Einträge nach Montat filtern

LG Stuttgart, Urteil vom 02.08.2022 – 31 O 135/21 KfH 

§ 16 Abs 4 AktG, § 20 Abs 1 AktG, § 20 Abs 4 AktG, § 20 Abs 7 AktG, § 240 S 1 AktG, § 244 S 1 AktG, Art 103 Abs 1 GG, § 148 Abs 1 ZPO

1. Steht zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung über eine aktienrechtliche Nichtigkeits- und hilfsweise Anfechtungsklage lediglich fest, dass eine weitere Hauptversammlung einberufen wurde, die zu einem Zeitpunkt nach Schluss der mündlichen Verhandlung Bestätigungsbeschlüsse gem. § 244 AktG zu den streitgegenständlichen Beschlüssen fassen soll, so bietet dieser Sachverhalt keinen Anlass und keine tragfähige Grundlage für eine Entscheidung, das entscheidungsreife Verfahren auf Antrag der Gesellschaft gem. § 148 Abs. 1 ZPO wegen „Vorgreiflichkeit“ auszusetzen. In einer solchen Konstellation liegen die Voraussetzungen für eine Aussetzung nach dieser Norm nicht vor, und auch unter Berücksichtigung aktienrechtlicher Besonderheiten, insbesondere des § 244 AktG, ist die Verfahrensaussetzung nicht obligatorisch.

2. Die Entscheidung über eine Verfahrensaussetzung nach § 148 Abs. 1 ZPO liegt im Ermessen des Gerichts. Ein prozessuales Gebot, das Verfahren über die gegen den Erstbeschluss gerichtete Anfechtungsklage auszusetzen, sobald die Hauptversammlung einen Bestätigungsbeschluss fasst, selbst wenn dieser noch nicht bestandskräftig ist, lässt sich weder dem Normwortlaut noch dem Sinn und Zweck des § 244 Satz 1 AktG entnehmen. Erst Recht ergibt sich aus § 244 Satz 1 AktG kein prozessuales Gebot, das Verfahren über die gegen den Erstbeschluss gerichtete Anfechtungsklage bereits im Vorgriff auf einen noch nicht einmal gefassten Hauptversammlungsbeschluss auszusetzen. Der bloßen Absicht zur Fassung eines Bestätigungsbeschlusses kommt nach § 244 AktG materiell-rechtlich keine Wirkung zu, erst Recht keine Heilungswirkung. Sie ist schlicht unerheblich. Eine Verletzung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) durch Zurückweisung eines gleichwohl gestellten unbegründeten Aussetzungsantrags scheidet in dieser Konstellation aus. Gegenteiliges folgt auch nicht aus BGH, Beschluss vom 11. August 2010 – II ZR 24/10, Rn. 1, juris; BGH, Beschluss vom 1. Februar 2010 – II ZR 262/08, Rn. 1, juris oder BGH, Urteil vom 12. Dezember 2005 – II ZR 253/03, Rn. 4, juris).

3. Für eine Verfahrensaussetzung ist bei aktienrechtlichen Beschlussmängelklagen im Übrigen kein Raum, wenn es bereits zu einer „Kaskade“ von Bestätigungsbeschlüssen gekommen ist, und wenn der Aussetzungsantrag rechtsmissbräuchlich in Verschleppungsabsicht gestellt wird.

4. Auch natürliche Personen können bei direktem oder indirektem Beteiligungserwerb gemäß § 20 Abs. 1, 4 AktG, ggf. in Verbindung mit § 16 Abs. 4 AktG, gegenüber der Gesellschaft zur Mitteilung verpflichtet sein, denn auch sie können die für eine solche Mitteilungspflicht erforderliche Unternehmenseigenschaft besitzen.

5. Die Darlegungs- und Beweislast für die tatsächlichen Voraussetzungen eines Stimmrechtsverlusts nach § 20 Abs. 7 AktG liegt beim klagenden Aktionär. Legt der Aktionär jedoch im Rahmen einer auf die Missachtung eines Stimmrechtsverbots gestützten Anfechtungsklage die Unternehmenseigenschaft einer nach seiner Auffassung meldepflichtigen natürlichen oder juristischen Person substantiiert dar, die unstreitig vor der Beschlussfassung keine Meldung abgegeben hat, so liegt es an der beklagten Aktiengesellschaft, dem Vortrag substantiiert entgegenzutreten, wenn sie behauptet, der Dritte sei nicht meldepflichtig gewesen. Das gilt insbesondere dann, wenn der aus Sicht des Klägers schon vor der Beschlussfassung meldepflichtige Dritte die Stimmrechtsmitteilung an die Gesellschaft später tatsächlich nachgeholt hat und es keine Anhaltspunkte dafür gibt, dass der Dritte erst nach BeschlussfassungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Beschlussfassung
nach Beschlussfassung
(zum Zeitpunkt der Nachmeldung) zum Unternehmen i.S.d. §§ 20 Abs. 1, 16 Abs. 4 AktG geworden sein könnte.

Tenor

I.

Die Klage wird abgewiesen, soweit der Kläger beantragt, die Nichtigkeit von Beschlüssen festzustellen, die die Hauptversammlung der Beklagten am 31. August 2021 gefasst hat.

II.

Auf den Hilfsantrag des Klägers werden folgende Beschlüsse der Hauptversammlung der Beklagten vom 31. August 2021 für nichtig erklärt:

1. Tagesordnungspunkt 2 „Beschlussfassung über die Verwendung des Bilanzgewinns“ mit dem Inhalt:

„Der im Jahresabschluss der Gesellschaft zum 31. Dezember 2020 ausgewiesene Bilanzgewinn in Höhe von EUR 96.239.656,54 wird vollständig auf neue Rechnung vorgetragen.“

2. Tagesordnungspunkt 3 „Entlastung der Mitglieder des Vorstands für das Geschäftsjahr 2020“ mit dem Inhalt:

„Den im Geschäftsjahr 2020 amtierenden Mitgliedern des Vorstands wird für das Geschäftsjahr 2020 Entlastung erteilt.“

3. Tagesordnungspunkt 4 „Entlastung der Mitglieder des Aufsichtsrats für das Geschäftsjahr 2020“ mit dem Inhalt:

„Den im Geschäftsjahr 2020 amtierenden Mitgliedern des Aufsichtsrats wird für das Geschäftsjahr 2020 Entlastung erteilt.“

4. Tagesordnungspunkt 6 „Bestätigungsbeschlüsse gemäß § 244 Satz 1 AktG betreffend mehrere von der Hauptversammlung am 27. August 2020 gefasste Beschlüsse“ mit dem Inhalt:

a) „Der am 27. August 2020 unter Tagesordnungspunkt 3 von der Hauptversammlung gefasste Beschluss mit folgendem Inhalt:

‚Den im Geschäftsjahr 2019 amtierenden Mitgliedern des Vorstands wird für dieses Geschäftsjahr Entlastung erteilt.‘

wird gemäß § 244 Satz 1 AktG bestätigt.“

b) „Der am 27. August 2020 unter Tagesordnungspunkt 8 von der Hauptversammlung gefasste Beschluss mit folgendem Inhalt:

‚Der Beschluss der außerordentlichen Hauptversammlung der A AG vom 19. Dezember 2019, der mit nachfolgendem Inhalt bekanntgemacht worden ist:

„2. Änderung der Ziffer 8.1 der Satzung der Gesellschaft: Der Aufsichtsrat der Gesellschaft besteht aus 4 Mitgliedern.“

wird aufgehoben.‘

wird gemäß § 244 Satz 1 AktG bestätigt.“

c) „Der am 27. August 2020 unter Tagesordnungspunkt 9 von der Hauptversammlung gefasste Beschluss mit folgendem Inhalt:

‚Der Beschluss der außerordentlichen Hauptversammlung der A AG vom 19. Dezember 2019, der mit nachfolgendem Inhalt bekanntgemacht worden ist:

„3. Wahl zum Aufsichtsrat: Aufschiebend bedingt auf den Zeitpunkt, der der Eintragung der unter TOP 2 beschlossenen Satzungsänderung im Handelsregister unmittelbar nachfolgt, wird Herr B., Unternehmer, in Köln, zum Mitglied des Aufsichtsrats gewählt, und zwar bis zur Beendigung der Hauptversammlung, die über die Entlastung des AufsichtsratsBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Entlastung
Entlastung des Aufsichtsrats
für das vierte Geschäftsjahr nach dem Beginn der Amtszeit beschließt. Das Geschäftsjahr, in dem die Amtszeit beginnt, wird nicht mitgerechnet.“

wird aufgehoben.‘

wird gemäß § 244 Satz 1 AktG bestätigt.“

d) „Der am 27. August 2020 unter Tagesordnungspunkt 10 von der Hauptversammlung gefasste Beschluss mit folgendem Inhalt:

‚Herr N., Diplom-Volkswirt, Brüssel (Belgien), wird zum Mitglied des Aufsichtsrats gewählt, und zwar mit Wirkung ab Beendigung der Hauptversammlung am 27. August 2020 bis zur Beendigung der Hauptversammlung, die über die Entlastung des AufsichtsratsBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Entlastung
Entlastung des Aufsichtsrats
für das Geschäftsjahr 2022 beschließt.‘

wird gemäß § 244 Satz 1 AktG bestätigt.“

III.

Die Beklagte trägt die Gerichtskosten. Im Übrigen trägt jede Partei ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

IV.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages.

Streitwert: 200.000 EUR

Tatbestand

Der Kläger geht im Wege der Nichtigkeitsfeststellungsklage und der hilfsweise erhobenen Anfechtungsklage gegen Beschlüsse der Hauptversammlung der Beklagten vom 31. August 2021 vor.Randnummer2

Die Beklagte, eine Aktiengesellschaft mit Sitz in NN., unterliegt als Waffenhersteller dem Außenwirtschaftsgesetz und der Außenwirtschaftsverordnung. Der Kläger ist an ihr als Aktionär beteiligt.Randnummer3

Das Grundkapital der A. AG beträgt 27.640.920 EUR und ist in 27.640.920 Inhaberaktien eingeteilt. Es existieren verschiedene Sammelurkunden, u.a. fünf Sammelurkunden über jeweils 2.140.110 Aktien und eine Sammelurkunde über 4.300.237 Aktien (Bl. 10 f. d.A.; Anl. K 4).Randnummer4

Ziff. 16.1 der Satzung der Beklagten verlangt für die Beschlussfähigkeit einer ersten Hauptversammlung, dass mehr als die Hälfte des Grundkapitals vertreten sind (Bl. 9 d.A.).Randnummer5

Jedenfalls bei der außerordentlichen Hauptversammlung am 19. Dezember 2019 war der Kläger noch Mehrheitsaktionär der Beklagten. Seit 2015 hatte er jedoch Aktien auf der Grundlage verschiedener Darlehens- und Anteilsverpfändungsverträge an die „C. S.A.“, eine Gesellschaft mit Sitz in Luxemburg (nachfolgend C.), verpfändet. Die C. hatte dem Kläger verschiedene Darlehen gewährt.Randnummer6

Ende 2019 erschienen Medienberichte darüber, dass die Gesellschaft angeblich vor dem Verkauf stehe. Am 09. November 2019 veröffentlichte der Kläger bezugnehmend auf diese Medienberichte einen Text, in dem er klarstellte, dass es „bis heute“ keinen Wechsel des Mehrheitsaktionärs gebe. In dem Text heißt es aber auch:Randnummer7

„… 3. Dem Bundesministerium für wirtschaft und Energie liegt ein Antrag einer Mit-Aktionärin vor, weitere Anteile von mir zu erwerben. Wird der Antrag positiv beschieden, würde die Aktionärin über die Aktienmehrheit verfügen.Randnummer8

4. Auch bei positiver Bescheidung durch das Ministerium bliebe ich als Aktionär beteiligt und dem Unternehmen verbunden. Für den Fall, dass dem Antrag nicht stattgegeben wird, bliebe ich weiterhin Mehrheitsaktionär der A AG. …“Randnummer9

Am 19. Dezember 2019 beschloss die Hauptversammlung u.a. die Erhöhung der satzungsmäßigen Zahl der Aufsichtsratsmitglieder auf vier und die aufschiebend bedingte Wahl des Klägers in den Aufsichtsrat. Die C., die mit der beschlossenen Satzungsänderung und Wahl des Klägers in den Aufsichtsrat nicht einverstanden war, und eine weitere Aktionärin erhoben Anfechtungsklage gegen die damaligen Hauptversammlungsbeschlüsse. Die Klagen wurden mit Urteil vom 18. Mai 2021 erstinstanzlich abgewiesen (Landgericht Stuttgart, 31 O 3/20 KfH). Zum Wirksamwerden der Satzungsänderung kam es jedoch in der Folgezeit mangels Handelsregistereintragung nicht.Randnummer10

Mit Schreiben vom 16. Juli 2020, vor der Hauptversammlung 2020, teilten die C. und die D. Kapital Ltd., C. C., Barbados, der Beklagten schriftlich mit, dass ihnen (der C. unmittelbar, der D. Ltd. mittelbar kraft Zurechnung über die C.) mehr als der vierte Teil der Aktien an der Gesellschaft und gleichzeitig eine Mehrheitsbeteiligung gehöre (Anl. K 11 und K 12).Randnummer11

Zwischen dem Kläger und der C. herrscht Streit über die Frage, ob und ggf. wann es zu einer Übertragung des Eigentums an 15.000.787 Aktien auf die C. gekommen ist (vgl. Anl. K 13 – Urteil des Landgerichts Frankfurt vom 25. Februar 2022 – 2-02 O 213/21 zu weiteren Einzelheiten).Randnummer12

Im Juli 2020 lud der Vorstand der Beklagten zur Hauptversammlung am 27. August 2020 ein. Auf Betreiben der C. wurde die Tagesordnung um mehrere Tagesordnungspunkte ergänzt: u.a. unter TOP 8 um die Aufhebung des bereits erwähnten Beschlusses vom 19. Dezember 2019 über die Satzungsänderung zur Erhöhung der Zahl der Aufsichtsratsmitglieder von drei auf vier, unter TOP 9 um die Aufhebung des Beschlusses vom 19. Dezember 2019 über die Wahl des Klägers in den Aufsichtsrat, sowie unter TOP 10 um die Wahl des Herrn N. in den Aufsichtsrat anstelle des durch Amtsniederlegung ausscheidenden Herrn G.Randnummer13

Eine Minderheitsaktionärin, die M.-GmbH, erhob Anfechtungsklage gegen diese drei laut Niederschrift gefassten Beschlüsse sowie gegen den unter TOP 3 gefassten Beschluss über die Entlastung des Vorstands. Der Kläger des vorliegenden Verfahrens beteiligte sich als Nebenintervenient auf Klägerseite. Streitig war in dem Verfahren u.a., ob die C. vor der Hauptversammlung 2020 einen ordnungsgemäßen Bestandsnachweis erbracht hatte. Das Landgericht wies diese Klage erstinstanzlich durch Urteil vom 31. Mai 2021 (31 O 67/20 KfH) ab. Das von der unterlegenen Minderheitsaktionärin und vom Kläger als Nebenintervenient angestrengte Berufungsverfahren gegen dieses Urteil ist unter 20 U 45/21 beim Oberlandesgericht Stuttgart anhängig, das am 06. April 2022 einen Hinweisbeschluss erlassen und für Herbst 2022 einen Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt hat (Anl. K 14; Bl. 265 d.A.). Die am 27. August 2020 gefassten Aufhebungsbeschlüsse der Hauptversammlung sind noch nicht bestandskräftig.Randnummer14

Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens sind Beschlüsse der Hauptversammlung vom 31. August 2021. Auf der Tagesordnung der Hauptversammlung am 31. August 2021 (vgl. Anl. B 1 und B 2) stand u.a. ein Bestätigungsbeschluss, durch den die oben erwähnten, angefochtenen vier Beschlüsse der Hauptversammlung vom 27. August 2020 bestätigt werden sollten (TOP 6 lit. a: Bestätigung des Beschlusses über die Entlastung des Vorstands für 2019; lit. b: Bestätigung des Beschlusses über die Aufhebung der 2019 beschlossenen Satzungsänderung; lit. c: Bestätigung des Beschlusses über die Aufhebung der 2019 aufschiebend bedingt beschlossenen Wahl des Klägers in den Aufsichtsrat; lit. d: Bestätigung des Beschlusses über die Wahl des Herrn N. in den Aufsichtsrat). Unter TOP 2 stand die Gewinnverwendung auf der Tagesordnung (Vortrag des Bilanzgewinns auf neue Rechnung), unter TOP 3 bzw. TOP 4 die Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat für 2020. Der Kläger meldete sich zur Hauptversammlung mit insgesamt 743.187 Aktien an, die C. mit insgesamt 14.280.902 Aktien (Bl. 34, 94, 164 d.A.), wobei die Ordnungsmäßigkeit der Anmeldung der C. zwischen den Parteien streitig ist (Bl. 165 d.A.).Randnummer15

Der Versammlungsleiter stellte fest, dass das Grundkapital zu 92,23% vertreten und die Hauptversammlung damit beschlussfähig sei (Bl. 95 d.A.). Die Zahl der vom Versammlungsleiter bei jedem Beschluss als gültig behandelten Stimmen betrug jeweils rund 25.493.000 Stimmen (mit kleineren Abweichungen im dreistelligen Bereich). Der Versammlungsleiter stellte fest, dass die Beschlüsse, die Gegenstand der vorliegenden Nichtigkeits- und AnfechtungsklageBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Anfechtungsklage
Nichtigkeits- und Anfechtungsklage
sind, jeweils mit Mehrheit angenommen worden seien (TOP 2 bei 18.899.406 Ja-Stimmen und 6.393.389 Nein-Stimmen; TOP 3 bei 18.899.404 Ja-Stimmen und 6.593.395 Nein-Stimmen; TOP 4 bei 18.899.404 Ja-Stimmen und 6.593.395 Nein-Stimmen; TOP 6 a bei 18.899.232 Ja-Stimmen und 6.593.392 Nein-Stimmen; TOP 6 b, TOP 6 c und TOP 6 d bei jeweils 18.899.212 Ja-Stimmen und 6.593.390 Nein-Stimmen). Der Kläger erklärte Widerspruch zur Niederschrift des Notars gegen die Wirksamkeit der o.g. Beschlüsse. Wegen der Einzelheiten wird auf das Hauptversammlungsprotokoll Bezug genommen (Anl. B 2).Randnummer16

Vor der streitgegenständlichen Hauptversammlung vom 31. August 2021, und zwar wie bereits erwähnt im Sommer 2020, hatten nur die C. sowie die D., C. C., Barbados, Mitteilungen über den Beteiligungserwerb nach § 20 Abs. 1 und Abs. 4 AktG gemacht (die D. Ltd. i.V.m. § 16 Abs. 4 AktG) (Anl. K 11, K 12).Randnummer17

Am 30. September 2021 ging die Nichtigkeits- und AnfechtungsklageBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Anfechtungsklage
Nichtigkeits- und Anfechtungsklage
des Klägers gegen die vorgenannten Beschlüsse der Hauptversammlung vom 31. August 2021 beim Landgericht Stuttgart ein. Die umgehend nach Vorschussanforderung und Mitteilung des Vorschusseingangs (Kostenheft Bl. 3) veranlasste Zustellung der Klage erfolgte am 20. Oktober 2021 (Bl. 79, 84 d.A.).Randnummer18

In der ersten mündlichen Verhandlung am 05. April 2022 wurden die Parteien angehört (Bl. 183 ff. d.A.). Die Kammer verkündete den Beschluss, den vom Kläger in der Klageschrift benannten Zeugen E. im Termin zur Fortsetzung der mündlichen Verhandlung und Beweisaufnahme am 19. Juli 2022 zu vernehmen (Bl. 191 d.A.). Der ordnungsgemäß geladene Zeuge erschien jedoch nicht zum Termin am 19. Juli 2022.Randnummer19

Zwischenzeitlich hatte der Kläger mit Schriftsätzen vom 26. April 2022 und 24. Mai 2022 seinen Vortrag jedoch ergänzt, insbesondere durch Vorlage von Unterlagen im Hinblick auf die Eigenschaft des Zeugen E. als „Unternehmen“ im Sinne des § 20 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 16 Abs. 4 AktG (Bl. 197 ff., 203 ff. d.A.; vgl. auch Bl. 24 d.A.).Randnummer20

Außerdem gaben im Sommer 2022 auch der Zeuge E., der vom Kläger benannte weitere Zeuge F. und die K. Bank Ltd. Stimmrechtsmitteilungen nach § 20 Abs. 1 und Abs. 4 AktG (teils i.V.m. § 16 Abs. 4 AktG) ab, die auf den 08., den 03. bzw. den 14. Juni 2022 datiert sind (Anl. B 18, B 19, B 20). Die Mitteilungen gingen am 23. Juni 2022 bzw. 24. Juni 2022 bei der Beklagten ein (Bl. 251 d.A.). Die Beklagte machte die Mitteilungen am 28. Juni 2022 im Bundesanzeiger bekannt (Bl. 251 d.A.; Anl. B 17) und teilte diesen Sachverhalt schriftsätzlich am 13. Juli 2022 bzw. 14. Juli 2022 (bezüglich des Eingangsdatums, auf Nachfrage) dem Gericht mit (Bl. 251, 255, 259 d.A.).Randnummer21

Im Juni 2022 berief der Vorstand für den 03. August 2022 die ordentliche Hauptversammlung ein und machte die Einberufung am 21. Juni 2022 im Bundesanzeiger bekannt. Die Beklagte legte dies schriftsätzlich am 13. Juli 2022 offen (Bl. 249 d.A.), wenige Tage vor dem bereits im April 2022 anberaumten Termin zur Fortsetzung der mündlichen Verhandlung und zur Beweisaufnahme am 19. Juli 2022. Auf der dem Gericht schriftsätzlich am 13. Juli 2022 mitgeteilten Tagesordnung stehen unter TOP 8 unter anderem Beschlüsse, durch die die im vorliegenden Verfahren streitgegenständlichen Beschlüsse vom 31. August 2021 gemäß § 244 AktG bestätigt werden sollen (Anl. B 16). Die Beklagte nahm dies zum Anlass, im Schriftsatz vom 13. Juli 2022 die Aussetzung des Verfahrens zu beantragen (Bl. 248 ff. d.A.). Der Kläger trat dem Aussetzungsantrag entgegen (Bl. 265 d.A.).Randnummer22

