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OLG München, Urteil vom 03.05.2023 – 7 U 4308/22

§ 256 Abs. 1 ZPO; §§ 311 Abs. 2, 241 Abs. 2, 280 Abs. 1 BGB

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten zu 1) wird das Schlussurteil des Landgerichts München I vom 03.06.2022, Az. 40 O 4308/22 in Ziffer 1 seines Tenors wie folgt abgeändert und neu gefasst:

Die Beklagte zu 1) wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 26.015,06 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten aus einem Betrag von 24.883,12 € seit 30.10.2018 sowie aus einem weiteren Betrag von 1.131,94 € seit 26.10.2021 zu zahlen Zug um Zug gegen Übertragung der Rechte und Pflichten an und aus der Beteiligung der Klägerin an der Beklagten zu 2) (Beteiligungsnummer SI-KG-…21) an die Beklagte zu 1).

2. Auf die Berufung der Beklagten zu 1) wird das in Ziffer 1 bezeichnete Schlussurteil des Landgerichts München I in Ziffern 2 und 3 seines Tenors aufgehoben und die Klage insoweit abgewiesen.

3. Das in Ziffer 1 bezeichnete Schlussurteil des Landgerichts wird in Ziffer 4 seines Tenors klarstellend wie folgt gefasst:

Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte zu 1) mit der Annahme der Gegenleistung gemäß Ziffer 1. in Annahmeverzug befindet.

4. Im Übrigen wird die Berufung der Beklagten zu 1) zurückgewiesen.

5. Die Beklagte zu 1) trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

6. Dieses Urteil sowie das in Ziffer 1 bezeichnete Schlussurteil des Landgerichts München I, soweit es noch Bestand hat, sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte zu 1) kann die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

7. Die Revision gegen dieses Urteil zum Bundesgerichtshof wird zugelassen.

Gründe

A.

Die Parteien streiten um Ansprüche im Zusammenhang mit der Beendigung einer Gesellschaftsbeteiligung.

2

Die Klägerin beteiligte sich durch Beitrittserklärung vom 17.03.2009 laut Anl. K 1 über einen Treuhänder an der Beklagten zu 2), deren Gründungsgesellschafterin und Komplementärin die Beklagte zu 1) (damals noch in der Form einer AG) war, mit einer Einlage von nominal 80.000,- € zuzüglich 6% Agio. Die Beteiligung hatte Herr T. vermittelt.

3

Die Klägerin zahlte auf ihre Beteiligung 56.150,00 € an die Beklagte zu 2).

4

Zum Zeitpunkt des Beitritts der Klägerin zur Beklagten zu 2) war Herr T. E. sowohl Alleinvorstand der Beklagten zu 1) als auch Geschäftsführer der M. E. GmbH (im Folgenden als M. bezeichnet) und an beiden Gesellschaften kapitalmäßig beteiligt. Er war darüber hinaus auch Geschäftsführer der O. Management GmbH, die von der Beklagten zu 1) mit dem Untervertrieb der Beteiligungen an der Beklagten zu 2) beauftragt war. Die Eigenschaft der Beklagten zu 1) sowohl als Komplementärin der Beklagten zu 2) als auch als Kapitalvermittlerin und die Rolle des Herrn E. in diesen Gesellschaften sind in dem Emissionsprospekt vom 10.07.2007 laut Anl. K 2 (dort S. 42 unter Nr. 12.1 Abs. 5), der am 09.08.2007 veröffentlicht wurde, angegeben; nicht erwähnt sind hingegen die M. und die O. Management GmbH sowie die Bezüge des Herrn E. zu diesen beiden Gesellschaften.

5

Mit Schreiben der Klägervertreter vom 05.06.2018 (Anl. K 3), das per Fax am selben Tag bei der Beklagten zu 1) einging, kündigte die Klägerin ihre Beteiligung an der Beklagten zu 2) außerordentlich fristlos.

6

Die Beklagte zu 2) erstellte unter dem 09.01.2021 zum Stichtag 06.06.2018 eine Auseinandersetzungsbilanz (Bl. zu 250 d.A.) und ermittelte ein Auseinandersetzungsguthaben der Klägerin in Höhe von 31.266,88 €, das sie in der Folge an die Klägerin auszahlte.

7

Mit Einkommensteuerbescheid vom 21.06.2021 für den Veranlagungszeitraum 2010 (Anl. K 1a, geheftet als Bl. zu 295/299 d.A.) setzte das Finanzamt Fürstenfeldbruck in Abänderung des Einkommensteuerbescheids vom 12.09.2011 gegen die Klägerin ausschließlich aufgrund ihrer Beteiligung an der Beklagten zu 2) eine Einkommensteuernachzahlung in Höhe von 1.131,94 € fest. Diese beglich die Klägerin am 21.07.2021 (Anl. K 1b, geheftet als Bl. zu 295/299 d.A.).

8

Die Klägerin behauptete, die Beteiligung sei von der M. aufgrund eines Untervertriebsvertrages mit der Beklagten zu 1) vermittelt worden. Der Vermittler T. habe für die Medius gehandelt, jedenfalls habe die Klägerin diesen Eindruck gewinnen müssen.

9

Vor der Zeichnung sei die Klägerin nicht ordnungsgemäß aufgeklärt worden. Den Emissionsprospekt laut Anl. K 2 habe sie erst nach der Zeichnung ausgehändigt bekommen und im Vertrauen auf die durchgeführte Beratung abgeheftet, ohne ihn zu lesen (vgl. Schriftsatz des Klägervertreters vom 16.01.2019, S. 3 letzter Absatz, Bl. 42 d.A.). Im Rahmen des am 17.03.2009 erfolgten Beratungsgesprächs habe Herr T. sie nicht über die Risiken der Anlage, insbesondere auch nicht über das Totalverlustrisiko, aufgeklärt, obwohl sie Herrn T. gegenüber angegeben habe, dass die Anlage dem Aufbau einer sicheren Alterszusatzversorgung dienen solle. Vielmehr sei sie nur auf die positiven Aspekte des Beteiligungserwerbs hingewiesen worden. Die Anlage sei für die von der Klägerin gewünschte sichere Altersvorsorge nicht geeignet gewesen. Auch sei die Bezeichnung der Anlage mit „S.v.“ irreführend.

10

Schließlich sei die Klägerin im Rahmen der Vermittlung der Beteiligung auch nicht über die Verflechtungen des Herrn E. mit der M. und der O. Management GmbH aufgeklärt worden. Auch der Prospekt laut Anl. K 2 enthalte hierzu keine hinreichenden Angaben.

11

In Kenntnis der mit der Anlage verbundenen Risiken und der Verflechtungen des Herrn E. hätte sie die Anlage nicht gezeichnet.

12

Aufgrund der mangelhaften Aufklärung der Klägerin sei die Beklagte zu 1) als Gründungsgesellschafterin verpflichtet, der Klägerin die bisher von ihr an die Beklagte zu 2) erbrachten Zahlungen in Höhe von 56.150,00 € abzüglich des von der Beklagten zu 2) an sie ausbezahlten Abfindungsguthabens von 31.266,88 € sowie die von der Klägerin bezahlten Steuern in Höhe von 1.131,94 € als Schadensersatz zu erstatten und sie im Übrigen von etwaigen zukünftigen Ansprüchen der Beklagten zu 2) aus dem Beteiligungsverhältnis freizustellen.

13

Die Klägerin beantragte daher zuletzt:

I. Die Beklagte zu 1) wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von € 26.015,06 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus einem Betrag von 24.883,12 seit Rechtshängigkeit und aus einem weiteren Betrag von 1.131,94 € seit 22.07.2021 zu bezahlen.

II. Es wird festgestellt, dass die Beklagte zu 1) verpflichtet ist, die Klägerin von etwaigen Ansprüchen in Zusammenhang mit der Beteiligung der Klagepartei an der O.Vermögensverwaltung AG [sic] & Co. S.v. KG (Beteiligungsnummer SI-KG-…21) freizustellen.

III. Die Verurteilung gemäß Ziffern I. und II. erfolgt Zug um Zug gegen Übertragung der Rechte und Pflichten an und aus der Beteiligung der Klagepartei an der O.Vermögensverwaltung AG [sic] & Co S.v. KG (Beteiligungsnummer SI-KG-…21).

