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BGH, Beschluss vom 21. Februar 2023 – II ZB 12/21

AktG § 304Bitte wählen Sie ein Schlagwort:
AktG
AktG § 304
Abs. 2 Satz 1, § 305 Abs. 1, 3 Satz 1

1. Die Angemessenheit der Abfindung der außenstehenden Aktionäre im Sinne des § 305 AktG kann anhand des Börsenwerts der Gesellschaft bestimmt werden. Im Fall der Abfindung in Aktien nach § 305 Abs. 3 Satz 1 AktG kann dazu die Wertrelation zwischen den beteiligten Gesellschaften anhand ihrer Börsenkurse ermittelt werden.

2. Der Börsenwert einer Gesellschaft kann geeignet sein, sowohl deren bisherige Ertragslage als auch deren künftige Ertragsaussichten im Einzelfall hinreichend abzubilden und kann daher Grundlage für den gemäß § 304 Abs. 2 Satz 1 AktG zu bestimmenden angemessenen festen Ausgleich sein.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde der Antragsteller zu 41, 43 und 70 gegen den Beschluss des 21. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 26. April 2021 wird zurückgewiesen.

Die Gerichtskosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens trägt die Antragsgegnerin. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Der Geschäftswert wird festgesetzt auf 200.000 €.

Gründe

I.

Die Antragsteller waren Aktionäre der W.                          aktiengesellschaft (im Folgenden: W.  AG). Unternehmensgegenstand der W.   AG war der Erwerb und die Verwaltung von in- und ausländischen Immobilien und Immobiliengesellschaften. Die Aktien der W.  AG wurden im regulierten Markt der Frankfurter Börse (Prime Standard) sowie an den Börsen in Stuttgart und Hamburg gehandelt.2

Die Antragsgegnerin ist die T.                 AG (im Folgenden: T.  AG). Ihr Unternehmensgegenstand ist das Betreiben von Immobiliengeschäften und damit zusammenhängenden Geschäfte. Ihre Aktien waren zum Handel im regulierten Markt der Frankfurter Börse (Prime Standard) zugelassen und gehörten unter anderem dem SDAX, dem EPRA/NAREIT Global, dem EPRA/NAREIT Europe und dem EOR/NAREIT Germany an.3

Am 10. Mai 2017 beschlossen der Vorstand und der Aufsichtsrat der Antragsgegnerin, den Aktionären der W.  AG ein freiwilliges Übernahmeangebot über jeweils 23 Aktien der W.  AG im Tausch gegen 4 Aktien der T.  AG zu unterbreiten. Der von der BaFin nach § 31 Abs. 1, 7 WpÜG i.V.m. § 5WpÜG-AV berechnete gültige Mindestpreis der Aktie betrug für drei Monate vor dem 10. Mai 2017 für die W.  AG 3,03 € und für die Antragsgegnerin 18,13 €. Das Angebot wurde am 27. Juni 2017 veröffentlicht. Bis zum Ablauf der bis zum 26. September 2017 verlängerten Annahmefrist nahmen Aktionäre mit einer Beteiligung in Höhe von 85,89 % des Grundkapitals der W.  AG das Angebot an.4

Am 29. September 2017 gaben die W.    AG und die Antragsgegnerin ihre Absicht bekannt, einen Beherrschungsvertrag mit der W.  AG als beherrschter und der Antragsgegnerin als herrschender Gesellschaft zuschließen. Der Vertrag wurde am 6. Oktober 2017 auf unbestimmte Zeit geschlossen.5

Der von der BaFin nach § 31 Abs. 1, 7 WpÜG i.V.m. § 5 WpÜG-AV berechnete gültige Mindestpreis der Aktie betrug für drei Monate vor dem29. September 2017 für die W.  AG 3,20 € und für die Antragsgegnerin 18,37 €. Der umsatzgewichtete Börsenkurs auf Grundlage der von S & P Capital IQ veröffentlichten Börsenumsätze für diesen Zeitraum betrug für die W.  AG 3,21 € und für die Antragsgegnerin 18,36 €.6

Zur Festsetzung der Höhe der angemessenen Kompensation der außenstehenden Aktionäre in dem Beherrschungsvertrag bedienten sich die W.  AG und die Antragsgegnerin einer gutachterlichen Stellungnahme von V.      (im Folgenden: Bewertungsgutachten), die aufgrund der nach IDW S 1 2008 errechneten anteiligen Ertragswerte für die W.  AG von 3,40 € und für die Antragsgegnerin von 20,58 € ein Umtauschverhältnis im Sinne des § 305 Abs. 1 Satz 1 AktG von 23 Aktien der W.  AG zu 4 Aktien der Antragsgegnerin ermittelte. Als angemessenen festen Ausgleich der außenstehenden Aktionäre im Sinne des § 304 Abs. 2 Satz 1 AktG bestimmte das Bewertungsgutachten 0,11 € netto bzw. 0,13 € brutto je Aktie. Die nach § 293b Abs. 1 AktG vom Landgericht bestellte Vertragsprüferin B.    GmbH (im Folgenden: Vertragsprüferin) bestätigte das Umtauschverhältnis.7

Dem Beherrschungsvertrag mit der entsprechenden Abfindung und dem entsprechenden Ausgleich stimmten die Aktionäre der W.   AG am17. November 2017 und die Aktionäre der Antragsgegnerin am 22. November 2017 zu.8

Die Antragsteller leiteten neben anderen außenstehenden Aktionären zur gerichtlichen Überprüfung der Angemessenheit von Abfindung und Ausgleich ein Spruchverfahren mit den Anträgen ein, eine höhere Abfindung und einen höheren Ausgleich festzusetzen. Das Landgericht hat die Anträge zurückgewiesen. Die hiergegen gerichtete Beschwerde hat das Beschwerdegericht zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde zugelassen, mit der die Antragsteller ihre Anträge weiterverfolgen.

II.

Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg. Die vom Beschwerdegericht zugelassene Rechtsbeschwerde ist nach § 17 Abs. 1 SpruchG, §§ 1, 70 Abs. 1 FamFG statthaft und auch im Übrigen zulässig. Sie ist aber unbegründet.10

1. Das Beschwerdegericht (OLG FrankfurtBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG Frankfurt
am Main, ZIP 2021, 1434 ff.) hat die Kompensation der Antragsteller als angemessen eingestuft und seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:11

a) Für die Festsetzung der AbfindungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Abfindung
Festsetzung
Festsetzung der Abfindung
der außenstehenden Aktionäre nach § 305 AktG habe das Landgericht auf den Börsenwert der Gesellschaften abstellen dürfen, weil dieser sich vorliegend eigne, den Wert der Beteiligung abzubilden. Das Gericht sei nicht an das von den Vertragspartnern angewandte Ertragswertverfahren bzw. an die Methodenwahl im Übertragungsbericht und im Prüfbericht gebunden. Die vom Gericht insoweit in freier, tatrichterlicher Entscheidung zur eigenen Schätzung herangezogene Methode müsse eine tragfähige Grundlage für eine Schätzung darstellen. Tragfähigkeit sei gegeben, wenn es sich um eine geeignete und aussagekräftige, aber sowohl aus verfassungsrechtlicher als auch aus einfachrechtlicher Sicht nicht notwendigerweise bestmögliche Grundlage handele. Dies bedeute, dass die zur Anwendung gebrachte Methode in der Wirtschaftswissenschaft oder Betriebswirtschaftslehre anerkannt und in der Praxis gebräuchlich sein müsse. Hieran gemessen könne der Wert der Unternehmen grundsätzlich unter Rückgriff auf die jeweiligen Börsenkurse ermittelt werden, wobei der Wert des Unternehmens sich aus dem Produkt des jeweiligen Börsenkurses und der Anzahl aller Aktien der Gesellschaft ergebe. Unzutreffend sei die Ansicht der Antragsteller, der Börsenkurs scheide aus verfassungsrechtlicher Sicht als Grundlage für eine Schätzung des Unternehmenswerts aus und könne nur eine Untergrenze der Abfindung darstellen. Eine Einschränkung der Methodenwahl anhand einer Meistbegünstigung der Aktionäre sei abzulehnen.12

