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OLG Köln, Urteil vom 03.09.2021 – 6 U 81/21

UWG §§ 3, 3a, 4 Nr. 4 HGB § 75f GG Art. 2 Abs.1, Art. 12 Abs.1 – Abwerbeverbot

1. Die Vorschrift des § HGB § 75f HGB schließt nicht nur die Klagbarkeit von Einstellungsverboten, sondern auch von Vereinbarungen zwischen Unternehmern aus, keine Arbeitskräfte des Vertragspartners abzuwerben (vgl. BGH GRUR 2014, 1122, Rn 44 – Abwerbeverbot).

2. Die Ausnahme ist gerechtfertigt, wenn ein besonderes Vertrauen besteht oder einem besonderen Schutzbedürfnis Rechnung zu tragen ist. Der Gesichtspunkt eines etwaigen Wissenstransfers kann bei der notwendigen Abwägung der gegenseitigen Interesse keine Bedeutung erlangen, wenn die Vertragsparteien ohnehin vereinbart haben, dass die im Rahmen der Zusammenarbeit erworbenen Kenntnisse ohnehin dem abwerbenden Unternehmen zustehen.

3. Die Abwerbung von Arbeitnehmern ist im Grundsatz zulässig und nur dann untersagt, wenn besondere Umstände hinzutreten, die die Unlauterkeit begründen. Diese können in einem verwerflichen Zweck oder aufgrund verwerflicher Mittel gesehen werden. Der Zweck ist in der Regel unlauter, wenn die Abwerbung die Beeinträchtigung des Mitbewerbers bezweckt oder die unlautere Ausbeutung des Mitbewerbers angestrebt wird.

4. Eine Gezielte Behinderung liegt nicht vor, wenn das abwerbende Unternehmen in erster Linie Arbeitnehmer für den Betrieb eines eigenen Call-Centers gewinnen wollte, ohne dass sie ein Interesse daran hatte, die Antragstellerin zu beeinträchtigen.

Tenor

Unter Abänderung des am 25.05.2021 verkündeten Urteils des Landgerichts Köln, Az. 31 O 3/21, wird der Beschluss des Landgerichts Köln vom 03.02.2021, Az. 31 O 3/21, aufgehoben und der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin.

I.

Die Parteien streiten über die Frage, ob der Antragstellerin ein Unterlassungsanspruch gegen die Antragsgegnerin hinsichtlich der Abwerbung von Arbeitskräften zusteht und dieser im Wege einer einstweiligen Verfügung durchgesetzt werden kann.

Die Antragstellerin erbringt für die A-Gruppe, der die Antragsgegnerin angehört, seit dem Jahr 2012 Call-Center-Dienstleistungen. Zu diesem Zweck haben die Parteien im Jahr 2012 einen „Rahmenvertrag für Service Center Dienstleistungen“ miteinander geschlossen. Auf den als Anlage AS 1 eingereichten Vertrag wird Bezug genommen.

Ausweislich von § 2 Abs. 1 des Rahmenvertrags ist Vertragsgegenstand die Festlegung der Grundlagen für die von der Antragstellerin im Bereich Customer Service Center an die Antragsgegnerin zu erbringenden Leistungen. Nach § 2 Abs. 2 des Rahmenvertrages sollen hinsichtlich einzelner Dienstleistungen der Antragstellerin für die Antragsgegnerin Projektverträge geschlossen werden, die durch die Regelungen des Rahmenvertrags ergänzt werden. Nach § 16 Abs. 1 des Rahmenvertrags galt dieser zunächst bis zum 31.12.2016 und verlängerte sich sodann jeweils um ein Jahr, wenn er nicht drei Monate vor Ablauf der Vertragslaufzeit durch die Antragsgegnerin gekündigt wurde. Eine Kündigung zum Ablauf des Jahres 2020 ist nicht erfolgt.

In § 20 des Vertrags heißt es, dass die Antragstellerin der Antragsgegnerin das Nutzungsrecht an sämtlichen Arbeitsergebnissen übertrage, wozu unter anderem sämtliches „A spezifisches Know How“ gehöre, welches die Antragstellerin spätestens bei Beendigung des Vertrags zu übertragen habe.

Die Vereinbarung in § 27 des Rahmenvertrags enthält unter anderem folgende Regelungen:

„(1) Beide Parteien verpflichten sich, keinen derzeitigen Mitarbeiter oder eine sonst vertraglich verpflichtete Person des anderen Vertragspartners mittelbar oder unmittelbar abzuwerben, sofern diese mit Leistungen aus diesem Vertrag oder einem der Vertragsteile betraut ist

(2)[…]

(3)   Diese Verpflichtungen gelten für die Dauer des Vertrags.“

Vereinbarungen entsprechender Art sind in der IT-Branche üblich.

Der Rahmenvertrag fand zunächst auf einen bis zum 31.12.2020 geltenden Projektvertrag (vgl. Anl. AS 2 und 3) Anwendung, der die Einzelheiten der von der Antragstellerin zu erbringenden Dienstleistungen regelte. Weil die Antragsgegnerin sich entschied, die bisher von der Antragstellerin erbrachten Dienstleistungen künftig durch eine ihrer Tochtergesellschaften zu erbringen, wurde der Vertrag über den 31.12.2020 hinaus nicht mehr verlängert. Vielmehr erbrachte die Antragstellerin auf Grundlage des Rahmenvertrags und eines am 12.11.2020 zwischen den Parteien geschlossenen, bis zum 31.03.2021 befristeten Vertrags (vgl. Anl. AS 4) zunächst nur noch Übergangsdienstleistungen.