Nach weiterer Anhörung verkündete die Kammer im Termin zur Fortsetzung der mündlichen Verhandlung am 19. Juli 2022 die Aufhebung des Beweisbeschlusses über die Vernehmung des nicht erschienenen Zeugen E. (Bl. 265 d.A.).Randnummer23

Der Kläger trägt vor,Randnummer24

er bestreite mit Nichtwissen, dass sich die C. zur Hauptversammlung 2021 unter Vorlage ordnungsgemäßer Bestandsnachweise angemeldet habe (Bl. 165 d.A.). Er gehe mangels anderweitiger Kenntnis davon aus, dass Frau Dr. Z „auch in diesem Jahr“ (gemeint: 2021) für die C. einen unrichtigen Nachweis über den Besitz von bis zu 15.000.787 Aktien ausgestellt habe, der im Wortlaut der im Verfahren 31 O 67/20 KfH beim Landgericht Stuttgart als Anl. B 7 vorgelegten Bestätigung entspreche (Bl. 8 d.A.). Wahrscheinlich seien von der C. nur 12.860.677 Aktien zur Hauptversammlung angemeldet worden (Bl. 9 d.A.), wie von der Beklagten vorgetragen (Bl. 94 d.A.; vgl. klägerischer Vortrag Bl. 164 f. d.A.). Der Nachweis des angeblichen Aktienbesitzes der C. sei offensichtlich unrichtig gewesen (Bl. 9 d.A.). Wie die Aktienurkunden, die jahrelang im Besitz des französischen Anwalts Y. waren, in den Besitz von Frau Dr. Z. gelangt seien, könne er mangels Kenntnis nicht beurteilen (Bl. 165 d.A.). Die Hauptversammlung sei mangels ordnungsgemäßem Besitznachweis der C. wegen Unterschreitung des Mindestquorums nicht beschlussfähig gewesen (Bl. 9 d.A.).Randnummer25

Wenn die C. entgegen klägerischem Vortrag einen ausreichenden Nachweis über 12.860.677 Aktien erbracht und sich ordnungsgemäß angemeldet habe, dann sei jedenfalls die am 25. August 2020 veröffentlichte Stimmrechtsmitteilung unrichtig, mit der Folge, dass die C. dann kein Stimmrecht gehabt habe und die Hauptversammlungsbeschlüsse dann anfechtbar seien (Bl. 10 d.A.). Nach dem im Rechtsstreit zwischen der C. und ihm ergangenen Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 25. Februar 2022 stehe fest, dass die Stimmrechtsmitteilungen der C. und der D. Ltd. vom 16. Juli 2020 (Anl. K 11 und K 12) unrichtig seien (Bl. 164 d.A.). Selbst wenn man der von ihm für unzutreffend gehaltenen Rechtsauffassung des Landgerichts Frankfurt am Main folge, sei die C. frühestens am 11. August 2020 (und nicht schon am 16. Juli 2020) Eigentümerin von 13.102.248 Aktien der Beklagten geworden (Bl. 167 d.A.). Die Stimmrechtsmitteilungen wären dann jedenfalls zu einem falschen Zeitpunkt abgegeben worden; die Nennung eines falschen Datums im Zusammenhang mit der Schwellenberührung bzw. -überschreitung sei ein gravierender Mangel der Stimmrechtsmitteilung. Um ein Stimmrechtsverbot zu vermeiden, hätten zum richtigen Zeitpunkt erneut Stimmrechtsmitteilungen abgegeben werden müssen (Bl. 186, 219 ff. d.A.). Mangels weiterer Stimmrechtsmitteilung der C. unterliege sie nach § 20 Abs. 7 AktG einem Stimmrechtsverbot, das auch bei der hier streitgegenständlichen Hauptversammlung am 31. August 2021 noch bestanden habe (Bl. 167 d.A.).Randnummer26

Im Übrigen sei der Zeuge E. zu 100% an der D. Ltd. beteiligt und damit mittelbar auch mit 100% an der C. beteiligt. Der Zeuge E. halte die mittelbare Beteiligung an der C. als unternehmerische Beteiligung und nicht nur im Rahmen einer vermögensverwaltenden Tätigkeit (Bl. 23, 25, 37 d.A.). Er habe selbst eine Stimmrechtsmitteilung nach § 20 Abs. 1, Abs. 4 AktG (i.V.m. § 16 Abs. 4 AktG) gegenüber der Gesellschaft machen müssen. Die unstreitig unterbliebene Mitteilung führe zu einem konzernweiten Rechtsverlust, so dass die Stimmen der C. zu Unrecht gezählt worden seien, wenn sie (überhaupt) einen wirksamen Nachweis über den Aktienbesitz erbracht habe. Andernfalls fehle es an der Beschlussfähigkeit der Hauptversammlung (Bl. 38 d.A.).Randnummer27

Wegen weiterer vom Kläger geltend gemachter Beschlussmängel wird auf den schriftsätzlichen Vortrag des Klägers Bezug genommen.Randnummer28

Der Kläger beantragt (Bl. 2, 190 d.A. – dort mit Wortlautkorrektur; Bl. 265 d.A.):Randnummer29

„I. Es wird festgestellt, dass die Beschlüsse der ordentlichen Hauptversammlung der Beklagten vom 31. August 2021 zu nachfolgenden Tagesordnungspunkten nichtig sind:Randnummer30

1. Tagesordnungspunkt 2 „Beschlussfassung über die Verwendung des Bilanzgewinns“ mit dem Inhalt „Der im Jahresabschluss der Gesellschaft zum 31. Dezember 2020 ausgewiesene Bilanzgewinn in Höhe von EUR 96.239.656,54 wird vollständig auf neue Rechnung vorgetragen.“Randnummer31

2. Tagesordnungspunkt 3 „Entlastung der Mitglieder des Vorstands für das Geschäftsjahr 2020“ mit dem Inhalt: „Den im Geschäftsjahr 2020 amtierenden Mitgliedern des Vorstands wird für das Geschäftsjahr 2020 Entlastung erteilt.“Randnummer32

3. Tagesordnungspunkt 4 „Entlastung der Mitglieder des Aufsichtsrats für das Geschäftsjahr 2020“ mit dem Inhalt: „Den im Geschäftsjahr 2020 amtierenden Mitgliedern des Aufsichtsrats wird für das Geschäftsjahr 2020 Entlastung erteilt.“Randnummer33

4. Tagesordnungspunkt 6 „Bestätigungsbeschlüsse gemäß § 244 Satz 1 AktG betreffend mehrere von der Hauptversammlung am 27. August 2020 gefasste Beschlüsse“ mit dem Inhalt:Randnummer34

a) „Der am 27. August 2020 unter Tagesordnungspunkt 3 von der Hauptversammlung gefasste Beschluss mit folgendem Inhalt: „Den im Geschäftsjahr 2019 amtierenden Mitgliedern des Vorstands wird für dieses Geschäftsjahr Entlastung erteilt.“ wird gemäß § 244 Satz 1 AktG bestätigt.“Randnummer35

b) „Der am 27. August 2020 unter Tagesordnungspunkt 8 von der Hauptversammlung gefasste Beschluss mit folgendem Inhalt: „Der Beschluss der außerordentlichen Hauptversammlung der A AG vom 19. Dezember 2019, der mit nachfolgendem Inhalt bekanntgemacht worden ist: „2. Änderung der Ziffer 8.1 der Satzung der Gesellschaft „Der Aufsichtsrat der Gesellschaft besteht aus 4 Mitgliedern.““ wird aufgehoben.“ wird gemäß § 244 Satz 1 AktG bestätigt.“Randnummer36

c) „Der am 27. August 2020 unter Tagesordnungspunkt 9 von der Hauptversammlung gefasste Beschluss mit folgendem Inhalt: „Der Beschluss der außerordentlichen Hauptversammlung der A AG vom 19. Dezember 2019, der mit nachfolgendem Inhalt bekanntgemacht worden ist: „3. Wahl zum Aufsichtsrat „Aufschiebend bedingt auf den Zeitpunkt, der der Eintragung der unter TOP 2 beschlossenen Satzungsänderung im Handelsregister unmittelbar nachfolgt, wird Herr Andreas B., Unternehmer, in Köln, zum Mitglied des Aufsichtsrats gewählt, und zwar bis zur Beendigung der Hauptversammlung, die über die Entlastung des AufsichtsratsBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Entlastung
Entlastung des Aufsichtsrats
für das vierte Geschäftsjahr nach dem Beginn der Amtszeit beschließt. Das Geschäftsjahr, in dem die Amtszeit beginnt, wird nicht mitgerechnet.““ wird aufgehoben.“ wird gemäß § 244 Satz 1 AktG bestätigt.“Randnummer37

d) „Der am 27. August 2020 unter Tagesordnungspunkt 10 von der Hauptversammlung gefasste Beschluss mit folgendem Inhalt: „Herr N. N., Diplom-Volkswirt, Brüssel (Belgien), wird zum Mitglied des Aufsichtsrats gewählt, und zwar mit Wirkung ab Beendigung der Hauptversammlung am 27. August 2020 bis zur Beendigung der Hauptversammlung, die über die Entlastung des AufsichtsratsBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Entlastung
Entlastung des Aufsichtsrats
für das Geschäftsjahr 2022 beschließt.“ wird gemäß § 244 Satz 1 AktG bestätigt.“Randnummer38

II. Hilfsweise für den Fall, dass die vorgenannten Beschlüsse der ordentlichen Hauptversammlung der Beklagten vom 31. August 2021 gem. Antrag I. nicht nichtig, sondern anfechtbar sind, werden die vorgenannten Beschlüsse für nichtig erklärt.“Randnummer39

Die Beklagte beantragt (Bl. 86 d.A.),Randnummer40

die Klage abzuweisen.Randnummer41

Sie trägt vor,Randnummer42

aus dem Tatsachenvortrag des Klägers bzw. aus seinen Mutmaßungen zur Anmeldung der C. ergebe sich keine schlüssige Begründung der Beschlussunfähigkeit der Hauptversammlung, sondern im Gegenteil deren Beschlussfähigkeit; daran ändere die unzutreffende rechtliche Bewertung der Tatsachen durch den Kläger nichts (Bl. 97 d.A.). Aus der Sicht der Beklagten sei es bereits 2020 – insbesondere aufgrund der eigenen Veröffentlichung des Klägers vom 09. November 2019 und nach der Freigabe eines Mehrheitserwerbs der C. durch das Bundesministerium für wirtschaft und Energie im Sommer 2020 – ohne Weiteres plausibel gewesen, dass die Mehrheitsbeteiligung an der Beklagten auf die C. übergegangen sei (Bl. 112 d.A.).Randnummer43

Der vom Kläger benannte Zeuge E. sei Treuhänder verschiedener Fonds (Bl. 188 d.A.). Er sei aus Sicht der Gesellschaft kein Unternehmer i.S.d. § 20 AktG. Bereits Treuhandabreden schlössen die Annahme einer unternehmerischen Beteiligung des Treuhänders aus (Bl. 189 d.A.). Herr F. agiere als Treugeber, hinter ihm stehe die D. (Ltd.), man wisse aber nicht, ob die Treugeberstellung hier sein Privatvermögen betreffe oder ob dahinter verschiedene Kapitalgeber stünden (Bl. 188 f. d.A.).Randnummer44

Die Kammer habe in der Entscheidung zum Verfahren 31 O 67/20 KfH, an dem sich der jetzige Kläger nur als Nebenintervenient beteiligt hatte und das Beschlüsse der Hauptversammlung 2020 zum Gegenstand hatte, zu Recht eine Pflicht des Zeugen E. aus § 20 Abs. 1, 4 AktG verneint. Die Stellung des Zeugen E. als Treuhänder, die sich aus dem neueren, von ihr vorgelegten Auszug aus dem luxemburgischen Unternehmensregister ergebe, unterstreiche noch, dass er nicht als Unternehmer anzusehen sein dürfte, weil eine Treuhandabrede eine unternehmerische Entfaltungsmöglichkeit ausschließe. Der Kläger habe eine Verletzung von dessen Mitteilungspflicht nicht schlüssig dargelegt (Bl. 100 d.A.).Randnummer45

Die Beklagte vertritt die Rechtsauffassung, dass das Gericht das Verfahren angesichts der geplanten Bestätigungsbeschlüsse der Hauptversammlung am 03. August 2022 nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zwingend auszusetzen habe (Bl. 248 ff. d.A.).Randnummer46

Der Kläger ist hingegen der Auffassung, die Voraussetzungen für eine Verfahrensaussetzung lägen offensichtlich nicht vor (Bl. 262 d.A.).Randnummer47

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen, die gerichtlichen Verfügungen und Beschlüsse sowie die Protokolle zu den mündlichen Verhandlungen am 05. April 2022 (Bl. 183 d.A.) und 19. Juli 2022 (Bl. 261 ff. d.A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

Entgegen der im Schriftsatz der Beklagten vom 13. Juli 2022 vertretenen Rechtsauffassung (Bl. 249 d.A.) war das vorliegende Verfahren nicht gem. § 244 Satz 1 AktG i.V.m. § 148 Abs. 1 ZPO auszusetzen. Die erst wenige Tage vor Schluss der mündlichen Verhandlung schriftsätzlich beantragte Aussetzung des Verfahrens ist abzulehnen.Randnummer49

Die Entscheidung über den Aussetzungsantrag war nicht zwingend vorab im Beschlusswege zu treffen. § 248 Abs. 2 ZPO lässt zwar eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zu, weshalb i.d.R. durch Beschluss entschieden wird, der gem. § 252 ZPO der sofortigen Beschwerde unterliegt. Das schließt jedoch nicht aus, die Entscheidung über den Aussetzungsantrag – wie vorliegend – in den Entscheidungsgründen des vorliegenden Urteils zu treffen (vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 09. Dezember 1993 – 11 U 50/91, NJW 1995, 1296, 1297, Juris Rn. 14 unter Hinweis auf BGH, LM § 252 ZPO Nr. 1; vgl. dazu auch BGH, Urteil vom 01. April 1954 – III ZR 296/52, BeckRS 1954, 31206228, beck-online).Randnummer50

Steht zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung über eine aktienrechtliche Nichtigkeits- und hilfsweise Anfechtungsklage lediglich fest, dass eine weitere Hauptversammlung einberufen wurde, die zu einem Zeitpunkt nach Schluss der mündlichen Verhandlung Bestätigungsbeschlüsse gem. § 244 AktG zu den streitgegenständlichen Beschlüssen fassen soll, so bietet dieser Sachverhalt keinen Anlass und keine tragfähige Grundlage für eine Entscheidung, das entscheidungsreife Verfahren auf Antrag der Gesellschaft gem. § 148 Abs. 1 ZPO wegen „Vorgreiflichkeit“ auszusetzen. In einer solchen Konstellation liegen die Voraussetzungen für eine Aussetzung nach dieser Norm nicht vor, und auch unter Berücksichtigung aktienrechtlicher Besonderheiten ist die Verfahrensaussetzung nicht obligatorisch. Für eine Verfahrensaussetzung ist im Übrigen kein Raum, wenn es bereits zu einer „Kaskade“ von Bestätigungsbeschlüssen gekommen ist und der Aussetzungsantrag rechtsmissbräuchlich in Verschleppungsabsicht gestellt wird.

1.

Im vorliegenden Fall spricht Vieles dafür, dass der Aussetzungsantrag der Beklagten verspätet gestellt wurde und der missbräuchlichen Verfahrensverzögerung dient.

a.

Drescher führt für den seltenen Fall einer „ewigen Kaskade“ von Bestätigungsbeschlüssen im Aktienrecht im Zusammenhang mit der Frage der Verfahrensaussetzung aus, in einem solchen Fall „läge der Verdacht nahe, dass eine Entscheidung bewusst hinausgezögert werden soll und es wäre dann wegen Rechtsmissbrauch das Ausgangsverfahren fortzusetzen“ (BeckOGK/Drescher, 1.2.2022, AktG § 244 Rn. 45).Randnummer53

Im vorliegenden Fall existiert bereits eine solche „Kaskade von Bestätigungsbeschlüssen“, zu der nun weitere hinzukommen sollen. Denn bereits die hier verfahrensgegenständlichen Beschlüsse von 2021 sind teilweise selbst schon Bestätigungsbeschlüsse gem. § 244 Satz 1 AktG. Nun sollen am 03. August 2022 laut Tagesordnung nochmals Bestätigungsbeschlüsse gefasst werden, und zwar „betreffend mehrere von den Hauptversammlungen am 27. August 2020 sowie am 31. August 2021 gefasste Beschlüsse“ (vgl. Anl. B 16, TOP 8). Letztlich geht es dem Kläger einerseits und der C. andererseits immer darum, dass überprüft wird, ob die 2019 beschlossene Satzungsänderung zur Erhöhung der Zahl der Aufsichtsratsmitglieder und die ebenfalls 2019 beschlossene aufschiebend bedingte Wahl des Klägers in den Aufsichtsrat in Bestandskraft erwachsen wird, oder ob die hierzu mit den Stimmen der C. gefassten Aufhebungsbeschlüsse von 2020 zum Tragen kommen.Randnummer54

Zu den hier verfahrensgegenständlichen Beschlüssen (vgl. Antrag Ziff. 4) gehören unter anderem Beschlüsse, mit denen die Hauptversammlung vom 31. August 2021 Bestätigungsbeschlüsse nach § 244 Satz 1 AktG hinsichtlich bereits am 27. August 2020 gefasster, aber angefochtener Beschlüsse gefasst hat. Die Kammer war mit den Beschlüssen vom 27. August 2020 vorbefasst und hat die gegen die Beschlüsse vom 27. August 2020 gerichtete Beschlussmängelklage durch Urteil vom 18. Mai 2021 abgewiesen (31 O 67/20 KfH). Das Urteil ist jedoch noch nicht rechtskräftig. Der Rechtsstreit über die Bestätigungsbeschlüsse vom 27. August 2020 ist in der Berufungsinstanz beim OLG Stuttgart anhängig (20 U 45/21). Das OLG Stuttgart hat im dortigen Verfahren am 06. April 2022 einen Hinweisbeschluss erlassen (Bl. 198 d.A.; Anl. K 14). Das OLG Stuttgart hat darauf hingewiesen, dass nach Auffassung des Senats die Beschlussfähigkeit der Hauptversammlung davon abhänge, ob die C. im Zeitpunkt der Anmeldung Eigentümerin der von ihr angemeldeten Aktien war (Bl. 198 d.A.). Diese Streitfrage ist derzeit im Verhältnis zwischen der C. und dem Kläger noch immer nicht geklärt, soll aber voraussichtlich im Rechtsstreit zwischen den beiden Aktionären, der jetzt vor dem Oberlandesgericht Frankfurt a.M. anhängig ist, geklärt werden.Randnummer55

Es zeichnet sich deshalb bereits ab, dass die Frage der Beschlussfähigkeit auch bei und im Anschluss an die für den 03. August 2022 anberaumte Hauptversammlung erneut thematisiert werden wird. Dementsprechend hat der Klägervertreter im Termin am 19. Juli 2022 erklärt, es sei höchst ungewiss, ob die bevorstehende Hauptversammlung die Bestätigungsbeschlüsse fassen wird (Bl. 262 d.A.). Da der Kläger unstreitig noch an der Beklagten beteiligt ist (lediglich sein Beteiligungsumfang ist streitig), also auch an der geplanten Hauptversammlung am 03. August 2022 teilnehmen kann, ist absehbar, dass gegen die von der Beklagten als Grund für den Aussetzungsantrag angeführten, angeblich bevorstehenden Bestätigungsbeschlüsse – so sie denn zustande kommen – erneut Klagen erhoben werden wird, und zwar zumindest so lange, bis die Eigentumsfrage im Verhältnis zwischen dem Kläger und der C. geklärt ist.Randnummer56

Die Eigentumsfrage soll letztlich nicht durch Verfahren vor dem Landgericht oder Oberlandesgericht Stuttgart, sondern voraussichtlich im Rechtsstreit zwischen der C. und dem Kläger vor dem Oberlandesgericht Frankfurt a.M. geklärt werden, an dem die Beklagte nicht mitwirkt. Bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung im vorliegenden Verfahren ist keine Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt ergangen und noch kein Termin bestimmt worden (Bl. 265 d.A.).Randnummer57

Trotz ungeklärter Ausgangslage haben Vorstand und Aufsichtsrat der Hauptversammlung 2022 in der Einberufung vorgeschlagen, nunmehr erneut Bestätigungsbeschlüsse zu fassen. Als „Hintergrund“ nennen Vorstand und Aufsichtsrat dabei ausdrücklich und ausschließlich die beim Landgericht Stuttgart unter dem Aktenzeichen des vorliegenden Verfahrens (31 O 135/21 KfH) anhängige Beschlussmängelklage (vgl. Anl. B 16). Ob dadurch den Aktionären gegenüber der Eindruck erweckt wird, die vorgeschlagenen nochmaligen Bestätigungsbeschlüsse seien notwendig, weil das Landgericht Stuttgart noch nicht über die vorliegende Beschlussmängelklage entschieden habe, kann dahingestellt bleiben.Randnummer58

Die geplanten Bestätigungsbeschlüsse (TOP 8 der Hauptversammlung am 03. August 2022) werden jedenfalls die bestehende „Kaskade“ von Bestätigungsbeschlüssen noch um eine weitere Ebene erhöhen.

b.

Hinzu kommen folgende Umstände:

aa.