Hier seien die Börsenkurse beider Gesellschaften zur Bestimmung des Verhältnisses der Unternehmenswerte geeignet. Wegen der mit einer fundamental-analytischen Bewertung verbundenen Schwierigkeiten und Unsicherheiten seien die Unternehmenswerte beider Gesellschaften daher anhand deren Börsenwerte zu schätzen. Dabei beruhe die Ermittlung anhand der Börsenwerte auf der begründeten Einschätzung, dass die Marktteilnehmer auf der Grundlage der ihnen zur Verfügung gestellten Informationen und Informationsmöglichkeiten die Ertragskraft des Unternehmens, um dessen Aktien es gehe, zutreffend bewertet hätten und sich die Marktbewertung im Börsenkurs der Aktien niedergeschlagen habe. Von der Möglichkeit einer solchen effektiven Informationsbewertung könne ausgegangen werden, so dass der Börsenkurs eine verlässliche Aussage über den Verkehrswert der Unternehmensbeteiligung erlaube.13

b) Den Ausgleich habe das Landgericht zu Recht als angemessen angesehen und sich dabei am Börsenwert der W.  AG orientiert. Für die Ableitung des Ausgleichs nach § 304 AktG könne ebenfalls auf die Börsenkurse der Gesellschaften zurückgegriffen werden, da es eine zwingende methodische Vorgabe nicht gebe und die Methodenwahl auch insoweit dem tatrichterlichen Ermessen überlassen sei. Dem stehe die detaillierte Regelung des § 304 Abs. 2 Satz 1 AktG nicht entgegen. Daraus folge keine zwingende methodische Vorgabe seitens des Gesetzgebers zur Unternehmenswertermittlung, sondern lediglich eine ggf. auch auf anderem Weg zu ermittelnde Anforderung an die Mindesthöhe des Ausgleichs. Hierfür spreche bereits der Wortlaut der Vorschrift. Auch die Gesetzesbegründung biete keinen Anhalt für eine zwingende Methodenvorgabe. Zudem spreche die Systematik der Vorschrift für ein solches Verständnis. Es wäre kaum nachvollziehbar, methodische Vorgaben für die Ermittlung der Ausgleichszahlung nach § 304 AktG zu machen, diese dann aber nicht auch auf die Ermittlung der Abfindung nach § 305 AktG anzuwenden. Viel näher liege ein Gleichlauf der in § 304 AktG und § 305 AktG zugelassenen Methoden. Schließlich spreche die Wahrung der prozessökonomie für dieses Verständnis der Vorschrift. Hätte eine Ermittlung des angemessenen Ausgleichs zwingend anhand des Ertragswerts der Gesellschaft zu erfolgen, wären weitere ebenso kostenintensive wie Zeit in Anspruch nehmende Ermittlungen zur Schätzung des Werts der Gesellschaft erforderlich, obgleich dem erkennenden Gericht bereits eine geeignete Schätzgrundlage zur Verfügung stehe.14

2. Die Entscheidung des Beschwerdegerichts hält der rechtlichen Prüfung stand. Das Beschwerdegericht ist ohne Rechtsfehler davon ausgegangen, dass die Abfindung der außenstehenden Aktionäre im Sinne des § 305 Abs. 3 Satz 1 AktG in Höhe von 23 Aktien der W.  AG zu 4 Aktien der Antragsgegnerin und die Festlegung des Ausgleichs der außenstehenden Aktionäre nach § 304 Abs. 2 Satz 1 AktG auf 0,11 € netto bzw. 0,13 € brutto je Aktie angemessen sind.15

a) Die Angemessenheit der Abfindung der außenstehenden Aktionäre im Sinne des § 305 AktG kann anhand des Börsenwerts der Gesellschaft bestimmt werden. Im Fall der Abfindung in Aktien nach § 305 Abs. 3 Satz 1 AktG kann dazu die Wertrelation zwischen den beteiligten Gesellschaften anhand ihrer Börsenkurse ermittelt werden.16

Das Beschwerdegericht hat die Unternehmenswerte der W.   AG und der Antragsgegnerin nach dem Börsenwert bestimmt und zutreffend auf den Durchschnittskurs innerhalb eines Referenzzeitraums von drei Monaten vor dem Stichtag der Bekanntmachung der Strukturmaßnahme am 29. September 2017 abgestellt (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Juli 2010 – II ZB 18/09, BGHZ 187, 229 Rn. 10 – STOLLWERCK; Beschluss vom 28. Juni 2011 – II ZB 2/10, ZIP 2011, 1708 Rn. 8).17

aa) Es ist eine Rechtsfrage, ob eine vom Tatrichter gewählte Bewertungsmethode oder ein innerhalb der Bewertungsmethode gewähltes Berechnungsverfahren den gesetzlichen Bewertungszielen widerspricht, wohingegen die Frage, welche der Bewertungsmethoden im Einzelfall den Wert der Unternehmensbeteiligung zutreffend abbildet, Teil der tatsächlichen Würdigung des Sachverhalts ist und sich nach der wirtschafts- oder betriebswissenschaftlichen Bewertungstheorie und Praxis beurteilt (vgl. BGH, Urteil vom 13. März 1978 – II ZR 142/76, NJW 1978, 1316, 1319; Urteil vom 7. Mai 1986 – IVb 42/85, NJW-RR 1986, 1066, 1068; Urteil vom 13. März 2006 – II ZR 295/04, ZIP 2006, 851 Rn. 13; Beschluss vom 6. November 2013 – XII ZB 434/12, NJW 2014, 294 Rn. 34; Beschluss vom 29. September 2015 – II ZB 23/14, BGHZ 207, 114 Rn. 12, 33; Beschluss vom 15. September 2020 – II ZB 6/20, BGHZ 227, 137 Rn. 13). Die wahl, welche von mehreren im konkreten Fall zulässigen Berechnungsweisen am besten geeignet ist, den Unternehmenswert abzubilden, obliegt als Teil der Tatsachenfeststellung dem Tatrichter. Da jede Wertermittlung mit zahlreichen Prognosen, Schätzungen und methodischen Einzelentscheidungen verbunden ist, die jeweils nicht auf Richtigkeit, sondern nur auf Vertretbarkeit gerichtlich überprüfbar sind, kann keine Bewertungsmethode den Wert der Unternehmensbeteiligung exakt berechnen. Vielmehr kann jede Methode nur rechnerische Ergebnisse liefern, die Grundlage und Anhaltspunkt für die Schätzung des Gerichts nach § 287 Abs. 2, 1 ZPO bilden (vgl. BGH, Beschluss vom 29. September 2015 – II ZB 23/14, BGHZ 207, 114 Rn. 13, 34; Beschluss vom 15. September 2020 – II ZB 6/20, BGHZ 227, 137 Rn. 20).18

bb) Der Rückgriff auf den Börsenkurs eines Unternehmens kann eine geeignete Methode zur Schätzung des Unternehmenswerts und des Werts der Beteiligung des außenstehenden Aktionärs im Rahmen des § 305 AktG sein.19

(1) Die Abfindung der außenstehenden Aktionäre muss im Hinblick auf den verfassungsrechtlichen Eigentumsschutz den vollen Wert der Beteiligung an der Gesellschaft ersetzen (BVerfGE 100, 289, 305; BVerfG, ZIP 2011, 1051 Rn. 21; NZG 2012, 907 Rn. 17; NZG 2012, 1035, 1036; BGH, Beschluss vom 12. März 2001 – II ZB 15/00, BGHZ 147, 108, 115). Das setzt voraus, dass der „wahre“ Wert der Unternehmensbeteiligung an dem arbeitenden Unternehmen unter Einschluss der stillen Reserven und des inneren Geschäftswerts bestimmt wird (BVerfGE 100, 289, 306), wobei sicherzustellen ist, dass die Aktionäre jedenfalls nicht weniger erhalten, als sie bei einer freien Deinvestitionsentscheidung zum Zeitpunkt der Maßnahme erhalten hätten (vgl. BVerfG, ZIP 2011, 1051 Rn. 21). Die Bestimmung des Werts erfolgt im Wege einer Schätzung nach § 287 Abs. 2, 1 ZPO (BGH, Beschluss vom 12. März 2001 – II ZB 15/00, BGHZ 147, 108, 116; Beschluss vom 15. September 2020 – II ZB 6/20, BGHZ 227, 137 Rn. 20). Bewertungsobjekt ist die Unternehmensbeteiligung des Aktionärs und nicht das Unternehmen, wobei weder das Verfassungsrecht noch das einfache Recht eine Bewertungsmethode vorgeben (BVerfGE 100, 289, 307 f.; BVerfG, ZIP 2011, 1051 Rn. 23; ZIP 2012, 1408 Rn. 18, ZIP 2012, 1656 Rn. 29). Bewertungsmethoden sind keine Rechtsnormen und ähneln ihnen nicht, so dass das Gericht hieran nicht gebunden ist. Erst recht gilt dies für von der Wirtschaftswissenschaft oder der Wirtschaftsprüferpraxis entwickelte Berechnungsweisen, selbst wenn sie als „Bewertungsstandards“, wie die Empfehlungen des Fachausschusses für Unternehmensbewertung und Betriebswirtschaft des IDW (FAUB) oder der IDW Standard, schriftlich festgehalten sind (BGH, Beschluss vom 29. September 2015 – II ZB 23/14, BGHZ 207, 114 Rn. 13, 45). Eine markt-orientierte Bewertung einer Unternehmensbeteiligung auf Grundlage des Börsenkurses des Unternehmens steht, genauso wie die Schätzung auf Grundlage der Ertragswertmethode, des Discounted-Cash-flow-Verfahrens (BGH, Beschluss vom 29. September 2015 – II ZB 23/14, BGHZ 207, 114 Rn. 33) und ausnahmsweise des Liquidationswerts (BGH, Urteil vom 13. März 2006 – II ZR 295/04, ZIP 2006, 851 Rn. 13), als Methode mit Art. 14 GG in Einklang (BVerfG, ZIP 2011, 1051 Rn. 24 f.; BGH, Beschluss vom 12. Januar 2016 – II ZB 25/14, BGHZ 208, 265 Rn. 23; Beschluss vom 15. September 2020 – II ZB 6/20, BGHZ 227, 137 Rn. 20). Eine Methode scheidet nur aus, wenn sie aufgrund der Umstände des konkreten Falls nicht geeignet ist, den „wahren“ Wert abzubilden (BVerfGE 100, 289, 307; BGH, Beschluss vom 12. Januar 2016 – II ZB 25/14, BGHZ 208, 265 Rn. 22 f.; Beschluss vom 15. September 2020 – II ZB 6/20, BGHZ 227, 137 Rn. 20).20

