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FG Nürnberg, Urteil vom 19. Juli 2022 – 1 K 1489/20

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Gewinnausschüttung
verdeckte Gewinnausschüttung
bei Gewinn- und Umsatztantiemen an Vorstand einer Aktiengesellschaft

§ 8 Abs. 3 Satz 2 KStG

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.

3. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Streitig ist die steuerliche Berücksichtigung von Tantiemen.

Die im Jahr 2001 ursprünglich unter der Firma „xx“ gegründete Klägerin ist eine Aktiengesellschaft, die in den Streitjahren die Verwaltung und Verwertung eigenen Vermögens, insbesondere den Erwerb und die Veräußerung von Grundbesitz, sowie die Vorbereitung und die Durchführung von Bauvorhaben zum Unternehmensgegenstand hatte.Randnummer3

Am xx.xx.xxxx beschloss die Hauptversammlung die Änderung der Firma in „…….AG“.Randnummer4

Alleinvertretungsberechtigter Vorstand war durchgehend K; dieser war von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit. K war in den Streitjahren zu 1/3 als Aktionär an der Klägerin beteiligt.Randnummer5

Der Aufsichtsrat der Klägerin setzte sich in den Streitjahren wie folgt zusammen:Randnummer6

        Aktionär zu
                
A, Vorsitzender1/3     
C, stellv. Vorsitzender–       
B       1/3     

Nach der Satzung der Klägerin bedurften Beschlüsse im Aufsichtsrat (§ 7 Nr. 4) und der Hauptversammlung (§ 8 Nr. 6) der einfachen Mehrheit.Randnummer8

Nach einer steuerlichen Betriebsprüfung (vgl. BP-Bericht vom 12.06.2019) erließ das Finanzamt am 24.09.2019 geänderte Bescheide, in denen es u.a. folgende Festsetzungen bzw. Feststellungen traf:Randnummer9

        2012   2013   2014   2015   2016   
                                                
Körperschaftsteuer45.555 €0 €     101.504 €141.391 €43.501 €
Verlustfestst. KöSt zum 31.12.–               –       –       –       
GewStMB15.022 €0 €     16.719 €33.526 €11.686 €
Verlustfestst. GewSt auf den 31.12.–                       –       –       

Hierbei hatte die Betriebsprüfung insbesondere folgenden Vorgang aufgegriffen:Randnummer11

Laut Vorstands-Anstellungsvertrag und einer hierzu am xx.xx.2003 mit Wirkung zum 01.07.2003 geschlossenen Ergänzung hatten die Klägerin, vertreten durch den Aufsichtsrat, und K vereinbart:Randnummer12

„Die Vergütung des Vorstands [K] berechnet sich aus dem erwirtschafteten Jahresgewinn vor Abzug der Kosten des Vorstands.Randnummer13

Vom Gewinn vor Abzug Kosten Vorstand bis € 250.000:           40%
Vom Gewinn vor Abzug Kosten Vorstand über [€] 250.000:       10%
mindestens jedoch € 50.000 in 12 gleichen Monatsbeträgen (Fixum).Randnummer14

Zusätzlich erhält [K] eine Umsatzprovision in Höhe von 1% aus dem jeweiligen Verkaufsumsatz aus Immobilienverkäufen, unabhängig davon, ob die Verkäufe nur überwacht oder selbst bewirkt werden.“Randnummer15

Die Betriebsprüfung traf zu den in den Streitjahren verbuchten Tantiemeaufwendungen folgende Feststellungen:Randnummer16

1. Gewinntantiemen

Nach den Feststellungen des Prüfers hatte die Klägerin folgende Gewinntantiemen errechnet und gewinnwirksam verbucht; das Fixum in Höhe von 50.000 € jährlich berücksichtigte der Betriebsprüfer als Bestandteil der Umsatztantieme.Randnummer18