Die Antragstellerin erbrachte ihre Dienstleistungen für die Antragsgegnerin zu Spitzenzeiten an sechs verschiedenen Standorten und durch mehr als 500 Mitarbeiter. Die Dienstleistungen der einzelnen Standorte werden dabei durch ein globales Steuerungsteam koordiniert, das unter anderem die Aufgaben auf verschiedene Teams verteilt sowie Auswertungen erstellt. Hierfür sind Kenntnisse unter anderem zum Aufbau und zur Anwendung der verwendeten IT- und Abrechnungsprogramme erforderlich. Dem globalen Steuerungsteam gehören weiter Trainer-Manager an, die Trainingsunterlagen erstellen und die lokal eingesetzten Trainer ausbilden. Mitarbeiter, wie sie in dem globalen Steuerungsteam der Antragstellerin eingesetzt sind, sind auf dem Arbeitsmarkt nicht frei verfügbar.

Dienstleistungen für die Antragsgegnerin erbringt die Antragstellerin in dem IT-System der Antragsgegnerin. Aus diesem Grund war der Antragsgegnerin die Identität sämtlicher der von Seiten der Antragstellerin betrauten Mitarbeiter bekannt. Auch konnte die Antragsgegnerin über ihr System die Tätigkeit der einzelnen Mitarbeiter beobachten.

Am 24.11.2020 kontaktierte eine Mitarbeiterin der Antragsgegnerin den für das globale Leitungsteam der Antragstellerin in Berlin tätigen Mitarbeiter B per Telefon und erkundigte sich, ob er Interesse an einer Anstellung bei der Antragsgegnerin habe. Im Anschluss erbat ein weiterer Mitarbeiter der Antragsgegnerin, Herr C, per SMS eine „alternative Kontaktmöglichkeit“ und übersandte ihm nach Übermittlung einer privaten E-Mailadresse an diese einen Link mit einer Stellenausschreibung. Herr B ist für die Antragstellerin seit 2011 tätig.

Am 11.12.2020 erlangte der Geschäftsführer der Antragstellerin Kenntnis von der Ansprache des Herrn B und kontaktierte den CFO der Antragsgegnerin, Herrn D, der zusicherte, für ein künftiges Unterbleiben von Abwerbeversuchen zu sorgen. Die Antragstellerin wandte sich sodann in der Annahme eines weiteren Abwerbungsversuchs am 16.12.2020 erneut telefonisch an Herrn D, der erklärte, für ein Unterbleiben von Abwerbeversuchen bereits intern gesorgt zu haben. Er sicherte sodann erneut das Unterbleiben weiterer Abwerbungsversuche zu.

Mit Schreiben vom 21.12.2020 ließ die Antragsgegnerin die Antragstellerin anwaltlich abmahnen. Hierauf reagierte die Antragsgegnerin ebenso wenig wie auf eine erneute Aufforderung zur Abgabe einer Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung per E-Mail am 30.12.2020.

Die Antragstellerin hat behauptet, dass die Antragsgegnerin außer Herrn B noch sechs andere Mitarbeiter gezielt zum Zwecke der Abwerbung angesprochen habe. Mit einem gleichfalls Ende November 2020 durch Herrn C angesprochenen Mitarbeiter, der ebenfalls dem globalen Steuerungsteam angehört habe, sei es zu einem Vorstellungsgespräch gekommen und ihm sei ein Angebot auf Abschluss eines Arbeitsvertrags unterbreitet worden. Das Angebot werde bis zum heutigen Tag aufrechterhalten. Die Kenntnisnahme von diesem Abwerbungsversuch sei Anlass für den zweiten Anruf bei der Antragsgegnerin gewesen.

Die Antragstellerin ist der Ansicht gewesen, dass ihr die geltend gemachten Ansprüche aus § 27 des Rahmenvertrags, aus §§ 4 Nr. 4, 3 UWG und aus § 7 UWG zustünden. Die Anwendung des § 27 Rahmenvertrag scheitere nicht an § 75f HGB, weil die vertragliche Regelung eine Nebenbestimmung darstelle, die dem infolge der Zusammenarbeit gegebenen besonderen Vertrauensverhältnis zwischen den Parteien Rechnung trage. § 27 Rahmenvertrag sei auch einschlägig. Die Begrenzung auf „derzeit“ angestellte Mitarbeiter in der Regelung sei im Lichte von § 27 Abs. 3 des Rahmenvertrags so zu verstehen, dass es um während der Vertragslaufzeit angestellte Mitarbeiter gehe. Das ergebe sich auch daraus, dass § 27 Abs. 1 des Rahmenvertrags auch sonstige „mit Leistungen aus diesem Vertrag oder einem der Vertragsteile“ betrauten Personen umfasse, denn zum Zeitpunkt des Abschluss des Rahmenvertrags habe es solche Personen naturgemäß noch nicht gegeben. Darauf, ob Herr B schon 2012 mit Leistungen aus dem Vertrag mit der Antragsgegnerin befasst gewesen sei, komme es überdies nicht an, weil sich die entsprechende Voraussetzung in § 27 Rahmenvertrag nicht auf die darin genannten Mitarbeiter beziehe, sondern auf den Passus „sonst vertraglich verpflichtete Person“. Das ergebe sich sprachlich zwingend schon daraus, dass die Anforderung des Betrautseins im Singular formuliert ist, was lediglich zu der in § 27 Rahmenvertrag „vertraglich verpflichteten Person“, aber nicht zu den darin (im Plural) erfassten Mitarbeitern passe.  Die Abwerbungsversuche seien lauterkeitsrechtlich unzulässig, insbesondere weil sie Mitarbeiter in Schlüsselpositionen betroffen hätten – wobei eine entsprechende Eigenschaft des Herrn B unstreitig ist – und die Antragsgegnerin in Behinderungsabsicht gehandelt habe.

