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OLG Frankfurt, Urteil vom 21. Dezember 2017 – 6 U 232/16

§ 86 Abs 1 Halbs 2 HGB, § 4 Nr 4 UWG

Ein Schadensersatzanspruch des Unternehmers gegen den Handelsvertreter wegen der Abwerbung einer bestimmten Firma als Kunden kommt nicht in Betracht, wenn der Unternehmer nicht darzulegen vermag, aufgrund welcher Umstände die Firma sich entschlossen hat, künftig mit dem Handelsvertreter zusammenzuarbeiten.

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das am 25.10.2015 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Dieses und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120% des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe

I.

Wegen des Sach- und Streitstandes wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO).Randnummer2

Der Kläger verlangt von der Beklagten Zahlung von Provisionen in Höhe von insgesamt 52.664,98 €. Das Landgericht hat der Klage in Höhe von 34.957,42 € stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, zwischen den Parteien sei unstreitig mündlich ein Handelsvertretervertrag gemäß §§ 84 ff. HGB mit der Provisionsabrede vereinbart worden, dass der Nettoumsatz der von dem Kläger vermittelten Artikel mit 10% verprovisioniert werde. Aus den Provisionsgutschriften PG 11-8008, PG 11-009, PG 12-006 und PG 12-012 ergebe sich unter Berücksichtigung der von der Beklagten geleisteten Zahlungen ein noch offenstehender Betrag in der titulierten Höhe. Die Beklagte habe den Handelsvertretervertrag weder angefochten noch seien die Ansprüche verwirkt, noch könne die Beklagte sich auf ein Zurückbehaltungsrecht berufen.Randnummer3

Die Widerklage sei unbegründet. Der Beklagten stünden Schadensersatzforderungen gegen den Kläger nicht zu. Dem Kläger könne nicht der Vorwurf gemacht werden, dass er Lieferantenbeziehungen und Kunden zu den Firmen A, B und C während des laufenden Handelsvertreterverhältnisses unter Verstoß gegen § 4 Nr. 10 UWG auf sich „übergeleitet“ habe. Der Vortrag der Beklagten, dass Verträge dieser Gesellschaften auf den Kläger „übergeleitet“ worden seien und der Kläger durch „Zerstörung“ des gesamten Geschäftsbereich Textilhandel der Beklagten einen erheblichen Schaden zugefügt habe, sei zu substanzarm, um eine Beweisaufnahme zu veranlassen.Randnummer4

Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten.Randnummer5

Die Beklagte sieht das Prinzip des gesetzlichen Richters verletzt, weil die erkennende Zivilkammer über den Antrag der Beklagten auf Verweisung an die zuständige Kammer für Handelssachen nicht beschieden habe. Die Beklagte wendet sich gegen ihre Zahlungsverpflichtung mit den Gründen, die Anlass ihrer Widerklage sind. Die Klageforderung sei verwirkt, weil der Kläger seine Pflichten aus § 86 Abs. 1 Satz 2 HGB verletzt habe. Denn er habe nicht alles unterlassen, was den Interessen der Beklagten entgegensteht bzw. geeignet ist, eine Schädigung ihrer Interessen herbeizuführen.Randnummer6

Die Beklagte beantragt,Randnummer7

das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.Randnummer8

Widerklagend beantragt die Beklagte,Randnummer9

den Kläger zu verurteilen, in der ersten Stufe der Beklagten Auskunft zu erteilen über die Geschäfte, die ihr mit den Textillieferanten A für Land1, Land2, Land3 und Land4 in der Zeit vom 01.01.2012 bis einschließlich 31.12.2013 abgeschlossen und bezahlt erhalten hat; soweit die Durchführung der Geschäfte nach dem 13.06.2013 liegt, ist auch hierüber Auskunft zu erteilen; die Auskunft ist durch schriftliche Unterlagen wie E-Mails, Vorordern, Ordern, Nachbestellungen, Lieferschein und Rechnungen zu belegen; die Zahlungseingänge sind durch Überweisungsträge rund Kontoauszüge zu belegen.Randnummer10

In der II. Stufe:Randnummer11

Den Kläger zu verurteilen, der Beklagten Schadensersatz zu leisten, wobei die Höhe des Schadensersatzbetrages sich aus den durch den Kläger durchgeführten Geschäften nach den Ziffern I. sowie den entgangenen Geschäften der Beklagten aus der Zeit 01.01.2012 bis 31.12.2013 ergibt und den Schadensbetrag mit 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab jeweiligem Zahlungseingang bei der Klägerseite (ersatzweise bei der Beklagtenseite) zu verzinsen.Randnummer12

Der Kläger beantragt,Randnummer13

die Berufung zurückzuweisen.Randnummer14

Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens.Randnummer15

Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst ihren Anlagen Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.Randnummer17