Der Aussetzungsantrag ist unter Verstoß gegen § 282 Abs. 2 ZPO sowie gegen § 132 Abs. 1 ZPO gestellt worden.Randnummer61

Nach § 282 Abs. 2 ZPO sind Anträge, auf die der Gegner voraussichtlich ohne vorherige Erkundigungen keine Erklärung abgeben kann, vor der mündlichen Verhandlung so rechtzeitig mitzuteilen, dass der Gegner die erforderliche Erkundigung noch einzuziehen vermag. Der Fortsetzungstermin am 19. Juli 2022, in dem im vorliegenden Rechtsstreit eine Beweisaufnahme durch Zeugenvernehmung vorgesehen war, ist bereits in der ersten mündlichen Verhandlung am 05. April 2022 angeordnet worden (Bl. 191 d.A.). Die Beklagte hat den Aussetzungsantrag erst im Schriftsatz vom 13. Juli 2022 schriftsätzlich gestellt und begründet (Bl. 248 d.A.), also erst wenige Tage vor dem Fortsetzungstermin. Der Schriftsatz enthält zahlreiche Rechtsprechungs- und Literaturzitate zur Begründung der von der Beklagten vertretenen Rechtsauffassung, dass bereits die Aussicht auf einen künftigen Bestätigungsbeschluss einer weiteren Hauptversammlung eine Verpflichtung des Gerichts begründe, das laufende – und entscheidungsreife – Verfahren auszusetzen. Allein aufgrund der zwingenden Auseinandersetzung mit diesen Zitaten (dazu noch unten) war weder eine sofortige Einlassung des Gegners noch eine umgehende Verbescheidung durch die Kammer zu erwarten.Randnummer62

Die tatsächliche Begründung des Aussetzungsantrags, es sei eine ordentliche Hauptversammlung für den 03. August 2022 einberufen worden, die Bestätigungsbeschlüsse fassen werde, ist zudem neuer Vortrag, der unter Missachtung der Wochenfrist des § 132 Abs. 1 ZPO für die Einreichung vorbereitender Schriftsätze mit neuem Vorbringen gehalten wurde.Randnummer63

Aus den Ausführungen der Beklagten selbst im Schriftsatz vom 13. Juli 2022 ergibt sich, dass der Vorstand die ordentliche Hauptversammlung bereits am 21. Juni 2022 einberufen und im Bundesanzeiger bekannt gemacht hat (Bl. 249 d.A.; Anl. B 16). Die Tagesordnung wird schon vor dem 21. Juni 2022 konzipiert worden sein. Es fehlt jegliche Erklärung, weshalb das Vorhaben der erneuten Bestätigungsbeschlüsse erst wenige Tage vor dem Fortsetzungstermin vorgetragen und als Begründung für einen Aussetzungsantrag herangezogen wurde. Es fehlt auch jegliche nachvollziehbare Erklärung, warum der anwaltliche Bevollmächtigte der Beklagten Rechtsanwalt Dr. L. die Information über die angeblich bevorstehenden Bestätigungsbeschlüsse und die Terminierung der Hauptversammlung bei dem Telefonanruf beim Kammervorsitzenden am 28. Juni 2022 verschwieg, obwohl der Beklagten sowohl der Hauptversammlungstermin als auch das Vorhaben des Bestätigungsbeschlusses seinerzeit längst bekannt war. Es fehlt auch jegliche Erklärung, weshalb am 28. Juni 2022 verschwiegen wurde, man sei der Auffassung, dass bereits im Vorgriff auf einen noch nicht gefassten Bestätigungsbeschluss auszusetzen sei. Gegenstand des ersten Telefonatanrufs beim Kammervorsitzenden (vgl. Bl. 244 d.A.) war vielmehr die Information gewesen, es seien neue – im Übrigen auch erst mit dem Schriftsatz vom 13. Juli 2022 vorgelegte (!) – Stimmrechtsmitteilungen eingegangen und man tue sich nun schwer, die Unternehmereigenschaft des Herrn E. noch substantiiert zu Bestreiten. Vor diesem Hintergrund hatte der Kammervorsitzende auch angeregt, ein Anerkenntnis in Erwägung zu ziehen, und war aufgrund der Reaktion des Gesprächspartners davon ausgegangen, dass ggf. nach interner Beratung der Gremien zeitnah ein entsprechender Schriftsatz eingereicht werde. Das geschah dann allerdings nicht, auch nicht im zweiten Termin am 19. Juli 2022 nach erneuter Anregung (Bl. 264 ff. d.A.).Randnummer64

Erstmals am 06. Juli 2022 war der Kammervorsitzende dann in einem weiteren Telefonat überraschend darüber informiert worden, dass für die Hauptversammlung, die im August stattfinden werde (ein Datum war nicht genannt worden), Bestätigungsbeschlüsse geplant seien. Erstmals in diesem zweiten Telefonat war auch das Ansinnen der Verfahrensaussetzung mündlich an den Kammervorsitzenden herangetragen worden, freilich ohne dass diesem Anruf der zu erwartende zeitnahe schriftsätzliche Antrag mit Begründung gefolgt wäre. Die mündliche Information bei dem zweiten Telefonat war verbunden mit der nicht prozessordnungsgemäßen Mitteilung per E-Mail, man habe versucht, mit dem Klägervertreter in Kontakt zu treten (Bl. 240 d.A.), der daraufhin vom Kammervorsitzenden (nicht etwa von den Beklagtenvertretern) über die Existenz erwähnter neuer Stimmrechtsmitteilungen und das – zum damaligen Zeitpunkt noch immer nicht schriftsätzlich begründete – Ansinnen der Verfahrensaussetzung informiert worden war (Bl. 244 d.A.).Randnummer65

Dass die Beklagte der Rechtsauffassung war, dass das vorliegende Verfahren schon vor der geplanten Hauptversammlung am 03. August 2022 im Hinblick auf einen noch nicht gefassten Bestätigungsbeschluss auszusetzen war, erfuhr das Gericht erst aus dem Schriftsatz vom 13. Juli 2022.

bb.

Man hätte das Verfahren einvernehmlich, d.h. mit Zustimmung des Klägers, gem. § 251 ZPO zum Ruhen bringen können. Aus Sicht der Kammer nachvollziehbar ist allerdings die Verärgerung des Klägervertreters, dem der Beklagtenvertreter am 06. Juli 2022 die Information über das Vorliegen weiterer Stimmrechtsmitteilungen vorenthalten hatte, und der davon lediglich durch die E-Mail des Kammervorsitzenden (Bl. 244 d.A.) erfuhr.

cc.

Die Kammer hält fest: Zwischen der sicheren internen Kenntnis der Beklagten über den Termin der nächsten Hauptversammlung am 03. August 2022 sowie über den Inhalt der TagesordnungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Inhalt der Tagesordnung
Tagesordnung
(einschließlich der geplanten Bestätigungsbeschlüsse) einerseits und der schriftsätzlichen Offenlegung verbunden mit dem Antrag auf Verfahrensaussetzung liegen mehr als drei Wochen. Auch dieser zeitliche Ablauf spricht für eine rechtsmissbräuchliche Stellung des Antrags auf Verfahrensaussetzung in Verschleppungsabsicht.

2.

Die Voraussetzungen für eine Verfahrensaussetzung liegen offensichtlich nicht vor.

a.

Der von der Beklagten bemühte § 244 AktG verhält sich nicht zur Frage der Aussetzung eines Verfahrens über eine Anfechtungsklage im Falle eines späteren Bestätigungsbeschlusses. § 244 Satz 1 AktG regelt, dass die Anfechtung nicht mehr geltend gemacht werden kann, wenn die Hauptversammlung den anfechtbaren Beschluss durch einen neuen Beschluss bestätigt hat und dieser Beschluss innerhalb der Anfechtungsfrist nicht angefochten oder die Anfechtung rechtskräftig zurückgewiesen worden ist. § 244 Satz 2 AktG regelt, dass der Kläger, der den Erstbeschluss angefochten hat, nach einem Bestätigungsbeschluss die Anfechtbarkeit weiterhin mit dem Ziel geltend machen kann, den anfechtbaren Beschluss für diese Zeit für nichtig zu erklären, sofern er ein entsprechendes rechtliches Interesse daran hat.Randnummer70

Die Norm ermöglicht es, einen – möglicherweise – anfechtbaren Hauptversammlungsbeschluss durch einen inhaltlich identischen, in einer Folgeversammlung gefassten Bestätigungsbeschluss materiell-rechtlich zu heilen. Sobald der Bestätigungsbeschluss bestandskräftig (also unanfechtbar) wird, entfällt die tatsächliche oder behauptete Anfechtbarkeit des Erstbeschlusses. Drescher formuliert die prozessuale Wirkung des wirksamen, unanfechtbar gewordenen Bestätigungsbeschlusses wie folgt: „Eine diesbezüglich bereits laufende Anfechtungsklage wird unbegründet und einer etwa mit ihr verbundenen positiven Beschlussfeststellungsklage der Boden entzogen. Sie muss ggf. zur Vermeidung von Kostennachteilen vom Kläger für erledigt erklärt werden“ (BeckOGK/Drescher, 1.2.2022, AktG § 244 Rn. 5). Dass ein wirksamer Bestätigungsbeschluss nicht nur die Anfechtbarkeit des Erstbeschlusses beseitige, sondern auch einer im Erstprozess mit der Anfechtung des Erstbeschlusses verbundenen, noch rechtshängigen positiven Beschlussfeststellungsklage den Boden entziehe, entspricht auch der Rechtsprechung des BGH (BGH, Urteil vom 12. Dezember 2005 – II ZR 253/03 –, juris, 3. Leitsatz).Randnummer71

Die in § 244 Satz 1 AktG geregelte Bestätigungswirkung tritt, wie bereits ausgeführt, nicht bereits mit Beschlussfassung der Hauptversammlung ein, sondern erst mit Ablauf der Monatsfrist des § 246 Abs. 1 AktG, wenn keine Klage erhoben wird (Koch, Aktiengesetz, AktG 16. Aufl. 2022, § 244 Rn. 3, beck-online), sonst erst mit rechtskräftiger Klageabweisung oder Rücknahme der gegen den Bestätigungsbeschluss erhobenen Anfechtungsklage (Grigoleit/Ehmann, 2. Aufl. 2020, AktG § 244 Rn. 3). Das Erfordernis der Bestandskraft des Bestätigungsbeschlusses ergibt sich unmittelbar aus dem Wortlaut des § 244 Satz 1 AktG.Randnummer72

Im Übrigen setzt die Heilung eines nicht nichtigen, sondern lediglich anfechtbaren Hauptversammlungsbeschlusses voraus, „dass der Bestätigungsbeschluss die behaupteten oder tatsächlich bestehenden Mängel beseitigt und seinerseits nicht an Fehlern leidet. Inhaltlich erklärt er, dass die Gesellschaft das seinerzeit Beschlossene als gültige Regelung anerkennt.“ (Goette, DStR 2005, 603, 606). Als heilbare Verfahrensfehler hat der BGH u.a. angesehen, „wenn das Abstimmungsergebnis hinsichtlich des Erstbeschlusses – infolge von Zählfehlern, Mitzählung von unter Verletzung eines Stimmverbots abgegebenen Stimmen oder ähnlichen Irrtümern – fehlerhaft festgestellt worden ist“ (BGH, Urteil vom 12. Dezember 2005 – II ZR 253/03 –, juris, Leitsatz 2).Randnummer73

Hat die Anfechtungsklage gegen den Erstbeschluss Erfolg, wird ihr also rechtskräftig stattgegeben, dann steht die Nichtigkeit des Erstbeschlusses fest. „Der Bestätigungsbeschluss geht dann ins Leere und kann keine Heilung mehr bewirken. Der gegen ihn gerichteten Klage ist daher mit der Folge der Kostenauflegung zu Lasten der beklagten Gesellschaft stattzugeben, denn ihr Versuch, die Mängel des Erstbeschlusses zu heilen, ist gescheitert. Dies ist unabhängig davon, ob der Bestätigungsbeschluss als solcher anfechtbar war oder ob er, wäre nicht zuerst über den Erstbeschluss entschieden worden, geeignet gewesen wäre, die Beschlussbestätigung herbeizuführen.“ (BeckOGK/Drescher, 1.2.2022, AktG § 244 Rn. 52).Randnummer74

Wenn die Anfechtungsklage gegen den Erstbeschluss rechtskräftig abgewiesen wird, ist dem Bestätigungsbeschluss ebenfalls der Boden entzogen, weil es seiner heilenden Wirkung dann nicht mehr bedarf. Wird bei rechtskräftiger Zurückweisung der gegen den Erstbeschluss gerichteten Anfechtungsklage der Bestätigungsbeschluss (zusätzlich) angefochten, dann bleibt auch diese Klage im Ergebnis ohne Erfolg, weil das Ziel, das der Anfechtungskläger mit der Klage gegen den Bestätigungsbeschluss verfolgt, nämlich das Wirksamwerden bzw. die Heilung des Erstbeschlusses noch zu verhindern, schon daran scheitert, dass nun endgültig feststeht, dass der Erstbeschluss wirksam ist und war (vgl. BeckOGK/Drescher, 1.2.2022, AktG § 244 Rn. 53).Randnummer75

Ein prozessuales Gebot, das Verfahren über die gegen den Erstbeschluss gerichtete Anfechtungsklage auszusetzen, sobald die Hauptversammlung einen Bestätigungsbeschluss fasst, selbst wenn dieser noch nicht bestandskräftig ist, lässt sich weder dem Normwortlaut noch dem Sinn und Zweck des § 244 Satz 1 AktG entnehmen.Randnummer76

Erst Recht ergibt sich aus § 244 Satz 1 AktG kein prozessuales Gebot, das Verfahren über die gegen den Erstbeschluss gerichtete Anfechtungsklage bereits im Vorgriff auf einen noch nicht einmal gefassten Hauptversammlungsbeschluss auszusetzen. So liegt es hier: Nach Darstellung der Beklagten sei zu erwarten, dass die nächste Hauptversammlung am 03. August 2022 die im vorliegenden Rechtsstreit angefochtenen Beschlüsse bestätige. Angesichts des weiterhin schwelenden Konflikts zwischen dem Kläger und der C. über die Aktionärsstellung ist fraglich, ob ein etwaiger, am 03. August 2022 zur Abstimmung gestellter Bestätigungsbeschluss eine Mehrheit finden und wirksam werden wird. Der Kläger, der der Auffassung ist, nach wie vor Mehrheitsaktionär zu sein und die Stimmrechtsmehrheit zu haben, ist mit den von ihm angefochtenen Beschlüssen nicht einverstanden, und es ist umstritten, ob der C. die von ihr geltend gemachten Stimmrechte zustehen. Selbst wenn ein solcher Bestätigungsbeschluss gefasst werden sollte, steht derzeit nicht fest, ob und wann er bestandskräftig werden wird. Wenn beispielsweise der Kläger den vorgesehenen Bestätigungsbeschluss anficht (Konstellation der „Doppelanfechtung“, vgl. Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, AktG 5. Aufl. § 244 Rn. 12), werden die Voraussetzungen des § 244 Satz 1 AktG (Bestandskraft des Bestätigungsbeschlusses) auf absehbare Zeit nicht eintreten. Im Übrigen steht fest, dass die Voraussetzungen des § 244 Satz 1 AktG zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung (am 19. Juli 2022) nicht vorlagen.

b.

Nach § 148 Abs. 1 ZPO, der zweiten von der Beklagten angeführten Rechtsgrundlage zur begehrten Verfahrensaussetzung, kann das Gericht, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits oder bis zur Entscheidung der Verwaltungsbehörde auszusetzen sei.Randnummer78

Die Voraussetzungen dieser von der Beklagten angeführten Norm liegen nicht vor. Denn es ist (noch) kein Rechtsstreit über die Wirksamkeit des Bestätigungsbeschlusses anhängig, der nach den Vorstellungen der Beklagten von der Hauptversammlung am 03. August 2022 erst gefasst werden soll. Es ist auch kein Zusammenhang zu einem Verwaltungsverfahren erkennbar, das bei einer Behörde anhängig wäre.Randnummer79

Erstens ist in Rechtsprechung und Literatur einhellige Auffassung zu § 148 ZPO, dass das in der Norm angesprochene „vorgreifliche Rechtsverhältnis“ Gegenstand eines vor einem anderen Gericht bereits anhängigen, nicht notwendigerweise rechtshängigen Rechtsstreits sein muss, damit die Norm unmittelbar anwendbar ist (OLG Karlsruhe, Urteil vom 09. Dezember 1993 – 11 U 50/91, NJW 1995, 1296, 1297, Juris Rn. 14; BeckOK ZPO/Wendtlandt 44. Ed. 1.3.2022, § 148 Rn. 9; Musielak/Voit/Stadler, 19. Aufl. 2022, ZPO § 148 Rn. 6; MüKoZPO/Fritsche, 6. Aufl. 2020, ZPO § 148 Rn. 4). Schon daran fehlt es hier. Eine Verfahrensaussetzung ist unzulässig, wenn sie zu dem Zweck erfolgt, die Klärung eines präjudiziellen Rechtsverhältnisses durch die Beteiligten in einem erst anhängig zu machenden Verfahren herbeizuführen (OLG Stuttgart, Beschluss vom 11. August 2020 – 20 W 9/20 zu § 21 FamFG, soweit er die Aussetzung wegen eines anderen Verfahrens ermöglicht; die Norm geht sogar weiter als § 148 ZPO, indem sie anders als die ZPO auch eine Aussetzung aus wichtigem Grund ermöglicht). Wollen die Parteien ein weiteres Verfahren einleiten und das bereits anhängige einvernehmlich vorerst nicht fortsetzen, haben sie die Möglichkeit, übereinstimmend einen Antrag auf Ruhen des Verfahrens gem. § 251 ZPO zu stellen, und zwar unabhängig von der Einleitung eines etwaigen weiteren Gerichtsverfahrens; dies führt dann zur obligatorischen Anordnung des Ruhens des Verfahrens. Ein solcher übereinstimmender Antrag auf Ruhen des Verfahrens liegt aber nicht vor. Der Kläger ist dem Ansinnen der Beklagten vielmehr entgegengetreten.Randnummer80

Zweitens liegt eine Entscheidung über die Aussetzung nach dem Wortlaut und Sinn und Zweck des § 148 ZPO grundsätzlich im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts, sofern ein vorgreifliches Verfahren anhängig ist (MüKoZPO/Fritsche, 6. Aufl. 2020, ZPO § 148 Rn. 14; Musielak/Voit/Stadler, 19. Aufl. 2022, ZPO § 148 Rn. 8). Dieses Ermessen kann sich lediglich im Einzelfall auf eine Verpflichtung zur Aussetzung reduzieren. Das wird angenommen, wenn eine Sachentscheidung schlicht nicht möglich ist, weil deren Voraussetzungen im vorliegenden Verfahren nicht geklärt werden können (BGH, Urteil vom 19. Februar 1986 – VIII ZR 91/85 –, BGHZ 97, 135-146, Rn. 29: Aussetzung aus prozessualen Gründen in Leasingfällen; allgemein: BeckOK ZPO a.a.O. § 148 Rn. 13 m.w.N.). Auch an einer solchen Unmöglichkeit der Sachentscheidung fehlt es hier. Eine Entscheidung über die Wirksamkeit der angefochtenen Hauptversammlungsbeschlüsse vom 31. August 2021 ist durchaus möglich und wird nicht erst durch die seitens der Beklagten erwarteten Bestätigungsbeschlüsse ermöglicht. Es mag sein, dass es bei fehlendem Eintritt von Rechtsfrieden durch die vorliegende Entscheidung, d.h. bei Einlegung von Rechtsmitteln, nach § 244 AktG möglicherweise nicht ohne Auswirkungen auf das weitere Verfahren bleibt, falls die Hauptversammlung am 03. August 2022 tatsächlich einen Bestätigungsbeschluss fassen sollte und falls dieser Bestätigungsbeschluss zu einem späteren Zeitpunkt bestandskräftig werden sollte, bevor das vorliegende Verfahren rechtskräftig abgeschlossen wird. Dieser Umstand führt jedoch nicht zur Unmöglichkeit einer gerichtlichen Entscheidung zum jetzigen Zeitpunkt.Randnummer81

Drittens: Selbst wenn ein vorgreifliches anderes Verfahren bereits anhängig wäre, so dass § 148 Abs. 1 ZPO eine im Ermessen des Gerichts stehende Aussetzung des vorliegenden Verfahrens zulassen würde (an dieser Voraussetzung fehlt es derzeit, wie dargelegt), wären bei der dann zu treffenden Ermessensausübung für und gegen die Aussetzung sprechende Gesichtspunkte gegeneinander abzuwägen. Zu diesen in die Abwägung einzubeziehenden Gesichtspunkte gehören der Zweck der Verfahrensaussetzung, die prozessökonomie, die Interessen der Parteien, die Erfolgsaussichten des anderen Verfahrens und die mit der Aussetzung eintretende Verfahrensverzögerung sowie die Gefahr der Prozessverschleppung (Musielak/Voit/Stadler, 19. Aufl. 2022, ZPO § 148 Rn. 8; BeckOK ZPO/Wendtland, a.a.O. § 148 Rn. 13).

c.

Aktienrechtliche Besonderheiten zwingen im vorliegenden Fall nicht zur Verfahrensaussetzung.

aa.