Am 05.01.2021 hat die Antragstellerin den hier gegenständlichen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung nebst weiteren Anträgen bei Gericht eingereicht. Nach Zurückweisung hat das Landgericht der Antragsgegnerin am 03.02.2021 im Wege der Teilabhilfe bei Meidung der gesetzliche Ordnungsmittel untersagt,

für die Dauer des Bestehens des zwischen den Parteien geschlossenen Rahmenvertrags für Service Center Dienstleistungen Nr. 2012-100xxx vom 11.06.2012 („Rahmenvertrag“) Mitarbeiter der Antragstellerin

– zum Zwecke der unmittelbaren oder mittelbaren Abwerbung anzurufen oder anrufen zu lassen

– zum Zwecke der unmittelbaren oder mittelbaren Abwerbung per SMS oder E-Mail zu kontaktieren oder kontaktieren zu lassen

– zum Zwecke der unmittelbaren oder mittelbaren Abwerbung auf sonstigem Wege zu kontaktieren oder kontaktieren zu lassen,

sofern diese Mitarbeiter mit Leistungen aus dem Rahmenvertrag oder einem der Vertragsteile betraut sind (Tenor Ziff. 1 des Beschluss vom 03.02.2021, Bl. 53 ff. d.A.).

Hiergegen hat sich die Antragsgegnerin mit Widerspruch vom 03.03.2021 gewandt und beantragt,

die einstweilige Verfügung aus Ziffer 1 des Beschlusses vom 02.02.2021 aufzuheben und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vom 05.01.2021 vollständig zurückzuweisen.

Die Antragstellerin hat beantragt,

die einstweilige Verfügung gemäß Ziffer 1 des Beschlusses vom 02.02.2021 unter   Zurückweisung des Widerspruchs der Antragsgegnerin zu bestätigen.

Die Antragsgegnerin ist der Ansicht gewesen, dass wegen ihrer mündlichen Zusage des künftigen Unterbleibens von Abwerbeversuchen keine Wiederholungsgefahr bestehe. Außerdem bestehe angesichts dessen auch kein Verfügungsgrund. Darüber hinaus ergebe sich weder aus UWG, noch aus § 27 des Rahmenvertrags ein Verfügungsanspruch. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wonach § 75f HGB nicht anwendbar sei, wenn ein Abwerbeverbot im Rahmen einer Nebenabrede einem besonderen Schutzbedürfnis einer Partei Rechnung trage, sei abzulehnen. Es handele sich bei § 27 des Rahmenvertrags jedoch ohnehin nicht um eine Nebenabrede, die einem besonderen Schutzbedürfnis der Parteien Rechnung trage. Für die Stützung dieser Rechtsansicht verweist die Antragsgegnerin insbesondere auf ein Urteil des Bundesgerichtshofs aus dem Jahr 1974, wonach § 75f HGB auch für Abreden gilt, mit denen die Abwerbung des Personals eines Leiharbeitsunternehmens durch das entleihende Unternehmen verhindert werden solle (BGH, Urt. v. 30.04.1974 – VI ZR 132/72). Zudem ergibt sich nach Ansicht der Antragsgegnerin aus § 20 des Rahmenvertrags, dass es bei  der in § 27 enthaltenen Regelung nicht um einen Schutz von Know-how gehen könne. Dass die Norm keinem besonderen Schutzbedürfnis diene, zeige sich des Weiteren auch an der wechselseitigen Geltung der Regelung.

Auch greife § 27 Rahmenvertrag vorliegend darüber hinaus tatbestandlich nicht, weil die Regelung nach ihrem Wortlaut („derzeit“) nur Arbeitnehmer erfasse, die zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses im Mai 2012 mit Leistungen aus dem Vertrag oder einem der Vertragsteile betraut waren.

Das Landgericht hat die einstweilige Verfügung bestätigt. Der Verfügungsanspruch ergebe sich wegen des unstreitigen Versuchs einer Abwerbung jedenfalls des Herrn B aus § 1004 BGB analog und § 27 des Rahmenvertrags.

Die Wiederholungsgefahr sei nicht aufgrund der Telefonate der Vorstandsmitglieder der Parteien ausgeräumt worden. Ein Verstoß gegen das Abwerbeverbot aus § 27 des Rahmenvertrages liege vor. Die Anwendung dieser Vereinbarung sei auch nicht durch § 75f HGB gesperrt.

