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OLG Hamm, Urteil vom 12.06.2023 – 18 U 43/22

§§ 652, 307 BGB

Eine in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Finanzierungsvermittlers enthaltene Klausel, die dem Auftraggeber außer der Einschaltung anderer Vermittler auch eigene Finanzierungsbemühungen untersagt („qualifizierter AlleinauftragBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Alleinauftrag
qualifizierter Alleinauftrag
“), ist auch im unternehmerischen Rechtsverkehr grundsätzlich wegen unangemessener Benachteiligung des Auftraggebers unwirksam.

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das am 20.01.2022 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Arnsberg, Aktenzeichen 4 O 200/21, wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Klägerin ist als Beraterin und Vermittlerin im Bereich der Unternehmensfinanzierung tätig. Die Beklagte ist ein Tochterunternehmen der schweizerischen O. AG. Der damalige Geschäftsführer J. der Beklagten (zugleich Mitglied des Verwaltungsrats der O. AG) nahm am 15.02.2020 Kontakt zum Geschäftsführer der Klägerin auf und fragte nach Möglichkeiten, eine Finanzierung für die Beklagte zu erhalten. 4

Mit Unterzeichnungen vom 14.04.2020 durch den Geschäftsführer der Klägerin und vom 25.05.2020 durch Herrn J. wurde ein von der Klägerin entworfener „Vertrag zur Mandatsübernahme“ geschlossen (im Folgenden: Vertrag). Als Auftraggeber wurden in dem Vertrag die O. AGund zugleich alle Konzerngesellschaften/Beteiligungsunternehmen“ genannt. Auftragnehmerin war die Klägerin. 5

In § 1 des Vertrags heißt es unter der Überschrift „Vertragsgegenstand“:

6

„Der Auftraggeber beauftragt hiermit den Auftragnehmer exklusiv*, das in der Präambel genannte Projekt im Rahmen der vom Auftragnehmer vorzuschlagenden Strukturierung vorzubereiten, sowie dessen Finanzierung zu vermitteln. (*Ausnahmeliste siehe Anhang)“

7

In der endgültigen Fassung des besagten Anhangs zum Vertrag heißt es:

8

„Zur „Exklusiv-Beauftragung“ (siehe § 1 der Mandatsvereinbarung), wurde kommuniziert, dass O. bereits Gespräche führt mit den folgenden Instituten: (…)

9

Folgende Gespräche sind eingestellt bzw. unterbrochen worden: (…)

10

Das sind alle zurzeit stattfindenden Finanzierungsbemühungen für O. AG und für N. GmbPost Weitere Aktivitäten im bzw. für den Konzern O. AG gibt es nicht.11

Der Auftraggeber sichert zu, daß keine weiteren Gespräche in Gang gesetzt werden (aktiv und/oder passiv).12

Im Gegenzug verzichtet der Auftragnehmer darauf, für die Begrenzung um diese Ausnahmeliste eine Entschädigung zu berechnen. (…)“

13

In § 2 Nr. 1 a) des Vertrags heißt es unter der Überschrift „Pflichten des Auftraggebers“:

14

„Der Auftraggeber hat dafür Sorge zu tragen, dass dem Auftragnehmer alle für die Ausführung seiner Tätigkeit notwendigen Unterlagen rechtzeitig vorgelegt werden (…).“

15

In § 5 des Vertrags heißt es unter der Überschrift „Vergütung“:

16

„2. a) Der Auftragnehmer erhält für seine unter § 3 I beschriebene Vermittlungstätigkeit eine Erfolgsprovision in Höhe von 3,25 % der Transaktionsgesamtsumme / Komplettsumme. Maßgeblich ist insoweit beispielsweise der vermittelte und eingeräumte Kreditrahmen. Auf eine tatsächliche Inanspruchnahme kommt es nicht an.17

b) Der Anspruch auf die Erfolgsprovision entsteht mit einem Ereignis wie z.B. der verbindlichen Finanzierungszusage (…) während der Laufzeit dieses Vertrages und für Abschlüsse innerhalb eines Zeitraumes von 2 Jahren nach Vertragsbeendigung, soweit ein Zusammenhang mit dem Vertragsgegenstand besteht.18

c) Der Anspruch auf die Erfolgsprovision entsteht unabhängig von einer – vom Auftragnehmer Iosgelösten – eigenen Kenntnis des Auftraggebers vom späteren Produkt- bzw. Projektpartner und / oder der Transaktionsmöglichkeit, wenn der Auftragnehmer in Kenntnis des Auftraggebers zum Geschäftsabschluss nicht unwesentlich beigetragen hat.19