        2012   2013   2014   2015   2016   
                                                
JÜ    242.813,18 €-147.829,18 €626.279,36 €627.107,56 €-144.346,34 €
Tantieme128.514,67 €        172.347,80 €185.919,76 €        

Den Berechnungen der Klägerin hinsichtlich der Gewinntantieme folgte der Betriebsprüfer in folgenden Punkten nicht:Randnummer20

1.1 In Zusammenhang mit dem als „Xy“ bezeichneten Komplex habe eine Gewinnkorrektur zu erfolgen, die sich u.a. für 2015 in Höhe von -6.242,64 € auswirke.Randnummer21

1.2 Bei der Berechnung der Tantieme für 2014 sei der in 2013 erzielte Verlust in Höhe von 147.829,18 € zu berücksichtigen. Eine hiervon abweichende Tantiemevereinbarung führe zu einer verdeckten Gewinnausschüttung (vGA).Randnummer22

1.3 Aufgrund der gewählten Formulierungen in der Tantiemevereinbarung seien zwar die jeweils verbuchten Vorstandsbezüge (Umsatztantiemen), nicht jedoch die Tantiemen bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlagen für die Gewinntantieme hinzuzurechnen. Außerdem sei entsprechend der Vereinbarung für die Ermittlung der Gewinntantieme der Gewinn nach Steuern als Ausgangsgröße heranzuziehen.Randnummer23

Unter Berücksichtigung der vorgenannten Aspekte führten die Berechnungen des Prüfers zu folgenden Ergebnissen (auf die Tabelle auf Seite 2 des Schriftsatzes des Finanzamts vom 15.06.2021 wird verwiesen):Randnummer24

        2012   2013   2014   2015   2016   
                                                
Gewinn-Tantieme lt. Klägerin128.514,67 €        172.347,80 €185.919,76 €        
Gewinn-Tantieme lt. Prüfer111.117,58 €        134.278,39 €152.225,97 €        
                                                
vGA       17.397,09 €          38.069,41 €  33.693,80 €        

2. Die Betriebsprüfung stellte hinsichtlich der Streitjahre folgende Umsatzprovisionen fest, die sie – nach Abzug des Fixums (50.000 €/Jahr) – in voller Höhe als vGA qualifizierte:Randnummer26

        2012   2013   2014   2015   2016   
                                                
„Vorstands-Bezüge“87.134,04 €128.079,68 €169.291,74 €151.394,73 €163.691,55 €
vGA     37.134,04 €78.079,68 €119.291,74 €101.394,73 €113.691,55 €
vGA gerundet37.134 €78.080 €119.292 €101.395 €113.692 €

Die Qualifizierung dieser Umsatztantiemen als vGA sah der Betriebsprüfer als geboten an, da die Klägerin die Voraussetzungen, unter denen der BFH (unter Verweis auf das BFH-Urteil vom 19.02.1999 I R 105 – 107/97, BStBl II 1999, 321) die Vereinbarung einer Umsatztantieme als zulässig erachtet habe, nicht erfüllt habe.Randnummer28

Gegen die o.g. Änderungsbescheide vom 24.09.2019 legte die Klägerin fristgerecht am 28.10.2019 (Montag) Einspruch ein. Mit diesem wandte sie sich ausschließlich gegen die Nichtanerkennung der Umsatztantieme durch das Finanzamt.Randnummer29

Mit Einspruchsentscheidung vom 29.10.2020 wies das Finanzamt den Einspruch als unbegründet zurück.Randnummer30

Hiergegen hat die Klägerin fristgerecht am 01.12.2020 Klage erhoben und zur Begründung vorgetragen:Randnummer31

