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KG Berlin, Beschluss vom 23.11.2022 – 22 W 50/22 

Gesellschafterliste

§ 16 Abs 1 S 1 GmbHG, § 40 GmbHG, § 1922 Abs 1 BGB, § 1960 BGB, § 59 FamFG

1. Die Regelung des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG gilt auch für die Erben eines GmbH-Gesellschafters. Sie können Gesellschafterrechte erst dann ausüben, wenn sie in die Gesellschafterliste nach § 40 GmbHG aufgenommen worden sind. Dies gilt auch für einen Nachlasspfleger, der für die unbekannten Erben des Gesellschafters bestellt ist.

2. Die Beschwerdebefugnis gegen die Anordnung einer Notgeschäftsführung an sich steht dem Erben eines GmbH-Gesellschafters erst mit der Eintragung in die GesellschafterlisteBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Eintragung
Eintragung in die Gesellschafterliste
Gesellschafterliste
zu.

Tenor

Die Beschwerde des Beteiligten zu 1) wird als unzulässig verworfen.

Der Geschäftswert des Verfahrens beträgt 60.000 EUR, § 67 Abs. 1 Nr. 1 GNotKG.

Gründe

I.

Die Gesellschaft, eine GmbH, ist seit dem 2. Juli 2020 in das Handelsregister Abteilung B des Amtsgerichts Charlottenburg eingetragen. Als Unternehmensgegenstand ist der Betrieb eines Restaurants festgelegt. Am 10. Dezember 2021 verstarb der einzige Geschäftsführer und Alleingesellschafter der Gesellschaft W B. Zur Sicherung und Verwaltung des Nachlasses sowie zur Ermittlung der Erben – der Erblasser war geschieden, seine einzige Schwester schlug die Erbschaft aus – ernannte das zuständige Amtsgericht Wedding am 4. Februar 2022 für die unbekannten Erben nach W B, den Beteiligten zu 1) als Nachlasspfleger.Randnummer2

Auf Antrag der Beteiligten zu 2), der Lebensgefährtin des Erblassers und Mitarbeiterin in dem von der Gesellschaft betriebenen Restaurant, bestellte das Amtsgericht Charlottenburg diese mit Beschluss vom 5. Mai 2022 zur alleinvertretungsberechtigten Notgeschäftsführerin.Randnummer3

Nachdem das Registergericht dem Beteiligten zu 1) auf seine Nachfrage hin, mit Schreiben vom 8. Juli 2022 eine Abschrift des Bestellungsbeschlusses übersandt hatte, hat dieser mit einem Schreiben vom 14. Juli 2022, das beim Registergericht am 20. Juli 2022 per Post eingegangen ist, für die unbekannten Erben Beschwerde eingelegt mit dem Ziel, eine Abberufung der Notgeschäftsführerin zu erreichen. Insoweit rügt er, dass er wegen des Antrags auf Notgeschäftsführerbestellung nicht angehört worden ist. Die Voraussetzungen des § 29 BGB seien auch nicht gegeben, die Erben könnten die Gesellschafterrechte ohne weiteres ausüben. Darüber hinaus sei die Beteiligte zu 2) auch als Geschäftsführerin ungeeignet, weil sie Erbschaftsbesitzerin sei und jede Zusammenarbeit verweigere. Die Erben hätten an der Weiterführung des Geschäftsbetriebs kein Interesse, dieser solle eingestellt werden. Das Amtsgericht hat dem Rechtsmittel nicht abgeholfen und die Sache dem Senat mit einem Beschluss vom 8. August 2022 zur Entscheidung vorgelegt.

II.

1. Die Beschwerde des Beteiligten zu 1) gegen den Bestellungsbeschluss vom 5. Mai 2022 ist zwar nach § 402 Abs. 1 FamFG statthaft, weil es sich bei der Bestellung eines Notgeschäftsführers, auch wenn diese auf einer entsprechenden Anwendung des § 29 BGB beruht, um ein unternehmensrechtliches Verfahren nach § 375 FamFG handelt (vgl. Münchener Kommentar zum GmbHG/Stephan/Tieves, 3. Aufl., § 35 Rn. 66). Die Beschwerde ist aber unzulässig und dementsprechend gemäß § 68 Abs. 2 Satz 2 FamFG zu verwerfen, weil die unbekannten Erben, auf die es für diese Frage ankommt, durch die Entscheidung des Amtsgerichts, für die Gesellschaft einen Notgeschäftsführer zu bestellen, nicht unmittelbar in eigenen Rechten beschwert sind, so dass es an den Voraussetzungen des § 59 Abs. 1 FamFG fehlt. Auf die weitere Frage, ob die Einreichung der Beschwerde per Post angesichts der Regelung in § 14b Abs. 1 FamFG formgerecht war, kommt es daher nicht an (vgl. dazu OLG Frankfurt, Beschluss vom 15. Februar 2022 – 4 UF 8/22 –, juris).Randnummer5