(…)20

3. Der Auftragnehmer wird dem Auftraggeber nach Marktlage einen oder mehrere für das Auftragsziel erfolgversprechende Lösungsvorschläge unterbreiten. Werden Indikationen oder marktgerechte Angebote von dem Auftraggeber abgelehnt, oder wird die Beauftragung durch Kündigung dieses Vertrages beendet, erhält der Auftragnehmer eine Aufwandsentschädigung von 0,5 % des benannten voraussichtlichen Finanzierungsumfangs, mindestens jedoch € 1.650 zzgl. USt in gesetzlicher Höhe. Als nicht erfolgversprechend gelten Angebote, die deutlich außerhalb der für solche Finanzierungen marktüblichen Konditionen liegen. Gleiches gilt, wenn das Auftragsziel verfehlt wird, weil der Auftraggeber seinen Mitwirkungspflichten nach § 2 dieses Vertrages nicht oder nur eingeschränkt nachkommt. Kann der Auftragnehmer einen Vorschlag nicht unterbreiten, entfällt der Anspruch auf eine Aufwandsentschädigung.“

21

In § 6 Nr. 2 des Vertrags heißt es:

22

„Das Vertragsverhältnis kann von jeder Vertragspartei mit einer Frist von einem Monat zum Monatsende gekündigt werden. Jede Vertragspartei kann aus wichtigem Grund außerordentlich kündigen.“

23

In § 12 des Vertrags heißt es unter der Überschrift „Sonstiges“:

24

„3. Allgemeine Geschäftsbedingungen beider Parteien finden keine Anwendung. Es gelten ausschließlich die Bestimmungen dieses Vertrages.25

(…)26

5. Auf diesen Vertrag ist das deutsche Recht anzuwenden.27

6. Ausschließlicher Gerichtsstand ist F., sofern jede Partei Kaufmann oder juristische Person des öffentlichen Rechts ist, oder keinen allgemeinen Gerichtsstand in Deutschland hat.“

28

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vertrags wird auf die Anlage K1 zur Klageschrift Bezug genommen. 29

In der Folgezeit erlangte die Beklagte ohne Beteiligung der Klägerin oder eines anderen Maklers Finanzierungszusagen der Firma G. (Factoring) und der C. Bank (Forfaitierung). Beide Kreditgeber waren nicht im Anhang zum Vertrag aufgeführt. Nachdem die Klägerin von der Finanzierung erfuhr, machte sie mit Rechnungen vom 07.12.2020 (Anlage K2) Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte in Höhe von 81.250 € und weiteren 130.000 € geltend. Mit Schreiben vom 13.01.2021 kündigte die O. AG den Vertrag mit der Klägerin. 30

Die Klägerin hat erstinstanzlich die Ansicht vertreten, dass ihr ein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte zustehe, da diese die vertragliche Exklusivitätsvereinbarung verletzt habe. Die Beklagte sei verpflichtet gewesen, sie – die Klägerin – an den Gesprächen mit G. und C. zu beteiligen. Das vertragswidrige Verhalten der Beklagten habe dazu geführt, dass ihr – der Klägerin – Erfolgsprovisionen in Höhe der Klageforderung entgangen seien. 31

Die Klägerin hat beantragt,

32

die Beklagte zu verurteilen, an sie 211.250 € nebst 9 Prozentpunkten Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 08.01.2021 nebst vorgerichtlicher Anwaltskosten in Höhe von 1.548,15 € zu zahlen.