Bei der Beurteilung der Angemessenheit der Bezüge sei zu beachten, dass GmbH und Aktiengesellschaft systematische Unterschiede aufweisen würden, die in steuerlicher Hinsicht dazu führen würden, dass der Ansatz einer vGA wegen einer vereinbarten Tantieme nur im Ausnahmefall in Betracht komme. Der Aufsichtsrat sei nur gegenüber der Gesellschaft verantwortlich und der Vorstand der Aktiengesellschaft unterliege nicht den Weisungen der Aktionäre. Eine vGA durch eine Vorstandsvergütung könne somit nur in Ausnahmefällen vorliegen (unter Verweis auf Binz/Sorg, Die verdeckte GewinnausschüttungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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nach der Unternehmenssteuerreform, DStR 2001, 1457 unter 4.). Bezogen auf den Streitfall sei festzustellen, dass K weder im Aufsichtsrat noch in der Hauptversammlung die Mehrheit der Stimmrechte innegehabt habe; eine vGA scheide mithin insofern aus.Randnummer32

K habe seinen Willen als (Minderheits-)Aktionär nicht durchsetzen können. Vielmehr habe es im Hinblick auf das Ausschüttungsvolumen Interessensgegensätze zu den beiden anderen Aktionären gegeben. Mangels Veranlassung im Gesellschaftsverhältnis liege bei einem Minderheitsaktionär keine vGA vor (unter Verweis auf Schallmoser/Eisgruber/Janetzko in Herrmann/Heuer/Raupach, Stand 3/2017, KStG, § 8, Rz 254 am Ende, Klingebiel in Doetsch/Rung/Möhlenbrock, KStG, 2016, Anhang zu § 8 Abs. 3, AG, Rz 4 mit Hinweis auf das rechtskräftige Urteil des Finanzgerichts Niedersachsen vom 18.06.2003 6 K 439/96, EFG 2003, 1650). Die Finanzverwaltung genüge ihrer Darlegungs- und Nachweispflicht nicht, wenn lediglich die Doppelstellung eines Mehrheitsaktionärs, der gleichzeitig Vorstand oder Aufsichtsrat sei, zur Begründung des Vorliegens der Voraussetzungen der vGA herangezogen werde.Randnummer33

Auch ein äußerer Betriebsvergleich führe nicht zu einer unangemessenen Gesamtausstattung des Vorstandes der Klägerin. Im Vergleich zu anderen Immobilien-Gesellschaftern habe K ein eher geringes Gehalt bezogen.Randnummer34

Die sog. BBE-Studie komme vorliegend nicht zur Anwendung, da diese nur GmbH-Geschäftsführer abhandele.Randnummer35

Die vereinbarte Gewinntantieme sei auch der Höhe nach nicht zu beanstanden; eine vGA liege nicht vor. Die Grundvergütung des K sei objektiv angemessen gewesen und entspreche einem Fremdvergleich. Insbesondere sei die Grundvergütung bei einem Gewinn von über 250.000 € deutlich um 75% abgeschmolzen worden.Randnummer36

Für die Jahre 2012, 2014 und 2015 habe die Betriebsprüfung mit einer geminderten Ausgangsgröße gerechnet und den (handelsrechtlichen) Jahresüberschuss weder um Ertragsteuern noch die zu ermittelnde Tantiemerückstellung korrigiert. Dem sei zu widersprechen.Randnummer37

Nach der schriftlichen Vereinbarung vom xx.xx.2003 habe sich die Vergütung des Vorstands „aus dem erwirtschafteten Jahresgewinn vor Kosten des Vorstands“ berechnet. Diesen Vorgaben habe die Berechnung der Klägerin entsprochen.Randnummer38

In der vorliegenden Konstellation des Minderheitsaktionärs komme es auf die tatsächliche Handhabung an. Diese sei von Dritten, nämlich dem Gremium des Aufsichtsrates, jährlich geprüft und gebilligt worden. Daher sei der Fremdvergleichsmaßstab von Haus aus gewahrt.Randnummer39

Der Verlust des Jahres 2013 sei bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage für die Gewinntantieme des K hinsichtlich des Folgejahres nicht zu berücksichtigen.Randnummer40