(2) Die marktorientierte Methode der Heranziehung des Börsenwertseiner Gesellschaft ist grundsätzlich als Grundlage für die Schätzung des Werts einer Beteiligung an dieser Gesellschaft geeignet. Auch bei der Ermittlung des Unternehmenswerts anhand des Börsenwerts wird der Wert eines Anteils nicht unabhängig vom Wert des Unternehmens bestimmt. Denn die Berücksichtigung des Börsenwerts beruht auf der Annahme, dass die Marktteilnehmer auf der Grundlage der ihnen zur Verfügung gestellten Informationen und Informationsmöglichkeiten die Ertragskraft des Unternehmens, um dessen Aktien es geht, zutreffend bewerten und sich die Marktbewertung im Börsenkurs der Aktien niederschlägt (BGH, Beschluss vom 12. März 2001 – II ZB 15/00, BGHZ 147, 108, 116; Beschluss vom 29. September 2015 – II ZB 23/14, BGHZ 207, 114 Rn. 33; Beschluss vom 12. Januar 2016 – II ZB 25/14, BGHZ 208, 265 Rn. 23; Beschluss vom 15. September 2020 – II ZB 6/20, BGHZ 227, 137 Rn. 20).Voraussetzung der Bestimmung des Werts einer Unternehmensbeteiligung nach dem Börsenwert ist dabei nicht, dass der Kapitalmarkt in Bezug auf die Anteile streng allokations- und informationseffizient ist, also ein Zustand perfekten Wettbewerbs herrscht und alle prinzipiell zugänglichen öffentlichen und nichtöffentlichen Informationen korrekt in den Kursen verarbeitet sind (aA Fachausschuss für Unternehmensbewertung und Betriebswirtschaft des IDW [FAUB], AG 2021, 588 f.; Ruthardt/Popp, AG 2020, 240, 244). Nur wenn im konkreten Fall von der Möglichkeit einer effektiven Informationsbewertung durch die Marktteilnehmer nicht ausgegangen werden kann, so dass der Börsenkurs keine verlässliche Aussage über den Verkehrswert der Unternehmensbeteiligung erlaubt, kann der Anteilswert nicht unter Rückgriff auf den Börsenkurs ermittelt werden (BGH, Beschluss vom 12. März 2001 – II ZB 15/00, BGHZ 147, 108, 115; Beschluss vom 12. Januar 2016 – II ZB 25/14, BGHZ 208, 265 Rn. 23).21

cc) Rechtsfehlerfrei hat nach diesen Grundsätzen das Beschwerdegericht die Angemessenheit der vereinbarten Abfindung der außenstehenden Aktionäre der W.  AG anhand der Börsenkurse beider Gesellschaften überprüft. Die hiergegen gerichteten Angriffe der Rechtsbeschwerde bleiben ohne Erfolg. Einen Rechtsfehler bei der Überzeugungsbildung zeigt die Rechtsbeschwerde mit ihren Rügen der Verletzung von § 287 ZPO und Art. 14 GG nicht auf, sondern versucht damit lediglich, die vom Tatrichter gewählte marktorientierte Bewertungsmethode durch die von ihr für besser geeignet gehaltene Ertragswertmethode zu ersetzen.22

(1) Entgegen der Rüge der Rechtbeschwerde musste sich das Beschwerdegericht bei der Auswahl der Bewertungsmethode nicht sachverständig beraten lassen. Das Beschwerdegericht konnte ohne sachverständige Hilfe entscheiden und hat seine eigene besondere Sachkunde durch seine Ausführungen in den Gründen dargelegt, ob die in der Rechtsprechung und im Schrifttum anerkannte marktorientierte Bewertungsmethode generell und unter den Umständen des vorliegenden Falls zur Ermittlung der Unternehmenswerte geeignet war. Das Beschwerdegericht hat seiner Entscheidung die zutreffenden Maßstäbe für die Prüfung der Geeignetheit der von ihm gewählten Bewertungsmethode zugrunde gelegt und darüber hinaus die gegen die generelle Geeignetheit der marktorientierten Bewertungsmethode vorgebrachten Bedenken der Antragsteller geprüft und mit rechtsfehlerfreier Begründung nicht für durchgreifend erachtet.23

Etwas anderes ergibt sich nicht aus der von der Rechtsbeschwerde angeführten Rechtsprechung zur sachverständigen Beratung des Tatrichters bei der Auswahl des Bewertungsverfahrens und bei der Beurteilung der Bewertung (BGH, Beschluss vom 6. November 2012 – XII ZB 434/12, NJW 2014, 294 Rn. 37; OLG FrankfurtBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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, AG 2015, 504, 505; ZIP 2016, 716, 719). Den von der Rechtsbeschwerde zitierten Entscheidungen ist gemein, dass der Tatrichter dort jeweils sachverständig beraten war. Zu den Voraussetzungen für die Einholung eines Sachverständigengutachtens verhalten sich diese Entscheidungen indes nicht. Nichts anderes folgt aus dem von der Rechtsbeschwerde angeführten Umstand, dass bei gerichtlichen Unternehmensbewertungen die sachverständige Unterstützung der Regelfall sei (Hüttemann in Fleischer/Hüttemann, Rechtshandbuch Unternehmensbewertung, 2. Aufl., Rn. 13.15; Paulsen, WPg 2007, 823).24

(2) Das Beschwerdegericht konnte, entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde, von der im Bewertungsgutachten und von der Vertragsprüferin verwendeten Ertragswertmethode als Bewertungsmethode für den Unternehmenswert der W.  AG und der Antragsgegnerin zu Gunsten der marktorientierten Bewertungsmethode anhand der Börsenkurse beider Gesellschaften abweichen.25

Eine Bindung des Tatrichters, dem die Methodenwahl im Spruchverfahren obliegt, an die vom Abfindungspflichtigen zugrunde gelegte Bewertungsmethode besteht nicht. Der Abfindungspflichtige darf auch nicht berechtigt darauf vertrauen, dass das Gericht im Spruchverfahren die von ihm dem Abfindungsangebot zugrunde gelegte Methode beibehält (BGH, Beschluss vom 12. März 2001 – II ZB 15/00, BGHZ 147, 108, 124; Beschluss vom 29. September 2015 – II ZB 23/14, BGHZ 207, 114 Rn. 34, 36). Auch die außenstehenden Aktionäre bzw. die Minderheitsaktionäre dürfen nicht berechtigt darauf vertrauen, dass die Abfindung im Spruchverfahren durch das Gericht nach der vom Abfindungspflichtigen seinem Abfindungsangebot zugrundeliegenden Berechnungsweise ermittelt wird (vgl. BGH, Beschluss vom 29. September 2015 – II ZB 23/14, BGHZ 207, 114 Rn. 37). Ein Schutz der Abfindungsberechtigten besteht allein dahin, dass sie vor negativen Folgen der Auswahl einer anderen Bewertungsmethode dadurch geschützt werden, dass das Gericht keine Abfindung unter der vom Abfindungspflichtigen angebotenen Abfindung festsetzen kann (BGH, Urteil vom 18. Oktober 2010 – II ZR 270/08, ZIP 2010, 2289 Rn. 12; Beschluss vom 29. September 2015 – II ZB 23/14, BGHZ 207, 114 Rn. 37).26