Dem Vorwurf der Beklagten, die Zivilkammer hätte den Rechtsstreit an die Kammer für Handelssachen verweisen müssen, ist gemäß § 513 Abs. 2 ZPO nicht nachzugehen. Im Übrigen hat das Landgericht über den – verspätet gestellten – Verweisungsantrag der Beklagten mit Beschluss vom 7. April 2015 (Bl. 180 d. A.) entschieden.Randnummer18

Die Widerklage ist unbegründet. Die Beklagte hat keinen Anspruch gegen den Kläger auf Auskunft über die Geschäfte, die der Kläger mit der Firma A für Land1, Land2, Land3 und Land4 in der Zeit vom 01.01.2012 bis 31.12.2013 abgeschlossen hat. Ein solcher Anspruch folgt weder aus §§ 3, 4 Nr. 4 UWG noch §§ 242 BGB in Verbindung mit § 86 Abs. 1 Hs. 2 HGB. Dabei kann zugunsten der Beklagten unterstellt werden, dass der Handelsvertretervertrag mit dem Kläger bis zum 13.06.2013, als die Beklagte eine fristlose Kündigung des Vertrages aussprach, Bestand hatte. Die Beklagte hat nicht substantiiert dargelegt, dass der Kläger die Firma A von der Beklagten abgeworben hätte. Die Beklagte legte lediglich dar, es sei auf der Messe „X“ am XX.XX.2013 zu einem Gespräch zwischen dem Bruder des Geschäftsführers der Beklagten und dem Vertriebsleiter der Firma A, Herrn E gekommen. Dabei habe Herr E erklärt, seine Firma werde künftig mit dem Kläger weiterarbeiten. Der Kläger bestreitet auch nicht, nach der Beendigung des Lieferantenvertrages zwischen der Beklagten und der Firma A mit letzterer auf eigene Rechnung zusammengearbeitet zu haben. Er bestreitet aber, die Firma A von der Beklagten abgeworben zu haben. Da die Beklagte nicht darzulegen vermochte, aufgrund welcher Umstände die Firma A sich entschlossen hat, künftig mit dem Kläger zusammenzuarbeiten, ist ein unlauteres Verhalten des Klägers nicht schlüssig vorgetragen.Randnummer19

Dem Kläger kann auch nicht der Vorwurf gemacht werden, er sei mit der Beklagten während der Laufzeit des Handelsvertretervertrages in Wettbewerb getreten. Zwar hat der Kläger ab 2013, also noch während seiner Handelsvertretertätigkeit für die Beklagte, mit der Firma A zusammengearbeitet. Dadurch ist er jedoch nicht in Konkurrenz zu der Beklagten getreten. Denn nachdem die Firma A die Zusammenarbeit mit der Beklagten beendet hatte, konnte die Beklagte selbst die Produkte, die der Kläger fortan von der Firma A geliefert bekam, nicht mehr anbieten. Die Firma A stellt Taschen her; dass die Beklagte auch Taschen anderer Hersteller abgesetzt hat, ist nicht dargetan.Randnummer20

Die Berufung ist auch unbegründet, soweit sie sich gegen den stattgebenden Teil der Klage wendet.Randnummer21

Soweit die Beklagte sich gegen die Provisionsforderung mit ihrem Vorbringen zu Widerklage wendet, vermag sie aus den bereits dargelegten Gründen nicht durchzudringen. Es ist auch nicht zu beanstanden, dass das Landgericht noch offene Provisionsforderungen in Höhe von insgesamt 34.957,42 € tituliert hat. Soweit die Beklagte meint, es sei dem Kläger ein zu hoher Betrag zugesprochen worden, überzeugt ihre Berufung im Ergebnis nicht. Zwar ist das Landgericht ist davon ausgegangen, dass zunächst die in der Anlage K 4 genannten Provisionsforderungen noch offen waren. Das trifft jedoch auf die dort genannten Provisionsgutschrift (PG) 11-008 nicht zu, weil diese nach dem Vorbringen in der Klageschrift nicht Streitgegenstand ist. Dafür hat das Landgericht aber von der sich aus der Anlage K 4 ergebenden Summe (49.957,42 €) insgesamt 15.000,– € abgezogen. Dieser Betrag setzt sich aus 3 x 5.000,– € zusammen, die die Beklagte überwiesen hat. Die Erstüberweisung betrifft ausweislich der Anlage B 16 zum Schriftsatz der Beklagten vom 31.12.2015 (Bl. 248 d. A.) jedoch auch die 1.292,44 €, die Gegenstand der PG 11-008 sind. Das Landgericht hat mit anderen Worten diese Provisionsgutschrift zwar zu Unrecht in seine Berechnung einbezogen, dafür jedoch auch die Überweisung mindernd berücksichtigt, die der Erfüllung dieser Provisionsgutschrift dient. Der Fehler wirkt sich mithin im Ergebnis nicht aus.Randnummer22

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.Randnummer23

Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 543 ZPO) liegen nicht vor.

Schlagworte: Abwerbeverbot, Gezielte Behinderung, Mitbewerber gezielt behindert, Übernahme Kundenstamms, UWG § 4 Nr. 4