33

Die Beklagte hat beantragt,

34

die Klage abzuweisen.

35

Sie hat die Ansicht vertreten, nicht Partei des Vertrags zu sein. Zudem sei die exklusive Beauftragung der Klägerin dahingehend auszulegen, dass die Auftraggeberin lediglich keine anderen Makler beauftragen dürfe, eigene Finanzierungsbemühungen und -verhandlungen aber weiterhin möglich bleiben sollten. Bei anderer Auslegung sei die Klausel, bei der es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen der Klägerin handele, unwirksam. Im Übrigen sei der Klägerin auch kein Schaden entstanden. 36

Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstands wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils vom 20.01.2022 Bezug genommen. 37

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass die Exklusivitätsvereinbarung in § 1 des Vertrags aufgrund einer unangemessenen Benachteiligung der Beklagten gemäß § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam sei. 38

Dagegen wendet sich die Klägerin mit der Berufung, mit der sie ihren erstinstanzlichen Klageantrag vollumfänglich weiterverfolgt. 39

Sie macht geltend, dass intensiv über die Exklusivitätsvereinbarung verhandelt worden sei, u.a. telefonisch am 14.04.2020, und es sich daher nicht um AGB handele. Zudem fehle es an einer unangemessenen Benachteiligung der Beklagten. Die Rechtsprechung zur Unwirksamkeit eines in AGB vereinbarten qualifizierten Alleinauftrags sei auf Immobilienmakler zugeschnitten und nicht auf die Klägerin als Unternehmensberaterin übertragbar. Zudem müsse danach unterschieden werden, ob eine Exklusivitätsklausel gegenüber einem Verbraucher oder einem Unternehmer Verwendung finde. 40

Die Klägerin macht weiter geltend, dass die Beklagte auch gegen ihre Mitwirkungspflichten gemäß § 2 des Vertrags verstoßen habe. Ein solcher Verstoß ergebe sich insbesondere daraus, dass die Beklagte – unstreitig – keinen testierten Jahresabschluss für das Jahr 2019 vorlegte. Die Klägerin behauptet, dass sie bei Vorlage des Jahresabschlusses und einer „Prozessbeschreibung für einen deutschen Geschäftsvorgang“ ihrerseits eine Finanzierung hätte vermitteln können, etwa durch die Firma „abcfinance“ oder die Postbank. 41

In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat die Klägerin klargestellt, dass sie ihre Klageforderung nicht – auch nicht hilfsweise – auf eine Verletzung von § 2 des Vertrags stützt. Ferner hat sie erstmals E-Mails vorgelegt, die im Jahr 2016 von ihrem Geschäftsführer und Herrn J. ausgetauscht wurden. Wegen des Inhalts der E-Mails wird auf die Anlage zum Verhandlungsprotokoll Bezug genommen. 42

Die Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens. Sie behauptet, dass bereits bei Abschluss des Vertrags festgestanden habe, dass der Jahresabschluss für 2019 nicht rechtzeitig erstellt werden könne. Ferner behauptet sie, dass sie bereits Ende des Jahres 2019 Gespräche mit G. und C. geführt habe. 43

II. 44

Die zulässige Berufung der Klägerin hat in der Sache keinen Erfolg. Das Landgericht hat zutreffend entschieden, dass der Klägerin der geltend gemachte Zahlungsanspruch in Höhe von 211.250 € unter keinem rechtlichen Aspekt zusteht. Gleiches gilt für die von der Hauptforderung abhängigen Nebenforderungen (Zinsen und vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten). 45

1. Die Klägerin macht ausdrücklich keine Provisionsansprüche gemäß § 5 Nr. 2 des Vertrags vom 14.04./25.05.2020 geltend, sondern Schadensersatzansprüche in entsprechender Höhe. Ein Provisionsanspruch kommt auch nicht in Betracht, denn er würde voraussetzen, dass die Klägerin „zum Geschäftsabschluss nicht unwesentlich beigetragen hat“ (§ 5 Nr. 2 c des Vertrags), was hinsichtlich der Finanzierung durch G. und C. unstreitig nicht der Fall war. 46