Soweit die Rechtsbeschwerde moniert, das Beschwerdegericht hätte eine eigene überlegene Sachkunde gerade in Abgrenzung zu dem Bewertungsgutachten und der Vertragsprüferin nachweisen müssen, übergeht sie, dass die Auswahl der Methode der Bewertung vorliegend nicht Gegenstand der sachverständigen Prüfung war. In dem Bewertungsgutachten (S. 10) wurde ein objektivierter Unternehmenswert nach dem Standard IDW S 1 „antragsgemäß“ ermittelt. Eine Auseinandersetzung mit anderen möglichen Methoden der Unternehmensbewertung erfolgte dort nicht (S. 66). Auch die Vertragsprüferin hat keine eigene Bewertung vorgenommen, sondern geprüft, ob die in dem Bewertungsgutachten aufgearbeiteten Methoden den Grundsätzen zur Durchführung von Unternehmensbewertungen entsprechen, ob Daten fachgerecht abgeleitet wurden und ob Zukunftseinschätzungen plausibel erscheinen (Prüfbericht S. 14). Eine Bewertung anhand der Börsenkurse hat die Vertragsprüferin nicht speziell unter den Umständen des vorliegenden Falls für ungeeignet gehalten, sondern sie deshalb nicht angestellt, weil nach dem IDW S 1, der ihre Arbeitsvorgabe war, der Börsenkurs nicht als ausschließliches Maß zur Bestimmung des Unternehmenswerts empfohlen wird (vgl. Sitzungsprotokoll vom 26. März 2021, S. 5 Abs. 4). Die Rechtsbeschwerde zeigt nicht auf, dass das Beschwerdegericht bei seinen Erwägungen, mit denen es die Börsenkurse der beiden Gesellschaften gerade auch im hier zu untersuchenden Einzelfall als geeignet angesehen hat, tatrichterliche Feststellungen getroffen hätte, die eine ihm fehlende besondere Sachkunde offenbaren oder die Einholung eines Sachverständigengutachtens erfordert hätten.27

(3) Ebenso führt die Rüge der Rechtsbeschwerde, das Beschwerdegericht habe einen „Methodenpluralismus“ gewählt, nicht zum Erfolg. Das Beschwerdegericht hat vielmehr unter Zugrundelegung der Börsenwerte beider Unternehmen ein Wertverhältnis von 5,74 errechnet und die Abweichung von unter einem Prozent zu dem aus dem Umtauschverhältnis 4:23 errechneten Wertverhältnis von 5,75 auf Grundlage einer sog. Bagatellrechtsprechung (OLG FrankfurtBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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, Beschluss vom 26. Januar 2015 – 21 W 26/13, juris Rn. 80 ff. mwN) als Schätzungenauigkeit der jeweiligen Unternehmenswerte und deshalb nicht ausgleichspflichtig eingestuft. Einen Verstoß der Anwendung der Bagatellrechtsprechung gegen die verfassungsrechtliche Vorgabe, dass der Börsenkursregelmäßig die Untergrenze der Abfindung darstellen müsse (BVerfGE 100, 298, 308), hat das Beschwerdegericht verneint, weil es keine verfassungsrechtliche Vorgabe zu dem Verhältnis der Börsenwerte beider Gesellschaften gebe.28

Dieser Begründung tritt die Rechtsbeschwerde ohne Erfolg mit der Rüge entgegen, das Beschwerdegericht habe damit einen Methodenpluralismus gewählt, der abzulehnen sei, da für die beherrschte Gesellschaft der Börsenkurs maßgeblich sein solle, für die herrschende Gesellschaft hingegen eine fundamentalanalytische Bewertung, was nicht mit Sinn und Zweck des § 305 AktG und dem Gebot, einen vollen Ausgleich gemäß Art. 14 Abs. 1 GG zu gewähren, in Einklang stehe. Die Rechtsbeschwerde verkennt dabei, dass das Beschwerdegericht zur Ermittlung des angemessenen Umtauschverhältnisses die Börsenwerte beider Unternehmen zueinander ins Verhältnis gesetzt und allein in Bezug auf die verfassungsrechtlich vorgegebene Untergrenze des Börsenwerts und die Frage, inwieweit diese Untergrenze der Anwendung der Bagatellrechtsprechung entgegensteht, es als ausreichend angesehen hat, dass nur die beherrschte Gesellschaft mit mindestens ihrem Börsenwert Eingang in das zu überprüfende Umtauschverhältnis gefunden hat. Dies steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, welches es nicht als verfassungsrechtlich geboten angesehen hat, einen etwa existierenden Börsenwert der herrschenden Gesellschaft oder der Hauptgesellschaft als Obergrenze der Bewertung dieser Gesellschaft heranzuziehen, weil das grundrechtlich geschützte Aktieneigentum des abfindungsberechtigten Aktionärs diesem keinen Anspruch darauf vermittelt, Aktien der herrschenden Gesellschaft zu(höchstens) dem Börsenkurs zu erhalten (BVerfGE 100, 289, 310; BVerfG, ZIP 2011, 170 Rn. 10).29

(4) Das Beschwerdegericht musste entgegen der Rechtsbeschwerde keinen förmlichen Hinweis an die Parteien dahin erteilen, dass es infolge eigener Sachkunde kein Sachverständigengutachten für seine Methodenwahl zu Gunsten der marktorientierten Bewertung einholen werde. Der Hinweis des Gerichts auf die Inanspruchnahme eigener Sachkunde verfolgt den Zweck, den Prozessbeteiligten sein beabsichtigtes Vorgehen vor Augen zu führen und ihnen insofern die Möglichkeit zur Reaktion zu geben (BGH, Urteil vom 6. November 1984 – VI ZR 26/83, VersR 1985, 86; Beschluss vom 13. Januar 2015 – VI ZR 204/14, VersR 2015, 472 Rn. 5 mwN; Beschluss vom 23. Februar 2021 – VI ZR 44/20, VersR 2022, 66 Rn. 14 mwN). Die Pflicht zur Aufklärung über entscheidungserhebliche Umstände besteht auch im Spruchverfahren, § 7 Abs. 5 Satz 3, § 8 Abs. 3 SpruchG i.V.m. § 139 ZPO. Die Parteien erhalten dadurch Gelegenheit, sich rechtzeitig und vollständig über alle erheblichen Tatsachen zu erklären (statt vieler BeckOGK AktG/Drescher, Stand 1.1.2023, § 8 SpruchG Rn. 17). Einer solchen Gelegenheit zur Erklärung oder Reaktion durch die Prozessbeteiligten bedarf es indes nicht, wenn schon das erstinstanzliche Gericht eigene Sachkunde in Anspruch genommen hat und die Berechtigung dieses Ansatzes gerade (auch) Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist. Denn die (mögliche) gleichlaufende Beurteilung durch das Beschwerdegericht steht den Parteien in dieser Konstellation vor Augen und ermöglicht ihnen eine prozessuale Reaktion, ohne dass es eines Hinweises bedarf.30

dd) Das Beschwerdegericht hat den Anspruch der Rechtsbeschwerdeführer auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103 Abs. 1 GG nicht dadurch in entscheidungserheblicher Weise verletzt, dass es für seine Methodenwahl sowohl im Grundsatz als auch zur Bewertung der konkreten Unternehmenswerte anhand der marktorientierten Bewertungsmethode kein Sachverständigengutachten eingeholt hat. Die dagegen von der Rechtsbeschwerde erhobenen Verfahrensrügen bleiben ohne Erfolg. Entgegen der Rechtsbeschwerde hat das Beschwerdegericht keine unzulässige Beweisantizipation vorgenommen. Im Übrigen werden Rechtsfehler bei der Methodenwahl durch das Beschwerdegericht von der Rechtsbeschwerde weder gerügt, noch sind sie ersichtlich. Das Gebot rechtlichen Gehörs, das ein Gericht zur Kenntnisnahme und Erwägung der Ausführungen der Prozessbeteiligten verpflichtet, ist nicht verletzt, wenn das Gericht den Parteivortrag zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen, jedoch andere rechtliche Schlüsse daraus gezogen hat als die vortragende Partei (vgl. BVerfG, FamRZ 2013, 1953 Rn. 14; BGH, Beschluss vom 15. April 2021 – I ZB 67/20, juris Rn. 9).31

