GmbHG § 47; ZPO § 894
Eine Stimmrechtsbindung ist zulässig und nach Maßgabe des § 894 ZPO vollstreckbar (Abweichung von RG, 1939-04-05, II 155/38, RGZ 160, 157).
Die Revision hat auch darin nicht recht, daß eine Klage auf Erfüllung einer Abstimmungsvereinbarung unzulässig sei und die Klägerin allenfalls einen Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung habe.
Diesen Standpunkt hat allerdings das Reichsgericht (RGZ 112, 273, 279; 119, 386, 388; 133, 90, 95; 160, 257, 262; 170, 358, 371/72; JW 1927, 2992) vertreten. Es führt aus (RGZ 160, 257, 262), „ein unmittelbarer Erfüllungszwang, sei es auf Grund des § 894 ZPO, sei es auf Grund der §§ 887, 888 ZPO, sei mit den Vorschriften über die Willensbildung der Gesellschafterversammlung unvereinbar“, und (RGZ 112, 273, 279) „es gehe nicht an, durch äußeren Zwang in die Willensbildung eines Körperschaftsorgans, als das sich die Gesellschafterversammlung darstellt, einzugreifen“. Würde der durch einen Abfindungsvertrag gebundene Gesellschafter gezwungen, dieser Abrede gemäß abzustimmen, so bliebe es ihm und den anderen Gesellschaftern doch unbenommen, später wieder entgegengesetzt zu stimmen und den erzwungenen Beschluß durch einen anderen zu ersetzen; so könnten die Gesellschafter immer wieder verfahren, wenn es abermals zur Klage und zur Zwangsvollstreckung komme (RGZ 112, 279/80). In dem JW 1927, 2992 abgedruckten Urteil stellt das Reichsgericht auf die Entschließungsfreiheit der Gesellschafter ab: Auf sie müsse besonderer Wert gelegt werden, weil die Gesellschafterversammlung Gelegenheit biete, die Gründe, die zum Abstimmungsgegenstand vorgebracht werden könnten, zu erörtern und sich auf diese Weise eine möglichst sichere Grundlage für die Abstimmung zu verschaffen. Wenn auch nicht zu verkennen sei, daß bei Abstimmungen andere als rein sachliche Erwägungen und Einflüsse mitspielten, so würden doch, wenn den Gesellschaftern volle Freiheit für die Stimmabgabe gewährt werde, Einflüsse, die außerhalb der sachlichen Beurteilung des Gegenstandes der Beschlußfassung lägen, eher ferngehalten, als wenn man einen Vollstreckungszwang zulasse.
Der Senat ist der Ansicht, daß bei Abstimmungsverträgen die Klage auf Erfüllung und die Vollstreckbarkeit des Leistungsurteils nicht verneint werden können. In der Regel kann auf Grund einer wirksam eingegangenen schuldrechtlichen Verpflichtung auch auf deren Erfüllung geklagt werden. Mit einem Schadensersatzanspruch ist dem aus einem Abstimmungsvertrag Berechtigten in der Regel nicht geholfen. An Abstimmungsverträgen und ihrer Durchsetzbarkeit besteht ein berechtigtes Interesse. Die Ansicht des Reichsgerichts verleitet zur Vertragsuntreue. Wer sich schuldrechtlich bindet, schränkt im Rahmen der eingegangenen Verpflichtung immer seine Entschließungsfreiheit ein. So erwünscht es auch ist, daß Gesellschafter den in einer Gesellschafterversammlung angestellten Überlegungen und Erörterungen zugänglich sind (vgl. BGHZ 45, 245, 253), so wenig kann doch geleugnet werden, daß die Zahl der Gesellschafter, die sich bereits in bestimmter Weise festgelegt haben und von ihrer vorgefaßten Meinung nicht mehr abzubringen sind, sehr groß ist. Das aus der Entschließungsfreiheit hergeleitete Argument kann daher nur die Bedeutung haben, daß nicht noch die durch eine Abstimmungsvereinbarung gebundenen Gesellschafter die Zahl der ohnehin festliegenden Gesellschafter vermehren soll. In die Willensbildung der Gesellschaft wird nicht eingegriffen, denn der Vollstreckungszwang richtet sich nicht gegen die Gesellschaft, sondern gegen den aus der Abstimmungsvereinbarung verpflichteten Gesellschafter (Bartholomeyzik, DR 1941, 337, 338). Wenn es nicht um einen Mitgliederwechsel geht, kann der Verurteilte nach erfolgreicher Vollstreckung zwar die entgegengesetzte Beschlußfassung herbeizuführen versuchen. Aber die Möglichkeit der Rückgängigmachung eines Vollstreckungsergebnisses bietet sich auch außerhalb des Gesellschaftsrechts und berechtigt nicht zur Verneinung der Einklagbarkeit und Erzwingbarkeit eines Anspruchs. Auch daß die Verurteilung zur Erfüllung einer Abstimmungsverpflichtung in der Regel zu spät komme, ist kein Grund, die Klage auf Leistung überhaupt auszuschließen. Die Klage auf Erfüllung eines Abstimmungsversprechens setzt weder voraus, daß der Verpflichtete schon in einer Gesellschafterversammlung Gelegenheit hatte, den Anspruch zu erfüllen, noch, daß er im voraus erklärt, er werde der Abstimmungszusage zuwiderhandeln. Das Verhalten des Beklagten vor Klageerhebung und im Prozeß gibt ein beredtes Beispiel dafür, daß nicht abgewartet zu werden braucht, bis eine Gesellschafterversammlung stattgefunden hat, auf der eine Beschlußfassung über die Genehmigung der versprochenen Abtretung möglich war, und daß nicht bloß eine Klage auf künftige Leistung in Betracht kommt.
