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OLG Frankfurt, Urteil vom 10.03.2022 – 6 U 196/20

§ 4 Nr. 4 UWG – Gezielte Behinderung des Mitbewerbers

1. Erweckt eine Firma durch Vorlage einer CE-Zertifizierung und des Datenblattes eines Produkts eines anderen Unternehmens den Eindruck, sie verwende deren Produkte (hier: Altkleider-Container), kann hieraus eine Erfolgsabwendungspflicht entstehen, die zu einer Verpflichtung führt, darüber aufzuklären, wenn die Verwendung dieser Produkte nicht (mehr) möglich ist.

2. Das Unterlassen dieser Aufklärung kann eine Gezielte Behinderung nach § 4 Nr. 4 UWG gegenüber der Herstellerin der Produkte darstellen, da deren Ruf beeinträchtigt werden kann, wenn die tatsächlich verwendeten Produkte mangelhaft sind.

Tenor

Auf die Berufung wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, es – bei Vermeidung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an ihrem Geschäftsführer, zu Unterlassen – den Eindruck aufrechtzuerhalten, sie würde Produkte der Klägerin, insbesondere deren Container „collectingbox classic“, verwenden, indem man die Aufstellung solcher Container ankündigt, zum Beispiel durch Verwendung von entsprechenden Datenblättern der klägerischen Produkte, ohne dies dann zu verwirklichen, und den jeweiligen Dritten auch nicht darauf hinweist, dass entgegen der ursprünglichen Ankündigung mithin keine Produkte der Klägerin aufgestellt werden, sondern qualitativ nicht vergleichbare, schlechtere und unsichere Container von Drittanbietern aufstellt.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz zu tragen. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Das Urteil ist für die Klägerin vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 27.000 € abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

I.

Die Klägerin stellt her und vertreibt Container, die im Bereich der Altkleidersammlung eingesetzt werden. Die Beklagte ist im Bereich der Sammlung von Altkleidern tätig. Sie erwarb über Dritte gebrauchte Kleidercontainer der Klägerin.

Die Stadt1 erteilte der Beklagten am 11.11.2019 die aus Anlage B3 ersichtliche Sondernutzungserlaubnis zum Aufstellen von Altkleidercontainern mit Wirkung ab dem 1.1.2020. Als Auflage war in dem Genehmigungsbescheid die Verwendung von Kleidercontainern mit CE-Kennung und Übersendung der Konformitätserklärungen bis zum 30.12.2019 enthalten. Nicht Voraussetzung war, dass Container der Klägerin aufgestellt werden. Da die Beklagte zunächst Informationen aus ihrer Logistikabteilung hatte, ausreichend Container der Beklagten in den Lagerbeständen zu haben, sollten diese in der Stadt1 aufgestellt werden. Entsprechende Unterlagen wie das CE-Zertifikat der Klägerin wurden daher der Stadt1 am 18.12.2019 per E-Mail zugesandt. Bei der Aufstellung der Container zu Beginn des Jahres 2020 wurde dann durch die Beklagte festgestellt, dass nicht mehr genügend Container der Klägerin bei der Beklagten verfügbar waren, so dass ein anderes – qualitativ schlechteres – Containermodell aufgestellt wurde.

Das Landgericht hat die auf Unterlassung gerichtete Klage durch Urteil vom 28.10.2020, auf das gemäß § 540 ZPO im Hinblick auf die tatsächlichen Feststellungen Bezug genommen wird, abgewiesen. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, es fehle bereits an der Anspruchsberechtigung der Klägerin, da diese keine Mitbewerberin der Beklagten sei. Die von der Klägerin angegriffene Handlung der Beklagten, nämlich den behauptet wahrheitswidrigen Eindruck zu erwecken, dass die Beklagte Produkte der Klägerin verwende, lasse keine Wechselwirkung zwischen den Parteien in dem Sinne entstehen, dass durch die Übersendung von Unterlagen das Aufstellen von anderen Containern der Wettbewerb der Klägerin beeinträchtigt werde.

