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BGH, Urteil vom 07. Dezember 1987 – II ZR 206/87

§ 611 BGB, § 675 BGB, § 323 Abs 1 BGB, § 323 Abs 3 BGB, § 325 Abs 1 S 1 BGB, § 325 Abs 1 S 3 BGB

Zur Frage der Einhaltung bestimmter Dienstzeiten durch den Geschäftsführer einer GmbH sowie des Schadenersatzes bei teilweise nicht erbrachter und unmöglich gewordener Dienstleistung.

Tatbestand

Die Beklagte, die den Kläger im Juli 1984 zu ihrem Geschäftsführer bestellt hatte, kündigte das der Bestellung zugrundeliegende Anstellungsverhältnis mit Schreiben vom 29. Mai und 10. Juni 1985 fristlos.

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit der Kündigung. Der Kläger macht ferner restliche Nettogehaltsansprüche für die Monate Januar und März bis Mai 1985 in Höhe von 33.918,03 DM und für die Monate Juni bis Dezember 1985 einen Bruttobetrag von 105.000 DM geltend. Er verlangt außerdem die Zahlung einer Bruttotantieme von 120.000 DM für das Jahr 1985.

Die Beklagte hat die Höhe der restlichen Nettogehaltsforderung mit 22.125,98 DM errechnet. Die Berechtigung weitergehender Forderungen hat sie bestritten. Die Tantieme sei erfolgsabhängig gewesen. Das sei zwischen den Parteien für die Zeit vom 1. April 1985 an durch Vereinbarung vom 6. Mai 1985 noch einmal ausdrücklich klargestellt worden.

Sie hat im übrigen die Aufrechnung mit drei Schadenersatzforderungen in Höhe von 6.032,88 DM, 38.611,75 DM und 80.000 DM erklärt. Bei dem Betrag von 80.000 DM handle es sich um eine Überzahlung, da dem Kläger in dieser Höhe ein Gehaltsanspruch nicht zustehe. Dieser sei vertraglich verpflichtet gewesen, der Beklagten seine gesamte Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen. Er habe jedoch ohne Kenntnis der Beklagten in jeder Woche freitags und montags für die S. GmbH in S. gearbeitet. Der Kläger selbst habe den Umfang dieser Tätigkeit auf etwa 1/3 der für die Beklagte zu erbringenden Leistung geschätzt.

Das Landgericht hat die Beklagte durch Teilurteil zur Zahlung eines restlichen Nettogehaltes in Höhe von 11.386,29 DM für Januar und März 1985, eines Bruttogehaltes von 20.000 DM für April und Mai 1985 sowie einer Bruttotantieme von 30.000 DM für das erste Quartal 1985 verurteilt. Es hat entschieden, daß die zur Aufrechnung gestellten Forderungen nicht bestehen. Das Berufungsgericht hat dieses Urteil bestätigt. Mit der Revision hat die Beklagte die Entscheidung über die Zuerkennung des Tantiemebetrages sowie die Aberkennung der zur Aufrechnung gestellten Forderungen angegriffen. Der Senat hat die Revision nur insoweit angenommen, als sich die Beklagte gegen die Aberkennung der Gegenforderung von 80.000 DM wendet. Im Umfange der Revisionsannahme verfolgt die Beklagte ihre Revision, deren Zurückweisung der Kläger beantragt, mit den in der Berufungsinstanz gestellten Anträgen weiter.

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Zurückverweisung.

Das Berufungsgericht hat der Beklagten eine Aufrechnung mit der Begründung versagt, daß die von ihr geltend gemachte Forderung von 80.000 DM nicht bestehe. Soweit der Kläger der Beklagten seine Arbeitskraft nicht in vollem Umfange zur Verfügung gestellt habe, bleibe das Maß der geleisteten Arbeit hinter dem vertraglich vereinbarten Umfang zurück. Das stelle eine Schlechterfüllung des Dienstvertrages dar, die einen Anspruch auf Schadenersatz aus positiver Vertragsverletzung, nicht aber auf Rückzahlung des Gehaltes gewähre. Zahlung von Schadenersatz könne die Beklagte jedoch deswegen nicht verlangen, weil sie keinen Schaden dargelegt habe. Dagegen wendet sich die Revision im Ergebnis zu Recht.

