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KG Berlin, Urteil vom 21. Oktober 2021 – 2 U 121/18

§ 823 Abs 1 BGB, § 852 S 1 BGB, § 852 S 2 BGB, § 242 Abs 2 AktG – Anmaßung einer Alleingesellschafterstellung

1. Die durch den Mitgesellschafter einer GmbH unter Anmaßung einer Alleingesellschafterstellung ohne Einbeziehung und Information des anderen Gesellschafters herbeigeführte Beschlussfassung über Änderungen des Gesellschaftsvertrages, mittels welcher Vetorechte zu Lasten des Mehrheitsgesellschafters eingeführt werden, kann eine widerrechtliche Verletzung des nach § 823 Abs. 1 BGB geschützten Mitgliedschaftsrechts begründen.

2. Dem Anspruch des Gesellschafters einer GmbH gegen einen Mitgesellschafter, an Änderungen des Gesellschaftsvertrages mit Wirkung für die Zukunft mitzuwirken, steht die Bestandskraft des Beschlusses, mit welchen die abzuändernden Regelungen des Gesellschaftsvertrages herbeigeführt wurden, nicht entgegen. Dies gilt auch dann, wenn der Anspruch gerade auf die pflichtwidrige Herbeiführung der seinerzeitigen Beschlussfassung gestützt wird und ein hieraus folgender etwaiger Beschlussmangel inzwischen analog § 242 Abs. 2 AktG geheilt wäre.

3. Wird eine Regelung im Gesellschaftsvertrag einer GmbH dahin geändert, dass einem Mitgesellschafter nunmehr eine Veto-Position zu bestimmten Beschlussfassungen zukommt, so hat dieser hierdurch „etwas erlangt“ i.S.v. § 852 Satz 1 BGB. Bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen des § 852 Satz 1 BGB kann daher Mitwirkung an der Rückgängigmachung der Änderungen des Gesellschaftsvertrages innerhalb der zehnjährigen Verjährungsfrist des § 852 Satz 2 BGB verlangt werden.

siehe auch www.K1.de

Tenor

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil der Kammer für Handelssachen 104 des Landgerichts Berlin vom 11. Oktober 2018, Aktenzeichen 104 O 79/17 abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, der Änderung der §§ 11 (3) Satz 1, (4) Sätze 2 und 3, und 12(2) des Gesellschaftsvertrags der F. GmbH mit Sitz in Berlin, eingetragen im Handelsregister beim Amtsgericht Charlottenburg (Berlin) unter HRB … B, in die folgenden Fassungen zuzustimmen:

§ 11 (3) Satz 1:

„Eine Gesellschafterversammlung ist nur beschlussfähig, wenn mindestens 75% des Stammkapitals vertreten sind. Sind weniger als 75% des Stammkapitals vertreten, ist unter Beachtung von Abs. 2 eine neue Gesellschafterversammlung mit gleicher Tagesordnung einzuberufen.“

§ 11 (4) Sätze 2 und 3:

„Die Versammlung wählt mit Mehrheit der abgegebenen Stimmen einen Vorsitzenden. Dieser leitet die Versammlung.“

§ 12 (2):

„Gesellschafterbeschlüsse werden mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen gefaßt, soweit nicht in Gesetz oder Gesellschaftsvertrag eine andere Mehrheit vorgesehen ist. Folgende Gesellschafterbeschlüsse sind mit einer Mehrheit von 85% zu fassen:

a) Änderung des Gesellschaftsvertrages;

b) Änderung des Gegenstands der Gesellschaft;

c) Geschäftsführerbestellung und –abberufung;

d) Kreditaufnahmen und Wechselverpflichtungen, soweit diese EUR 100.000 im Einzelfall und EUR 250.000 kumuliert übersteigen.“

2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen zu tragen.

3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte darf die Vollstreckung durch die Klägerin durch Sicherheitsleistung i. H. v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit i. H. des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision wird für die Beklagte in dem aus den Entscheidungsgründen ersichtlichen Umfang zugelassen.

Gründe

A.

Die Parteien streiten um die Änderung des Gesellschaftsvertrags einer GmbH. Die ursprünglich als B. AG firmierende Klägerin, welche nach ihrer Auffassung 80% der Gesellschaftsanteile an der F. GmbH hält und inzwischen auch entsprechend in der Gesellschafterliste eingetragen ist, verlangt von der Beklagten, welche weitere 20 % der Gesellschaftsanteile an der Gesellschaft hält, Änderungen des Gesellschaftsvertrages dahin zuzustimmen, in einer Gesellschaftsversammlung vom 20.10.2011 allein mit den Stimmen der Beklagten beschlossene Änderungen des Gesellschaftsvertrages, mittels welchen u.a. bestimmte Quoren für die Beschlussfähigkeit sowie Beschlussfassung auf 85 % heraufgesetzt worden sind, wieder rückgängig zu machen.Randnummer2

Hinter der Klägerin steht nach dem Vortrag der Beklagten ein Herr P. Geschäftsführer der F. GmbH ist ein Herr S., der jedenfalls früher auch Mehrheitsgesellschafter der Beklagten war und jedenfalls früher (aus Sicht der Klägerin auch heute noch) über diese wirtschaftlich (Mit-) Berechtigter an dem von der Beklagten gehaltenen Gesellschaftsanteil an der F. GmbH war bzw. ist.Randnummer3

Im Jahr 2006 war Herr P. als Investment-Manager des Beraters eines Unternehmens tätig, das für die Geschäftsanteile der B. GmbH (im Folgenden: B. GmbH) einen Käufer suchte. In diesem Zusammenhang nahm er Kontakt mit Herrn S. auf, der ihm aus früheren Geschäften bekannt war, um die Möglichkeit einer gemeinsamen Übernahme der B. GmbH zu erörtern.Randnummer4

Am 25.04.2006 wurde die F. GmbH, deren Geschäftsanteile nach dem Gesellschaftsvertrag vinkuliert sind, durch die Beklagten gegründet. Alleiniger Zweck der F. GmbH ist das Halten der Beteiligung an der B. GmbH. Gründungsgesellschafterin war allein die Beklagte, an der Herr S. jedenfalls bis zum 14.09.2011 beteiligt war (Bd. 1, Bl. 47) und als deren Geschäftsführer er bis zu diesem Zeitpunkt fungierte (Bd. 2, Bl. 17).Randnummer5

Ebenfalls am 25.04.2006 schloss die von Herrn P. kontrollierte T. GmbH mit der Beklagten einen privatschriftlichen Treuhandvertrag („Treuhandvertrag I“), wonach die Beklagte 80 % der Beteiligung an der F. GmbH für die T. GmbH treuhänderisch halten sollte. Weitere 20 % der Beteiligung an der F. GmbH hielt die Beklagte zumindest zwischenzeitlich für Herrn S. bzw. eine von diesem kontrollierte estnische Gesellschaft (Bd. 1, Bl.195; Bd. 2, Bl. 112; Bd. 3, Bl. 26).Randnummer6

Im Jahre 2009 sollte auf Wunsch von Herrn P. die Treugeberstellung von der T. GmbH auf die Klägerin übertragen werden. Zu diesem Zweck schlossen die Parteien sowie die T. GmbH am 13.11.2009 einen notariell beurkundeten Treuhandvertrag, in dem sämtliche Rechte der T. GmbH aus dem Treuhandvertrag I abgetreten wurden, vorsorglich die Treugeberstellung in der Person der Klägerin neu begründet wurde und für den Fall der Kündigung des Treuhandvertrags die antizipierte Abtretung des Gesellschaftsanteils an die Klägerin erklärt wird („Treuhandvertrag II“). Gleichzeitig wurde das Stammkapital der F. GmbH von 25.000 Euro aufgeteilt in einen Geschäftsanteil Nr. 1 (Nennbetrag 20.000,00 Euro) und einen Geschäftsanteil Nr. 2 (5.000,00 Euro). Das Treuhandverhältnis zur Klägerin bezog sich auf den Geschäftsanteil Nr. 1. Den Geschäftsanteil Nr. 2 hält bis heute die Beklagte.Randnummer7