2. Die Klägerin stützt die Klageforderung darauf, dass die Beklagte gegen die in § 1 Abs. 1 des Vertrags verankerte Exklusivitätsvereinbarung verstoßen habe, indem sie – mittlerweile unstreitig – ohne Hinzuziehung der Klägerin Finanzierungszusagen der Fa. G. und der C. Bank aushandelte. Richtig ist, dass die Beklagte, wie bereits vom Landgericht ausgeführt, Partei des Vertrags geworden ist. Der geltend gemachte Schadensersatzanspruch (§ 280 Abs. 1 Satz 1 BGB) scheitert jedoch daran, dass die Exklusivitätsvereinbarung gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam ist. Der Senat teilt auch insoweit die Auffassung des Landgerichts. 47

a) Entgegen der Ansicht der Klägerin handelt es sich bei der Exklusivitätsvereinbarung um eine Allgemeine Geschäftsbedingung. Gemäß § 305 Abs. 1 Satz 1 und Satz 3 BGB sind Allgemeine Geschäftsbedingungen alle für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei (Verwender) der anderen Vertragspartei bei Abschluss eines Vertrags stellt, es sei denn, die Vertragsbedingungen sind zwischen den Vertragsparteien im Einzelnen ausgehandelt. Die Exklusivitätsklausel in § 1 Abs. 1 des Vertrags erfüllt diese Voraussetzungen. 48

aa) Vorformuliert sind Vertragsbedingungen, wenn sie für eine mehrfache Verwendung schriftlich aufgezeichnet oder in sonstiger Weise fixiert sind. Die Vorformulierung setzt voraus, dass die Vertragsbestimmungen nicht für den konkreten Vertragsschluss entworfen, sondern als Grundlage oder Rahmen für gleichartige Rechtsverhältnisse aufgestellt sind. In diesem Sinne sind Vertragsbedingungen für eine Vielzahl von Verträgen bereits dann vorformuliert, wenn im Zeitpunkt des Vertragsschlusses ihre dreimalige Verwendung beabsichtigt ist (zum Ganzen: BGH, Urteil vom 11.07.2019 – VII ZR 266/17, BGHZ 223, 1, Rn. 31 m.w.N.). 49

Vorliegend hat die Beklagte bereits mit der Klageerwiderung vorgetragen, dass es sich bei dem am 14.04./25.05.2020 unterzeichneten Vertrag (einschließlich der maßgeblichen Formulierung „beauftragt … exklusiv“) um ein von der Klägerin für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliertes und verwendetes Vertragsmuster handele. Lediglich die Ausnahmeliste zur Exklusivitätsklausel sei individuell vereinbart worden. Dem ist die Klägerin in erster Instanz nicht entgegengetreten. Auch mit der Berufung bringt sie insoweit nichts von Relevanz vor, vielmehr spricht sie selbst von „Textblöcken“. Ein etwaiges Bestreiten wäre im Übrigen neu und nicht gemäß § 531 Abs. 2 ZPO zuzulassen. 50

bb) Die Klägerin hat der Beklagten die Exklusivitätsklausel gemäß § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB gestellt (vgl. BGH, Urteil vom 20.03.2014 – VII ZR 248/13, BGHZ 200, 326, Rn. 23 f.). 51

cc) Die Exklusivitätsklausel wurde nicht im Sinne von § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB zwischen den Parteien ausgehandelt. 52