Auch ein Verfügungsgrund nach § 935 ZPO sei glaubhaft gemacht. Die nicht durch ein Vertragsstrafeversprechen gesicherte Zusage, Abwerbungsversuche künftig zu unterlassen, stehe der Annahme eines Verfügungsgrunds nicht entgegen, weil dadurch die Wiederholungsgefahr nicht beseitigt werde.

Gegen dieses Urteil, auf das gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen wird, wendet sich die Antragsgegnerin mit ihrer Berufung. Entgegen der Ansicht des Landgerichts könne weder ein Verfügungsgrund noch ein Verfügungsanspruch angenommen werden.

Der Verfügungsgrund fehle, weil der Unterlassungsanspruch erloschen sei. Der CFO der Antragsgegnerin habe die Wiederholungsgefahr durch eine mündliche Unterlassungserklärung ausgeräumt, ohne dass es des Versprechens einer Vertragsstrafe bedurft habe. Die Antragstellerin habe insoweit auch auf weitergehende Ansprüche jedenfalls konkludent verzichtet. Die Unterlassungserklärung habe nicht in Schriftform abgegeben werden müssen. Einen Anlass, die Ernstlichkeit der Unterlassungserklärung in Frage zu stellen, habe es nicht gegeben, nachdem die Antragsgegnerin alles getan habe, was die Antragstellerin gefordert habe. Aus der Behauptung der Antragstellerin, die Antragsgegnerin habe ein Jobangebot nicht ausdrücklich zurückgenommen, ergebe sich nichts anderes. Schließlich sei die nachträgliche Forderung einer Unterlassungserklärung treuwidrig und daher unzulässig.

In der Sache bestehe ein Verfügungsanspruch nicht. Die Vereinbarung in § 27 des Rahmenvertrages sei bereits nicht einschlägig, weil diese nur die Übernahme von „derzeitigen“ Mitarbeitern verbiete, was sich allein auf die Mitarbeiter zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses beziehe. Nach § 75f HGB könne der Unterlassungsanspruch indes ohnehin nicht gerichtlich durchgesetzt werden, was die Antragsgegnerin weiter ausführt.

Die Antragsgegnerin beantragt,

das Urteil des Landgerichts Köln vom 25. Mai 2021, Az. 31 O 3/21, sowie die einstweilige Verfügung des Landgerichts Köln vom 03. Februar 2021 aufzuheben und den Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung vom 05. Januar 2021 vollständig zurückzuweisen.

Die Antragstellerin beantragt,

              die Berufung zurückzuweisen.

Die Antragstellerin verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags.

II.

Die zulässige Berufung der Antragsgegnerin hat Erfolg und führt zur Aufhebung der einstweiligen Verfügung sowie Zurückweisung des auf ihren Erlass gerichteten Antrags, weil ein Verfügungsanspruch nicht besteht.

1. Ein Verfügungsanspruch ergibt sich weder aus Vertrag noch aus dem Wettbewerbsrecht.

a) Der von der Antragstellerin geltend gemachte Unterlassungsanspruch ergibt sich nicht aus § 27 des zwischen den Parteien geschlossenen Rahmenvertrages.

aa) Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 27 des Rahmenvertrages sind allerdings erfüllt.

In § 27 des Rahmenvertrages haben sich beide Vertragsparteien verpflichtet, „keinen derzeitigen Mitarbeiter oder eine sonst vertraglich verpflichtete Person des anderen Vertragspartners mittelbar oder unmittelbar abzuwerben, sofern diese mit Leistungen aus diesem Vertrag oder einem der Vertragsteile betreut sind“. Die Verpflichtungen gelten für die Dauer des Vertrages.

Gegen diese Vereinbarung hat die Antragsgegnerin verstoßen, indem sie mehreren Mitarbeitern der Antragstellerin, die mit Leistungen aus dem Vertrag betraut waren, angeboten hat, unmittelbar für die Antragsgegnerin tätig zu werden.

Gegen diese Annahme spricht entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin nicht, dass sich das Verbot nach seinem Wortlaut auf „derzeitige“ Mitarbeiter beschränkt. Wie das Landgericht mit Recht angenommen hat, kann die Vertragsklausel nicht dahin ausgelegt werden, dass sich das Abwerbungsverbot allein auf Mitarbeiter bezog, die zum Zeitpunkt des Abschlusses des Rahmenvertrages bereits für die Antragstellerin tätig waren.

Die Auslegung der dem Streit zugrundeliegenden Vereinbarung der Parteien durch den Senat gemäß §§ 133, 157 BGB führt – ausgehend vom Wortlaut der Vereinbarung unter Einbeziehung der außerhalb des Erklärungsaktes liegenden Begleitumstände, des mit der Absprache verfolgten Zwecks sowie der Interessenlage der Parteien – zu keinem anderen Ergebnis. Auf die zutreffenden Ausführungen der angefochtenen Entscheidung kann zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen werden.