Mit Schreiben vom 16.08.2011 (Anlage K5) erklärte ein Herr Dr. Z. unter Berufung auf eine ihm durch Herrn P. erteilte Untervollmacht in Vertretung der Klägerin die Kündigung des Treuhandvertrags II, was die Streithelferin unter Hinweis auf die nicht ausreichend nachgewiesene Vollmacht zurückweisen ließ. Mit Schreiben vom 25.08.2011 (Anlage K5) erklärte die Beklagte die Anfechtung des Treuhandvertrags II wegen arglistiger Täuschung und Irrtums, da Herr P. über das Vorhandensein von drei weiteren hinter ihm stehenden Investoren getäuscht habe und nur so eine Beteiligungsquote von 80:20 zustande gekommen sei. Mit Schreiben vom 26.08.2011 (K6) erklärte die Klägerin nochmals die Kündigung des Treuhandvertrags II.Randnummer8

Durch den Notar K., der den Treuhandvertrag II beurkundet hatte, ließ die Klägerin eine Gesellschafterliste vom 24.08.2011 beim Handelsregister einreichen, die sie als Inhaberin des Geschäftsanteils Nr. 1 auswies. Daraufhin reichte Herr S. als Geschäftsführer der F. GmbH am 2.09.2011 eine Gesellschafterliste beim Handelsregister ein, wonach die Beklagte alleinige Gesellschafterin sein sollte.Randnummer9

Die Klägerin erwirkte am 09.09.2011 gegen die Beklagte eine einstweilige Verfügung des LG Frankfurt a.M. – 3-13 O 86/11 (Anlage K 9), mit der der zuletzt eingereichten Gesellschafterliste ein Widerspruch zugeordnet wurde, soweit die Klägerin dort als Inhaberin des Geschäftsanteils Nr. 1 ausgewiesen war.Randnummer10

Am 20.10.2011 fand – ohne dass die Klägerin eingeladen oder unterrichtet war – eine Gesellschafterversammlung der F. GmbH statt. Mit den Stimmen der als Alleingesellschafterin auftretenden Beklagten wurde der Gesellschaftsvertrag der Beklagten u.a. wie folgt geändert (Bd. 1, Bl. 6 f.; Anlagen K10 bis K12),Randnummer11

– § 11 (3): Quorum für die Beschlussfähigkeit einer Gesellschafterversammlung (85 % statt vormals 75 %)Randnummer12

– § 11 (4): der Geschäftsführer als (regelmäßiger) Versammlungsleiter (vormals: Versammlung wählt mit Stimmenmehrheit Vorsitzenden)Randnummer13

– § 11 (2): Gesellschafterbeschlüsse sind grundsätzlich mit einer Mehrheit von 85 % der Stimmen zu fassen (vormals: 85%-Quorum nur für bestimmte Beschlussfassungen).Randnummer14

Die Änderungen des Gesellschaftsvertrags wurden am 29.11.2011 im Handelsregister eingetragen.Randnummer15

Mit einem seit dem 28.07.2016 rechtskräftigem Urteil des LG Frankfurt a.M. vom 27.06.2012 – 3-13 O 95/11 wurde im Verhältnis der Parteien festgestellt, dass die Klägerin Inhaberin des Gesellschaftsanteils Nr. 1 ist. Zudem wurde die Beklagte verurteilt, alle zum Hinwirken auf eine korrigierte Gesellschafterliste erforderlichen Erklärungen gegenüber der F. GmbH abzugeben. Gleichwohl erteilte die Beklagte keine Zustimmung zur Einreichung der neuen Gesellschafterliste. Ebenso weigerte sich die durch Herrn S. als Geschäftsführer vertretene F. GmbH an einer Berichtigung der Gesellschafterliste mitzuwirken. Die Klägerin gelang es schließlich am 10.07.2014 durch den Notar K. eine Gesellschafterliste beim Handelsregister aufnehmen zu lassen, welche sie als Inhaberin des Gesellschaftsanteils Nr. 1 ausweist. Den erneuten Versuch der durch Herrn S. vertretenen F. GmbH eine abermals geänderte Gesellschafterliste einzureichen wies das AG Charlottenburg als Registergericht mit einem Beschluss vom 20.07.2017 (Anlage K 19) zurück.Randnummer16

Mit ihrer am 08.09.2017 beim Landgericht eingegangenen und am 05.12.2017 zugestellten Klage verlangt die Klägerin von der Beklagten einer Änderung des Gesellschaftsvertrags zuzustimmen, mit der die am 20.10.2011 beschlossenen Änderungen rückgängig gemacht werden sollen. Das Landgericht hat die Klage mit dem angefochtenen Urteil vom 11.10.2018 abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass der Beschluss vom 20.10.2011 durch Zeitablauf gemäß § 242 Abs. 2 Satz 1 AktG entsprechend geheilt sei, was im Hinblick auf den Normzweck der Regelung auch einen Anspruch auf Zustimmung zur Aufhebung des Beschlusses ausschließe. Auf die tatsächlichen Feststellungen des Urteils wird Bezug genommen,Randnummer17

Gegen das ihren Prozessvertretern am 13.11.2018 zugestellte Urteil hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 6.12.2018 (Eingang beim Kammergericht am 7.12.2018) Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 14.02.2019 (Eingang vorab per Fax am selben Tag) innerhalb der bis dahin verlängerten Frist zur Berufungsbegründung begründet.Randnummer18

Die Klägerin ist der Auffassung, sie sei mit Kündigung des Treuhandvertrags II Inhaberin des Geschäftsanteils zur Nr. 1 der F. GmbH geworden. Mit der am 20.10.2011 beschlossenen Änderung des Gesellschaftsvertrags habe die Beklagte ihre Pflichten aus dem Treuhandvertrag verletzt, um sich für die Zeit nach der Beendigung des Treuhandvertrags eine Blockademöglichkeit zu verschaffen. Hierin liege zugleich eine vorsätzliche und sittenwidrige Schädigung. Im Wege des Schadensersatzes könne sie, die Klägerin, von der Beklagten eine Zustimmung dahin verlangen, dass die streitgegenständlichen Satzungsänderungen, die auf die Beschlüsse vom 20.10.2011 zurückgehen, abgeändert werden und insofern der Stand des Gesellschaftsvertrages wie vor den Beschlüssen vom 20.10.2011 hergestellt wird. Von den Änderungen des Gesellschaftsvertrages habe sie, die Klägerin, erst Ende November 2016 erfahren (Bd. 1, Bl. 100).Randnummer19

Die Klägerin beantragt (Bd. 2, Bl. 110):Randnummer20

Das Urteil des Landgerichts Berlin vom 11. Oktober 2018, Aktenzeichen 104 O 79/17, wird aufgehoben.Randnummer21

Die Beklagte wird verurteilt, der Änderung der §§ 11 (3) Satz 1, (4) Sätze 2 und 3, und 12(2) des Gesellschaftsvertrags der F. GmbH mit Sitz in Berlin, eingetragen im Handelsregister beim Amtsgericht Charlottenburg (Berlin) unter HRB … B, in die folgenden Fassungen zuzustimmen:Randnummer22

§ 11 (3) Satz 1:
„Eine Gesellschafterversammlung ist nur beschlussfähig, wenn mindestens 75% des Stammkapitals vertreten sind. Sind weniger als 75% des Stammkapitals vertreten, ist unter Beachtung von Abs. 2 eine neue Gesellschafterversammlung mit gleicher Tagesordnung einzuberufen.“Randnummer23

§ 11 (4) Sätze 2 und 3:
„Die Versammlung wählt mit Mehrheit der abgegebenen Stimmen einen Vorsitzenden. Dieser leitet die Versammlung.“Randnummer24

§ 12 (2):
„Gesellschafterbeschlüsse werden mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen gefaßt, soweit nicht in Gesetz oder Gesellschaftsvertrag eine andere Mehrheit vorgesehen ist. Folgende Gesellschafterbeschlüsse sind mit einer Mehrheit von 85% zu fassen:Randnummer25

a) Änderung des Gesellschaftsvertrages;
b) Änderung des Gegenstands der Gesellschaft;
c) Geschäftsführerbestellung und -abberufung;
d) Kreditaufnahmen und Wechselverpflichtungen, soweit diese EUR 100.000 im Einzelfall und EUR 250.000 kumuliert übersteigen.“Randnummer26

Die Beklagte beantragt,Randnummer27

die Berufung zurückzuweisen.Randnummer28

Die Beklagte behauptet, Herr P. habe Herrn S. über das Vorhandensein von drei weiteren Investoren, die angeblich zwingend zu beteiligen waren, weil der Erwerb der B. GmbH ansonsten nicht zustande kommen wäre, getäuscht (Bd. 1, Bl. 47 ff.). Nur so sei es zur Abweichung von der bisher bei den gemeinsamen Investments stets gehandhabten 50:50-Regel gekommen (Bd. 1, Bl. 48). Bei Kenntnis vom Vorhandensein tatsächlich nur zweier Investoren (P., S.) hätte Herr S. dementsprechend auf einen hälftigen Anteil bestanden. Aufgrund der erklärten Anfechtung sei der notarielle Treuhandvertrag vom 13.11.2009 nichtig, weshalb die Klägerin auch nicht Inhaberin des in Rede stehenden Geschäftsanteils geworden sei und auch keine Schadensersatzansprüche aus dem Treuhandverhältnis herleiten können. Schließlich seien etwaige Schadensersatzansprüche jedenfalls auch verjährt.