Die Klägerin beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, es bei Vermeidung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an ihrem Geschäftsführer, zu Unterlassen, wahrheitswidrig gegenüber Dritten den Eindruck zu erwecken, sie würde Produkte der Klägerin, insbesondere deren Container“ Kollekte Box classic“ verwenden; dies betrifft insbesondere die Verwendung von Datenblättern von Produkten der Klägerin;

hilfsweise,

die Beklagte zu verurteilen, es bei Vermeidung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an ihrem Geschäftsführer, zu Unterlassen, wahrheitswidrig gegenüber Dritten den Eindruck aufrechtzuerhalten, sie würde Produkte der Klägerin, insbesondere deren Container „collectingbox classic“ verwenden, indem man die Aufstellung solcher Container ankündigt, zum Beispiel durch Verwendung von entsprechenden Datenblättern der klägerischen Produkte, ohne dies dann zu verwirklichen und den jeweiligen Dritten auch nicht darauf hinweist, dass entgegen der ursprünglichen Ankündigung mithin keine Produkte der Klägerin aufgestellt werden, sondern qualitativ nicht vergleichbare, schlechtere und unsichere Container von Drittanbietern aufstellt;

höchst hilfsweise,

die Beklagte zu verurteilen, bei Vermeidung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an ihrem Geschäftsführer, in Fällen, in denen sie gegenüber Dritten angekündigt hat, sie würde Produkte der Klägerin, insbesondere deren Container „collectingbox classic“ aufstellen, diese zu informieren, wenn solche Produkte entgegen der Ankündigung dann doch nicht aufgestellt, sondern Container von anderen Anbietern verwendet werden, insbesondere wenn diese qualitativ mit den Containern der Klägerin nicht vergleichbar sondern schlechter und unsicherer sind;

2. die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin vorgerichtlicher Anwaltsgebühren in Höhe von 1.044,40 € nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1.5.2020 zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angegriffene Urteil.

II.

Die zulässige Berufung nicht mit dem Hauptantrag, wohl aber mit dem zulässigerweise in der Berufungsinstanz gestellten Hilfsantrag Erfolg.

1. Mit ihrem Hauptantrag hat die Klägerin keinen Erfolg.

a) Die Klägerin ist als Mitbewerberin der Beklagten nach § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG zwar aktivlegitimiert für einen Unterlassungsanspruch aus UWG. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG ist Mitbewerber jeder Unternehmer, der mit einem oder mehreren Unternehmern als Anbieter oder Nachfrager von Waren oder Dienstleistungen in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis steht.

(1) Dieses setzt zwar nicht voraus, dass die Parteien auf der gleichen Vertriebsstufe tätig sind. Voraussetzung eines konkreten Wettbewerbsverhältnisses ist aber auch bei auf unterschiedlichen Vertriebsstufen tätigen Parteien im Regelfall, dass diese versuchen, gleichartige Waren oder Dienstleistungen (letztlich) innerhalb desselben Endverbraucherkreises abzusetzen (vgl. BGH GRUR 2012, 1053 Rn 12 – Marktführer Sport). Diese Voraussetzung ist im Streitfall nicht erfüllt, weil die Klägerin Altkleidersammelbehälter vertreibt, während die Beklagte unter Nutzung derartiger Sammelbehälter Dienstleistungen anbietet.