Zutreffend geht die Antragsgegnerin davon aus, dass der Wortlaut der Vereinbarung auf eine Begrenzung auf die damaligen Mitarbeiter der Antragstellerin hindeutet. Mit dem Begriff „derzeitigen“ kann allerdings auch bereits nach dem Wortlaut ein Bezug auf die aktuellen Mitarbeiter gemeint gewesen sein, weil aus der Formulierung insgesamt nicht deutlich wird, ob sich der Begriff „derzeitig“ auf den damals aktuellen Zeitpunkt bezog. Auch die weitere Formulierung, die neben den „derzeitigen Mitarbeitern“ auch sonst vertraglich verpflichtete Personen des anderen Vertragspartners mit in das Abwerbeverbot einbezog, spricht gegen eine Beschränkung. Denn es ist nicht ersichtlich, dass insoweit ein Unterschied zwischen den „derzeitigen Mitarbeitern“ und sonstigen Personen gemacht werden sollte.

Jedenfalls der Sinn und Zweck der Vereinbarung und die Begleitumstände sowie die Interessen der Parteien zeigen, dass eine Beschränkung auf die damaligen Mitarbeiter der Beklagten nicht gewollt war. Die Antragstellerin musste der Antragsgegnerin Arbeitskräfte zur Erfüllung der Aufgaben benennen, deren Tätigkeit die Antragsgegnerin überwachen und bewerten konnte. Es war vor diesem Hintergrund für die Antragsgegnerin ohne weiteres möglich, Arbeitskräfte anzusprechen, um sie für eine Tätigkeit unmittelbar bei der Antragsgegnerin zu gewinnen. Diese Gefahr sollte vermieden werden. Ein Grund, dies auf Mitarbeiter der Antragstellerin zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses zu beschränken, ist weder ersichtlich noch vorgetragen. Es kommt hinzu, dass der Schutz der Antragstellerin im Laufe der Zeit reduziert würde, weil ein gewisser Wechsel ihrer Arbeitnehmer zu erwarten ist. Auch dies entspricht nicht den Interessen der Parteien.

Entgegen der Ansicht der Antragstellerin ist nicht unerheblich, ob sich die Auslegung allein auf die Mitarbeiter der Parteien zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses bezog. Zwar mag ein Mitarbeiter der Antragstellerin, den die Antragsgegnerin angesprochen hat, bereits zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses für diese tätig gewesen sein. Die Antragstellerin macht aber einen Unterlassungsanspruch geltend, der sich auf ein Abwerbeverbot bezieht, das sämtliche Mitarbeiter betrifft und keine Beschränkung auf Mitarbeiter zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses enthält.

bb) Die Antragstellerin kann den Unterlassungsanspruch jedenfalls nach § 75f HGB nicht gerichtlich geltend machen.

Die Vertragsklausel fällt grundsätzlich in den Anwendungsbereich des § 75f HGB.

Nach § 75f HGB findet im Falle einer Vereinbarung, durch die sich ein Prinzipal gegenüber einem anderen Prinzipal verpflichtet, einen Handlungsgehilfen, der bei diesem in Dienst ist oder gewesen ist, nicht oder nur unter bestimmten Voraussetzungen anzustellen, keine Klage statt. Anwendbar ist die Vorschrift auch auf eine Vereinbarung zwischen einzelnen Arbeitgebern (vgl. BGH, Urteil vom 30.04.2014 – I ZR 245/12, BGHZ 201, 205 – Abwerbeverbot).

In der vorgenannten Entscheidung geht der BGH weiter davon aus, dass es ohne Bedeutung für die Anwendbarkeit des § 75f HGB ist, ob die Mitarbeiter Handlungsgehilfen gemäß § 59 HGB gewesen sind, weil dem Anwendungsbereich des § 75f HGB alle Arbeitnehmer unterfallen.

Die Vorschrift des § 75f HGB schließt nicht nur die Klagbarkeit von Einstellungsverboten, sondern auch von Vereinbarungen zwischen Unternehmern aus, keine Arbeitskräfte des Vertragspartners abzuwerben (vgl. BGHZ 201, 205 – Abwerbeverbot). Hierfür sprechen neben dem Wortlaut der Norm auch die Entstehungsgeschichte und der Sinn und Zweck der Norm. Denn § 75f HGB soll es Prinzipalen erschweren, die Pflicht zur Zahlung einer Karenz bei nachvertraglichen Wettbewerbsklauseln gegenüber Arbeitnehmern zu umgehen, indem ein Abwerbungsverbot mit einem anderen Prinzipal vereinbart wird. Auch sollen die §§ 74 ff. HGB  den Interessen des Arbeitnehmers an seinem beruflichen Fortkommen nach dem Ende des Anstellungsverhältnisses gegenüber dem Interesse des Unternehmers, sich durch Wettbewerbsverbote vor einer Abwanderung seines Personals zu Konkurrenzunternehmen zu schützen, grundsätzlich der Vorrang eingeräumt werden. Dieser durch § 75f HGB bezweckte Schutz des Arbeitnehmers wird auch durch die Vereinbarung eines Abwerbeverbots zwischen Unternehmern im Allgemeinen in einem Ausmaß beeinträchtigt, dass es gerechtfertigt ist, eine derartige Vereinbarung dem Anwendungsbereich des § 75f HGB zu unterstellen (vgl. BGHZ 201, 205 – Abwerbeverbot).