B.

Die zulässige Berufung der Klägerin hat in der Sache Erfolg, da die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen, § 513 Abs. 1 ZPO. Denn die zulässige Klage ist begründet.

I.

Die Klage ist zulässig.Randnummer31

Der Klägerin fehlt insbesondere nicht deshalb das Rechtsschutzbedürfnis für die vorliegende Klage, weil sie mit den Mitteln des Beschlussmängelrechts ihr Rechtsschutzziel ggfs. auf einfachere oder weitergehende Weise verfolgen könnte.Randnummer32

Dabei kann dahinstehen, ob der Beschluss vom 20.10.2011 aufgrund eines Einladungsmangels (weil die Klägerin bereits seinerzeit Gesellschafterin war) oder aufgrund Sittenwidrigkeit (weil die ohne Einladung der Klägerin gefassten Beschlüsse diese schädigten) als nichtig anzusehen war.Randnummer33

Da der Beschluss vom 20.10.2011 bereits mehr als 3 Jahre im Handelsregister eingetragen ist, wäre ein auf dem Einladungsmangel beruhender Beschlussmangel jedenfalls analog § 242 Abs. 2 AktG geheilt. Aufgrund der Heilung kann eine Nichtigkeitsfeststellungsklage deshalb keinen Erfolg mehr haben. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf das heute verkündete Urteil des Senats in dem Parallelverfahren 2 U 81/18 Bezug genommen.

II.

Die zulässige Klage ist auch begründet. Die Klägerin kann, wie beantragt, von der Beklagten im Wege des Schadensersatzes verlangen, daran mitzuwirken, die durch den Beschluss vom 20.10.2011 herbeigeführten Satzungsänderungen mit Wirkung für die Zukunft rückgängig zu machen. Ein entsprechender Schadensersatzanspruch besteht jedenfalls auf deliktischer Grundlage (§§ 823 Abs. 1, 826 BGB), so dass es auf Pflichtverletzungen im Zusammenhang mit dem Treuhandverhältnis und eine mögliche Anfechtung des Treuhandvertrags nicht mehr entscheiden ankommt. Im Einzelnen:Randnummer35

Ein etwaiger Vorrang des Beschlussmängelrechts steht dem Anspruch nicht entgegen (1.). Ein entsprechender Anspruch überschreitet auch nicht die Grenzen zulässiger Stimmpflichten (2.). Ferner ist davon auszugehen, dass der Klägerin durch die Beschlussfassung ein Schaden entstanden ist (3.). Ob ein entsprechender Anspruch bereits aus der Verletzung (nachwirkender) Pflichten aus dem Treuhandvertrag II folgt (§§ 675, 280 Abs. 1, 249 Abs. 1 BGB), oder dieser wirksam angefochten ist und ob ein entsprechender Anspruch ggfs. verjährt wäre (4.), muss nicht entschieden werden. Denn die Klägerin kann die Rückgängigmachung jedenfalls aufgrund eines deliktischen Schadensersatzanspruchs (§§ 823 Abs. 2, 826, 249 BGB) fordern. Sollte dieser verjährt sein, wäre die Mitwirkung an der verlangten Änderung des Gesellschaftsvertrags zumindest noch gemäß § 852 Satz 1 BGB geschuldet ist (5.). Der Anspruch ist schließlich auch nicht unter den rechtlichen Gesichtspunkten des Mitverschuldens nach § 254 BGB (6.) oder der Verwirkung nach § 242 BGB (7.) ausgeschlossen.Randnummer36

1. Dem Anspruch steht nicht entgegen, dass die seinerzeitigen Änderungen des Gesellschaftsvertrages mit einem nicht mehr durch Beschlussmängelklagen angreifbaren (bestandskräftigen) Beschluss vom 20.10.2011 vollzogen wurden. Die Bestandskraft des Beschlusses vom 20.10.2011 schließt den streitgegenständlichen Anspruch nicht aus.Randnummer37

Allerdings wird z.T. angenommen, dass bei verfristeten Anfechtungs- und Nichtigkeitsfeststellungsklagen anderweitige (Schadensersatz-)Ansprüche wegen pflichtwidriger Gesellschafterbeschlüsse grundsätzlich ausgeschlossen sein müssten. So wird in der Literatur mit Hinweis auf die rechtsbefriedende Funktion der Anfechtungsfrist, sowie mit Hinweis auf die Anliegen von Rechtssicherheit und Rechtsklarheit vertreten, dass in diesen Fällen ein Schadensersatzanspruch nicht mehr geltend gemacht werden könne (MüKoGmbHG/Merkt, 3. Aufl. 2018, GmbHG § 13 Rn. 208 f.; BeckOGK/Casper, 1.6.2021, AktG § 242 Rn. 12). Danach sollen nicht nur Ansprüche wegen Umsetzung oder Ausnutzung des bestandskräftigen Beschlusses ausgeschlossen sein. Vielmehr wird z.T. ausdrücklich auch vertreten, dass Ansprüche wegen Herbeiführung des streitigen – geheilten – Beschlusses eingeschränkt sein müssten. So soll ein Anspruch auf Naturalrestitution (§ 249 S. 1 BGB) mit dem Ziel, den Beschluss zu beseitigen, nach wohl h.M. ausscheiden. Denn dies passe wiederum nicht zu dem von dem Gesetzeszweck mitumfassten Aspekt der Rechtsbefriedung und Rechtsklarheit (BeckOGK/Casper, 1.6.2021 Rn. 17, AktG §242 Rn. 17). Allenfalls in Fällen schweren Rechtsmissbrauchs bzw. einer sittenwidrigen Schädigung i.S.v. § 826 BGB könnten sich Ansprüche ergeben (MüKoGmbHG/Wertenbruch, nach § 47 Rn. 322, beck-online).Randnummer38

Demgegenüber wird aber auch vertreten, dass ein vollständiger Ausschluss jedes Schadensersatzes, nur weil die unverzügliche Anfechtung versäumt wurde, nicht sachgerecht sei (K. Schmidt in: Scholz, GmbHG, 12. Aufl. 2018 ff., § 47 GmbHG, Rn. 33). Dabei wird darauf hingewiesen, dass die Geltendmachung von Nichtigkeitsgründen außerhalb des Beschlussmängelrechts unbedenklich sei, solange dies mit der Wirksamkeit des Beschlusses zu vereinbaren sei (K. Schmidt, JZ 1987, 983, 984). Insbesondere weil ein auf Aufhebung eines pflichtwidrig herbeigeführten (bestandskräftigen) Beschlusses gerichteter Schadensersatzanspruch nur für die Zukunft wirke, drohe keine Umgehung des Beschlussmängelrechts (umfassend Emde, ZIP 2000, 1753 für dort sog. „Restitutionsansprüche“).Randnummer39

In der Rechtsprechung ist die vergleichbare Frage, ob bei Treuepflichtverletzung im Abstimmungsverhalten Schadenersatzansprüche grds. nur bei Anfechtung des zugrunde liegenden Beschlusses geltend gemacht werden können, vom Bundesgerichtshof für die Aktiengesellschaft offen gelassen worden (BGH, Urteil vom 20. März 1995 – II ZR 205/94 –, BGHZ 129, 136-177, Rn. 54), wobei allerdings nach dem BGH Ausnahmen für den Fall in Betracht kommen sollen, dass die Anfechtungsklage den Eintritt des Schadens ohnehin nicht mehr verhindern kann (a.a.O.).Randnummer40