IV. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte zu 1) mit der Annahme der Gegenleistung gemäß Ziffer III. in Annahmeverzug befindet

V. Es wird festgestellt, dass sich der Rechtsstreit im Übrigen erledigt hat.

14

Die Beklagte zu 1) beantragte

Klageabweisung.

15

Sie erwiderte, dass die Medius nicht in den Vertrieb der Beteiligung einbezogen gewesen sei. Der Vermittler T. sei nicht für die Medius, sondern ausschließlich auf Grund eines Vertriebsvertrages zwischen der Beklagten zu 1) und ihm tätig geworden (vgl. Schriftsatz des Beklagtenvertreters vom 10.12.2018, S. 12 unten und 14 Mitte, Bl. 31 und 33 d.A.).

16

Die Aufklärung durch Herrn T. sei anhand des Emissionsprospekts laut Anl. K 2 erfolgt, der der Klägerin auch rechtzeitig vor Vertragsschluss übergeben worden sei, was die Klägerin durch ihre Unterschrift unter das Beratungsprotokoll vom 17.03.2019 laut Anl. K 1 bestätigt habe. In dem Prospekt seien sowohl die Risiken der Anlage, inklusive des Totalverlustrisikos, dargestellt als auch die Verflechtungen des Herrn E. offengelegt.

17

Etwaige Ansprüche der Klägerin seien im Übrigen verjährt. Die Haftung der Beklagten zu 1) bemesse sich ausschließlich nach § 13 VerkProspG i.V.m. 44 ff. BörsG a.F. Diese spezialgesetzliche Prospekthaftung würde etwaige Ansprüche aus der Prospekthaftung im weiteren Sinne gemäß §§ 311 Abs. 2, 241 Abs. 2, 280 Abs. 1 BGB grundsätzlich verdrängen. Ansprüche nach § 13 VerkProspG i.V.m. §§ 44 ff. BörsG a.F. seien drei Jahre nach Veröffentlichung des Prospekts am 09.08.2007 und damit mit Ablauf des 09.08.2010 verjährt.

18

Soweit die Klägerin neben der Fehlerhaftigkeit des Prospekts geltend mache, dass die der Anlagenzeichnung vorausgehende Beratung gar nicht anhand des Prospekts erfolgt sei und ihr auch kein Prospekt übergeben worden sei, seien Ansprüche aus § 13 VerkProspG, §§ 44 ff. BörsG a.F. ausgeschlossen, da es an dem erforderlichen ursächlichen Zusammenhang zwischen dem fehlerhaften Prospekt und dem Erwerb der Wertpapiere mangele.

19

Nur wenn bei der Vermittlung über den Prospekt hinaus unrichtige mündliche Angaben gemacht worden seien, komme ausnahmsweise noch eine Haftung nach §§ 311 Abs. 2, 241 Abs. 2, 280 Abs. 1 BGB in Betracht. Daran fehle es vorliegend aber, da die Klägerin eine über den Prospekt hinausgehende unrichtige mündliche Zusicherung des Vermittlers, des Zeugen T., nicht habe beweisen können (vgl. Schriftsatz des Beklagtenvertreters vom 09.05.2022, S. 4, Bl. 316 d.A.).

20

Die Klage wurde der Beklagten zu 1) am 29.10.2018 zugestellt (Bl. zu 14 d.A.).

21

Mit Endurteil vom 18.03.2019, Az. 40 O 13628/18, (Bl. 77/90 d.A.), auf das Bezug genommen wird, verurteilte das Landgericht München I die Beklagte zu 1) in der Hauptsache zur Zahlung von 56.150,00 € an die Klägerin und stellte fest, dass die Beklagte zu 1) verpflichtet sei, die Klägerin von etwaigen Ansprüchen in Zusammenhang mit der streitgegenständlichen Beteiligung freizustellen. Sowohl die Verurteilung zur Zahlung als auch die Feststellung der Verpflichtung zur Freistellung der Klägerin erfolgten Zug um Zug gegen die Übertragung der Rechte und Pflichten aus der streitgegenständlichen Beteiligung. Darüber hinaus stellte das Landgericht den Annahmeverzug der Beklagten zu 1) mit der Rückübertragung der Rechte und Pflichten aus der Beteiligung und die Beendigung der Beteiligung durch die Kündigung vom 05.06.2018 fest. Schließlich verurteilte das Landgericht die Beklagte zu 2) zur Ermittlung des Auseinandersetzungsguthabens der Klägerin zum 06.06.2018 und zur Zahlung dieses noch zu ermittelnden Guthabens an die Klägerin.

22

Mit Endurteil vom 27.11.2019, Az. 7 U 2018/19 (Bl. 146/156 d.A.), in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 18.02.2020, auf das Bezug genommen wird, hob der Senat auf die Berufungen beider Beklagten das Endurteil des Landgerichts München I vom 18.03.2019 auf und verwies die Sache zur erneuten Entscheidung an das Landgericht zurück.

23

Mit Teilurteil vom 25.06.2020, Az. 40 O 13628/18, Bl. 202/214 d.A. in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 06.08.2020 (Bl. 218/220 d.A.), auf das Bezug genommen wird, stellte das Landgericht München I nach Vernehmung des Zeugen T. und der Klägerin als Partei (vgl. S. 2 bis 4 des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 28.05.2020, Bl. 195/197 d.A.) fest, dass die Klägerin durch die Beklagte zu 1) anlässlich der Zeichnung der Beteiligung an der O. Vermögensverwaltung GmbH & Co. S.v.t KG vom 17.03.2009 fehlerhaft aufgeklärt worden und diese Aufklärungspflichtverletzung kausal für die Zeichnung gewesen sei (Ziffer 1 des Tenors). Darüber hinaus stellte das Landgericht fest, dass die streitgegenständliche Beteiligung der Klägerin an der Beklagten zu 2) durch die außerordentliche Kündigung der Klägerin vom 05.06.2018 zum 06.06.2018 beendet worden sei (Ziffer 2 des Tenors), und verurteilte die Beklagte zu 2), das auf die Beteiligung der Klägerin an der Beklagten zu 2) entfallende Auseinandersetzungsguthaben auf den 06.06.2018 zu ermitteln (Ziffer 3 des Tenors).

24

Die Beklagte zu 1) legte gegen das Teilurteil vom 25.06.2020 mit Schriftsatz ihres damaligen Prozessbevollmächtigten vom 03.08.2020 (Bl. 222/223 d.A.) Berufung ein, soweit sie darin verurteilt wurde (Ziffer 1 des Tenors). Zur Begründung der von ihr beantragten Aufhebung des Teilurteils führte die Beklagte zu 1) u.a. aus, dass Tatsachen und abstrakte Rechtsfragen wie die fehlerhafte Aufklärung der Klägerin und die Kausalität dieser fehlerhaften Aufklärung für die Zeichnungsentscheidung der Klägerin kein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis sein könnten (vgl. Berufungsbegründungsschriftsatz vom 28.08.2020, S. 1 und 2, Bl. 227 und 228 d.A.).

25

Die Beklagte zu 2) nahm die Verurteilung in dem Teilurteil vom 25.06.2020 hin.

26

Mit Schriftsatz ihres damaligen Prozessbevollmächtigten vom 21.09.2021 (Bl. 283/284 d.A.) nahm die Beklagte zu 1) ihre Berufung gegen das Teilurteil vom 25.06.2020 zurück.

27

Mit Schriftsatz des Klägervertreters vom 13.10.2021, S. 2, Bl. 296 d.A. erklärte die Klägerin den Rechtsstreit hinsichtlich der Zahlung des Auseinandersetzungsguthabens durch die Beklagte zu 2) an die Klägerin für erledigt. Eine Zustimmung zur Erledigterklärung durch die Beklagte zu 2) erfolgte nicht.

28

Mit gleichem Schriftsatz des Klägervertreters (dort S. 4, Bl. 298 d.A.) erklärte die Klägerin des Weiteren den Rechtsstreit hinsichtlich des Klageantrags zu I. gegen die Beklagte zu 1) in Höhe von 30.134,94 € teilweise für erledigt. Eine Zustimmung zur Teilerledigterklärung erklärte die Beklagte zu 1) nicht.