(1) Die Heranziehung der marktorientierten Bewertungsmethode ist grundsätzlich zulässig und begegnet nur dort Bedenken, wo diese Methode aufgrund der Umstände des Einzelfalls ungeeignet ist. Das Beschwerdegericht hat im Einzelnen begründet, weshalb es die marktorientierte Bewertungsmethode, die auf Börsenkurse zurückgreift, generell für angemessen erachtet. Das Beschwerdegericht hat ebenso begründet, warum diese Methode auch im Streitfall geeignet ist. Es hat dabei die Einwände der Antragsteller zur wahl der geeigneten Bewertungsmethode und die damit verbundene Erforderlichkeit zur Einholung eines Sachverständigengutachtens ausweislich der Gründe zur Kenntnis genommen und sich damit inhaltlich auseinandergesetzt, sie jedoch als unbegründet erachtet. Einer Beweisaufnahme durch Einholung eines Sachverständigengutachtens bedarf es im Spruchverfahren zudem nur, wenn das Gericht streitige Punkte nicht aus eigener Sachkunde beurteilen kann und eine Begutachtung gegenüber den bereits vorliegenden Daten einen Erkenntnisgewinn bringt (OLG DüsseldorfBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG Düsseldorf
, NZG 2004, 429, 430; OLG Stuttgart, NZG 2007, 112, 113; OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG München
, AG 2014, 453, 454; AG 2019, 659, 662 f.; BeckOGK AktG/Drescher, Stand 1.1.2023, § 8 SpruchG Rn. 12; Klöcker/Wittgens in K. Schmidt/Lutter, AktG, 4. Aufl., § 8 SpruchG Rn. 13; MünchKommAktG/Kubis, 5. Aufl., § 8 SpruchG Rn. 5; Simons in Hölters/Weber, AktG, 4. Aufl., § 8 SpruchG Rn. 12; Land/Hennings, AG 2005, 380, 382 f.; Sturm/Stottmann, NZG 2020, 974, 978). Einen solchen Erkenntnisgewinn hat das Beschwerdegericht verneint. Gegen diese rechtlich nicht zu beanstandende Würdigung bringt die Rechtsbeschwerde nichts vor, sondern teilt mit ihren Ausführungen lediglich die Rechtsauffassung des Beschwerdegerichts nicht.32

(2) Das Beschwerdegericht hat das Vorliegen einer effektiven Informationsbewertung durch den Markt für die W.  AG und die Antragsgegnerin festgestellt und dabei Informationsdefizite, auffällige Kurssprünge und Kursmanipulationen ausgeschlossen. Dabei hat es dem geringen Bid-Ask-Spread beider Gesellschaften, der für eine hohe Liquidität des Kurses spricht, eine besondere Bedeutung beigemessen. Das Beschwerdegericht hat sich mit der Meinung der sachverständigen Prüferin auseinandergesetzt, dass das eigene Beta der W.  AG nicht geeignet sei, das wirtschaftliche Risiko der Gesellschaft abzubilden und diese als nicht überzeugend begründet erachtet. Die Rechtsbeschwerde zeigt keinen Rechtsfehler in der Einschätzung des Beschwerdegerichts auf, dass allein ein geringes Bestimmtheitsmaß des Zweijahresbetas nicht zur fehlenden Eignung der Börsenkurse führen muss, wenn weitere Kriterien, wie etwa der t-Test und die Liquidität des betreffenden Marktsegments, berücksichtigt werden können. Letztlich kam es nach Auffassung des Beschwerdegerichts auf die Ansicht der Vertragsprüferin nicht an, weil auch ohne Heranziehung des Betas der W.  AG im Rahmen der erforderlichen Gesamtabwägung die marktorientierte Methode vorzugswürdig sei.33

(3) Entgegen der Darstellung der Rechtsbeschwerde hat die Antragsgegnerin nicht die Ertragswertmethode als die allein geeignete Bewertungsmethode angesehen. Die Antragsgegnerin hat zwar an der Richtigkeit der von ihr im Rahmen des Bewertungsverfahrens auf der Grundlage der Ertragswertmethode ermittelten Abfindung festgehalten und das so ermittelte Ergebnis gegen die Einwendungen der Antragsteller verteidigt. Zugleich hat sie aber die Auffassung vertreten, dass die für Abfindung und Ausgleich maßgebenden Unternehmenswerte generell auch nach der marktorientierten Bewertungsmethode auf der Grundlage von Börsenkursen ermittelt werden könnten und dass hiergegen auch unter den Besonderheiten des Streitfalls keine Bedenken bestünden.34

(4) Soweit die Antragsteller geltend gemacht haben, das Beschwerdegericht habe ohne eigene Sachkunde übergangen, dass der durchschnittliche Börsenkurs den Wert eines Unternehmens allenfalls dann sachgerecht abbilden könne, wenn ein Markt vorliege, auf dem alle Marktteilnehmer über denselben Informationsstand verfügten, woran es hier fehle, können sie damit nicht durchdringen. Abgesehen davon, dass der Rückgriff auf den Börsenkurs keinen streng allokations- und informationseffizienten Markt voraussetzt (vgl. oben Rn. 20), hat sich das Beschwerdegericht mit dem zwischen den Marktteilnehmern und der Unternehmensleitung bestehenden Informationsgefälle sowohl im Allgemeinen als auch in Bezug auf ein Informationsgefälle für beide zu bewertenden Gesellschaften in rechtsbeschwerderechtlich nicht zu beanstandender Weise auseinandergesetzt.35

(5) Auch die weitere Rüge der Rechtsbeschwerde, das Beschwerdegericht habe gehörswidrig ohne sachverständige Hilfe übergangen, dass neben der Heranziehung des Börsenwerts auch der Unternehmenswert der W.  AG und der Antragsgegnerin nach fundamentalen Methoden hätte festgestellt werden müssen, geht fehl. Das Beschwerdegericht hat die von den Antragstellern dabei vertretene Auffassung einer methodenbezogenen Meistbegünstigung der Minderheitsaktionäre in den Gründen aufgegriffen, jedoch unter Verweis auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Beschluss vom 29. September 2015 – II ZB 23/14, BGHZ 207, 114 Rn. 12) bereits im Rahmen seiner grundsätzlichen Begründung der Methodenwahl zutreffend als überholt angesehen und dabei die Herleitung dieser Ansicht aus der Gesetzesbegründung zu § 39 BörsG (BT-Drucks. 18/6220, S. 84) widerlegt. Zudem gilt, dass jede in die Zukunft gerichtete Prognose, insbesondere die der Ertragswertmethode eigene Beurteilung künftiger Erträge, ihrer Natur nach mit Unsicherheiten behaftet ist. Vor diesem Hintergrund ist es zur Berechnung des vollen Ausgleichs nicht geboten, eine auf zutreffender Tatsachengrundlage beruhende, vertretbare Prognose durch eine andere, ebenfalls notwendigerweise nur vertretbare, zu ersetzen (BVerfG, ZIP 2012, 1656 Rn. 30). Erst recht ist es nicht geboten, zur Bestimmung des „wahren“ Werts der Unternehmensbeteiligung stets jede denkbare Methode der Unternehmensbewertung heranzuziehen und die Abfindung nach dem Meistbegünstigungsprinzip zu berechnen (vgl. BVerfG ZIP 2011, 1051 Rn. 24; ZIP 2012, 1408 Rn. 18). Eine Unternehmensbewertung, die wie die Ertragswertmethode vornehmlich auf die künftig ausschüttbaren Ertragsüberschüsse abstellt und daher mit naturgemäß unsicheren Prognosen arbeiten muss, zeitigt keine richtigeren Ergebnisse als der Börsenkurs (vgl. BVerfG, ZIP 2012, 1408 Rn. 25).36

(6) Soweit die Rechtsbeschwerde geltend macht, das Beschwerdegericht habe gehörswidrig ohne Einholung eines Sachverständigengutachtens den Vortrag der Antragsteller übergangen, die verwendeten Zahlen hätten das Wachstum der W.  AG im ersten Halbjahr 2017 nach der Veröffentlichung des Übernahmeangebots am 10. Mai 2017 im Börsenkurs nicht (mehr) zum Ausdruck gebracht und deswegen zu einem unrichtigen Ergebnis für den Wert der Unternehmensbeteiligung geführt, dringt sie damit nicht durch. Gemäß § 287 Abs. 2, 1 Satz 2 ZPO stand es im Ermessen des Beschwerdegerichts, ob es die Einholung eines Sachverständigengutachtens anordnet. Das Beschwerdegericht hat einen möglichen Einfluss des Übernahmeangebots vom 10. Mai 2017 auf den Kurs der Aktie der W.   AG bei der Feststellung seiner für die Schätzung erforderlichen Grundlagen erwogen, aber mit ausführlicher Begründung abgelehnt. Auch die am 14. August 2017 erfolgte Veröffentlichung der Kennzahlen der W.  AG hat das Beschwerdegericht berücksichtigt. Eine dem Tatrichter verwehrte Beweisantizipation liegt darin entgegen der Rechtsbeschwerde, die erneut allein den rechtlichen Schluss des Beschwerdegerichts nicht teilt, nicht.37