Die Beklagte hat gegen den Kläger nach ihrem – für die Revisionsinstanz als zutreffend zu unterstellenden – Sachvortrag sowohl einen Schadenersatzanspruch (§ 325 Abs. 1 BGB) als auch einen Anspruch auf Rückzahlung anteiligen Gehaltes (§§ 325 Abs. 1 Satz 3, 323 Abs. 1 und 3, 812 BGB) geltend gemacht.

1. Der zwischen den Parteien abgeschlossene Anstellungsvertrag stellt einen Dienstvertrag mit Geschäftsbesorgungscharakter dar (vgl. Fleck, Das Dienstverhältnis der Vorstandsmitglieder und Geschäftsführer von Kapitalgesellschaften in der Rechtsprechung des BGH, WM 1968, Sonderbeilage 3, S. 3, 7; BGH, Urt. v. 3. Dezember 1962 – II ZR 63/60, WM 1963, 161). Er ist als ein auf den Austausch von Leistung und Gegenleistung gerichtetes Schuldverhältnis anzusehen, das grundsätzlich den Bestimmungen über gegenseitige Verträge im Sinne der §§ 323ff. BGB unterworfen ist (Fleck, a.a.O. S. 7; BGHZ 10, 187, 192/193; Söllner in MK 1980, § 611 Rdnrn. 12-15 und 113-116; Emmerich in MK 1985, § 323 Rdnrn. 13, 14, 30; Soergel/Kraft, BGB, 11. Aufl., vor § 611 Rdnr. 28; Staudinger/Mohnen, BGB, 11. Aufl. § 611 Rdnrn. 14-16, 18, 19; Staudinger/Kaduk, BGB, 10./11. Aufl., Vorbemerkung zu § 323 Rdnr. 17). Wird die von einem gesellschaftlichen Vertretungsorgan nach dem Dienstvertrag zu erbringende Leistung aus einem von ihm zu vertretenden Umstand unmöglich, kann der Dienstberechtigte Schadenersatz wegen Nichterfüllung (§ 325 Abs. 1 Satz 1 BGB) oder Rückzahlung der bereits geleisteten Vergütung verlangen (§§ 325 Abs. 1 Satz 1 und 3, 323 Abs. 1 und 3, 812 BGB). Der Anspruch auf Gehaltsrückzahlung steht dem Dienstberechtigten auch dann zu, wenn die Unmöglichkeit von keiner der Vertragsparteien zu vertreten ist (§§ 323 Abs. 1 und 3, 812 BGB). Eine Ausnahme davon kann für den Fall einer von dem Dienstverpflichteten nicht zu vertretenden Unmöglichkeit unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben (§ 242 BGB) bei Vorliegen besonderer Umstände, insbesondere dann gelten, wenn das Dienstverhältnis nach Ausgestaltung und Dauer einem Arbeitsverhältnis angenähert ist und das Vertretungsorgan sich im Dienste der Gesellschaft in langjähriger Tätigkeit bewährt hat (BGHZ 10, 187, 192/193; Fleck, a.a.O. S. 7; WM 1981, Sonderbeilage 3 S. 3). Eine derartige Ausnahme scheidet jedoch bei den gegebenen Verhältnissen im vorliegenden Fall aus.

2. Nach dem Vortrag der Parteien ist dem Kläger die Erfüllung seiner Dienste gegenüber der Beklagten zumindest teilweise unmöglich geworden.