(1) Allgemeine Geschäftsbedingungen liegen nicht vor, soweit die Vertragsbedingungen zwischen den Vertragsparteien im Einzelnen ausgehandelt sind (§ 305 Abs. 1 Satz 3 BGB). Aushandeln bedeutet mehr als bloßes Verhandeln. Es setzt voraus, dass der Verwender den in seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltenen gesetzesfremden Kerngehalt, also die den wesentlichen Inhalt der gesetzlichen Regelung ändernden oder ergänzenden Bestimmungen, inhaltlich ernsthaft zur Disposition stellt und dem Verhandlungspartner Gestaltungsfreiheit zur Wahrung eigener Interessen einräumt mit zumindest der effektiven Möglichkeit, die inhaltliche Ausgestaltung der Vertragsbedingungen zu beeinflussen. Er muss sich also deutlich und ernsthaft zur gewünschten Änderung einzelner Klauseln bereit erklären. Die entsprechenden Umstände hat der Verwender darzulegen. In der Regel schlägt sich das Aushandeln in Änderungen des vorformulierten Textes nieder. Die allgemein geäußerte Bereitschaft, belastende Klauseln abzuändern, genügt nicht (zum Ganzen: BGH, Beschluss vom 19.03.2019 – XI ZR 9/18, Rn. 14). 53

(2) Die Klägerin meint, dass die Exklusivitätsklausel individuell ausgehandelt worden sei, was sich insbesondere aus dem Anhang zum Vertrag ergebe, der laut § 1 des Vertrags eine „Ausnahmeliste“ zur Exklusivität darstellt. Dem ist nicht zu folgen. 54

Richtig ist zwar, dass die Ausnahmeliste als solche das Ergebnis individueller Verhandlungen war, wie die Beklagte selbst vorträgt. Die letzte Fassung der Liste stammt sogar aus dem Hause O. (wobei lediglich die Aufzählung der Gesprächspartner geändert wurde, während die anschließenden, von der Klägerin formulierten Klauseln unverändert blieben). 55

Der individuelle Charakter der Ausnahmeliste ändert jedoch, wie bereits vom Landgericht ausgeführt, nichts am AGB-Charakter der grundsätzlich geltenden Exklusivitätsklausel. Ein Aushandeln gemäß § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB liegt nämlich nicht vor, wenn die für den Vertragspartner des Verwenders nachteilige Wirkung einer Klausel im Zuge von Verhandlungen zwar abgeschwächt, der Kerngehalt der Klausel vom Verwender jedoch nicht ernsthaft zur Disposition gestellt wird (BGH, Urteil vom 22.10.2015 – VII ZR 58/14, Rn. 26). Letzteres war jedenfalls nach dem erstinstanzlichen Vortrag der Parteien unstreitig der Fall. So hat die Klägerin selbst vorgetragen, dass sie auf Exklusivität „bestanden“ habe und dass die Exklusivität für sie „unabdingbar“ gewesen sei. 56

Der erstmals in zweiter Instanz gehaltene Vortrag der darlegungs- und beweisbelasteten Klägerin, dass sie allgemein zu einem Verzicht auf die Exklusivität bereit sei, wenn sie dafür nach Aufwand abrechnen dürfe, führt zu keiner anderen Beurteilung. Der Vortrag lässt keine konkreten Verhandlungen mit der Beklagten oder der O. AG über eine entsprechende Vertragsgestaltung erkennen. Vielmehr heißt es in der Berufungsbegründung, dass die Parteien „nicht über eine andere Vergütungsmöglichkeit“ (Tagessätze) verhandelt hätten. Der weitere Vortrag der Klägerin, dass die Beklagte keine zeitorientierte Abrechnung gewollte habe (S. 5 der Berufungsbegründung), lässt ebenfalls kein Aushandeln der Exklusivität erkennen. Gleiches gilt für die E-Mails aus dem Jahr 2016, die die Klägerin erstmals in der mündlichen Berufungsverhandlung vorgelegt hat: Zum einen fehlt es an der erforderlichen zeitlichen Nähe dieser E-Mails zum Vertragsschluss im Jahr 2020, zum anderen lässt der E-Mail-Verkehr lediglich die Bereitschaft der Klägerin erkennen, die Exklusivitätsklausel im Hinblick auf bereits laufende Finanzierungsbemühungen der Beklagten bzw. der O. AG um konkret bezeichnete Ausnahmen zu ergänzen (wie tatsächlich im Jahr 2020 geschehen). Eine Bereitschaft der Klägerin, unter Umständen auf die Exklusivität als solche zu verzichten, lässt sich den E-Mails nicht entnehmen. 57