29

Mit Schlussurteil vom 03.06.2022, Az. 40 O 13628/18, verurteilte das Landgericht München I die Beklagte zu 1) zur Zahlung von 26.015,06 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus einem Betrag von 24.883,12 € seit 30.10.2018 und aus einem weiteren Betrag in Höhe von 1.131,94 € seit 22.07.2021 an die Klägerin. Es stellte fest, dass die Beklagte zu 1) verpflichtet sei, die Klägerin von etwaigen Ansprüchen in Zusammenhang mit der Beteiligung der Klagepartei an der O. Vermögensverwaltung GmbH & Co. S.v. KG freizustellen. Die Verurteilung der Beklagten zu 1) zur Zahlung sowie die Feststellung der Verpflichtung zur Freistellung erfolgte jeweils Zug um Zug gegen Übertragung der Rechte und Pflichten an und aus der Beteiligung der Klägerin an der O. Vermögensverwaltung GmbH & Co S.v. KG.

30

Darüber hinaus stellte das Landgericht fest, dass sich die Beklagte mit der Annahme der Gegenleistung (gemeint der Rückübertragung der Rechte aus der Beteiligung) in Annahmeverzug befinde und dass sich der Rechtsstreit im Übrigen erledigt habe.

31

Zur Begründung seiner Entscheidung führte das Landgericht u.a. aus, dass es gemäß § 318 ZPO an die in seinem rechtskräftig Teilurteil vom 25.06.2020 auf die diesbezügliche Zwischenfeststellungsklage der Klägerin getroffenen Feststellungen einer fehlerhaften Aufklärung der Klägerin und der Kausalität dieser Aufklärungspflichtverletzung für die Zeichnung der Klagepartei gebunden sei (LGU S. 6 oben). Auch im Übrigen bezog sich das Landgericht auf die bereits im Teilurteil vom 25.06.2020 enthaltenen Feststellungen, die ein Grundurteil iSd. § 304 Abs. 1 ZPO darstellten. Insoweit stehe zwischen den Parteien auch bereits rechtskräftig fest, dass die Schadensersatzansprüche der Klägerin gegen die Beklagte zu 1) nicht verjährt seien (LGU S. 7 unten, 8 oben).

32

Im Übrigen wird gemäß § 540 Abs. 1 ZPO auf den Tatbestand und die Entscheidungsgründe des landgerichtlichen Schlussurteils Bezug genommen.

33

Mit ihrer Berufung verfolgt die Beklagte zu 1) unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vortrags ihr Klageabweisungsziel weiter. Die Feststellung der teilweisen Erledigung des Rechtsstreits durch das Landgericht (Ziffer 5 des Tenors des Schlussurteils) nimmt sie jedoch hin.

34

Die Beklagte zu 1) beantragt daher, unter Abänderung des am 03.06.2022 verkündeten Urteils des Landgerichts München I mit Ausnahme der Feststellung, dass sich der Rechtsstreit im Übrigen erledigt hat, Ziff. 5 der Urteilsformel, die Klage abzuweisen.

35

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

36

Sie verteidigt das landgerichtliche Urteil und führt aus, dass das Landgericht bereits in seinem Teilurteil vom 25.06.2020 entschieden habe, dass die streitgegenständlichen Ansprüche nicht verjährt seien. Dieses Teilurteil sei zugleich ein Grundurteil iSd. § 301 Abs. 1 S. 2 ZPO i.V.m. § 304 Abs. 1 ZPO, sodass das Landgericht bei Erlass des Schlussurteils vom 03.06.2022 daran gemäß § 318 ZPO gebunden gewesen sei. Selbst wenn also die streitgegenständliche Ansprüche tatsächlich – wie nicht – verjährt sein sollten, so sei aufgrund der Bindungswirkung des § 318 ZPO vom Gegenteil auszugehen (Berufungserwiderung S. 3, Bl. 360 d.A.). Da die Beklagte zu 1) ihre zunächst eingelegte Berufung gegen das Teilurteil vom 25.06.2020 zurückgenommen habe, sei dieses auch rechtskräftig.

37

Im Übrigen seien die streitgegenständlichen Ansprüche der Klägerin auch nicht verjährt. Jedenfalls im streitgegenständlichen Fall werde die Haftung der Beklagten zu 1) nach §§ 311 Abs. 2, 280 Abs. 1 BGB auch nicht durch die spezialgesetzliche Prospekthaftung verdrängt. Denn der vorliegende Sachverhalt sei von der Regelung der § 13 VerkProspG, §§ 44 ff. BörsG a.F. gar nicht erfasst, da danach vorausgesetzt werde, dass die Beteiligung innerhalb eines Zeitraums von sechs Monaten nach Veröffentlichung des ersten Angebots erworben wurde. Dies sei aber nicht der Fall, da das erste öffentliche Angebot der streitgegenständlichen Fondsanteile im Inland unstreitig vom 09.08.2007 datiere und die Klägerin die Beteiligung (ebenfalls unstreitig) erst am 17.03.2009 erworben habe. Auch stütze sich im streitgegenständlichen Fall der Anspruch gemäß §§ 311 Abs. 2, 241 Abs. 2, 280 Abs. 1 BGB nicht auf die Verwendung eines unrichtigen Prospekts als Mittel der schriftlichen Aufklärung, sondern auf eine fehlerhafte mündliche Beratung.

38

Der Senat hat am 29.03.2023 mündlich verhandelt. Er hat mit Verfügung vom 15.03.2023 einen Hinweis erteilt (Bl. 372 d.A.). Auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 29.03.2023, die zwischen den Prozessbevollmächtigten gewechselten Schriftsätze und den übrigen Akteninhalt wird Bezug genommen.

B.

39

Die zulässige Berufung der Beklagten zu 1) ist insoweit begründet, als der von der Beklagten zu 1) (auch) geschuldete Betrag von 1.131,94 € erst ab 26.10.2021 und nicht schon ab 22.07.2021 zu verzinsen ist (I.), und insoweit als der Feststellungsantrag unzulässig ist (II.). Im Übrigen ist die Berufung der Beklagten zu 1) unbegründet.

I.

40

Die Klägerin hat gegen die Beklagte zu 1) Anspruch gemäß §§ 311 Abs. 2, 241 Abs. 2, 280 Abs. 1 BGB auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von insgesamt 26.015,06 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten aus einem Betrag von 24.883,12 € seit 30.10.2018 sowie aus einem weiteren Betrag von 1.131,94 € seit 26.10.2021.

41

1. Aufgrund des nach der Berufungsrücknahme durch die Beklagte zu 1) rechtskräftigen Teilurteils des Landgerichts vom 25.06.2020 (Bl. 202/214 d.A.) steht noch nicht bindend fest, dass die Klägerin gegen die Beklagte zu 1) dem Grunde nach einen unverjährten Schadensersatzanspruch aus §§ 311 Abs. 2, 241 Abs. 2, 280 Abs. 1 BGB hat. Denn bei dem Teilurteil vom 25.06.2020 handelt es sich entgegen der Ansicht der Klägerin nicht gleichzeitig auch um Grundurteil iSd. §§ 301 Abs. 1 S. 2, 304 ZPO, da sich aus dessen Tenor und Entscheidungsgründen nicht mit der gebotenen Eindeutigkeit entnehmen lässt, ob der Wille des Landgerichts dahin ging, den Streit vorab zu entscheiden (zur Notwendigkeit der Erkennbarkeit des Willens des Gerichts vgl. BGH, Urteil vom 01.12.2003 – VI ZR 349/02, Rdnr. 9).

42

Aus Ziffer 1 des Tenors ergibt sich zunächst nur die Feststellung, dass die Beklagte zu 1) die Klägerin vor der Zeichnung der Anlage nicht ordnungsgemäß aufgeklärt hat und dass diese fehlerhafte Aufklärung kausal für die Zeichnung wurde. Zum Grund des streitgegenständlichen Schadensersatzanspruchs der Klägerin gegen die Beklagte zu 1) gehören aber nicht nur die Aufklärungspflichtverletzung und deren Kausalität für die Zeichnung, sondern alles, was den Anspruch insgesamt entfallen lassen kann (vgl. Greger in Zöller, ZPO, 34. Auflage, Köln 2022, Rdnr. 10 zu § 304 ZPO), wie bspw. das Nichtbestehen eines Schadens und/oder die Verjährung. Dazu verhält sich der Tenor des Teilurteils aber nicht.