(7) Schließlich verfängt aus denselben Gründen die Rüge der Rechtsbeschwerde nicht, das Beschwerdegericht habe ohne sachverständige Hilfe übergangen, dass die Börsenkursentwicklung der W.  AG die Ertragslage und Ertragsaussichten wegen Warnhinweisen zu Liquiditätsveränderungen und dem Hinweis auf ein etwaiges Delisting oder Downlisting unzutreffend abbilde. Das Beschwerdegericht hat bei der Feststellung der für die Schätzung erforderlichen Grundlagen die Geeignetheit der Daten der W.   AG geprüft und sich insbesondere mit dem Einfluss der in der Angebotsunterlage der Antragsgegnerin vom 27. Juni 2017 auf S. 78 f. ausgewiesenen Warnhinweise zur möglichen Verringerung des Streubesitzes und der Liquidität der Aktien der W.  AG und der möglichen Änderung der Börsennotierung der Aktie der W.  AG auseinandergesetzt und einen relevanten Einfluss auf den Kurs der W.  AG verneint.38

b) Das Beschwerdegericht hat den Ausgleich der außenstehenden Aktionäre im Sinne des § 304 Abs. 2 Satz 1 AktG von 0,11 € netto bzw. 0,13 € brutto ohne Rechtsfehler als angemessen beurteilt. Die Bestimmung der festen Ausgleichszahlung anhand des Börsenwerts der Gesellschaft kann eine geeignete Methode zur Ermittlung eines angemessenen Ausgleichs nach § 304 Abs. 2 Satz 1 AktG sein.39

aa) Das Beschwerdegericht konnte den angemessenen festen Ausgleich im Sinne des § 304 Abs. 2 Satz 1 AktG aus dem Börsenwert der W.   AG ableiten. Gegen diese Beurteilung wendet sich die Rechtsbeschwerde ohne Erfolg.40

§ 304 Absatz 2 Satz 1 AktG gibt vor, dass der feste Ausgleich der außenstehenden Aktionäre nach der bisherigen Ertragslage der Gesellschaft und ihren künftigen Ertragsaussichten unter Berücksichtigung angemessener Abschreibungen und Wertberichtigungen, jedoch ohne Bildung anderer Gewinnrücklagen zu berechnen ist. Es ist umstritten, welche methodischen Vorgaben für die Berechnung des Ausgleichs daraus resultieren und ob der feste Ausgleich der außenstehenden Aktionäre auf Grundlage des anhand des Börsenwerts geschätzten Unternehmenswerts bestimmt werden kann.41

(1) Nach einer Auffassung ist der Ausgleich nach § 304 Abs. 2 Satz 1 AktG allein nach dem Ertragswertverfahren zu bestimmen. Dem Börsenkurs kommt danach keine ausschlaggebende Bedeutung zu (Deilmann in Hölters/ Weber, AktG, 4. Aufl., § 304 Rn. 25, 31; KK-AktG/Koppensteiner, 3. Aufl., § 304 Rn. 55; Paschos in Henssler/Strohn, AktG, 5. Aufl., § 304 Rn. 8; Schenk in Bürgers/Körber/Lieder, AktG, 5. Aufl., § 304 Rn. 35; Grigoleit/Servatius, AktG, 2. Aufl., § 304 Rn. 16; Stephan in K. Schmidt/Lutter, AktG, 4. Aufl., § 304 Rn. 77; MünchKommAktG/van Rossum, 5. Aufl., § 304 Rn 77; BeckOGK AktG/Veill/Preisser, Stand 1.1.2023, § 304 Rn. 58; Großfeld/Egger/Tönnes, Recht der Unternehmensbewertung, 9. Aufl., Rn. 1236; MünchHdb-GesR IV/Krieger, 5. Aufl., § 71 Rn. 88, 93; Popp, WPg 2008, 23, 35; Riegger/Wasmann, Festschrift Stilz, 2014, S. 509, 515; Spindler/Klöhn, Der Konzern 2003, 511, 516 f.). Das folge aus dem Wortlaut des § 304 Abs. 2 Satz 1 AktG, der maßgeblich auf (künftige) Ertragsaussichten der Gesellschaft abstelle und damit die Ertragswertmethode als Berechnungsmodell vorgebe (KK-AktG/Koppensteiner, 3. Aufl., § 304 Rn. 50, 55; Stephan in K. Schmidt/Lutter, AktG, 4. Aufl., § 304 Rn. 77; MünchKommAktG/van Rossum, 5. Aufl., § 304 Rn 77; MünchHdb-GesR IV/ Krieger, 5. Aufl., § 71 Rn. 88). Zudem fehle es an einem Modell, wie aus dem Börsenwert eines Unternehmens der Ausgleich errechnet werden könne. Für die Berechnung des Ausgleichs und der Abfindung seien im Hinblick auf den Normzweck jeweils eigene Werte zu ermitteln, so dass insbesondere eine Berechnung des Ausgleichs durch Verrentung der nach Börsenkursen ermittelten Werte ausscheide (OLG HamburgBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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, AG 2002, 406, 408; OLG DüsseldorfBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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, Beschluss vom 25. November 2009- I-26 W 6/07, juris Rn. 58; Paschos in Henssler/Strohn, AktG, 5. Aufl., § 304 Rn. 8; Schenk in Bürgers/Körber/Lieder, AktG, 5. Aufl., § 304 Rn. 35; MünchHdb-GesR IV/Krieger, 5. Aufl., § 71 Rn. 93; Popp, WPg 2008, 23, 24; Spindler/Klöhn, Der Konzern 2003, 511, 517).42

Gegen die Maßgeblichkeit des Börsenwerts bei aktienrechtlichen Konzernierungsmaßnahmen im Allgemeinen (und ohne Differenzierung zwischen § 304 AktG und § 305 AktG) wird weiter angeführt, dass die Ertragslage der Gesellschaft und ihre künftigen Ertragsaussichten in einem halbstreng informationseffizienten Kapitalmarkt, dessen Informationsniveau sich nach den gesetzlichen Veröffentlichungspflichten (§ 17 Abs. 1 MAR) richte (Schnorbus/ Rauch/Grimm, AG 2021, 391 Rn. 37), im Börsenkurs nicht zutreffend abgebildet seien (Ruiz de Vargas, NZG 2021, 1001, 1008 f.; Ruthardt/Hachmeister, NZG 2014, 455, 456 f.; Ruthard/Popp, AG 2020, 240, 245 f.; Ruthard/Popp, AG 2021, 296, 299; Ruthard/Popp, AG 2022, 347, 352 f.) und eine Berücksichtigung des Börsenkurses stets flankierender Kontrollmechanismen bedürfe (Ruiz de Vargas, NZG 2021, 1056, 1057 f.).43

Nach anderer, auch vom Beschwerdegericht vertretener Auffassung, kann der feste Ausgleich nach § 304 Abs. 2 Satz 1 AktG auch aus einem Unternehmenswert abgeleitet werden, der nach der marktorientierten Methode auf Grundlage des Börsenwerts der Gesellschaft bestimmt wird (Decher, AG 2023, 106, 116; Döding, WuB 2022, 295, 298; Kuthe, AG 2021, R217, R219; Schnorbus/Rauch/Grimm, AG 2021, 391, 401 Fn. 99; Wasmann, AG 2021, 179, 190; Wittgens/Schlöder, EWiR 2021, 649, 650; in diese Richtung tendierend: OLG HamburgBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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, AG 2003, 583, 585; Emmerich in Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 10. Aufl., § 304 AktG Rn. 57; Koch, AktG, 16. Aufl., § 304 Rn. 8; Adolff/Häller in: Fleischer/Hüttemann, Rechtshandbuch Unternehmensbewertung, 2. Aufl., Rn. 21.19; J. Schmidt, NZG 2020, 1361, 1365). Denn auch der Börsenwert könne die Ertragslage eines Unternehmens und die künftigen Ertragsaussichten hinreichend zum Ausdruck bringen.44