Verhandlungen über die Exklusivität (jenseits der Vereinbarung bestimmter Ausnahmen) ergeben sich schließlich auch nicht aus dem neuen und bestrittenen Vortrag der Klägerin zu einem Telefonat zwischen ihrem Geschäftsführer und Herr J. vom 14.04.2020 (S. 3 f. der Berufungsbegründung). Die prozessuale Zulässigkeit des Vortrags kann somit dahinstehen. 58

dd) Der zuletzt erfolgte Verweis der Klägerin auf § 12 Nr. 3 des Vertrags, wonach Allgemeine Geschäftsbedingungen der Vertragsparteien keine Anwendung finden, greift nicht durch. Zum einen bezieht sich die Klausel nicht auf den Vertragstext selbst, zum anderen kann die Qualifikation vertraglicher Regelungen als Allgemeine Geschäftsbedingungen nicht durch Vereinbarung ausgeschlossen werden, schon gar nicht formularmäßig (vgl. BGH, Urteil vom 20.03.2014 – VII ZR 248/13, BGHZ 200, 326, Rn. 28). 59

b) Die Exklusivitätsklausel unterliegt der Inhaltskontrolle gemäß § 307 Abs. 1 und 2 BGB. Sie regelt nicht unmittelbar den vertraglichen Leistungsgegenstand, sondern gestaltet diesen aus, und ist der Kontrolle daher nicht gemäß § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB entzogen (vgl. BGH, Urteil vom 26.01.2022 – IV ZR 144/21, Rn. 25). Dass es sich bei der Beklagten um eine Unternehmerin handelt, steht der Inhaltskontrolle ebenfalls nicht entgegen (vgl. § 310 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 BGB). 60

c) Die Exklusivitätsklausel ist gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB wegen einer unangemessenen Benachteiligung der Beklagten unwirksam. 61

aa) Allgemeine Geschäftsbedingungen sind gemäß ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind. Gemäß § 305c Abs. 2 BGB (Unklarheitenregel) ist der Inhaltskontrolle die kundenfeindlichste Auslegung zugrunde zu legen, wenn diese zur Unwirksamkeit der Klausel führt und dadurch den Kunden begünstigt (vgl. BGH, Urteil vom 12.05.2016 – VII ZR 171/15, BGHZ 210, 206 Rn. 42; Roloff/Looschelders in Erman, BGB, 16. Aufl., § 305c Rn. 28). 62

bb) Die hier fragliche Exklusivitätsklausel kann so verstanden werden, dass sie dem Auftraggeber – mit den im Anhang zum Vertrag genannten Ausnahmen – verbietet, selbst Finanzierungsverhandlungen zu führen, auch wenn dies ohne Einschaltung eines anderen Vermittlers geschieht. Von diesem „kundenfeindlichen“ Verständnis geht auch die Klägerin im prozess aus. Der damalige Geschäftsführer J. der Beklagten dürfte die Klausel bei Vertragsschluss ebenfalls so verstanden haben. 63

cc) Gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB ist eine formularmäßige Vertragsbestimmung unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt. Letzteres ist der Fall, wenn der Verwender durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zuzugestehen (BGH, Urteil vom 17.09.2009 – III ZR 207/08, Rn. 18). Gemäß § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB ist eine unangemessene Benachteiligung im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist. So liegt der Fall hier: 64