43

Ziffern 2 und 3 des Tenors des Teilurteils vom 25.06.2020 betreffen nicht den Schadensersatzanspruch der Klägerin gegen die Beklagte zu 1, sondern die Beendigung der Beteiligung der Klägerin an der Beklagten zu 2), sodass sich daraus für eine Entscheidung des Landgerichts über einen Schadensersatzanspruch der Klägerin gegen die Beklagte zu 1) nichts entnehmen lässt.

44

Auch aus der Zusammenschau des Tenors mit den Entscheidungsgründen wird nicht hinreichend klar, ob das Teilurteil zugleich ein Grundurteil hinsichtlich des Bestehens eines Schadensersatzanspruchs der Klägerin gegen die Beklagte zu 1) sein soll. Zwar führt das Landgericht unter Punkt A II einleitend aus, dass die Klägerin gegen die Beklagte zu 1) einen Anspruch auf Schadensersatz wegen der Verletzung von Aufklärungspflichten nach den Grundsätzen der Prospekthaftung im weiteren Sinne habe (LGU S. 10 zweiter Absatz), was auf ein Grundurteil hindeuten könnte. Jedoch folgen sodann zunächst nur Ausführungen bezüglich der schuldhaften Aufklärungspflichtverletzung (LGU S. 10 vorletzter und letzter Absatz sowie S. 11 erster und zweiter Absatz) und der Kausalität (LGU S. 11 dritter Absatz), bevor dann ausgeführt wird, dass, nachdem der Schaden der Klägerin von der vorherigen Ermittlung des von der Beklagten zu 2) an die Klägerin auszuzahlenden Auseinandersetzungsguthabens abhänge, die Klägerin ihren Schadensersatzanspruch derzeit nicht verfolgen könne und deshalb aber die von der Klägerin erhobene Zwischenfeststellungsklage iSd. § 256 Abs. 2 ZPO zulässig sein müsse (LGU S. 11 vierter Absatz). Aus den Erwägungen ausschließlich zur Zulässigkeit der Zwischenfeststellungsklage, in denen auf die Frage eines Grundurteils nicht abgestellt wird, ist zu entnehmen, dass sich der Wille des Landgerichts bei Erlass des Teilurteils vom 25.06.2020 auch auf die Entscheidung der Zwischenfeststellungsklage beschränkte. Dies folgt auch aus der Tatsache, dass ein Grundurteil vorausgesetzt hätte, dass das Landgericht ausgeführt hätte, dass unabhängig von der Höhe des Schadens der Klägerin jedenfalls ein Schaden entstanden ist. Denn ohne Schaden besteht schon dem Grunde nach kein Schadensersatzanspruch. Dass ein Schaden der Klägerin aber nicht ohne weiteres anzunehmen ist, sondern davon abhängt, ob und inwieweit das der Klägerin gegenüber der Beklagten zu 2) zustehende Abfindungsguthaben ihre Einzahlungen unterschreitet, war – wie sich aus dem Einleitungssatz zu Punkt A II 5 (LGU S. 11 vierter Absatz) ergibt – auch dem Landgericht bewusst. Dennoch hat es keine Ausführungen zur Frage eines Mindestschadens der Klägerin gemacht, was gegen einen auf ein Grundurteil gerichteten Willen spricht. Daran ändert dann auch nichts mehr, dass das Landgericht abschließend ohne Begründung noch ausführt, dass die klägerischen Ansprüche nicht verjährt seien.

45

Nach alledem war trotz des landgerichtlichen Teilurteils vom 25.06.2020 zum Bestehen eines unverjährten Schadensersatzanspruchs der Klägerin gegen die Beklagte zu 1) sowohl dem Grund als auch der Höhe nach zu entscheiden.

46

2. Nach der Rechtsprechung des BGH hat ein Gründungsgesellschafter die Pflicht, einem Beitrittsinteressenten für seine Beitrittsentscheidung ein zutreffendes Bild über das Beteiligungsobjekt zu vermitteln und ihn über alle Umstände, die für seine Anlageentscheidung von wesentlicher Bedeutung sind oder sein können, insbesondere über die mit der angebotenen speziellen Beteiligungsform verbundenen Nachteile und Risiken zutreffend, verständlich und vollständig aufzuklären (vgl. BGH, Urteil vom 14.05.2012 – II ZR 69/12, Rdnr 10 und Beschluss vom 25.10.2022 – II ZR 22/22, Rdnr. 16).

47

Ein Gründungsgesellschafter, der sich zu den vertraglichen Verhandlungen über einen Beitritt eines Vertriebs bedient und diesem oder von diesem eingeschaltete Untervermittlern die geschuldete Aufklärung der Beitrittsinteressenten überlässt, haftet über § 278 BGB für deren unrichtige oder unzureichende Angaben. Er muss sich das Fehlverhalten von Personen, die er mit den Verhandlungen zum Abschluss des Beitrittsvertrages ermächtigt hat, zurechnen lassen (vgl. BGH, Urteil vom 14.05.2012 – II ZR 69/12, Rdnr 11 und Beschluss vom 25.10.2022 – II ZR 22/22, Rdnr. 34 aE).

48

3. Nach diesen Grundsätzen hat die Beklagte zu 1) die ihr als Gründungsgesellschafterin der Beklagten zu 2) obliegende Pflicht zur Aufklärung der Klägerin als Beitrittsinteressentin aufgrund einer fehlerhaften Aufklärung der Klägerin durch den Vermittler T. verletzt.

49

a. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme und der informatorischen Anhörung der Klägerin durch das Landgericht lag der Aufklärung der Klägerin durch den Vermittler T. der Emissionsprospekt laut Anl. K 2 zu Grunde, auch wenn zwischen den Parteien streitig und für den Senat nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht aufklärbar ist, ob – so die Klägerin – ihr der Prospekt erst nach der Unterzeichnung (vgl. S. 2 letzter Absatz und S. 3 erster Absatz des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 14.02.2019, Bl. 63 und 64 d.A. in der Form des Berichtigungsbeschlusses vom 18.03.2019, Bl. 72/74 d.A.), am Ende des einzigen Beratungsgesprächs (vgl. S. 4 drittletzter Absatz des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 28.05.2020, Bl. 197 d.A.) oder aber bereits bei einem früheren Beratungsgespräch (vgl. insoweit die Aussage des Zeugen T. S. 3 erster Absatz des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 28.05.2020, Bl. 196 d.A.) übergeben wurde. Denn nach der Aussage des Zeugen T. sei die Beratung anhand des Emissionsprospekts erfolgt (vgl. S. 3 erster Absatz des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 28.05.2020, Bl. 196 d.A.). Dies deckt sich jedenfalls insoweit mit den Angaben der Klägerin wonach Unterlagen, von denen sie angenommen habe, dass es sich dabei um den Emissionsprospekt gehandelt habe, zur Beratung verwendet worden seien. Diese seien auf dem Tisch gelegen und Grundlage der Beratung gewesen (vgl. S. 2 letzter Absatz und S. 3 erster Absatz des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 28.05.2020, Bl. 63 und 64 d.A.).

50

b. Der somit nach der Überzeugung des Senats der Aufklärung der Klägerin durch den Vermittler T. zu Grunde liegende Prospekt war fehlerhaft.

51

aa. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs muss der Prospekt einem Anleger für seine Beitrittsentscheidung ein richtiges Bild des Beitrittsobjekts vermitteln, d.h. er muss den Anleger über alle Umstände, die für die Anlageentscheidung von wesentlicher Bedeutung sind oder sein können, zutreffend und vollständig aufklären (BGH, Urteil vom 23.04.2012 – II ZR 211/09, Rdnr. 13; Urteil vom 09.07.2013 – II ZR 9/12, Rdnr. 33). Dabei müssen die Darstellungen auch hinreichend eindeutig sein (BGH, Urteil vom 14.06.2007 – III ZR 300/15, Rdnr. 19). Da der Prospekt Erklärungen an einen unbestimmten Personenkreis enthält, ist er objektiv auszulegen. Maßgeblich ist mithin die Verständnismöglichkeit eines durchschnittlichen Anlegers (BGH, Urteil vom 08.05.2012 – XI ZR 262/10, Rdnr. 22). Für die Beurteilung, ob ein Prospekt unrichtig oder unvollständig ist, ist nicht isoliert auf eine bestimmte Formulierung, sondern auf das Gesamtbild abzustellen, das er dem Anleger unter Berücksichtigung der von ihm zu fordernden sorgfältigen und eingehenden Lektüre vermittelt (BGH, Urteil vom 03.11.2015 – II ZR 270/14, Rdnr. 14).