(2) Der Börsenwert einer Gesellschaft kann geeignet sein, sowohl deren bisherige Ertragslage als auch deren künftige Ertragsaussichten im Einzelfall hinreichend abzubilden und kann daher Grundlage für den gemäß § 304 Abs. 2 Satz 1 AktG zu bestimmenden angemessenen festen Ausgleich sein.45

(a) Der Wortlaut des § 304 Abs. 2 Satz 1 AktG steht dem Rückgriff auf den Börsenwert einer Gesellschaft zur Bestimmung des angemessenen festen Ausgleichs der außenstehenden Aktionäre nicht entgegen. Soweit es danach auf den Betrag ankommt, der nach der bisherigen Ertragslage der Gesellschaft und ihren künftigen Ertragsaussichten voraussichtlich als durchschnittlicher Gewinnanteil auf die einzelne Aktie verteilt werden könnte, ist damit, entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde, nicht vorgegeben, dass der Betrag allein nach der Ertragswertmethode ermittelt werden müsste. Insbesondere schreibt die Norm nicht vor, auf welcher Grundlage die künftigen Ertragsaussichten und der Betrag, der voraussichtlich auf die einzelne Aktie verteilt werden könnte, prognostiziert werden müssen. Der Vorschrift lässt sich nicht entnehmen, dass es für den Tatrichter insoweit bei der Methodenwahl ausgeschlossen wäre, von den Prognosen des Markts auszugehen, die sich in dem jeweiligen Börsenkurs ausdrücken. Denn die Berücksichtigung des Börsenwerts beruht auf der Annahme, dass die Marktteilnehmer auf der Grundlage der ihnen zur Verfügung gestellten Informationen und Informationsmöglichkeiten die Ertragskraft des Unternehmens, um dessen Aktien es geht, zutreffend bewerten und sich die Marktbewertung im Börsenkurs der Aktien niederschlägt (BGH, Beschluss vom 12. Januar 2016 – II ZB 25/14, BGHZ 208, 265 Rn. 23).46

(b) Sinn und Zweck des § 304 AktG tragen den methodischen Rückgriff auf den Börsenwert einer Gesellschaft zur Bestimmung des angemessenen festen Ausgleichs der außenstehenden Aktionäre. Die Vorschrift bezweckt die Sicherung der außenstehenden Aktionäre vor der Beeinträchtigung ihrer sich aus der Mitgliedschaft ergebenden vermögensrechtlichen Stellung. Es sollen die Verluste kompensiert werden, die ihnen durch die Ausübung der Weisungskompetenz des herrschenden Unternehmens entstehen können (BGH, Beschluss vom 4. März 1998 – II ZB 5/97, ZIP 1998, 690, 691 mwN). Nach dem Willen des Gesetzgebers haben die außenstehenden Aktionäre dabei eine „Dividendengarantie“ (RegE, Entwurf eines Aktiengesetzes, BT-Drucks. IV/171, S. 223 f.). Zwar mag der Gesetzgeber, wie das Beschwerdegericht zutreffend ausgeführt hat, bei der Fassung von § 293 AktG aF, der Vorgängervorschrift des § 304 AktG, eine Wertermittlung anhand des Ertragswertverfahrens vor Augen gehabt haben, ohne sich dabei aber auf eine bestimmte Vorgehensweise zur Ermittlung der Höhe des angemessenen Ausgleichs festzulegen. Das vom Gesetzgeber formulierte Ziel, den außenstehenden Aktionären einen angemessenen Ersatz für die entzogene Dividende zu geben, wird ebenfalls erreicht, wenn statt des Ertragswertverfahrens auf den Börsenwert der Gesellschaft zurückgegriffen wird. Die künftigen Ertragsaussichten einer Gesellschaft werden nämlich als Teil ihrer Ertragskraft in einem funktionierenden Kapitalmarkt durch eine Vielzahl von Marktteilnehmern durch reale Transaktionen zutreffend bewertet. Die Beteiligung eines Aktionärs an der Gesellschaft erfährt durch dieses Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage eine Wertbestimmung (BVerfGE 100, 289, 308). Voraussetzung der Aussagekraft des Börsenwerts für die Bewertung einer Gesellschaft ist eine effektive Informationsbewertung durch die Marktteilnehmer (siehe oben Rn. 20). Eine effektive Bewertung durch den Markt erfährt insofern nicht nur die vergangenheitsbezogene bisherige Ertragslage der Gesellschaft, sondern auch ihre künftige Ertragsaussicht.47

(c) Auch die Systematik des § 304 AktG steht dem methodischen Rückgriff auf den Börsenwert durch den Tatrichter nicht entgegen, wie das Beschwerdegericht zutreffend herausgearbeitet hat. Die Bestimmung der angemessenen Abfindung anhand des Börsenwerts der Gesellschaft kann eine geeignete Methode zur Ermittlung der angemessenen Abfindung im Rahmen des § 305 AktG sein. Anders als die Rechtsbeschwerde meint, kann ein Gleichlauf der zur Verfügung stehenden Methoden deshalb nicht nur erreicht werden, wenn sowohl der Ermittlung des Ausgleichs nach § 304 AktG als auch der Abfindung nach § 305 AktG allein das Ertragswertverfahren zugrunde gelegt wird, mithin eine für § 305 AktG anerkannte Methode für die Ermittlung der angemessenen Abfindung bei gleichzeitiger Ermittlung von Ausgleich und Abfindung durch den Tatrichter ausgeschlossen wird. Gleichermaßen möglich ist es nämlich, im Hinblick auf den gemeinsamen Bewertungsanlass den Gleichlauf der Methoden dergestalt herzustellen, dass die für § 305 AktG anerkannten Bewertungsmethoden auch für § 304 AktG angewendet werden können. Denn beide Vorschriften sollen entsprechend der verfassungsrechtlichen Garantie des Art. 14 GG gewährleisten, dass der außenstehende Aktionär wirtschaftlich voll entschädigt wird (BVerfGE 100, 289, 304 f.).48

Sollte dem Senatsurteil vom 13. Februar 2006 (BGH, Urteil vom13. Februar 2006 – II ZR 392/03, BGHZ 166, 195 Rn. 13) etwas Anderes zu entnehmen sein, hält der Senat hieran nicht länger fest.49

(d) Der Ableitung des festen Ausgleichs aus dem Börsenwert einer Gesellschaft steht ein möglicher Niederschlag nicht betriebsnotwendigen Vermögens (neutralen Vermögens) in dem Börsenkurs hier nicht entgegen.50

Zwar kann es im Rahmen der Ableitung des festen Ausgleichs bei einer Unternehmensbewertung nach dem Ertragswertverfahren geboten sein, das nicht betriebsnotwendige Vermögen dabei nicht anzusetzen, weil Vermögenswerte, die auf den Ertrag keinen Einfluss gehabt haben, grundsätzlich nicht einzubeziehen sind (BGH, Beschluss vom 21. Juli 2003 – II ZB 17/01, BGHZ 156, 57, 63). Bei der hier vorgenommenen Ableitung des festen Ausgleichs aus dem Börsenwert einer Gesellschaft besteht diese Abzugsmöglichkeit nicht. Es kann deshalb allenfalls die methodische Entscheidung zur Ableitung des festen Ausgleichs aus dem Börsenwert eines Unternehmens ausgeschlossen sein, wenn anzunehmen ist, dass insofern ausschlaggebende unternehmensspezifische Daten von den Marktteilnehmern auf dem Kapitalmerkt nicht hinreichend verarbeitet worden sind. Dafür ergeben sich hier weder Anhaltspunkte noch macht die Rechtsbeschwerde dies geltend. Die Berücksichtigung des nicht betriebsnotwendigen Vermögens hat sich allenfalls zu Gunsten der Minderheitsaktionäre ausgewirkt, wie das Beschwerdegericht zutreffend ausführt.51