(1) Im Bereich des Immobilienmaklerrechts kann ein „qualifizierter AlleinauftragBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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“, der dem Auftraggeber außer der Einschaltung anderer Makler auch das Eigengeschäft untersagt (oder ein Provisions- bzw. Vertragsstrafeversprechen an das Eigengeschäft knüpft), nur im Wege der Individualabrede erteilt werden. Eine entsprechende Regelung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist hingegen unwirksam, da es zu den Grundgedanken des Maklerrechts gehört, dass der Auftraggeber – auch bei einem Alleinauftrag des Maklers – nicht gehindert ist, einen Hauptvertrag ohne Beteiligung des Maklers abzuschließen, und der Makler eine Provision nur dann verdient, wenn er eine eigene Tätigkeit entfaltet, die für den Abschluss des Hauptvertrags ursächlich ist (vgl. BGH, Urteil vom 26.11.2020 – I ZR 169/19, Rn. 27 m.w.N.; OLG HammBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG Hamm
, Urteil vom 15.05.1997 – 18 U 189/96, juris Rn. 9; Urteil vom 07.01.2021 – 18 U 109/18, NJW-RR 2021, 441 Rn. 36 f.; OLG KarlsruheBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG Karlsruhe
, Urteil vom 13.06.2007 – 15 U 60/05, NJW-RR 2008, 725, 726). 65

(2) Diese Rechtsprechung ist auf den vorliegenden Fall zu übertragen. Die von der Klägerin angeführten Unterschiede zwischen ihrer Tätigkeit und der eines Immobilienmaklers rechtfertigen keine abweichende Wertung. So kann auch die Tätigkeit eines Immobilienmaklers umfangreich sein. Im Übrigen hat sich die Klägerin eine erfolgsunabhängige, vorab zu zahlende Vergütung in Höhe von 3.150 € zuzüglich Umsatzsteuer versprechen lassen (§ 5 Nr. 1 des Vertrags). Das weitere Argument der Klägerin, anders als der Verkauf einer Immobilie habe eine Unternehmensfinanzierung oft existenzielle Bedeutung für den Auftraggeber, spricht sogar verstärkt für eine unangemessene Benachteiligung des Auftraggeber. 66

Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bestätigt, dass ein „qualifizierter AlleinauftragBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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qualifizierter Alleinauftrag
“ auch im Bereich der Finanzierungsvermittlung – jedenfalls grundsätzlich – nicht durch Allgemeine Geschäftsbedingungen erteilt werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 02.11.1983 – IVa ZR 86/82, BGHZ 88, 368, juris Rn. 1 f., 8 ff.). In der genannten Entscheidung hat der Bundesgerichtshof entgegen der Darstellung der Klägerin auch nicht etwa ausgeführt, die unangemessene Benachteiligung gelte nicht für Unternehmer als Auftraggeber. Dass der Bundesgerichtshof sich lediglich zu Verbrauchern äußerte, resultierte vielmehr aus dem dortigen Streitgegenstand (vgl. BGH a.a.O., Rn. 3). Das maßgebliche Argument des Bundesgerichtshofs, dass die Freiheit des Maklerkunden, sich selbst um das Zustandekommen des gewünschten Vertrags zu bemühen, zu den Grundgedanken des § 652 BGB gehöre (BGH a.a.O., Rn. 12), gilt für Verbraucher und Unternehmer gleichermaßen. Dementsprechend hat der erkennende Senat bereits entschieden, dass von diesem Grundgedanken abweichende Allgemeine Geschäftsbedingungen auch im Verhältnis zu Unternehmern unwirksam sind (OLG HammBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG Hamm
, Urteil vom 07.01.2021 – 18 U 109/18, NJW-RR 2021, 441 Rn. 50). 67

(3) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem sonstigen Vertragsinhalt, der im Rahmen der gebotenen Interessenabwägung zu berücksichtigen ist (vgl. Grüneberg in Grüneberg, BGB, 82. Aufl., § 307 Rn. 13 m.w.N.). Die individuell vereinbarten Ausnahmen von der Exklusivitätsklausel ließen der Beklagten zwar einen gewissen Spielraum, im Grundsatz blieb es aber bei der Beschränkung ihrer Handlungsfreiheit. Im Übrigen waren die aufgelisteten Finanzierungsbemühungen entweder bereits gescheitert oder, soweit ersichtlich, wenig aussichtsreich. Das Kündigungsrecht der Beklagten gemäß § 6 Nr. 2 des Vertrags entschärfte die Beschränkung ihrer Handlungsfreiheit ebenfalls nicht maßgeblich, da im Fall der Kündigung eine erhebliche „Aufwandsentschädigung“ fällig werden sollte (§ 5 Nr. 3 des Vertrags) und zudem ein – in seinen Voraussetzungen weitgehend unklarer – nachlaufender Provisionsanspruch vorgesehen war (§ 5 Nr. 2 b des Vertrags). 68