52

bb. Diesen Prüfungskriterien hält der streitgegenständliche Prospekt (Anlage K 2) zwar im Hinblick auf die Risikoaufklärung stand. Dort werden nämlich unter 3. auf S. 14 ff. ausführlich die mit der Anlage verbundenen Risiken dargestellt. Insbesondere wird unter 3.2 auf S. 14 unter der Überschrift „Totalverlust als Maximalrisiko“ ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der Anleger im schlechtesten Fall einen Totalverlust seiner Beteiligung erleiden könne. Aus der Bezugnahme auf die „Beteiligung“ als solche ergibt sich auch, dass sich das Totalverlustrisiko nicht nur auf die bereits vom Anleger eingezahlten Beträge erstreckt, sondern auch die noch offenen Beträge weiter zu zahlen sind, die sodann ebenfalls verloren sein können. In der Zusammenschau der ausführlichen Risikohinweise und der Darstellung der mit der Anlage laut Prospekt verbundenen wirtschaftlichen Chancen des Investments sowie der rechtlichen Ausgestaltung der Beteiligung wurde dem durchschnittlichen Anleger ein zutreffendes Bild von der Risikobehaftetheit der Anlage vermittelt.

53

cc. Unzutreffend bzw. unvollständig und damit fehlerhaft ist jedoch die Darstellung der Verflechtungen in dem gegenständlichen Prospekt.

54

(1) Zu den Umständen, die für die Beteiligungsentscheidung von wesentlicher Bedeutung sein können, gehört auch die Darstellung der wesentlichen kapitalmäßigen und personellen Verflechtung zwischen einerseits der Komplementärin der Fondsgesellschaft, ihren Geschäftsführern und beherrschenden Gesellschaftern und andererseits der Unternehmen sowie deren Geschäftsführern und beherrschenden Gesellschaftern, in deren Hand die Beteiligungsgesellschaft die nach dem Emissionsprospekt durchzuführenden Vorhaben wesentlich gelegt hat (BGH, Urteil vom 15.10.2010 – III ZR 321/08, Rdnr. 25 m.w.N.). Denn solche Verflechtungen begründen die Gefahr von Interessenkonflikten, die dem Anleger bekannt sein müssen, damit er die Risiken der Anlage zutreffend beurteilen kann (so schon BGH, Urteil vom 06.10.1980 – II ZR 60/80, Rdnr. 26).

55

Diese allgemeinen Grundsätze folgen schon aus §§ 241 Abs. 2, 242, 311 BGB und werden durch §§ 8g VerkProspG, 12 Abs. 1, 2 Vermögensanlagen-Verkaufsprospektverordnung (in der zur Zeit des gegenständlichen Gesellschaftsbeitritts am 17.03.2009 geltenden Fassung) lediglich konkretisiert. Hiernach müssen in dem Prospekt die Mitglieder der Geschäftsführung der Fondsgesellschaft angegeben werden; soweit diese Personen auch für Unternehmen tätig sind, die mit dem Vertrieb der angebotenen Vermögensanlage betraut sind, ist dies ebenfalls anzugeben.

56

(2) Diesen Grundsätzen wird der streitgegenständliche Prospekt weder im Hinblick auf die M. (a) noch bezüglich der O. Management GmbH (b) gerecht.

57

(a) In dem Prospekt ist zwar dargelegt, dass die Beklagte zu 1) sowohl geschäftsführende Komplementärin der Beklagten zu 2) als auch mit dem Vertrieb der Kommanditbeteiligungen betraut ist und dass Herr E. Vorstand der Beklagten zu 1) ist. Der Untervertrieb durch die Medius sowie die Tätigkeit des Herrn E. als deren Geschäftsführer bleiben aber unerwähnt.

58

Schon nach dem Wortlaut des § 12 Abs. 1, 2 Nr. 1 Vermögensanlagen-Verkaufsprospektverordnung wäre letzteres in dem Prospekt anzugeben gewesen. Dass zwischen der Beklagten zu 1) und der Medius ein Untervertriebsvertrag bestand, steht aufgrund der Beweisaufnahme durch das Landgericht zur Überzeugung des Senats fest. Denn der Zeuge T. hat in seiner Vernehmung als Zeuge glaubhaft bekundet, dass er bei der Vermittlung der streitgegenständlichen Anlage als freier Handelsvertreter für die M. tätig gewesen sei und insoweit auch eine entsprechende Vertriebs- und Provisionsvereinbarung mit der M. gehabt habe. Die M. habe ihm auch die monatlichen Provisionsabrechnungen erteilt und die sich daraus ergebenden Provisionszahlungen an ihn geleistet. Bei der sich aus dem „Vertriebsvertrag“ laut Anl. B 2 ergebenden Vereinbarung mit der O. Management GmbH habe es sich um eine zusätzliche Vereinbarung gehandelt (vgl. S. 3 vorletzter und letzter Absatz des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 28.05.2020, Bl. 196 d.A.). Für die von der Klägerseite behauptete Vermittlungstätigkeit der Medius sprechen auch die Angaben der Klägerin in ihrer informatorischen Anhörung durch das Landgericht, wonach sie bekundete, dass sich Herr T. als Mitarbeiter der Medius vorgestellt habe, das Gespräch in den Geschäftsräumen der M. stattgefunden habe und die ihr übergebenen Unterlagen in einem M.-Ordner abgelegt gewesen sein (vgl. S. 2 drittletzter und vorletzter Absatz des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 28.05.2020, Bl. 63 d.A.). Nach alledem hat der Senat keine Zweifel, dass hinsichtlich der Beteiligungen an der Beklagten zu 2) ein Vertriebsvertrag zwischen der Beklagten zu 1) und der M. bestand.

59

Die Medius war daher mit dem Vertrieb der Kommanditbeteiligungen betraut, und zwar durch die Komplementärin der Beklagten zu 2), also rechtlich gesehen durch die Beklagte zu 2) selbst. Herr E. war sowohl Vorstand der Beklagten zu 1) als Komplementärin der Beklagten zu 2), also Mitglied von deren Geschäftsführung, als auch Geschäftsführer der mit dem Vertrieb betrauten Medius.

60

Auch nach Sinn und Zweck der Pflicht zur Offenlegung von Verflechtungen wären die genannten Angaben erforderlich gewesen. Der Senat folgt insoweit nicht der Argumentation der Beklagten zu 1), dass der Interessenkonflikt, der sich aus der Tätigkeit der Beklagten zu 1) als Komplementärin der Fondsgesellschaft einerseits und als Vertriebsgesellschaft andererseits ergibt, aus dem Prospekt ersichtlich ist (was zweifellos zutrifft) und durch die Einschaltung der M. bzw. durch die Tätigkeit der Herrn E. für die M. ein darüber hinausgehender Interessenkonflikt nicht zu besorgen gewesen sei. Der Senat ist dem gegenüber vielmehr der Auffassung, dass durch die Einschaltung der Medius und die Tätigkeit des Herrn E. auch für diese die Möglichkeit von Interessenkonflikten vertieft wurde. Dies wird deutlich, wenn man die Lage aus der Sicht des Herrn E. betrachtet. Der primäre Interessenkonflikt besteht darin, dass er als Vorstand der Komplementärgesellschaft möglichst viel Anlegerkapital für eigentliche Fondszwecke zurückhalten müsste, während er als Vorstand der (personenidentischen) Vertriebsgesellschaft möglichst hohe Vertriebsprovisionen aus den Anlegerzahlungen anstreben müsste. Tritt eine Untervertriebsorganisation wie die M. hinzu, die ebenfalls von Herrn E. geführt wird, tritt ein weiteres Interesse hinzu, nämlich auch die Medius aus dem Kuchen der Anlegergelder zu versorgen.