Das vom Finanzamt zitierte BFH-Urteil vom 18.09.2007 I R 73/06 (BStBl II 2008, 314) finde keine Anwendung, da es sich um einen beherrschenden (Allein-) Gesellschafter-Geschäftsführer gehandelt habe. K sei als Minderheitsaktionär und Geschäftsleiter seit Anbeginn der Aktiengesellschaft für den Gewinnvortrag verantwortlich, dieser sei also während seiner Vorstandstätigkeit entstanden. Deshalb müsse ein Ausgleich solcher Gewinnvorträge mit angefallenen Jahresfehlbeträgen möglich sein (unter Verweis auf Briese in verdeckte GewinnausschüttungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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, NWB WAAE-85847 vom 16.07.2020, Rz 265).Randnummer41

Der BFH habe zudem ausdrücklich nicht ausgeschlossen, dass in „besonderen Situationen“ ein Verzicht auf die Verrechnung eines Jahresfehlbetrages keine vGA auslöse. Beispielhaft sehe der BFH es, wenn besondere Anreize (gegenüber der Geschäftsleitung) herbeigeführt werden sollen. Dies sei im Streitfall offensichtlich der Fall gewesen.Randnummer42

Im Jahr 2015 sei ausweislich des Erstellungsberichts zum Jahresabschluss zum 31.12.2015 (dargestellt auf Blatt 48) ein Verlust von 6.242,64 € berücksichtigt worden. Dieser sei in der Berechnung des Betriebsprüfers jedoch hinzugerechnet und somit doppelt berücksichtigt worden.Randnummer43

Auch in Bezug auf die Umsatztantieme liege bereits dem Grunde nach keine vGA vor. Insbesondere berufe sich das Finanzamt zu Unrecht auf das BFH-Urteil vom 06.04.2005 I R 10/04 (BFH/NV 2005, 2058), da dem dortigen Urteilsfall eine GmbH zugrunde gelegen habe und K eine bei Weitem niedrigere Provision zugeflossen sei.Randnummer44

Die vereinbarte Umsatztantieme sei auch fremdüblich, da beim gewerblichen Verkauf von Immobilien umsatzabhängige Provisionen marktüblich seien. Eine Gewinnabsaugung habe nicht vorgelegen, die Klägerin habe zu jedem Zeitpunkt über hinreichende Liquidität verfügt. Im Übrigen sehe der BFH die Voraussetzungen, unter denen eine umsatzbemessene Vergütung anzuerkennen sei, nicht als abschließend an.Randnummer45

Anerkannt werde lediglich eine vGA in Höhe von 6.950 € im Jahr 2014, bei der es aufgrund eines Buchhaltungsfehlers zu einer fehlerhaften Erfassung gekommen sei.Randnummer46

Die Klägerin hat beantragt,
die angefochtenen Bescheide und die Einspruchsentscheidung dahingehend abzuändern, dass – neben der zwischenzeitlich unstreitigen Xy Korrektur – die gesamte vGA-Zurechnung für die Streitjahre – mit Ausnahme eines Betrages in Höhe von 6.950 € in 2014 – entfällt.Randnummer47

Sie beantragt die Zulassung der Revision, da die Beurteilung der Umsatztantieme als vGA bei Minderheitsaktionären bisher höchstrichterlich nicht entschieden ist.Randnummer48

Außerdem beantragt sie, Beweis zu erheben, dass sich die Umsatzprovision aus den Verkäufen laut Notarverträgen und nicht aus den Umsätzen laut GuV ergebe.Randnummer49

Das Finanzamt beantragt Klageabweisung mit der Maßgabe der unstreitigen Xy Korrektur.Randnummer50