Dabei verkennt der Senat nicht, dass es besondere Fallkonstellationen gibt, in denen ein die Belange der betroffenen Arbeitnehmer überwiegendes Interesse der Arbeitgeberseite an einer gerichtlichen Durchsetzbarkeit des Abwerbeverbots besteht. Hierzu hat der BGH (BGHZ 201, 205) folgendes ausgeführt:

Auch der Unternehmer als Arbeitgeber hat ein durch Art. 2 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1 GG geschütztes Recht auf wirtschaftliche Betätigungsfreiheit. Das schließt das Recht des Unternehmers ein, in seinem Markterfolg nicht unverhältnismäßig eingeschränkt oder behindert zu werden (vgl. BVerfGE 97, 228, 253; BVerfG, NJWRR 2004, 1710, 1711). Insofern ist § 75f HGB verfassungskonform einschränkend auszulegen. In bestimmten Fällen sind Abwerbeverbote von dem nach dem Wortlaut weiten Anwendungsbereich des § 75f HGB daher auszunehmen und als einklagbar zu behandeln.

a) Dies gilt zunächst für alle die Fälle, in denen das Verhalten des abwerbenden Arbeitgebers eine unlautere geschäftliche Handlung darstellt, deren Verbot nach den Vorschriften des UWG beansprucht werden kann. Gibt in einem derartigen Fall der Verpflichtete eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ab, würde es zu widersprüchlichen Ergebnissen führen, wenn der aus einem derartigen Vertragsstrafeversprechen Berechtigte Ansprüche hieraus wegen § 75f Satz 2 HGB gerichtlich nicht durchsetzen könnte.

b) Nicht in den Anwendungsbereich des § 75f HGB fallen außerdem solche Vereinbarungen, bei denen das Abwerbeverbot nicht Hauptzweck ist, sondern bei denen es nur eine Nebenbestimmung darstellt, die einem besonderen Vertrauensverhältnis der Parteien oder einer besonderen Schutzbedürftigkeit einer der beiden vertragschließenden Seiten Rechnung trägt. Dient ein Abwerbeverbot dem Schutz vor illoyaler Ausnutzung von Erkenntnissen, die im Rahmen solcher Vertragsverhältnisse und ihrer Abwicklung gewonnen worden sind, besteht kein Grund, die gerichtliche Durchsetzbarkeit zu versagen.

Zu dieser Fallgruppe gehören etwa Abwerbeverbote, die bei Risikoprüfungen vor dem Kauf von Unternehmen oder Unternehmensbeteiligungen vereinbart werden (sog. Due-Diligence-Prüfungen) und die vom Anwendungsbereich des § 75f HGB auszunehmen sind. Eine vergleichbare Situation kann bei einer Abspaltung von Unternehmensteilen oder Konzerngesellschaften oder bei Vertriebsvereinbarungen zwischen selbständigen Unternehmen bestehen. Auch in diesen Fallkonstellationen kann die gerichtliche Durchsetzbarkeit von Abwerbeverboten für eine reibungslose Vertragsabwicklung notwendig und eine einschränkende Auslegung des § 75f HGB geboten sein.

Die Voraussetzungen für die Ausnahme der Anwendung des § 75f HGB liegen im vorliegenden Fall indes nicht vor. Zwar handelt es sich bei der Vereinbarung des Abwerbeverbots um eine Nebenpflicht. Allerdings rechtfertigt die Abwägung der sich gegenüberstehenden Interessen unter Berücksichtigung der genannten Grundrechte der Arbeitnehmer und der Antragstellerin es im vorliegenden Fall nicht, die Vorschrift des § 75f HGB verfassungskonform einschränkend auszulegen.

Im Rahmen der Auslegung ist zu berücksichtigen, dass es sich um eine Ausnahmeregelung handelt (vgl. Roth in Baumbach/Hopt, 40. Aufl., § 75 f Rn. 1). Die Ausnahme ist gerechtfertigt, wenn ein besonderes Vertrauen besteht oder einem besonderen Schutzbedürfnis Rechnung zu tragen ist (vgl. Hagen in BeckOK Arbeitsrecht, 60. Edition, Stand: 01.06.2021, § 75f HGB Rn. 6; Boecken/Rudkowski in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 4. Aufl., § 75 f Rn. 9).

Im Rahmen der Abwägung ist zu berücksichtigen, dass das Abwerbeverbot nicht wegen der Gefahr eines Wissenstransfers von der Antragstellerin zu der Antragsgegnerin abgeschlossen wurde, weil die erworbenen Kenntnisse nach der vertraglichen Vereinbarung der Parteien in § 20 des Rahmenvertrages ohnehin allein der Antragsgegnerin zustehen.

Insoweit ist der Fall auch nicht vergleichbar mit dem Sachverhalt, der der vorstehend dargestellten Entscheidung des BGH zugrunde lag. Denn dort schlossen die Parteien, die in räumlicher Nähe zueinander im Nutzfahrzeuggeschäft tätig waren, einen Kooperationsvertrag, der die Zusammenarbeit regelte. Vorliegend wird die Antragstellerin als Auftragnehmerin für die Antragsgegnerin mit Serviceleistungen (hier Betrieb eines Call-Centers) tätig. Ein Konkurrenzverhältnis zwischen den Parteien auf dem Absatzmarkt existiert vor diesem Hintergrund nicht.