61

Dahin stehen kann insoweit, ob Herr E. sich diesbezüglich korrekt verhalten hat, insbesondere nur die für den Vertrieb prospektierten Margen zwischen Beklagter zu 1) und Medius verteilt hat. Jedenfalls bestand in seiner Person die dargestellte Möglichkeit von Interessenkonflikten, auf die die Anleger hinzuweisen gewesen wären.

62

Irrelevant ist in diesem Zusammenhang, dass in dem Prospekt auf die Möglichkeit der Einschaltung von Untervermittlern hingewiesen wurde. Denn hieraus konnte ein Anleger nicht die dargestellten Verflechtungen und Interessenkollisionen entnehmen, wie sich schon daraus erhellt, dass die Beklagte zu 1) auch Untervermittler hätte einschalten können, zu denen keine Verflechtungen bestanden.

63

(b) Gleichfalls in dem Prospekt unerwähnt bleiben auch die Verflechtungen des Herrn T. E. mit der O. Management GmbH, obwohl diese nach dem unbestrittenen Vortrag der Klägerin (vgl. Schriftsatz des Klägervertreters vom 14.05.2020, dort S. 4 – 6., Bl. 181-183 d.A.) ebenfalls durch die Beklagte zu 1) mit dem Untervertrieb der Beteiligungen an der Beklagten zu 2) beauftragt war und Herr T. E. auch Geschäftsführer der O. Management GmbH war. Da es sich dabei um den gleichen offenlegungspflichtigen Interessenkonflikt handelt wie im Fall der M. (dazu vgl. oben unter (a)) ist der Prospekt auch insoweit fehlerhaft.

64

c. Die zutreffende, verständliche und vollständige Aufklärung des Anlegers muss nicht notwendigerweise durch einen Prospekt, sondern kann grundsätzlich auch in anderer Weise erfolgen (BGH, Urteil vom 02.03.2005 – II ZR 140/03, Rdnr. 30). Erfolgt sie nicht durch den Prospekt, etwa weil das aufklärungspflichtige Risiko (hier der mögliche Interessenkonflikt durch die Verflechtungen betreffend die Medius und/oder die O. Management GmbH) darin nicht erwähnt wird, ist der Anleger in anderer Weise hierüber aufzuklären. In Betracht kommt insoweit eine ergänzende mündliche Aufklärung durch den Anlagevermittler. Eine solche ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme, jedoch nicht erfolgt. Der Zeuge T. bekundete hierzu in seiner Vernehmung durch das Landgericht, dass „(ü)ber personelle Verflechtungen in keiner Hinsicht im Rahmen der Beratung aufgeklärt“ worden sei. Insoweit habe er auch in den Schulungen keine Informationen erhalten (vgl. S. 4 zweiter Absatz des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 28.05.2020, Bl. 197 d.A.).

65

Nach alledem ist der Klägerin eine aufklärungspflichtige Tatsache vorenthalten wurde und hat die Beklagte zu 1) damit ihre Aufklärungspflicht als Gründungsgesellschafterin der Beklagten zu 2) verletzt.

66

d. Es kann deshalb dahinstehen, ob – wie von der Klägerin behauptet – von der Fehlerhaftigkeit der Aufklärung der Klägerin allein schon wegen der diesbezüglichen Feststellungen des Landgerichts in Ziffer 1 des Tenors seines Teilurteil vom 25.06.2020, das nach der Rücknahme der dagegen von der Beklagten zu 1) eingelegten Berufung rechtskräftig wurde, auszugehen ist, obwohl es sich bei der Fehlerhaftigkeit der Aufklärung der Klägerin durch die Beklagte zu 1) ebenso wie bei der Kausalität der mangelhaften Aufklärung für die Zeichnungsentscheidung der Klägerin, die den Gegenstand der von der Klägerin erhobenen Zwischenfeststellungsklage bildeten, nicht um Rechte und Pflichten, sondern um reine Tatsachen handelte, die nach der Definition des Begriffes des Rechtsverhältnisses durch den BGH (vgl. Urteil vom 20.04.2018 – V ZR 106/17, Rdnrn 13 und 14) nicht Gegenstand einer Zwischenfeststellungsklage sein können, und die diesbezügliche Zwischenfeststellungsklage der Klägerin deshalb unzulässig war.

67

4. Durch die fehlerhafte Aufklärung der Klägerin entstand dieser auch ein Schaden.

68

a. Der Schaden der Klägerin besteht in der Zeichnung der Anlage als solcher. Die oben unter 3 b cc dargestellte unzureichende Aufklärung der Klägerin über die Verflechtungen des Herrn E. war dabei auch kausal für die Anlageentscheidung der Klägerin. Die Kausalität eines Beratungsdefizits für die Anlageentscheidung wird vermutet (BGH, Urteil vom 09.11.2009 – III ZR 169/08, Rdnr. 26). Die Beklagte zu 1) hat diese Kausalitätsvermutung durch die vom Landgericht durchgeführte Beweisaufnahme nicht widerlegen können. Die Klägerin hat nämlich in ihrer Parteivernehmung durch das Landgericht entsprechend der Vermutung für aufklärungsrichtiges Verhalten glaubhaft bekundet, dass sie die Anlage nicht gezeichnet hätte, wenn sie gewusst hätte, dass personelle Verflechtungen bestehen (vgl. S. 4 viertletzter Absatz des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 28.05.2020, Bl. 197 d.A.).

69

Aufgrund der deshalb anzunehmenden Kausalität des Aufklärungsmangels für die Schadensentstehung kommt es deshalb – wie zuvor auch schon bei der Frage der Fehlerhaftigkeit der Aufklärung – nicht auf die diesbezüglichen Feststellungen in Ziffer 1 des Teilurteils des Landgerichts vom 25.06.2020 an.

70

b. Die Höhe des der Klägerin durch die Zeichnung entstandenen Schadens beläuft sich auf insgesamt 26.015,06 €.

71

aa. Dem Grunde nach besteht der Schaden der Klägerin in allen Zahlungen, die sie auf die Anlage erbracht hat. Nach dem allgemeinen Grundsatz, dass eine Geschädigte durch den Schadensfall nicht verdienen soll, müsste sie sich allerdings den Wert der Beteiligung gegenrechnen lassen. Dieser Wert wäre nach den allgemeinen zivilprozessualen Regeln zum Tag der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung zu ermitteln. Da ein solches Vorgehen schon aus praktischen Gründen untunlich wäre, kann dem Anliegen, dass eine Geschädigte durch den Schadensfall nichts verdienen soll, aber auch dadurch Rechnung getragen werden, dass ihr die Rückzahlung ihrer Einzahlungen Zug um Zug gegen Abtretung aller Rechte aus der Beteiligung zuerkannt wird.

72

Anders liegt es nach Auffassung des Senats aber dann, wenn – wie vorliegend – die Anlegerin ihre Beteiligung wirksam gekündigt hat. Denn dann ist die Schadensentwicklung abgeschlossen. Der gegenzurechnende Wert des Anteils entspricht dem Abfindungsguthaben und ist damit nicht zum Tag der letzten mündlichen Verhandlung, sondern zum gesellschaftsvertraglich oder gesetzlich vorgeschriebenen Stichtag für die Ermittlung des Abfindungsguthabens zu ermitteln. Damit steht der Schaden fest (Einzahlungen minus Abfindungsguthaben).

73

Da die Klägerin unstreitig 56.150,00 € für den Erwerb von Anteilen an der Beklagten zu 2) bezahlt und ein Abfindungsguthaben in Höhe von 31.266,88 € ausbezahlt erhalten hat, ist ihr durch die fehlerhafte Aufklärung ein Schaden in Höhe der Differenz und damit von 24.883,12 € entstanden.

74

bb. Dazu zu addieren war noch die von der Klägerin an das Finanzamt Fürstenfeldbruck geleistete Steuernachzahlung in Höhe von 1.131,94 €, da diese nach dem nicht bestrittenen Vortrag der Klägerin nur infolge der Zeichnung der streitgegenständlichen Beteiligung festgesetzt wurde.