(e) Der Rückgriff auf Börsenkurse scheidet bei der Anwendung des § 304 AktG, ebenso wie bei der Anwendung des § 305 AktG, allerdings dann aus, wenn ein funktionierender Kapitalmarkt nicht gegeben ist, also über einen längeren Zeitraum mit Aktien der Gesellschaft praktisch kein Handel stattgefunden hat bzw. eine Marktenge vorliegt (BVerfGE 100, 289, 309; BGH, Beschluss vom 12. März 2001 – II ZB 15/00, BGHZ 147, 108, 116). Indizien für das Vorliegen einer Marktenge können dabei geringe Handelsvolumina, ein Handel nur an wenigen Börsentagen oder ein geringer Streubesitz der Aktien sein. An hinreichender Aussagekraft mangelt es Börsenkursen zudem, wenn unerklärliche Kursausschläge oder Kursmanipulationen vorliegen oder wenn kapitalmarktrechtliche Veröffentlichungspflichten nicht eingehalten wurden (BVerfG, ZIP 2011, 1051 Rn. 25; OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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, AG 2007, 246, 247), wofür es nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts keine Anhaltspunkte gibt (siehe oben Rn. 32).52

bb) Das Beschwerdegericht hat für die Ableitung des festen Ausgleichs nach § 304 Abs. 2 Satz 1 AktG ohne Rechtsfehler den Börsenwert der W.   AG als Unternehmenswert gewählt und eine Ableitung mithilfe eines Verrentungszinssatzes von 3,35 % vorgenommen.53

(1) Die wahl des Börsenwerts der W.   AG zur Ableitung des festen Ausgleichs durch das Beschwerdegericht lässt einen Rechtsfehler nicht erkennen. Insbesondere hat das Beschwerdegericht bei der Auswahl des Börsenwerts als taugliche Bewertungsgrundlage, wie schon bei seiner Prüfung im Rahmen des § 305 AktG, keine sachfremden Erwägungen angestellt.54

Anders als die Rechtsbeschwerde meint, führt das systematische Verständnis der §§ 304, 305 AktG des Beschwerdegerichts nicht „contra legem“ zur Außerachtlassung der Ertragslage der Gesellschaft. Stattdessen spricht sich das Beschwerdegericht lediglich für den nicht sachfremden Gleichlauf der Methoden bei Anwendung der §§ 304, 305 AktG aus.55

Daneben findet sich das von der Rechtsbeschwerde im Rahmen ihrer Rügen gegen die nach § 305 AktG festgesetzte Abfindung monierte Verständnis einer prozessökonomie in dem Sinne, dass damit die Arbeitslast gesteuert, auf sachverständige Begutachtung verzichtet und dem sachfremden Wunsch nach Verfahrensvereinfachung entsprochen werde, in den Gründen des angegriffenen Beschlusses nicht. Stattdessen spricht sich das Beschwerdegericht im Sinne der prozessökonomie gegen eine zwingende Ermittlung des Ausgleichs nach § 304 AktG anhand des Ertragswerts der Gesellschaft aus, wenn die Angemessenheit der Abfindung nach § 305 AktG in zulässiger Weise nach dem Börsenwert bestimmt werden kann (vgl. BVerfG, ZIP 2012, 1408 Rn. 26). Diese Erwägung des Beschwerdegerichts zielt ebenfalls (nur) auf die Methodenvielfalt und das tatrichterliche Ermessen bei der Methodenwahl im Rahmen der Anwendung der §§ 304, 305 AktG ab und ist entgegen der Rechtsbeschwerde weder gehörswidrig noch sachfremd.56

(2) Das Beschwerdegericht hat rechtsfehlerfrei einen Verrentungszins in Höhe von 3,35 % aus den Fremdkapitalkosten der Antragsgegnerin als herrschender Gesellschaft und einer beherrschungsvertragsspezifischen Risikoprämie ermittelt. Die hiergegen gerichteten Angriffe der Rechtsbeschwerde bleiben ohne Erfolg.57

(a) Für die Ermittlung des anzuwendenden Zinssatzes existiert keine bestimmte Regel, die zu einem einzigen richtigen Ergebnis führt. Die Regel, nach der der Zinssatz ermittelt wird, muss den Bewertungszielen entsprechen, in der Wirtschaftswissenschaft anerkannt und praktisch gebräuchlich sein (vgl. BGH, Beschluss vom 29. September 2015 – II ZB 23/14, BGHZ 207, 114 Rn. 36). Dabei muss der anzuwendende Verrentungszins zur Ableitung des angemessenen festen Ausgleichs nach § 304 Abs. 2 Satz 1 AktG im Wesentlichen zwei Risiken der in der beherrschten Gesellschaft verbleibenden außenstehenden Aktionäre abbilden, zum einen das Insolvenzrisiko der herrschenden Gesellschaft und zum anderen das Risiko der Auszehrung der beherrschten Gesellschaft durch nachteilige Maßnahmen des herrschenden Unternehmens bis zur Kündigung des Beherrschungsvertrags (vgl. OLG FrankfurtBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG Frankfurt
, ZIP 2012, 124, 132; OLG Stuttgart, AG 2013, 724, 731; Popp/Ruthard in Fleischer/Hüttemann, Rechtshandbuch Unternehmensbewertung, 2. Aufl., Rn. 12.212 f.; Popp, WPg 2018, 244, 249). Die wahl der im Einzelfall geeigneten Methode zur Bestimmung eines angemessenen Verrentungszinses zur Ableitung des angemessenen festen Ausgleichs ist, wie die Frage nach der geeigneten Bewertungsmethode zur Bestimmung des Werts einer Unternehmensbeteiligung (siehe oben Rn. 17), eine dem Tatrichter obliegende Tatsachenfeststellung.58

Neben dem von der Vertragsprüferin verwendeten und insbesondere bei einer Unternehmensbewertung nach dem Ertragswertverfahren wirtschaftswissenschaftlich anerkannten Verfahren der Bestimmung des Verrentungszinses auf der Grundlage des risikolosen Basiszinses und eines Risikozuschlags (z.B. Popp/Ruthard in Fleischer/Hüttemann, Rechtshandbuch Unternehmensbewertung, 2. Aufl., Rn. 12.208 ff.; Frank/Muxfeld/Galle, Coporate Finance, Themenheft Unternehmensbewertung, 12/2016, S. 455; Maul, DB 2002, 1423, 1424 f.; Popp WPg 2018, 244, 248) ist es betriebswirtschaftlich unter anderem möglich, wie das Beschwerdegericht den Verrentungszins aus den Fremdkapitalkosten der herrschenden Gesellschaft und einer beherrschungsvertragsspezifischen Risikoprämie abzuleiten (vgl. Frank/Muxfeld/Galle, Coporate Finance, Themenheft Unternehmensbewertung, 12/2016, S. 451 ff.).59

Das Beschwerdegericht hat diese Ableitung unter Rückgriff auf das Bewertungsgutachten mit der beabsichtigten Integration des beherrschten Unternehmens in das herrschende Unternehmen und der damit verbundenen Verlagerung von Akquisitionen in das beherrschte Unternehmen begründet. Das Risiko des Vermögensentzugs der außenstehenden Aktionäre bei Kündigung des Unternehmensvertrags und eine etwaige Auszehrung des beherrschten Unternehmens seien in einem solchen Fall als gering einzustufen und könnten durch eine spezifische Risikoprämie besser berücksichtigt werden als durch den Ansatz der verschuldeten Eigenkapitalkosten der beherrschten Gesellschaft. Diese tatrichterliche Methodenwahl zur Bestimmung des anzuwendenden Verrentungszinses für die konkrete Bewertungssituation, die von der Rechtsbeschwerde nicht beanstandet wird, lässt einen Rechtsfehler nicht erkennen.60

(b) Soweit die Rechtsbeschwerde bemängelt, die vom Beschwerdegericht angewandte Risikoprämie von 0,57 % sei in keiner Weise begründet worden, übergeht sie den Bezug des Beschwerdegerichts auf das Bewertungsgutachten, in dem für die Berechnung unter anderem auch auf die von Frank/Muxfeld/Galle (Coporate Finance, Themenheft Unternehmensbewertung, 12/2016, S. 449 ff.) dargestellte Vorgehensweise verwiesen wird.61

Soweit die Rechtsbeschwerde weiter geltend macht, es hätten im Hinblick auf das Kündigungsrisiko der außenstehenden Aktionäre die vollen Eigenkapitalkosten der W.  AG angesetzt werden müssen und es sei nicht abgebildet, dass Alternative der außenstehenden Aktionäre keine (sichere) Barabfindung, sondern nur ein dem Risiko der Branche unterliegender Aktientausch sei, teilt sie, rechtsbeschwerderechtlich unbeachtlich, lediglich die tatrichterliche Bewertung des Beschwerdegerichts nicht.62

Gegen die vom Beschwerdegericht mit einem Verrentungszins von 3,35 % errechnete Höhe des Ausgleichs der außenstehenden Aktionäre von 0,11 € netto / 0,13 € brutto bringt die Rechtsbeschwerde nichts vor.63

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 15 SpruchG.

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Schlagworte: Abfindung, AktG § 304, AktG § 305, AktG AktG 305 Abs. 2 Nr. 1, außenstehender Aktionär, Börsenwert