Jedenfalls für Fallgestaltungen wie der vorliegenden, in welchen im Wege des Schadensersatzes Rückgängigmachung einer pflichtwidrig herbeigeführten Satzungsänderung mit Wirkung für die Zukunft verlangt wird (hier sog. Restitutionsansprüche), steht die Bestandskraft des die Satzungsänderungen ursprünglich herbeiführenden Beschlusses einem entsprechenden Anspruch nach Auffassung des Senats nicht entgegen. Hierfür lassen sich eine Reihe von Gründen anführen:Randnummer41

a) Schon der Wortlaut des § 242 Abs. 2 Satz 1 AktG spricht dafür, dass der Verfristung von Beschlussmängelklagen keine zwingende Beschränkungswirkung für Restitutionsansprüche, d.h. inhaltlich auf Aufhebung von bestandskräftigen Beschlüssen gerichteten Ansprüchen zukommt. Nach dem Wortlaut von § 242 Abs. 2 AktG kann „die Nichtigkeit“ nicht mehr geltend gemacht werden, was sich auf den Hauptversammlungsbeschluss bzw. vorliegend den Beschluss der Gesellschafterversammlung bezieht. Damit ist schon im Wortlaut der Vorschrift nicht angelegt, dass weitergehende Ansprüche aufgrund der Umstände der Beschlussfassung, mit denen gerade nicht die Nichtigkeit eines Beschlusses geltend gemacht wird (sondern im Gegenteil die Bestandskraft des Beschlusses gerade vorausgesetzt wird), zwingend ausscheiden müssen.Randnummer42

b) Der Normzweck des § 242 Abs. 2 Satz 1 AktG erfordert es ebenfalls nicht, dass der Verfristung von Beschlussmängelklagen eine zwingende Beschränkungswirkung bzgl. Restitutionsansprüchen zukommen müsste. Zwar zielt die mit § 242 Abs. 2 AktG einhergehende Bestandskraft gerade darauf ab, für alle Teilnehmer am Rechtsverkehr Rechtssicherheit zu schaffen. Nach Fristablauf soll ohne Rücksicht auf die persönlichen Verhältnisse eines Interessierten oder Betroffenen, innerhalb wie außerhalb der Gesellschaft, allgemein verlässlich feststehen, dass der Beschluss Bestand hat (vgl. BGH, Urteil vom 20. Februar 1984 – II ZR 116/83 –, Rn. 15, juris). Die durch die Regelung bezweckte Rechtssicherheit wird aber durch zwischen den Gesellschaftern unberührt bleibende Ansprüche dahin, bestimmte Änderungen der Beschlusswirkungen für die Zukunft vorzunehmen, gerade nicht berührt, da die Bestandskraft des Beschlusses für die Vergangenheit damit nicht in Frage steht und der Rechtsverkehr kein schützenswertes Vertrauen darin haben kann, dass es für die Zukunft nicht zu Änderungen des Gesellschaftsvertrages kommen kann bzw. weil dies ohnehin nicht „allgemein verlässlich feststehen“ kann (instruktiv Emde, ZIP 2000, 1753, 1757). Auch bei Bejahung eines Restitutionsanspruchs bleiben etwaige zwischenzeitlich auf Grundlage der (später für die Zukunft aufzuhebenden) Beschluss- bzw. Satzungslage entstandene Sachverhalte zudem grundsätzlich unberührt.Randnummer43

c)Auch systematische Erwägungen sprechen nicht dafür, dass der Verfristung von Beschlussmängelklagen eine zwingende Beschränkungswirkung bzgl. Restitutionsansprüchen zukommen müsste. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass es vorliegend nicht um eine Umgehung der 3-Jahresfrist bzw. des ausdifferenzierten Instrumentariums des Beschlussmängelrechts geht. Dies deshalb, weil sich der Restitutionsanspruch vielmehr notwendigerweise darauf stützt, dass der zugrunde liegende Beschluss wirksam ist und auch hinsichtlich der Rechtsfolge (Beseitigung der Wirkung für die Zukunft) nicht mit der Anfechtungs- bzw. Nichtigkeitsfeststellungsklage (rückwirkende Vernichtung der Wirksamkeit des Beschlusses) konkurriert. Der Restitutionsanspruch ist vielmehr Spiegelbild des von § 242 Abs. 2 Satz 1 AktG ohnehin nicht antastbaren Rechts der Gesellschafterversammlung, jeden Beschluss zu jeder Zeit durch einen „actus contrarius“ aufzuheben (Emde, ZIP 2000, 1753, 1757).Randnummer44

Nicht in Frage gestellt wird ferner, dass nach dem Bundesgerichtshof etwaige Anfechtungsgründe überhaupt nur im Wege der Anfechtungsklage, nicht aber incidenter in einem anderen Rechtsstreit geltend gemacht werden können (BGH, Urteil vom 25. November 2002 – II ZR 69/01 –, Rn. 18, juris), was auf die Geltendmachung der NichtigkeitBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Geltendmachung der Nichtigkeit
Nichtigkeit
zu übertragen ist. Denn vorliegend geht es nicht um die Geltendmachung von Anfechtungsgründen bzw. der Nichtigkeit eines Beschlusses. Im Gegenteil stützt sich der klägerische Anspruch gerade darauf, dass der Beschluss vom 20.10.2011 nunmehr wirksam ist, und aufgrund der hiervon zu trennenden Pflichtverletzung der Beklagten ein Anspruch dahin besteht, die Beschlusswirkungen für die Zukunft abzuändern.Randnummer45

Für die hier vertretene Auffassung spricht schließlich, dass es auch im originären Anwendungsbereich von § 242 Abs. 2 AktG dabei bleibt, dass eine Löschung von Amts wegen trotz Bestandskraft mit Wirkung ex nunc erfolgen kann (BGH, Urteil vom 19. Juni 2000 – II ZR 73/99 –, Rn. 11, juris), d.h. dass die Heilung keinen absoluten Bestandsschutz zur Folge hat, vielmehr nachträgliche Änderungen bereits in der gesetzlichen Regelung angelegt sind (Emde, ZIP 2000, 1753, 1755).Randnummer46

Zwar mag es aus Vereinfachungsgründen und Gründen der Rechtsklarheit wünschenswert erscheinen, wenn ein Gleichlauf zwischen der Frist des § 242 Abs. 2 Satz 1 AktG bzw. der Bestandskraft des maßgeblichen Beschlusses und dem Ausschluss von Restitutionsansprüchen besteht, sofern die Nichtigkeits- bzw. anspruchsbegründenden Umstände letztlich – wie vorliegend – einen einheitlichen Lebenssachverhalt bilden. Insofern ist auch anerkannt, dass die der Entstehung eines (anfechtbaren oder nichtigen) Beschlusses zugrundeliegenden Umstände einen einheitlichen Lebenssachverhalt darstellen (BGH, Urteil vom 22. Juli 2002 – II ZR 286/01 –, Rn. 14, juris). Dieses, für sich genommen nicht schwerwiegende Argument der Rechtsklarheit steht aber der Gedanke der Anspruchskonkurrenz entgegen, zumal die Konsequenz (Ausschluss von Restitutionsansprüchen bei Bestandskraft) wie bereits ausgeführt weder im Wortlaut des § 242 Abs. 2 Satz 1 AktG angelegt sind noch durch den Sinn und Zweck der Vorschrift gerechtfertigt werden können und auch materielle Gerechtigkeitserwägungen nicht hierfür sprechen (das Festhalten an pflichtwidrig herbeigeführten schädigenden Beschlüssen vielmehr begründungsbedürftig ist).Randnummer47

d) Die hier vertretene Auffassung ist auch mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vereinbar und wird von dieser gestützt.Randnummer48