75

Insgesamt beläuft sich damit der Schaden der Klägerin auf 26.015,06 € (24.883,12 € + 1.131,94 €).

76

5. Der demnach gegen die Beklagte zu 1) bestehende Schadensersatzanspruch der Klägerin nach §§ 311 Abs. 2, 241 Abs. 2, 280 Abs. 1 BGB ist auch nicht verjährt.

77

a. Der Anspruch ist entgegen der Ansicht der Beklagten zu 1) nicht nach §§ 195, 199 Abs. 1 Nr. 2 2. Var. BGB verjährt, weil die Klägerin sich aufgrund der von ihr selbst unterzeichneten Dokumente nicht selbst gefragt habe, ob die Erklärungen des Vermittlers T. (oder die Angaben im Prospekt) falsch seien, und sie deshalb grob fahrlässig gehandelt habe (vgl. Schriftsatz des Beklagtenvertreters vom 10.12.2018, S. 17, Bl. 36 d.A.). Denn nach der Rechtsprechung des BGH liegt in Prospekthaftungs- und Anlageberatungsfällen eine grob fahrlässige Unkenntnis im Sinne von § 199 Abs. 1 Nr. 2 2. Var. BGB im Allgemeinen nicht schon dann vor, wenn sich die für die Kenntnis der anspruchsbegründenden Umstände einer Aufklärungs- oder Beratungspflichtverletzung notwendigen Informationen aus dem Anlageprospekt ergeben, der Anleger es aber unterlassen hat, durch die Lektüre des Prospekts die Ratschläge und Auskünfte des Anlageberaters oder -vermittlers auf ihre Richtigkeit hin zu kontrollieren (vgl. BGH, Urteil vom 14.05.2012 – II ZR 69/12, Rdnr. 19). Im Übrigen liegt das Aufklärungsdefizit im streitgegenständlichen Fall in dem fehlenden Hinweis auf die Verflechtung des Herrn E. mit der M. und mit der O. Management GmbH im Prospekt. Damit hätte die Klägerin aus den ihr von Herrn T. ausgehändigten Unterlagen auch bei deren sorgfältiger Lektüre nichts zu dem das Aufklärungsdefizit begründenden tatsächlichen Umstand entnehmen können.

78

Da die Klägerin – wie sie in ihrer informatorischen Anhörung durch das Landgericht glaubhaft bekundete (vgl. S. 2 unten des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 14.02.2019, Bl. 63 d.A.) und was von der Beklagten zu 1) auch nach dem späteren diesbezüglichen schriftsätzlichen Vortrag der Klägerin (vgl. Schriftsatz des Klägervertrerters vom 20.02.2019, S. 2 Mitte, Bl. 66 d.A.) nicht bestritten wurde – erst durch einen Anwaltsbesuch im Jahr 2018 von den Verflechtungen des Herrn E. und damit dem Aufklärungsmangel erfuhr, begann die Verjährung nach § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB erst mit Ablauf des 31.12.2018, sodass die Klagezustellung am 29.10.2018 in unverjährter Zeit erfolgte.

79

b. Der Schadensersatzanspruch der Klägerin gemäß §§ 311 Abs. 2, 241 Abs. 2, 280 Abs. 1 BGB ist auch nicht nach § 199 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 BGB kenntnisunabhängig verjährt. Denn der Beitritt der Klägerin zur Beklagten zu 2) erfolgte erst mit Annahme ihres Beitrittsangebots vom 17.03.2009 durch die damalige Treuhandkommanditistin am 20.03.2009 mit Wirkung zum 01.04.2009, sodass die zehnjährige kenntnisunabhängige Verjährungsfrist des § 199 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 BGB zum Zeitpunkt der Klagezustellung am 29.10.2018 noch nicht abgelaufen war.

80

6. Der demnach gegebene Schadensersatzanspruch der Klägerin gegen die Beklagte zu 1) aus der sogenannten Prospekthaftung im weiteren Sinne nach §§ 311 Abs. 2, 241 Abs. 2, 280 Abs. 1 BGB wird auch nicht durch die Regelungen der spezialgesetzlichen Prospekthaftung nach § 13 VerkProspG i.Vm. §§ 44 ff. BörsG in der bis zum 31.05.2012 geltenden Fassung verdrängt, nach denen Schadensersatzansprüche der Klägerin gegen die Beklagte zu 1) verjährt wären, da die Klage der Beklagten zu 1) erst am 29.10.2018 und damit weit nach Ablauf der dreijährigen Maximalverjährungsfrist des § 46 BörsG aF. zugestellt wurde.

81

a. Der sachliche Anwendungsbereich der spezialgesetzlichen Prospekthaftung ist eröffnet, da die Beklagte zu 1) Gründungsgesellschafterin der Beklagten 2) und damit ohne weiteres Prospektveranlasserin iSd. § 44 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BörsG a.F. ist (vgl. BGH, Beschluss vom 13.12.2022 – XI ZB 10/21, Rdnr. 14). Entgegen der Ansicht der Klägerin ändert an der Anwendbarkeit der spezialgesetzlichen Prospekthaftung auch die Tatsache nichts, dass die Zeichnung der streitgegenständlichen Beteiligung erst am 17.03.2019 und damit weit nach Ablauf der in § 44 Abs. 1 S. 1 BörsG a.F. stipulierten Sechsmonatsfrist erfolgte. Denn nach der Rechtsprechung des BGH gilt der Vorrang der spezialgesetzlichen Prospekthaftung in ihrem Anwendungsbereich umfassend (vgl. Beschluss vom 13.12.2022 – XI ZB 10/21, Rdnrn 18 – 20; auch in dem der Entscheidung des BGH vom 25.10.2022 – II ZR 22/22 zugrundeliegenden Fall erfolgte die Zeichnung der Beteiligung fast zwei Jahre nach der Prospektveröffentlichung und damit nach Ablauf der Sechsmonatsfrist des § 44 Abs. 1 S. 1 BörsG a.F.). Schließlich steht im streitgegenständlichen Fall auch weder die Inanspruchnahme persönlichen Vertrauens durch die Beklagte zu 1) noch eine unrichtige mündliche Zusicherung des Vermittlers im Raum, die die Haftung der Beklagten zu 1) nach §§ 311 Abs. 2, 241 Abs. 2, 280 Abs. 1 BGB unberührt lassen würden (vgl. BGH, Beschluss vom 23.10.2018 – XI ZR 3/16, Rdnr. 57 aE und Beschluss vom 13.12.2022 – XI ZB 10/21, Rdnr. 17). Denn nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht für den Senat fest, dass Herr T. zu den Verflechtungen des Herrn E. im Beratungsgespräch mit der Klägerin gar nichts sagte. Die Aufklärung der Klägerin erfolgte vielmehr sowohl nach der Sachverhaltsversion der Klägerin als auch nach der der Beklagten zu 1) unter Verwendung des Prospekts laut Anl. K 2. b. Zwischen dem XI. und II. Zivilsenat des BGH ist streitig, ob in einem Fall, in dem – wie vorliegend – der sachliche Anwendungsbereich der spezialgesetzlichen Prospekthaftung nach §§ 13 ff. VerkProspG i.V.m. § 44 BörsG a.F. eröffnet ist, die Prospekthaftung im weiteren Sinne verdrängt wird.

82

aa. Der XI. Zivilsenat des BGH sieht § 13 VerkProspG i.Vm. §§ 44 ff. BörsG a.F. als lex specials zur Prospekthaftung im weiteren Sinne, da die Veranlasserhaftung nach § 13 VerkProspG, 44 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BörsG a.F. den Gründungsgesellschafter als Veranlasser und als künftigen Vertragspartner des Gesellschaftsvertrags der Anlegergesellschaft erfasse und in der Person des Gründungsgesellschafters stets auch die Voraussetzungen des Verschuldens bei Vertragsschluss mittels Verwendens eines fehlerhaften Verkaufsprospekts verwirkliche. Wollte man diese allgemeinen Haftungsgrundsätze neben § 13 VerkProspG, §§ 44 ff. BörsG a.F. ohne jede Einschränkung zur Anwendung bringen, liefe die gesetzgeberische Entscheidung, dem Gründungsgesellschafter als Veranlasser im Sinne des § 44 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BörsG a.F. die Möglichkeit zu eröffnen, sich mit dem Nachweis einfach fahrlässiger Unkenntnis der Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit des Verkaufsprospekts zu entlasten (§ 45 Abs. 1 BörsG aF), und eine Sonderverjährungsfrist (§ 46 BörsG a.F.) anzuordnen, vollständig leer (BGH, Beschluss vom 19.01.2021 – XI ZB 35/18, Rdnr. 26; vgl. auch Beschluss vom 13.12.2022 – XI ZB 10/21, Rdnrn 13 ff. in Erwiderung auf BGH, Beschluss vom 25.10.2022 – II ZR 22/22, Rdnrn 35 ff.).