Für das Arbeitsverhältnis ist mit Rücksicht auf die Verpflichtung des Arbeitnehmers, seine Arbeitskraft zu bestimmten Arbeitszeiten zur Verfügung zu stellen, anerkannt, daß der Arbeitgeber nicht verpflichtet ist, dem Arbeitnehmer bei Nichteinhaltung der Arbeitszeit für die Zeiten, in denen dieser schuldhaft der Arbeit ferngeblieben ist, eine Vergütung zu zahlen (BAGE 8, 144, 146; Emmerich a.a.O. § 323 Rdnr. 14; Soergel/Kraft a.a.O. § 611 Rdnr. 57; Palandt/Putzo, BGB, 46. Aufl. § 611 Anm. 3e; auch Staudinger/Kaduk a.a.O. § 323 Rdnr. 44/45; Neumann/Duesberg, Der Lohn- und Gehaltsanspruch des Arbeitnehmers bei der vom Arbeitgeber verschuldeten Arbeitsunfähigkeit, DB 1969, 231, 236). Aufgrund der Unterschiede, die zwischen einem Dienstverhältnis mit Geschäftsbesorgungscharakter und einem Arbeitsvertrag bestehen, kann naturgemäß nicht davon ausgegangen werden, daß das Vertretungsorgan einer Gesellschaft wie der Geschäftsführer einer Gesellschaft mit beschränkter HaftungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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an bestimmte Arbeitszeiten gebunden ist. Im Einzelfall kann jedoch auch der Geschäftsführer einer Gesellschaft mit beschränkter HaftungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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nach den mit dieser getroffenen Vereinbarungen verpflichtet sein, seine Dienstleistung zu fest vereinbarten Zeiten zu erbringen und seine Arbeitskraft zu diesen Zeiten zur Verfügung zu stellen, so daß eine versäumte Dienstleistung im Rahmen eines solchen Vertragsverhältnisses, das dann entscheidend von dem Charakter als Dauerschuldverhältnis geprägt wird, nicht nachgeholt werden kann. Nach dem Inhalt des von den Parteien abgeschlossenen Dienstvertrages ist das Fall.

Zwar ist dem Beklagten die inhaltliche Gestaltung und Ausübung seiner Geschäftsführeraufgaben weitgehend selbst überlassen. Lediglich für bestimmte im einzelnen aufgeführte Maßnahmen bedarf er der Zustimmung der GesellschafterversammlungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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. Nach Nr. VIII, 1 ist der Kläger jedoch verpflichtet, seine ganze Arbeitskraft in den Dienst der Beklagten zu stellen. Nach Nr. III, 4 ist mit der vereinbarten Vergütung jede über die normale Arbeitszeit hinausgehende Tätigkeit abgegolten. Daraus ergibt sich, daß die Parteien bei Abschluß des Anstellungsvertrages von einer bestimmten Mindestzeit ausgegangen sind, in welcher der Kläger seine Arbeitskraft der Beklagten vollständig zur Verfügung zu stellen hatte. Aus dem übereinstimmenden Vortrag der Parteien ist zu entnehmen, daß der Kläger für die Beklagte auf jeden Fall von Montag bis Freitag einer jeden Woche, also an den fünf üblichen Wochenarbeitstagen, zur Verfügung stehen und tätig werden sollte. Damit war eine Verlegung der Tätigkeit auf andere Wochentage unter Aussparung bestimmter Wochenarbeitstage sowie eine Konzentration der Tätigkeit auf bestimmte Wochenarbeitstage unter Erhöhung des Arbeitseinsatzes an diesen Tagen ausgeschlossen. Unter diesen Umständen kann eine von dem Kläger an bestimmten Tagen nicht erbrachte Dienstleistung nach der zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarung auch nicht nachgeholt werden. Ihre Erbringung ist unmöglich geworden (vgl. dazu Zöllner a.a.O. § 611 Rdnr. 15; Emmerich a.a.O. § 323 Rdnr. 30; Soergel/Kraft a.a.O. § 611 Rdnrn. 44, 47; Staudinger/Kaduk a.a.O. vor § 323 Rdnr. 17). Da der Kläger nach dem übereinstimmenden Vortrag der Parteien montags und freitags nicht für die Beklagte, sondern für die S. GmbH in S. gearbeitet hat, ist ihm die Erfüllung seiner Dienste teilweise unmöglich geworden (§ 275 BGB).