Zwar hat der Bundesgerichtshof ausgesprochen, dass nach Verfristung von Beschlussmängelklagen, ohne Rücksicht auf die persönlichen Verhältnisse eines Interessierten oder Betroffenen, innerhalb wie außerhalb der Gesellschaft, allgemein verlässlich feststehen soll, dass der Beschluss Bestand hat (BGH, Urteil vom 20. Februar 1984 – II ZR 116/83 –, Rn. 15, juris). Wie aufgezeigt, stellen Restitutionsansprüche mit Wirkung für die Zukunft die Bestandskraft aber gerade nicht in Frage, sondern setzen diese voraus. Sofern der Bundesgerichtshof für den Fall einer sittenwidrigen Ausnutzung eines (bestandskräftigen) Einziehungsbeschlusses besondere Anforderungen formuliert hat, in welchen Fällen der sittenwidrigen Ausnutzung des (bestandskräftigen) Beschlusses die Einrede unzulässiger Rechtsausübung entgegen gehalten werden kann und die Situation mit der Fallgruppe des Durchbrechens der Rechtskraft von Urteilen verglichen hat (BGH, Urteil vom 01. Juni 1987 – II ZR 128/86 –, Rn. 7, juris), folgt hieraus gerade nicht, dass Restitutionsansprüche nur unter entsprechend restriktiven Voraussetzungen bzw. in entsprechend krassen Fällen bestehen könnten. Denn Restitutionsansprüche durchbrechen die Bestandskraft von Beschlüssen gerade nicht, sondern legen diese sogar zugrunde (und führen lediglich zu einer Änderung der Beschlusswirkung für die Zukunft), während es in der vom Bundesgerichtshof mit Hinweis auf § 826 BGB entschiedenen Konstellation gerade darum ging, dass die Bestandskraft des Beschlusses in Frage gestellt (bzw. durchbrochen) wurde.Randnummer49

2. Der streitgegenständliche Anspruch impliziert zudem nicht einen ungebührlichen Eingriff in die Entschließungsfreiheit des so verpflichteten Gesellschafters in Form einer unzulässigen Stimmpflicht.Randnummer50

Zwar ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung anerkannt, dass aus der Treupflicht die Verpflichtung des Gesellschafters zu einer bestimmten Stimmabgabe nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen hergeleitet werden kann, z.B. für bestimmte Fälle der Anpassung des Gesellschaftsvertrages an veränderte Umstände (vgl. BGH, Urteil vom 20. März 1995 – II ZR 205/94, Rn. 31, juris; Urteil vom 10. Juni 1965 – II ZR 6/63, Rn. 13, juris, sowie Urteil vom 25. September 1986 – II ZR 262/85, Rn. 13). Ein entsprechend restriktives Verständnis findet sich auch in der Literatur (vgl. Karsten Schmidt in: Scholz, GmbHG, 12. Aufl. 2018 ff., § 47 GmbHG, Rn. 31: Es geht um Fälle, bei denen ein bestimmter Beschluss im Interesse der GesellschaftBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Gesellschaft
im Interesse der Gesellschaft
oder der Mitgesellschafter objektiv unabweisbar notwendig und subjektiv auch für den widerstrebenden Gesellschafter zumutbar ist). Diese Einschränkungen betreffen aber die Herleitung von Stimmpflichten aus der allgemeinen Treupflicht der Gesellschafter untereinander und können schon nicht ohne weiteres auf die sich im Wege eines Schadensersatzanspruchs ergebenden Stimmpflichten übertragen werden.Randnummer51

Soweit in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Aktiengesellschaft ferner zum Ausdruck kommt, dass die Gesellschafter nicht wegen nur leicht fahrlässiger Verkennung der Sach- oder Rechtslage zur Haftung für ihre Stimmrechtsausübung heranzuziehen sein dürften, weil sie sonst von ihren Gesellschafterrechten nicht mehr oder nur noch eingeschränkt Gebrauch machen würden (BGH, Urteil vom 20. März 1995 – II ZR 205/94, Rn. 59, juris), spricht diese Erwägung vorliegend schon deswegen nicht gegen den geltend gemachten Anspruch, weil die Beklagte die Klägerin seinerzeit vorsätzlich geschädigt hat (vgl. dazu unten B. II. 5.) b) aa)). Ein bedenkenswerter nur eingeschränkter Gebrauch der Stimmrechtsausübung droht in der personalistisch strukturierten Gesellschaft im Übrigen nicht schon deshalb, weil ein Gesellschafter fürchten muss, dass die von ihm in pflichtwidriger Weise und unter Ausschluss des anderen Gesellschafters beschlossenen Änderungen des Gesellschaftsvertrags schlicht mit Wirkung für die Zukunft wieder rückgängig zu machen sind.Randnummer52

3. Der Klägerin ist aufgrund der Beschlussfassung vom 20.10.2011 auch ein Schaden entstanden.Randnummer53

Denn durch den satzungsändernden Beschluss vom 20.10.2011, mit welcher das Quorum für die Beschlussfähigkeit sowie die Fassung bestimmter Beschlüsse von 75 % auf 85 % erhöht wurde, ist der Wert des 80%-Gesellschaftsanteils der Klägerin gemindert. Denn u.a. sind die damit einhergehenden Stimmrechte durch die Änderung der Quoren beeinträchtigt, was die Interessen der Klägerin beeinträchtigt und was für die Annahme eines Schadens genügt, wie dies auch die Klägerin substantiiert dargelegt hat (Bd. 1, Bl. 117 f., Bd. 2, Bl. 116 ff.) und was die Beklagte mit ihren Ausführungen hierzu (Bd. 1, Bl. 167 ff., Bd. 2, Bl. 36 ff.) nicht zu entkräften vermochte. Der Hinweis der Beklagten darauf, dass schon immer bestimmte schwerwiegende Beschlüsse eine Mehrheit von 85 % der Stimmen bedurften (Bd. 1, Bl. 66 f.), vermag nichts daran zu ändern, dass eine Ausweitung des 85 % Quorums auf sämtliche Beschlussgegenstände die Klägerin erheblich benachteiligt. Gerade Weisungen an den Geschäftsführer der F. GmbH betreffend das operative Geschäft der Tochter B. GmbH können so nicht mehr einseitig getroffen werden (Bd. 1, Bl. 115). Eine Beeinträchtigung der klägerischen Gesellschafterstellung ergibt sich zudem auch aus der Erhöhung des Beschlussfähigkeitsquorums von 75 % auf 85 %. Nicht gefolgt werden kann der Beklagten zudem darin, dass (die geänderten) Bestimmungen zur Versammlungsleitung faktisch keine Beeinträchtigung der Interessen der Klägerin darstellen könnten (Bd. 1, Bl. 66). Dabei ist zu berücksichtigen, dass durch die Neuregelung der Geschäftsführer der F. GmbH, d.h. Herr S., regelmäßiger Versammlungsleiter werden konnte. Angesichts dessen, dass nach dem übereinstimmenden Parteivortrag der der ganzen Auseinandersetzung zugrundeliegende Streit auf eine vermeintliche Täuschung des Herrn S. durch Herrn P. hinausläuft, beeinträchtigt dies berechtigte Interessen der Klägerin, da sie zumindest befürchten musste, die Versammlungsleitung würde nicht unvoreingenommen durchgeführt werden.Randnummer54

Dass die Klägerin überhaupt bereits seinerzeit (am 20.10.2011) Inhaberin des Geschäftsanteils Nr. 1 war und insofern geschädigt werden konnte, ist zugrunde zu legen. Denn dies steht zwischen den Parteien schon aufgrund der Bindungswirkung des ebendies feststellenden (rechtskräftigen) Urteils des Landgerichts Frankfurt a.M. vom 27.06.2012 – 3-13 O 05/11 (Anlage K13) fest. Denn gemäß § 325 Abs. 1 ZPO wirkt ein rechtskräftiges Urteil für und gegen die Parteien. Anders als die Beklagte meint, bezieht sich die so verbindliche Feststellung zudem nicht erst auf das Verhältnis der Parteien ab Rechtskraft des genannten Urteils seit dem 28.7.2016. Dem steht nicht entgegen, dass sich das Urteil des LG Frankfurt a.M. im Tenor – insofern nicht ungewöhnlich – nicht zur zeitlichen Wirksamkeit des Feststellungsausspruchs verhält. Denn wenn die Urteilsformel allein nicht ausreicht, um den Umfang der Rechtskraft zu bestimmen, sind zur Auslegung der Urteilsformel der Tatbestand und die Entscheidungsgründe, erforderlichenfalls auch das Parteivorbringen, heranzuziehen (BGH, Urteil vom 24. Juli 2014 – I ZR 27/13 –, juris). Vorliegend ergibt sich bereits aus den Entscheidungsgründen der Urteile sowohl des LG als auch das OLG FrankfurtBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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a.M. eindeutig, dass die Klägerin ihre Gesellschafterstellung aufgrund der zweiten Kündigungserklärung des Treuhandvertrags II und aufgrund der im Treuhandvertrag II für den Fall der Kündigung festgehaltenen Abtretung des Gesellschaftsanteils „mit Wirkung ab dem Tag der Absendung der Kündigung“ (Urteilsumdrucke Anlage K13, S. 6 bzw. Anlage K14, S. 7 f.), d.h. vorliegend bereits mit Wirkung ab dem 26.08.2011, erlangt hat. Für die Rechtsansicht der Beklagten, die Feststellungswirkungen bezögen sich erst auf die Zeit ab Rechtskraft, finden sich hingegen keine Anhaltspunkte.Randnummer55