83

bb. Der II. Zivilsenat des BGH verneint dagegen eine Verdrängung der §§ 311 Abs. 2, 241 Abs. 2, 280 Abs. 1 BGB durch § 13 VerkProspG iVm. §§ 44 ff. BörsG a.F.. In § 47 Abs. 2 BörsG a.F. sei ausdrücklich statuiert, dass weitergehende Ansprüche, die nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts auf Grund von Verträgen erhoben werden können, unberührt blieben (BGH, Beschluss vom 25.10.2022 – II ZR 22/22, Rdnrn 36 ff.). Darüber hinaus sei Kernpunkt der Haftung nach §§ 311 Abs. 2, 241 Abs. 2, 280 Abs. 1 BGB auch nicht wie bei der spezialgesetzlichen Prospekthaftung der fehlerhafte Prospekt, sondern die unzutreffende Aufklärung des Beitretenden über die wesentlichen Verhältnisse der Gesellschaft (BGH, Beschluss vom 25.10.2022 – II ZR 22/22, Rdnrn 41 ff.). Eine Verdrängung der Prospekthaftung im weiteren Sinne würde aufgrund der relativ kurzen Ausschlussfrist von nur sechs Monaten nach dem ersten öffentlichen Angebot der Wertpapiere im Inland und aufgrund der kurzen Verjährungsfrist Anleger auch in vielen Fällen rechtlos stellen (BGH, Beschluss vom 25.10.2022 – II ZR 22/22, Rdnrn 45 ff.). Von der spezialgesetzlichen Prospekthaftung erfasste Gründungsgesellschafter würden ohne erkennbaren Grund gegenüber sonstigen Altgesellschaftern begünstigt (BGH, Beschluss vom 25.10.2022 – II ZR 22/22, Rdnrn 48 ff.). Schließlich würden auch die systematische und die historische Auslegung gegen eine Verdrängung der Prospekthaftung im weiteren Sinne durch die spezialgesetzliche Prospekthaftung sprechen (BGH, Beschluss vom 25.10.2022 – II ZR 22/22, Rdnrn 60 ff. und 63 ff.).

84

cc. Der Senat folgt aus den dort angegebenen Gründen dem Beschluss des II. Zivilsenats des BGH vom 25.10.2022 – II ZR 22/22, sodass die Eröffnung des Anwendungsbereichs der spezialgesetzlichen Prospekthaftung nach § 13 VerkProspG iVm. §§ 44 ff. BörsG a.F. dem Schadensersatzanspruch der Klägerin nach §§ 311 Abs. 2, 241 Abs. 2, 280 Abs. 1 BGB nicht entgegensteht.

85

7. a. Der Anspruch auf Rückzahlung der bezahlten Beiträge in Höhe von 24.883,12 € war gemäß § 291 S. 1 ZPO ab 30.10.2018 zu verzinsen, da die Klage der Beklagten zu 1) am 29.10.2018 zugestellt wurde.

86

b. Entgegen der Ansicht des Landgerichts ist der Schadensbetrag von 1.131,94 € jedoch nicht schon ab 22.07.2021, d.h. ab dem Tag nach der Zahlung dieses Betrages durch die Klägerin an das Finanzamt, zu verzinsen, sondern gemäß § 291 S. 1 BGB erst ab Rechtshängigkeit und damit ab 26.10.2021, da der Klageerweiterungsschriftsatz des Klägervertreters vom 13.10.2021 (Bl. 295/299 d.A.), mit dem der Betrag von 1.131,94 € erstmals geltend gemacht wurde, dem Beklagtenvertreter erst am 25.10.2021 zugestellt wurde. Eine frühere Inverzugsetzung der Beklagten zu 1) hinsichtlich dieses Betrages ist nicht ersichtlich.

87

c. Die Höhe der zu zahlenden Zinsen folgt aus §§ 291 S. 2, 288 Abs. 1 S. 2 BGB.

II.

Der Feststellungsantrag der Klägerin ist entgegen der Ansicht des Landgerichts mangels eines Feststellungsinteresses iSd. § 256 Abs. 1 ZPO unzulässig und die Klage damit abzuweisen.

89

Da der streitgegenständliche Schadensersatzanspruch der Klägerin nicht aus der Verletzung eines absoluten Rechtsgutes, sondern des Vermögens resultiert, reicht es für die Annahme eines Feststellungsinteresse iSd. § 256 Abs. 1 ZPO nicht aus, dass künftige Schadensfolgen (gegebenenfalls auch nur entfernt) möglich sind, ihre Art und ihr Umfang oder sogar ihr Eintritt aber noch ungewiss sind. Vielmehr ist in diesem Fall bereits für die Zulässigkeit eines Feststellungsantrags erforderlich, dass die Klägerin die Wahrscheinlichkeit eines auf die Verletzungshandlung zurückzuführenden Schadens substanziiert dartut (vgl. Greger in Zöller, ZPO, 34. Auflage, Köln 2022, Rdnr. 9 zu § 256 ZPO).

90

Im streitgegenständlichen Fall ist – nachdem die steuerliche Behandlung nach dem Einkommensteuerbescheid vom 21.06.2021 laut Anl. K 1a) abgeschlossen ist – für die Wahrscheinlichkeit eines weiteren Schadenseintritts jedoch auch nach dem diesbezüglichen Hinweis des Senats vom 15.03.2023 (Bl. 372 d.A.) von Klägerseite nichts vorgetragen.

91

Es fehlt daher an dem erforderlichen Feststellungsinteresse iSd. § 256 Abs. 1 ZPO, sodass der Feststellungsantrag unzulässig ist.

III.

92

1. Zutreffend hat das Landgericht ausgesprochen, dass die Verurteilung der Beklagten zu 1) zur Zahlung des Schadensersatzbetrages von 26.015,06 € nebst Zinsen entsprechen dem Antrag der Klägerin nur Zug um Zug gegen Übertragung der Rechte und Pflichten aus der streitgegenständlichen Beteiligung an der Beklagten zu 2) an die Beklagte zu 1) erfolgt.

93

2. Da – wie oben unter Ziffer II. ausgeführt – der Feststellungsantrag unzulässig ist, war auch keine dahingehende Feststellung zu treffen, dass eine Freistellung nur Zug um Zug gegen Übertragung der Rechte und Pflichten aus der streitgegenständlichen Beteiligung an der Beklagten zu 2) erfolgt.

IV.

94

Die Beklagte zu 1) befindet sich im Verzug mit der Annahme der von der Klägerin an sie zu übertragenden Rechte und Pflichten aus der streitgegenständlichen Beteiligung der Klägerin an der Beklagten zu 2). Dies war klarstellend im Tenor in Ziffer 3 festzustellen.

C.

I.

95

Die Entscheidung zu den Kosten folgt aus § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, da das Unterliegen der Klägerin nur die Dauer der Verzinsung eines kleinen Teils des Schadensersatzanspruchs und den Feststellungsantrag betraf und damit nicht wesentlich ins Gewicht fiel.

II.

96

Die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

III.

97

Die Revision gegen dieses Urteil zum Bundesgerichtshof war zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen, da der Senat – wie oben unter B I 5 b ausgeführt – bezüglich der Verdrängung der Haftung eines Gründungsgesellschafters nach §§ 311 Abs. 2, 241 Abs. 2, 280 Abs. 1 BGB durch die spezialgesetzliche Prospekthaftung von der Rechtsprechung des XI. Zivilsenats des BGH (Beschluss vom 19.01.2021 – XI ZB 35/18 und Beschluss vom 13.12.2022 – XI ZB 10/21) abweicht.

Schlagworte: Feststellungsinteresse