Der Beklagten ist allerdings einzuräumen, dass der BGH im Jahr 2010 in zwei Fällen ein Verfahren über eine aktienrechtliche Anfechtungsklage bis zum Abschluss eines jeweils anderen Verfahrens, das die Anfechtung eines später gefassten Bestätigungsbeschlusses zum Gegenstand hatte, ausgesetzt hat. In den Entscheidungen von 2010 hat der BGH die in der dortigen Konstellation getroffene Aussetzungsentscheidung jeweils damit begründet, dass andernfalls eine etwaige heilende Wirkung der später gefassten Bestätigungsbeschlüsse der Hauptversammlung der Beklagten nicht mehr berücksichtigt werden könne (BGH, Beschluss vom 11. August 2010 – II ZR 24/10 –, Rn. 1, juris; BGH, Beschluss vom 01. Februar 2010 – II ZR 262/08 –, Rn. 1, juris). Im ersten in juris veröffentlichten Orientierungssatz zu der Entscheidung vom 11. August 2010 wird ausgeführt, dass auszusetzen sei, die Aussetzung also vermeintlich obligatorisch sein soll (abweichend von § 148 Abs. 1 ZPO, der eine Ermessensentscheidung vorsieht). Das wird jedoch in den Entscheidungsgründen (abgesehen vom Hinweis auf die Rechtswirkungen des § 244 AktG) nicht erläutert und ist nicht Bestandteil der Entscheidung. Insbesondere findet sich kein Hinweis auf Art. 103 Abs. 1 GG zur Begründung. Weder in der Entscheidungsformel noch in den Entscheidungsgründen kommt zum Ausdruck, dass ein Zwang zur Verfahrensaussetzung bestehe. Die Aussetzung entsprach in den beiden Fällen offenkundig der Verfahrensökonomie. Das muss aber nicht immer so sein.Randnummer84

In einer weiteren Entscheidung von 2005, die einen Bestätigungsbeschluss betraf, findet sich der Hinweis darauf, dass der BGH bereits 2003 auf die Nichtzulassungsbeschwerde den Rechtsstreit um den Erstbeschluss nach § 148 ZPO ausgesetzt habe (vgl. BGH, Urteil vom 12. Dezember 2005 – II ZR 253/03 –, Rn. 4, juris). Auch das ist jedoch nur ein Hinweis darauf, dass in solchen Konstellationen eine Verfahrensaussetzung vom BGH bereits praktiziert wurde.Randnummer85

Die von der Kammer im vorliegenden Verfahren zu beurteilende Konstellation unterscheidet sich von derjenigen in den BGH-Entscheidungen von 2005 und 2010 in mehrfacher Hinsicht: Zum Zeitpunkt der Entscheidungsreife existiert im vorliegenden Verfahren weder ein Bestätigungsbeschluss noch steht dessen Bestandskraft fest, noch ist ein anderes Gerichtsverfahren anhängig. Klar ist nur, dass in keinem Fall die Anfechtbarkeit des Bestätigungsbeschlusses inzident im prozess gegen den Erstbeschluss geprüft werden darf (Schwab in: Schmidt, K./Lutter, AktG, 4. Aufl. 2020, § 244 AktG, Rn. 17). Das geschieht mit der vorliegenden Entscheidung jedoch auch nicht.Randnummer86

Die Beklagte bezieht sich auch auf eine weitere Entscheidung aus dem Jahr 2021 zum GmbH-Recht und zur dortigen analogen Anwendung des § 244 AktG auf Bestätigungsbeschlüsse. Darin deutet der BGH die in Bezug genommene, zitierte Entscheidungen von 2010 wie folgt: „Steht die Anfechtung der Bestätigung gleichzeitig mit der Anfechtung des Ausgangsbeschlusses zur Entscheidung, ist regelmäßig vorrangig über die Anfechtung der Bestätigung zu entscheiden“ (BGH, Urteil vom 26. Januar 2021 – II ZR 391/18 –, Rn. 56, juris). Von einem Zwang zur Aussetzung des Verfahrens gegen den Erstbeschluss ist hier nicht die Rede.Randnummer87

In tatsächlicher Hinsicht ist festzuhalten: Im vorliegenden Verfahren geht es nicht um eine gleichzeitig anstehende gerichtliche Entscheidung über einen Bestätigungsbeschluss (nämlich denjenigen, der am 03. August 2022 womöglich gefasst wird) und über die Anfechtung des Ausgangsbeschlusses (die hier verfahrensgegenständlichen Beschlüsse der Hauptversammlung von 2021). Die zitierte BGH-Entscheidung von 2021 ist somit derzeit ebenfalls nicht einschlägig.

bb.

Die schriftsätzliche Behauptung der Beklagten, dass angeblich „nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs“ bereits die Aussicht auf einen geplanten, noch nicht gefassten künftigen Bestätigungsbeschluss im Aktienrecht zur Aussetzung des Anfechtungsprozesses um den Ausgangsbeschluss zwinge (Bl. 248 d.A.), ist nach alledem nicht belegt.

cc.

In der Literatur ist umstritten, wie nach einem Bestätigungsbeschluss der Hauptversammlung im Falle einer auch dagegen gerichteten Anfechtungsklage in Bezug auf das gegen den Erstbeschluss gerichtete Verfahren prozessual vorzugehen ist.Randnummer90

In der Tat vertreten manche Stimmen in der Literatur die Auffassung, dass – abweichend von den allgemeinen, zu § 148 ZPO entwickelten Grundsätzen (vgl. oben 2.) – das Gericht, bei dem die Anfechtungsklage gegen den Erstbeschluss anhängig ist, den Anfechtungsprozess aussetzen müsse, wenn die Gesellschaft den Bestätigungsbeschluss vortrage.Randnummer91

Goette, der als Senatsvorsitzender an der zitierten Entscheidung von 2010 mitgewirkt hat, hat die Auffassung vertreten, der Bestätigungsbeschluss und der etwa über seine Wirksamkeit geführte Rechtsstreit sei vorgreiflich gegenüber dem Ausgangsverfahren. Er hat formuliert, dass sich daraus „die Notwendigkeit einer Aussetzung des ersten Verfahrens“ ergebe (DStR 2005, 603, 606). Auch andere Autoren sprechen sich dafür aus, dass die Aussetzung des Anfechtungsprozesses gegen den Erstbeschluss auf der Grundlage von § 148 ZPO wegen der Wirkungen des § 244 AktG obligatorisch sei (etwa Schwab in: Schmidt, K./Lutter, AktG, 4. Aufl. 2020, § 244 AktG, Rn. 17).Randnummer92

Die Vorgreiflichkeit ist jedoch nur eine notwendige, keine hinreichende Bedingung für die Verfahrensaussetzung; um zu einer für das Gericht obligatorischen Aussetzung zu kommen, bedürfte es einer Begründung für die Reduktion des durch § 148 ZPO eingeräumten Ermessens auf Null.Randnummer93

Manche sehen eine solche Ermessensreduktion auf Null und wollen diese mit Art. 103 Abs. 1 GG begründen. Wenn das materielle Recht die Möglichkeit der Bestätigung vorsehe, sei das Verfahren so zu gestalten, dass die Gesellschaft mit der Bestätigung vor Gericht Gehör finden kann. Bei Nichtbeachtung des vorgetragenen Bestätigungsbeschlusses sei das rechtliche Gehör verletzt. Zur Berücksichtigung von Amts wegen sei das Gericht nicht verpflichtet (Schwab in: Schmidt, K./Lutter, AktG, 4. Aufl. 2020, § 244 AktG, Rn. 17).Randnummer94

Andere Stimmen in der Literatur sind dem vermeintlichen Gebot der Verfahrensaussetzung entgegengetreten. Heidel etwa meint, dass das Gericht, bei dem ein Verfahren über eine Anfechtungsklage gegen den Erstbeschluss anhängig ist, im Falle einer gegen einen Bestätigungsbeschluss gerichteten Anfechtungsklage verschiedene prozessuale Möglichkeiten habe. Er nennt erstens die Möglichkeit, die anhängigen Klagen gegen den Erst- und den Bestätigungsbeschluss gem. § 147 ZPO zu verbinden (aber eben nicht: auszusetzen). Er nennt zweitens die Möglichkeit, das Verfahren über den Erstbeschluss auszusetzen, bis über die Klage gegen den Bestätigungsbeschluss entschieden ist (was jedoch die Anhängigkeit einer solchen Klage voraussetzt). Drittens bestehe theoretisch sogar die „regelmäßig fernliegende“ Möglichkeit, den prozess über den Bestätigungsbeschluss auszusetzen. Diese Auffassung wendet sich explizit gegen die vermeintliche, hier auch von der Beklagten gesehene „Notwendigkeit“ einer Aussetzung des ersten Verfahrens, mit dem Hinweis, dass das Gericht selbst bei „Vorgreiflichkeit“ auch nach § 148 ZPO Ermessen ausüben müsse, ob es aussetzt. Vielfach werde pflichtgemäßes Ermessen zur Ablehnung der Aussetzung führen, weil häufig die mit § 244 AktG verfolgten Zwecke der Beschleunigung und der Rechtssicherheit dadurch nicht erfüllt werden. Gegen die Aussetzung des Erstprozesses könne z.B. auch das Erfordernis einer Zeugenvernehmung sprechen. Darüber hinaus hätten die Aktionäre ein berechtigtes Interesse, dass die Nichtigerklärung zeitnah ausgesprochen werde. Das prozessual gebotene Mittel sei regelmäßig die Prozessverbindung nach § 147 ZPO, die Unmöglichkeit der Verbindung sei Voraussetzung für die Aussetzung (Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, AktG § 244 Rn. 12).Randnummer95

Auch andere Autoren gehen – für den Fall eines bereits gefassten Bestätigungsbeschlusses, der noch nicht bestandskräftig ist – von einem Vorrang der Verfahrensverbindung nach § 147 ZPO vor der Verfahrensaussetzung aus und weisen auch auf die Möglichkeit des Anfechtungsklägers hin, seine gegen den Erstbeschluss gerichtete Klage im selben Verfahren zu gegebener Zeit auf Anträge gegen den Bestätigungsbeschluss zu erweitern, etwa wenn er der Meinung ist, dass der Bestätigungsbeschluss am selben Mangel leide (Hölters/Weber/Englisch, 4. Aufl. 2022, AktG § 244 Rn. 14). Das betrifft jedoch nur den Fall der noch fehlenden Entscheidungsreife.Randnummer96

Die Argumente von Heidel überzeugen. Soweit versucht wird, einen Zwang zur Verfahrensaussetzung mit Art. 103 Abs. 1 GG zu begründen, ist zu differenzieren: Eine Verletzung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) liegt vor, wenn das Gericht verfahrensrechtlich zu berücksichtigenden entscheidungserheblichen Sachvortrag einer Partei ignoriert. Aus § 244 Satz 1 AktG und dem oben Gesagten folgt, dass rechtzeitig gehaltener Vortrag zur Existenz eines bestandskräftigen Bestätigungsbeschlusses im Verfahren über die Anfechtung des Erstbeschlusses entscheidungserheblich ist, weil der bestandskräftige Bestätigungsbeschluss in diesem Fall heilende Wirkung hat. Aus § 244 Satz 2 AktG ergibt sich, dass der Anfechtungskläger dann allenfalls noch die Nichtigerklärung auf Zeit bis zum Bestätigungsbeschluss erreichen kann. Daraus ergibt sich aber umgekehrt auch, dass Vortrag zum wahrscheinlichen Bevorstehen eines noch nicht gefassten Bestätigungsbeschlusses keine unmittelbare Entscheidungsrelevanz im Verfahren gegen den Erstbeschluss hat. Der bloßen Absicht zur Fassung eines Bestätigungsbeschlusses kommt nach § 244 AktG materiell-rechtlich keine Wirkung zu, erst Recht keine Heilungswirkung. Sie ist schlicht unerheblich. Eine Verletzung rechtlichen Gehörs scheidet in dieser Konstellation aus.Randnummer97

Gegen einen generellen oder gar vom potentiellen Prozessergebnis abhängigen Zwang zur Verfahrensaussetzung spricht auch, dass sich namhafte Stimmen in der Literatur gegen eine Aussetzung und für eine Entscheidung im Verfahren gegen den Erstbeschluss aussprechen, wenn das Gericht des ersten oder zweiten Rechtszugs die Anfechtungsklage ohnehin für unzulässig oder unbegründet hält. Dann soll die Klage gegen den Erstbeschluss abgewiesen werden (MüKoAktG/Schäfer, 5. Aufl. 2021, AktG § 244 Rn. 22). Wird diese Entscheidung rechtskräftig, steht damit auch die Bestandskraft des Erstbeschlusses fest. Dadurch liegt dann zugleich ein erledigendes Ereignis im Klageverfahren gegen den Bestätigungsbeschluss (MüKoAktG/Schäfer, 5. Aufl. 2021, AktG § 244 Rn. 22). Selbst diejenigen Autoren, die einen Zwang zur Verfahrensaussetzung bei gefasstem Bestätigungsbeschluss bejahen, nehmen eine Einschränkung vor: So soll die Aussetzung ausnahmsweise unterbleiben, wenn die Klage gegen den Erstbeschluss ohne Rücksicht auf die Bestätigung abweisungsreif ist (Schwab in: Schmidt, K./Lutter, AktG, 4. Aufl. 2020, § 244 AktG, Rn. 17).Randnummer98

Weshalb die Entscheidung über einen Aussetzungsantrag nach § 148 ZPO bei bereits vorliegender Entscheidungsreife vom Ergebnis der Sachentscheidung des befassten Gerichts abhängen soll, leuchtet der Kammer jedoch nicht ein. Sie geht davon aus, unter den – hier ohnehin nicht vorliegenden – Voraussetzungen des § 148 ZPO nach pflichtgemäßem Ermessen entscheiden zu dürfen.Randnummer99

Unabhängig davon kann – etwa im Falle einer Klageerweiterung, wenn etwa zum Zeitpunkt des Bestätigungsbeschlusses noch nicht über die Klage gegen den Erstbeschluss entschieden ist – durchaus im gleichen prozess und gleichzeitig über die Klage gegen den Erst- und den Bestätigungsbeschluss entschieden werden. Dabei kann bei der Prüfung des Erstbeschlusses der Bestätigungsbeschluss mitberücksichtigt werden, da ohnehin erst mit der Rechtskraft die entscheidenden Wirkungen eintreten (BeckOGK/Drescher, 1.2.2022, AktG § 244 Rn. 42). Drescher spricht sich nur bei unklarer Anfechtbarkeit des Erstbeschlusses für eine Verfahrensaussetzung zur Wahrung des rechtlichen Gehörs aus. Auch er plädiert nicht dafür, bereits mit Blick auf einen lediglich in Aussicht genommenen, noch nicht gefassten künftigen Bestätigungsbeschluss das Verfahren gegen den Erstbeschluss auszusetzen. Bei einer „ewigen Kaskade von Bestätigungsbeschlüssen“ sieht er vielmehr Anhaltspunkte dafür, dass (durch einen Aussetzungsantrag) eine Entscheidung rechtsmissbräuchlich bewusst hinausgezögert werden soll. Es sei dann wegen Rechtsmissbrauch das Ausgangsverfahren fortzusetzen (BeckOGK/Drescher, a.a.O. § 244 Rn. 45).

dd.

Nicht nachvollziehbar ist die unter Heranziehung von § 148 Abs. 1 Var. 2 ZPO aufgestellte Rechtsbehauptung der Beklagten, ein hier noch nicht gefasster Bestätigungsbeschluss sei einem „durch bestandskräftigen Verwaltungsakt festgestellten Rechtsverhältnis“ gleichgestellt (Bl. 250 d.A.). Weder stellt ein Hauptversammlungsbeschluss einen Verwaltungsakt dar, noch steht die Einberufung der HauptversammlungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Einberufung
Einberufung der Hauptversammlung
Hauptversammlung
der Einleitung eines Verwaltungsverfahrens gleich, noch stünde mit Protokollierung eines Bestätigungsbeschlusses bereits bestandskräftig die Heilungswirkung in Bezug auf die hier angefochtenen Beschlüsse fest. Die Heilungswirkung richtet sich nach § 244 Satz 1 AktG. Im Falle der – hier wahrscheinlichen – Anfechtung der für den 03. August 2022 geplanten Bestätigungsbeschlüsse wird erst nach rechtskräftigem Abschluss neuer Gerichtsverfahren feststehen, ob die noch nicht gefassten Bestätigungsbeschlüsse wirksam sind.Randnummer101

Die von der Beklagten zitierten Kommentarstellen zur vermeintlich möglichen Verfahrensaussetzung schon vor einer „erwarteten Verwaltungsentscheidung“ im Verwaltungsverfahren (Bl. 251 d.A.) sind somit nicht auf den vorliegenden Sachverhalt übertragbar.Randnummer102

Im Übrigen hat das Oberlandesgericht Stuttgart in einer Entscheidung zu einem aktienrechtlichen Statusverfahren, an dem die Beklagtenvertreter ebenfalls mitgewirkt haben und die ihnen deshalb bekannt ist, bereits die Auffassung der 31. Kammer für Handelssachen bestätigt, dass kein Raum für eine Verfahrensaussetzung ist, wenn das andere in den Blick genommene (mögliche) Gerichtsverfahren, bis zu dessen Abschluss die Aussetzung beantragt wurde, noch nicht einmal anhängig ist (OLG Stuttgart, Beschluss vom 11. August 2020 – 20 W 9/20 zu § 21 FamFG, der vergleichbar § 148 ZPO die Aussetzung wegen eines anderen, bereits anhängigen Verfahrens ermöglicht). Die Ausführungen des Senats lassen erkennen, dass allein die Möglichkeit, ein anderes Gerichtsverfahren einzuleiten, auch keine Aussetzung des Verfahrens aus sonstigem wichtigem Grund legitimiert, den § 21 FamFG im Unterschied zu § 148 ZPO neben einem vorgreiflichen, bereits anhängigen Verfahren als Aussetzungsgrund akzeptiert. Selbst wenn die Entscheidung des Rechtsstreits vom Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhänge, das nur vom Gericht eines anderen Rechtswegs festgestellt werden könne, komme eine Verfahrensaussetzung vor der Anhängigkeit des entsprechenden Verfahrens nicht in Betracht. Daran ist auch für den vorliegenden Sachverhalt festzuhalten.

ee.

Gegen die Aussetzung des Verfahrens mit Blick auf nach dem Vortrag der Beklagten geplante, aber eben noch nicht zustande gekommene Bestätigungsbeschlüsse der Hauptversammlung am 03. August 2022 spricht neben dem derzeitigen Fehlen der Voraussetzungen des § 148 ZPO hier insbesondere, dass der Konflikt zwischen der C. und dem Kläger über die Frage, wer Mehrheitsaktionär der Beklagten ist, und ob die C. über ordnungsgemäße Besitznachweise verfügt, nach wie vor weiterschwelt und im Verhältnis zwischen beiden Aktionären noch nicht abschließend geklärt ist. Ob die C. zu Recht die Stimmrechtsmehrheit ausübt, und wer tatsächlich Eigentümer der Aktien ist, ist und bleibt in dem Verhältnis streitig. Absehbar werden daher auch etwaige von der Hauptversammlung am 03. August 2022 mit den Stimmen der C. gefasste Bestätigungsbeschlüsse nicht zeitnah bestandskräftig werden; es ist vielmehr mit erneuten Anfechtungsklagen gegen die geplanten Bestätigungsbeschlüsse zu rechnen. Rechtsfrieden könnte eine Entscheidung für die Aussetzung des vorliegenden Verfahrens also derzeit nicht schaffen.Randnummer104

Die bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung gewonnenen Erkenntnisse führen zur Entscheidungsreife des vorliegenden Rechtsstreits (dazu unten III.). Es entspricht der prozessökonomie, die gewonnenen Erkenntnisse der Kammer in ihrer jetzigen Besetzung einer zeitnahen Entscheidung zuzuführen. Die zeitnahe Entscheidung wirkt einer möglichen Verfahrensverschleppung entgegen und dient der Schaffung von Rechtsklarheit über die Wirksamkeit bzw. Unwirksamkeit der angefochtenen Beschlüsse vom 31. August 2021.Randnummer105

Der Fassung von Bestätigungsbeschlüssen durch die Hauptversammlung am 03. August 2022 steht die vorliegende Entscheidung ohnehin nicht im Wege. Ob sie trotz unklarer Beteiligungsverhältnisse zum jetzigen Zeitpunkt zweckmäßig sind, hat die Kammer nicht zu beurteilen.

II.

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet, soweit der Kläger mit dem Hauptantrag die Feststellung der Nichtigkeit der streitgegenständlichen Hauptversammlungsbeschlüsse vom 31. August 2022 begehrt. Denn Nichtigkeitsgründe i.S.d. § 241 AktG sind bereits nicht schlüssig dargetan.Randnummer107

Das Aktienrecht unterscheidet zwischen Nichtigkeits- und Anfechtungsgründen (dazu und zum Folgenden BeckOGK/Drescher, 1.2.2022, AktG § 243 Rn. 4 ff.; Koch, Aktiengesetz, AktG § 241 Rn. 4 ff.; 5). Enumerativ aufgezählte, besonders gravierende Verfahrensmängel oder besonders eklatante inhaltliche Beschlussmängel führen zur Nichtigkeit von Hauptversammlungsbeschlüssen, die u.a. mit der Nichtigkeitsfeststellungsklage (§ 249 AktG) geltend gemacht werden kann. Leidet ein Beschluss an einem sonstigen Gesetzes- oder Satzungsverstoß i.S.d. § 243 Abs. 1 AktG, so ist er nur anfechtbar und wird auf fristgerecht (§ 246 Abs. 1 AktG) von anfechtungsbefugten Klägern (§ 245 AktG) erhobene Anfechtungsklage für nichtig erklärt. Die Anfechtungsklage ist eine Gestaltungsklage (BeckOGK/Vatter, 1.2.2022, AktG § 246 Rn. 4).Randnummer108

Der klägerische Haupteinwand, die fehlende Beschlussfähigkeit der Hauptversammlung, führt nicht zur geltend gemachten Nichtigkeit des Beschlusses, denn die Beschlussfeststellung durch den Versammlungsleiter trotz Beschlussunfähigkeit ist in § 241 AktG nicht als Nichtigkeitsgrund aufgezählt. Dasselbe gilt für die Einwände des Klägers gegen den Gewinnverwendungsbeschluss; unterstellt, es wäre die gesetzliche Mindestdividende auszuschütten gewesen, läge darin nach § 254 Abs. 1 AktG kein Nichtigkeits-, sondern ein Anfechtungsgrund. Auch ein Verstoß gegen ein Stimmrechtsverbot nach § 20 Abs. 7 AktG, wie er vom Kläger hilfsweise geltend gemacht wird, führt nicht zur Nichtigkeit der streitgegenständlichen Beschlüsse. Der Vortrag zu angeblich mangelnden Angaben in der Einberufung bezüglich der Möglichkeiten zur Bevollmächtigung Dritter enthält ebenfalls keinen schlüssigen Vortrag zu Nichtigkeitsgründen i.S.d. § 241 Nr. 1 AktG.