Die im Rahmen der Betriebsprüfung ermittelte Höhe der Gewinntantieme sei nicht zu beanstanden. Als Bemessungsgrundlage für die Ermittlung der Gewinntantieme werde in der Vereinbarung der „erwirtschaftete Jahresgewinn“ benannt. Dieser Begriff sei zu unbestimmt, da er weder gesetzlich noch in der Vereinbarung selbst definiert worden sei. Der Betriebsprüfer habe den Vertrag korrekt ausgelegt und hierbei entsprechend der BFH-Rechtsprechung (unter Verweis auf das BFH-Urteil vom 18.09.2007 I R 73/06, BStBl II 2008, 314) auch Jahresfehlbeträge in die Tantiemeberechnung einbezogen; allenfalls die Aufwendungen für die gebildeten Tantiemerückstellungen seien noch zu berücksichtigen.Randnummer51

Die Umsatztantieme stelle in voller Höhe vGA dar. Die Annahme einer vGA habe nicht als notwendige Voraussetzung, dass ein Mehrheitsaktionär gegeben sein müsse, vielmehr komme es auf den Fremdvergleich an. K sei Minderheitsaktionär und in den Streitjahren als Vorstand für die Aktiengesellschaft tätig gewesen. In der Immobilienbranche sei es durchaus üblich variable Vergütungsbestandteile an seine Vorstände zu zahlen. Im vorliegenden Fall entspreche die Vereinbarung jedoch nicht den Kriterien, die der BFH in seinem Urteil vom 19.02.1999 I R 105-107/97 (BStBl II 1999, 321) dargestellt habe. So fehle es insbesondere an einer betragsmäßigen und zeitlichen Begrenzung, überdies habe sich die Klägerin in den Streitjahren nicht mehr in der Gründungs- und Aufbauphase befunden.Randnummer52

Auch sei die Gesamtausstattung des K in den Streitjahren unangemessen gewesen, da der Gesellschaft nach Zahlung der Bezüge keine angemessene Eigenkapitalverzinsung verblieben sei. Hierbei sei beispielsweise 2013 bei einem Verlust von ca. 145.000 € eine Umsatztantieme i.H.v. ca. 78.000 € ausgezahlt worden. In 2016 habe eine Umsatztantieme von ca. 110.000 € einem Verlust i. H. v. ca. 144.000 € gegenübergestanden. § 87 AktG verlange hingegen, dass der Aufsichtsrat dafür sorge, dass die Gesamtbezüge des Vorstands in einem angemessenen Verhältnis zu den Aufgaben und Leistungen des Vorstands sowie zur Lage der Gesellschaft stünden.Randnummer53

Die Entlohnung des K halte auch einem Fremdvergleich nicht Stand. Dies ergebe sich aus einem Vergleich mit den Erhebungsdaten der BBE-Studie. Diese betreffe zwar GmbHs, seien jedoch auf den vorliegenden Fall anwendbar, da die Klägerin – eine Aktiengesellschaft – Strukturen aufweise, die denen einer GmbH vergleichbar seien.Randnummer54

Ein Vergleich mit den Werten der BBE-Studie zeige, dass die Vorstandsvergütung deutlich über dem Höchstwert der vergleichbaren Betriebe liege. Die von der Beklagten dargebotene Datengrundlage sei zu schwach (nur 3 von 22 Gesellschaften hätten sachdienliche Angaben gemacht; diese Unternehmen würden zudem deutlich in Bezug auf Beschäftigtenzahl und Umsatz von der Klägerin abweichen).Randnummer55

Das Gericht hat Beweis erhoben durch die Einvernahme des Zeugen A in der mündlichen Verhandlung und die schriftliche Zeugenaussage des Zeugen B.Randnummer56

Wegen der Einzelheiten wird auf die Finanzgerichtsakte, die dem Finanzgericht vorliegenden Akten des Finanzamts und auf das Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 19.07.2022 verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Klägerin hat mit ihrer Klage letztendlich keinen Erfolg.