4. Dass unter Berücksichtigung des Vorgenannten die geforderte Mitwirkung auch als Schadensersatz wegen einer Verletzung von Pflichten aus dem Treuhandvertrag II gem. §§ 675, 280 Abs. 1, 249 Abs. 1 BGB verlangt werden kann, erscheint naheliegend, kann aber letztlich offenbleiben. Insbesondere muss nicht entschieden werden, ob die Frage einer möglichen Anfechtung des Treuhandvertrags nach §§ 119, 123 BGB durch die Beklagte ebenfalls noch von der Bindungswirkung des zwischen den Parteien ergangenen Feststellungsurteils umfasst ist oder ob es sich hierbei lediglich um eine präjudizielle Vorfrage handelt, die nicht an der materiellen Rechtskraft der Entscheidung teilhat (vgl. Zöller/G. Vollkommer, ZPO, 33. Aufl. 2020, vor § 322 Rn. 31 und 36 m. w. N.). Ebenso wenig muss entschieden werden, ob die Beklagte die für eine Anfechtung des Treuhandvertrags notwendige Kausalität eines möglichen Irrtums und die Arglist der Klägerin hinreichend dargelegt hätte, woran ganz erhebliche Zweifel bestehen, worauf der Senat bereits mit seiner Verfügung vom 26.08.2021.Randnummer56

Schließlich kann auch offenbleiben, ob die Beklagte die aufgrund einer Verletzung des Treuhandverhältnisses geschuldete Mitwirkung an der Rückgängigmachung der streitgegenständlichen Änderungen des Gesellschaftsvertrages im Hinblick auf die erhobene Einrede der Verjährung (§ 194 Abs. 1 BGB) verweigern könnte. Denn der streitgegenständliche Anspruch folgt unabhängig von einer etwaigen (Regel-)Verjährung eines solchen Anspruchs jedenfalls aus § 852 Satz 1 BGB (dazu gleich).Randnummer57

5. Die Klägerin kann die begehrten Satzungsänderungen unabhängig von einer etwaigen Verjährung des erörterten vertraglichen Schadensersatzanspruchs im Wege des sog. Restschadensersatzanspruchs nach § 852 Satz 1 BGB verlangen.Randnummer58

Denn nach § 852 Satz 1 BGB ist der Ersatzpflichtige, der durch eine unerlaubte Handlung auf Kosten des Verletzten etwas erlangt hat, auch nach Eintritt der Verjährung des Anspruchs auf Ersatz des aus einer unerlaubten Handlung entstandenen Schadens zur Herausgabe nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung verpflichtet. Die entsprechenden Voraussetzungen liegen vor.Randnummer59

a) Aufgrund der Beschlussfassung vom 20.10.2011 und der dort veranlassten Satzungsänderungen hat die Beklagte „etwas erlangt“ i.S.v. § 852 BGB. Denn sie hat ihre Gesellschafterstellung damit (auf Kosten der Gesellschafterstellung der Klägerin) gestärkt.Randnummer60

Im Rahmen des § 852 BGB ist das Merkmal „etwas“ wie in § 812 Abs. 1 BGB zu verstehen, d.h. erfasst ist jede vermögenswerte Rechtsposition, die das Vermögen des Begünstigten irgendwie vermehrt (Rüßmann in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 9. Aufl., § 852 BGB (Stand: 01.02.2020), Rn. 5). Dabei ist nicht allein auf eine formale Betrachtung der ganz unmittelbar erlangten Rechtsposition abzustellen. Denn bei § 852 BGB handelt es sich nicht um einen Bereicherungsanspruch, sondern um einen sogenannten Restschadensersatzanspruch, also einen Anspruch aus unerlaubter Handlung, der (lediglich) in Höhe der Bereicherung nicht verjährt ist (BGH, Urteil vom 13. Oktober 2015 – II ZR 281/14 –, Rn. 32, juris). Für die Frage der Vermögensverschiebung ist eine wirtschaftliche Betrachtung maßgebend (OLG Karlsruhe, Urteil vom 09. Juli 2021 – 13 U 168/21 –, Rn. 74, juris). Zu § 852 BGB a.F. hat der Bundesgerichtshof entsprechend entschieden, dass auch der über mittels weiterer Zwischenschritte zugeflossene Vermögenszuwachs nach Ablauf der Verjährungsfrist herauszugeben ist, wenn die eingetretene Vermögensverschiebung letztlich durch die unerlaubte Handlung des Schädigers verursacht worden ist (Urteil vom 14. Februar 1978 – X ZR 19/76, Rn. 63 und Leitsatz 3).Randnummer61

Daher ist vorliegend nicht lediglich die abstrakte Stimmbefugnis zum Geschäftsanteil Nr. 1 erlangt worden, so dass nur diese Stimmbefugnis – die aber die Klägerin inzwischen ohnehin wieder innehat – herauszugeben wäre (so die Argumentation der Beklagten, Bd. 3, Bl. 69). „Erlangt“ hat die Beklagte vielmehr die aus der seinerzeitigen Stimmrechtsanmaßung aufgrund der dann erfolgten Beschlussfassung folgende Stärkung ihrer Gesellschafterposition, d.h. die streitgegenständlichen ihr vorteilhaften Satzungsänderungen. Insofern kann auf die insofern spiegelbildlichen Erwägungen oben Ziff. B. II. 3. zum Schaden der Klägerin verwiesen werden.Randnummer62

b) In der Mitwirkung an der streitgegenständlichen seinerzeitigen (die Klägerin schädigenden) Beschlussfassung lag auch eine unerlaubte Handlung der Beklagten i.S.v. § 852 Satz 1 BGB. Denn mit der Beschlussfassung hat die Beklagte die Klägerin vorsätzlich geschädigt (aa)), womit zum einen der Tatbestand des § 823 Abs. 1 BGB (bb)) als auch der des § 826 BGB erfüllt ist (cc)).Randnummer63

aa) Die Beklagte hat die Klägerin bei der Beschlussfassung vom 20.10.2011 vorsätzlich geschädigt.Randnummer64

Denn seinerzeit hielt es die Beklagte zumindest für möglich, dass die Klägerin aufgrund des gekündigten Treuhandvertrags II Mitgesellschafterin geworden ist, dennoch nahm sie die Möglichkeit, die Klägerin durch die Beschlussfassung vom 20.10.2011 pflichtwidrig zu schädigen, zumindest billigend in Kauf, was für einen Schädigungsvorsatz genügt (BGH, Urteil vom 28. Juni 2016 – VI ZR 536/15 –, Rn. 25, juris; BGH, Urteil vom 28. Juni 2016 – VI ZR 536/15 –, Rn. 25, juris). Der mindestens bedingte Schädigungsvorsatz ergibt sich zur Überzeugung des Senats aus einer ganzen Reihe von Umständen.Randnummer65

Zunächst hatte die Beklagte zum seinerzeitigen Zeitpunkt Kenntnis von der mittels einstweiliger Verfügung erfolgten Eintragung eines WiderspruchsBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Eintragung
Eintragung eines Widerspruchs
zum Geschäftsanteil Nr. 1. Bereits dies ist ein deutlicher Hinweis dafür, dass die Beklagte die Rechtslage erkennen konnte bzw. zumindest Zweifel an ihrem Rechtsstandpunkt gewinnen musste.Randnummer66