III.

Die Klage hat jedoch Erfolg, soweit der Kläger mit dem hilfsweise gestellten Antrag begehrt, dass die streitgegenständlichen Hauptversammlungsbeschlüsse vom 31. August 2022 für nichtig erklärt werden.Randnummer110

Dabei bedarf im vorliegenden Verfahren keiner Aufklärung, ob und wann die C. im Jahr 2020 das Eigentum an den ursprünglich dem Kläger gehörenden Aktien und damit zusammen mit den bereits zuvor gehaltenen eigenen Aktien die Aktienmehrheit an der Beklagten erlangt hat, oder ob es an diesem (dinglichen) Mehrheitserwerb fehlte.Randnummer111

Denn wenn die C. im Jahr 2020 die Aktienmehrheit erlangt haben sollte (was letztlich im Rechtsstreit zwischen dem Kläger und der C. nunmehr vor dem Oberlandesgericht Frankfurt geklärt werden soll), war die Hauptversammlung zwar beschlussfähig. Die C. war in diesem Fall aber infolge der Missachtung der §§ 20 Abs. 1, Abs. 4 AktG durch mittelbare Aktionäre und infolge eines daraus resultierenden konzernweiten Stimmrechtsverbots gem. § 20 Abs. 7 AktG gehindert, bei der streitgegenständlichen Hauptversammlung ihr Stimmrecht auszuüben. Die Missachtung des Stimmrechtsverbots, auf der die Beschlussfeststellung beruhte, führt in diesem Fall zur Anfechtbarkeit der Beschlüsse (dazu unten 1.).Randnummer112

Sollte die C. hingegen das Eigentum an der Aktienmehrheit im Jahr 2020 nicht erlangt haben, war die Hauptversammlung auf der Grundlage des Hinweisbeschlusses des Oberlandesgerichts Stuttgart im Verfahren 20 U 45/21 vom 06. April 2022 (Anl. K 14) nicht beschlussfähig. Dann führt die Missachtung der fehlenden Beschlussfähigkeit, auf der die Beschlussfeststellung dann beruhte, zur Anfechtbarkeit der Beschlüsse (dazu unten 2.).Randnummer113

An diesem Ergebnis, dem Erfolg des klägerischen Hilfsantrags, ändert sich auch nichts, wenn man für das Teilnahmerecht der C. an der Hauptversammlung abweichend vom bereits erwähnten Hinweisbeschluss des Oberlandesgerichts Stuttgart zum Vorprozess nicht auf die Eigentumslage an den streitbefangenen Aktien abstellt, sondern unterstellen würde, dass ungeachtet der Eigentumslage ein ordnungsgemäßer Besitznachweis der C. vorgelegen habe. Denn bei fehlendem Eigentumserwerb hätte zumindest seit 11. August 2020 ein Übereignungsanspruch bestanden, der eine Mitteilungspflicht der C. nach § 20 Abs. 2 Nr. 1 AktG ausgelöst hätte. Auch hier hätte gemäß § 20 Abs. 7 AktG ein Stimmrechtsverbot bestanden (dazu unten 3.).

1.

Hat die C. im Jahr 2020 die Aktienmehrheit erworben, unterlag sie wegen unzureichender Mitteilungen weiterer mitteilungspflichtiger Personen gem. § 20 Abs. 1, Abs. 4 AktG (i.V.m. § 16 Abs. 4 AktG) auch zum Zeitpunkt der streitgegenständlichen Hauptversammlung am 31. August 2021 noch einem Stimmrechtsverbot nach § 20 Abs. 7 AktG.

a.

Ein gem. § 20 Abs. 7 AktG zum Stimmrechtsausschluss führender Sachverhalt liegt vor, wenn ein Unternehmen vor der Hauptversammlung das Eigentum an Aktien der Gesellschaft erwirbt, jedoch entgegen § 20 Abs. 1 oder Abs. 4 AktG nicht unverzüglich die geforderte Mitteilung an die Gesellschaft macht und diese Mitteilung auch nicht bis zum Beginn der Abstimmung nachholt. Mitteilungspflichtig ist dabei der Erwerb von mehr als einem Viertel der Aktien oder der Erwerb einer Mehrheitsbeteiligung.Randnummer116

Der Zweck der Mitteilungspflicht liegt darin, Aktionäre, Gläubiger und die Öffentlichkeit über bestehende oder entstehende Konzernbildungen zu informieren und zugleich Rechtssicherheit über die Beteiligungsquoten zu schaffen (BGH, Urteil vom 5. April 2016 – II ZR 268/14 –, Rn. 17, juris).

Die Mitteilungspflicht nach § 20 Abs. 1 und Abs. 4 AktG wird grundsätzlich nur bei einem Beteiligungserwerb („Sobald … gehört …“) ausgelöst. Das erfordert einen Wechsel der Rechtsinhaberschaft, wobei die Art des Erwerbs irrelevant ist. Anknüpfungspunkt ist der Erwerb des Eigentums an den Aktien durch ein Unternehmen (BeckOGK/Petersen, 1.2.2022, AktG § 20 Rn. 38), wenn und sobald durch diesen Erwerb die genannten Beteiligungsschwellen überschritten werden.Randnummer118

Die Mitteilung muss hinreichend klar sein. Dies bedeutet, dass der Gesellschafter seiner Mitteilungspflicht nur genügt, „wenn die Gesellschaft nicht korrigierend eingreifen muss, vielmehr die Beteiligung und deren Inhaber, wie sie ihr mitgeteilt worden sind, bekannt machen kann, ohne dass in der Öffentlichkeit Zweifel entstehen, welche Art Beteiligung gemeint ist und wem sie zuzurechnen ist“ (BGH, Urteil vom 5. April 2016 – II ZR 268/14 –, Rn. 17, juris).Randnummer119

Vom Rechtsverlust erfasst wird nicht nur das mitteilungspflichtige Unternehmen; vielmehr können auch die Unternehmen, deren Aktien gem. §§ 20 Abs. 1 Satz 2, 16 Abs. 4 AktG zugerechnet werden, hieraus ihre Rechte nicht mehr ausüben. Selbst wenn ein meldepflichtiges, seinerseits abhängiges Unternehmen seiner Mitteilungspflicht nachgekommen ist, darf es seine Rechte aus den Aktien dann nicht geltend machen, wenn und solange das beherrschende Unternehmen der Mitteilungspflicht nicht nachgekommen ist. In solchen Fällen kommt es also – als Sanktion für das Fehlverhalten des beherrschenden Unternehmens – zu einem konzernweiten Rechtsverlust (BGH, Urteil vom 5. April 2016 – II ZR 268/14 –, Rn. 47, juris; MüKoAktG/Bayer, 5. Aufl. 2019, AktG § 20 Rn. 50).Randnummer120

Die Darlegungs- und Beweislast für die tatsächlichen Voraussetzungen eines Stimmrechtsverlusts liegt beim klagenden Aktionär. Eine Informationsbeschaffungspflicht der Gesellschaft besteht in diesem Zusammenhang nicht (OLG Stuttgart, Beschluss vom 21. Dezember 2012 – 20 AktG 1/12 –, Rn. 159, 162 m.w.N.). Freilich gelten daneben die allgemeinen Substantiierungsanforderungen für das prozessuale Bestreiten (dazu noch unten).

b.

Normadressat sind Unternehmen. Der in § 20 AktG verwendete Unternehmensbegriff ist rechtsformneutral (vgl. BGH, Urteil vom 13. Oktober 1977 – II ZR 123/76 –, BGHZ 69, 334-337, Rn. 11). Nach der Zurechnungsregel des § 16 Abs. 4 AktG gelten auch die Anteile, die einem abhängigen Unternehmen gehören und, wenn der Inhaber des Unternehmens ein Einzelkaufmann ist, auch die Anteile, die sonstiges Vermögen des Inhabers sind, als Anteile, die einem Unternehmen im Rechtssinne „gehören“. Die Zurechnungsregelung des § 16 Abs. 4 AktG, auf die § 20 Abs. 1 Satz 2 AktG verweist, setzt freilich die Eigenschaft des Normadressaten als Unternehmen voraus, vermag sie jedoch nicht zu begründen (BGH, Urteil vom 18. Juni 2001 – II ZR 212/99 –, BGHZ 148, 123-129, Rn. 14).Randnummer122

Auch natürliche Personen können die Unternehmenseigenschaft haben und bei direktem oder indirektem Beteiligungserwerb gemäß § 20 Abs. 1, 4 AktG, ggf. in Verbindung mit § 16 Abs. 4 AktG, gegenüber der Gesellschaft zur Mitteilung verpflichtet sein (BeckOGK/Petersen, 1.2.2022, AktG § 20 Rn. 31). Die diesbezüglich notwendige Abgrenzung zwischen einer „unternehmerisch“ beteiligten natürlichen Person und einem „Privataktionär“ oder „Privatgesellschafter“ ist nach überwiegender Auffassung anhand einer am Normzweck orientierten Auslegung der Norm vorzunehmen. Der BGH hat dazu ausgeführt: „Für die Anwendung besonderer konzernrechtlicher Rechtssätze ist ausschlaggebend, dass es für ein abhängiges Unternehmen mit Gefahren verbunden sein kann, wenn der herrschende Gesellschafter außerhalb der Gesellschaft unternehmerische Interessen verfolgt. Der Grund für solche besonderen Gefahren liegt darin, dass es für den Gesellschafter wirtschaftlich vorteilhaft sein kann, den anderweitigen Interessen zu Lasten der Belange der von ihm abhängigen Gesellschaft den Vorzug zu geben“ (BGH, Urteil vom 19. September 1994 – II ZR 237/93 –, Rn. 24, juris; kritisch zur normzweckorientierten Auslegung allerdings Emmerich/Habersack/Emmerich, 9. Aufl. 2019, AktG § 15 Rn. 8 ff.). In erster Linie soll es bei der Abgrenzung nach dem Willen des Gesetzgebers darum gehen, diejenigen Fälle auszunehmen, bei denen im Regelfall nicht der konzerntypische Interessenkonflikt („die Konzerngefahr“) besteht (Emmerich/Habersack/Emmerich, 9. Aufl. 2019, AktG § 15 Rn. 6a, 9a).Randnummer123

Zu den konzernrechtlichen Vorschriften der §§ 311 ff. AktG i.V.m. §§ 15 bis 19 AktG, also etwa zur Frage, ob die Voraussetzungen für die Einbeziehung eines Mehrheitsaktionärs in den zu erstattenden Abhängigkeitsbericht einzubeziehen ist, hat der BGH entschieden, dass es bei natürlichen Personen, die sich unmittelbar oder mittelbar an der Aktiengesellschaft beteiligen, entscheidend darauf ankomme, ob die betreffende Person auch außerhalb der Gesellschaft unternehmerisch tätig ist und so ein konzernrechtlich relevanter Interessenkonflikt entstehen kann. Neben der Beteiligung an der Aktiengesellschaft müssen „anderweitige wirtschaftliche Interessenbindungen“ bestehen, „die nach Art und Intensität die ernsthafte Sorge begründen, er (der Aktionär) könne wegen dieser Bindung seinen aus der Mitgliedschaft folgenden Einfluss auf die Aktiengesellschaft zu deren Nachteil ausüben“ (BGH, Urteil vom 18. Juni 2001 – II ZR 212/99 –, BGHZ 148, 123-129, Rn. 8). Dabei nimmt der BGH Rückgriff auf die VEBA/Gelsenberg-Entscheidung von 1977, in der er ausgeführt hatte, dass selbst „eine noch so hohe Beteiligung an einer Gesellschaft“ den Inhaber allein noch nicht zum herrschenden Unternehmen mache (BGH, Urteil vom 13. Oktober 1977 – II ZR 123/76 –, BGHZ 69, 334-337, Rn. 10). Dass ein Mehrheitsaktionär zugleich Vorstandsvorsitzender der Aktiengesellschaft ist und zudem selbst direkt an ihren Tochtergesellschaften beteiligt ist, soll nach der Rechtsprechung des BGH nicht genügen, um eine Pflicht zur Erstattung eines Abhängigkeitsberichts nach § 312 AktG zu begründen, denn etwaige Konflikte aus unterschiedlich gelagerten Interessenbindungen ließen sich in dieser Konstellation mit konzerninternen Mitteln lösen (BGH, Urteil vom 18. Juni 2001 – II ZR 212/99 –, BGHZ 148, 123-129, Rn. 13; a.A. noch OLG Karlsruhe, Urteil vom 9. Juni 1999 – 1 U 288/98 –, juris). Ausreichend für die Begründung einer Unternehmenseigenschaft einer natürlichen Person bei der Anwendung konzernrechtlicher Normen ist hingegen eine „maßgebliche“ Beteiligung an einer anderen Gesellschaft und die „Möglichkeit, sich unter Ausübung von Leitungsmacht auch in anderen Gesellschaften unternehmerisch zu betätigen“ (BGH, Urteil vom 18. Juni 2001 – II ZR 212/99 –, BGHZ 148, 123-129, Rn. 8; OLG Hamm, Urteil vom 2. November 2000 – 27 U 1/00 –, Rn. 45, juris; vgl. schon BGH, Urteil vom 16. September 1985 – II ZR 275/84 –, BGHZ 95, 330-349, Rn. 20 „Autokran“). Die in der Literatur vertretene Gegenauffassung, wonach bei weiteren Beteiligungen gerade die Unternehmereigenschaft fehle (dazu MüKoAktG/Bayer, 5. Aufl. 2019, AktG § 15 Rn. 17 m.w.N.), konnte sich nicht durchsetzen.Randnummer124

Diese zu anderen konzernrechtlichen Normen entwickelten Grundsätze sind auch bei der Prüfung heranzuziehen, ob eine natürliche Person als (mittelbarer) Aktionär einer Aktiengesellschaft mit Sitz in Deutschland gem. § 20 Abs. 1, Abs. 4 AktG (ggf. i.V.m. § 16 Abs. 4 AktG) mitteilungspflichtig ist.Randnummer125

Zu prüfen ist demnach jeweils, ob die Gefahr eines Interessenkonflikts im konzernrechtlichen Sinne besteht. Leitlinie bei der Abgrenzung soll sein, „ob die allgemeinen gesellschaftsrechtlichen Vorschriften ihrer Art nach zur Bewältigung etwa auftretender Interessenkonflikte ausreichen oder ob dafür zusätzlich die Anwendung der konzernrechtlichen Vorschriften innerhalb und außerhalb des AktG erforderlich ist“ (Emmerich/Habersack/Emmerich, 9. Aufl. 2019, § 15 AktG Rn. 11a).Randnummer126

Als „Privataktionär“ angesehen wird eine natürliche Person, die keine weiteren Beteiligungen als die an der Aktiengesellschaft hat (KG Berlin, Urteil vom 18. Mai 2010 – 14 AktG 1/10 –, Rn. 39, juris). Ob der Aktionär von außen Einfluss auf die Aktiengesellschaft nimmt, soll ebenfalls keine Rolle spielen, weil das nicht ausreiche, um eine „Konzerngefahr“ zu begründen. Bayer hat dafür den Begriff des „privilegierten Privataktionärs“ verwendet (MüKoAktG/Bayer, 5. Aufl. 2019, AktG § 15 Rn. 14), Emmerich spricht (offener) vom Bild des Privataktionärs als „Rentier“, der sich auf die Verwaltung seines Privatvermögens beschränke (Emmerich/Habersack/Emmerich, 9. Aufl. 2019, AktG § 20 Rn. 14). Eine auf eine einzige, nämlich die konzernrechtlich in Frage stehende Gesellschaft konzentrierte besondere Anteilshöhe, intensive Einflussnahme bzw. Beherrschung durch einen Gesellschafter qualifiziert diesen nicht schon als Unternehmer im konzernrechtlichen Sinne (Grigoleit/Grigoleit, 2. Aufl. 2020, AktG § 15 Rn. 29). Irrelevant ist, ob der Aktionär seine Aktienbeteiligung mithilfe eines geschäftsbetriebsartigen Apparats verwaltet. Die bloße vermögensverwaltende, gemeinnützige oder karitative Tätigkeit außerhalb der Gesellschaft reicht nicht, um die Unternehmenseigenschaft einer natürlichen Person als Aktionär zu begründen (Emmerich/Habersack/Emmerich, 9. Aufl. 2019, AktG § 15 Rn. 11b).Randnummer127

Auch einem „Privataktionär“, der neben der reinen Kapitalbeteiligung an der Aktiengesellschaft „keine andere (wesentliche) wirtschaftliche Interessenbindung“ hat, soll die Unternehmenseigenschaft fehlen mit der Folge, dass er nicht den Mitteilungspflichten nach § 20 AktG unterliegt (BeckOGK/Petersen, 1.2.2022, AktG § 20 Rn. 31; MüKoAktG/Bayer, 5. Aufl. 2019, AktG § 20 Rn. 6). Die Prüfung, ob eine „wesentliche“ anderweitige wirtschaftliche Interessenbindung vorliegt, führt jedoch zu Abgrenzungsproblemen und wirft in der Praxis Schwierigkeiten auf.Randnummer128

Für die unternehmerische Betätigung außerhalb der Aktiengesellschaft, die nach dem vorstehend Gesagten zur Bejahung der Unternehmereigenschaft einer natürlichen Person im konzernrechtlichen Sinne führt, reicht in jedem Fall aus, wenn der fragliche Gesellschafter als Einzelkaufmann oder als persönlich haftender Gesellschafter einer unternehmerisch tätigen Gesellschaft aktiv ist (Emmerich/Habersack/Emmerich, 9. Aufl. 2019, AktG § 15 Rn. 11a), weil der Aktionär in diesem Fall zusätzlich zur Kapitalbeteiligung Leitungsmacht bei einem anderen Unternehmen ausübt. Auch eine selbstständige freiberufliche Tätigkeit außerhalb der Gesellschaft kann für die Bejahung der Unternehmensqualität des betreffenden Aktionärs ausreichen (BGH, Urteil vom 19. September 1994 – II ZR 237/93 –, Rn. 24, juris; BGH, Urteil vom 27. März 1995 – II ZR 136/94 –, Rn. 12, juris; Emmerich/Habersack/Emmerich, 9. Aufl. 2019, AktG § 15 Rn. 11b). Umstritten ist hingegen, ob schon die „bloße“ maßgebliche Beteiligung an mindestens einer anderen Gesellschaft genügt, um die Unternehmenseigenschaft des fraglichen Aktionärs zu begründen (sog. „Aktionär mit multiplem Beteiligungsbesitz) (dazu Emmerich/Habersack/Emmerich, 9. Aufl. 2019, AktG § 15 Rn. 11a und 12), oder ob in solchen Fällen die Möglichkeit der Ausübung von Leitungsmacht bei dem anderen Unternehmen hinzutreten muss (dazu BGH, Urteil vom 18. Juni 2001 – II ZR 212/99 –, BGHZ 148, 123-129, Rn. 8).Randnummer129

Nicht unproblematisch ist die Behandlung von Treuhandverhältnissen im Rahmen des § 20 Abs. 1, 4 AktG. Einerseits wird in der Literatur vertreten, dass bei Treuhandverhältnissen sowohl der Treugeber als auch der Treuhänder als Unternehmer im konzernrechtlichen Sinne anzusehen sei; beide seien als wirtschaftliche Einheit anzusehen, das Weisungsrecht des Treugebers (§§ 675 Abs. 1, 665 BGB) rechtfertige generell die Zurechnung des Anteilsbesitzes des Treuhänders zum Treugeber, und solche Treugeber seien konzernrechtlich eben nicht mit einem „einfachen Privataktionär“ auf eine Stufe zu stellen (Emmerich/Habersack/Emmerich, 9. Aufl. 2019, AktG § 15 Rn. 19). Andererseits hatte der BGH 1991 ein Verfahren vorliegen, bei dem es um die Mitteilungspflicht einer BGB-Gesellschaft nach § 20 AktG ging, deren einziger Zweck die Stellung als Treuhänderin war. Das Berufungsgericht hatte ausgeführt, es sei anerkannt, dass sowohl Treugeber wie Treuhänder mitteilungspflichtig im Sinne des § 20 AktG seien. Der BGH führte jedoch aus, dass diese Beurteilung „in ihrer Allgemeinheit rechtlich nicht haltbar“ sei. Wenn sich der Gesellschaftszweck auf das bloße anteilige Halten der Aktien beschränke, also keine weiteren Beteiligungen bestünden, und wenn die Gesellschafter ihre unternehmerischen Interessen nicht über die BGB-Gesellschaft koordinieren, fehle es an der Unternehmereigenschaft der BGB-Gesellschaft als Treuhänderin (BGH, Urteil vom 22. April 1991 – II ZR 231/90, BGHZ 114, 203, Rn. 17 f.).

c.

Nach den vorstehenden Grundsätzen und aufgrund des der Kammer präsentierten Sachverhalts ist davon auszugehen, dass die D. Ltd. jedenfalls zum hier (für die Prüfung eines Stimmrechtsverbots aus § 20 Abs. 7 AktG) maßgeblichen Zeitpunkt der streitgegenständlichen Hauptversammlung am 31. August 2021 ein vom Zeugen E. abhängiges Unternehmen war (unten aa.) und dass Herr E. als Unternehmen bzw. Unternehmer im Rechtssinne gemäß § 20 Abs. 1, Abs. 4 i.V.m. § 16 Abs. 4 AktG ebenfalls mitteilungspflichtig war (unten bb.).

aa.

Zu den Beteiligungs- und Beherrschungsverhältnissen und zu den Zeitpunkten von Mitteilungen nach § 20 Abs. 1 und Abs. 4 AktG (ggf. i.V.m. § 16 Abs. 4 AktG) stellt die Kammer fest:Randnummer132

aaa.

Es liegt eine für die C. abgegebene, auf den 16. Juli 2020 datierte Mitteilung gem. § 20 Abs. 1, Abs. 4 AktG vor, wonach diese mehr als den vierten Teil der Aktien und zugleich eine Mehrheitsbeteiligung an der Beklagten erworben habe (Anl. K 11).Randnummer134

bbb.

