar, vielmehr der Streit um die Rechtsfolgen des Verstoßes unter den an der Bindung Beteiligten und nicht mit der Gesellschaft auszutragen. Etwas anderes gilt aber dann, wenn der Beschluß gegen eine von allen Gesellschaftern eingegangene Bindung verstößt. Haben alle Gesellschafter eine die Gesellschaft betreffende Angelegenheit unter sich einverständlich geregelt, so ist diese Regelung – auch ohne Bestandteil der Satzung zu sein – zumindest solange zugleich als eine solche der Gesellschaft zu behandeln, als dieser nur die aus der Abrede Verpflichteten angehören. In diesem Falle besteht kein Grund, die vertragswidrig überstimmten Gesellschafter auf den umständlichen Weg einer Klage gegen die Mitgesellschafter zu verweisen, um durch deren Verurteilung zu einer gegenteiligen Stimmabgabe den Beschluß aus der Welt zu schaffen. Die überstimmten Gesellschafter können den Beschluß vielmehr durch Klage gegen die Gesellschaft anfechten.

c) Der Mehrheitsbeschluß der Gesellschafterversammlung, sich an einem fremden Unternehmen zu beteiligen, kann – obgleich von der Satzung gedeckt – anfechtbar sein, wenn sich alle Gesellschafter untereinander schuldrechtlich verpflichtet haben, eine solche Geschäftstätigkeit der GmbH zu unterlassen.

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Schlagworte: Alle Gesellschafter oder nur ein Teil der Gesellschafter Vertragspartner, Änderung der Nebenabrede einstimmig, Anfechtungsgründe, Auslegung der Satzung, Auslegung von Nebenabreden, Beteiligung an anderer Gesellschaft, Dritte können Vertragspartner der Nebenabrede sein, Einmalige oder auf Dauer angelegte Nebenabreden, Einschränkung durch Vereinbarung außerhalb der Satzung, Ergänzende Vertragsauslegung, Errichtung der GmbH, Formfreiheit und Nebenabreden, Formloser Abschluss der Nebenabrede, Gegenstände der Nebenabrede verstoßen gegen die Satzung, Gegenstände der Nebenabrede verstoßen nicht gegen die Satzung, Gesellschaftervereinbarung, Gesellschaftervereinbarung Anfechtung, Gesellschaftsvertrag, Gesellschaftszweck, Individualrechtliche Regelungen, Inhalt und Auslegung des Gesellschaftsvertrags, Inhalt von Nebenabreden, keine Erkennbarkeit für Dritte, Körperschaftsrechtlicher Charakter, Korporative Regelungen, Nebenabrede ist schuldrechtlicher Vertrag, Nebenabreden, Nebenabreden der Gesellschafter, Nebenabreden GmbH, Nichtigkeitsfeststellungsklage/Nichtigkeitsklage, objektive Auslegung des Gesellschaftsvertrags, Satzung schlägt nicht auf Nebenabrede durch, Satzungszweck, Schuldrechtliche Nebenabreden, Schuldrechtliche Nebenabreden Gewinnverteilung, Stimmbindung, Stimmbindungsvereinbarung, Wettbewerbsverbot, Zulässigkeit und Rechtsnatur von Nebenabreden