Der Bundesgerichtshof hat ein konkretes Wettbewerbsverhältnis im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG indes auch bei Fallgestaltungen bejaht, in denen die Parteien zwar keine gleichartigen Waren oder Dienstleistungen innerhalb desselben Endverbraucherkreises abzusetzen versuchten, das konkret beanstandete Wettbewerbsverhalten des einen Wettbewerbers den anderen aber gleichwohl beeinträchtigen, d.h. im Absatz behindern oder stören könnte (z.B. BGH WRP 2018, 1322 Rn 17 – Werbeblocker II; BGH GRUR 2019, 970 Rn 23 – Erfolgshonorar für Versicherungsberater). Dabei sind an das Bestehen eines konkreten Wettbewerbsverhältnisses im Interesse eines wirksamen wettbewerbsrechtlichen Individualschutzes keine hohen Anforderungen zu stellen. Es genügt, wenn zwischen den Vorteilen, die jemand durch eine Maßnahme für sein Unternehmen oder das eines Dritten zu erreichen sucht, und den Nachteilen, die ein anderer dadurch erleidet, eine Wechselwirkung in dem Sinne besteht, dass der eigene Wettbewerb gefördert und der fremde Wettbewerb beeinträchtigt werden kann (vgl. Begr. z. RegE eines Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb, BT-Drs. 15/1487, 16), also die Ware oder Dienstleistung des handelnden Unternehmers einen wettbewerblichen Bezug zur Ware oder Dienstleistung eines anderen Unternehmers aufweist und mit der Förderung des eigenen Absatzes die Beeinträchtigung des fremden Absatzes einhergehen kann. Nicht ausreichend ist es allerdings, wenn die Maßnahme den anderen nur irgendwie in seinem Marktstreben betrifft (vgl. BGH GRUR 2014, 573 Rn 21 – Werbung für Fremdprodukte, m.w.N.).

(2) Zu Recht als abwegig wertet das Landgericht danach die Auffassung, die Beklagte sei als Herstellerin aufgetreten. Ob man den angebrachten Aufkleber (Bl. 29 d.A.) nun als Hinweis auf den Hersteller eines solchen Containers ansehen mag – was fernliegend ist – oder vielmehr als Hinweis auf den Verantwortlichen für dessen Betrieb – was deutlich näher liegt -, kann im Endergebnis dahinstehen, da faktisch die Beklagte zu keiner Zeit irgendwelche Container am Markt angeboten oder verkauft hat. Ein missverständlicher kleiner Aufkleber kann ein Wettbewerbsverhältnis zwischen den Parteien nicht begründen.

(3) Die notwendige Wechselwirkung ergibt sich jedoch aus einem anderen Aspekt.

Die Klägerin trägt vor, die Beklagte nutze den guten Ruf der klägerischen Produkte aus, um Aufträge zu ergattern, stelle dann aber tatsächlich Billigprodukte auf. Komme es zu Fehlern oder Unfällen (wie hier geschehen), falle dies auf den Ruf der Klägerin zurück. Ein derartig zielgerichtetes Vorgehen könnte ein Wettbewerbsverhältnis begründen. Allein, es fehlt an hinreichendem tatsächlichen Vortrag in dieser Hinsicht. Unstreitig ist, dass die Beklagte den Nachweis der CE-Konformität gegenüber der Kommune durch Vorlage eines CE-Zertifikates und Datenblattes des Produktes der Klägerin geführt hat, dann tatsächlich aber – zumindest auch – fremde Container aufgestellt hat. Die Erteilung der Sondernutzungsgenehmigung war aber weder bedingt durch die Verwendung der klägerischen Container noch ist vorgetragen, dass hier ein systematisches Vorgehen der Beklagten vorlag. Dass die Beklagte dies zielgerichtet so geplant hat, um systematisch den Namen der Klägerin auszunutzen, ist nicht einmal substantiiert vorgetragen. So ist schon nicht dargelegt, dass die Beklagte nie plante, Produkte der Klägerin zu verwenden. Die Beklagte hat vielmehr vorgetragen (und dies durch die Anlage B1 = Bl. 21 substantiiert), sie erwerbe gebrauchte Container – auch solche der Klägerin – und verwende diese. Durch eine Fehlkalkulation der benötigten Containermengen habe sich die Beklagte gezwungen gesehen, in der Stadt1 dann Container anderer Hersteller aufzustellen. Damit ist sie nicht nur ihrer sekundären Darlegungslast gerecht geworden. Dieser Vortrag ist sogar im Tatbestand als unstreitig dargestellt und daher vom Senat auch so zugrunde zu legen.

b) Soweit ein Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb in Betracht kommen könnte, ist die hierfür erforderliche Zielgerichtetheit nicht vorgetragen.

c) Soweit die Klägerin schließlich Ansprüche aus einer Benutzungsmarke nach § 4 Nr. 2 MarkenG geltend gemacht, sind die Schutzvoraussetzungen nicht dargetan. Der Hinweis auf eine 10-jährige Firmierung ist nicht geeignet, die Entstehung einer Marke zu begründen.