Auch die weiteren vom BGH genannten Ausnahmefälle – etwa im Bereich der Due-Diligence-Prüfungen – sind mit dem vorliegenden Fall nicht vergleichbar, weil es an einem für die Abwerbung erheblichen Informationsvorsprung der Antragsgegnerin gegenüber anderen potentiellen Arbeitgebern fehlt.

Soweit die Antragsgegnerin Kenntnisse über die Mitarbeiter der Antragstellerin im Zusammenhang mit der Ausführung des Vertrages erlangt hat und auch deren Arbeitsleistungen beurteilen konnte, rechtfertigt dies keine einschränkende Auslegung des § 75f HGB. Die Antragstellerin hätte sich gegen eine Abwerbung mit vertraglichen Vereinbarungen mit ihren Arbeitnehmern – wie dargelegt – schützen können. Die Antragsgegnerin hat im Rahmen der Zusammenarbeit über die Namen der Arbeitnehmer und deren Tätigkeiten auch keine konkreten weiteren Kenntnisse – etwa über das Gehalt – erhalten. Ein besonderes Vertrauensverhältnis, wie dies der BGH seiner Entscheidung über die Ausnahme zugrunde gelegt hat, gab es zwischen den Parteien nicht. Allein die langjährige Kooperation kann ein solches Vertrauensverhältnis, das die Anwendbarkeit des § 75f HGB ausschließen kann, nicht begründen.

Das Recht der Antragstellerin als Arbeitgeber aus Art. 2 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1 GG  auf wirtschaftliche Betätigungsfreiheit wird nicht so erheblich eingeschränkt, dass dies die Interessen der Arbeitnehmer überwiegen würde. Vielmehr ist die Antragstellerin in erster Linie dem auf dem Arbeitsmarkt üblichen Risiko ausgesetzt, dass Arbeitnehmer abgeworben werden. Kenntnisse, die diese Abwerbung erheblich erleichtern würden, hat die Antragsgegnerin nicht erlangt. Zudem steht den Interessen der Antragstellerin das durch § 75f HGB geschützte Recht der Arbeitnehmer auf freie Arbeitsplatzwahl gegenüber, was – wie dargelegt – auch beinhaltet, dass ein Arbeitgeber einen neuen Arbeitsplatz anbieten kann, ohne Konsequenzen zu befürchten.

Soweit der BGH (BGHZ 201, 205 – Abwerbeverbot) davon ausgeht, dass auch im Falle einer gezielten Behinderung im Sinne von § 4 Nr. 4 UWG die Ausnahmevorschrift nicht anzuwenden ist, führt dies zu keinem anderen Ergebnis, weil – wie noch dazulegen ist – keine Gezielte Behinderung in diesem Sinn vorliegt.

b) Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch ergibt sich nicht aus § 8 Abs. 1, 3 Nr. 1, §§ 3, 4 Nr. 4 UWG. Zwar sind die Parteien Mitbewerber und das angegriffene Verhalten der Antragsgegnerin stellt eine geschäftliche Handlung dar. Jedoch erfüllt es nicht die Voraussetzungen einer gezielten Behinderung im Sinne des § 4 Nr. 4 UWG. Im Einzelnen:

aa) Die Antragstellerin ist als Mitbewerberin der Antragsgegnerin gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG aktivlegitimiert, weil die Antragstellerin und die Antragsgegnerin jeweils um Arbeitskräfte konkurrieren. Hierin liegt ein Wettbewerbsverhältnis im Nachfragewettbewerb, was grundsätzlich ausreichend ist, auch wenn die Parteien – wie hier – nicht im Absatzmarkt miteinander im Wettbewerb stehen (vgl. Köhler in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 39. Aufl., § 4 Rn. 4.104).

bb) Der Versuch des Abwerbens ist eine geschäftliche Handlung im Sinne der § 3 Abs. 1, § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG.

cc) Entgegen der Ansicht der Antragstellerin liegt keine Gezielte Behinderung vor. Zwar stellt das Abwerben von Arbeitnehmern eine Behinderung der Antragstellerin dar, diese ist aber nicht unzulässig.

Eine Behinderung liegt vor, wenn die wettbewerbliche Entfaltungsmöglichkeit des Mitbewerbers unlauter beeinträchtigt wird. Das setzt eine Beeinträchtigung der wettbewerblichen Entfaltungsmöglichkeiten der Mitbewerber voraus, die über die mit jedem Wettbewerb verbundene Beeinträchtigung hinausgeht und bestimmte Unlauterkeitsmerkmale aufweist. Unlauter ist die Beeinträchtigung im Allgemeinen, wenn gezielt der Zweck verfolgt wird, Mitbewerber an ihrer Entfaltung zu hindern und sie dadurch zu verdrängen oder wenn die Behinderung dazu führt, dass die beeinträchtigten Mitbewerber ihre Leistung am Markt durch eigene Anstrengung nicht mehr in angemessener Weise zur Geltung bringen können. Ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, lässt sich nur aufgrund einer Gesamtwürdigung der relevanten Umstände des Einzelfalls unter Berücksichtigung der Interessen der Mitbewerber, Verbraucher oder sonstiger Marktteilnehmer sowie der Allgemeinheit beurteilen (vgl. BGH, Urteil vom 11.10.2017 – I ZR 210/16, GRUR 2018, 317 – Portierungs-Auftrag; Urteil vom 21.02.2002 – I ZR 281/99, GRUR 2002, 902 – Vanity-Nummer). Hierzu zählen alle Wettbewerbsparameter, wie der Absatz, wobei die Eignung zur Behinderung ausreicht, auch wenn diese noch nicht eingetreten ist (vgl. BGH, GRUR 2018, 317 – Portierungs-Auftrag; Köhler in Köhler/Bornkamm/Feddersen aaO, § 4 Nr. 4 Rn. 4.6).