Unter einer vGA i.S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG ist bei einer Kapitalgesellschaft eine Vermögensminderung (verhinderte Vermögensmehrung) zu verstehen, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist, sich auf die Höhe des Unterschiedsbetrages gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG auswirkt und in keinem Zusammenhang zu einer offenen Ausschüttung steht. Für den größten Teil der entschiedenen Fälle hat die Rechtsprechung die Veranlassung durch das GesellschaftsverhältnisBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis
angenommen, wenn die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter einen Vermögensvorteil zuwendet, den sie bei der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einem Nichtgesellschafter nicht gewährt hätte (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Urteil vom 28.01.2004 I R 50/03, BStBl II 2005, 524).Randnummer59

Soweit die Klägerin die Auffassung vertritt, im vorliegenden Verfahren scheide eine vGA bereits deshalb dem Grunde nach aus, weil es sich bei der Klägerin um eine Aktiengesellschaft und bei K lediglich um einen Minderheitsaktionär handele, folgt dem der erkennende Senat nicht.Randnummer60

Für ihre Auffassung kann sich die Klägerin zwar auf die Kommentierungen von Hey/Isler/Janetzko/Meier/Pfirrmann/Schallmoser/Semelka/Wilk in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/ KStG, 310. Lieferung, Stand 09.2021, § 8 KStG Ermittlung des Einkommens, RdNr 254 und Binnewies in DStR 2003, 2105 berufen, wonach Vereinbarungen der Gesellschaft mit einem Minderheitsaktionär, der gleichzeitig eine Vorstandsposition innehabe, nicht zu vGA führen könnten, da es an einer entsprechenden beherrschenden Einflussmöglichkeit fehle. Hiernach würden zwar die Rechtsprechungsgrundsätze zur vGA grundsätzlich auch für die Aktiengesellschaft gelten, dabei seien aber stets die gesellschaftsrechtlichen Besonderheiten der Aktiengesellschaft zu berücksichtigen. So könnten etwa Vereinbarungen gegenüber einem Mehrheitsaktionär, der zugleich Vorstandsmitglied der Aktiengesellschaft ist, nicht ohne Weiteres mit solchen einer GmbH gegenüber ihrem beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer gleichgesetzt werden. Dem stehe schon der Umstand entgegen, dass gemäß § 112 AktG eine Aktiengesellschaft bei Rechtsgeschäften mit ihren Vorstandsmitgliedern von ihrem Aufsichtsrat vertreten werde, wodurch eine Wahrung der Interessen der GesellschaftBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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eher gewährleistet sei als bei Verträgen zwischen einer GmbH und ihrem beherrschenden Gesellschafter.Randnummer61

Nach Ansicht des erkennenden Senates ist eine vGA desgleichen bei Aktiengesellschaften denkbar und möglich. Auch dort kann eine Vergütung durch die Rechtsstellung als Aktionär mitverursacht sein. Dies gilt insbesondere für die Gewährung einer Umsatztantieme, die der BFH auch bei einem (GmbH-)Minderheitsgesellschafter als vGA beurteilt. Dies zeigt, dass es auf die Durchsetzbarkeit des Willens in der Gesellschafterversammlung nicht ankommt. Dann kann dies aber auch nicht anders zu entscheiden sein, wenn es keine Gesellschafterversammlung gibt, sondern die Entscheidungen in einer Aufsichtsratssitzung getroffen werden.Randnummer62

Hinsichtlich der vereinbarten Gewinn- und Umsatztantiemen gilt Folgendes:Randnummer63

1. In Bezug auf die Gewinntantieme folgt das Gericht zum Teil der Argumentation der Klägerin.Randnummer64

1.1. Die Beteiligten stimmen dahingehend überein, dass der Betriebsprüfer im Rahmen der Ermittlung der Bemessungsgrundlage für die Gewinntantieme 2015 die Korrektur Xy fälschlicherweise mit -6.242,64 € anstatt mit +6.242,64 € vorgenommen hat.Randnummer65