Zudem ist das Markenrecht nach § 24 MarkenG erschöpft.

Die Erschöpfung erfasst grundsätzlich auch das Ankündigungsrecht, also das Recht, auf das Angebot der Original Markenware in Werbeanzeigen etc. hinzuweisen. Das Ankündigungsrecht besteht selbst dann, wenn die beworbenen Produkte nicht vorrätig sind, der Händler jedoch jederzeit beschaffen kann (BGH WRP 2003, 1231, 1232 – Vier Ringe über Audi). Unzulässig ist die Bewerbung von Markenware erst dann, wenn der Werbende überhaupt nicht in der Lage ist, die beworbenen Markenprodukte zu beschaffen oder wenn in unlauterer Weise den guten Ruf einer bekannten Marke ausbeutet. Solange Händler jedoch die beworbene Markenware beschaffen kann, ist das Markenrecht erschöpft. Hier hat die Beklagte mit den Anlagen B1 und B2 zumindest substantiiert dargelegt, dass sie auf dem Markt gebrauchte Textilsammelbehälter erwirbt und hierunter auch solche der Klägerin gewesen sind. Für das Gegenteil hat die Klägerin keinen Beweis angeboten. Das Ankündigungsrecht ist daher erschöpft.

Dass die Beklagte Container in den Verkehr gebracht hat, die ohne Zustimmung der Klägerin mit der Marke der Klägerin versehen waren, ist nicht vorgetragen.

2. Die Klägerin hat jedoch mit ihrem Hilfsantrag Erfolg. Die Klägerin hat gegen die Beklagte den tenorierten Unterlassungsanspruch aus §§ 8 Abs. 1 und 3 Nr. 1 i.V.m. § 4 Nr. 4 UWG, da die Beklagte es Unterlassen hat, die Stadt1 darüber zu unterrichten, dass statt der avisierten Container der Klägerin solche ein Drittherstellers aufgestellt wurden, und dies eine Gezielte Behinderung der Klägerin darstellt.

a) Der Zulässigkeit des Hilfsantrages steht nicht entgegen, dass die Klägerin diesen erstmals in der Berufungsinstanz gestellt hat. Zwar handelt es sich bei Handlung unter Unterlassung um verschiedene Streitgegenstände, so dass es sich um eine Klageänderung in Form einer nachträglichen Klagehäufung handelt, die an den Maßstäben die § 533 ZPO zu messen ist. Da jedoch die Sachdienlichkeit auf der Hand liegt und die Entscheidung auch auf Tatsachen gestützt werden kann, die der Senat seiner Entscheidung ohnehin nach § 529 ZPO zugrunde zu legen hat, ist die Erweiterung als zulässig zu behandeln.

b) Insoweit fehlt es nicht an einem konkreten Wettbewerbsverhältnis.

Durch das Unterlassen der Mitteilung, dass statt der qualitativ hochwertigen Container der Beklagten qualitativ minderwertigere Container dritter Hersteller verwendet wurden, ging die Stadt1 davon aus, dass die Beklagte Container der Klägerin aufgestellt hatte, was sich aus der in Anlage K1 vorgelegten E-Mail der Mitarbeiterin der Stadt1 ergibt. Diese Informationen wurden auch an Presseorgane weiterverbreitet, wie die Anfrage der Stadt1infos vom 21.2.2020 (Anlage K 3) ergibt. Damit liegt die notwendige Wechselwirkung vor, die in konkretes Wettbewerbsverhältnis begründet.

c) Die Beklagte hat es Unterlassen, die Stadt1 darüber zu informieren, dass sie nunmehr nicht die qualitativ hochwertigen Container der Klägerin, sondern qualitativ minderwertige Container eines dritten Herstellers verwendet.