Die Schwelle der als bloße Folge des Wettbewerbs hinzunehmenden Behinderung ist überschritten, wenn das betreffende Verhalten bei objektiver Würdigung der Umstände auf die Beeinträchtigung der wettbewerblichen Entfaltung des Mitbewerbers und nicht in erster Linie auf die Förderung des eigenen Wettbewerbs gerichtet ist (vgl. BGH, Urteil vom 26.06.2008 – I ZR 190/05, GRUR 2008, 917 – EROS). Hierbei sind auch die gesetzlichen Wertungen zu berücksichtigen, insbesondere auch das Interesse der Allgemeinheit an einem unverfälschten Wettbewerb. Das Interesse des Handelnden kann allerdings auch dann zurücktreten, wenn dieses weniger schutzwürdig ist, als das Interesse des Gegenübers oder der Allgemeinheit (vgl. Köhler in Köhler/Bornkamm/Feddersen aaO, § 4 Nr. 4 Rn. 4.11, mwN). Hat eine Handlung bei objektiver Betrachtung nachteilige Auswirkungen auf das Wettbewerbsgeschehen, die so erheblich sind, dass sie unter Berücksichtigung des Schutzzwecks des Gesetzes von den Marktteilnehmern nicht hingenommen werden müssen, dann ist diese ebenfalls als unlauter anzusehen (vgl. BGH, Urteil vom 11.01.2007 – I ZR 96/04, GRUR 2007, 800 – Außendienstmitarbeiter).

Bei der Abwerbung von Arbeitnehmern gilt, dass diese im Grundsatz zulässig ist. Auch insoweit müssen besondere Umstände hinzutreten, die die Unlauterkeit begründen. Diese können in einem verwerflichen Zweck oder aufgrund verwerflicher Mittel gesehen werden (vgl. Köhler in Köhler/Bornkamm/Feddersen aaO, § 4 Rn. 4.103 f., mwN). Der Zweck ist in der Regel unlauter, wenn die Abwerbung die Beeinträchtigung des Mitbewerbers bezweckt oder die unlautere Ausbeutung des Mitbewerbers angestrebt wird (vgl. Köhler in Köhler/Bornkamm/Feddersen aaO, § 4 Rn. 4.105 f., mwN).

Nach diesen Grundsätzen liegt eine Gezielte Behinderung nicht vor. Denn die Antragsgegnerin wollte in erster Linie Arbeitnehmer für den Betrieb eines eigenen Call-Centers gewinnen, ohne dass sie ein Interesse daran hatte, die Antragstellerin zu beeinträchtigen. Dies ergibt sich schon daraus, dass im Bereich des Absatzmarktes kein Wettbewerbsverhältnis besteht, sodass die Antragsgegnerin nicht von einer Beeinträchtigung der Antragstellerin im Absatzmarkt profitieren kann.

Soweit auch die Verleitung zum Vertragsbruch als wettbewerbswidrige Behinderung angesehen werden kann (vgl. Köhler in Köhler/Bornkamm/Feddersen aaO, § 4 Rn. 4.107, mwN), ist eine solche weder ersichtlich noch dargelegt.

c) Ein Verstoß gegen § 7 Abs. 1, 2 Nr. 2 UWG, auf den sich die Antragstellerin berufen hat, liegt nicht vor, wie das Landgericht in dem Beschluss vom 06.01.2021 dargelegt hat. Hiergegen hat sich die Antragstellerin nicht konkret gewandt. Den zutreffenden Ausführungen des Landgerichts (vgl. auch Köhler in Köhler/Bornkamm/Feddersen aaO, § 7 Rn. 141, mwN) schließt sich der Senat an.

d) Auf die Frage, ob die für den Unterlassungsanspruch erforderliche Erstbegehungs- oder Wiederholungsgefahr vorliegt, kommt es vor diesem Hintergrund nicht mehr an. Auch die Frage, ob die Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs treuwidrig im Sinne von § 242 BGB wäre, kann offenbleiben.

2. Ob ein Verfügungsgrund anzunehmen ist, kann ebenfalls offengelassen werden.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Das Urteil ist mit seiner Verkündung rechtskräftig.

4. Der Streitwert für das Berufungsverfahrens wird wie folgt festgesetzt: 120.000 €.

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Schlagworte: Abwerbeverbot, Gezielte Behinderung, Mitbewerber gezielt behindert, unlauterer Wettbewerb, UWG § 4 Nr. 4