Dieser Fehler ist nunmehr im Rahmen der Urteilsabfassung zu korrigieren.Randnummer66

1.2. Die Ermittlung der Bemessungsgrundlage für die Gewinntantieme hat vor Steuern und vor Tantiemen zu erfolgen.Randnummer67

Die Vereinbarung, wonach die Vergütung des Vorstands [K] aus dem erwirtschafteten Jahresgewinn vor Abzug der Kosten des Vorstands zu berechnen ist, bedarf der Auslegung, da der Begriff „erwirtschafteter Jahresgewinn“ weder in der Vereinbarung noch im Gesetz definiert ist.Randnummer68

Die langjährige Übung bei der Klägerin spricht dafür, die Bemessungsgrundlage für die Gewinntantieme in der Weise zu ermitteln, dass der Gewinn vor Steuern und vor Abzug Tantiemeaufwendungen an den Vorstand ermittelt wird. Diese Berechnungsmethodik entspricht auch der gängigen Praxis.Randnummer69

Die Zeugen A in der mündlichen Verhandlung und B in seiner schriftlichen Zeugenaussage haben glaubwürdig ausgesagt, dass die Vertragsparteien unter dem „erwirtschafteten Jahresgewinn“ im Sinne der Vergütungsvereinbarung den Earnings before Taxes (EBT), also den Gewinn vor Steuern, verstanden haben. Außerdem seien die Kosten des Vorstandes bei der Vergütungshöhe herauszurechnen.Randnummer70

Der Vereinbarung und den Einlassungen der beiden Zeugen ist auch nicht zu entnehmen, dass eine vom Üblichen abweichende Praxis beabsichtigt gewesen wäre.Randnummer71

1.3. Die „Kosten des Vorstands“ umfassen den Gesamtaufwand der Vorstandsvergütungen inkl. der Tantieme-Rückstellungen. Somit sind diese Abzüge bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage zu eliminieren.Randnummer72

1.4. Soweit die Klägerin bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage für die Gewinntantieme erlittene Verluste des Vorjahres nicht berücksichtigen will, folgt dem das Gericht nicht.Randnummer73

Es mögen zwar gute Gründe dafürsprechen, dem Vorstand einen besonderen Anreiz zu bieten, indem vergangene Verlustperioden bei der Ermittlung der aktuellen Tantieme außen vor bleiben sollen; der Zeuge A hat hierzu umfangreich vorgetragen. Auch der Zeuge B hat sich dahingehend eingelassen, dass er eine Verrechnung mit Verlustvorträgen nicht für notwendig gehalten habe.Randnummer74

Eine solche Berechnungsmethodik – die im Übrigen nicht schriftlich fixiert wurde – entspricht jedoch nicht dem Üblichen und findet in der BFH-Rechtsprechung keinen Rückhalt.Randnummer75

In seinem Urteil vom 18.09.2007 I R 73/06 (BStBl II 2008, 314) hat der BFH entschieden, dass eine an den in der Handelsbilanz ausgewiesenen Jahresüberschuss anknüpfende Gewinntantieme, die eine Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter-Geschäftsführer verspricht, im Allgemeinen steuerlich nur anzuerkennen ist, wenn unter der (Mit-)Verantwortung des Gesellschafter-Geschäftsführers angefallene oder noch anfallende Jahresfehlbeträge laut Handelsbilanz ebenfalls in die Bemessungsgrundlage der Tantieme einbezogen werden. Die Jahresfehlbeträge sind regelmäßig vorzutragen und durch zukünftige Überschüsse auszugleichen. Hiervon abweichende Tantiemevereinbarungen führen nach der BFH-Rechtsprechung regelmäßig zu einer vGA.Randnummer76

Da die Verluste in der Zeit erwirtschaftet wurden, als K Vorstand war, sind diese bei der Bemessungsgrundlage in den Folgejahren abzuziehen bzw. die Nichtberücksichtigung durch Ansatz einer vGA zu kompensieren.Randnummer77