Auch gesellschaftsrechtlich stehen der Zulassung der Leistungsklage keine durchgreifenden Bedenken entgegen: Die Stimmabgabe setzt allerdings eine mitgliedschaftsrechtliche Mitwirkung an einer Beschlußfassung voraus. Aber angesichts der Bedeutung, die Abstimmungsverträge im Rechts- und Wirtschaftsleben gewonnen haben, kann dies nicht als ein Grund anerkannt werden, der die Erfüllbarkeit und Erzwingbarkeit einer Abstimmungsvereinbarung ausschließt. Soweit geltend gemacht wird (so Stein/Jonas/Schönke, ZPO § 894 I), die einmal erfolgte Stimmabgabe könne nicht mehr rückgängig gemacht werden, ist das nur eingeschränkt richtig: Ein einmal gefaßter Gesellschafterbeschluß kann wieder aufgehoben werden, wenn nicht bereits Rechte Dritter entstanden sind (Walter Schmidt in Hachenburg, GmbHG § 45 Anm. 8 b) oder es um die Verweigerung der Genehmigung zur Abtretung eines Geschäftsanteils geht und die Aufhebung eines Beschlusses dieses Inhalts die Folge haben würde, einseitig die schwebende Unwirksamkeit der Abtretung wieder herzustellen (BGHZ 13, 179, 187). Der Beschluß vom 27. April 1965 schließt die Genehmigung der verlangten Abtretung nicht aus, denn er verweigerte bloß die Zustimmung für eine noch nicht vollzogene Abtretung. Auch ein Beschluß, durch den eine bereits vollzogene Abtretung genehmigt werden würde, könnte wieder aufgehoben werden, da es dabei weder um den Eingriff in die Rechte eines Dritten noch um einen einseitigen Widerruf des Weigerungsbeschlusses ginge. Der einer Stimmrechtsbindung unterworfene Gesellschafter bleibt auch nach einem Beschluß, der der schon vollzogenen Abtretung die Genehmigung versagt, zur Abtretung und zur Verschaffung der Genehmigung verpflichtet. Ein Gesellschafter, der die Stimmenmehrheit besitzt, ist ohne weiteres zur Aufhebung des Weigerungsbeschlusses und zur Herbeiführung eines Genehmigungsbeschlusses in der Lage. Solange er an der Abtretungs- und Abstimmungsverpflichtung festgehalten wird, steht kein einseitiger Widerruf des Weigerungsbeschlusses, sondern eine dem Willen des Vertragspartners entsprechende Maßnahme in Frage.
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Schlagworte: Ausübung des Stimmrechts, Drohender Verstoß gegen Stimmbindungsvertrag, Drohender Verstoß gegen Stimmpflicht, einstweilige Verfügung, Errichtung der GmbH, Erteilung der Genehmigung, Geschäftsanteil, Gesellschaftervereinbarung, Gesellschaftsvertrag, Grenzbestimmung, Schuldrechtliche Nebenabreden, Stimmabgabe, Stimmbindungsvereinbarung, Stimmpflichten, Stimmrechtsausschluss, Subjektive Reichweite des Stimmrechtsausschlusses, Untersagung bestimmter Stimmrechtsausübung, Vinkulierung, Vorläufige Verhinderung der Beschlussfassung