d) Unabhängig von den vorstehenden Erwägungen scheitert der auf die Verletzung der Exklusivitätsklausel gestützte Schadensersatzanspruch der Klägerin auch daran, dass kein ersatzfähiger Schaden dargelegt ist. 69

aa) Die Klägerin meint, dass die Beklagte verpflichtet gewesen wäre, sie – die Klägerin – in die Finanzierungsverhandlungen mit G. und C. einzubeziehen. In der Folge hätte sie vertragliche Provisionsansprüche für die Finanzierung erlangt. 70

bb) Die von der Klägerin angenommene Verpflichtung der Beklagten, der Klägerin die Verhandlungen mit G. und C. zu überlassen, lässt sich dem Vertrag – unter Berücksichtigung der Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB – nicht entnehmen. Als vertragsgemäßes Verhalten der Beklagten wäre somit zu unterstellen, dass diese überhaupt keine eigenen Finanzierungsbemühungen unternommen hätte. Die Klägerin müsste darlegen und beweisen, dass sie in diesem Fall eine anderweitige Finanzierung erfolgreich und provisionspflichtig vermittelt hätte. Entsprechendes will die Klägerin wohl behaupten, ihr Vortrag ist allerdings unsubstantiiert und nicht tauglich unter Beweis gestellt. Die mit Schriftsatz vom 17.04.2023 von der Klägerin vorgelegten E-Mails der Postbank und der Fa. B. zeigen ein sehr frühes Verhandlungsstadium und sind daher unergiebig. Zudem ist der entsprechende, von der Beklagten bestrittene Vortrag aus dem Schriftsatz vom 23.01.2023 (und nachfolgend) neu und gemäß §§ 530, 531 Abs. 2 ZPO präkludiert. 71

3. Einen Schadensersatzanspruch wegen der Verletzung von Mitwirkungspflichten aus § 2 des Vertrags macht die Klägerin ausdrücklich nicht geltend. Ein solcher Anspruch könnte aus verschiedenen prozessualen und materiell-rechtlichen Gründen auch nicht zuerkannt werden. Unter anderem fehlt eine Schadensberechnung, die der speziellen Rechtsfolgenregelung gemäß § 5 Nr. 3 des Vertrags entspricht. 72

4. Die Beklagte hat ihre letztlich erfolgreichen Finanzierungsbemühungen, die bereits im Jahr 2019 begonnen haben sollen (was die Klägerin allerdings ausdrücklich bestreitet), im Zuge der Vertragsverhandlungen mit der Klägerin nicht offengelegt. Ob darin eine vorvertragliche Pflichtverletzung zu sehen ist, kann dahinstehen, da ein darauf gestützter Schadensersatzanspruch (§ 311 Abs. 2, § 241 Abs. 2, § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB) nicht streitgegenständlich ist. Im Übrigen hat der Geschäftsführer der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat – insoweit nicht protokolliert – erklärt, dass eine Offenlegung der Finanzierungsbemühungen lediglich zu einer Ergänzung der Ausnahmeliste zur Exklusivitätsvereinbarung geführt hätte. Ein ersatzfähiger Schaden ist vor diesem Hintergrund nicht ersichtlich, zudem entspräche der Schaden jedenfalls nicht dem mit der Klage verfolgten positiven Interesse. 73

III. 74

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruhen auf § 708 Nr. 10, § 711 ZPO. 75

IV. 76

Eine Zulassung der Revision ist nicht veranlasst, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht erfüllt sind. Die Ansicht des Senats zur Unwirksamkeit der Exklusivitätsklausel entspricht der höchst- und obergerichtlichen Rechtsprechung.

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