3. Die Beklagte war, wie sie vorgetragen hat, mit einem solchen Verhalten des Klägers nicht einverstanden. Sie ist vielmehr davon ausgegangen, daß der Kläger in den Räumlichkeiten der S. GmbH an den beiden genannten Wochentagen seine Dienste für sie versah. Danach ist der Kläger seiner dienstlichen Verpflichtung gegenüber der Beklagten an diesen Tagen schuldhaft nicht nachgekommen. Die Beklagte kann daher von dem Kläger Schadenersatz wegen Nichterfüllung verlangen. Ist wie vorliegend der Fall teilweiser Unmöglichkeit gegeben, beschränkt das Gesetz die Rechte des Gläubigers nicht auf das Verlangen von Schadenersatz wegen Nichterfüllung des ganzen Vertrages nach Maßgabe des § 280 Abs. 2 BGB. Entspricht die Teilerfüllung den Interessen des Gläubigers und hält er an ihr fest, ist er berechtigt, Schadenersatz nur wegen des nichterfüllten Vertragsteiles geltend zu machen (BGHZ 36, 316, 318; RGZ 73, 61). Die Klägerin hat Schadenersatz nur insoweit begehrt, als der Beklagte die ihm nach dem Dienstvertrag obliegenden Leistungen nicht erbracht hat. Damit hat sie zu erkennen gegeben, daß sie Schadenersatz nur wegen des nichterfüllten Teils des Dienstvertrages verlangt.

Dem Berufungsgericht kann nicht darin gefolgt werden, daß es an der Darlegung jeglichen Schadens durch die Beklagte fehle. Der Schaden, der einem Dienstberechtigten durch den Vertragsbruch eines Dienstverpflichteten möglicherweise entsteht, kann unterschiedlich hoch und verschiedener Art sein (vgl. dazu Beuthien, Pauschalierter Schadenersatz beim Vertragsbruch des Arbeitnehmers, BB 1973, 92, 93; Knobbe-Keuk, Möglichkeiten und Grenzen abstrakter Schadensberechnung, VersR 1976, 401, 410). Der Mindestschaden des Dienstberechtigten besteht jeweils darin, daß ihm die geldwerten Dienste nicht erbracht werden. Die Höhe dieses Schadens richtet sich nach dem marktüblichen Preis, der für das Erbringen dieser Dienste aufgewandt werden muß (Beuthin a.a.O. S. 92). Hat der Gläubiger dem Dienstverpflichteten die Vergütung bereits erbracht, kann er dieses Entgelt als Mindestschaden zurückverlangen (vgl. Knobbe-Keuk, a.a.O. S. 410; Palandt/Putzo a.a.O. § 611 Anm. 1e dd; Palandt/Heinrichs a.a.O. § 325 Anm. 4 A c bb; B b; BGHZ 62, 119, 120). Die Beklagte kann damit als Schadenersatz den Betrag verlangen, den sie dem Kläger für den nicht erbrachten und unmöglich gewordenen Teil der von ihm nach dem Dienstvertrag zu leistenden Dienste gezahlt hat.

Nach § 325 Abs. 1 Satz 3 BGB ist die Beklagte ferner in der Lage, die sich aus § 323 BGB ergebenden Rechte geltend zu machen. Danach kann sie die für die unmöglich gewordene Leistung dem Kläger gewährte Vergütung nach den Vorschriften über die ungerechtfertigte Bereicherung zurückfordern (§§ 323 Abs. 1, und Abs. 3, 812 Abs. 1 BGB). Dieser Anspruch steht der Beklagten auch dann zu, wenn keine der Parteien die Teilunmöglichkeit der Leistung des Klägers zu vertreten hat.

4. Der Rechtsstreit war zurückzuverweisen, damit das Berufungsgericht die für die Entscheidung des Rechtsstreits erforderlichen Feststellungen – ggf. nach ergänzendem Sachvortrag der Parteien – treffen kann.

Schlagworte: Dienstleistungen, Geschäftsführer - Dienstvertrag, Pflichtverletzung nach § 43 Abs. 2 GmbHG