Die Anteile an der C. (Luxemburg) gehörten damals und gehören heute noch zu 100% der „D. Ltd.“ (C. C., Barbados) (Bl. 23, 208 d.A.), die im Sommer 2020, ebenfalls unter dem Datum des 16. Juli 2020, ihre mittelbare Beteiligung an der A AG gemäß § 20 Abs. 1 und Abs. 4 AktG „kraft Zurechnung gemäß § 16 Abs. 4 AktG“ mitgeteilt hat (Anl. K 12).Randnummer136

Die C. war und ist ein im Mehrheitsbesitz der D. Ltd. stehendes Unternehmen i.S.d. § 16 Abs. 1 AktG, so dass nach § 17 Abs. 2 AktG die – hier nicht widerlegte – Abhängigkeitsvermutung greift. Die D. Ltd. ist somit herrschendes Unternehmen, die C. abhängiges Unternehmen gem. § 17 Abs. 1 AktG. Hat die C. einen nach § 20 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 AktG meldepflichtigen Erwerb von Aktien an der Beklagten getätigt, so gilt die von der C. erworbene Beteiligung an der Beklagten gem. § 16 Abs. 4 AktG auch als eine solche der D. Ltd. Dieser Zurechnungstatbestand löst gem. § 20 Abs. 1, Abs. 4 AktG dann auch eine Mitteilungspflicht der D. Ltd. aus. Die Mitteilung der „D. Ltd.“ vom 16. Juli 2020 ist vom Zeugen E. unterzeichnet (Anl. K 12), der einem vom Kläger zitierten Artikel des „Focus“ zufolge „Direktor“ unter anderem der „D. Ltd.“ ist (Anl. K 8).Randnummer137

Die vom Zeugen E. für die „D. Ltd.“ im Sommer 2020 abgegebene Meldung und die für die C. abgegebene Meldung führten wiederum zu der Bekanntmachung durch die Beklagte vom 25. August 2020 (Anl. K 6), die demnach ebenfalls vom Bestehen der mittelbaren Beteiligung ausgeht.Randnummer138

ccc.

Nach dem Vortrag des Klägers im Schriftsatz vom 24. Mai 2022 auf Seite 6, auf den die Beklagte nicht erwidert hat, gehört die „D. Ltd.“ zu 100% dem Zeugen E. (Bl. 208 d.A.). Auf eine unmittelbare Beteiligung des Zeugen E. an der „D. Ltd.“ deutet auch der Inhalt der jetzt, im Juni 2022 abgegebenen eigenen Stimmrechtsmitteilung des Zeugen E. hin, wonach er „über die D. Ltd.“ und die C. mittelbar eine Mehrheitsbeteiligung an der A AG halte (Anl. B 18).Randnummer140

Freilich ist hier die Frage relevant, ob die C. wegen unterlassener oder unzutreffender Mitteilungen nach § 20 Abs. 1, 4 AktG nach § 20 Abs. 7 AktG bei der hier streitgegenständlichen Hauptversammlung 2021 einem Stimmrechtsverbot unterlag; wurde dieses Stimmrechtsverbot bei der Stimmauszählung in der Hauptversammlung missachtet, liegt ein Beschlussmangel vor. Für die Frage des Bestehens eines Stimmrechtsverbots wegen unterbliebener oder unrichtiger Stimmrechtsmitteilungen nach § 20 AktG (ggf. i.V.m. § 16 Abs. 4 AktG) kommt es auf die Verhältnisse zur bzw. vor der Hauptversammlung am 31. August 2021 an, nicht auf die heutigen Beteiligungsverhältnisse.Randnummer141

Im Auszug aus dem luxemburgischen Transparenzregister zur C. vom 31. Juli 2020 (Abrufdatum, mithin vor der hier streitgegenständlichen Hauptversammlung 2021) ist der Zeuge E. als „actionnaire indirect“ eingetragen, wobei dies dem Registerauszug zufolge auf einer zuletzt am 02. September 2019 abgegebenen Erklärung beruht (Anl. K 7). In dem weiteren, jüngeren Auszug aus dem luxemburgischen Transparenzregister zur C. vom 07. Dezember 2021, der auf eine zuletzt abgegebene Erklärung vom 17. März 2021 Bezug nimmt (Anl. B 3), sind unter „wirtschaftlich Berechtigten“ („bénéficiaires effectifs“) sowohl der Zeuge E. als auch der als Zeuge benannte F. genannt. Dabei wird der Zeuge E. nunmehr mit dem Hinweis auf „parts sociales en trust“ aufgeführt, wobei „parts sociales“ Gesellschaftsanteil bedeutet und „en trust“ entweder auf einen Konzern oder einen „Trust“ hindeuten kann. Als Umfang („étendue“) der wirtschaftlichen Berechtigung sind 100% angegeben. Herr F. ist als „constituant (settlor) d’un trust“, also als „Besitzmittler“ eines „Trusts“ genannt. Die unterschiedlichen Eintragungen im luxemburgischen Transparenzregister zur C. zum Stand 31. Juli 2020 einerseits und zum Stand seit dem 17. März 2021 andererseits erklärt die Beklagte damit, der Kläger habe einen „veralteten Auszug“ vorgelegt. Aus dem jüngeren Auszug ergebe sich, dass der Zeuge E. die Anteile an der C. nur treuhänderisch halte (Bl. 100 d.A.). Aus dem Vortrag der Beklagten ergibt sich jedoch keine Erklärung dafür, was hinter der zwischen 2020 und 2021 geänderten Eintragung steckt.Randnummer142

Tatsächlich sprechen die vorgelegten Auszüge aus dem Transparenzregister zur C. dafür, dass es entweder zwischen dem 31. Juli 2020 und dem 17. März 2021 zu einer Änderung der Beteiligungsverhältnisse oder der wirtschaftlichen Berechtigung an der C. gekommen ist, oder dass die ursprüngliche Meldung an das Transparenzregister unzutreffend war und später korrigiert wurde.Randnummer143

Die Beklagte war nicht in der Lage, die Unterschiede bezüglich der Eintragungen im Transparenzregister zur C. nachvollziehbar zu erklären, obwohl ihr Vorstand schon in der ersten mündlichen Verhandlung mit Blick auf die üblichen „KYC-Prozesse“ (“know your customer“) zu ihren Erkenntnissen bezüglich der hinter der (angeblich) neuen Mehrheitsaktionärin stehenden wirtschaftlichen Berechtigten befragt worden ist (Bl. 188 d.A.).Randnummer144

Ausgehend vom klägerischen Vortrag im Schriftsatz vom 24. Mai 2022 auf Seite 6, gehörten der zu 100% vom Zeugen E. kontrollierten „D. Ltd.“ (Barbados) 100% der Anteile an der C. (Luxemburg) (Bl. 208 d.A.), wie bereits erwähnt. Auf Seite 10 des Schriftsatzes vom 24. Mai 2022 trägt der Kläger zwar vor, dass gemäß Schedule B des SEC Filings einer O. LLP (Anl. K 15) eine gewisse „P. LTD“ an einer „D1. Ltd.“ beteiligt sei (Bl. 212 d.A.). Die „D1. Ltd.“ ist freilich nicht mit der vorgenannten Alleingesellschafterin der C., der „D. Ltd.“ identisch (Bl. 264 d.A.). Die Informationen aus dem SEC Filing widersprechen somit nicht dem klägerischen Vortrag zur 100%-Beteiligung des Zeugen E. an der D. Ltd. als mittelbarer Aktionärin der Beklagten (vermittelt über die C.). Der diesbezügliche klägerische Vortrag ist gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden anzusehen.Randnummer145

Nach alledem ist die D. Ltd. als ein im Mehrheitsbesitz des Zeugen E. stehendes, von ihm konzernrechtlich abhängiges Unternehmen anzusehen.Randnummer146

ddd.

Der Kläger hat bereits in der Klageschrift vorgetragen und durch Benennung des Zeugen E. unter Beweis gestellt, dass der Zeuge E. über weitere Beteiligungen neben derjenigen an der D. Ltd. verfüge, sich dort teilweise auch unternehmerisch bzw. als Unternehmensleiter betätige und dass er seine mittelbare Beteiligung an der C. (vermittelt über die D. Ltd.) als unternehmerische Beteiligung betrachte und es sich nicht nur um eine vermögensverwaltende Tätigkeit handele (Bl. 25 d.A.). Der Vorstand der Beklagten, Herr Dr. V., hat bei der Anhörung im ersten Termin zur mündlichen Verhandlung am 05. April 2022 behauptet, der Zeuge E. sei Treuhänder verschiedener Fonds. Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten hat vorgetragen, aus Sicht der Gesellschaft sei Herr E. kein Unternehmer im Sinne des § 20 AktG (Bl. 188, 189 d.A.). Die Unternehmenseigenschaft des Zeugen E. war und ist somit streitig.Randnummer148

Die Kammer ist den unklaren mittelbaren Beteiligungsverhältnisse und der Rolle des vom Kläger benannten Zeugen E. nachgegangen, soweit dies möglich war. Im Ausgangspunkt hatte der Kläger die tatsächlichen Voraussetzungen für ein Stimmrechtsverbot nach § 20 Abs. 7 AktG darzulegen und zu beweisen. Dazu gehörten auch die Umstände, aus denen sich eine eigene Mitteilungspflicht des Zeugen E. ergaben (vgl. bereits oben und OLG Stuttgart, Beschluss vom 21. Dezember 2012 – 20 AktG 1/12 –, Rn. 158, 162, juris). Der klägerische Vortrag hierzu ist jedoch hinreichend substantiiert und zudem belegt. Im Gegensatz dazu fehlt es an substantiiertem Tatsachenvortrag der Beklagten (dazu näher im Folgenden).Randnummer149

Im Ergebnis ist davon auszugehen, dass über den Zurechnungstatbestand des § 16 Abs. 4 AktG auch der Zeuge E. als „Unternehmen“ im Rechtssinne einer eigenen Mitteilungspflicht unterlag, der er jedoch vor der Hauptversammlung am 31. August 2021 nicht nachgekommen ist.

(1)

Es ist davon auszugehen, dass der Zeuge am hier maßgeblichen Stichtag (31. August 2021) über die Beteiligung an der D. Ltd. hinaus an mehreren weiteren Gesellschaften maßgeblich beteiligt war und bei diesen Gesellschaften teils auch Leitungsmacht ausüben konnte.Randnummer151

Als bewiesen anzusehen ist der Vortrag des Klägers zu weiteren maßgeblichen Beteiligungen des Zeugen E., etwa an der P. Ltd. (zu mindestens 75%) und an der Q. Finance Ltd. (ebenfalls zu mindestens 75%) (vgl. Anl. K 15 ff.).Randnummer152

Angaben im SEC-Filing zur O. LLP von 1993 zufolge, war der Zeuge E. mit 75% oder mehr als Gesellschafter an der P. Limited beteiligt und als solcher „control person“ (Anl. K 15, Anl.band Bl. 127). Der Klägervertreter hat im Termin am 19. Juli 2022 die Aktualität dieser Angaben bestätigt. Der klägerische Vortrag zur Aktualität ist unstreitig geblieben (Bl. 263 d.A.); die sich aus dem SEC-Filing ergebenden Fakten hat die Beklagte nicht substantiiert bestritten.Randnummer153

Laut Auszug des Companies House vom 24. April 2022 war der Zeuge E. bereits seit 2006 aktiver „Director“, also Geschäftsführer der Q. FINANCE Limited (Anl. K 18 Seite 1). Im vorgelegten Auszug ist als einzige „person with significant control“ der Zeuge E. genannt, zur Rechtsnatur dieser ausgeübten Kontrolle finden sich Hinweise auf eine Beteiligung an Kapital und Stimmrechten von mindestens 75% sowie auf das Recht, Geschäftsführer der Gesellschaft zu ernennen und abzuberufen (Anl. K 18 Seite 3). Der Zeuge E. kontrolliert damit nicht nur die D. Ltd., sondern auch die Q. FINANCE Limited. Die Aktualität des diesbezüglichen klägerischen Vortrags ist in der mündlichen Verhandlung am 19. Juli 2022 vom Klägervertreter bestätigt (Bl. 263 d.A.) und von der Beklagten nicht bestritten worden.Randnummer154

In einem vom Kläger vorgelegten „Annual Return“ der R. Limited von 2016 an das Companies House sowie in einem Auszug des Companies House zur Q. FINANCE Limited vom 24. April 2022 wird als Berufsbezeichnung für den Zeugen E. „lawyer“, also Rechtsanwalt, angegeben (Anl. K 16 Seite 2; Anl. K 18 Seite 1). Das spricht für das Bestehen einer zusätzlichen freiberuflichen Tätigkeit des Zeugen E.

(2)

Bemerkenswert ist an dieser Stelle, dass die Beklagte ihren Vortrag zur angeblich am 31. August 2021 (Tag der hier streitgegenständlichen Hauptversammlung) fehlenden Unternehmenseigenschaft des Zeugen E. (der über bloßes Bestreiten mit Nichtwissen hinausgeht, vgl. Bl. 188, 189 d.A.) auch noch aufrecht erhalten hat, nachdem sie am 24. Juni 2022 eine auf § 16 Abs. 4 AktG gestützte Stimmrechtsmitteilung des Zeugen E. erhalten hatte (Anl. B 18), die sie am 28. Juni 2022 im Bundesanzeiger veröffentlicht hatte (Bl. 251 d.A.; Anl. B 17), was sie jedoch dem Gericht schriftsätzlich erst am 13. Juli 2022, wenige Tage vor dem zweiten Termin zur mündlichen Verhandlung mitteilte (Bl. 248 ff. d.A.).Randnummer156

Dass der Zeuge E. am 31. August 2021 seine mittelbare Beteiligung an der Beklagten noch nicht als Unternehmen im Sinne der §§ 16 Abs. 4, 20 Abs. 1 Satz 2 AktG gehalten haben könnte, und dass er erst in der Zwischenzeit zum Unternehmen im Sinne dieser Normen geworden sein könnte, wäre jedenfalls ohne weitere Erklärungen kaum nachvollziehbar. Der Vortrag der Beklagten lässt jeden nachvollziehbaren Erklärungsversuch zu diesem Vorgang vermissen. Der Beklagtenvertreter konnte auch im Termin zur Fortsetzung der mündlichen Verhandlung am 19. Juli 2022 auf Nachfrage keine tatsächlichen Anhaltspunkte nennen, die dafür sprechen könnten, dass der Zeuge E. erst jetzt, im Juni 2022, die Unternehmenseigenschaft im Sinne von § 20 Abs. 1, Abs. 4 AktG erworben hat, dass er aber am 31. August 2021 noch kein Unternehmen im konzernrechtlichen Sinne gewesen sein könnte. Er hat lediglich erklärt, dass Herr E. „offenbar“ zu dem Ergebnis gelangt sei, dass er Unternehmen i.S.d. § 20 AktG sei (Bl. 263 d.A.).

(3)

Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 19. Juli 2022 kam u.a. auch § 22 AktG zur Sprache (Bl. 262 d.A.). Die Beklagte, die seit Eingang der Stimmrechtsmitteilungen von 2020 der C. und der D. Ltd. nun hinreichend Zeit für eigene Recherchen hatte, nutzt offensichtlich auch nicht die Möglichkeiten des § 22 AktG, wonach eine Aktiengesellschaft nach Eingang von Stimmrechtsmitteilungen jederzeit verlangen kann, dass ihr das Bestehen der Beteiligung nachgewiesen wird. Zweck der Regelung ist es, der Gesellschaft die Möglichkeit zur Überprüfung der Ordnungsmäßigkeit dieser Mitteilung zu verschaffen; sie soll mithilfe des Anspruchs auf den Nachweis der ihr mitgeteilten Beteiligung die Richtigkeit der Mitteilung überprüfen können (BeckOGK/Petersen, 1.2.2022, AktG § 22 Rn. 2; Koch, Aktiengesetz, AktG § 22 Rn. 1). Dem Zweck entsprechend, gehört dazu nach Eingang von Stimmrechtsmitteilungen, die auf Zurechnungstatbestände (etwa § 16 Abs. 4 AktG, wie hier bei der D. Ltd.) gestützt werden, auch ein Anspruch auf Nachweise der Sachverhalte, aus denen sich die Voraussetzungen der Stimmrechtszurechnung ergeben sollen (Emmerich/Habersack/Emmerich, 9. Aufl. 2019, AktG § 22 Rn. 5).Randnummer158

Im ersten Termin zur mündlichen Verhandlung am 05. April 2022 hat die Beklagte nach dem Eindruck der Kammer Spekulationen zu einem möglichen Treuhandverhältnis zwischen dem vom Kläger benannten Zeugen E. und dem weiteren vom Kläger benannten Zeugen F. angestellt. Der Zeuge E. sei, „wenn es denn eine Treuhandabrede zwischen Herrn F. und Herrn E. gebe“, kein Unternehmer (Bl. 189 d.A.). Ob überhaupt eine Treuhandabrede zwischen Herrn F. und Herrn E. besteht, ist jedoch unklar. Der Vorstand der Beklagten, Herr Dr. V., hat erklärt, er wisse nicht, ob die Treugeberstellung des Herrn F. sein Privatvermögen betreffe (Bl. 189 d.A.). Unklar blieb, um welches Treugut es dabei gehen soll. Die Unternehmenseigenschaft des Herrn E. hat die Beklagte in diesem Termin dezidiert bestritten, ohne konkrete Tatsachen präsentieren zu können. Der Kläger hat wiederum hat bereits im Termin am 05. April 2022 auf den „spekulativen“ Charakter des Beklagtenvortrags hingewiesen (Bl. 190 d.A.).Randnummer159

Der Kläger stellte angesichts des Verteidigungsvorbringens der Beklagten im Anschluss an die erste mündliche Verhandlung weitere Recherchen an, was er bereits im ersten Termin durch Beantragung eines dann auch gewährten Schriftsatzrechtes (Bl. 189 d.A.) angekündigt hatte und auch im Schriftsatz vom 26. April 2022 erwähnte (Bl. 198 d.A.). Mit Schriftsatz vom 24. Mai 2022 (Bl. 203 ff. d.A.) unterbreitete der Kläger seine Rechercheergebnisse, u.a. unter Vorlage eines SEC Filings der O. LLP (Anl. K 15), von Auszügen aus dem Company House (Anl. K 16 und K 18) und einer Übersicht der „Offshore Leaks Database“ (Anl. K 17).Randnummer160

Die Beklagte, die Gelegenheit zur Stellungnahme zu den Rechercheergebnissen des Klägers erhielt, erklärte sich bis zum Schluss der mündlichen Verhandlungen nicht dazu. Der klägerische Vortrag im Schriftsatz vom 24. Mai 2022 blieb unstreitig (Bl. 264 d.A.). Im Termin am 19. Juli 2022 erklärte der Beklagtenvertreter, es gebe da „ein Geflecht unter Beteiligung von Herrn F. und von Fonds“; die Details kenne man aber nicht (Bl. 262 d.A.). Gleichwohl räumte die Beklagte nicht ein, dass ihr zuvor gehaltener, spekulativ anmutender Vortrag zur Frage der Unternehmenseigenschaft des Zeugen E., und der Vortrag, auf den sie die von ihr behauptete, vermeintlich fehlende Mitteilungspflicht des Zeugen E. stützen möchte, unrichtig und unvollständig war. Durch das gleichzeitige Aufrechterhalten der eigenen Mutmaßungen in tatsächlicher Hinsicht, etwa in Bezug darauf, dass die (angebliche) Treugeberstellung des Herrn F. möglicherweise sein Privatvermögen betreffe, und zur in den Raum gestellten, aber nicht vorliegenden Treuhandabrede zwischen Herrn F. und Herrn E. (vgl. Bl. 188 f. d.A.) hat die Beklagte gegen ihre prozessuale Pflicht verstoßen, sich vollständig und wahrheitsgemäß über tatsächliche Umstände zu erklären (§ 138 Abs. 1 ZPO).Randnummer161

Die erklärungsbelastete Partei hat auf die Behauptungen des Prozessgegners grundsätzlich substantiiert, d.h. mit näheren positiven Angaben zu erwidern; sie muss erläutern, von welchem Sachverhalt sie ausgeht. Substantiiertes Bestreiten heißt, eine Gegendarstellung abzugeben. Um die notwendigen Informationen hat sich die erklärungsbelastete Partei selbst zu bemühen. Dazu hat sie ihr zugängliche Informationen in ihrem Unternehmen oder von denjenigen Personen einzuholen, die unter ihrer Anleitung, Aufsicht oder Verantwortung tätig waren, und kann sich nicht mit Nichtwissen erklären (MüKoZPO/Fritsche, 6. Aufl. 2020, ZPO § 138 Rn. 22, 23).Randnummer162

Nach diesen Maßstäben hätte die Beklagte jedenfalls nach dem konkretisierten Vortrag des Klägers im Schriftsatz vom 24. Mai 2022 konkret darlegen müssen, welche tatsächlichen für die Unternehmenseigenschaft des Herrn E. relevanten Umstände sie ggf. weiterhin bestreitet und auf welche Tatsachen sie die im Termin am 05. April 2022 aufgestellte Behauptung, ihm fehle die Unternehmenseigenschaft (Bl. 189 d.A.), nun konkret stützen möchte. Sie hätte als eigenen Beitrag zur Sachverhaltsaufklärung u.a. den Nachweisanspruch gem. § 22 AktG bemühen und darüber hinaus direkte Erkundigungen beim Zeugen E. und seinen anwaltlichen Bevollmächtigten (T.) einholen können, mit dem die Beklagtenvertreter vorterminlich in Kontakt standen (Bl. 261 ff., Bl. 266 ff.). Die Beklagte hat jedoch weder die in den Raum gestellte Treuhandabrede zwischen dem Zeugen E. und dem Zeugen F. noch Nachweise über deren mögliche Geldgeber, Financiers oder sonstige hinter der mittelbaren Beteiligung steckende Fonds vorgelegt noch konkretere Informationen dazu vorgetragen. Ein bloßes Bestreiten der Unternehmenseigenschaft des Zeugen E. (Bl. 189 d.A.) mit Nichtwissen war prozessual unzulässig und irrelevant. Einen positiven Beitrag der Beklagten zur Aufarbeitung des Sachverhalts vermag die Kammer diesbezüglich nicht zu erkennen.Randnummer163

Hinzu kommt, dass die Beklagte trotz Nachfrage des Gerichts (Bl. 188 d.A.) nicht dargelegt hat, ob und welche unternehmensinternen Kenntnisse sie in Bezug auf die hinter der C. und der D. Ltd. stehenden Personen aus üblichen „KYC“-Prozessen (vgl. §§ 10 ff. GWG) hat, die etwa bei Eröffnung von Bankkonten, aber auch bei Bestandskunden von Banken in Form regelmäßiger Kundendatenaktualisierung ablaufen und die sich auch auf „wirtschaftlich Berechtigte“ der Beklagten erstrecken (§ 10 Abs. 1 Nr. 5 und Abs. 3a Nr. 1 GWG).