Vor allem aber spricht gerade der Beschluss vom 20.10.2011 selbst dafür, dass die Beklagte seinerzeit erkannte oder es zumindest für möglich hielt, dass die von ihr erklärte Anfechtung unerheblich bleiben würde und dass die Beklagte gerade für diesen Fall, wonach die Klägerin tatsächlich Mitgesellschafterin geworden wäre, vorsorglich die Gesellschafterrechte zum eigenen Gunsten verschieben wollte, d.h. eine Schädigung der Klägerin billigend in Kauf nahm. Bei lebensnaher Betrachtung lassen sich die streitgegenständlichen Änderungen des Gesellschaftsvertrages auch nur damit erklären, dass die (Mehrheits-) Gesellschafterstellung der Klägerin beeinträchtigt bzw. blockiert werden sollte und damit die Stellung der Beklagten für den Fall des Nichtbestehens des vermeintlichen Anfechtungsrechts, d.h. für den Fall der Wirksamkeit des Treuhandvertrags II und damit der Übertragung des GeschäftsanteilsBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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Übertragung
Übertragung des Geschäftsanteils
Nr. 1 auf die Klägerin, gestärkt werden sollte. Gerade die Heraufsetzung der Beschluss-Quoren auf über 80% lässt sich vernünftigerweise nur so erklären, dass die Beklagte zumindest in Kauf nahm und für möglich hielt, dass ihre Anfechtung rechtlich unerheblich bleiben musste. Zumal die Beklagte nach ihrem eigenen Vortrag davon ausging, den Treuhandvertrag angefochten zu haben, so dass es zur Gesellschafterstellung der Klägerin gar nicht gekommen wäre, die Änderungen also – hätte die Beklagte an den Erfolg ihrer Anfechtungserklärung geglaubt – nicht erforderlich sein konnten.Randnummer67

Für diese Schlussfolgerung sprechen zudem die zeitlichen Zusammenhänge, nachdem der Beschluss vom 20.10.2011 nur wenige Wochen nach der Eskalation des Gesellschafterstreits von der Beklagten gefasst wurde (Kündigung des Treuhandvertrags II durch die Klägerin, Anfechtung des Treuhandvertrags II durch die Beklagte, Änderung der Gesellschafterliste auf Veranlassung der Klägerin, Rückgängigmachung dieser Änderung durch den jedenfalls seinerzeit auch noch für die Beklagte eingetragenen Geschäftsführer S.). Es liegt nahe, dass der Beklagten unmittelbar vor Augen stand, dass die Klägerin alsbald die Lenkung der F. GmbH als Mehrheitsgesellschafter übernehmen würde und sie insofern Vorsorge traf.Randnummer68

Schließlich kann die Beklagte nicht darlegen, aus welchen sachlichen Gründen die zu Lasten der Klägerin gehenden Änderungen des Gesellschaftsvertrages – wenn nicht zu ihrer Schädigung – erfolgt sein sollten. Soweit sie darauf hinweist, dass ein Schutz der Minderheitsgesellschafter angesichts des Vorgehens der Klägerin in 2017 besonders erforderlich ist (Bd. 2, Bl. 37), begründet dies nicht die Erforderlichkeit der Änderungen in 2011. Sofern sie darauf verweist, dass nach dem Ausbruch des Gesellschafterstreits Beschlüsse gegen den Willen der Beklagten zu befürchten waren (Bd. 2, Bl. 41), liegt dies in der Natur der Sache ungleicher Beteiligungsverhältnisse und spricht gerade dafür, dass es darum ging, die Entscheidungsmacht der Klägerin zu schmälern. Soweit es darum gegangen sein soll, die Satzung an die geänderten Gegebenheiten einer Mehrpersonen-GmbH anzupassen (Bd. 1, Bl. 69) ist dies insofern nicht nachvollziehbar, als ein solches Szenario schon immer im Raum stand (bei Kündigung des Treuhandvertrags II). Zudem spricht gerade dies dafür, dass die Beklagte erkannte, dass ihre Anfechtung unbegründet war und sie hier gezielt unter Ausschluss der Klägerin und zu deren Schaden agierte. Denn bei Unterstellung, sie hätte auf die Wirksamkeit der Anfechtung vertraut, gäbe es keine Mehrpersonen-GmbH (die Beklagte wäre Alleingesellschafterin, als die sie in der Versammlung vom 20.10.2011 ja auch auftrat) und es gäbe auch keine Notwendigkeit einer entsprechenden Anpassung.Randnummer69

bb) Die vorsätzliche Schädigung der Klägerin durch die seinerzeitige Beschlussfassung erfüllt darüber hinaus den Tatbestand des § 823 Abs. 1 BGB.Randnummer70

Denn unter die von § 823 Abs. 1 BGB geschützten Rechte fällt auch die Mitgliedschaft in einem Verband, etwa einer GmbH (allgemein BGH, Urteil vom 12. März 1990 – II ZR 179/89 –, BGHZ 110, 323-335, Rn. 12; MüKoBGB/Wagner, 8. Aufl. 2020, BGB § 823 Rn. 351). Dieses Mitgliedschaftsrecht hat die Beklagte durch die einseitige Beschlussfassung verletzt. Dabei kann vorliegend dahin stehen, ob jede schuldhafte Beeinträchtigung des Mitgliedschaftsrechts zur Auslösung eines deliktischen Schadensersatzanspruchs geeignet ist, oder ob dazu ein unmittelbar gegen den Bestand der Mitgliedschaft oder die in ihr verkörperten Rechte und Betätigungsmöglichkeiten gerichteter Eingriff von erheblichem Gewicht erforderlich ist (offen gelassen und jedenfalls eine die Mitgliedschaft „in ihrem Kern“ treffende Pflichtverletzung für ausreichend erachtend: BGH, Urteil vom 12. März 1990 – II ZR 179/89, Rn. 20, juris; für eine Beeinträchtigung von erheblichem Gewicht Palandt-Sprau, BGB, 80. Aufl., § 823 Rn. 21). Denn durch die pflichtwidrige alleinige Abhaltung der seinerzeitigen Gesellschafterversammlung, in welcher mittels Satzungsänderungen Vetorechte beschlossen wurden, welche die Gesellschafterposition der Klägerin, insbesondere ihre Mitbestimmungsrechte unmittelbar und gezielt schwächten (vgl. oben Ziff. B. II. 3. sowie 5. b) aa)), ist der Bestand der Mitgliedschaftsrechte (zu dem insbesondere das Recht zur Teilnahme und Mitbestimmung an Gesellschafterversammlungen gehört) jedenfalls im Kern und mit erheblichem Gewicht betroffen.Randnummer71

Dass die Klägerin bereits seinerzeit Inhaberin des Geschäftsanteils Nr. 1 war, ist aufgrund der materiellen Rechtskraft des zwischen den Parteien ergangenen Feststellungsurteil als feststehend zugrunde zu legen (vgl. oben Ziff. B. II. 3.).Randnummer72

cc) Die vorsätzliche Schädigung der Klägerin durch die seinerzeitige Beschlussfassung erfüllt zudem den Tatbestand des § 826 BGB, da die Beklagte mit der Beschlussfassung in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise der Klägerin vorsätzlich Schaden zugefügt hat.Randnummer73

Sittenwidrig ist ein Verhalten, das nach seinem Gesamtcharakter, der durch umfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu ermitteln ist, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Dafür genügt es im Allgemeinen nicht, dass der Handelnde vertragliche Pflichten oder das Gesetz verletzt oder bei einem anderen einen Vermögensschaden hervorruft. Vielmehr muss eine besondere Verwerflichkeit seines Verhaltens hinzutreten, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zutage tretenden Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben kann (BGH, Urteil vom 15. Oktober 2013 – VI ZR 124/12 –, Rn. 8, juris).Randnummer74

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze stellt sich das Vorgehen der Beklagten bei der seinerzeitigen Beschlussfassung vom 20.10.2011 als besonders verwerflich dar. Denn durch die Beschlussfassung wurde die Gesellschafterstellung der Klägerin vorsätzlich geschädigt (vgl. oben Ziff. B. II. 3. zum Schaden und Ziff. B. II. 5. b) aa) zum Vorsatz). Hinzu treten weitere Umstände, welche vorliegend den Sittenwidrigkeitsvorwurf begründen: Die Beklagte nutzte eine formale Rechtsposition aus. Sie hat ferner berechtigtes Vertrauen der Klägerin in eine lautere Klärung des Gesellschafterstreits verletzt. Schließlich erfolgte die Schädigung zu eigensüchtigen Zwecken.Randnummer75