(1) Eine geschäftliche Handlung kann gleichermaßen ein positives Tun wie auch ein Unterlassen sein. Das ist mit der auf ein „Verhalten“ abstellenden Gesetzesformulierung ausdrücklich klargestellt. Dem positiven oder konkludenten Tun ist ein Unterlassen gleichgestellt, soweit eine Rechtspflicht zum Handeln besteht. Eine derartige Erfolgsabwendungspflicht (Garantenpflicht) kann sich aus Gesetz, aus vorangegangenem – auch schuldlosem – Tun, aus einer Berufs- oder Amtspflicht gegenüber Dritten oder aus Vertrag ergeben. Eine Erfolgsabwendungspflicht kann sich z.B. zur Vermeidung einer Irreführung durch Unterlassen in einer Informationspflicht konkretisieren, weil etwa die Entscheidungsfähigkeit von Verbrauchern nicht dadurch beeinflusst werden darf, dass eine Information vorenthalten wird, die im konkreten Fall nach den Umständen wesentlich ist (vgl. § 5a Abs. 2 UWG i.V.m. § 3 Abs. 2 UWG).

(2) Eine solche Erfolgsabwendungspflicht hatte die Beklagte hier dadurch, dass sie durch Vorlage der CE-Zertifizierung und des Datenblattes eines Produktes der Klägerin den Eindruck erweckte, sie würde Produkte der Klägerin verwenden. Die Beklagte konnte vor dem Hintergrund ihres Geschäftsmodells, das den Aufkauf von gebrauchten Containern verschiedener Hersteller vorsieht, die Gefahr vorhersehen, dass zum Aufstellzeitpunkt nicht zwingend genügend Container desjenigen (qualitativ hochwertigen) Herstellers (der Klägerin) verfügbar waren, deren CE-Zertifikat und Produktdatenblatt die Beklagte zur Erfüllung ihrer vertraglichen Nachweispflicht gegenüber der Stadt1 verwendete.

Damit liegt ein gefahrerhöhendes vorangegangenes Tun vor, das eine Garantenstellung aus Ingerenz begründet. Dass dieses Verhalten nicht rechtswidrig war, steht einer Ingerenz nicht entgegen. Auch rechtmäßiges Verhalten kann grundsätzlich eine Garantenpflicht begründen (BeckOGK/Spindler, 1.12.2021, BGB § 823 Rn 74-77).

b) Dieses Unterlassen stellt eine Gezielte Behinderung der Klägerin nach § 4 Nr. 4 UWG dar.

(1) Unter Behinderung ist die Beeinträchtigung der wettbewerblichen Entfaltungsmöglichkeiten eines Mitbewerbers zu verstehen (BGH GRUR 2004, 877, 879 – Werbeblocker I). Zu den Entfaltungsmöglichkeiten eines Mitbewerbers zählen alle Wettbewerbsparameter, also Absatz, Bezug, Werbung, Produktion, Forschung, Entwicklung, Planung, Finanzierung, Personaleinsatz usw. (ebenso BGH GRUR 2004, 877, 879 – Werbeblocker I). Es genügt – wie bei allen Beispielstatbeständen des § 4 UWG – die Eignung der geschäftlichen Handlung zur Behinderung (BGH WRP 2017, 324 Rn 34 – Portierungsauftrag; OLG KölnBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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WRP 2021, 808 Rn 32). Die Behinderung muss also nicht tatsächlich eingetreten sein.

Als „gezielt“ ist eine Behinderung ganz allgemein dann anzusehen, wenn bei objektiver Würdigung aller Umstände eine Maßnahme in erster Linie nicht auf die Förderung der eigenen wettbewerblichen Entfaltung, sondern auf die Beeinträchtigung der wettbewerblichen Entfaltung eines Mitbewerbers gerichtet ist (BGH GRUR 2007, 800 Rn 23 – Außendienstmitarbeiter; BGH GRUR 2008, 621 Rn 32 – AKADEMIKS). Es muss also ein Eingriff in die wettbewerbliche Entfaltung eines Mitbewerbers erfolgen.