Die Verlustvorträge sind auch nicht ausnahmsweise unberücksichtigt zu lassen, weil ein besonderer Anreiz im Einzelfall geboten wäre. Dies würde im Gegenteil dazu führen, dass der Anreiz generiert würde, Verlust- und Überschussjahre sich abwechseln zu lassen.Randnummer78

Dementsprechend ist der Verlustvortrag des Jahres 2013 in Höhe von 173.970,91 € im Jahr 2014 zu berücksichtigen.Randnummer79

2. In Bezug auf die Umsatztantieme hat die Klage keinen Erfolg.Randnummer80

Der BFH hat in ständiger Rechtsprechung (vgl. das BFH-Urteil vom 19.02.1999 a. a. O. sowie den BFH-Beschluss vom 12.10.2010 I B 70/10, juris) entschieden, dass eine Umsatztantieme nur im Ausnahmefall (Gründungs- oder Aufbauphase) steuerlich anzuerkennen ist, diese jedenfalls zeitlich und höhenmäßig begrenzt ist und dass es hierbei unbeachtlich ist, ob der Begünstigte lediglich Minderheitsgesellschafter ist.Randnummer81

Die hierbei genannten Ausnahmetatbestände liegen im Streitfall nicht vor. Die vereinbarte Umsatztantieme ist weder zeitlich begrenzt, noch war eine höhenmäßige Begrenzung vereinbart. Die im Jahr 2001 gegründete Klägerin befand sich in den Streitjahren 2012 – 2016 auch nicht mehr in der Gründungs- oder Anlaufphase.Randnummer82

Diese Grundsätze gelten auch für Aktiengesellschaften und deren Minderheitsaktionären. Wenn es auf die Durchsetzbarkeit des Willens in einer Gesellschafterversammlung nicht ankommt, kann es auch nicht auf die Rechtsstellung als Minderheitsaktionär ankommen.Randnummer83

Damit bedarf es keiner weiteren Aufklärung, wie die Klägerin die entsprechende Bemessungsgrundlage für die Umsatztantiemen ermittelt hat. Mangels Entscheidungserheblichkeit ist dem entsprechenden Beweisantrag der Klägerin mithin nicht zu entsprechen.Randnummer84

Den Berechnungen des Betriebsprüfers bezüglich der Umsatztantieme folgt das Gericht insofern nicht, als dieser das Fixum (50.000 €) von der Umsatztantieme in Abzug gebracht hat. Tatsächlich steht das Fixum jedoch – entsprechend der Tantiemevereinbarung – in Zusammenhang mit der Gewinntantieme.Randnummer85

Auf die Berechnung der Gewinntantieme hat der abweichende Ansatz der Umsatztantieme durch das Gericht keinen Einfluss, da die entsprechenden Werte anhand der – unveränderten – Handelsbilanzwerte zu ermitteln sind.Randnummer86

3. Die Gesamtausstattung von K führt weder nach der Ansicht des Finanzamts zu einer vGA noch rechtfertigt sie, Teile der steuerlich nicht zu berücksichtigenden Umsatz- oder Gewinntantieme nicht als vGA zu behandeln.Randnummer87

4. Ermittlung der Tantiemen und vGA-Beträge und SteuerberechnungRandnummer88

Da das Gericht wegen § 96 Abs. 1 Satz 2 FGO jedoch nicht verbösern darf, verbleibt es bei den Feststellungen des Finanzamts.Randnummer89

Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen, da sie mit ihrer Klage letztendlich keinen Erfolg hat (§ 136 Abs. 1 FGO).Randnummer90

Die Revision wird gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen, da bislang – soweit ersichtlich – höchstrichterlich noch nicht entschieden ist, ob Umsatztantiemen bei Minderheitsaktionären vGA darstellen können. Insoweit kommt der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung zu.

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