(1) Die Schädigung gelang der Beklagten nur unter Ausnutzung einer formalen Rechtsposition. Denn nur da die Klägerin (zu Unrecht) nicht in der Gesellschafterliste eingetragen war, konnte die F. GmbH in (zumindest dem äußeren Anschein nach) formal zulässigerweise (§16 Abs. 1 GmbHG) die Versammlung vom 20.10.2011 einberufen und durchführen.Randnummer76

(2) Daneben ist zu berücksichtigen, dass die schädigende Beschlussfassung hinter dem Rücken der Klägerin zu einem Zeitpunkt erfolgte, als zwischen den Beteiligten noch Vergleichsverhandlungen schwebten. Denn zwischen den Parteien wurden noch bis August 2012 Vorschläge über eine vergleichsweise Einigung ausgetauscht (Bd. 3, Bl. 63), weshalb die Klägerin keinen Verdacht hegen musste, dass die Beklagte dies durch eine einseitige Satzungsänderung konterkarieren würde. Die Klägerin verweist insofern zu Recht auf das Schreiben der Bevollmächtigten der Beklagten vom 8.09.2011 (Anlage BK6), wo diese erklären lässt: „Damit Vergleichsverhandlungen zielführend geführt werden können, erklären wir … den Geschäftsanteil Nr. 1 … nicht abzutreten und/oder zu belasten“. Die Klägerin verweist ferner auf eine E-Mail des Herrn S. vom 10.11.2011 (Anlage BK7), in der ein vertrauensvoller Ton angeschlagen wird („Wegen der Sache B. wäre es auch – um dort einmal konstruktiv ein Stück voranzukommen – sinnvoll, wenn Du Dich einmal zu den gemachten Vergleichsvorschlägen äußern würdest“) und dass der Prozessbevollmächtigte der Beklagten noch mit E-Mail vom 7.08.2012 die Vergleichsbereitschaft auf Seiten der Beklagten erörterte. Dass die Klägerin jedenfalls zum Zeitpunkt der streitgegenständlichen Beschlussfassung im Jahr 2011 noch auf ein Mindestmaß an Rücksicht vertrauen konnte, jedenfalls nicht mit deliktischen Schädigungen ihrer Gesellschafterstellung rechnen musste, kommt auch in dem von ihr später eingereichten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vom 2.08.2012 durchaus zum Ausdruck, wo die eben erst kürzlich eingetretene Verschlechterung der Verhältnisse angesprochen wird. Denn die Klägerin begründete den Handlungsbedarf dort gerade auch damit, dass die Beklagte trotz der erst im Sommer 2012 erfolgten Feststellung des LG Frankfurt/Main 27.06.2012 zur Gesellschafterstellung der Klägerin auf eine Aufforderung vom 18.07.2012 zur entsprechenden Korrektur der GesellschafterlisteBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Gesellschafterliste
Korrektur der Gesellschafterliste
nicht reagierte. Entsprechend begründete die Klägerin ihren Antrag auch mit einer aktualisierten Gefahr einseitiger Beschlussfassungen.Randnummer77

(3) Schließlich ist davon auszugehen, dass die Schädigung der Klägerin gerade zum eigenen Vorteil der Beklagten erfolgte. Denn mit der Schädigung der Klägerin durch den Beschluss vom 20.10.2011 ging zudem ein Vorteil der Beklagten einher, da ihre Gesellschafterstellung als 20%-Minderheitsgesellschafterin gestärkt wurde.Randnummer78

c) Aufgrund der die Klägerin schwächenden Satzungsänderung hat die Beklagte einen Vorteil erlangt (s.o.). Diesen Vorteil kann die Beklagte jedenfalls insoweit herausgeben, als es ihr möglich ist, wie beantragt an der Rückgängigmachung der Satzungsänderungen mit Wirkung für die Zukunft mitzuwirken.Randnummer79

6. Der klägerische Anspruch ist nicht aufgrund eines etwaigen Mitverschuldens eingeschränkt.Randnummer80

Es ist nicht ersichtlich, inwiefern die Klägerin ein Mitverschulden daran trifft, dass es zu den Beschlüssen vom 20.10.2011 kam. Ein etwaiges Verschulden der Klägerin bei der Entstehung des Schadens (§ 254 Abs. 1 BGB) ist daher nicht aufgezeigt und auch fernliegend.Randnummer81

Es ist auch nicht aufgezeigt, dass die Klägerin es Unterlassen hat, diesen Schaden abzuwenden oder zu mindern (§ 254 Abs. 2 BGB). Ein Mitverschulden kommt insofern nicht deswegen in Betracht, weil die Klägerin es versäumt hat, vor Ablauf der 3-Jahresfrist des § 242 Abs. 2 AktG eine Nichtigkeitsfeststellungsklage zu erheben. Zwar wird z.T. vertreten, dass das Versäumen einer rechtzeitigen Beschlussmängelklage den Mitverschuldenseinwand (§ 254 BGB) gegen den Schadensersatzanspruch eines Gesellschafters begründen kann, wenngleich ein vollständiger Ausschluss jedes Schadensersatzes, nur weil die unverzügliche Anfechtung versäumt wurde, nicht zu befürworten sei (Karsten Schmidt in: Scholz, GmbHG, 12. Aufl. 2018 ff., § 47 GmbHG, Rn. 33). Selbst gemessen an diesen Grundsätzen wäre damit ein Ausschluss des streitgegenständlichen Anspruchs wegen Mitverschuldens aber nicht begründbar. Denn der streitgegenständliche Anspruch lässt sich nicht derart teilen, dass eine Schmälerung aufgrund teilweisen Mitverschuldens in Betracht käme. Maßgeblich ist ferner, dass der vorliegend streitgegenständliche Schaden darin besteht, dass die streitgegenständlichen Änderungen des Gesellschaftsvertrages in die Zukunft wirken. Diese Beeinträchtigung wäre durch eine Nichtigkeitsfeststellungsklage nicht weitergehend aufgehoben, als es mittels der hier verfolgten Zustimmung zur Satzungsänderung der Fall sein wird. Das Unterlassen der Nichtigkeitsfeststellungsklage kann daher den streitgegenständlichen Schaden nicht „mindern“, sondern allenfalls ebenso aufheben wie dies mittels Durchsetzung des von der Klägerin verfolgten Anspruchs der Fall sein wird. Das Unterlassen der rechtzeitigen Erhebung der Nichtigkeitsfeststellungsklage vorliegend als unterlassene Abwendung des streitgegenständlichen Schadens i.S.v. § 254 Abs. 2 BGB zu werten hieße, der Klägerin zum Vorwurf zu machen, zwischen zwei das Rechtsschutzziel gleichermaßen verwirklichenden Rechtsbehelfen nicht den jeweils anderen zu wählen.Randnummer82

Darüber hinaus und unabhängig hiervon kommt hier ein Ausschluss des Anspruchs nach § 254 Abs. 2 BGB aber auch deswegen nicht in Betracht, weil es dem vorsätzlich handelnden Schädiger in der Regel verwehrt ist, sich auf ein fahrlässiges mitwirkendes Verhalten des Geschädigten zu berufen (BGH, Urteil vom 19.12.2017 – VI ZR 128/16, Rn. 21).Randnummer83

7) Für eine Verwirkung des klägerischen Anspruchs bestehen keine Anhaltspunkte. Insbesondere ist bereits nicht ersichtlich, inwiefern die Beklagte hier auf Grund eines berechtigten Vertrauens disponiert hätte.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.Randnummer85

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10 Satz 1, 709 Satz 2, 711 Satz 1 und 2 ZPO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit war dabei auf Kostenentscheidung zu begrenzen, da die Beklagte in der Hauptsache auf die Abgabe einer Willenserklärung verurteilt worden ist (vgl. Zöller/Herget, a. a. o., § 708 Rn. 2).Randnummer86

Im Hinblick auf die Frage des Vorrangs des Beschlussmängelrechts ggb. auf Zustimmung zur zukunftsgerichteten Satzungsänderung oder Abänderung sonstiger vormals gefasster Beschlüsse gerichteten Ansprüchen ist die Revision zuzulassen, da die Rechtssache insofern grundsätzliche Bedeutung hat, § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Es handelt sich um eine klärungsbedürftige Frage, deren Auftreten in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen zu erwarten ist und die deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an einheitlicher Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt.

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