(4)

Nach alledem steht auch und bereits ohne Vernehmung des Zeugen E. zur Überzeugung der Kammer fest, dass dieser bereits vor und zum Zeitpunkt der hier streitgegenständlichen Hauptversammlung am 31. August 2021 nicht nur mittelbar an der Beklagten beteiligt war, sondern sich auch anderweitig unternehmerisch betätigte, maßgebliche Beteiligungen an anderen Unternehmen besaß und bei ihnen auch die Leitungsmacht ausübte. Die typische „Konzerngefahr“, aus der sich, wie oben bereits erläutert, die Mitteilungspflicht natürlicher Personen bei Anwendung des § 20 AktG rechtfertigt, bestand und besteht auch in seiner Person.

cc.

Ob und welche weiteren Personen in einem Beherrschungsverhältnis zur D. Ltd. und zur C. standen, und wie die weiteren Stimmrechtsmitteilungen vom Juni 2022 zu erklären sind, kann die Kammer an dieser Stelle offenlassen.Randnummer166

Wegen der im Vorfeld der hier streitgegenständlichen Hauptversammlung vom 31. August 2021 versäumten pflichtgemäßen Stimmrechtsmitteilung des Zeugen E. trat bezogen auf den jedenfalls durch Herrn E., die D. Ltd. und die C. gebildeten Konzern ein konzernweiter Rechtsverlust ein. Die C. unterlag damals gemäß § 20 Abs. 7 AktG einem Stimmrechtsverbot.

d.

Die Missachtung des aus dem vorstehenden Sachverhalt resultierenden Stimmrechtsverbots gem. § 20 Abs. 7 AktG bei der Auszählung der Stimmen war für die Beschlussfeststellung ursächlich.Randnummer168

Dem Stimmrechtsverbot unterlagen sämtliche von der C. ausgeübten Stimmrechte, nicht nur ihre Stimmrechte aus den vom Kläger für sich beanspruchten Aktien, bei denen die Eigentumsverhältnisse streitig sind. Rechnet man sämtliche 14.280.902 von der C. angemeldeten und ausgeübten Stimmrechte (Bl. 94 d.A.) aus dem Abstimmungsergebnis heraus, so hätte sich bei verbleibenden rund 11 Mio. abgegebenen gültigen Stimmen jeweils eine Mehrheit für „Nein“ ausgesprochen (bei TOP 2: 6.393.389 Nein-Stimmen; bei TOP 3: 6.593.395 Nein-Stimmen; bei den übrigen Beschlüssen 6.593.390 Nein-Stimmen, vgl. Bl. 35 d.A.). Schon deshalb beruhte die Beschlussfeststellung auf einem Fehler.Randnummer169

Hinzu kommt, dass es bei Berücksichtigung des Stimmrechtsverbots auch an der Beschlussfähigkeit der Hauptversammlung fehlte.Randnummer170

Ziff. 16.1 der Satzung der Beklagten verlangt für die Beschlussfähigkeit einer ersten Hauptversammlung, dass mehr als die Hälfte des Grundkapitals vertreten sind. Eine satzungsmäßig festgelegte Mindestpräsenz bzw. ein Mindestquorum als Voraussetzung der Beschlussfähigkeit ist bei der Aktiengesellschaft nicht zwingend und bei Publikumsgesellschaften unüblich, aber nach § 133 Abs. 1 AktG zulässig (Koch, Aktiengesetz, AktG 16. Aufl. 2022, § 133 Rn. 8, 15; BeckOGK/Rieckers, 1.2.2022, AktG § 133 Rn. 11; MüKoAktG/Arnold, 5. Aufl. 2022, AktG § 133 Rn. 22; Grigoleit/Herrler, 2. Aufl. 2020, AktG § 133 Rn. 20).Randnummer171

Stellt die Satzung wie hier ein Kapitalquorum auf, sind hierfür nur die stimmberechtigten Aktien zu zählen. Aktien, die einem Stimmrechtsverbot unterliegen, dürfen somit nicht mitgezählt werden, und zwar weder bei der Referenzzahl noch bei der Präsenzfeststellung (vgl. BeckOGK, AktG § 133 Rn. 11, beck-online; MüKoAktG/Arnold, 5. Aufl. 2022, AktG § 133 Rn. 23; vgl. BGH, Urteil vom 16. Dezember 1991 – II ZR 31/91 –, BGHZ 116, 353-359, Rn. 12).

e.

Hat die C. im Jahr 2020 das Eigentum an der Aktienmehrheit erlangt, so sind die hilfsweise angefochtenen Beschlüsse der Hauptversammlung vom 31. August 2021 nach alledem für nichtig zu erklären.

2.

Kein anderes Ergebnis ergibt sich, wenn die C. im Jahr 2020 nicht das Eigentum an der Aktienmehrheit erlangt haben sollte.Randnummer174

Denn in diesem Fall hätte sie auf der Grundlage der vorgelegten Bestandsnachweise nicht für 14.280.902 Aktien zur streitgegenständlichen Hauptversammlung zugelassen werden dürfen, sondern allenfalls für die 1.420.225 Aktien, die sie ohne den (zwischen ihr und dem Kläger) streitigen Übertragungsvorgang bereits hielt (vgl. Bl. 34 d.A.). Die Hauptversammlung wäre auch in diesem Fall nach Ziff. 16.1 der Satzung nicht beschlussfähig gewesen (vgl. Hinweisbeschluss des OLG Stuttgart vom 06. April 2022 – 20 U 45/21, hier vorgelegt als Anl. K 14). Denn für die Präsenz hätten dann bezüglich des von der C. angemeldeten Bestandes maximal 1.420.225 Aktien gerechnet werden dürfen, sofern man vernachlässigt, dass auch diese Aktien dann wegen § 20 Abs. 2 Nr. 1 AktG einem Stimmrechtsverbot unterlagen (dazu unten 3.). Die Präsenz hätte bei allen Beschlüssen unter 12.700.000 Aktien (aufgerundet) gelegen. Ausgehend von der höchsten, im Protokoll (Anl. B 2) vermerkten Präsenz, dokumentiert zu TOP 3, hätte sich dort günstigstenfalls eine Präsenz von 25.492.799 – 14.280.902 + 1.420.225 Aktien = 12.632.122 Aktien ergeben. Bei keinem der als gefasst gewerteten Beschlüsse wäre die satzungsmäßige Mindestpräsenz von 13.820.460 Aktien erreicht worden (vgl. Anl. B 2).

3.

Selbst wenn man für die ordnungsmäßige Anmeldung zur Hauptversammlung und dafür erforderlichen Bestandsnachweis entgegen dem Hinweisbeschluss des OLG Stuttgart zum Vorprozess nicht auf die Eigentumslage abstellen würde, sondern eine Plausibilität vorgelegter Besitznachweise Dritter ausreichen ließe, und selbst wenn man unterstellte, dass die C. bis zum 31. August 2021 zwar den Besitz, nicht aber das Eigentum an der Aktienmehrheit erlangt hätte, führte dies im vorliegenden Fall nicht zu einem anderen Ausgang des Rechtsstreits.

a.

Denn in diesem Fall wäre zu berücksichtigen, dass gem. § 20 Abs. 2 Nr. 1 AktG dem mitteilungspflichtigen Unternehmen auch Aktien zuzurechnen sind, deren Übereignung das Unternehmen verlangen kann. § 20 Abs. 2 Nr. 1 AktG regelt den Fall, dass ein entsprechender Anspruch z.B. aufgrund eines Kauf-, Tausch-, Sachdarlehens- oder Schenkungsvertrages besteht. Grundsätzlich genügt der Abschluss des Kausalgeschäfts. Die Mitteilungspflicht entsteht, sobald ein fälliger Anspruch auf Übereignung der Aktien besteht (Emmerich/Habersack/Emmerich, 9. Aufl. 2019, AktG § 20 Rn. 23). Nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift werden auch Optionsrechte und unwiderrufliche Angebote umfasst (Grigoleit/Rachlitz, 2. Aufl. 2020, AktG § 20 Rn. 17; Koch, Aktiengesetz, AktG § 20 Rn. 4), so dass beispielsweise auch die Ausübung einer Option genügt, eine Darlehensrückzahlung in Form von Aktien verlangen zu können.Randnummer177

Umstritten ist, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen aufschiebend bedingte Ansprüche die Mitteilungspflicht bereits auslösen. Teilweise wird darauf abgestellt, es komme darauf an, ob der Bedingungseintritt vom meldepflichtigen Unternehmen allein herbeigeführt werden kann (so wohl BeckOGK/Petersen, 1.2.2022, AktG § 20 Rn. 42). Andere meinen, auf etwaige aufschiebende Bedingungen sei keine Rücksicht zu nehmen; weitere Differenzierungen vorzunehmen, führe zu Rechtsunsicherheit (Windbichler in: Hirte/Mülbert/Roth, Aktiengesetz Großkommentar, 5. Aufl. 2017, § 20 Rn. 31). Die kapitalmarktrechtliche Meldepflicht nach § 33 Abs. 1 WpHG enthält mit § 33 Abs. 3 WpHG eine Klarstellung, wonach bereits „das Bestehen eines auf die Übertragung von Aktien gerichteten unbedingten und ohne zeitliche Verzögerung zu erfüllenden Anspruchs oder einer entsprechenden Verpflichtung“ die Meldepflicht auslöst (zur Normhistorie Schwark/Zimmer/v. Hein, 5. Aufl. 2020, WpHG § 33 Rn. 25 ff.). Diese gesetzgeberische Wertung sollte auch bei der Anwendung von § 20 Abs. 2 Nr. 1 AktG zum Tragen kommen. Richtigerweise wird man bei schuldrechtlichen Verpflichtungsgeschäften zur Übereignung von Aktien unter aufschiebenden Bedingungen eine Mitteilungspflicht nach § 20 Abs. 2 Nr. 1 AktG i.V.m. § 20 Abs. 1 AktG spätestens zu dem Zeitpunkt annehmen müssen, zu dem der Veräußerer den Bedingungseintritt für die Entstehung und Fälligkeit des AnspruchsBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Entstehung und Fälligkeit des Anspruchs
Fälligkeit
auf dingliche Übertragung der Aktien nicht mehr einseitig verhindern kann und zu dem sämtliche nicht in der Hand des Erwerbers liegende Voraussetzungen (etwa behördliche Genehmigungen oder Freigabeentscheidungen) vorliegen. Im Übrigen bedarf es im vorliegenden Verfahren keiner Entscheidung, ob die Mitteilung bereits zu einem noch früheren Zeitpunkt (etwa schon bei Einräumung, oder schon bei Ausübung des Optionsrechts unabhängig von weiteren zu erfüllenden Bedingungen oder Fälligkeitsvoraussetzungen) gemacht werden muss.

b.

Selbst wenn das Eigentum an dem Aktienpaket im Jahr 2020 (und bis 31. August 2021, dem Tag der hier streitgegenständlichen Hauptversammlung) noch nicht übergegangen wäre, weil es hierzu noch einer Erklärung des Klägers zur Besitzübergabe bedurft hätte, so hätte nach den allerdings nur bruchstückhaft mitgeteilten vertraglichen Regelungen und den mitgeteilten, von den Parteien insbesondere unter Verweis auf die Entscheidung des Landgerichts Frankfurt dargelegten Erklärungen des Klägers und der C. ein schuldrechtlicher Übereignungsanspruch der C. gegen den Kläger bestanden.Randnummer179

Folgt man dem Tatbestand des vom Kläger vorgelegten Urteils des LG Frankfurt vom 25. Februar 2022 (Anl. K 13), so ist zwischen der C. und dem Kläger unstreitig: Ziff. 6.1 der Darlehensverträge zwischen der C. und dem Kläger enthielt die Vereinbarung, dass der Kläger als Darlehensnehmer die Möglichkeit haben sollte, das Darlehen an die C. als Darlehensgeberin entweder in bar oder in Form der Übertragung einer bestimmten Zahl von Aktien zurückzuzahlen. Ziff. 6.3 der Darlehensverträge enthielt jeweils die Regelung, dass die C. als Darlehensgeberin eine vollständige oder teilweise Rückzahlung vor Endfälligkeit (“Right to make early repayment“) der Darlehen verlangen konnte, wobei die Rückzahlung nach Wahl der C. durch eine Geldzahlung oder durch die Übertragung von Aktien erfolgen sollte. Der Kläger hat selbst einen entsprechenden an das LG Frankfurt gerichteten Schriftsatz vorgelegt, in dem er die Vereinbarung des der C. zustehenden „Right to make early repayment“ ebenfalls dargelegt, jedoch auf Unterschiede zwischen den Darlehensverträgen I, II und III hinweist (Anl. K 3 Seite 16 ff.).Randnummer180

Der Kläger vertritt allerdings in dem an das LG Frankfurt gerichteten Schriftsatz, mit dem er auf die Klage der C. erwidert hat, die Rechtsauffassung, die C. habe das „Early Repayment Right“ nicht wirksam ausgeübt (Anl. K 3 Seite 6); die von der C. am 12. Dezember 2019 abgegebenen Erklärungen seien für die Ausübung des Rechts unzureichend, weil die Benennung des Empfängers der Aktien gefehlt habe, die dann auch bis zum Ablauf der vereinbarten Frist von 90 Bankarbeitstagen nicht nachgeholt worden sei (Anl. K 3 Seite 27 ff.).Randnummer181

Nach den Feststellungen des LG Frankfurt a.M. ist im Verhältnis zwischen dem Kläger und der C. unstreitig, dass die C. beabsichtigte, von ihrem Recht auf frühzeitige Rückzahlung der Darlehen vor Endfälligkeit am 30. Juni 2022 in Form der Übertragung der 15.000.787 an sie verpfändeten Aktien Gebrauch zu machen (Anl. K 13 Seite 5 ff.). Dieses Verlangen der Darlehensrückzahlung in Form von Aktien war Gegenstand dreier Schreiben der C. an den Kläger vom 12. Dezember 2019 (Anl. K 13 Seite 7; so auch der hiesige Kläger selbst in Anl. K 3 Seite 28) und erklärt erst die Befassung des Bundesministeriums für wirtschaft und Energie (BMWi) nach § 60 Abs. 3 AWV und den an das Ministerium gerichteten Freigabeantrag gem. § 61 Abs. 1 Satz 1 AWV. Wäre es (noch) um eine Rückzahlung in bar gegangen, wäre das kein nach der genannten Bestimmung meldepflichtiger Vorgang des Erwerbs eines inländischen Unternehmens gewesen. Das BMWi gab am 15. Juli 2020 den Erwerb von 61,149% der Aktien frei (vgl. Anl. K 13 Seite 7), darunter auch den Erwerb von 13.102.248 Aktien als Teilrückzahlung der von der C. an den Kläger gewährten Darlehen (auf den sich der Antrag auch bezog, gemäß eigener Darstellung des Klägers gegenüber dem LG Frankfurt, Anl. K 3 Seite 30 Rz. 68).Randnummer182

Dem BMWi muss spätestens zu diesem Zeitpunkt klar gewesen sein, an wen die Aktien übertragen werden sollten (nämlich: an die C.). Infolge der Übersendung des Genehmigungsbescheides an den hiesigen Kläger am 23. Juli 2020 wusste dieser, dass das BMWi den Erwerb des Aktienpakets durch die C. freigegeben hatte, dass Übertragungsempfänger also die C. selbst sein sollte und nicht etwa ein von der C. benannter Dritter (Anl. K 3 Seite 30 Tz. 70).Randnummer183

Der Kläger und sein anwaltlicher Bevollmächtigter haben bei der Anhörung am 05. April 2022 im vorliegenden Verfahren bestätigt, dass die weiteren aus dem vorgelegten Urteil ersichtlichen Sachverhaltsangaben zu den in der Folge am 23. Juli 2020, 30. Juli 2020 und 11. August 2020 abgegebenen Erklärungen im Verhältnis Kläger/C., wie sie sich aus dem von ihm selbst vorgelegten Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main ergeben, zutreffend geschildert sind und dass hierzu von den Prozessparteien keine Tatbestandsberichtigungsanträge gestellt worden sind (Bl. 186 f. d.A.). Die Beklagte des vorliegenden Verfahrens hat hierzu auch nichts Gegenteiliges vorgebracht. Der sich aus dem vom Kläger selbst vorgelegten Urteil ergebende Sachverhalt kann daher insoweit zugrunde gelegt werden.Randnummer184

Demnach forderte die C. den Kläger infolge der Genehmigungsentscheidung des BMWi vom 15. Juli 2020 mit Schreiben vom 23. Juli 2020 auf, den Eigentumsübergang bis 30. Juli 2020 zu bestätigen (Anl. K 13 Seite 8). Die C. ging also nach Ausübung ihres Verlangens davon aus, dass sie nicht nur einen schuldrechtlichen Anspruch auf Übertragung von 15.000.787 Aktien an der Beklagten habe, sondern (wohl infolge der schon im Zuge der Verpfändung erfolgten Besitzverschaffung) bereits Eigentümerin der 15.000.787 Aktien geworden zu sein. Nachdem Letzteres (die Frage der bereits erfolgten Übereignung) jedoch im Verfahren vor dem Landgericht Frankfurt streitig war, trug die C. dort vor, dass nach ihrer Auffassung jedenfalls ein Bestand von 13.102.248 Aktien am 30. Juli 2020 übertragen worden sei, und dass hinsichtlich der restlichen 1.898.539 Aktien (die sich aus 823.250 Aktien gemäß Darlehensvertrag II und 1.075.289 Aktien gemäß Darlehensvertrag III zusammensetzen, so die eigene Angabe des Klägers gegenüber dem LG Frankfurt, vgl. Anl. K 3 Seite 30 Tz. 69) zumindest ein Anspruch der C. auf Übertragung bestehe (Anl. K 13 Seite 10).Randnummer185

Sollte es allerdings bis 30. Juli 2020 oder im Jahr 2020 (oder, hier relevant, bis 31. August 2021) tatsächlich nicht zur Verschaffung des unmittelbaren oder mittelbaren Eigenbesitzes an den verpfändeten 13.102.248 Aktien an die C. gekommen sein (vgl. Hinweisbeschluss des OLG Stuttgart vom 06. April 2022 – 20 U 45/21, hier vorgelegt als Anl. K 14), so wäre bei konsequenter Fortsetzung der Argumentation zumindest von einem bestehenden schuldrechtlichen Übereignungsanspruch auf die dann noch nicht übereigneten 13.102.248 Aktien (und nach Auffassung der C. auch auf die weiteren 1.898.539 Aktien) auszugehen.Randnummer186

Der hiesige Kläger reagierte auf die Aufforderung der C. vom 23. Juli 2020, den aus ihrer Sicht bereits im Umfang von 15.000.787 Aktien erfolgten Eigentumsübergang zum 30. Juli 2020 zu bestätigen, mit E-Mail vom 30. Juli 2020 – innerhalb der von der C. gesetzten Frist – , indem er bestätigte (vgl. hierzu auch die klägerische Sachverhaltsdarstellung in Anl. K 3 Seite 33 Tz. 76 ff.):Randnummer187

„Hiermit bestätige ich, dass ich der Übertragung der 15.000.787 Inhaberaktien der A. AG abzüglich der 1.898.539 Aktien aus den Darlehensverträgen II und III zustimme. Unter Bezugnahme auf unsere heutige Diskussion zu den beiden Darlehensverträgen II und III, die Rückzahlungsoptionen in bar enthalten, verweise ich auf die zuvor von Herrn Dr. XXX versandte E-Mail. …“Randnummer188

Zieht man von den genannten insgesamt 15.000.787 Aktien die 1.898.539 Aktien aus den Darlehensverträgen II und III ab, deren Übertragung der Kläger nicht bestätigt hatte, so verbleiben exakt 13.102.248 Aktien, deren Übertragung der Kläger im ersten Satz der E-Mail bestätigt hatte.Randnummer189

Die Nachricht des hiesigen Klägers enthält allerdings weitere Vorschläge im Zusammenhang mit der 90-Tages-Frist und im Zusammenhang mit Formalien. Seiner Auffassung nach habe die 90-Tages-Frist noch nicht begonnen. Er schlage jedoch vor, für die Ausübung der Rückzahlungsoption darauf zu verzichten und festzulegen, dass sie nur für die Rückzahlungsoptionen in bar relevant sei, was den Vorteil habe, dass es keine „Überschneidung“ mit der Hauptversammlung gebe und die C. bereits die Mehrheit in der Hauptversammlung hätte (Anl. K 3 Seite 34 Tz. 77). Das bezog sich erkennbar auf die damals bevorstehende Hauptversammlung am 27. August 2020. Die Bereitschaft, von seines Erachtens nicht eingehaltenen Formalien bezüglich der Ausübung des Rechts der C. (Early Repayment) in den Erklärungen vom 12. Dezember 2019 abzusehen, unterstrich der Kläger in der E-Mail vom 30. Juli 2020 noch dadurch, dass er sinngemäß aufzeigte, dass bei einer formal erneuten Ausübung des Rechts die 90-Tages-Frist erst „um den 21. Oktober herum“ ende, die C. die Kontrolle über die Aktienmehrheit dementsprechend erst nach der Hauptversammlung vom 27. August 2020 bekäme. Die Zielrichtung, der C. die Gelegenheit zu geben, die Aktieninhaberschaft und Stimmberechtigung noch rechtzeitig vor der Hauptversammlung am 27. August 2020 zu verschaffen, räumt der Kläger selbst im von ihm vorgelegten Schriftsatz an das Landgericht Frankfurt ein (Anl. K 3 Seite 45 Tz. 114).Randnummer190