2. Durch die Anordnung der Notgeschäftsführung werden die unbekannten Erben entgegen der Auffassung des Beteiligten zu 1) nicht unmittelbar in eigenen Rechten beeinträchtigt.Randnummer6

a) Eine Beeinträchtigung ihrer Vertretungsbefugnis ist nicht eingetreten. Denn diese sind durch den Wegfall des Erblassers nicht in dessen Stellung als Vertretungsorgan eingetreten. § 35 Abs. 1 Satz 2 GmbHG, der im Übrigen nur die Passivvertretung ermöglicht und schon deshalb zur Weiterführung oder auch nur Abwicklung des Geschäftsbetriebs der Gesellschaft nicht ausreichend ist (vgl. BeckOK-GmbHG/Wisskirchen/Hesser/Zoglowek, Stand: 1.9.2022, § 35 Rn. 42; Münchener Kommentar zum GmbHG/Stephan/Tieves, aaO, Rn. 55, 266; Noack/Servatius/Haas/Breuskens, GmbHG, 23. Aufl., § 35 Rn. 32), greift zu Gunsten der Erben des Alleingesellschafters nicht, weil diese nicht als Gesellschafter in der zuletzt in den Registerordner aufgenommenen Gesellschafterliste aufgeführt sind. Die Aufnahme einer solchen Liste ist auch im Erbfall vorgesehen (vgl. BT-Drucksache 16/6140 S. 38) und notwendig (Lutter/Hommelhoff/Bayer, GmbHG, 20. Aufl., § 16 Rn. 43; Michalski/Ebbing, GmbHG, 3. Aufl., § 16 Rn. 96; Münchener Kommentar zum GmbHG/Heidinger, 4. Aufl., § 16 Rn. 163; Noack/Servatius/Haas/Servatius, aaO, § 16 Rn. 19; Wicke, GmbHG, 4. Aufl., § 16 Rn. 6, jew. mit weiteren Nachweisen). Ob eine Ausnahme in Betracht kommt, wenn die Erben durch einen Erbschein ausgewiesen sind (so Altmeppen, GmbHG, 10. Aufl., § 16 Rn. 22; Ising NZG 2010, 812, 815) und ob diesem der Beschluss über eine Nachlasspflegerbestellung gleichsteht, kann letztlich dahinstehen. Denn auch insoweit geht es nur darum, unter Berücksichtigung des § 16 Abs. 1 Satz 2 GmbHG eine zutreffende Gesellschafterliste zur Aufnahme in den Registerordner zu erstellen, die dann die Ausübung der Gesellschafterrechte rechtfertigt.Randnummer7

b) Weil es an einer die unbekannten Erben ausweisenden Gesellschafterliste fehlt, sind die unbekannten Erben auch nicht in ihrem Recht auf Bestellung der Vertretungsorgane als Gesellschafter (vgl. § 46 Nr. 5 GmbHG) beeinträchtigt.Randnummer8

c) Auch die weiteren Ausführungen des Beteiligten zu 1) zu einer Ungeeignetheit der Beteiligten zu 2) zur Geschäftsführung rechtfertigen nicht die Annahme, die unbekannten Erben wären durch den Bestellungsbeschluss unmittelbar in eigenen Rechten beeinträchtigt. Der Hinweis, die Beteiligte zu 2) sei Erbschaftsbesitzerin und kooperiere insoweit nicht mit dem Beteiligten zu 1), ist unerheblich. Bezüglich der GmbH haben die Erben lediglich die Geschäftsanteile erworben. Die Geltendmachung der hieraus entstehenden Rechte setzt die Erstellung einer entsprechenden Gesellschafterliste und deren Aufnahme in den Registerordner voraus. Dass die Beteiligte zu 2) als ehemalige Lebensgefährtin des Erblassers über andere Nachlassgegenstände verfügt, steht in keinem Zusammenhang mit der Frage, ob eine Notgeschäftsführerbestellung erforderlich ist.Randnummer9

3. Ob sich eine Beschwerdebefugnis daraus ergeben könnte, dass die unbekannten Erben als (zukünftige) Gesellschafter gegen die Gesellschaft und damit die Notgeschäftsführerin einen Anspruch auf Erstellung einer sie als Gesellschafter ausweisenden Gesellschafterliste haben, wie der Bet. Zu 1) auch gerade mit dem Schriftsatz vom 17. November 2022 geltend macht, kann hier offenbleiben. Denn insoweit käme lediglich ein Angriff auf die als Notgeschäftsführer ausgewählte Person in Betracht, nicht aber eine Beschwerde gegen die Anordnung der Notgeschäftsführung an sich. So kann die erhobene Beschwerde aber nicht verstanden werden. Denn sie ist auf eine ersatzlose Aufhebung der Bestellung gerichtet. Dies ergibt sich daraus, dass der Beteiligte zu 1) auf Nachfrage des Senats ausdrücklich erklärt und mit dem Schriftsatz vom 17. November 2022 bekräftigt hat, eine Notgeschäftsführung sei nicht erforderlich, der Geschäftsbetrieb solle sofort eingestellt werden, was aber angesichts des durch die GmbHG geführten Restaurantbetriebs ohne Geschäftsführung ohnehin nicht möglich sein dürfte. Dies gilt im Übrigen auch, soweit – wie der Beteiligte zu 1) angekündigt hat – ein Insolvenzantrag gestellt werden soll. Auf die von ihm weiter erhobenen Missbrauchsvorwürfe gegenüber der Bestellten kommt es nach alledem nicht an.Randnummer10

4. Eine Kostenentscheidung ist nicht zu treffen. Die Verpflichtung zur Tragung der Gerichtskosten ergibt sich aus dem Gesetz, Anlass eine Erstattungsanordnung bezüglich außergerichtlicher Kosten anzuordnen, sieht der Senat im vorliegenden Fall nicht. Die Zulassung der Rechtsbeschwerde scheidet aus, die Voraussetzungen nach § 70 Abs. 2 FamFG sind nicht gegeben.

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