Die Verdrängungsabsicht ist keineswegs eine notwendige Voraussetzung der gezielten Behinderung (BGH GRUR 2007, 800 Rn 22 – Außendienstmitarbeiter; BGH GRUR 2009, 685 Rn 41 – ahd.de; BGH WRP 2014, 424 Rn 42 – wetteronline.de). Eine Gezielte Behinderung kann auch dann vorliegen, wenn die Maßnahme zwar unmittelbar der Förderung des eigenen Absatzes oder Bezugs dient, aber dieses Ziel durch eine unangemessene Beeinträchtigung der wettbewerblichen Entfaltung des Mitbewerbers erreicht werden soll.

(2) Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist hier eine Gezielte Behinderung im Sinne von § 4 Nr. 4 UWG zu bejahen.

Das Unterlassen der Mitteilung an die Stadt1, dass nunmehr nicht die qualitativ hochwertigen Produkte der Klägerin, sondern die minderwertigen Produkte Dritter verwendet werden, stellt sich zwar auch als Entfaltung des eigenen Wettbewerbs dar, da die Beklagte es sich so ersparte, die vertraglichen geschuldeten Nachweise über die verwendeten Container erneut vorzulegen, und die Klägerin im Glauben gelassen werden konnte, es werden „gute“ Container aufgestellt. Indes kann eine Maßnahme auch dann unlauter sein, wenn sie sich zwar (auch) als Entfaltung eigenen Wettbewerbs darstellt, aber das Eigeninteresse des Handelnden unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Wettbewerbsfreiheit weniger schutzwürdig ist als die Interessen der übrigen Beteiligten und der Allgemeinheit (ebenso BGH GRUR 2009, 685 Rn 41 – ahd.de; BGH WRP 2014, 424 Rn 42 – wetteronline.de; OLG KölnBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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WRP 2021, 808 Rn 33). Entscheidend ist, ob die Auswirkungen der Handlung auf das Wettbewerbsgeschehen bei objektiver Betrachtung so erheblich sind, dass sie unter Berücksichtigung des Schutzzwecks des Gesetzes von den Marktteilnehmern nicht hingenommen werden müssen (BGH GRUR 2007, 800 Rn 21 – Außendienstmitarbeiter). So liegt die Sache hier. Das Interesse der Beklagten, trotz ihres auf kostengünstigen Erwerb von Gebrauchtcontainern angelegten Geschäftsmodells bei Eintritt eines Mangels an Containern der Klägerin trotzdem die Stadt in dem Glauben zu lassen, die aufgestellten Container seien die der Klägerin, ist nicht schützenswert. Es ist geeignet, den Ruf der Klägerin, der bei Problemen und Defekten diese Probleme angelastet werden, zu beschädigen.

e) Voraussetzung für die Anwendung des § 4 Nr. 4 UWG ist weiter, dass sich die Handlung gegen einen Mitbewerber im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG richtet. Zwischen dem Verletzer und dem Verletzten muss also ein konkretes Wettbewerbsverhältnis bestehen (Köhler WRP 2009, 499, 505). Zwar erfolgte die Unterlassung hier gegenüber der Stadt1; jedoch richtete sich diese gegen die Klägerin als Mitbewerberin. Der gute Ruf deren Produkte nutzte die Klägerin aus, obwohl sie tatsächlich Container minderer Qualität aufgestellt hatte.

Die Kostenentscheidung erster Instanz folgt aus § 91 ZPO, da das Landgericht den Hauptantrag zu Recht abgewiesen hat. In zweiter Instanz hat die Klägerin mit ihren Hauptantrag ebenfalls keinen Erfolg, jedoch mit ihrem Hilfsantrag, weshalb die Kosten insoweit gegeneinander aufzuheben sind.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit findet ihre Grundlage in § 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich.

Löffler I www.K1.de I www.gesellschaftsrechtskanzlei.com I Gesellschaftsrecht I Wettbewerbsverbot I Sperrabrede I Gezielte Behinderung I Erfurt I Thüringen I Sachsen I Sachsen-Anhalt I Hessen I Deutschland 2022

Schlagworte: Gezielte Behinderung, Mitbewerber, Mitbewerber gezielt behindert, Sperrabrede, UWG § 4 Nr. 4