Am 11. August 2020 antwortete die C. nach den Feststellungen des Landgerichts Frankfurt im unstreitigen Tatbestand des Urteils des Landgerichts Frankfurt per E-Mail (Anlage K11) unter Angabe der Betreffzeile „RE: B. consent of transfer“ auf die vorausgehende E-Mail vom 30. Juli 2020 und führte aus, dass sie den Eigentumsübergang bestätige. Die Nachricht wird dort u.a. wie folgt zitiert (LG Frankfurt, Urteil vom 25. Februar 2022 – 2-02 O 213/21 Rn. 41 bis 51 juris; Anl. K 13):Randnummer191

„Wir bestätigen, dass wir uns beide einig sind, dass mindestens 13.102.248 Inhaberaktien der A AG effektiv auf C. übertragen wurden. …“Randnummer192

Die Kammer versteht die vorstehend genannten Erklärungen des Klägers und der C. dahingehend, dass man sich im Sommer zumindest einig war, dass die C. 13.102.248 Aktien bekommen sollte, dass es insoweit also nicht mehr um eine Darlehensrückzahlung in bar oder um die Einhaltung von Formalien ging, beispielsweise die Wahrung der 90-Tages-Frist oder die rechtzeitige Benennung des Empfängers der Aktien.Randnummer193

Ob der C. durch die oder im Zusammenhang mit der Erklärung des Klägers vom 30. Juli 2020 tatsächlich der Eigenbesitz an den 13.102.248 Aktien verschafft wurde, und ob die Erklärungen den Anforderungen an eine dingliche Einigung und insbesondere dem sachenrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz genügen, problematisiert der Kläger zwar ausführlich. Diese Fragen bedürfen aber keiner Entscheidung in diesem Verfahren, denn das beträfe nur das Erfüllungsgeschäft.Randnummer194

Spätestens durch die oben wiedergegebenen Erklärungen war nach dem Verständnis der Kammer für beide Seiten mindestens in Bezug auf 13.102.248 Aktien an der Beklagten die Rückzahlungsoption „in bar“ vom Tisch. Erledigt war damit für die C. auch die Notwendigkeit, vorsorglich die vorzeitige Rückzahlungsoption „in Aktien“ unter Benennung der C. nochmals auszuüben, um wenigstens ab 21. Oktober 2020 die Aktienmehrheit an der Beklagten beanspruchen und auszuüben zu können. Der Kläger hatte mit der E-Mail-Korrespondenz gegenüber der C. eine Verpflichtung zur Übereignung der 13.102.248 Aktien anerkannt – erklärtermaßen im Hinblick darauf, dass die damals bevorstehende Hauptversammlung vom August 2020 „für C. und die angestrebte Änderung der Unternehmensführung wichtig“ sei (vgl. Anl. K 3 Seite 34 Tz. 77).Randnummer195

Diese Deutung passt auch in den historischen Kontext: Bei der damals bevorstehenden Hauptversammlung am 27. August 2020 ging es der C. um die Rückgängigmachung der zuvor mit den Stimmen des Klägers am 19. Dezember 2019 beschlossenen Satzungsänderung zur Vergrößerung des Aufsichtsrats und der aufschiebend bedingten Wahl des Klägers in den Aufsichtsrat. Die C. hatte gegen die Beschlüsse vom 19. Dezember 2019 Anfechtungsklage erhoben (LG Stuttgart, 31 O 3/20 KfH) und wollte offensichtlich durch die auf der Tagesordnung stehenden Aufhebungsbeschlüsse rasch und schon vor einer rechtskräftigen Entscheidung Rechtsklarheit schaffen. Auf dieses Anliegen ging der Kläger ersichtlich mit den Formulierungen vom 30. Juli 2020 ein, indem er sinngemäß zum Ausdruck brachte, dass er das Ziel klarer Mehrheitsverhältnisse bei der bevorstehenden Hauptversammlung am 27. August 2020 verstehe.Randnummer196

Die Erklärung des Klägers vom 30. Juli 2020 lässt sich bei Auslegung vom Empfängerhorizont (§§ 133, 157 BGB) bezüglich der 13.102.248 Aktien nicht als Erklärung unter Vorbehalten, Bedingungen oder Einschränkungen verstehen. Lediglich für die weiteren 1.898.539 Aktien „aus den Darlehensverträgen II und III“ behielt sich der Kläger durch die E-Mail vom 30. Juli 2020 Optionen offen, einschließlich der Berufung auf formale Einwendungen wegen der seines Erachtens unzureichenden Angaben in den Erklärungen der C. vom 12. Dezember 2019 zur Ausübung des „Right of Early Repayment“ in Form von Aktien, und einschließlich des Einwandes, er könne bezüglich dieser beiden Tranchen die Rückzahlung in Aktien nach vertraglichen Vereinbarungen verweigern.Randnummer197

Durch die E-Mail vom 11. August 2020 nahm die C. das Angebot des Klägers an. Denn in der Bestätigung, dass man sich einig sei, dass mindestens 13.102.248 Inhaberaktien bereits übertragen wurden, steckt zugleich die Erklärung, dass man den bezüglich dieser „Tranche“ zuvor vom Kläger am 30. Juli 2020 angebotenen Verzicht auf aus seiner Sicht nicht gewahrte Formalien (90-Tages-Frist, Benennung des Empfängers) annehme und mit seinem Vorschlag im E-Mail vom 30. Juli 2020, zur Teilerfüllung des Darlehensrückzahlungsanspruchs zunächst jedenfalls die rund 13,1 Millionen Aktien auf die C. zu übertragen, einverstanden sei.Randnummer198

Eine ausdrückliche Annahmefrist (§ 148 BGB) hatte der Kläger der C. bei seinem Angebot vom 30. Juli 2020 nicht unterbreitet. Insbesondere hatte er es nicht bis 06. August 2020 (Record Date der Hauptversammlung 2020) befristet. Die angestrebte Schaffung von Rechtssicherheit vor der Hauptversammlung am 27. August 2020, dass der Kläger nach der Entscheidung des BMWi nunmehr jedenfalls zur Übertragung von 13.102.248 Aktien verpflichtet sei, war aus der Perspektive beider Seiten auch noch nach Ablauf des Record Date sinnvoll – unabhängig vom dinglichen Vollzug des schuldrechtlichen Geschäfts. Ohnehin vertrat die C. erklärtermaßen den Standpunkt, zu Recht bereits im Besitz der 13.102.248 Aktien zu sein, so dass sie sich zur Hauptversammlung anmelden konnte. Das Angebot des Klägers konnte daher von der C. am 11. August 2020 noch angenommen werden (§ 147 Abs. 2 BGB) (entgegen Anl. K 3 Seite 45 Tz. 113f.).Randnummer199

Der zwischen dem Kläger und der C. schwelende Konflikt um die Wirksamkeit der Rechtsausübung vom 12. Dezember 2019 durch die C. wurde dadurch am 11. August 2020 im Wege des Teilvergleichs (§ 779 BGB) bezüglich 13.102.248 Aktien einer Teileinigung zugeführt.Randnummer200

Bezüglich der restlichen 1.898.539 Aktien gab es neben formalen Gesichtspunkten weitere Streitpunkte zwischen dem Kläger und der C. Der Kläger war der Auffassung, dass er in Bezug auf die Darlehensverträge II und III ein Wahlrecht habe, die Rückzahlung in Form von Aktien zu verweigern. Aus Sicht der C. waren auch insoweit die Aktien sogar bereits übertragen. Konsequenterweise betonten beide Seiten im Rahmen der Teileinigung in ihren jeweiligen Erklärungen die eigene Sichtweise. Die Erklärungen vom 30. Juli 2020 und vom 11. August 2020 können gerade nicht dahingehend eingeordnet werden, dass auch die Übertragung der 13.102.248 Aktien unter dem Vorbehalt einer Gesamteinigung stehe, und die Erklärung der C. ist insoweit auch nicht als Ablehnung des klägerischen Angebots zur Teileinigung anzusehen. Das zeigt schon die Bestätigung, dass man sich über die „effektive“ Übertragung der 13.102.248 Aktien einig sei.Randnummer201

Zum Zeitpunkt der Teileinigung am 11. August 2020, die im Wege der Auslegung jedenfalls einen schuldrechtlichen Anspruch auf Verschaffung des Eigentums an den 13.102.248 Aktien beinhaltete, hing die spätestens dadurch begründete, nunmehr rechtssichere Verpflichtung des Klägers zur Übereignung der 13.102.248 Aktien an die C. auch nicht mehr von der Einhaltung des deutschen Außenwirtschaftsgesetzes und der AWV ab. Denn das BMWi hatte am 15. Juli 2020 die Übereignung an die C. mit Blick auf diese Vorschriften freigegeben.Randnummer202

In dem im Frankfurter Verfahren eingereichten, hier als Anl. K 3 vorgelegten Schriftsatz behauptet der Kläger u.a., er habe der C. in der E-Mail vom 30. Juli 2020 lediglich ein Angebot für Rahmenbedingungen einer Einigung unterbreitet (Anl. K 3 Rn. 111). Diese Argumentation ist jedoch nicht nachvollziehbar: Hatte die C. bereits aufgrund von Darlehens- oder Verpfändungsverträgen einen Anspruch auf Übereignung der Aktien, und waren diese Aktien wegen der Verpfändung bereits in ihrem (Fremd-)Besitz, so bedurfte es zur Begründung und Erfüllung des Übereignungsanspruchs seitens des Klägers lediglich noch der Mitwirkung an der dinglichen Einigung und an der Verschaffung des Eigenbesitzes der C., um den Eigentumsübergang zu bewerkstelligen. Eine Einigung über Konditionen oder erneute Vertragsverhandlungen waren – soweit ersichtlich – nach den im unstreitigen Tatbestand des Urteils des Landgerichts Frankfurt enthaltenen Informationen zur Bewerkstelligung des Eigentumsübergangs nicht erforderlich. Hatte die C. hingegen – etwa wegen der klägerseits behaupteten formalen Mängel der von ihr am 12. Dezember 2019 abgegebenen Erklärungen – das „Right of Early Repayment“ noch nicht wirksam ausgeübt, so konnte sie das durch eine neue Erklärung korrigieren; auch in diesem Fall hätte es zur Begründung eines Übereignungsanspruchs der C. nach (erneuter) Ausübung des Rechts auf Darlehensrückzahlung in Form von Aktien keiner weiteren Verhandlungen über Konditionen oder dergleichen bedurft. Der einzige Nachteil für die C. wäre gewesen, dass sie bei einer vorsorglich erneuten Erklärung, die vorzeitige Rückzahlungsoption „in Aktien“ auszuüben, und bei einer Fristsetzung von 90 Bankarbeitstagen zur Erfüllung für den Kläger am Stichtag der damals bevorstehenden Hauptversammlung (27. August 2020) die Aktienmehrheit noch nicht sicher gehabt hätte. Trotz seines Vortrags vor dem LG Frankfurt, er habe nur ein „Angebot für Rahmenbedingungen einer Einigung“ unterbreitet, soll dem Kläger an dieser Stelle nicht unterstellt werden, er habe mit oder im Zusammenhang mit der E-Mail vom 30. Juli 2020 versucht, unter Berufung auf formale Mängel der Rechtsausübung vom 12. Dezember 2019 im Interesse eines frühzeitigen rechtssicheren Mehrheitserwerbs Forderungen gegen die C. durchzusetzen, auf die er keinen Anspruch hatte. Ein solches Ansinnen, selbst wenn es dem Willen des Klägers entsprochen haben sollte, kommt in der E-Mail vom 30. Juli 2020 jedenfalls nicht verständlich zum Ausdruck.Randnummer203

Wie der Kläger im hier als Anl. K 3 vorgelegten Schriftsatz an das Landgericht Frankfurt zu der Auslegung kommt, die C. habe am 11. August 2020 seinen Vorschlag abgelehnt, wird weder in der Klageschrift zum vorliegenden Verfahren noch in dem als Anl. K 3 vorgelegten Schriftsatz verständlich erläutert. Die folgenden Ausführungen im Schriftsatz Anl. K 3 beziehen sich nicht auf die Frage der Annahmeerklärung, sondern auf die Bestimmtheit des Angebots (Anl. K 3, Rn. 112), die aber nur den dinglichen Aspekt der Eigentumsverschaffung betreffen kann und die das Bestehen eines schuldrechtlichen Übereignungsanspruchs nicht berührt.Randnummer204

Nach alledem bestand spätestens am 11. August 2020 aufgrund des an diesem Tage zustande gekommenen Teilvergleichs zwischen der C. und dem Kläger ein fälliger schuldrechtlicher Anspruch der C. gegen den Kläger auf Übereignung von 13.102.248 Aktien an der Beklagten.

c.

Ausgehend von einem spätestens seit 11. August 2020 jedenfalls rechtssicher bestehenden schuldrechtlichen Übertragungsanspruch der C., unterlagen nicht nur die C., sondern auch die D. Ltd. und der Zeuge E. gem. § 20 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 und Abs. 4 AktG (teils über § 16 Abs. 4 AktG) zum Zeitpunkt der hier streitgegenständlichen Hauptversammlung am 31. August 2021 einer Mitteilungspflicht, selbst wenn es bis dahin nicht zur Eigentumsübertragung an den streitigen Aktien gekommen sein sollte.Randnummer206

Dieser Mitteilungspflicht ist der Zeuge E. bis zum 31. August 2021 nicht nachgekommen, was einen konzernweiten Rechtsverlust gem. § 20 Abs. 7 AktG nach sich zog (wie bei Annahme eines bereits verwirklichten dinglichen Erwerbs, vgl. oben III. 1.).Randnummer207

Auch die C. musste unter diesen Prämissen (noch kein dinglicher Eigentumserwerb zum Zeitpunkt der tatsächlichen Mitteilung am 15. Juli 2020, aber Begründung eines schuldrechtlichen Übereignungsanspruchs am 11. August 2020) gem. § 20 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. Abs. 1 AktG am 11. August 2020 eine Stimmrechtsmitteilung machen, die sie versäumt hat. Ihre tatsächlich schon früher, am 15. Juli 2020, abgegebene Mitteilung (Anl. K 11) reicht (unter der hier untersuchten Prämisse eines noch nicht am 15. Juli 2020 erfolgten Eigentumsübergangs) nicht.Randnummer208

Zum einen hat der BGH bereits entschieden, dass eine bereits vor dem Erwerb erfolgte Mitteilung zur Erfüllung der Mitteilungspflicht grundsätzlich nicht geeignet sei (BGH, Urteil vom 5. April 2016 – II ZR 268/14 –, Rn. 23, juris).Randnummer209

Zum andern erwähnte die C. in ihrer Mitteilung vom 15. Juli 2020 nur § 20 Abs. 1 und Abs. 4 AktG verbunden mit der Angabe, ihr gehöre mehr als ein Viertel und zugleich eine Mehrheit der Aktien der Beklagten (Anl. K 11). Das war unrichtig, wenn man vom fehlenden Eigentumsübergang und lediglich von einem schuldrechtlichen Übereignungsanspruch ausgeht, der eine Mitteilungspflicht nicht nach § 20 Abs. 1 AktG, sondern nach § 20 Abs. 2 Nr. 1 AktG auslöst. Den ab 11. August 2020 zutreffenden Zurechnungstatbestand des § 20 Abs. 2 Nr. 1 AktG erwähnte die C. in ihrer Mitteilung nicht. Aus der Mitteilung ergab sich auch nicht, dass von einer Überschreitung der Meldeschwelle aufgrund von „§ 20 Abs. 1 i.V.m. § 20 Abs. 2 Nr. 1 AktG“ auszugehen war (vgl. Veil in: Schmidt, K./Lutter, AktG, 4. Aufl. 2020, § 20 AktG, Rn. 8).Randnummer210

Ob ein inhaltlicher Fehler die Feststellung rechtfertigt, eine Mitteilung sei unterlassen worden, muss am Informationszweck gemessen werden (OLG Stuttgart, Beschluss vom 21. Dezember 2012 – 20 AktG 1/12 –, Rn. 155, juris). Wie bereits erwähnt, dürfen die Mitteilungen der Meldepflichtigen und die Bekanntgabe dieser Mitteilungen durch die Gesellschaft nach § 20 Abs. 6 AktG in der Öffentlichkeit keine Zweifel darüber entstehen lassen, welche Art der Beteiligung gemeint ist. Deshalb muss auf die einschlägigen Absätze des § 20 AktG verwiesen werden (BGH, Urteil vom 5. April 2016 – II ZR 268/14 –, Rn. 18, juris; Veil in: Schmidt, K./Lutter, AktG, 4. Aufl. 2020, § 20 AktG, Rn. 8: ggf. „§ 20 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 1 AktG“; BeckOGK/Petersen, 1.2.2022, AktG § 20 Rn. 56, allerdings auch mit Hinweis auf eine anderslautende Entscheidung des OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG München
). Für den Kapitalmarkt und die übrigen Aktionäre kann, gerade mit Blick auf das Teilnahmerecht des Großaktionärs, von entscheidender Bedeutung sein, ob das mitteilungspflichtige Unternehmen die Mehrheitsbeteiligung oder das Aktienpaket, durch das die 25%-Schwelle überschritten wird, bereits dinglich erworben hat (§ 20 Abs. 1, Abs. 4 AktG) oder ob lediglich ein (noch nicht erfüllter) schuldrechtlicher Übereignungsanspruch besteht (§ 20 Abs. 2 Nr. 1 AktG), der Veräußerer also noch Eigentümer der Aktien ist. Eine Meldung durch den Erwerber bereits bei Begründung des schuldrechtlichen Anspruchs, jedoch ohne Verweis auf § 20 Abs. 2 Nr. 1 AktG, und eine zwangsläufig spätere Mitteilung des Veräußerers gem. § 20 Abs. 5 AktG erst nach Verlust des Eigentums würden in der Öffentlichkeit als auseinanderfallende Vorgänge eingeordnet, was Irritationen am Kapitalmarkt auslösen würde, wer in der Zwischenzeit als Mehrheitsaktionär anzusehen ist. Erst die Bekanntgabe einer zunächst erfolgenden Mitteilung der Schwellenüberschreitung nach § 20 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 1 AktG des Erwerbers und – zu einem späteren Zeitpunkt – die Bekanntgabe einer weiteren Mitteilung des Erwerbers nach § 20 Abs. 1 AktG verbunden mit einer solchen des Veräußerers (sofern meldepflichtiges Unternehmen) nach § 20 Abs. 5 AktG schaffen die notwendige Transparenz (vgl. Windbichler in: Hirte/Mülbert/Roth, Aktiengesetz Großkommentar, 5. Aufl. 2017, § 20 Rn. 47).Randnummer211

Auch bei dieser Betrachtung ist also ein Beschlussmangel festzustellen und beruht die Beschlussfeststellung auf der Missachtung des eingetretenen Stimmrechtsverlusts.

4.

Die streitgegenständlichen Hauptversammlungsbeschlüsse vom 31. August 2021 waren daher auf die hilfsweise erhobene Anfechtungsklage des Klägers aufzuheben, der die vorstehenden Beschlussmängel in ihrem wesentlichen tatsächlichen Kern innerhalb der Monatsfrist des § 246 Abs. 1 AktG gerügt hat.

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 92 Abs. 1 ZPO. Das Teilunterliegen des Klägers mit Blick auf die von ihm in der Hauptsache begehrte Nichtigkeitsfeststellung war bei der Kostenentscheidung angemessen zu berücksichtigen.Randnummer214

Es ist nicht unbillig, der Beklagten die Gerichtskosten in vollem Umfang aufzuerlegen, denn der Kläger hat mit der hilfsweise erhobenen Anfechtungsklage, bei der er obsiegt, letztlich sein Ziel (Verhinderung des Eintritts der Bestandskraft der streitgegenständlichen Beschlüsse vom 31. August 2021) im Wesentlichen erreicht. Die Beklagte hat erheblich zur Komplikation des Rechtsstreits durch spekulativ wirkende Erklärungen beigetragen und zuletzt durch einen erfolglosen, unbegründeten Aussetzungsantrag noch versucht, die Entscheidung hinauszuzögern; das hat bei Gericht erheblichen zusätzlichen Aufwand verursacht.Randnummer215

Nicht zuletzt hat die Beklagte durch ihren Vortrag im ersten Termin, dem Zeugen E. habe (am 31. August 2022) die Unternehmenseigenschaft i.S.d. § 20 AktG gefehlt, die Vorbereitung einer potentiell aufwendigen Beweisaufnahme mit vorgesehener Zeugenvernehmung verursacht. Durch spätere prozessuale Erklärungen hätte sie dies noch rückgängig machen können, zu denen sie nach den Schriftsätzen des Klägers vom 26. April 2022 und vom 24. Mai 2022 sowie nach Eingang der Stimmrechtsmitteilungen u.a. des Zeugen E. im Juni 2022 durchaus Anlass gehabt hätte. Die Beklagte hatte ferner die Möglichkeit, die Gerichtskosten durch ein Anerkenntnis zu reduzieren; auch davon hat sie keinen Gebrauch gemacht.Randnummer216

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 Satz 1, 2 ZPO.Randnummer217

Der Streitwert wurde gem. § 247 Abs. 1 Satz 1 AktG nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung von § 247 Abs. 1 Satz 2 AktG festgesetzt.

Schlagworte: Beschlussmängel, Beschlussmängelklage, Beschlussmängelstreitigkeiten, Bestätigungsbeschluss, Bestätigungsbeschluss nach § 244 Satz 1 AktG, Gewinnverwendung, Gewinnverwendungsbeschluss, Stimmrechtsverlust, Verfahrensaussetzung